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Black Box 09/2019 - duesseldorf.de

Date post: 21-Nov-2021
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O9 2O19
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O9 2O19

P ROGRAMM SePteMbeR

Roland Klick zum 8O. Geburtstag 7La Frontera – bilder und erzählungen von der mexikanisch/US-amerikanischen Grenze 28Sachs (und) Rinneberg: Fragen zu Form und Funktion des Filmischen 36Architektur und Film-Special Japanische Moderne: tadao Ando/Arata Isozaki 42erstaufführung 46

Neu restauriert 48Stummfilm + Musik 5OStationen der Filmgeschichte 52Filmclubs: Filme im Original 61Filmmatinee: Facetten der Humanität 7O42nd Street Düsseldorf 72Filmklassiker am Nachmittag 74Psychoanalyse & Film 76

SO Erstaufführung16:00 CARRÉ 35 47

O1 Éric Caravaca · F·D 2017

Roland Klick zum 80. Geburtstag17:30 ROLAND KLICK: 11

tHe HeARt IS A HUNGRY HUNteRSandra Prechtel · D 2013

MONtAGS KeINe VORSteLLUNG

DI Filmklassiker am Nachmittag15:00 FAMILIeNANSCHLUSS 75

O3 Carl Boese · D 1941

Stationen der Filmgeschichte20:00 ZAZIe DANS Le MÉtRO 54

ZAZIELouis Malle · F·I 1960 · mit Einführung

MI Roland Klick zum 80. Geburtstag20:00 DeADLOCK 12

O4 Roland Klick · BRD 1970 · mit Einführung

DO Griechischer Filmclub20:00 KYNODONtAS 63

O5 DOGTOOTH Yorgos Lanthimos · GR 2009 · mit Einführung

FR 42nd Street Düsseldorf: „Zombiethon!“20:30 HARD ROCK ZOMbIeS 73

O6 HARDROCK-ZOMBIESKrishna Shah · USA 1985

42nd Street Düsseldorf: „Zombiethon!“22:30 INCUbO SULLA CIttÀ CONtAMINAtA 73

GROSSANGRIFF DER ZOMBIES Umberto Lenzi · I·MEX·E 1980

SA Roland Klick zum 80. Geburtstag19:00 bÜbCHeN 14

O7 Roland Klick · BRD 1968

SO Roland Klick zum 80. Geburtstag15:00 LIeb VAteRLAND MAGSt RUHIG SeIN 15

O8 Roland Klick · BRD 1976

Erstaufführung17:30 CARRÉ 35 47

Éric Caravaca · F·D 2017

MONtAGS KeINe VORSteLLUNG

DI Stationen der Filmgeschichte20:00 eL eSPÍRItU De LA COLMeNA 57

1O DER GEIST DES BIENENSTOCKSVictor Erice · E 1973 · mit Einführung

MI Sachs (und) Rinneberg

20:00 KURZFILMPROGRAMM I (CA. 6O MIN) 3711 •SPÄteR IN SKOPJe Hans Sachs · D 1963

•FÜNFZIG MINUteN WARteN Hans Sachs · D 1965

•eMeLKA-PALASt DAS KINO ISt UNZeRStÖRbAR – AUCH WeNN HIeR DAS GeGeNteIL GeSCHIeHt! Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D 1985-87

•DeR FILM, DeN NIeMAND SIeHtHans Sachs, Anton Triyandafilidis · D 1964

•CAMILLA HORN SIeHt SICH ALS GRetCHeN IN MURNAUS StUMMFILM Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D 1981

DO Spanischer Filmclub

20:00 IMPULSO 6412 Emilio Belmonte · F·E 2017

FR La Frontera

19:00 eL NORte 3013 Gregory Nava · USA·GB 1983

Roland Klick zum 80. Geburtstag21:30 WHIte StAR 19

Roland Klick · BRD 1983

SA Roland Klick zum 80. Geburtstag19:00 SUPeRMARKt 20

14 Roland Klick · BRD 1974 Im Anschluss: Publikumsgespräch mit Roland Klick.

SO Roland Klick zum 80. Geburtstag15:00 KURZFILMe (1963-1966) 22

15 •WeIHNACHt Roland Klick · BRD 1963•LUDWIG Roland Klick · BRD 1964•ZWeI Roland Klick · BRD 1965•JIMMY ORPHeUS Roland Klick · BRD 1966

Roland Klick führt durch das Kurzfilmprogramm.

Neu restauriert18:O0 IMMeNSee 49

Veit Harlan · D 1943

MONtAGS KeINe VORSteLLUNG

DI Stationen der Filmgeschichte20:00 ORLANDO 58

17 Sally Potter · GB·F·I·NL·RU 1988 · mit Einführung

MI La Frontera20:00 SICARIO 32

18 Denis Villeneuve · USA 2015

DO Italienischer Filmclub20:00 tUttI I SANtI GIORNI 6719 TAGEIN TAGAUS

Paolo Virzì · I 2012 · mit Einführung

FR Neu restauriert19:00 IMMeNSee 492O Veit Harlan · D 1943

Roland Klick zum 80. Geburtstag21:00 bÜbCHeN 14

Roland Klick · BRD 1968 · mit Einführung

SA Sachs (und) Rinneberg19:00 KURZFILMPROGRAMM II (CA. 6O MIN) 39

21 •StRIeSe Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D 1979•KONKURS_KON=KURS

Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D 1982•JUDItH (12) Hans Sachs, Helga Sachs · D 1972•DIe beLAGeRUNG Hans Sachs · D 1964•IM SIebteN MONAt Hans Sachs · D 1968

Roland Klick zum 80. Geburtstag21:00 WHIte StAR 19

Roland Klick · BRD 1983

SO Filmmatinee: Facetten der Humanität11:30 Le bRIO 7

22 DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEÏLAYvan Attal · F·B 2017 · mit Einführung

La Frontera15:00 De L’AUtRe CÔtÉ 33

JENSEITS VON SONORA – MEXIKOChantal Akerman · F·B·AUS·FIN 2002 · mit Einführung

Roland Klick zum 80. Geburtstag17:30 SUPeRMARKt 20

Roland Klick · BRD 1974

MO Architektur & Film SpecialJapanische Moderne: Tadao Ando/Arata Isozaki

23 DOUBLE FEATURE: 4320:00 ARAtA ISOZAKA: eARLY WORK IN JAPAN

Michael Blackwood · USA 1985

Im Anschluss: SAMURAI ARCHIteCt: tADAO ANDO

Yu Nakamura, Shigenori Mizuno · J 2015

DI Stationen der Filmgeschichte20:00 FILMAbeND GeRMAINe DULAC 60

24 •ANtOINette SAbRIeR Germaine Dulac · F 1927

•LA COQUILLe et Le CLeRGYMAN DIE MUSCHEL UND DER KLERIKERGermaine Dulac · F 1927

•tHÈMeS et VARIAtIONS THEMA UND VARIATIONENGermaine Dulac · F 1929 Mit Einführung und Klavierbegleitung.

MI Roland Klick zum 80. Geburtstag20:00 DeRbY-FIebeR 24

25 DERBY-FEVER USARoland Klick · BRD·USA 1979 · mit Einführung

DO Französischer Filmclub20:00 Le ReDOUtAbLe 68

26 GODARD MON AMOURMichel Hazanavicius · F 2017 · mit Einführung

FR Psychoanalyse & Film19:00 LIttLe bIG MAN 77

27 Arthur Penn · USA 1970 · mit Vortrag und Diskussion

SA Stummfilm + Musik20:00 FAUSt 51

28 F.W. Murnau · D 1926Im Vorprogramm: CAMILLA HORN SIeHt SICH ALS GRetCHeN IN MURNAUS StUMMFILM Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D 1981

SO La Frontera13:00 eL MAR LA MAR 34

29 Joshua Bonnetta, J.P. Sniadecki · USA 2017Im Vorprogramm:

M.A.M.O.N. – MONItOR AGAINSt MeXICANS OVeR NAtIONWIDeAle Damiani · MEX·UR 2016

Roland Klick zum 80. Geburtstag15:00 SCHLUCKAUF 27

Roland Klick · D 1992

Roland Klick zum 80. Geburtstag17:30 DeADLOCK 12

Roland Klick · BRD 1970

MONtAGS KeINe VORSteLLUNG

7Set-Foto von Deadlock

ROLAND KLICK ZUM 8O. GebURtStAGWeRKSCHAU UND FOYeR-AUSSteLLUNG 1. – 29.9.

p „Roland Klick versöhnt die brachialen Reize des Genrekinos mit einer an Antonioni geschulten Sensibilität.” (taz, Christina Nord)

Roland Klick, für viele noch immer ein Unbekannter, ist eine lebende Legende. Vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren nahm er im Kino der BRD eine Sonderrolle ein, entwarf in nur sieben Filmen seine ganz eigene Vision vom Kino und widerspricht jeder üblichen Assoziation mit der deutschen Filmgeschichte. So ist sein Werk als eine Antithese des Neuen Deutschen Films zu begreifen, dessen Kino er als „publikumsfeindlich” betitelte. Ganz anders muten seine Werke an: Sinnliches Kino, das auf schon fast magische Weise unglaubliche Energie versprüht. „Mein Erfolg ist, dass alles, was ich bisher gemacht habe, letztendlich auf irgendeine Weise, ob gut oder schlecht, eben Kino ist.” (Roland Klick)

Als seine Filmschule bezeichnet er immer wieder Michelangelo Antonionis LA NOTTE (1961): hochkonzentrierte Bilder, Genauigkeit und inhaltliche Offenheit, indem Erklärungsansätze verweigert werden. Ebenso sind Klicks Figuren nie eindeutig, sondern immer gebrochen und widersprüchlich: verlorene Einzelkämpfer, die sich gegen ihre Umwelt behaupten müssen. Es handelt sich um Genre-kino von brachialer Energie, das über seine eigene Form hinausweist

und Klick hochkarätige Fans wie zum Beispiel Alejandro Jodorowsky, Quentin Tarantino oder Steven Spielberg (der ihn direkt nach Holly-wood holen wollte) und fünf Bundesfilmpreise bescherte. Die Teil-nahme bei den Internationen Filmfestspielen von Cannes 1971 wurde ihm hingegen vereitelt, nachdem die deutsche Filmbranche auf die Barrikaden ging. Als Klick in Cannes aus dem Flugzeug stieg, musste er kurz darauf feststellen, dass sein Film DEADLOCK anstatt im Wettbewerb nur in einer Sondervorstellung gezeigt wird. War die Zeit noch nicht reif für das Kino von Roland Klick?

Das Filmmuseum zeigt in einer umfassenden Werkschau sämtliche Langfilme und in einem Sonderprogramm seine frühen Kurzfilme.

➜ Roland Klick wird am Samstag, den 14.9. um 19:00 Uhr zu einem Publikums gespräch in der Black Box zu Gast sein. Am Sonntag, den 15.9. führt er um 15:00 Uhr durch ein Programm seiner frühen Kurzfilme.

Parallel zu der Filmreihe wird im Foyer eine Ausstellung mit unveröffentlichten Set-Fotos von den Dreharbeiten zu DEADLOCK zu sehen sein.

Mit freundlicher Unterstützung durch die Filmgalerie 451. (Frieder Schlaich)

88 Roland Klick zum 80. Geburtstag

Parallel zu der Filmreihe wird im Foyer eine Ausstellung mit unveröffentlichten Set-Fotos von den Dreharbeiten zu DEADLOCK zu sehen sein.

9

Roland Klick während der Dreharbeiten zu DEADLOCK

Hommage an Bo Widerberg10

SO 1.9. 17:3O

ROLAND KLICK: tHe HeARt IS A HUNGRY HUNteR D 2013 · 80 min · DF/OmU · digitalDCP · FSK 12R/B: Sandra Prechtel · K: Susanne Schüle · mit Roland Klick, Eva Mattes, Otto Sander, Hark Bohm, David Hess und Jost Vacano

In Sandra Prechtels Film zeigt sich Klick in seiner ganzen umwerfenden Geradlinigkeit. Otto Sander erinnert sich an seinen ersten Leinwandauftritt in LUDWIG (1964). Eva Mattes lässt eine ihrer schönsten Rollen Revue passieren und erzählt über den Dreh von SUPERMARKT (1974). Hark Bohm gedenkt seinem Bruder Marquard, der durch DEADLOCK (1970) zum Star wurde. Und Horrorfilm-Ikone David Hess, der in WHITE STAR (1983) an Hoppers Seite wütete, deutet Klicks Drama aus US-amerika-nischer Sicht: „He was a dreamer inside a Deutscher - it's not an easy thing to be.“

p „Schlaglichter auf einen übergangenen Seitenarm der deutschen Filmgeschichte: Prechtels Film ist ein schöner Parcours, der sich Ästhetik und Habitus von Klicks Filmen glücklicherweise nicht anverwandelt. Ein Gewinn ist die Nähe, die Prechtel sucht [...] Klick ist ein ansteckender Kinoenthusiast ohne Snoballüren, ein Getriebener seiner Träume. Einer, der sich, seinen Figuren nicht unähnlich, ganz und gar an eine Sache vergeudet.“ (taz, Thomas Groh)

Roland Klick zum 80. Geburtstag 11

Mi 4.9. 2O:OO | SO 29.9. 17:3O

DeADLOCK BRD 1970 · 85 min · DF · 35mm · FSK 16 • R/B: Roland Klick · K: Robert van Ackeren D: Mario Adorf, Marquard Bohm, Anthony Dawson, Mascha Rabben u.a.

„DEADLOCK ist phantastisch. Ein bizarrer, glühender Film.“ (Alejandro Jodorowsky)

Marquard Bohm, der „deutsche Belmondo“, trifft als Ganove „Kid“, angeschossen und halb verdurstet, in der mexikanischen Wüste auf seinen Compagnon „Sunshine“ (Anthony Dawson). In der ver-lassenen Minenstadt Deadlock will er die Beute eines gemeinsamen Bankraubs mit ihm teilen. Die Geisterstadt wird von Mario Adorf alias Charles Dump und seiner Tochter Jessi (Mascha Rabben) bewohnt, der kläglich versucht, den beiden Gangstern die Beute abzujagen.

p

DEADLOCK ist ein brutaler Reißer, ein hitziger und atmosphärischer Western, formal außergewöhnlich und durch seine immer wieder Haken schlagende Dramaturgie hochspannend. Roland Klick drehte mit minimalistischen Mitteln (sechs Personen an einem Schauplatz) in der israelischen Wüste am Roten Meer und erschafft mit Kamera-mann Robert von Ackeren nahezu halluzinogene Bilder, die sym-biotisch mit dem Soundtrack der Band CAN verschmelzen. Genre-kino, bewusst artifiziell und ein Film seiner Generation: Ein wahres Abenteuer – gedreht wurde während des Sechstagekrieges in den Feuerpausen –, ein psychodelischer Ausbruch aus den Fesseln des „Neuen Deutschen Films“ und zugleich ein Film klassischer Machart: HIGH NOON (1952), LE SALAIRE DE LA PEUR (1953), C’ERA UNA VOLTA IL WEST (1968) haben offensichtlich Pate gestanden.

Einführung am 4.9.: Florian Deterding (Filmmuseum)

12 Roland Klick zum 80. Geburtstag

13

SA 7.9. 19:OO | Fr 2O.9. 21:OO

bÜbCHeNBRD 1968 · 86 min · DF · digitalDCP · FSK 16 • R/B: Roland Klick K: Robert van Ackeren · D: Sascha Urchs, Sieghardt Rupp, Edith Volkmann u.a.

„Filme sollten nicht antworten, denn es gibt nur Fragen, und die Fragen stellen sich durch die Realität, und die muss man zulassen. Jeder Versuch, so zu tun, als gebe es Lösungen, ist im Grunde Betrug.“ (Roland Klick)

Ein Kind bringt ein Kind um. Roland Klicks Erstling atmet den Zeitgeist der bundesdeutschen 1960er-Jahre und lässt die luft-abschnürende Atmosphäre in eine schreckliche Tat münden: Der kleine Achim wird mit seiner etwa gleichaltrigen Schwester Katrin alleingelassen. Der eher verschlossene Junge stülpt dem Mädchen eine Plastiktüte über den Kopf und schaut zu, wie seine Schwester erstickt. Die Leiche entsorgt er mit einem Bollerwagen auf einer Müllhalde.

BÜBCHEN ließ nach seinem Kinostart das Publikum irritiert zurück. Befremdlich wirkte nicht nur die Tat des kleinen Jungen, sondern auch das Verhalten des Vaters, der – nachdem er seine tote

p

Tochter gefunden hat – alle Spuren beseitigt und zur Tagesordnung übergeht. Vor allem ist es aber der emotionslose Inszenierungsstil Klicks, der den Einbruch des Grauens in eine vorgeblich heile Welt kommentarlos geschehen lässt. Der „fehlende“ psychologische Realismus wird stattdessen durch eine angerissene gesellschaftliche Analyse in der Ausstattung transportiert. So sagt Roland Klick selbst: „Das war das Haus meiner Eltern in Neumünster, wo ich aufge­wachsen bin. Das haben wir total ausgeräumt, haben meinen Eltern Miete gezahlt und sie in Urlaub geschickt für acht Wochen, und haben dann das Haus total umgerüstet, von der Tapete bis hin zum Letzten. Da ist kein Stück geblieben.“ – Die Flecken um die Licht-schalter? – „Alles gemacht. Das kostet immer Wochen und Wochen. Eine der Hauptarbeiten bei mir, das ist die Einrichterei. Ich habe mir eben fest vorgenommen, keinerlei reflektorische Vokabeln in einem Film fallen zu lassen, sondern alles, was ich zu sagen habe, über ein Milieu, über Zustände, durch Gegenstände, durch Kleidung oder durch Handlungsabläufe zu sagen, also durch Dinge und Action sichtbar zu machen. Das ist die Arbeit, die zu leisten ist.“

Der leise Thriller kreist weniger um die konkrete Tat als um die heikle Welt, in der sie stattfindet.

Einführung am 7.9.: Tino Zimmermann (Subkultur Entertainment)

1414 Roland Klick zum 80. Geburtstag

15

Roland Klick und Sascha Urchs während der Dreharbeiten zu Bübchen

SO 8.9. 15:OO

LIeb VAteRLAND MAGSt RUHIG SeINBRD 1976 · 92 min · DF · 35mm · FSK 16 R: Roland Klick · B: Roland Klick nach einer Vorlage von Johannes Mario Simmel K: Jost Vacano · D: Heinz Domez, Catherine Allégret, Georg Marischka u.a.

„Wenn ich das Buch nochmal schreiben würde, würde ich es so schreiben wie Klicks Drehbuch.“ (Johannes Mario Simmel)

Berlin 1964: Drei Jahre nach dem Mauerbau kreist ein Armee-Hubschrauber über der Stadt. Eine Bestandsaufnahme. In Form eines rasanten Agententhrillers spürt Roland Klick in seinem kommerziell erfolgreichsten Film – nach dem gleichnamigen Roman von Johannes Mario Simmel – den politischen Auseinan-dersetzungen zwischen Ost und West nach. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein schmutziges Agentengeschäft: Bruno, ein ehemaliger Verbrecher aus Ost-Berlin, wird als Agent in den Westen geschleust. Er soll Franzelau, einen zentralen Drahtzieher im Fluchtgewerbe, nach Ost-Berlin entführen. Bruno entscheidet

p

sich anders: Er will in West-Berlin bleiben und mit neuer Identität die BRD mit geheimen Informationen über die DDR versorgen. Als Doppelspion gerät er zwischen die Fronten.

LIEB VATERLAND MAGST RUHIG SEIN ist Actionreißer, Film Noir und Melodram zugleich. In oftmals düsteren, von Zigarettenrauch und Alkoholdunst benetzten Einstellungen, zeigt uns Roland Klick Berlins Kneipen, Redaktionsstuben, S-Bahn-Gleise und U-Bahn- Stationen. Schauplätze, die die düsteren Machenschaften und „das Alptraumhafte der Geschichte verstärken.“ (Ulrich von Berg). Zwischen den überbordenden Actionsequenzen und inmitten des energiegeladenen Tempos schwingt immer wieder ein wenig Melan-cholie mit – etwa, wenn Bruno am späten Abend allein über eine verlassene Kirmes schlendert. Ein Großteil der einnehmenden Atmosphäre ist der Musik von Jürgen Knieper zu verdanken, der eben falls für Wim Wenders und später für das Fernsehen kompo-nierte – unter anderem für die TV-Serien LINDENSTRASSE (seit 1985) und PRAXIS BÜLOWBOGEN (1987-96) mit Günther Pfitzmann, der in LIEB VATERLAND MAGST RUHIG SEIN in einem seiner letzten Leinwandauftritte zu sehen ist.

16 Roland Klick zum 80. Geburtstag

17

18

Fr 13.9. 21:3O | SA 21.9. 21:OO

WHIte StARBRD 1983 · 92 min · DF (13.9.) engl. OF (21.9.) · 35mm · FSK 16R: Roland Klick · B: Roland Klick, Thilo von Arnim, Karen Jaehne-Lathan K: Jürgen Jürges · D: Dennis Hopper, Terrance Robay, Ramona Sweeny u.a.

“The emotionally most demanding film I’ve ever made and therefore the most dangerous one – for me.” (Dennis Hopper)

Dennis Hopper als abgehalfterter Musikmanager in einer rasanten Tour-de-Force durch West-Berlin, kurz bevor er nach den Dreh-arbeiten in Mexiko mit Drogen erwischt wurde und lange Zeit von der Bildfläche verschwand. Aufgrund seines exzessiven Kokain-konsums waren die Dreharbeiten stark eingeschränkt, nach zwei Jahren endlich abgeschlossen, der Film aber nur teilweise fertig-gestellt. Die hoch explosiven Szenen mit dem größenwahnsinnigen, ständig aufgekratzten Hopper wurden nachträglich durch ruhige Szenen ergänzt, die Roland Klick mit Kameramann Jürgen Jürges vor allem bei Nacht in West-Berlin nachdrehte. Ein teils fragmen-tarisch anmutendes Werk, berstend vor zügelloser Energie.

p

Zur Handlung: Ken Barlows Glanzzeit ist längst vorüber, doch träumt der alternde Musikmanager noch immer vom großen Erfolg. Mit allen Mitteln versucht er, aus dem jungen, naiven Musiker Moody einen Star zu machen, um – wie einst als Tournee-Manager der Rolling Stones – die Titelseiten der Presse zu füllen. Er braucht Fernseh-auftritte und Interviews. Moody‘s Album „White Star“ will Barlow in den Charts sehen. Ein Auftritt im verruchten Berliner Punk-Club endet in einer Straßenschlacht. Für Barlow kein Desaster, sondern ein voller Erfolg. Besessen von der Idee, dass im schnelllebigen Show-Geschäft nur Schlagzeilen zählen, egal welche, ist ihm jedes Mittel recht. Jedes! Die Situation eskaliert.

„Wenn ein Film während seines Entstehungsprozesses eine Eigengesetzlichkeit gewinnt, dann muss man das als Regisseur spüren und annehmen. Wenn man gegen diese Strömung arbeitet, dann setzt man sein Ego gegen die Lebendigkeit des Films. Davon hat man letztlich aber gar nichts, denn dadurch zerstört man das Faszinierende an den Dingen. Wenn man spürt, dass der Film ganz woanders hintreibt, dann muss man dieses Abdriften kultivieren.“ (Roland Klick)

Roland Klick zum 80. Geburtstag 19

SA 14.9. 19:OO | SO 22.9. 17:3O

SUPeRMARKtBRD 1974 · 84 min · DF · digitalDCP · FSK 16 • R: Roland Klick B: Georg Althammer, Roland Klick, Jane Seitz · K : Jost Vacano D: Charly Wierczejewski, Eva Mattes, Michael Degen u.a.

Willi ist 18 Jahre alt und lebt auf der Straße. Immer auf der Flucht, steht sein Leben auf der Kippe. Bleibt er der kriminelle Streuner, der aus purer Not der Toilettenfrau die letzten Groschen vom Teller klaut oder wird er zum Berufsverbrecher? Oder gibt es doch noch eine Chance auf ein „ordentliches“ Leben für ihn? Fürs erste schlägt er sich mit den Mitarbeiter*innen des Jugend-amts herum, später mit Journalisten und Zuhältern, alles Menschen, die es „gut mit ihm meinen“. Der Überfall auf einen Supermarkt soll ihm das große Geld bringen.

SUPERMARKT ist keine abgehobene, soziologische Studie. Klick inszeniert seinen Protagonisten nicht als Betroffenheit auslösenden Sozialfall, sondern als selbstbestimmten Kinohelden. „Willi ist eine auf die kalten Straßen des Hamburger Kiez verpflanzte James­Dean­Figur.“ (Ulrich von Berg)

p

So wird die Figur des Willi in geradlinigem, emotionalem Genrekino inszeniert. Die Straßen und Hinterhöfe Hamburgs sind düster und dreckig, die Menschen wirken getrieben – alles gefilmt mit Jost Vacanos spektakulärer Handkamera und unterlegt mit Marius Müller- Westernhagens erster Single als Titelsong.

„Das Wesen von SUPERMARKT ist das Weglaufen, das Rennen, das Sich­nicht­erwischen­lassen, das Unterkriechen. Das bedingt zweierlei: Erstens brauche ich einen Darsteller der wirklich rennen kann. Ich glaube von mir behaupten zu können, dass ich einem Kerl ansehe, ob er schon einmal vor der Polizei weggerannt ist. Wenn ich mir im Fernsehen einen TATORT anschaue, sehe ich ständig , dass diese Schauspieler noch nie im Leben vor jemandem weggelaufen sind. Sie wissen zwar, dass man dabei ein Bein vors andere setzt und das möglichst schnell, aber dieser Düsentrieb im Arsch, der sich einschaltet, wenn wirklich einer hinter dir her ist, der fehlt immer. Man braucht also einen Darsteller, der glaubhaft rennen kann. Und zweitens braucht man einen Kameramann, der hinterher kommt. Beide Voraussetzungen sind in SUPERMARKT zusammengeführt, sie sind die Quintessenz und der Geist des Films.” (Roland Klick)

➜ Nach der Vorstellung am 14.9. wird Roland Klick zu einem Publikums gespräch in der Black Box zu Gast sein. • Moderation: Daniel Kothenschulte (Autor, Filmkritiker)

20 Roland Klick zum 80. Geburtstag

2121

14.9. Publikumsgespräch mit

Roland Klickim Anschluss an die Vorführung

22 Roland Klick zum 80. Geburtstag

SO 15.9. 15:OO

KURZFILMe (1963-1966)

WeIHNACHtBRD 1963 · 10 min · DF · 16mm · FSK 0R/B: Roland Klick · K: Jochen Cerhak, Roland Klick

Ein Junge spaziert zur Weihnachtszeit durch eine Stadt und bewundert den festlichen Krimskrams.

„Roland Klicks gefeierter erster Kurzfilm WEIHNACHT (1963) zeigt einen Schuljungen, der einen Tag lang durch eine vorweih­nachtliche Großstadt stromert und staunend die Warenwelt des wirtschaftswunderlichen Gabenfests zur Kenntnis nimmt. Seine Blicke sind programmatisch für die Arbeitsweise des Regisseurs: Das Kino des Roland Klick ist ein "Kino der aufgerissenen Augen". Sie entdecken eine kalte Welt. Geld ist in ihr das Mittel, das alle Dinge in Bewegung setzt.“ (Szene Hamburg, 1997, Jörg Schöning)

p

LUDWIGBRD 1964 · 16 min · DF · digital · FSK 0 • R/B: Roland Klick K: Jochen Cerhak, Roland Klick · D: Otto Sander, Elke van Schoor u.a.

Ein Film über einen jungen Mann (Otto Sanders erste Rolle) in einem armen bayrischen Dorf, der die Rolle des Dorfdeppen spielt.

„Für seinen zweiten Kurzfilm LUDWIG (1964) jagte Klick Otto Sander (...) durch die entmythologisierte Tristesse eines kleinen Bauerndorfes. Für diesen Film kehrte er nach Jahren an den Ort seiner unbeschwerten Kindheit zurück. (...) Heute meint Klick, dass ihm mit LUDWIG ganz intuitiv etwas gelungen ist, was er sich in den folgenden Jahren erst wieder hart erarbeiten mußte: das Ineinandergreifen von einer ‚sozialen Wahrheit‘, die man ablichtet, und Kino.“ (Splatting Image, 1999, Andreas Busche)

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ZWeIBRD 1965 · 24 min · DF · digital · FSK 0 • R/B: Roland Klick K: Hans-Joachim Herbst · D: Til Erwig, Peggy Parnass, Rolf Schimpf

Beide wohnen in einem Wohnblock. Er ist ein junger Büro-angestellter, sie eine in die Jahre gekommene Stripperin. Ihre Leben überschneiden sich nicht, bis sie sich eines Tages gleich zweimal treffen.

„ZWEI (1965) zeigt Momentaufnahmen von Menschen, einer Stadt und ihrem Alltag. Die genaue Beobachtung konzentriert sich auf das Leben zweier Personen, deren Wege sich im Laufe des Films kreuzen. Klick zeichnet seine Personen mit einer mitleidlosen Klarheit, die aber nie den Respekt für die Menschen verliert.“ (Diagonale, 1999)

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JIMMY ORPHeUSBRD 1966 · 52 min · DF · 35mm · FSK 0 R/B: Roland Klick K: Robert von Ackeren · D: Klaus Schichan, Ortrud Beginnen

Ein Hafenarbeiter muss durch die Straßen Hamburgs ziehen, als er aus seiner Unterkunft ausgesperrt wird. Im ärmeren Teil der Stadt trifft er eine junge Frau. Er will eine Affäre mit ihr beginnen, aber es soll nicht sein.

„Klaus Schichan als moderner Orpheus in der Unterwelt: seine Begierde für die schöne Ortrud Beginnen läßt die beiden eine schlaflose Nacht lang durch Hamburgs Straßen und U­Bahn­ Stationen taumeln. Eine wild improvisierte Liebesgeschichte zwischen Nouvelle Vague, deutschem Beat und totaler filmischer Verrücktheit.“ (Diagonale, 1999)

Roland Klick ist anwesend und führt durch das Kurzfilm-Programm.

p

Roland Klick zum 80. Geburtstag 23

24 Roland Klick zum 80. Geburtstag

Mi 25.9. 2O:OO

DeRbY-FIebeR DERBY-FEVER USABRD·USA 1979 · 87 min · OF mit dt. Voiceoiver · 16mm · FSK 16R/B: Roland Klick · K: Kurt Lorenz

Das legendäre Kentucky-Derby ist das populärste Galopprennen in den USA. Neun Tage pro Jahr klettert die Einwohnerzahl von Louisville über die Millionengrenze und das Leben in der größten Stadt Kentuckys steht Kopf. DERBY FEVER USA beobachtet die 104. Austragung des Rennens im Mai 1978. Roland Klick ist immer mitten im Geschehen. In einer wilden Collage geht es von der Raddampfer-Wettfahrt über die Krönung der Derby Queen bis in die Kabine der Jockeys. DERBY-FEVER USA ist zugleich Reportage, impressionistischer Reisebericht und staunende Milieu-schilderung. Weniger eine Sportdoku als ein einfühlsames Portrait einer Stadt im Ausnahmezustand.

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Vor Ort stellt sich heraus, dass die Filmrechte exklusiv bei NBC liegen. Mit Glück bekommt Roland Klick einen Termin bei dem zuständigen Boss. Zusammen mit einem eloquenten Filmstudenten gelingt es Klick, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Er darf alles drehen – bis auf das eigentliche Rennen. Nur der Start und der Zieleinlauf werden von NBC zum Dreh freigegeben.

„Für diesen Katastrophenfall hatte ich mir aber bereits einen Trick ausgedacht. Wir nahmen den Originalton des Hauptrennens auf, der sich aus der Rennbahnatmosphäre und dem Live­ Kommentar des Stadionsprechers zusammensetzt, und den legte ich dann am Schneidetisch über die Bilder eines Vorrennens: Jockeys auf jagenden Pferden, anfeuernde Menschen im Publikum, Pferde hinten in der Kurve, Rennausschnitte auf TV­Monitoren und so weiter. Am Ende kommt dann wieder das Originalfeld ins Ziel. Diesen kleinen Schwindel hat bis heute keiner gemerkt.“ (Roland Klick)

Einführung: Florian Deterding (Filmmuseum)

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26

SO 29.9. 15:OO

SCHLUCKAUFD 1992 · 92 min · DF · 35mm · FSK 16 • R/B: Roland Klick K: Henning Zick · D: Irene Findeisen, Cathy Haase, Peter-Hugo Daly u.a.

Landei Gertie, auch Flo genannt, lernt auf einer Modenschau in ihrem Dorf das Supermodel Chantal kennen. Voller Bewunderung folgt Gerti Chantal nach Berlin, wo sie sich in ihrer aufgedonnerten Kreuzberger WG einnistet. Während Flo mitten in einem Selbst-findungsprozess steckt, droht Chantals Fassade zu bröckeln und ihr Leben im Chaos zu versinken. Am Ende sind beide Frauen zu ihrer wahren Größe gewachsen bzw. geschrumpft.

p „Ganz ohne Tradition ist SCHLUCKAUF nicht. Die Filme aber, an die er denken lässt – Malles ZAZIE, Chytilovás TAUSEND­SCHÖNCHEN, Lesters frühe Komödien – stammen aus den auf­bruchs­ und inno vationslustigen sechziger Jahren; der Marsch des strammen Erzähl kinos ist seither über sie weggewalzt. Vielleicht ist SCHLUCKAUF nicht nur ein Querschläger von wunderlichem Ehrgeiz, sondern ein Vorbote, ein erstes Signal, ein Ausrufe zeichen. Vielleicht bekommt das Kino nochmal Lust, sich neu zu erfinden.“ (Urs Jenny)

Roland Klick zum 80. Geburtstag 27

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LA FRONteRA bILDeR UND eRZÄHLUNGeN VON DeR MeXIKANISCH/ US-AMeRIKANISCHeN GReNZe FILMReIHe 13. – 29.9.

Keine andere Landesgrenze steht nicht nur politisch, sondern auch medial so sehr im Fokus wie die zwischen Mexiko und den Vereinig-ten Staaten: 3.144 Kilometer verläuft sie entlang von vier US-ameri-kanischen und sechs mexikanischen Bundesstaaten. Sie gewann vor allem in den letzten drei Jahrzehnten und angesichts jüngster „Sicherungsbestrebungen“ an symbolischer wie politischer Bedeutung. In ihr wird das Erbe kolonialer Machtkämpfe sichtbar und setzt sich in einer territorialen Abschottung fort, die Schmuggel, Drogenhandel und illegale Einwanderung von Mexiko und Lateinamerika in die USA verhindern soll, eine enge wirtschaftliche Verschränkung jedoch nicht missachten kann. Der Versuch, die Grenze zu überschreiten, kostet jährlich bis zu 300 Menschen das Leben und ist gleichzeitig eine mit vielen Klischees behaftete Reise. Diese Bebilderung einer hauptsächlich westlichen Perspektive soll anhand der vier Filme aufgezeigt, eingeordnet und hinterfragt werden. Dem Auftrag von FBI-Agent*innen und Special Forces, die mit der täglichen, zwischen verschiedenen Kartellen ausgeübten Gewalt konfrontiert sind, werden die fast unsichtbaren und oftmals erfolglosen Reisen illegaler Migrant*innen durch schwer bewachte Grenzgebiete und unwirtliche Lebensräume gegenübergestellt. Diese Sicht auf die Grenze ist somit auch eine filmische Spurensuche.

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2929La Frontera 29

De l'autre côté

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30 La Frontera

Fr 13.9. 19:OO

eL NORte USA·GB 1983 · 141 min · OF/OmeU · digital1080p · ab 18 • R: Gregory Nava B: Gregory Nava, Anna Thomas · K: James Glennon D: Zaide Silvia Gutiérrez, David Villalpando, Ernesto Gómez Cruz, Alicia del Lago, Lupe Ontiveros u.a..

EL NORTE wurde bereits kurz nach seiner Premiere als erstes „American Independent“-Epos bezeichnet und die Reise, die seine Protagonist*innen Anfang der 1980er-Jahre von einem kleinen Dorf in Guatemala über Mexiko bis über die Grenze in die USA machen, mit großen US-amerikanischen Erzählungen, wie John Steinbecks Früchte des Zorns, verglichen. Dabei grenzt die Existenz des Films bereits an ein Wunder und seine Held*innen und ihre Geschichten werden mit einer vorher nicht üblichen großen Geste auf der Leinwand gezeigt.

Inspiriert wurde die später mit einer Oscar-Nominierung für das Beste Original-Drehbuch ausgezeichnete Story von Kindheitserinner-ungen des Regisseurs Gregory Nava in San Diego, von wöchentlichen Grenzüberquerungen und Migrationsüberlieferungen seiner Vorfahren. Die mexikanisch/US-amerikanische Grenze – laut Gregory Nava ein einzigartiger Ort auf der Welt, wo eine Industrienation seine Grenze

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mit einem Entwicklungsland teilt – ist Inspiration und Herzstück des Films. Sie wird überquert von einem Geschwisterpaar – Enrique und Rosa Xuncax – deren Eltern in den Wirren des Bürgerkriegs in Guatemala umge kommen sind. In drei Teilen und mit magischem Realismus schildern Nava und seine Co-Autorin Anna Thomas das Leben der Familie in einer indigenen Gemeinde, den Aufbruch der Geschwister durch Mexiko auf der Suche nach einem Menschen-schmuggler, die Flucht durch einen rattenverseuchten Tunnel und schließlich den erhofften Neuanfang in Los Angeles. Dabei verfällt der Film niemals in einen naiven Fortschrittsglauben, sondern zeigt durch die bisher selten geteilte Perspektive seiner Protagonist*innen ein schwer zu durchschauendes Netz aus Abhängigkeiten und Bedingungen. Genauso wie Steinbecks Farmerfamilie stoßen die Geschwister am erhofften Ziel ihrer Träume auf Anfeind ungen und Ausbeutung – die Grenze als definierende, nicht zu überwindende Normalität.

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Mi 18.9. 2O:OO

SICARIOUSA 2015 · 121 min · OmU · digitalDCP · FSK 16 R: Denis Villeneuve · B: Taylor Sheridan · K: Roger Deakins D: Emily Blunt, Benicio del Toro, Josh Brolin, Daniel Kaluuya, Jon Bernthal u.a.

p Als „Sicario“ werden gemeinhin skrupellose Auftragsmörder bezeichnet. Einer oder gar mehrere dieser kaltblütigen Killer haben im Grenzgebiet zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Arizona für Aufsehen gesorgt. Dort werden zu Anfang des Films dutzende Leichen in einem Haus gefunden – die Opfer eines stetig geführten Drogenkrieges. Die ermittelnde FBI-Agentin Kate Macer wird für eine neu gegründete Taskforce rekrutiert und findet sich urplötzlich im Kampf gegen die Drogenkartelle Mexikos wieder. Ihr neuer Vorgesetzter Matt Graver scheint undurchsichtig, aber nicht so sehr wie der schweigsame Alejandro, dessen Motivation und Auf-trag gänzlich unklar sind. Es entsteht ein packender und mitreißen-der Genre-Film, der viel mehr zu bieten hat, als ein herkömmlicher Drogenthriller.

Die Zuschauer*innen erleben das Geschehen aus der Sicht der pflichtbewussten Kate, die immer wieder an ihre Grenzen gerät und sich in einer Macho-Männer-Welt behaupten muss. Sie erkennt bald, dass die Grenze zwischen Gut und Böse immer mehr verwischt und muss sich die Frage stellen, ob der Zweck die fragwürdigen Mittel heiligt. Dabei stehen nicht nur die Kartelle, sondern auch die US-Politik im Fokus der Kritik.

Eines der wichtigsten Element in Denis Villeneuves Inszenierung ist die düstere und zugleich packende Atmosphäre, die die Zuschauer*innen geradezu einsaugt und bedrückt. Dieses Gefühl wird besonders durch eine unkonventionelle Kameraarbeit von Roger Deakins und die durchdringende Musik des isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson verstärkt. Abgerundet wird SICARIO durch innovative und gut choreografierte Actionsequenzen und eine durchweg überzeugende Besetzung.

SO 22.9. 15:OO

De L’AUtRe CÔtÉ JENSEITS VON SONORA – MEXIKOF·B·AUS·FIN 2002 · 99 min · OmeU · Digibeta · ab 18R/B: Chantal Akerman · K: Chantal Akerman, Robert Fenz, Raymond Fromont u.a.

p Chantal Akerman’s Semidokumentation DE L’AUTRE CÔTÉ ist ein Film über Geister und ein Versuch der filmischen Manifestation von etwas Abwesendem. Abwesend sind die Körper der Migrant*innen, die in der Wüste nach Überquerung der mexika-nisch/US-amerikanischen Grenze auf dem Weg in ein besseres Leben verloren gegangen sind.

Der Film versucht nicht, ihr Leben zu rekonstruieren oder eine Politik zu kritisieren, die den Tod unzähliger Menschen in Kauf nimmt und sogar erwartet. Die frontal gefilmten, tableauhaften Interviews sowie die langen Einstellungen und Kamerafahrten durch verlassene oder durch „kapitalistische Verwüstung“ zerstörten Landschaften versuchen vielmehr, eine äußere wie innere Bewegung nachzuvoll-ziehen: Zum einen die Migrationsbewegung von Lateinameri-kaner*innen, für die die Vereinigten Staaten noch immer ein Land

der unbe grenzten Möglichkeiten zu sein scheinen oder zumindest das Ver sprechen auf Lebenssicherung, Rechtsstatus und damit eine Zukunft bieten kann. Und zum anderen eine Bewegung, die vor allem seit dem 11. September 2001 immer weiter anwächst: Eine Bewegung schein barer Absicherung und nationaler Identitätsstiftung. Mit seiner inhaltlichen und formalen Vielfalt an Dokumentationsmög-lichkeiten widersetzt sich der Film dieser Auffassung von Aktion und Reaktion, reiht an die Tableaus und Kamerafahrten auch Über-wachungsbilder aus einem Helikopter – das Fadenkreuz auf eine Kette von illegal Flüchtenden gerichtet, die im Bildnegativ nur noch als weiß aufscheinende Leere auszumachen sind – und eine aus dem Auto gefilmte Fahrt über einen amerikanischen Highway, über die Akerman selbst im Voice over von einem mexikanischen Haus-mädchen aus ihrer Kindheit und deren plötzlichem Verschwinden erzählt. Der Film ist Teil einer Reihe nicht-fiktionaler Filme Akermans über die Erfahrung von Verdrängung und Grenzziehung, die allesamt eine Richtungsbezeichnung im Titel tragen – SUD, D’EST, LÀ-BAS. Doch wie die Körper scheint auch jegliche Zielgerichtetheit längst verschwunden.

Einführung: Philipp Hanke (Filmmuseum)

La Frontera 33

SO 29.9. 13:OO

eL MAR LA MARUSA 2017 · 94 min · OmU · digitalDCP · ab 18 R/K: Joshua Bonnetta, J.P. Sniadecki

Gnadenlos brennt die Sonne auf alle nieder, die die Sonora-Wüste zwischen Mexiko und den USA durchqueren. Neben den wenigen Menschen, die hier leben, sind es offizielle und selbsternannte Grenzschützer sowie die ärmsten der undokumen-tierten Einwander*innen, denen nur dieser lebens gefähr liche Weg bleibt. Am besten geht man im Dunkel der Nacht, tagsüber kann die Hitze in der Wüste bedrohlich werden.

„Ihre Spuren und Hinterlassenschaften lagern sich ab, ver­blassen, verwittern und schreiben sich in die Topografie der Land­schaft ein; so ist das abwesende anwesend in ständiger Gleichzeitig­keit von Leben und Tod, Schönheit und Grauen, feindlichem Licht und sternfunkelnder, verheißungsvoller Nacht. Virtuos verwebt EL MAR LA MAR grandiose 16mm­Aufnahmen von Natur und Wetterphänomenen, Tieren, Menschen und ihren Fährten mit einer vielstimmigen Tonspur zu einer kinematografischen Erkundung des Lebensraums Wüste, zum vielschichtigen Panorama eines hoch­

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gradig politisierten Landstrichs, und nicht zuletzt zu einem ozeanischen Filmgedicht.“ (Hanna Keller, Forumskatalog)

Im Vorprogramm:

M.A.M.O.N. – MONItOR AGAINSt MeXICANS OVeR NAtIONWIDeMEX·UR 2016 · 6 min · OmU · digitalDCP · ab 18 • R: Ale Damiani B: Enrique Codesido, Javier Cruzado · K: Diego Rosenblatt D: Guillermo Villegas, Angelina Peláez, Rafael Anduaga u.a.

p Ein Mecha-Roboter in Trump-Gestalt bricht durch die mexi kanische Grenzmauer und erklärt seinen vom Himmel gefallenen Feinden den Krieg.

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SACHS (UND) RINNebeRG: Fragen zu Form und Funktion des FilmischenKURZFILMReIHe 11. UND 21.9.

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p In einer über 50 Jahre dauernden Filmtätigkeit von Hans Sachs sind mehr als 45 Werke entstanden, die sich mit dem Medium Film und den Prozessen der Entstehung, aber auch mit bestimmten Kinogeschichten auseinandersetzen. Als Regisseur, Kameramann, Drehbuchautor und Produzent arbeitete er völlig autonom an seinen Ideen vom Filmemachen, die immer auch eine Auseinandersetzung mit filmischen Möglichkeiten und Grenzen beinhaltete. Doch ins-besondere die Zusammenarbeit mit Hedda Rinneberg ermöglichte fruchtbare Diskurse, die sich in den Filmen widerspiegeln. Sie fungierte zunächst als Schauspielerin und Kamerafrau, später als Co-Regisseurin. Hochinteressante Arbeiten – zumeist Kurzfilme mit einer Lauflänge von rund 10 Minuten – sind im Laufe der Jahrzehnte entstanden, die einerseits stets die Techniken des Filmemachens reflektieren und andererseits von der besonderen Liebe zum Schau-platz Kino erzählen – stets selbstreferentiell und konzeptuell angelegt. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, sich mit diesen beiden Persönlich-keiten der deutschen Filmgeschichte auseinanderzusetzen, als jetzt, wo soziale Netzwerke und Digitalisierung unsere Alltäglichkeit bis zur Besinnungslosigkeit mit Bildern fluten.

Alle Kurzfilme werden als 35mm-Kopien gezeigt und stammen aus dem Archiv des Filmmuseums.

Mi 11.9. 2O:OO

KURZFILMPROGRAMM I (ca. 6O min)

SPÄteR IN SKOPJeD 1963 · 12 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs

Der Film ist insofern ein eindringliches Dokument, als er die Situation der Menschen von Skopje in prägnanten Bildern charakterisiert, aber auch die gesamte Situation dieser zerstörten Stadt skizziert. Hier haben die Bilder über den unmittelbaren realistischen Wert hinaus symbolhafte Bedeutung.

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FÜNFZIG MINUteN WARteND 1965 · 10 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs

Der Zug hat Verspätung! Das ungeduldige Warten in dieser Situation ist ein für jede/n bekanntes Gefühl. Der Film zeigt Menschen und ihre Reaktionen, die am Bahnhof auf einen 50 Minuten verspäteten Schnellzug warten.

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Sachs (und) Rinneberg

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eMeLKA-PALASt DAS KINO ISt UNZeRStÖRbAR – AUCH WeNN HIeR DAS GeGeNteIL GeSCHIeHt!D 1985-87 · 11 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs, Hedda Rinneberg

Melancholischer Kurzfilm über den Abriss des Emelka-Palastes in Augsburg. Der Abriss und die Geschichte eines Augsburger Groß kinos, das 1929 am Ende der Stummfilmzeit eröffnet wurde und bis 1985 in Betrieb war. Im Kino und im Film sind unter anderem Auszüge aus der DEUTSCHEN WOCHENSCHAU wie auch aus IN JENEN TAGEN (1947) von Helmut Käutner zu sehen.

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DeR FILM, DeN NIeMAND SIeHtD 1964 · 11 min · DF · 35mm · ab 18 R: Hans Sachs, Anton Triyandafilidis · D: Ingrid Thulin

Drehvorbereitungen: Kamera und Licht werden eingestellt. Die Schauspielerin in der Maske. Statist*innen stehen herum. Ein Venti-lator dreht sich. Es ist Hochsommer. Der Titel auf der Klappe zeigt: „Lost Lady“. Gemeint ist DIE LADY (1964) mit Ingrid Thulin in der

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Hauptrolle. Eine Szene, in der sie in ein Haus hineingeht, wird wiederholt. Aus dem Off sind die Regisseure zu hören Schau-spieler*innen sprechen französisch, verschiedene Situationen der Dreharbeiten sind zu sehen. Viele Einstellungen, in denen Ingrid Thulin wartet. Belichtungsmessung.

CAMILLA HORN SIeHt SICH ALS GRetCHeN IN MURNAUS StUMMFILM D 1981 · 11 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs, Hedda Rinneberg

Der Film zeigt die Schauspielerin Camilla Horn während einer Vorführung des Stummfilms FAUST, in dem sie 55 Jahre früher das Gretchen spielte. Sie sieht sich Szenen an. Dabei arbeiten die Regisseur*innen auch mit dem Splitscreen-Verfahren, sodass die direkte Reaktion von Camilla Horn sichtbar wird. Sie weint. Sie schreit. Die beiden Filmemacher*innen sind über den Ton präsent. Camilla Horn erzählt, dass dies ihre erste Filmrolle war. Der Film zeigt eine Begegnung mit der eigenen Jugend. Er thematisiert aber gleichzeitig auch die Magie des Kinos an sich.

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Sachs (und) Rinneberg

SA 21.9. 19:OO

KURZFILMPROGRAMM II (ca. 6O min)

StRIeSeD 1979 · 12 min · DF · 35mm · ab 18R: Hans Sachs, Hedda Rinneberg· · K: Christoph Huber · D: Gregor Sela

Eine männliche Figur übt vor einem Spiegel und dann vor der Kamera für ein Vorsprechen für die Rolle des „Striese“ in dem Stück DER RAUB DER SABINERINNEN, einem Schwank in vier Akten von Franz und Paul von Schönthan. Der Bewerber spricht mit starkem hessischen Akzent. Er beginnt seine Monologe sehr häufig mit der Anrede "Herr Professor“. Seit 10 Jahren wartet er auf diese Rolle und jetzt schaffte er es nicht, den Text zu lernen. Der Film stellt Fragen nach dem Wesen der Schauspielerei und wie man an einer Rolle arbeiten kann.

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KONKURS KON=KURSD 1982 · 14 min · DF · 35mm · ab 18R: Hans Sachs, Hedda Rinneberg · D: Gregor Sela

Konkurs der Firma von Adolf Queiser, Elektroinstallateur, Firmen-arbeiter. Nach 20 Jahren muss er die Firma schließen und wird arbeitslos. Im Mittelpunkt steht das Schauspiel vor der Kamera. Er rasiert sich. Eine Art Casting. Für eine bestimmte Rolle? Es kommt Ton vom Tonband.

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JUDItH (12)D 1972 · 12 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs, Helga Sachs

Ein Kamerateam begleitet die 12-jährige Judith. Sie schildert ihren Tagesablauf, berichtet von Hobbies und den lästigen Pflichten wie Hausaufgaben und erzählt von ihren Zukunftsvorstellungen.

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39Sachs (und) Rinneberg

DIe beLAGeRUNGD 1964 · 11 min · DF · 35mm · ab 18R: Hans Sachs · D: Henning Gissel, Hedda Rinneberg

Eine Frau telefoniert mit einer unbekannten Person und erzählt von ihrer Scheidung. Sie berichtet, dass sie stets klein gemacht und geärgert wurde. Plötzlich merkt sie, dass ihr Ex-Mann draußen im Garten an der Hecke steht und das Haus beobachtet, auf und ab geht. Sie beschreibt diese Situation ihrem Gesprächspartner und schildert, wie ihr Ex-Mann immer näher zum Haus kommt, durch die Scheiben schaut und sie auffordert, sie solle aufmachen und er wis-se, dass sie da sei. Er belagert das Haus und sie verbarrikadiert sich. Formal verwendet Sachs Asynchronität in Bild und Ton wie auch eini-ge Rückblenden, die auf eine Zeit verweisen, als die beiden Hauptfi-guren noch zusammen waren.

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IM SIebteN MONAtD 1968 · 12 min · DF · 35mm · ab 18R: Hans Sachs · D: Henning Gissel, Hedda Rinneberg

Kurzspielfilm um ein junges Ehepaar, das sein erstes Baby erwartet. Die Wohnung ist zu klein, aber im Gegensatz zu seiner Frau nimmt der zukünftige Vater die Probleme nicht sehr ernst.

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40 Sachs (und) Rinneberg

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Im siebten Monat

DOUbLe FeAtURe

JAPANISCHe MODeRNe:tADAO ANDO/ARAtA ISOZAKI

Architektur und Film-Special MO 23. 9. 2O:OO Arata Isozaki:

Oita Medical Hall

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p In einem „Architektur & Film Special“ stellt das Filmmuseum Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem Japanischen General-konsulat und der Architektenkammer NRW zwei der bedeutendsten zeitgenössischen japanischen Architekten vor.

ARATA ISOZAKI: EARLY WORK IN JAPAN stellt den diesjährigen Prizker-Preisträger vor und begibt sich zu den Wurzeln seines Schaffens. „Isozaki ist ein Architekt, der die große, klare Form liebt, einer, der nicht dem Klischee vom japanischen Radikal­Ästheti ­ zis mus entsprechen will und doch auf äußerste Abstraktion der Materialien setzt. Er ist einer der ersten japanischen Architekten, die auch außerhalb Japans bauen konnten, bis hin nach China, wo sein Himalaya Centre in Shanghai mit plastisch bewegten Fassaden pfeilern vor strengen Kubenkörpern Aufsehen erregte. Ein Architekt, der genau deswegen immer wieder für Debatten gesorgt hat, weil er keine einheitliche Linie verfolgt: Einen Isozaki kann man – im Unterschied zu einem Libeskind oder einer Hadid – nicht sofort erkennen: Man muss ihn entdecken“. (Susanne Burkhardt)

Tadao Ando gehört zu den renommiertesten Architekten weltweit. SAMURAI ARCHITECT: TADAO ANDO begleitet den ehemaligen Boxer und Autodidakten ein Jahr lang und gibt Einblicke in sein Schaffen. „Grundlage meiner Gestaltung ist die reine Geometrie. Uns verleiht ein Raum, der auf strikten geometrischen Formen beruht, die Möglichkeit, auf eher unbewusste Elemente, wie etwa Licht oder Wind, zu achten und gibt uns die Gelegenheit, diese wiederzuentdecken. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wenn die Geometrie die Gegensätzlichkeit der Aktivität der Natur hervorhebt und die Natur mit dem Lebensraum verschmilzt, kann meine Architektur letztlich die Grenzen der Baukunst durchbrechen. Aus diesem Grund kann meine Architektur nicht von der Natur getrennt werden.“ (Tadao Ando)

Eintritt frei! • Für diese Veranstaltung gibt es keinen Vorverkauf. Reservierungen sind ab dem 15.8. möglich.

Architektur und Film-Special

Architektur und Film-Special44

Tadao Ando: Shanghai Poly Grand Theatre

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MO 23.9. 2O:OO

ARAtA ISOZAKI: eARLY WORK IN JAPAN USA 1985 · 60 min · OF · digital1080p · ab 18 • R: Michael Blackwood · K: Mead Hun

In Michael Blackwoods Film begibt sich Arata Isozaka selbst zu den wichtigsten Bauten seines Frühwerks im Japan der Jahre 1960 bis 1983. Er stellt seine Konstruktionen vor und erläutert zugleich seinen Background, seine Inspirationen und seine Ideen. Seine aufsehenerregenden architektonischen Entwürfe trugen weltweit maßgeblich zur Entwicklung der modernen Architektur bei und brachten ihm seinen ersten internationalen Auftrag ein: Das Museum of Contemporary Art in Los Angeles.

„Ich wollte das Leben der Menschen an den verschiedensten Orten der Welt erfühlen, so bereiste ich die islamische Welt, kleine Bergdörfer in China, den gesamten südostasiatischen Bereich und Großstädte in den USA. Meine Frage bei all diesen Reisen war: Was ist Architektur? Architektur soll die Grundlage jeder Gegen­wartsphilosophie sein. Kompromisse sind gefährlich. Ein kontroverser Bau lebt länger.“ (Arata Isozaki)

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iM AnSChLuSS:

SAMURAI ARCHIteCt: tADAO ANDO J 2015 · 52 min · OmeU · digital · ab 18 • R: Yu Nakamura, Shigenori Mizuno

Tadao Ando ist ein international renommierter Architekt. Er gewann den Pritzker Architecture Prize, der als Nobelpreis der Architektur angesehen wird. Seine Gebäude, deren Baustil das Zen-Prinzip der Einfachheit widerspiegeln, begeistern Menschen in der ganzen Welt. Ein Jahr lang konnte ein Kamerateam Ando, der auch „Samurai Architekt“ genannt wird, bei der Arbeit beobachten.

Ein Schwerpunkt der Dokumentation liegt dabei auf Projekten, die der Stararchitekt in China realisierte. Nicht selten waren diese von künstlerischen und technischen Differenzen geprägt. In striktem Gegensatz zu seinem strengen, minimalistischen Stil zeigt der Film den Architekten im Alltagsleben als dynamische, extrovertierte, energiegeladene Persönlichkeit und zeigt die Leidenschaft, die hinter seinen Entwürfen und Ideen steht. „Ich glaube, dass die Art und Weise, wie die Menschen leben, zu einem gewissen Maße durch die Architektur gesteuert werden kann.“ (Tadao Ando)

Einführung: Matthias Knop (Filmmuseum)

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45Architektur und Film-Special

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eRStAUFFÜHRUNG

p Einige Filme haben aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Form, ihrer Unklassifizierbarkeit oder aus anderen Gründen auf dem Kinomarkt einen schweren Stand. Die Aufgabe eines kommu-nalen Kinos muss es sein, solche Filme zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu bieten. Dort die Lücke zu schließen, wo Verleiher und andere Kinobe treiber keine finanzielle Grund-lage sehen, ist die programmatische Ausrichtung dieser Reihe – qualitativ, anspruchsvoll und aktuell.

47Erstaufführung

SO 1.9. 16:OO | SO 8.9. 17:3O

CARRÉ 35 F·D 2017 · 67 min · OmU · digitalDCP · FSK 12 R: Éric Caravaca· B: Éric Caravaca, Arnaud Cathrine · K: Jerzy Palacz

Kann man den Tod aus der Erinnerung verdrängen und ver-schwinden lassen? Der französische Schauspieler und Regisseur Éric Caravaca (HOTEL MARYSOL, 2005) erzählt in seinem ersten Dokumentarfilm ein Familiendrama, das über seine Grenze in die tragische Geschichte des 20. Jahrhunderts hinausreicht und auch die Frage nach der menschlichen Natur stellt.

Casablanca, 1963. Christine Caravaca verschwindet einige Jahre nach ihrer Geburt. Nicht nur aus dieser Welt, sondern aus der Erinnerung ihrer Familie. Es bleiben keine Spuren, keine Bilder, keine Erklärung für die Familienangehörigen in den folgenden Jahren. Nur ihre „letzte Adresse“ ist bekannt: Französischer Friedhof, Carré 35, Casablanca. Viele Jahre später in Frankreich, versucht Éric Caravaca herauszufinden, wer seine ältere Schwester eigentlich war. Er stellt sich die Frage, warum sie als kleines Kind gestorben ist, in der Familie nie über sie gesprochen wurde, und letztendlich, aus welchem Grund es keine visuellen Beweise ihrer Existenz gibt.

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Je länger er sich mit diesen Fragen beschäftigt, desto mehr Fakten kommen zu Tage. Gleichzeitig steigt auch die Unsicherheit. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit lässt die Trauer und die Schmerzen der Familie und Verwandten mit realen und fiktionalen Ereignissen sowie ihren Wahrnehmungen verschmelzen. Die Spuren der letzten Adresse von Christine lassen Éric Caravaca die Reise von Frankreich nach Marokko antreten. Er macht sich auf zu den realen und mentalen Orten seiner Familie, in die koloniale Vergangenheit und zu schmerzhaften Erinnerungen. Die Vergangenheit spiegelt sich in der Gegenwart: durch die Erinnerung, durch das Medium, durch das Bild.

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NeU ReStAURIeRt

p Mit Hilfe von Filmrestaurierungen kehren verloren geglaubte Filmschätze auf die Leinwand zurück. Der chemische Verfall einer Filmkopie kann nicht aufgehalten, gleichwohl aber durch optimale klimatische Bedingungen verzögert werden. Verschiedene Aus-gangsmaterialien des historischen Originals werden restauriert und digitalisiert, um dann im Kino als Duplikat erneut aufgeführt zu werden. Monatlich präsentiert das Filmmuseum aktuelle Film-restaurierungen aus Kinematheken und Archiven in Deutschland und Europa.

49Neu restauriert

SO 15.9. 18:OO | Fr 2O.9. 19:OO

IMMeNSee D 1943 · 95 min · DF · digitalDCP · FSK 12 R: Veit Harlan · B: Veit Harlan, Alfred Braun · K: Bruno Mondi · D: Kristina Söderbaum, Carl Raddatz, Paul Klinger, Carola Toelle, Lina Lossen, Max Gülstorff, Otto Gebühr

Zwischen dem Immensee und Hamburg, zwischen dem idyl-lischen Natur- und dem Großstadtleben erzählt der deutsche Regisseur Veit Harlan eine Dreiecksgeschichte zwischen Treue und Sehnsucht. Eine erfolgreiche UFA-Produktion ihrer Zeit, die im Kontext des Nationalsozialismus in Deutschland entstanden ist und deren Regisseur Veit Harlan wegen seiner Propagandafilme – wie JUD SÜß (1940) oder KOLBERG (1945) – bis heute eine der kontroversesten Figuren der Filmgeschichte bleibt.

Das Drehbuch von Veit Harlan und Alfred Braun basiert auf der gleichnamigen Nouvelle des deutschen Schriftstellers Theodor Storm aus dem Jahr 1849. Elisabeth Uhl ist zerrissen zwischen ihrer Jugendliebe Reinhart Torsten, einem Musiker, und Erich Jürgens, den sie letztendlich heiratet und auch nach seinem Tod die Treue hält.

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Die Geschichte vom IMMENSEE wurde noch zweimal im 20. Jahr-hundert verfilmt: WAS DIE SCHWALBE SANG (1956) von Géza von Bolváry und IMMENSEE (1989), eine DEFA-Fernsehserie von Klaus Gendries. Der Film von Veit Harlan war einer der ersten Farb-filme, bei dem das Agfacolor-Verfahren verwendet wurde. Zwischen 1939 bis 1945 wurden dreizehn abendfüllende Filme im Agfa color-Ver fahren gedreht, zu denen auch das Melodram OPFERGANG (1944) – ebenfalls von Veit Harlan und mit Kristina Söderbaum und Carl Raddatz in den Hauptrollen – gehört. Beide Filme wurden, auch aus finanziellen Gründen, parallel gedreht. In Deutschland, in der Schweiz und in Italien aufgenommen, balanciert IMMENSEE zwischen Außenaufnahmen und Aufnahmen im Studio Babelsberg und stellt mit Blick auf die Bilder die Frage nach dem historischen Kontext seiner Produktion.

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StUMMFILM + MUSIK p In den ersten 30 Jahren ihres Bestehens besaßen Filme keine Tonspur, dennoch waren sie nie stumm: In den Film theatern sorgten Pianisten, Grammophone, manchmal auch ganze Orchester, für musikalische Untermalung. Hier entwickelte sich ein viel fältiges musikalisches Genre. Verschiedenste Instrumentie r ungen begleiteten den Film mit Original-Parti turen, Eigenkompositionen oder Impro-visation. Neben her kömm lichen Instrumenten boten Kinoorgeln weitere faszinierende Möglichkeiten. Im Vergleich zum aufwändigen Orchester bedeuteten sie für den Kinobe sitzer finanzielle Entlastung, darüber hinaus unterhielten sie das Publikum mit einer Reihe von über raschenden Effekten. Mit Aufkommen des Tonfilms um 1930 verschwand das Erlebnis der Live-Vertonung zunehmend aus den Kinosälen und damit eine langjährige Tradition aus dem Bewusstsein. Einmal monatlich bietet das Filmmuseum Stummfilm-Vorfüh r - ungen mit Live-Musik. Neben klassischer Begleitung am Klavier oder der historischen Welte-Kinoorgel aus dem Jahr 1929 kommen auch moderne Instrumentierungen auf die Bühne.

Eintritt: 9,00 € · ermäßigt 7,00 € · mit Black-Box-Pass 6,00 €

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SA 28.9. 2O:OO

FAUSt D 1926 · 107 min · dt. Zwischentitel · 35mm · FSK 6 • R: F.W. Murnau B: Gerhart Hauptmann, Hans Kyser nach einer Vorlage von Johann Wolfgang von Goethe, Christopher Marlowe · K: Carl Hoffmann · D: Gösta Ekman, Emil Jannings, Camilla Horn u.a.

Faust will seine Mitmenschen vor der Pest retten und schließt einen Pakt mit Mephisto. Dieser lockt ihn mit ewiger Jugend und dem jungen Gretchen. Gretchen gebärt ein Kind, das sie gleichsam im Schnee erfrieren lässt und wird deshalb wegen Kindesmord verbannt. Faust entsagt seiner erlangten ewigen Jugend und steigt zu ihr in die Flammen hinab.

Murnaus Interpretation nimmt nicht nur Goethes omnipräsente, klassische Dramen-Version in den Blick, sondern setzt sich intensiv mit der Faustsage auseinander: das heißt in erster Linie der Geschichte des Doktor Fausten aus dem 16. Jahrhundert und der Interpretation von Christopher Marlowe. Atmosphärisch geht er einen an der Romantik orientierten Weg. Bezüge zu Caspar David Friedrich und Lovis Corinth sind offensichtlich. Was Murnau in diesem Film an filmischen Mitteln für seine Zwecke einsetzt, ist auf dem Höhepunkt

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seiner Schaffenskraft. Doppelbelichtungen, eine ausgeklügelte be-wegliche Kameratechnik und Miniaturbauten sind Beispiele dafür.

Im Vorprogramm:

CAMILLA HORN SIeHt SICH ALS GRetCHeN IN MURNAUS StUMMFILM D 1981 · 11 min · DF · 35mm · ab 18 • R: Hans Sachs, Hedda Rinneberg

Der Film zeigt die Schauspielerin Camilla Horn während einer Vorführung des Stummfilms FAUST, in dem sie 55 Jahre früher das Gretchen spielte.

In Kooperation mit IDO, dem 14. Internationalen Düsseldorfer Orgelfestival.

Dominik Gerhard (Essen) begleitet an der Welte-Kinoorgel.

Vorschau:

26.10. ANDERS ALS DIE ANDERN · D 1919 · R: Richard Oswald ICH MÖCHTE KEIN MANN SEIN · D 1918 · R: Ernst Lubitsch

30.11. SHIRAZ · DAS GRABMAL EINER GROSSEN LIEBE IND 1928 R: Franz Osten

21.12. LA PASSION DE JEANNE D’ARC · DIE PASSION DER JUNGFRAU VON ORLÉANS F1928 R: Carl Theodor Dreyer

Stummfilm + Musik

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StAtIONeN DeR FILMGeSCHICHte IMMeR DIeNStAGS

IMMeR 2O UHR

Stationen sind Orte der Abfahrt, Ankunft oder des Richtungs - wechsels. Auf der langen Reise der Filmgeschichte waren und sind sie Punkte, an denen Neues geschaffen, Außergewöhnliches geleistet oder etwas Einmaliges hervorgebracht wurde. Es handelt sich um Filme, die nach wie vor interessant, spannend oder erhellend sind. Andere lösen ein Déjà-vu-Erlebnis aus, durch das man plötzlich die Herkunft von Lieblingsszenen erkennt, und dann gibt es Filme, die im Negativen wie im Positiven Monumente wurden, da sie eng mit der Zeitgeschichte verbunden waren und diese beeinflusst haben.

Entgegen der Bildung eines Kanons sind Filmgeschichte(n) mit einem steten Fragen verbunden. Die Filmreihe ist so konzipiert, dass jeder vorgestellte Film unter einem bestimmten Aspekt in seiner film historischen Relevanz eingeordnet werden kann. Ob bestimmte Persönlichkeiten oder Genres den maßgeblichen Rahmen bilden oder Strömungen + Epochen thematisiert werden, ob Form + Innovation im Vordergrund stehen oder Politik + Reflexion in den Fokus rücken: Innerhalb dieser Kategorien lassen sich Filme klassifizieren, ohne sie darin zu fesseln.

In Zusammenarbeit mit Filmforum – Freundeskreis des Filmmuseums e.V.

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La Coquille et le Clergyman

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Di 3.9. 2O:OO Aspekt: Form + Innovation

ZAZIe DANS Le MÉtRO ZAZIE F·I 1960 · 89 min · DF · 35 mm · FSK 12R: Louis Malle · B: Louis Malle, Jean-Paul Rappeneau nach einer Vorlage von Raymond Queneau · K: Henri Raichi · D: Catherine Demongeot, Philippe Noiret, Hubert Deschamps, Vittorio Caprioli, Annie Fratellini u.a.

Eine neu erschienene Übersetzung von Raymond Queneaus Erfolgsroman Zazie dans le métro (1959) nimmt das Filmmuseum zum Anlass, die bislang einzige Verfilmung aus dem Jahr 1960 erneut im Kino zu zeigen. Den Sprachwitz der literarischen Vor lage, das Spiel mit den Ausdrucksformen des Alltags, hat der Regisseur Louis Malle in überzeugende Bilderfolgen übertragen. Er arbeitet mit Slapstick, comicartig überzeichneten Verfolgungs-jagden und klassischen Filmtricks wie Zeitlupe, Zeitraffer, Wieder-holungen, Deformierung, Aufhebung von Raum und Zeit, das Spiel mit farb lichen Verfremdungen oder bewusst falsches Synchroni-sieren als intellektuelle Zitate oder Verballhornungen der Konven-tionen. Der damals dreißigjährige Philippe Noiret als Onkel der etwa zehnjährigen Zazie, mit Zahnlücke und Bubikopf, bezaubernd

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gespielt von Catherine Demongeot, sowie das gesamte bizarre Personal sorgen für eine heitere, verstörende Filmkomödie mit beträchtlichem anarchistischen Potential.

Damit Zazies Mutter ungestört ihren Liebhaber in Paris besuchen kann, gibt sie ihre Tochter für zwei Tage bei ihrem Bruder ab. Zazie will unbedingt mit der Metro fahren, doch die wird zu ihrer großen Enttäuschung gerade bestreikt. Am folgenden Tag erkundet sie Paris auf eigene Faust. Als der Freund ihres Onkels, der Bistro-Besitzer Turandot, sie wieder einfangen will, provoziert Zazie einen Tumult, indem sie ihn frech der Belästigung bezichtigt. Das ist erst der Anfang einer immer verwickelteren Geschichte, in der Identitäten fragwürdig werden, und es am Ende keine Gewissheiten mehr gibt, dafür aber eine heftige Schlägerei in einer Brasserie.

Als der Film 1960 herauskam, äußerten sich unmittelbar nach der Kinopremiere so unterschiedliche Künstlernaturen wie Francois Truffaut, Eugene Ionesco und Charlie Chaplin gleichermaßen begeistert. Was die deutsche Synchronisation auf Betreiben der FSK sprachlich abmildern musste, lässt sich durch die neue Roman-übersetzung von Frank Heibert – oder das französische Original – ergänzen.

Einführung: Dr. Wolfgang Cziesla (Filmmuseum)

54 Stationen der Filmgeschichte

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Di 1O.9. 2O:OO Aspekt: Politik & Reflexion

eL eSPÍRItU De LA COLMeNA DER GEIST DES BIENENSTOCKS E 1973 · 98 min · OmU · 35mm · FSK 16R: Victor Erice · B: Víctor Erice, Ángel Fernández Santos · K: Luis Cuadrado D: Ana Torrent, Fernando Fernán Gómez, Teresa Gimpera, Isabel Tellería

Zwei kleine Mädchen stehen in einem Gleisbett, irgendwo im kastilischen Hochland, kurz nach dem Bürgerkrieg um 1940. Sie hocken sich hin, legen ihre Ohren auf die Gleise und horchen dem herannahenden Zug. Das Leben und der Tod sind eng ver-bunden in Victor Erices Debütfilm über eine erstarrte, isolierte Gemeinde und zwei Schwestern, deren Welterfahrung auf wundersame Weise mit den Grenzen von Fiktion und Realität konfrontiert wird.

Im Gemeindesaal des Rathauses findet die Filmvorführung von James Whales FRANKENSTEIN (1931) statt und die Frage, warum Frankensteins Monster zunächst ein kleines Mädchen umbringt und später selbst getötet wird, lässt Ana, die Jüngere der Schwestern, nicht mehr los. Den Versicherungen ihrer Schwester Isabel, Filme seien reine Illusion, zum Trotz, geht Ana auf die Suche, um das

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Monster zu finden. In einer Schafhütte trifft sie auf einen verwun-deten, republikanischen Soldaten, der sich vor dem Franco-Militär versteckt hält.

Der elliptisch erzählte Film konzentriert sich ganz auf Anas Perspektive, die eine melancholisch entrückte Welt zu deuten versucht. So erfahren wir nichts über die Vergangenheit und die Hintergründe der Figuren – der Vater, ein introvertierter Bienen-züchter, dessen politische Haltung in Andeutungen als zumindest fragwürdig dar gestellt wird, und die Mutter als Verfasserin von (Liebes)-Briefen an einen nicht weiter beschriebenen, anonymen Empfänger. Die Kamera fängt mit natürlichem Licht und in fast monochrom-gelber Farbgebung die Familie isoliert und niemals in geteilten Einstellungen ein, die Bienenwaben spiegeln sich in den Fenstern ihres großen Anwesens wider. Und auch, wenn dem Film eine gewisse ambivalent-traumartige „Franco-Ästhetik“ und elip -tische Erzählweise eigen ist – typisch für eine Reihe an Produktionen aus der Zeit des Franco-Regimes um so einer möglichen Zensur zu entgehen – nutzt Erice diese Mittel gekonnt, um der Suche seiner Protagonistin die (Selbst-)Verlorenheit der spanischen Gesellschaft entgegenzustellen.

Einführung: Philipp Hanke (Filmmuseum)

5757Stationen der Filmgeschichte

Di 17.9. 2O:OO Aspekt: Persönlichkeit

ORLANDO GB·F·I·NL·RU 1988 · 94 min · DF · 35mm · FSK 12R: Sally Potter · B: Sally Potter nach einer Romanvorlage von Virginia Woolf K: Aleksei Rodionov · D: Tilda Swinton, Billy Zane, Jimmy Somerville, Quentin Crisp u.a.

Der junge, bildhübsche und adelige Orlando liebt die Dicht - kunst über alle Maßen. Sein Talent für Poesie verschafft ihm eine gute Stellung bei Hofe und im Speziellen bei Königin Elisabeth I., die Förderin und Bewunderin zugleich ist. Vor ihrem nahenden Tod stellt sie Orlando einen Landsitz mit allen entsprechenden Annehmlichkeiten in Aussicht. Ihre einzige und kuriose Bedingung lautet: Ihr hübscher Feingeist Orlando solle niemals altern. So abstrus diese Bedingung auch scheinen mag, ist sie zugleich auch eine Prophezeiung, denn nach dem Tod der alten Monarchin durcheilt Orlando mehrere Jahrhunderte in einem einzigen Leben.

Seine Reise führt ihn an verschiedenste Orte in unterschiedlichen Epochen. So verliebt er sich in eine russische Prinzessin und wird anschließend englischer Botschafter im fernen Orient. Im Verlauf der Reise wartet noch eine Veränderung auf Orlando, denn schließlich wechselt er sein Geschlecht und lebt fortan als Frau weiter. Als Lady

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verliebt sich Orlando erneut und empfängt ein Kind vom Mann ihrer Träume. In dieser Zeit altert Orlandos Körper nicht, doch der Geist reift durch Erfahrungen und Rückschläge. Die Phasen dieser phan-tastischen Geschichte werden in zeitlich-thematische Kapitel unter-teilt: Sie beginnt mit „Tod“ im Jahre 1600, gefolgt von „Liebe“ (1610), „Poesie“ (1650), „Politik“ (1700), „Gesellschaft“ (1750), „Sex“ (1800) und endet schließlich mit der in der modernen Zeit angesetzten „Geburt“.

Nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf aus dem Jahr 1928 hat Sally Potter einen atmosphärisch dichten Film inszeniert, der von der Suche nach Liebe, zeitgenössischen Bezügen zu Geschlecht und Identität sowie von einer Reise durch die englische Geschichte handelt. Potter fungierte nicht nur als Regisseurin und Drehbuchautorin, sondern komponierte auch einen Teil der Film-musik selbst. Neben der opulenten Inszenierung ist es besonders die Haupt dar stellerin Tilda Swinton, die als androgyne Figur Orlando zu überzeugen weiß.

Einführung: Helmut von Richter (Filmforum – Freundeskreis des Filmmuseums)

58 Stationen der Filmgeschichte

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Di 24.9. 2O:OO Aspekt: Form und Innovation

FILMAbeND GeRMAINe DULAC (1882-1942) •ANtOINette SAbRIeR F 1927 · 32 min · ohne Ton · 16 mm · ab 18 R: Germaine Dulac · B: Germaine Dulac nach dem Stück von Romain Coolus D: Eve Francis, Gabriel Gabrio, Jean Toulout LA COQUILLe et Le CLeRGYMAN DIE MUSCHEL UND DER KLERIKER

F 1927 · 40 min · ohne Ton · 35 mm · ab 18 R: Germaine Dulac · B: Antonin Artaud · K: Paul Guichard, Paul Parguel D: Alex Allin, Genica Athanasiou, Lucien Bataille tHÈMeS et VARIAtIONS THEMA UND VARIATIONEN F 1927 · 11 min · ohne Ton · 35 mm · ab 18 R/B: Germaine Dulac

p „Der eigentliche Film, von dem wir alle träumen, ist eine visuelle Symphonie, die ganz aus der Empfindung des Künstlers lebt und sich auf der Leinwand verwirklicht.“ (Germaine Dulac)

Im Laufe ihrer engagierten 20-jährigen Karriere hat die fran zö-sische Regisseurin und Filmtheoretikerin Germaine Dulac die Landschaft des Avantgarde-Kinos deutlich beeinflusst. Nach der Begegnung mit dem Filmemacher und Drehbuchautor Louis Delluc, nach dessen Vorlage sie LA FÊTE ESPAGNOLE (1920) inszenierte, widmete sie sich mit großem Ehrgeiz dem experimen-tellen Film. Die technisch komplexe Formsprache ihrer fast dreißig Kurz- sowie Langfilme konstituiert ihren eigenwilligen Stil, während der Inhalt dieser visuellen Erzählungen von der Tatsache geprägt wurde, dass sie eine Frau ist.

Der von starken Männerfiguren besetzte surrealistische Kreis, in dem sie sich bewegte, sowie die feministische Bewegung der 1920er-Jahre spielen dabei eine entscheidende Rolle. Als Anhängerin der sogenannten „Impressionistischen Schule“ kämpfte Dulac gegen den kommerziellen Film und für die Abschaffung der Hierarchie zwischen den Künsten. Das Medium Film, die sogenannte siebte Kunst, sollte für die Augen des Betrachtenden ein Schock sein.

6060 Stationen der Filmgeschichte

Bewegungen, Montage-Effekte, Verzerrungen und Doppelbelichtungen ergeben einen bewusst erzeugten Rhythmus, der nichts dem Zufall überlässt.

Einführung: Océane Gonnet (Filmforum – Freundeskreis des Filmmuseums)

Markus Goosmann (Düsseldorf) begleitet am Klavier.

Vorschau:

1.10. BAB AL-HADID · TATORT… HAUPTBAHNHOF KAIRO EG 1958 · R: Youssef Chahine

8.10. CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH BRD · I 1968 · R: Jean-Marie Straub, Danièle Huillet

15.10. BOXER A SMRT‘ · DER BOXER UND DER TOD · SSR 1963 · R: Peter Solan

22.10. HEPBURN: UTAMARO O MEGURU GONIN NO ONNA UTAMARO UND SEINE FÜNF FRAUEN · J 1946 · R: Kenji Mizoguchi

29.10. DISTANT VOICES, STILL LIVES · ENTFERNTE STIMMEN - STILLEBEN GB 1988 · R: Terence Davies

FILMCLUbS FILMe IM ORIGINAL

Griechischer FilmclubSpanischer FilmclubItalienischer FilmclubFranzösischer Filmclub

Jeden Donnerstag zeigen die jeweils einem Sprachraum gewidmeten Filmclubs untertitelte Originalfassungen und greifen damit eine Idee aus den Anfängen der kommunalen Film arbeit auf. Durch Synchronisation wird oftmals die Atmosphäre verän-dert, gar der Sinn verfälscht. Hier bieten die Filmreihen der Film-clubs den sprachkundigen Besucher*innen die Mög lichkeit, den Film in seiner ursprünglichen Version zu hören. Die Untertitel hingegen erleichtern dem Sprachlernenden oder einfach nur Kulturinteressierten das Verständnis. Im Mittelpunkt stehen aktuelle Produktionen. Die Werke junger Filmschaffender bieten Gelegenheit, aktuellen Filmströmungen und Tendenzen nach-zuspüren. Gelegentlich runden Filmklassiker das Programm ab.

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DO 5.9. 2O:OO

KYNODONtAS · DOGTOOTH GR 2009 · 93 min · OmU · digital1080p · FSK 16 R: Yorgos Lanthimos · B: Yorgos Lanthimos, Eythimis Filippou · K: Thimios Bakatakis D: Christos Stergioglou, Michele Valley, Angeliki Papoulia, Mary Tsoni u.a.

Die Arbeiten von Yorgos Lanthimos haben bezüglich der zeit-genössischen griechischen Filmproduktion einen ähnlichen Para-digmenwechsel eingeleitet wie die Geburt von Jesus Christus in der Geschichte des Christentums. Er gilt als wichtigster Vertreter des „New Greek Cinema“ oder auch gerne „Greek Weird Wave (Cinema)“. Manifestiert hat sich dieses Genre mit der surrealen Dystopie KYNODONTAS. Im Film wird der griechische Familien-begriff bis zur Unkenntlichkeit dekonstruiert, sodass eine kritische Betrachtung von Machtstrukturen, den Abgründen menschlichen Handelns und Agierens vorgenommen werden kann. Es geht dabei um Fragen von Bildung und Wissen, von Abhängigkeit und Selbst-bestimmung, den Unterschied von Mensch und Tier.

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Unter der sommerlichen Sonne Griechenlands und in bonbonbunten Farben spielt sich ein monströses Familiendrama ab. Bedingungslose Disziplin und Gehorsam sind die obersten Gebote, die der namenlose Patriarch seiner Frau und den drei erwachsenen Kindern auferlegt hat. In einem festungsgleichen Anwesen, das der wohlerzogene Nachwuchs nicht verlassen darf, solange er noch im Besitz seines „Hundezahns“ (so wird der linke Eckzahn bezeichnet) ist, findet ein Parallelleben statt. Zur Schule gehen die „Kinder“ nicht, stattdessen wird ihnen zu Hause alles Wissenswerte beigebracht. Dabei wird es jedoch bei der Definition von Worten und Begriffen – ähnlich wie bei Orwells „Neusprech“ – mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Ebenso diffus bleibt der Wissensstand im Hinblick auf die mysteriöse Abwesenheit des zweiten Bruders...

Einführung: Eleni Giannakoudi (Filmmuseum)

Vorschau:

3.10. THE BAND · GR 2018 · R: Nikos Aslanidis

7.11. THE BALCONY – MEMORIES OF OCCUPATION GR: 2017 · R: Chysanthos Konstantinidis

5.12. AKADIMIA PLATONOS · KLEINE WUNDER IN ATHEN Un amour de jeunesseGR·DE 2009· R: Filippos Tsitos

Griechischer Filmclub

DO 12.9. 2O:OO

IMPULSO F·E 2017 · 85 min · OmU · digitalDCP · FSK 0 • R/B: Emilio Belmonte · K: Dorian Blanc, Thomas Brémond · D: Rocío Molina, Eduardo Trassiera, José Ángel Carmona u.a.

Flamenco ist mehr als nur ein Tanz: Vielmehr ist er pure Leiden-schaft und vor allem ein Gefühl, welches von den Tänzer*innen bis an ihre Grenzen erlebt und gelebt wird. So auch von Rocío Molina, die mit nur 26 Jahren bereits ihre erste nationale Meisterschaft gewann und im Fokus der Tanz-Dokumentation von Emilio Bel-monte steht. Die junge Spanierin gilt als das Enfant Terrible im Bereich des modernen Flamenco-Tanzes, aber gleichwohl auch als Erneuerin oder gar Revolutionärin dieses Stils.

Die besonderen Elemente ihres Tanzes sind ihre Improvisationen, genannt „Impulsos“, die sie in ihre Choreografien einbindet. Mit dieser unkonventionellen Art zu tanzen und sich so über traditionelle Formen hinweg zu setzen, hat sich Molina in der Szene einen Namen gemacht. Sie verbindet den avantgardistischen, andalusischen Flamenco mit ihren eigenen, ganz frischen und improvisierten Choreografien und erschafft dadurch einen gänzlich neuen Tanzstil: den „Impulso“.

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Der Dokumentarfilmer Emilio Belmonte begleitete die spanische Ausnahmetänzerin und Choreografin über acht Monate bei ihren Vorbereitungen und Übungen für die große Uraufführung des Stückes „Caída del Cielo“ im renommierten „Théâtre National de Chaillot“ in Paris. Die Dokumentation zeigt Molina bei der Erarbeitung ihrer Choreografien, der Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und beim Ausprobieren von verrückten Einfällen. Die Zuschauer*innen begleiten sie bei der Entstehung ihres Stückes und man spürt förm-lich, wie sie dabei immer wieder an ihre Grenzen geht, um einzig-artige Improvisationskunst zu schaffen. Belmonte darf ihr dabei über die Schulter schauen und weiß, wie er die avantgardistischen Bilder einzufangen hat. Dabei bleibt die Dokumentation unkommentiert und somit in gewisser Weise konventionell, denn sie stellt wirklich nur den Tanz in den Vordergrund.

Vorschau:

10.10. CAMPEONES · WIR SIND CHAMPIONS · E 2018 · R: Javier Fesser

14.11. DOLOR Y GLORIA · LEID UND HERRLICHKEIT E 2019 R: Pedro Almodóvar

12.12. ESTÁ TODO BIEN – ALLES IST GUT · VEN·D 2018 R: Tuki Jencquel

64 Spanischer Filmclub

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Italienischer Filmclub

DO 19.9. 2O:OO

tUttI I SANtI GIORNI TAGEIN TAGAUSI 2012 · 102 min · OmU · digitalDCP · FSK 12 • R: Paolo Virzì B: Paolo Virzi, Francesco Bruni, Simone Lenzi nach einer Vorlage von Simone Lenzi K: Vladan Radovic · D: Luca Marinelli, Thony, Micol Azzuro, Claudio Pallito u.a.

Guido liebt antike Sprachen, frühchristliche Heilige und arbeitet als Nachtportier in einem Hotel. Antonia ist Angestellte in einem Autoverleih, sieht sich aber eher als Musikerin und singt abends in Bars. Zwei ganz unterschiedliche Charaktere, die sich lieben. Nur ein kleines Problem gibt es: Die beiden wünschen sich ein Kind. Doch die Zeit vergeht und das ersehnte Baby stellt sich einfach nicht ein. Die Nachfragen von Eltern und Freund*innen werden drängender, Fruchtbarkeitstests, modernste Reproduktions-techniken werden eingesetzt und berühmte Ärzte werden konsultiert. Wird Guidos und Antonias Beziehung diesem Druck standhalten?

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„Guido & Antonia könnten, jeder für sich genommen, zerbrechlich und nicht besonders anpassungsfähig wirken. Aber zusammen sind sie ein ebenso starkes wie ungewöhnliches Gespann, das der eisigen Härte der Welt trotzt. Nur der Nachwuchs, den beide sich wünschen, bleibt aus unerfindlichen Gründen aus. Der Film erzählt von der Hoffnung des jungen Paars, endlich Eltern zu werden, und davon, wie ihre Liebe von den dabei auftauchenden Schwierigkeiten auf eine harte Probe gestellt wird.“ (Paolo Virzì)

Einführung: Joachim Manzin (Manzin - Italienische Übersetzungen)

Vorschau:

17.10. LA GATTA CENRENTOLA · CINDERELLA, THE CAT I 2017 · R: Alessandro Rak, Ivan Cappiello, Marino Guarnieri, Dario Sansone

21.11. LA RAGAZZA DELLA NEBBIA · DER NEBELMANN · I 2017 · R: Donato Carrisi

19.12. LAZZARO FELICE · GLÜCKLICH WIE LAZZARO · I 2018 R: Alice Rohrwacher

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DO 26.9. 2O:OO

Le ReDOUtAbLe GODARD MON AMOURF 2017 · 107 min · OmeU · digital1080p · ab 18R: Michel Hazanavicius · B: Michel Hazanavicius nach einer Vorlage von Anne Wiazemsky K: Guillaume Schiffman · D: Louis Garrel, Stacy Martin, Bérénice Bejo u.a.

Hazanavicius setzt sich mit Jean-Luc Godard, der französischen Regie-Ikone der Nouvelle Vague, auseinander. Seine Basis dafür ist der autobiografische Roman von Anne Wiazemsky, die 1966 in Robert Bressons AU HASARD BALTHASAR und ein Jahr später in Godards LA CHINOISE die Hauptrolle spielte. Einer boulevardes-ken Route folgend, inszeniert er die Ereignisse der 68er-Revolution und der sich entwickelnden Beziehung zwischen Godard und der jungen Anne. Er fokussiert sich auf die Frage, wie seine persönli-che Intimität auch seine Arbeit als Filmregisseur und vor allem als politisch Denkender beeinflusst. Es ist weniger ein Film geworden, der ästhetische Elemente oder gesellschaftliche Diskurse von Godard neu interpretiert, sondern vielmehr ein Film, der zwischen Persiflage und Hommage changiert.

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Dabei liefert die junge Stacy Martin eine Interpretation der Figur von Anne Wiazemsky. Martin ist eine britisch-französische Schauspielerin und bekannt durch ihre Mitarbeit an Lars von Triers NYMPHOMA-NIAC (2013). Sie besticht vor allem als Erzählerin mit ihrer Stimme aus dem Off. In ihrer Darstellung fokussiert sie sich auf eine univer-selle Konstruktion ihrer Figur, die, eingebettet in die 1960er-Jahre, nicht per se die reale Anne kopiert: Eine junge Frau in einer Zeit, die alles infrage zu stellen schien, auf der Suche nach Orientierung bzw. Selbstfindung und konfrontiert mit ihrer Zuneigung zu Godard.

Einführung: Océane Gonnet (Filmforum - Freundeskreis des Filmmuseums)

Im Anschluss an die Vorstellung lädt das Filmmuseum zu einer Vichyssoise (französische Kartoffel-Lauch-Suppe) ein.

In Kooperation mit dem Institut français Düsseldorf.

Vorschau:

24.10 SORRY ANGEL · F 2018 · R: Christophe Honoré

28.11. GRAVE · F·B·I 2016 R: Julia Ducournau

keine Vorstellung im Dezember

68 Franzosischer Filmclub

Italienischer Filmclub 696969

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FILMMAtINee:Facetten der Humanitätp Rund viermal im Jahr werden im Rahmen einer Matineevorstellung bedeutende Filme präsentiert, die Einblicke und Perspektiven auf gesellschaftlich relevante Themen wie Gleichberechtigung, Menschen-rechte, Aspekte diverser Rollenbilder sowie auf politisches und philosophisches Engagement ermöglichen. Die jeweilige Einführung zum Film soll unter anderem dazu anregen, sowohl über den Film als künst lerisches Werk als auch über die Inhalte miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Reihe wird in Kooperation mit den Soroptimistinnen Düsseldorf-Karlstadt durchgeführt.

Soroptimist International ist ein weltweites Netzwerk berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement. Die Organisation agiert im lokalen, nationalen und internationalen Umfeld auf allen Ebenen der Gesellschaft. Soroptimistinnen befassen sich mit Fragen zur rechtlichen, sozialen und beruflichen Stellung der Frau und setzen sich weltweit für Menschenrechte, internationale Verständi gung, Integrität und verantwortliches Handeln ein. Erfrischungen sind zu moderaten Preisen (Spende) erhältlich.

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SO 22.9. 11:3O

Le bRIO · DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEÏLA F·B 2017 · 97 min · DF · digitalDCP · FSK 0R: Yvan Attal · B: Yvan Attal, Victor Saint-Macary, Yaël Langmann, Noé Debré K: Rémy Chevrin D: Camélia Jordana, Daniel Auteuil, Yasin Houicha u.a.

Die Distanz ist unübersehbar und scheint zunächst nicht über-windbar: Neïla Salah ist ehrgeizig, begabt, hat algerische Wurzeln und will unbedingt Anwältin werden. Bei ihrer ersten Vorlesung an der renommierten Pariser Assas Law School provoziert sie durch ihr Zuspätkommen ihren Juraprofessor Mazard, der sie – einem Tribunal gleich – mit rassistischen Bemerkungen zur Rede stellt. Dies bleibt nicht ohne Folgen und so muss Mazard, will er an der Uni bleiben, die neue Studentin für einen renommierten Rhetorikwettbewerb vorbereiten. Das unkonventionelle Rhetorik-Programm, mit dem Mazard die junge Neïla coacht, hat nicht nur den Wett bewerb als Ziel, sondern ist ein Gewinn für alle Lebensbereiche – für beide. Der zynische Professor hat mit der jungen und ehrgei zigen Neïla, die als „Tomboy“ inszeniert wird, eine ebenbürtige Gegnerin.

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Wenn so unterschiedliche Ausdrucksformen wie Wort und Bild aufeinander treffen, so ist es ein Kunstgriff, wenn beide Aspekte anspruchsvoll und unterhaltsam zugleich inszeniert werden.

Durch den kinematografischen Code werden die Bilder so über-setzt, dass Befindlichkeiten der Hauptfiguren visuell stimmig trans-portiert werden, um so die Erzählung dramaturgisch zu akzentuieren. Neïlas Raum, in dem sie sich bewegt, spiegelt auch immer ihren aktuellen Zustand wider: Wir sehen mit ihren Augen, hören ihre Musik und nehmen Anteil an ihrer charakterlichen und äußerlichen Veränderung. Das visuelle Medium gibt Wort und Schauspiel mit Hilfe des Cinemascope-Formates genügend Raum, das Rémy Chevrins Kamera mit Sorgfalt für Bildkomposition, Farbe und Licht einsetzt. Trotz des komödiantischen Tons und der geschliffenen Wortgefechte thematisiert der Film glaubhaft, wie sehr die ethnische Herkunft in Frankreich immer noch die gesellschaftliche Position bestimmt. Mit seinem positiven Ende ist das Werk ein Plädoyer für Meinungsfreiheit, Bildung und den Ausbruch aus geschlechtsspezi-fischen Rollenmustern.

Einführung: Karin Woyke (Filmmuseum)

Filmmatinee: Facetten von Humanität

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42nd

DÜSSeLDORF StReet

»Zombiethon!«

p Als Hommage an die 24-Stunden-Kinos der 1970er-Jahre auf der 42nd-Street in New York und an die ehemalige kleine Schmuddel kinomeile in Düsseldorf widmet sich Mondo Bizarr einmal im Monat in Form eines 35mm-Double-Features den Klassikern des internationalen Exploitation-Films. Die Reihe 42nd Street Düsseldorf liefert Wahnsinniges und Abstruses, Vergessenes und Verbo tenes, kombiniert mit einer auf die Hauptfilme abgestimmten Trailershow.

Mit Eintrittskarte des ersten Films ist die zweite Vorstellung kostenlos.

Einführung: Marc Ewert (Mondo Bizarr, Düsseldorf)

Incubo sulla città contaminata

7342nd Street Düsseldorf

Fr 6.9. 2O:3O

HARD ROCK ZOMbIeS HARDROCK-ZOMBIES USA 1985 · 98 min · DF · 35mm · FSK 18R: Krishna Shah · B: Krishna Shah, David Ball · K: Tom Richmond D: E.J. Curcio, Geno Andrews, Sam Mann u.a.

Adolf Hitler hat sich mit seiner blutrünstigen Sippe in die Nähe des beschaulichen Städtchens Grand Guignol zurückgezogen.Dummerweise lässt er die Mitglieder einer Heavy-Metal-Band über die Klinge springen, welche aber durch die unbändige Liebe ihrer Fans von den Toten zurückkehren und schließlich grausige Rache üben!

In diesem Film hat die braune Brut keine Chance: Denn mit kreischenden Gitarrensoli wird dem rechten Gewürm die Luft regel-recht aus den Lungen geblasen! Krishna Shahs völlig abgedrehtes Werk hatte 1985 erstaunlicherweise einen deutschen Kinostart und mauserte sich schließlich dank beeindruckender Synchro und der Magie des VHS-Mediums zu einem kleinen Kulthit.

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iM AnSChLuSS, CA. 22:3O

INCUbO SULLA CIttÀ CONtAMINAtAGROSSANGRIFF DER ZOMBIES

I·MEX·E 1980 · 91 min · DF · FSK 18R: Umberto Lenzi · B: Antonio Corti, Piero Regnoli · K: Hans Burman D: Hugo Stiglitz, Laura Trotter, Francisco Rabal u.a.

Ein Militärflugzeug landet, die Luke öffnet sich und eine bunte Schar von rennenden, blutgierigen Untoten ergießt sich über das Rollfeld: Wer bisher dachte, dass Danny Boyle mit 28 DAYS LATER (2002) das Genre der „rennenden Zombies“ erfand (dabei waren es ja eher infizierte Lebende), kann sich in Umberto Lenzis rasantem Spektakel durchaus eines Besseren belehren lassen! Mexikos Kultmime Hugo Stiglitz als naseweiser Reporter ermittelt stirnrunzelnd bei vollem Körpereinsatz gegen die verantwortliche Atommafia, und zu den prominenteren Opfern zählt sogar Schauspiellegende Francisco Rabal. Ein Film wie eine wilde Party – nur alle Gäste sind tot!

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FILMKLASSIKeRAM NACHMIttAG

p Zur Zeit des Nationalsozialismus pendelte das deutsche Kino zwischen Propaganda und eskapistischem Unterhaltungskino – mit teilweise fließenden Grenzen. Filme, die im Auftrag der Goebbelschen Propaganda-Maschinerie gedreht wurden, sind mittlerweile als soge- nannte Vorbehaltsfilme eingestuft und überstrahlen das übrige Unter- haltungskino dieser Zeit, das etwa 90% der Produktion ausmachte und eine genuin eigene Qualität entwickelte. Ohne die Repression undUnterdrückung, die das bis dato äußerst kreative und innovative deut-sche Kino zum Erliegen brachte, zu bagatellisieren, möchte die Film- reihe „Filmklassiker am Nachmittag“ einen Blick auf das harmlos wirkende Kino dieser Zeit werfen – stets mit dem Bewusstsein, vor welchem zeithistorischen Hintergrund mit Leichtigkeit unterhaltende Lustspiele inszeniert wurden. • Eintritt: 2,00 €

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Di 3.9. 15:OO

FAMILIeNANSCHLUSSD 1941 · 83 min · DF · 35mm · FSK 12R: Carl Boese · B: Karl Bunje, Hermann Pfeiffer nach einer Vorlage von Karl Bunje K: Jan Roth · D: Ludwig Schmitz, Karin Hardt, Hermann Speelmans u.a.

Kann ein Mann, der auf Schiffsplanken groß geworden ist, an Land Wurzeln schlagen? In Form einer rheinischen Volkskomödie erzählt Carl Boese die Geschichte eines gealterten Schiffskapitäns, der nach Ende des Ersten Weltkrieges nicht mehr in Übersee die deutschen Kolonien ansteuern kann. Er muss sich nun mit Fahrten auf dem Rhein zufrieden geben und während er tagtäglich die kleinen Häuschen am Ufer betrachtet, kommt ihm der Gedanke, an Land wohnen zu wollen.

Doch seine Ehefrau und Tochter sehen sich in ihren Zweifeln im Hinblick auf seine Geschäftstüchtigkeit „an Land“ schnell bestätigt. Eine Idee folgt der anderen, doch ein guter Kapitän ist nicht zwingend auch ein guter Kaufmann und das durch die Seefahrt erwirtschaftete Kapital scheint sich zu verringern. Seine letzte zündende Idee ist eine Pension mit Familienanschluss. Die eigene Wohnung wird zur Pension umfunktioniert. Die finale Chance für den ehemaligen Kapitän.

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Ludwig Schmitz, der seine Karriere am Theater begann und als „kleiner Dicker“ auf komödiantische Rollen festgelegt war, wurde durch seine rheinische Art vor allem in seiner Heimat bekannt. Unter anderem verkörperte er hunderte Male die Figur des Schneider Wibbel in dem Stück von Hans Müller-Schlösser. Ende der 1920er-Jahre war er am Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert; in den 1930er-Jahren wechselte er zum Film, wo er sein komödian-tisches Talent weiter entfalten konnte. Nachdem ihm nur Nebenrollen übertragen wurden, bekam er 1941 mit FAMILIENANSCHLUSS eine seiner ersten Hauptrollen, bevor er, trotz SS- und NSDAP-Mitglied-schaft sowie aktiver Mitarbeit bei der NS-Propaganda, wegen „un-würdigen Verhaltens“ mit einem Berufsverbot belegt wurde. Trotz seiner Aktivitäten im Sinne der nationalsozialistischen Macht haber, konnte er in den 1950er-Jahren zum Film zurückkehren, um im belanglosen Heimatfilm-Genre nochmals kurz Fuß zu fassen.

Vorschau:

1.10. VERRÄTER · D 1936 · R: Karl Ritter

5.11. DAS MÄDCHEN VOM MOORHOF · D 1935 · R: Detlef Sierck

3.12. DER POSTMEISTER · D 1940 · Gustav Ucicky

75Filmklassiker am Nachmittag

PSYCHOANALYSe UND FILM

p Seit 2001 zeigt die Akademie für Psychoanalyse und Psycho somatik einmal monatlich, immer freitags um 19:00 Uhr, aus gewählte Filme mit filmtheoretischer Einführung von Dorothee Krings (Rheinische Post) und einem anschließenden psycho analytischen Kommentar, abgerundet durch eine anregende Diskussion mit dem Publikum.

Moderation: Dr. Claudia Sies und Dr. Mathias Hirsch Eintritt: 9,00 € · ermäßigt 7,00 € · mit Black-Box-Pass 6,00 €

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Fr 27.9. 19:OO

LIttLe bIG MANUSA 1970 · 139 min · DF · 35mm · FSK 16R: Arthur Penn · B: Calder Willingham nach einer Vorlage von Thomas Berger K: Harry Stradling Jr. · D: Dustin Hoffman, Faye Dunaway, Chief Dan George u.a.

Jack Crabb, gespielt von Dustin Hoffman, sitzt in den 1970er-Jahren mit biblischen 121 Jahren in einem Stuhl im Altenheim. Er wird von einem Journalisten beleidigt, der ihm mit jeder Aus-sage unterstellt, als US-amerikanischer Nationalist an der Seite von General Custer gekämpft zu haben. Erst nach einer lautstarkenEntgegnung verstummt der Journalist und hört ihm zu, während Jack beginnt, seine Sicht auf die „Indianerkriege“ zu erzählen, die im Kampf am Little Bighorn kulminiert.

Jack erzählt also seine Lebensgeschichte, eine Geschichte voller Not. Es ist die Geschichte eines Mannes, der versucht, im Wilden Westen zu überleben und dabei zwischen den Welten der Urein-wohner*innen und der Einwander*innen zerrissen wird. In beiden Welten erlebt er Identitätskonflikte, Heuchelei und Opportunismus. Schließlich gerät er zwischen die Fronten der kriegerischen Hand-lungen und am Ende schlägt sein Herz für die Ureinwohner*innen,

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die ihn immer wieder aufnahmen und bei denen er sein Zuhause gefunden hat.

Dieser Anti-Western hat viele tragische Elemente, die nur allzu deutlich die politische Botschaft vermitteln, dass die „Indianerkriege“ ein Genozid und keine Auseinandersetzung unter Völkern waren. Dennoch: Die eigentliche Stärke des Films ist der pointierte Humor, mit dem der heroische Mythos von der Zivilisierung des Westens in Frage gestellt wird. Im Stil eines Monumentarfilms zeigt uns Arthur Penn vor allem den Hochmut der „Zivilisierten“ und allzu oft ihr Scheitern: Der einstige Revolverheld wird selbst als geläuterter Wohltäter und Ehrenmann noch von seinen früheren Taten heim-gesucht. Penn spielt mit diesem und weiteren Selbstbildern, die er mit viel Ironie demaskiert.

Vortrag und Diskussionsleitung: Dr. Bernd Nitzschke

Vorschau:

11.10. IN DEN GÄNGEN · D 2018 · R: Thomas Stuber

29.11. THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI GB·USA 2018 · R: Martin McDonagh

13.12. THE POST · DIE VERLEGERIN · USA 2017 · R: Steven Spielberg

Psychoanalyse & Film

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Eintritt Kino: sofern nicht anders angegeben: pro Person 7,00 € / ermäßigt 5,00 €mit Black-Box-Pass 4,00 €

Kinokarten erhalten Sie auch im Vorverkauf! Die Karten sind jeweils ab dem 15. des Vormonats ganztägig an der Kasse erhältlich. Telefonisch reservierte Karten müssen spätestens 20 Minuten vor Filmbeginn abgeholt werden. Die Kinokasse öffnet 45 Minuten vor Filmbeginn.

K I N O O H N e W e R b U N G .

Filmmuseum Öffnungszeiten und Eintritt: Di – So: 11–18 Uhr, geschlossen montags und an folgenden Feiertagen: Weiberfastnacht, Karnevalssonntag, 1.5., 24.12., 25.12., 31.12, 1.1., andere Feiertage: geöffnet wie sonntags Eintritt pro Person: 5,00 € (erm. 2,50 €) Jugendliche unter 18 J. freier Eintritt, Sonntags Eintritt frei.

Mit dem BLACK BOX PASSfür nur 4,00 e* ins Kino!Dem Besitzer des Black-Box-Passes wird in diesem Kino ein Jahr ab Kaufdatum eine Ermäßigung von 3,00 € auf den vollen Eintrittspreis gewährt. Preis: 18,00 € / ermäßigt 6,00 €

*ausgenommen sind Sonderveranstaltungen

U

P

uP – uO & iEHaltestelle: Heinrich-Heine-Allee

UWZ Haltestelle: Maxplatz

Parkhaus Altstadt (Zufahrt nur über Rheinufertunnel) oder Parkhaus Carlsplatz

BLACK BOX – Kino im Filmmuseum der Landeshauptstadt DüsseldorfSchulstraße 4 · 40213 DüsseldorfTelefon 02 11-8 99 22 32 [email protected]

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Erläuterungen: R: RegieB: Drehbuch

K: KameraD: Darsteller

DF = Deutsche FassungOF = Originalfassung

OmU = Original mit deutschen UntertitelnOmeU = Original mit englischen Untertiteln

Impressum:

Herausgegeben von der Landeshauptstadt Düsseldorf Der Oberbürgermeister Filmmuseum

Texte + Redaktion: Florian Deterding

Mitarbeit: Robert Birkel, Wolfgang Cziesla, Marc Ewert, Geraldine Gau, Eleni Giannakoudi, Océane Gonnet, Philipp Hanke, Yana Lebedeva, Joachim Manzin, Thomas Ochs, Margret Schild, Sarah Winterpagt, Karin Woyke

Filmvorführer*innen: Lucas Croon, Hannah Hummel, Luka Kurashvili, Thomas Ochs, Fernanda Rueda, Nikolai Szymanski

Verantwortlich: Bernd Desinger Bildmaterial: Filmmuseum Düsseldorf

SePteMbeR 2O19

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BLACK BOX Kino im Filmmuseum der Landeshauptstadt DüsseldorfSchulstraße 4 · 40213 Düsseldorf

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Eine Kultureinrichtung der Landeshauptstadt Düsseldorf


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