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Der Unterschied ist atmosphärisch · und meistens habe ich gut geschlafen. Das neue Zuhause: Die...

Date post: 17-Sep-2018
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1 Interview Susanne Mueggler Fotos Hardoskop Hardoskop Winterthur - "Der Unterschied ist atmosphärisch" Seit einem Jahr leben die Bewohnerinnen und Bewohner der Wohngruppe nun nicht mehr in Bülach, sondern in Winterthur. Für das Team und die Bewohner hat dieser Umzug viele Veränderungen mit sich gebracht. Ein Gespräch anlässlich des einjährigen Zusammenlebens in der Villa am Stadtrand zeigt auf: Der Umzug bedeutete für alle Beteiligten mehr als nur ein reiner Wohnortwechsel. Hallo zusammen, gleich zu Beginn, die alles entscheidende Frage: Fühlt ihr euch wohl in Winterthur? Esther Kugler: (lacht laut auf) Ja! Ein uneingeschränktes ja, ich fühle mich wohl! Tiziana Lolli: Ja, ich fühle mich auch sehr wohl. Aufgrund des Nickens gehe ich davon aus, dass ihr euch alle in der Villa wohlfühltMG: (zögert) Es geht so, ich fühle mich nicht unwohl, für mich ist einfach die Stadt nicht so vertraut, ich bin zum Beispiel erst ein Mal in die Buchhandlung Orell Füssli gegangen, so viel habe ich in Winterthur ehrlich gesagt noch nicht gemacht. WH: Ich fühle mich wohl, doch jaDie Meinungen scheinen ein bisschen auseinanderzugehen, doch der Grundtenor scheint dennoch positiv zu seinHat sich der Umzug eurer Meinung nach denn gelohnt? Tiziana Lolli: Ja, auf alle Fälle. Dank des Umzugs haben wir auch mehr Autonomie erlangt, zum Beispiel durch die Einführung des Tagesdienstes und eines klareren Konzepts. Und das grosse, wunderschöne Haus bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern mehr Platz – mehr Raum zum Leben. WH: Für mich hat sich der Umzug auch gelohnt! Ich habe jetzt ein viel grösseres Zimmer und seit neustem haben wir ein neues Mineralwasser, das ich viel besser finde! MG: Für mich hat sich der Umzug bis jetzt ehrlich gesagt noch nicht gross gelohnt. Gut, ich lebe halt immer noch etwas in der Vergangenheit. Was hätte dir denn geholfen, dass du den Umzug als gelungen empfunden hättest? MG: Um zu sagen, dass sich der Umzug gelohnt hat, müsste ich mit der Stadt vertrauter werden und eben, wie vorher erwähnt, Leute kennen lernen, das probiere ich jetzt auch. Gut, ich muss auch sagen, dass ich ein schwieriges Jahr hatte: als wir umgezogen sind, war ich 2 Monate in der Klinik, dann war ich hier im neuen Haus und dann schon wieder 2 Monate in der Klinik. Das Jahr war nicht so easy, aber jetzt geht es mir recht gut. Ich packe jetzt auch Dinge an, wie einen Englischkurs. Ja, jetzt im Moment bin ich an einem guten Punkt. Wie war für euch Anderen das letzte Jahr in Winterthur? Michael Moranz: Am Anfang deutlich anstrengend. Wir konnten auf dem Papier schwer abschätzen, wie die nächsten Monate mit dem Tagdienst ablaufen werden, die ganzen Gebäude- und Unterhalts- geschichten, die anstandenAuch abzuschätzen, was wird der Reinigungsdienst erledigen, welche Tätigkeiten werden wir übernehmen, wie wir die Grosseinkäufe meistern werden - organisatorische Geschichten. Die Tage waren lang und voll. Auch die Bewohner mussten sich erst daran gewöhnen. Nun wissen die Bewohnerinnen und Bewohner, wie es funktioniert, kennen das Haus. Nun haben wir mehr Zeit für spezielle Sachen. Die kleinen Highlights des letzten Jahres waren die internationale Kochwoche und die Restaurierung eines Schreibtischs - praktische Arbeiten mit einem Ergebnis. So haben wir und die Bewohner Erfolgserlebnisse. Auch erhalten wir laufend Anfragen von neuen Bewerbern und sehr positive Feedbacks. PK: Für mich war das letzte Jahr auch positiv. Ich hatte mehr Bewegung und habe mehr unternommen und viel gelesenund meistens habe ich gut geschlafen. Das neue Zuhause: Die Villa am Stadtrand "Die Alltagsroutine ist eingekehrt."
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Page 1: Der Unterschied ist atmosphärisch · und meistens habe ich gut geschlafen. Das neue Zuhause: Die Villa am Stadtrand "Die Alltagsroutine ist eingekehrt." ... ihr eigenes Daheim" !

1  Interview  Susanne  Mueggler  Fotos  Hardoskop    

Hardoskop Winterthur -

"Der Unterschied ist atmosphärisch"

Seit einem Jahr leben die Bewohnerinnen und Bewohner der Wohngruppe nun nicht mehr in Bülach, sondern in Winterthur. Für das Team und die Bewohner hat dieser Umzug viele Veränderungen mit sich gebracht. Ein Gespräch anlässlich des einjährigen Zusammenlebens in der Villa am Stadtrand zeigt auf: Der Umzug bedeutete für alle Beteiligten mehr als nur ein reiner Wohnortwechsel.

Hallo zusammen, gleich zu Beginn, die alles entscheidende Frage: Fühlt ihr euch wohl in Winterthur?

Esther Kugler: (lacht laut auf) Ja! Ein uneingeschränktes ja, ich fühle mich wohl!

Tiziana Lolli: Ja, ich fühle mich auch sehr wohl. Aufgrund des Nickens gehe ich davon aus, dass ihr euch alle in der Villa wohlfühlt…

MG:   (zögert) Es geht so, ich fühle mich nicht unwohl, für mich ist einfach die Stadt nicht so vertraut, ich bin zum Beispiel erst ein Mal in die Buchhandlung Orell Füssli gegangen, so viel habe ich in Winterthur ehrlich gesagt noch nicht gemacht.

WH: Ich fühle mich wohl, doch ja…

Die Meinungen scheinen ein bisschen auseinanderzugehen, doch der Grundtenor scheint dennoch positiv zu sein… Hat sich der Umzug eurer Meinung nach denn gelohnt?

Tiziana Lolli: Ja, auf alle Fälle. Dank des Umzugs haben wir auch mehr Autonomie erlangt, zum Beispiel durch die Einführung des Tagesdienstes und eines klareren Konzepts. Und das grosse, wunderschöne Haus bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern mehr Platz – mehr Raum zum Leben.

WH: Für mich hat sich der Umzug auch gelohnt! Ich habe jetzt ein viel grösseres Zimmer und seit neustem haben wir ein neues Mineralwasser, das ich viel besser finde!

MG: Für mich hat sich der Umzug bis jetzt ehrlich gesagt noch nicht gross gelohnt. Gut, ich lebe halt immer noch etwas in der Vergangenheit. Was hätte dir denn geholfen, dass du den Umzug als gelungen empfunden hättest?

MG: Um zu sagen, dass sich der Umzug gelohnt hat, müsste ich mit der Stadt vertrauter werden und

eben, wie vorher erwähnt, Leute kennen lernen, das probiere ich jetzt auch.

Gut, ich muss auch sagen, dass ich ein schwieriges Jahr hatte: als wir umgezogen sind, war ich 2 Monate in der Klinik, dann war ich hier im neuen Haus und dann schon wieder 2 Monate in der Klinik. Das Jahr war nicht so easy, aber jetzt geht es mir recht gut. Ich packe jetzt auch Dinge an, wie einen Englischkurs. Ja, jetzt im Moment bin ich an einem guten Punkt.

Wie war für euch Anderen das letzte Jahr in Winterthur?

Michael Moranz:  Am Anfang deutlich anstrengend. Wir konnten auf dem Papier schwer abschätzen, wie die nächsten Monate mit dem Tagdienst ablaufen werden, die ganzen Gebäude- und Unterhalts-geschichten, die anstanden… Auch abzuschätzen, was wird der Reinigungsdienst erledigen, welche Tätigkeiten werden wir übernehmen, wie wir die Grosseinkäufe meistern werden - organisatorische Geschichten. Die Tage waren lang und voll.

Auch die Bewohner mussten sich erst daran gewöhnen. Nun wissen die Bewohnerinnen und Bewohner, wie es funktioniert, kennen das Haus. Nun haben wir mehr Zeit für spezielle Sachen. Die kleinen Highlights des letzten Jahres waren die internationale Kochwoche und die Restaurierung eines Schreibtischs - praktische Arbeiten mit einem Ergebnis. So haben wir und die Bewohner Erfolgserlebnisse. Auch erhalten wir laufend Anfragen von neuen Bewerbern und sehr positive Feedbacks.

PK:  Für mich war das letzte Jahr auch positiv. Ich hatte mehr Bewegung und habe mehr unternommen und viel gelesen… und meistens habe ich gut geschlafen.

Das neue Zuhause: Die Villa am Stadtrand

"Die Alltagsroutine ist eingekehrt."

 

Page 2: Der Unterschied ist atmosphärisch · und meistens habe ich gut geschlafen. Das neue Zuhause: Die Villa am Stadtrand "Die Alltagsroutine ist eingekehrt." ... ihr eigenes Daheim" !

2  Was hat sich für euch denn geändert seit dem Umzug von Bülach nach Winterthur?

MG: (lacht) Ich weiss es nicht. Nein, ich kenne Winterthur einfach noch nicht und Bülach kannte ich

recht gut. Man könnte sagen, dass ich noch nicht richtig angekommen bin in Winterthur, aber ich bin dabei, das zu ändern. Im August beginne ich eben diesen Englischkurs und hoffe so, auch Winterthurer kennen zu lernen.

Esther Kugler: Der Unterschied ist atmosphärisch… In Winterthur können wir ein Konzept verwirklichen, mit dem wir uns schon länger beschäftigt haben. In Bülach hatte es nicht geklappt.

PK: Für mich gab es keine allzu grossen Veränderungen. Ich habe bereits vor Bülach in Winterthur gelebt, und es war mehr ein "Nachhause-kommen" für mich. Die grössere Veränderung für mich war der Umzug damals nach Bülach, da ich vorher alleine gelebt habe. Mittlerweile schätze ich jedoch das Zusammenleben in der WG, den Kontakt mit anderen Menschen.

Michael Moranz: Ich habe einen kürzeren Arbeitsweg und der Arbeitsalltag hat sich verändert: Die Einführung des Tagesdienstes bedeutet, eine ganze Woche die Verantwortung für die Hauswirtschaft zu tragen, und den Alltag gemeinsam mit den Bewohnern zu bewältigen. Zudem sind wir nicht mehr nur Mieter, sondern eigenverantwortlich für den Gebäudeunterhalt. Dazu gehört die Dachsanierung, der Heizungsunterhalt, die Gartenpflege… Alles was es mit sich bringt, ein Haus im Stand zu halten.

ThB: Meiner Meinung nach hat sich der Alltag in Winterthur erschwert. Das Haus ist weitläufiger.

Inwiefern erschwert dir die Weitläufigkeit den Alltag?

ThB: Ich muss mehr laufen als in Bülach.

Was ist für euch abgesehen vom neuen Haus der grösste Unterschied zwischen Bülach und Winterthur?

Tiziana Lolli: Die konzeptionelle Änderung mit der Einführung des Tagesdienstes ist für mich der grösste Unterschied. Zudem sind nun die Aufgaben klarer verteilt. Und der Arbeitsweg: 174 Stufen bis zur Villa.

MG: (überlegt lange) Die Nähe zum Wald. So kann ich regelmässig Joggen gehen. Das gefällt mir gut in Winterthur.

Michael Moranz:  Durch den Tagesdienst sind wir – wie Tiziana Lolli bereits zu Beginn sagte – viel autonomer. Wir bieten nun eine komplette Tagesstruktur an, die vorher nur punktuell angeboten wurde. Leute, die extern schwer einzubinden waren, können nun in eine interne Tagesstruktur eingebunden werden und laufen so nicht Gefahr, dass sie dem "nichts-tun" verfallen.

Alle können so bereits von Anfang an etwas Sinnvolles tun und so fühlen sich auch relativ

schnell zuhause, denn sie gestalten und schaffen ihr eigenes Daheim. Seit einem Jahr kocht ihr selbst das Mittag-essen; was bedeutete das am Anfang für euch persönlich und für die Bewohner und was bedeutet es jetzt?

Esther Kugler: Für mich bedeutet es, dass wir einen weiteren Aspekt des Zusammenlebens zelebrieren können. Es bietet uns allen so wieder eine Möglichkeit des Miteinanders.

ThB: Ich finde das sehr gut. Ich mag das Essen, das wir kochen. Wie lange dauerte es, bis ihr euch in Winterthur und in der Villa und in eurem Zimmer eingelebt habt?

WH: 2 Monate!

Esther Kugler: Das ging nicht lange… aber ich kann es nicht genau sagen. Hattest du Heimweh zu Beginn?

Esther Kugler: Nein, nie.. höchstens - in Bülach war alles zu Fuss zu erreichen. Der Einkauf war einfacher, wir konnten im benachbarten Hofladen einkaufen und hatten sehr schöne Kontakte mit den Besitzern und den anderen Kunden. Es war weniger anonym. Was war die positivste Veränderung im letzten Jahr?

ThB: (denkt nach) Dass sich nicht alles verändert hat, dass ich trotz den vielen Veränderungen nach

"Sie gestalten und schaffen ihr eigenes Daheim"

 

"Ich hoffe, Winterthurer kennen zu lernen."

 

Die Villa ist auf einer aussichtsreichen Gelände- Terrasse gelegen  

Page 3: Der Unterschied ist atmosphärisch · und meistens habe ich gut geschlafen. Das neue Zuhause: Die Villa am Stadtrand "Die Alltagsroutine ist eingekehrt." ... ihr eigenes Daheim" !

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Villa „Obere Halde“ Die Villa „Obere Halde“ wurde 1907/1908 durch die Architekten Bridler und Völki im romantischen Heimatstil erbaut. Die Villa wurde erstellt und bewohnt durch Dr. h.c. Robert Heinrich Sulzer (1873-1953) Ing. ETH und seiner Frau Emma Elisabeth Forrer (1882-1962).

Quelle: www.winterthur-glossar.ch

wie vor am gleichen Arbeitsplatz in Bülach arbeiten kann.

Michael Moranz: Ganz eindeutig die Tagesstruktur und die erwähnten 174 Stufen haben auch Vorteile! Das Haus bietet durch die weitere Entfernung zur Stadt auch mehr Schutzraum. So banal wie es ist: Wenn du erst 20 Minuten unterwegs sein musst zur nächsten Bushaltestelle, dann überlegst du es dir eher, ob du nochmals in die Stadt runter gehst. Und was denkt ihr, war für die Bewohner die grösste Veränderung?

Tiziana Lolli: Ganz eindeutig, ich höre und beobachte das jeden Tag auf Neue: die Steigerung der Wohn- und somit der Lebensqualität. Hattet ihr Erwartungen, die nicht in Erfüllung gingen?

WH: Nein, ich hatte keine Erwartungen, ich habe jedoch befürchtet, dass es schlimm rauskommt, weil ich nicht gern umziehe. Als ich jedoch hier war, war alles gut.

Michael Moranz:  (zieht die Stirn kraus) Hm.. Wenn ich nach unerfüllten Erwartungen suchen muss, dann das: Ich hatte die Hoffnung, dass Winterthur als Stadt mehr Events oder Kinos bietet, einfach noch mehr kulturelle Angebote, die wir in Anspruch nehmen können. Diese Möglichkeiten haben wir uns bis jetzt noch nicht voll erschlossen. Aber im Prinzip sind die Erwartungen mehr als aufgegangen.

Tiziana Lolli: Nein, alle Erwartungen wurden erfüllt. Wo sehr ihr die WG oder euch persönlich in der WG in einem halben Jahr?

Esther Kugler: Unterwegs, - einfach gut unterwegs..

MG:   Dass ich engagierter bin; Musikproben, Englischkurs, dass ich viel mache und es auch geniesse…

Michael Moranz: Das Nächste, das sicher ansteht, ist das Kutscherhaus nebenan. Diese potenzielle zusätzliche "Klein-WG" wird sicher nochmals eine nicht unwesentliche Veränderung geben - mit der Perspektive, mehr Eigenständigkeit zu erreichen. Wir haben mit dem Kutscherhaus eine neue Perspektive sozusagen gratis dazu erhalten.

PK: Ich hoffe für mich, dass ich in einem halben Jahr alles ein bisschen gelassener nehmen kann, dass ich ein bisschen abgeklärter bin - vor allem in

Bezug auf das Putzen. In so einem grossen Haus gibt es immer etwas zu tun und ich muss lernen, mich mehr zu distanzieren. Ich möchte lernen, Unordnung auch mal Unordnung sein zu lassen, ich möchte lernen, mich besser zu entspannen und abzuschalten. Der Wald hilft mir jetzt schon dabei, mich zu entspannen. Und was wünscht ihr der Wohngruppe Hardoskop sozusagen zum 1. Geburtstag in Winterthur?

PK: Ich habe keinen Geburtstagswunsch, aber ich möchte zum Schluss noch sagen, dass ich es als positiv sehe, dass wir nach Winterthur gezogen sind.    

Michael Moranz: Ich wünsche uns – den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie dem Team – dass wir den Weg genauso weitergehen können, wie wir angefangen haben. Und ich wünsche uns, dass uns grössere Krisen erspart bleiben.

Liebe Bewohner, liebes Team, ich danke euch

für das Gespräch!

Das Anwesen ist heute im Besitz des Kantons Zürich. Die Wohngruppe Hardoskop Winterthur ist für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung und einer Suchtproblematik ein rund um die Uhr betreutes Zuhause. Dies kann von vorübergehender Dauer sein oder als langfristiges Daheim Lebensqualität, Unterstützung und Geborgenheit sichern.

 

"Der Wald hilft mir, mich zu entspannen"

 


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