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An den Ufern von Freital · Dresdner Straße – Rabenauer ... Nach 1990 konnte der Betrieb nicht...

Date post: 18-Sep-2018
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An den Ufern von Freital Wanderweg: Bahnhof Potschappel Steinstraße Uferstraße Platz des Friedens Leßkestraße Poisentalstraße Mühlenviertel Jägerstraße Schmelztiegelfabrik Dresdner Straße Rabenauer Straße Zusammenfluss von Roter und Wilder Weiße- ritz S-Bahn-Haltepunkt Hainsberg-West. Reine Wegstrecke: knapp 10 Kilometer, etwa 3 Stunden. Fußwege durch die Stadt, ein kleiner Anstieg, eine Treppe abwärts. Für Rollstuhlfahrer mit kleinem Umweg (siehe Text), für Kinderwagen mit einmal Treppe abwärts tragen geeignet. Anfahrt von Dresden: S-Bahn S3 oder Regionalbahn RB30 bis Bahnhof Freital-Pot- schappel oder Bus A von Tharandter /Kesselsdorfer Straße bis Haltestelle Freital, S-Bahnhof Potschappel. Rückfahrt: S-Bahn S3 ab S-Bahn-Haltepunkt Freital-Hainsberg West https://www.vvo-online.de/de/fahrplan/fahrplanauskunft Wir sind angekommen und stehen auf dem Platz vor dem Bahnhof. Dessen Gebäude, entstanden 1855, zählt zu den älteren unserer Gegend. Es wurde verändert, als die Eisenbahn zwischen 1905 und 1909 zwischen Hainsberg und Potschappel von der ebenen Erde auf einen Bahndamm gelegt wurde. Von 1894 bis 1972 begann hier auch die Schmalspurbahn nach Nossen und Meißen. Auf dem Platz drehen sich Figuren zum Flötenspiel im Tanz, geschaffen von dem Wernigeröder Metallgestalter Jochen Müller und 2008 aufgestellt. Flötenspieler ist Rotkopf Görg. Der musikalische Dorfbursche wurde eines Tages von einem Männlein in den Windberg hineingeführt, damit er den Zwergen zum Tanz aufspiele. Zum Dank füllten die Zwerge glühende Kohlen in sein Hütchen. Weil die schwer waren, warf er sie auf dem Heimweg weg. Zu Hause fand er eine Goldmünze im Hütchen und eilte zurück. Die weggeworfenen Kohlen aber waren verschwunden, der Berg geschlossen. Die Sage erzählt von dem, was diese Gegend prägte: der Steinkohle. Unsere kleine Wanderung heute führt durch die geologische Landschaft des etwa 350 Millionen Jahre alten Döhlener Beckens. Diese Senke füllt sich im Verlauf von 50 Millionen Jahren mit Unmengen von Pflanzen- und Tierresten, aus denen in weiteren Millionen von Jahren unter immer neuen Ablagerungen Steinköhleflöze gepresst wur- den, sieben an der Zahl. Aus dem Jahr 1542 haben wir erste Kenntnis von deren Abbau, damals noch dort, wo Flöze an die Oberfläche stießen. Im 19. Jahrhundert dann war der Höhepunkt des Abbaus erreicht. Nachgewiesen sind zwischen Pesterwitz und Possendorf über 500 Schächte. Unter uns sieht es also aus wie in einem Schweizer Käse. Und es geht durch eine junge Stadt; die Dörfer dieses Tales schlossen sich erst im Oktober 1921 zur Stadt Freital zusammen. Oben links: Rotkopf-Görg-Brunnen. Oben rechts: Rathaus Potschappel. Unten links. Glück-auf-Apotheke. Unten Mitte: Alter Oberleitungshaken am Haus Dresdner Straße 48. Unten rechts: Villa Steinstraße. Fotos: Rainer Schulze
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An den Ufern von Freital Wanderweg: Bahnhof Potschappel – Steinstraße – Uferstraße – Platz des Friedens – Leßkestraße – Poisentalstraße – Mühlenviertel – Jägerstraße – Schmelztiegelfabrik – Dresdner Straße – Rabenauer Straße – Zusammenfluss von Roter und Wilder Weiße-ritz – S-Bahn-Haltepunkt Hainsberg-West. Reine Wegstrecke: knapp 10 Kilometer, etwa 3 Stunden. Fußwege durch die Stadt, ein kleiner Anstieg, eine Treppe abwärts. Für Rollstuhlfahrer mit kleinem Umweg (siehe Text), für Kinderwagen mit einmal Treppe abwärts tragen geeignet. Anfahrt von Dresden: S-Bahn S3 oder Regionalbahn RB30 bis Bahnhof Freital-Pot-schappel oder Bus A von Tharandter /Kesselsdorfer Straße bis Haltestelle Freital, S-Bahnhof Potschappel. Rückfahrt: S-Bahn S3 ab S-Bahn-Haltepunkt Freital-Hainsberg West https://www.vvo-online.de/de/fahrplan/fahrplanauskunft

Wir sind angekommen und stehen auf dem Platz vor dem Bahnhof. Dessen Gebäude, entstanden 1855, zählt zu den älteren unserer Gegend. Es wurde verändert, als die Eisenbahn zwischen 1905 und 1909 zwischen Hainsberg und Potschappel von der ebenen Erde auf einen Bahndamm gelegt wurde. Von 1894 bis 1972 begann hier auch die Schmalspurbahn nach Nossen und Meißen. Auf dem Platz drehen sich Figuren zum Flötenspiel im Tanz, geschaffen von dem Wernigeröder Metallgestalter Jochen Müller und 2008 aufgestellt. Flötenspieler ist Rotkopf Görg. Der musikalische Dorfbursche wurde eines Tages von einem Männlein in den Windberg hineingeführt, damit er den Zwergen zum Tanz aufspiele. Zum Dank füllten die Zwerge glühende Kohlen in sein Hütchen. Weil die schwer waren, warf er sie auf dem Heimweg weg. Zu Hause fand er eine Goldmünze im Hütchen und eilte zurück. Die weggeworfenen Kohlen aber waren verschwunden, der Berg geschlossen. Die Sage erzählt von dem, was diese Gegend prägte: der Steinkohle. Unsere kleine Wanderung heute führt durch die geologische Landschaft des etwa 350 Millionen Jahre alten Döhlener Beckens. Diese Senke füllt sich im Verlauf von 50 Millionen Jahren mit Unmengen von Pflanzen- und Tierresten, aus denen in weiteren Millionen von Jahren unter immer neuen Ablagerungen Steinköhleflöze gepresst wur-den, sieben an der Zahl. Aus dem Jahr 1542 haben wir erste Kenntnis von deren Abbau, damals noch dort, wo Flöze an die Oberfläche stießen. Im 19. Jahrhundert dann war der Höhepunkt des Abbaus erreicht. Nachgewiesen sind zwischen Pesterwitz und Possendorf über 500 Schächte. Unter uns sieht es also aus wie in einem Schweizer Käse. Und es geht durch eine junge Stadt; die Dörfer dieses Tales schlossen sich erst im Oktober 1921 zur Stadt Freital zusammen.

Oben links: Rotkopf-Görg-Brunnen. Oben rechts: Rathaus Potschappel. Unten links. Glück-auf-Apotheke. Unten Mitte:

Alter Oberleitungshaken am Haus Dresdner Straße 48. Unten rechts: Villa Steinstraße. Fotos: Rainer Schulze

Wir gehen über die Ampel und die Dresdner Straße nach links, die hier einen großstädtischen Charakter hat. Ins Auge fällt der stattliche Neorenaissancebau des Rathauses Potschappel von 1902-04. „Moder-ner“ für damalige Zeiten durch den Jugendstil war die 1902 eingerichtete Glück-auf-Apotheke links da-neben. Die meisten der folgenden Häuser wurden vor 1900 erbaut, mit Ausnahmen. Das Haus an der Ecke Am Bahnhof entstand 1913 als Kaufhaus. In der DDR war es Magnet-Kaufhaus, nach der Wende gehörte es eine Weile der Kaufhauskette NKD. Jetzt sind altersgerechte Wohnungen darin. Haus Num-mer 44 ist das älteste, es steht seit 1845. Ein Haus weiter, Nummer 40/42, ließ ein Konsumverein 1927/28 als Wohnhaus bauen. Den leeren Platz zur Eisenbahn zu an der Kreuzung mit der Richard-Wagner-Straße füllte einst das Hotel Oehme aus. Fast alle bekannten DDR-Unterhaltungskünstler nächtigten hier, wenn sie in Dresden auftraten. Nach der Wende ging das Haus ein. Wir laufen noch ein paar Meter auf der Dresdner Straße, dann biegen wir rechts in die Steinstraße ein. Die Villa mit der Hausnummer 2 wurde zweieinhalbmal geboren. Das erste Mal 1893. Dann versank sie im Hochwasser von 1897. Danach erschien sie in der heutigen Form wieder. Ab 1998 stand sie leer, 2002 litt sie wie Hunderte andere Häuser an der Weißeritz erneut unter reißenden Fluten. 2014 erbarmte sich ihrer ein Mensch mit Geld. Und wir sind nun gleich an der Weißeritz, überqueren sie und folgen der Uferstraße nach rechts. Im August 2002 hätten uns hier die Fluten auf der Straße mitgerissen. Nach Queren der Coschützer Straße sehen wir auf der anderen Weißeritzseite das stattliche Gebäude der Hofemühle Potschappel. Es wurde aus der Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts hinüber ins Wohnen des 21. Jahrhunderts gerettet. Vor uns erhebt sich der Osterberg. Bei genauerem Hinschauen bemerken wir, dass er nur noch eine Hülle ist. Ein riesiger Steinbruch hat ihn ausgehöhlt. Im Steinbruch befindet sich der Ort, von dem aus zwischen 2007 und 2012 der neue Wismut-Stolln vorgetrieben wurde, der das alte Grubenfeld Gittersee in Richtung Grubenfeld Zauckerode entwässert, wo er in den Tiefen Elbstolln mündet. Der entlässt das Wasser dann in Dresden-Cotta in die Elbe.

Links: Die Einfahrt in den Steinbruch des Osterberges. Rechts am Ufer plätschert die Wiederitz in die Weißeritz.

Rechts: Der „Goldene Löwe“. Unten: Der Kopfwaschbrunnen gegenüber. Fotos: Rainer Schulze

Vorm Osterberg geht es nach rechts über die Weißeritz und zwischen „Goldenem Löwen“ und Mündung des Wiederitzbaches wieder auf die Dresdner Straße. Einen „Goldenen Löwen“ gab es hier bereits seit dem 17. Jahrhundert. Dieser Bau wurde 1908 errichtet. Seitdem wurde hier gezecht, getanzt (sogar auf internationalen Turnieren) und gekegelt. Nach 1990 konnte der Betrieb nicht gehalten werden und schloss. Der Ballsaal wurde nach der Flut von 2002 abgerissen. Seit 2011 kann man wieder einkehren. Gegenüber, an der Einmündung der Turnerstraße,

steht der Kopfwaschbrunnen, geschaffen von dem Freitaler Peter Fritzsche 1983. Wir laufen ein Stück auf der Dresdner Straße von Dresden weg, biegen links in die Deubener Straße ein und von der links in die Reichardstraße. Gelb leuchtet dort das Haus Nummer 9. Eine Gedenktafel daran klärt uns auf, dass hier Deutschlands erste Ballonfahrerin wohnte, Wilhelmine Reichard. Auch ihr Mann war Ballonfahrer. Und das war immerhin bereits 1811. Die Stadt Freital erklärt auf ihrer Home-page, dieses Haus sei „das wahrscheinlich älteste erhaltene Gebäude der deutschen Luftfahrt“. Nach der Rechtskurve liegt auf der anderen Seite der Weißeritz am Südfuß des Osterberges der Platz des Friedens. Am gegenüberliegenden Ufer befand sich das Mundloch des Burgker Weißeritzstollns, der von 1773 bis 1952 das Revier Großburgk entwässerte. Es wurde 1952 zugemauert und verschwand. Der Stollen wurde mithilfe von fünf Lichtlöchern vorgetrieben, war 1342 Meter lang und hatte einen Querschnitt von 0,84 Quadratmetern, was einen Durchmesser von gerademal einem halben Meter be-deutet. Stellen Sie sich dort drin einen arbeitenden Bergmann vor!

Links: Reichardhaus. Mitte: Skulptur am OdF-Mahnmal. Rechts: Kita Storchenbrunnen. Unten: Der Osterberg von der Reichardstraße aus. Rechts am Ufer befand sich das Mundloch des Burgker Weißeritzstollns. Fotos: Rainer Schulze

Wir erreichen die Weißeritzbrücke an der Burgker Straße. Bevor wir hinübergehen, besuchen wir die Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus auf der anderen Straßenseite. Blickfang ist eine Statue des Dresdner Bildhauers Wieland Förster von 1956. Ihr gegenüber werden im Auftrag der sächsischen Staatsregierung und der Stadt Freital die Opfer jeglicher Gewalt geehrt. Wir überqueren die Brücke. Über dem Platz des Friedens erhebt sich das Monstrum des ehemaligen Real-Marktes. Mitte der 90er-Jahre mit 5500 Quadratmetern Verkaufsfläche und großem Brimborium eröffnet, wurde er bereits An-fang 2010 von Real wieder „abgeworfen“ und verhunzt seitdem die Gegend. Es geht weiter die Weißeritz aufwärts. Auf der anderen Seite des Flüsschens entdecken wir unter einem Schutzdach den rot leuchtenden Storchenbrunnen, 1938 von Fritz Schlesinger. Wir kommen am Sta-dion des Friedens vorbei zum Altenpflegeheim Bodelschwingh der Diakonie Dresden, eingerichtet in einem 1986 errichteten DDR-Typenbau von Feierabendheimen. Am anderen Weißeritzufer stehen far-benfrohe Neubauten. Von der Brücke hat man einen erstaunlich weiten Blick zum Kern von Deuben und bis zu den „Gipfeln“ der Schweinsdorfer Alpen im Hintergrund. Frei ist der Blick, seit nach der Wende mehrere Industriebetriebe beiderseits der Leßkestraße abgerissen wurden und die von der Flut 2002 verwüstete Kleingartenanlage in den vor uns liegenden Windbergpark umgewandelt worden ist.

Blick von der Brücke am Bodelschwingh-Heim über Windbergpark und Deuben zu den Schweinsdorfer Alpen. Foto: R. Schulze

Auf der anderen Seite der Leßkestraße geht es an der Weißeritz auf Müllers Weg weiter, direkt am Fuße des Windberges, der uns um gut 280 Meter überragt. Wir befinden uns im Bereich eines Altbergbaus aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Der machte sich unter anderem durch einen Tagesbruch im Mai 2014

im Park oberhalb des Weges bemerkbar. Über uns auf dem Gelände einer Kleingartenanlage befand sich der Augustus-Schacht, den von 1849 bis 1893 knapp 2,3 Millionen Tonnen Steinkohle verließen. Sie taten dies hauptsächlich durch eine 160 Meter lange Rösche, die hier am Weg mündete. Über eine Brücke gelangte die Kohle ans andere Ufer zu einem Sortierplatz mit Eisenbahnanschluss. Haus Num-mer 10 auf der linken Wegseite war Schreiberei oder Beamtenwohnhaus des Augustus-Schachtes. Vor uns erkennen wir an seiner Form wieder eines der typischen Mühlengebäude aus dem 19. Jahr-hundert. Es gehörte zur Böhmertmühle, die bis etwa 1900 als Mühle arbeitete. Vor ihr mündet der Mühl-graben in die Weißeritz, der die Egermühle, die Lederfabrik und die Böhmertmühle bediente. Sind wir am Mühlengebäude vorbei, nehmen wir den Pfad rechts. Er führt über den Poisenbach, der hier in den Mühlgraben stürzt. Unweit steht das Wohnhaus der ehemaligen Mühle. Am Mühlgraben entlang kom-men wir zur Poisentalstraße und stehen staunend vor der kolossalen Ruine einer Fabrik, unter der der Mühlgraben verschwindet.

Links: Die Böhmertmühle, zwischen Mühlengebäude und Wohnhaus Egermühlgraben. Rechts: Lederfabrik. Fotos: R. Schulze

Die Lederfabrik wurde 1893 von den Gebrüdern Sohre gegründet und bis 1909 nach einem Brand in dieser Form neu errichtet. Als VEB Freitaler Lederfabrik arbeitete sie bis 1991, dann wurde sie von der Treuhand geschlossen. Allerlei hoffnungsfrohe Versuche, das Gebäude einer anderen Nutzung zuzu-führen, sind seither gescheitert. Inzwischen sind die größten Teile verschwunden, im Mai 2017 be-schloss der Stadtrat den endgültigen Abriss. Ob noch laufende letzte Rettungsversuche greifen werden, steht in den Sternen. Zwischen 1906 und 1972 wurden Lederfabrik und Egermühle über eine meterspu-rige Güterstraßenbahn versorgt, die Eisenbahnwaggons vom nahen Straßenbahnhof Deuben auf Roll-böcken transportierte. Vom Bahnhof Deuben bis zum Straßenbahnhof führte ein Anschlussgleis.

An der Weißeritz in Deuben. Foto: Rainer Schulze

Auf der Poisentalstraße gelangen wir wieder zur Weißeritz. Direkt vor der Brücke führt links ein schmaler Weg auf der Ufermauer flussaufwärts. Er mündet auf die Straße An der Weißeritz. Bei strahlender Sonne und angesichts wunderlich beschnittener Bäumen fühlen wir uns wie weit im Süden. Allerdings fehlt etwas Belebendes, zum Beispiel ein Café. Rechts reckt sich die Deubener Christuskirche in den Himmel. 1869 geweiht, war sie der früheste neugotische Kirchenbau im Raum Dresden. Auf ihrer Höhe wenden wir uns nach links in die Fußgängerzone des in den 90er-Jahren gebauten Mühlenviertels. An der kleinen Kreuzung findet sich ein künstlicher Bachlauf, der im Sommer für Kühlung sorgen soll. Ir-gendetwas hat mit diesem Viertel nicht geklappt, die meisten Läden stehen leer.

Wir biegen rechts ab und an der Mühlenstraße noch einmal rechts, dann stehen wir vor der Egermühle, einem wahrhaftigen Architekturmonument. Bereits im 16. Jahrhundert klapperte hier eine Mühle, bis sie 1874 ein Herr Eger erwarb. Danach war die Mühle mehr oder weniger ständig Baustelle. Von 1893 bis 1895 wurden im Wesentlichen die heutigen Gebäude erbaut, das Verwaltungsgebäude entstand 1906, die Uhr trägt die Jahreszahlen 1916/17. Die Mühle stellte bis zum Ende der DDR Mehl, Brot und andere Backwaren für die Region her. Das alles kam dann massenweise von woanders her, und aus der Mühle wurde ein Wohnhaus. Die Mühlenstraße führt wieder zur Weißeritz. Rechts am anderen Ufer leuchtet, etwas fremd unter all den großen Gebäuden, ein Fachwerkhäuschen von 1901. Wir gehen direkt am Ufer weiter. Gegenüber sehen wir das Weißeritz-Gymnasium in einem Schulbau von 1907.

Links: Die Egermühle. Rechts: Beginn des Mühlgrabens für Egermühle, Lederfabrik und Böhmertmühle. Fotos: R. Schulze

Wir gehen am Ufer weiter bis zur Bürgerstraße, biegen dort links ab und dann rechts in die Jägerstraße ein. Die überbrückt den Beginn des Egermühlgrabens. Links führt eine Tür nicht in einen Stollen, son-dern in einen Erdkeller; dessen Besitzer ist allerdings ein Verehrer des Bergbaus. Dann steigt die Straße an. In der Linkskurve steigen wir auf einer Treppe wieder ab. Unten überqueren wir den Fluss. Der Winkel der Brücke erklärt sich daraus, dass sie die Widerlager einer Eisenbahnbrücke nutzt. Bis hierher versorgte vom Bahnhof Hainsberg aus eine Anschlussbahn die Betriebe auf dem linken Weißeritzufer. Einer dieser Betriebe hat etwas Wunderbares hinterlassen: fünf Brennöfen aus den 1930er-Jahren. Be-reits 1836 wurde an dieser Stelle, gut versorgt mit dem Wasser der Weißeritz, eine Garnrotfärberei gegründet. Die machte 1880 Pleite und wurde zu einer Fabrik umgebaut, in der Schmelztiegel gebrannt wurden. Das sind keramische Formen, in denen Metalle geschmolzen werden. Nach 1945 wurde die Produktion im VEB Schmelztiegel- und Graphitwerk fortgesetzt, zuletzt als Betriebsteil des VEB Feuer-festwerke Wetro. 1990 wurde die Produktion im Stammbetrieb in dem Lausitzer Ort Wetro konzentriert, übrig blieb diese Immobilie. Immerhin wurden die fünf Öfen gesichert und abgedeckt. Jedenfalls bisher.

Links: Die fünf Brennöfen der ehemaligen Schmelztiegelfabrik. Rechts: Am Glaswerk. Noch immer wird an der

Befestigung der Ufer gearbeitet, um auf künftige Fluten vorbereitet zu sein. Fotos: Rainer Schulze

Wir kommen wieder zur Dresdner Straße. Links haben längst die Anlagen der Papierfabrik Hainsberg begonnen, die es seit 1838 gibt. Einige alte Anlagen haben sich erhalten, beispielsweise ein Arbeiter-wohnhaus von 1864 rechts hinter der ersten Weißeritzbrücke, direkt gegenüber vom Bahnhof Hains-berg, an dem auch die Weißeritztalbahn startet. Vor der zweiten Brücke sehen wir links eine andere Struktur in der gegenüberliegenden Ufermauer. Dort erreichte bis vor kurzem die Anschlussbahn das andere Ufer, deren Schneise in Richtung großer Bahnstrecke noch rechts der Dresdner Straße zu sehen ist. Das Haus Nummer 288 von etwa 1900 gehörte erst einem Fabrikbesitzer, in der DDR dann den Kindern. Mit der Funktion als Kindergarten erklärt sich der Anbau im Garten.

Links: In der Mauer sieht man noch, wo die Brücke des Anschlussgleises auflag. Rechts: Gegenüber verläuft die Schneise,

auf der das Anschlussgleis vom Güterbahnhof Hainsberg kam. Daneben die Fabrikantenvilla. Fotos: Rainer Schulze

Ein größeres Stück laute Straße lässt sich nun leider nicht vermeiden. An der Ampelkreuzung biegen wir links in die Rabenauer Straße ein. Bei Haus Nummer 30, gegenüber der Paul-Ehrlich-Straße, zweigt rechts das Weißeritzgässchen ab, und wir stehen wieder an der Weißeritz – diesmal der Roten. Reich-lich 100 Meter weiter vereinigt sie sich mit der Wilden. In einer winzigen Anlage steht ein Stein, den der Besitzer der Mehnertmühle setzen ließ, um an den Mühlgraben zu erinnern, der hier begann. 1934 wurde er zugeschüttet, weil die Rabenauer Straße ausgebaut wurde. Die Straßenbahn von Dresden endete bis dahin an der heutigen Bushaltstelle Rabenauer Straße und wurde 1935 bis zum Kleinbahn-hof in Coßmannsdorf verlängert. Die Inschrift auf dem Stein lautet: „Du freier Gesell aus Bergeshöh’n / hier mußt du nun das Mühlrad drehn. / Dein Lauf sei ruhig und stetig, / unser Leben friedlich und tätig!“ Darüber steht die römische Jahreszahl 1547, darunter „Gottfried Richard Mehnert 1934“. Am Gelände der Mühle an der Rabenauer Straße 10 sind wir übrigens vorbeigegangen. Von einer Mühle ist dort aber nichts mehr zu bemerken.

Links: Der Denkstein am Beginn des Weißeritzgässchens. Rechts: Von dieser Stelle aus schaut man

über den Zusammenfluss der beiden Weißeritzen zum Backofenfelsen. Fotos: Rainer Schulze

Am Ende des Weißeritzgässchens biegen wir rechts ab. Hinterm Bahnübergang der Weißeritzalbahn nach Kipsdorf steht das schöne Coßmannsdorfer Rathaus von 1913. An einer Ecke symbolisiert die Figur eines Mädchens am Spinnrad den früheren Haupterwerbszweig des Ortes, die Spinnerei. Den etwas unansehnlichen Bau links hinter der Bahn kennen viele als BC – die „Ballsäle Coßmannsdorf“, eine legendäre Tanzgaststätte. Die Straßenbahn bog bis 1974 vor dem Bahnübergang links ab und hatte hinter dem Eisenbahnhaltepunkt ihre Gleisschleife. Am Rathaus vorbei gehen wir die Hainsberger Straße entlang und über die Rote Weißeritz. Der Stra-ßenname wechselt zu Somsdorfer Straße. Von der Brücke aus sehen wir links die zu Wohnungen umgebaute Walzenmühle. Nach der Geschwister-Scholl-Schule folgt die Villa Wolf, eine Fabrikanten-villa von 1912/13 im sogenannten Reformstil, die Oswin Hempel entworfen hat. Sie gehörte dem Besit-zer des Buntgarnwerkes, aus dem nach 1990 ein Einkaufstempel namens Weißeritzpark (Buga-Center) wurde. In der DDR war die Villa Kindergarten, dies bis 1993. Dann herrschte eine Weile Unsicherheit, bis sie das DRK zum Seniorenzentrum „Herbstsonne“ ausbaute.

Oben links: Rathaus Coßmannsdorf. Oben rechts: Ballsäle Coßmannsdorf. Unten links: Walzenmühle. Unten rechts: Villa Wolf. Fotos: Rainer Schulze

Nach der Villa führt rechts ein schmaler Asphaltweg zur Roten Weißeritz hinunter. Unten halten wir uns rechts. Überm anderen Ufer sehen wir den S-Bahn-Haltepunkt Freital-Hainsberg West. Nach einer Rechtskurve stoßen wir auf einen Übergang über die Kleinbahn, hinter dem eine Gartenanlage beginnt. Wir gehen durch die Tür am Tor und bis zum Ende des Weges. Dort stehen wird auf dem Dreieck zwischen zwei Weißritzen. Rechts kommt die Rote Weißeritz von den Altenberger Galgenteichen her, links die Wilde Weißeritz von Rehefeld-Zaunhaus. Gemeinsam eilen sie nun als Weißeritz der Elbe entgegen. Wir sind den Kleingärtnern dankbar, dass sie uns den Durchgang gewähren und revanchie-ren uns damit, dass wir nicht lärmen, nicht glotzen und nicht allzu lange verweilen. Wir gehen den gleichen Weg zurück zur Straße und entweder nach rechts zur S-Bahn oder nach links zum Parkplatz. Wer bis zur Abfahrt des Zuges noch Zeit hat, kann unter der Straßenbrücke hindurch-gehen und sich ein wenig im Park erholen.

Am Zusammenfluss von Wilder und Roter Weißeritz. Foto: Rainer Schulze

Kartenskizzen

1 Start Bahnhof Freital-Potschappel. 2 Villa Steinstraße. 3 „Goldener Löwe“. 4 Reichardhaus. 5 Bodelschwingh-Heim.

6 Böhmertmühle. 7 Poisenbach. 8 Lederfabrik. 9 Mühlenviertel. 10 Egermühle. 11 Ehemalige Feilenfabrik. 12 Brennöfen der ehemaligen Schmelztiegelfabrik. 13 Früheres Anschlussgleis. 14 Gedenkstein für den Mühlgraben

der Mehnertmühle. 15 Walzenmühle. 16 Villa Wolf. 17 Wilde Weißeritz. 18 Rote Weißeritz. 19 Zusammenfluss beider Weißeritzen. 20 Backofenfelsen. 21 Ziel Haltepunkt Freital-Hainsberg West.

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Weitere Informationen Wanderkarte: Stadtplan von Freital. Einkehr: Restaurant im Freizeitzentrum Hains, Weißeritzpark. Täglich ab 11 Uhr. Tel. 0351 / 65 20 96 23. http://www.hains.de/restaurant-catering/ Imbissmöglichkeiten im Einkaufszentrum Weißeritzpark Hainsberg, montags bis freitags 9 bis 20, sonnabends bis 18 Uhr. Strecke gewandert: Februar 2018 Fragen, Hinweise, Kritik: [email protected]

Der Koloss der Lederfabrik an der Poisentalstraße. Foto: Rainer Schulze

Freitals Hausberg, der Windberg, ist auf dieser Tour immer dabei. Foto: Rainer Schulze


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