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1. Teil: Kündigung des Arbeitsverhältnisses · 2017. 11. 14. · Aktuell: BAG, Urteil vom...

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1. Teil: Kündigung des Arbeitsverhältnisses
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Page 1: 1. Teil: Kündigung des Arbeitsverhältnisses · 2017. 11. 14. · Aktuell: BAG, Urteil vom 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 1.Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 I 2

1. Teil:

Kündigung des

Arbeitsverhältnisses

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Ganz aktuell

Keine Bindung an rechtswidrige Weisungen bis zum Urteil

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Keine Anhörung des Arbeitnehmers

vor Kündigungsausspruch auch im

betriebsratslosen Betrieb oder in der

Probezeit

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Kein Schadensersatzanspruch

bei Ausspruch einer rechts-

widrigen Kündigung

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Aktuell

BAG, Urteil vom 27.06.2017:

Kein Schadensersatzanspruch bei Freispruch im Rahmen einerVerdachtskündigung: Erweist sich der vom Arbeitgeber zumAnlass seiner Kündigung genommene Verdacht einer strafbarenHandlung des Arbeitnehmers nachträglich als objektivunbegründet, scheidet eine Haftung des Arbeitgebers aufSchadensersatz aus §§ 280 I, 241 II BGB mangelsVertretenmüssens aus, wenn die Arbeitsgerichte imKündigungsrechtsstreit angenommen haben, aufgrund dergegebenen Sachlage seien keine weiteren Ermittlungen desArbeitgebers erforderlich gewesen, so dass dieVerdachtskündigung gerechtfertigt sei.

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Kündigungserklärung

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Keine Hinweispflicht ?

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Formeller

Begründungszwang

Haftungsfalle!

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§ 9 Abs. 3 MuSchG erfordert die schriftliche Angabe deszulässigen Kündigungsgrundes (ab 1.1.2018 § 17 Abs. 2MuSchG).

Gem. § 22 Abs. 3 BBiG bedarf die Kündigung einesBerufsausbildungsverhältnisses nach Ablauf derProbezeit ebenfalls der Begründungsangabe des„zulässigen” Kündigungsgrundes.

Tarifvertragliche Begründungszwänge sind hingegen eherdie Ausnahme (aber auf den Ausschluss einerordentlichen Kündigung achten!).

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Falsche Kündigungsfrist

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Die Schriftform des

§ 623 BGB

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Kündigungsbefugnis

Kündigung durch „Nichtarbeitgeber“;Klage oder nicht?

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Varianten der Zurückweisung

in Vertretungsfällen

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Zugang der

Kündigungserklärung

Gebrauchsanweisung im Skript

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Kündigungsschutz im

Kleinbetrieb

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Aktuell: BAG, Urteil vom 02.03.2017 - 2 AZR 427/16

1. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 I 2 bzw. 3KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größerenSachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeitendes Arbeitnehmers ist durch abgestufte Darlegungslast Rechnungzu tragen.

2. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb" und„Unternehmen" in § 1 I KSchG ist der Betriebsbegriff von § 23 IKSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen.

3. Eine Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts istverfassungsrechtlich nicht schon immer dann geboten, wenn sichdas Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorischverselbständigte, Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als 10Arbeitnehmer beschäftigt.

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Aktuell:

BAG, Urteil vom 19.07.2016

Bei der Berechnung der Schwellenwerte gem. § 23 I KSchGwerden betriebsfremde Arbeitnehmer (Mitarbeiter auseiner anderen Niederlassung in der Schweiz) desselbenUnternehmens nicht mitgezählt, wenn sie ihreArbeitsleistung nur gelegentlich in dem in Frage stehendenBetrieb erbringen. Dies gilt auch, wenn eine dieSchwellenwerte unterschreitende Arbeitnehmeranzahl aufder organisatorischen Gliederung des Unternehmensberuht.

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Wann § 4 KSchG?

• Verstoß gegen die guten Sitten § 138 BGB,

• Kündigung unter Verletzung des Maßregelungsverbotes (§ 612 a BGB),

• Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB),

• Kündigung unter Verstoß gegen ein allg. ges. Verbot (§ 134 BGB) bzw.gegen das Verbot in § 11 TzBfG, eine Kündigung wegen der Weigerungeines Wechsels von oder in Teilzeit auszusprechen,

• Zurückweisung wegen nicht vorgelegter Vollmachtsurkunde nach § 174BGB,

• Nichtbeachtung von § 9 MuSchG, § 18 BEEG, §§ 85, 91 SGB IX,

• § 2 ArbPlSchG,

• BergmannsversorgungsG,

• Nichtbeachtung von vertraglichem oder tarifvertraglichemKündigungsschutz,

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• Unzulässigkeit der ordentlichen Kündigung während eines befristetenArbeitsverhältnisses nach § 15 III TzBfG,

• Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a IV BGB,

• fehlende bzw. nicht ordnungsgemäße Anhörung des BR oder PR, § 102 BetrVG, §§79, 108 BPersVG,

• Kündigung von in § 15 geschützten Personen: § 103 BetrVG, §§ 47, 108 BPersVG,

• Verstoß gegen spezialgesetzliche Benachteiligungsverbote von Arbeitnehmern mitbesonderen Aufgaben,

• betriebsverfassungsrechtliche Verbote der §§ 20, 78 BetrVG, (Wahl),

• Betriebliche Datenschutzbeauftragte (§ 4 f III 3 BDSG),

• Betriebsbeauftragte für Immissionsschutz (§ 58 BImSchG),

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• Sicherheitsbeauftragte (§ 22 III SGB VII), Gleichstellungsbeauftragte(§§ 15, 18 V 3 BGleiG), Störfallbeauftragte (§§ 58d, 58 II BImSchG),Abfallbeauftragte (§ 55 KrW-/AbfllG), Gewässerschutzbeauftragte §66 WHG, § 58 BImSchG,

• Wehrdienstleistende, § 2 ArbPlSchG, Zivildienstleistende § 78 ZDG,§ 2 ArbPlSchG,

• Abgeordnete gem. Art. 48 II 2 GG, 2 III AbgG, Gemeindevertreter(Art 74 GG),

• Pflegende gem. PflegezeitG (§ 5 I PflegeZG),

• Mitglieder von Ausländerbeiräten.

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Wiedereinstellungsanspruch?

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Was ist das?

Das Gesetz knüpft an objektive Gegebenheiten an, die imZeitpunkt der Kündigung, dh im Zeitpunkt des Zugangs derKündigungserklärung gemäß § 130 BGB, vorliegen. Dies ist derzwingende Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit derrechtsgestaltenden Willenserklärung. Umstände, die danacheintreten, sind für die Wirksamkeit der Kündigung nurbeachtlich, soweit sie die im Kündigungszeitpunktprognostizierte Entwicklung bestätigen oder indiziell widerlegen.Eine nachträglich veränderte Tatsachenlage kann jedoch einenWiedereinstellungsanspruch begründen (APS/Kiel KSchG § 1 Rn.741).

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Also:

Ausgleich von Nachteilen, die dem Arbeitnehmer aufGrund einer Vorverlagerung des Prüfungszeitpunktesvom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den häufigMonate früher liegenden Zeitpunkt des Kündi-gungsausspruchs entstehen (APS/Kiel KSchG § 1 Rn.743).

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Zeitrahmen

Da die vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers auf die Dauer desArbeitsverhältnisses beschränkt ist, kann der Arbeitnehmergrundsätzlich keine Wiedereinstellung verlangen, wenn die Änderungder maßgeblichen Umstände erst nach der Beendigung desArbeitsverhältnisses eingetreten ist. Erweist sich die Prognose überden Beschäftigungsbedarf erst nach Ablauf der Kündigungsfrist alsunrichtig, ist in aller Regel der Rechtssicherheit und der vertraglichenDispositionsfreiheit des Arbeitgebers der Vorrang vor demBeschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers einzuräumen, und zwarselbst dann, wenn ein vom Arbeitnehmer angestrengtesKündigungsschutzverfahren noch andauert. Mit Ablauf derKündigungsfrist erlöschen die wechselseitigen Interessen-wahrungspflichten grundsätzlich. Danach bestehen nur nochnachvertragliche Pflichten, die regelmäßig schwächer ausgestaltet sindund nur unter besonderen Voraussetzungen einen Wiederein-stellungsanspruch begründen können (APS/Kiel KSchG § 1 Rn. 746).

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Ausnahme Betriebsübergang

Gibt der Arbeitgeber seinen Stilllegungsplan auf und geht der Betrieb bzw.Betriebsteil auf einen Dritten über, besteht ein Einstellungsanspruchgegenüber dem Betriebserwerber unabhängig davon, ob im Zeitpunkt derBetriebsübernahme noch arbeitsvertragliche Beziehungen bestandenhaben, sofern nur die Voraussetzungen des § 613a BGB in Verbindung mitder RL 2001/23/EG (vormals 77/187/EWG bzw. 98/50/EG) erfüllt sind. Diegekündigten Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Abschluss einesArbeitsvertrages zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Wahrungihres Besitzstandes. Diese Rechtsprechung hat der 8. Senat des BAG mitUrteil vom 15.12.2011 (NZA-RR 2013, 179 Rn. 37) nochmals bestätigt. DerWiedereinstellungs- bzw. Fortsetzungsanspruch richte sich, wenn eswährend des Laufs der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergangkomme, gegen den Betriebserwerber (BAG 15.12.2011, NZA-RR 2013, 179Rn. 37, APS/Kiel KSchG § 1 Rn. 746).

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Auch im Kleinbetrieb?

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BAG, Urteil vom 19.10.2017 –

8 AZR 845/15

Der Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlichnur Arbeitnehmern zustehen, die Kündigungsschutznach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ge-nießen. Dies ist nicht der Fall, wenn es sich bei demBetrieb, bei dem der Arbeitnehmer angestellt ist,um einen Kleinbetrieb handelt.

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Das BAG konnte die Frage offenlassen, ob sich imEinzelfall ausnahmsweise aus § 242 BGB einWiedereinstellungsanspruch in Kleinbetriebenergeben kann. Ein solcher Anspruch wäre nur gegendie vormalige Beklagte zu 1. möglich gewesen. Diesehatte den Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfristzunächst weitergeführt. Da der Kläger sein Begehrennicht mittels Berufung gegen die vormalige Beklagtezu 1. weiterverfolge, wurde die Klage vom ArbGrechtskräftig abgewiesen.

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Art. 30 GRCh

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• RL 89/391/EWG Arbeitsschutzrahmen-Richtlinie

• RL 91/383/EWG Richtlinie zum Arbeitsschutz von Leiharbeitnehmern und befristet Beschäftigten

• RL 91/533/EWG Nachweis-Richtlinie

• RL 92/85/EWG Mutterschutz-Richtlinie

• RL 94/33/EG Jugendarbeitsschutz-Richtlinie

• RL 96/71/EG Entsende-Richtlinie

• RL 97/81/EG Teilzeitarbeits-Richtlinie

• RL 98/49/EG Zusatzrenten-Gleichstellungs-Richtlinie

• RL 98/59/EG Massenentlassungs-Richtlinie

• RL 1999/70/EG Richtlinie zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge

• RL 2000/43/EG Antirassismus-Richtlinie

• RL 2000/78/EG Gleichbehandlungsrahmen-Richtlinie

• RL 2001/23/EG Richtlinie zum Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen

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• RL 2001/86/EG Richtlinie zur Arbeitnehmerbeteiligung in der SE

• RL 2002/14/EG Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer

• RL 2003/41/EG Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung

• RL 2003/72/EG Richtlinie Arbeitnehmerbeteiligung in der SCE

• RL 2003/88/EG Arbeitszeit-Richtlinie

• RL 2005/56/EG Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmel-zung

• RL 2006/54/EG Gleichbehandlungs-Richtlinie

• RL 2008/94/EG Insolvenzgeld-Richtlinie

• RL 2008/104/EG Leiharbeits-Richtlinie

• RL 2009/38/EG Europäische-Betriebsräte-Richtlinie

• RL 2010/18/EU Elternurlaubs-Richtlinie

• RL 2010/41/EU Richtlinie zur Gleichbehandlung von selbststän-dig tätigen Männern und Frauen

• RL 2014/50/EU Zusatzrenten-Richtlinie

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AGG

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„Liebe ...,

seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsameWege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch mancheVeränderung. Inzwischen bist du pensionsberechtigt und auchfür uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Imkommenden Jahr kommen große Veränderungen imLaborbereich auf uns zu. Dies erfordert eineUmstrukturierung unserer Praxis.

Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehendeArbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Frist zum31.12.2013. (...)“

Anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt.

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Besonderer Kündigungsschutz

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1. Mutterschutz

2. Elternzeit

3. Schwerbehinderte Menschen

4. Auszubildende

5. Betriebsrat

6. Pflegezeitgesetz

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2. Teil

Kündigungsschutzverfahren

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Geschäftsführer im

Arbeitsrecht

Zulässigkeit der Klage

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1. Stufe:

Organstellung schließt die Zustän-digkeit aus (§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG)

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Ende der Fiktion mit Abberufung

Ist der Geschäftsführer einer GmbH durch dieGesellschafter abberufen und ist ihm diesbekanntgegeben worden, endet die Fiktion des §5 I 3 ArbGG. Die Eintragung der Abberufung in dasHandelsregister hat rein deklaratorische Wirkungund ist insoweit ohne Bedeutung. Nach derAbberufung des Geschäftsführers richtet sich dieZuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen beiRechtsstreitigkeiten zwischen diesem und derGesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen.

Page 40: 1. Teil: Kündigung des Arbeitsverhältnisses · 2017. 11. 14. · Aktuell: BAG, Urteil vom 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 1.Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 I 2

… nun auch im laufenden Verfahren

Ist ein GmbH-Geschäftsführer zum Zeitpunkt derKlagezustellung noch nicht abberufen gewesen, stehteiner Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zunächst §5 I 3 ArbGG entgegen. Die Sperrwirkung der Fiktionentfällt jedoch, wenn die Abberufung vor einerrechtskräftigen Entscheidung über die Rechtsweg-zuständigkeit noch erfolgt. Zuständigkeitsbegrün-dende Umstände sind im Rahmen des Verfahrensnach § 17 III GVG zu berücksichtigen, auch wenn siebei Klageerhebung noch nicht vorlagen (BAG,Beschl. v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14, NZA 2015, 180).

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2. Stufe

Handelt es sich um einen sog. sic-non-Fall?

Page 42: 1. Teil: Kündigung des Arbeitsverhältnisses · 2017. 11. 14. · Aktuell: BAG, Urteil vom 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 1.Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 I 2

Was sind sic-non Fälle?

Das sind Fälle, in denen der Anspruch lediglich auf einearbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werdenkann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungenvorliegen (grundlegend BAG Beschl. v. 21.5.1996 – 5 AZB36/94, BeckRS 1996, 30761453).

Die Klage enthält also ausschließlich Klageanträge, die nurdann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnisals Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamerBeendigung der Organstellung als solches fortbestand oderwieder auflebte. Die statusbegründenden Tatsachen sinddaher für den Rechtsweg und die Sachentscheidunggleichermaßen von Bedeutung, dh. doppelt relevant.

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Was ist die Konsequenz

In Sic-non-Fällen eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage bereits die bloßeRechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, denRechtsweg zu den Arbeitsgerichten (BAG, Beschluss vom 15.11.2013, BeckRS2014, 73465 Rn. 21 mwN).

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Sind außerordentliche

Kündigungen sic-non-Fälle?

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ErfK/Koch ArbGG, 17. Aufl. 2017, § 2 Rn. 37

Beispiele für sic-non-Fälle sind die Statusklage auf Feststellung derArbeitnehmereigenschaft, die nur auf die Anwendung des KSchG gestützteKlage nach § 4 KSchG gegen eine ordentliche Kündigung, ebenso wenn dieUnwirksamkeit mit einem Verstoß gegen ausschließlich für Arbeitnehmergeltende Normen (zB §§ 102 BetrVG, 85 SGB IX, 9 MuSchG, 623 BGB)begründet wird.Etwa anders gilt, wenn die Norm sowohl für Arbeits- wie auch fürDienstverhältnisse gilt (zB §§ 174, 242 BGB); in diesem Fall ist dieRechtsbehauptung nicht (mehr) ausreichend.Auch Zahlungsklagen können Sic-non-Fälle darstellen, wenn die allein inBetracht kommende Anspruchsgrundlage nur für Arbeitnehmer gilt, zB dieKlage auf Vergütung für die Zeit der nur für Arbeitnehmer verlängertenKündigungsfristen (§ 622 BGB) bzw. Urlaubsabgeltung (LAG K 3.4.2001 NZA-RR 2001, 547), bei Ansprüchen aus dem arbeitsrechtlichenGleichbehandlungsgrundsatz.

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LAG Hamburg, Beschl. v. 10.7.2017 – 4 Ta 10/17, NZA-RR 2017, 620

Greift eine Partei eine fristlose Kündigung ihres Dienstverhältnisses an,steht kein so genannter Sic-non-Fall in Rede. Mit dem Feststellungsantraggreift der Kläger mithin lediglich die von der Beklagten ausgesprocheneaußerordentliche Kündigung vom 26. Oktober 2016 an, die nach denrechtlichen Maßstäben des § 626 BGB und damit nicht auf einerausschließlich arbeitsrechtlichen Grundlage zu überprüfen ist. Die bloßeRechtsansicht, bei der Vertragsbeziehung habe es sich um einArbeitsverhältnis gehandelt, reicht nicht aus. Die außerordentlicheKündigung ist nach den rechtlichen Maßstäben des § 626 BGB und damitnicht auf einer ausschließlich arbeitsrechtlichen Grundlage zu prüfen.

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sondern

Bei der vom Kläger angekündigten Antragstellung liegt vielmehr ein sog. et-et-Fall nach der Rechtsprechung des BAG vor, so dass die bloßeRechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, nicht zur Begründungder arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit.

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und

Soweit der Kläger im Feststellungsantrag ferner geltend gemacht hat, dass dasAnstellungsverhältnis bis zum 28. Februar 2017 fortbesteht, handelt es sich unterBerücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen nicht um einen sog. Schleppnetzantragin dem Sinne, dass sich der Kläger gegen weitere ordentliche Kündigungen der Beklagtenwehren will, denn der Kläger hat damit lediglich geltend gemacht, dass dasVertragsverhältnis bis zur vertraglich vereinbarten Befristung fortbesteht. Auch soweit derKläger am Ende seiner Klageschrift vom 04. November 2016 darauf verweist, dass nichtausgeschlossen werden könne, dass die Beklagte im Laufe des Verfahrens weitereKündigungen ausspreche, kann vor dem Hintergrund der vertraglichen Vereinbarungen zurBefristungen und der Nichtvereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für dieBeklagte nicht angenommen werden, dass sich der Kläger gegen weitere ordentlicheKündigungen der Beklagten mit diesem Antrag wehren möchte. Denkbar ist allerdings, dasssich der Kläger mit diesem Antrag gegen weitere außerordentliche Kündigungen derBeklagten wehren möchte, die allerdings nach dem rechtlichen Maßstab des § 626 BGB unddamit nicht auf einer ausschließlich arbeitsrechtlichen Grundlage zu überprüfen sind(wieder LAG Hamburg Beschl. v. 10.7.2017 – 4 Ta 10/17)

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Anders also bei „aut-aut“ und „et-et“

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Grundlegend BAG Beschl. v. 21.5.1996 – 5 AZB 36/94, BeckRS 1996,

30761453

Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen einAnspruch entweder auf eine arbeitsrechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die inBetracht kommenden Anspruchsgrundlagen sich aber gegenseitigausschließen (sog. aut-aut-Fall). Dazu gehört etwa die Klage aufZahlung des vereinbarten Entgelts für geleistete Arbeit aus einemRechtsverhältnis, das der Kläger für ein Arbeitsverhältnis, derBeklagte dagegen für ein - nicht arbeitnehmerähnliches - freiesMitarbeiterverhältnis hält.

Weiter gibt es - wenn auch selten - Fälle, in denen ein einheitlicherAnspruch widerspruchslos sowohl auf eine arbeitsrechtliche alsauch auf eine nicht arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestütztwerden kann (sog. et-et-Fall).

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LAG Köln Beschl. v. 6.10.2017 – 9 Ta 151/17, BeckRS 2017, 128063

Schließlich liegt hier kein sog. Sic-non-Fall vor, bei dem diebloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um einArbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichteneröffnet, weil der geltend gemachte Anspruch lediglich aufeine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werdenkann. … Eine solche Fallgestaltung ist hier deswegen nichtgegeben, weil ein Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 BGBsowohl aufgrund eines Arbeitsverhältnisses als auch auf-grund eines freien Dienstvertrages gegeben sein kann. Dasgleiche gilt für den geltend gemachten Zeugnisanspruch, dersich für einen Arbeitnehmer aus § 109 GewO ergibt, für einenangestellten Fremdgeschäftsführer hingegen aus § 630 BGB.

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Genügt dann bei der Frage der Zuständigkeit zumindest

schlüssiger Vortrag oder ist eine Beweisaufnahme

durchzuführen?

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Diese Frage hat das BAG noch

nicht beantwortet!

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LAG Hamburg, Beschluss vom 10.07.2017 - 4 Ta 10/17

Umstritten ist jedoch, ob es ausreichend ist, dass der Kläger die Tatsachen, die zurArbeitnehmereigenschaft führen, schlüssig vorträgt oder ob darüber hinaus ihreErweislichkeit erforderlich ist. Das BAG hat im Beschluss vom 08. September 2015 (– 9 AZB21/15 – Rn. 19) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Es spricht viel dafür, die schlüssigeDarlegung der Arbeitnehmereigenschaft zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit alsausreichend anzusehen, und die Erweislichkeit des klägerischen Vorbringens, nacherheblichen Sachvortrag der Beklagten, erst in der Begründetheit zu berücksichtigen. Diesfolgt letztlich aus den Ausführungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfedes Bundes zur Zuständigkeit der einzelnen Gerichtsbarkeiten, die sich nach der Natur desRechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Entscheidenddafür ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägersdarstellt und nicht, ob dieser sich z.B. auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtlicheAnspruchsgrundlage beruft (vgl. GmS-OGB Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 –Rn. 8).

Welcher Rechtsauffassung der Vorzug zu geben ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben,denn der Kläger hat keine Umstände schlüssig dargelegt, aus denen der Bestand einesArbeitsverhältnisses geschlussfolgert werden kann.

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Dann 3. Stufe:schlüssiger Vortrag wohl

ausreichend

Geschäftsführer als Arbeitnehmer

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Vielmeier, NZA 2016, 1241 ff.

In Aut-aut-Fällen, in denen der Anspruch entweder auf eine arbeitsrechtlicheoder auf eine bürgerlich-rechtliche Grundlage gestützt werden kann, wirdvom Kläger hingegen schlüssiger Tatsachenvortrag zur behauptetenArbeitnehmereigenschaft verlangt. Die an dieser Stelle in der Praxis oftausgeführten Pauschalbehauptungen, der Kläger sei „wie ein Arbeitnehmergeführt worden und habe auch Weisungen der Gesellschafter erhalten“,reichen indes nicht, weil nach der Rechtsprechung des BAG maßgeblich ist:

„Berücksichtigt man, dass der Gesellschaft jedenfalls ein unternehmerischesWeisungsrecht zusteht, so kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf den Status desbetroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt,allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen.“

Gleiches gilt auch für die relevanten Et-et-Fälle, bei denen der Anspruchsowohl auf eine arbeitsrechtliche als auch eine bürgerlich-rechtlicheGrundlage gestützt werden kann. Auch in diesem Fall muss sich dieZuständigkeit der Arbeitsgerichte aus dem Vortrag des Klägers bereitsschlüssig ergeben.

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Der „Danosa-Fall“ sorgte zwar

für viel Aufsehen, aber:

EuGH (2. Kammer) , Urteil vom 11. 11. 2010 - C-232/09

Dita Danosa/LKB Lizzings SIANZA 2011, 143 ff.

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Aktuell: ArbG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2016

Begehrt der Dienstnehmer eines Geschäftsführerdienstvertrags (Fremdgeschäftsführer)bei außerordentlichen Kündigungen der Gesellschaft (Dienstgeber), dass das„fortdauernde Arbeitsverhältnis“ durch die außerordentlichen Kündigungen nichtaufgelöst worden ist, kann er nur dann obsiegen, wenn er materiell-rechtlichArbeitnehmer ist.Für die Frage der Arbeitnehmerstellung kann nicht auf einen unions-rechtlichenArbeitnehmerbegriff abgestellt werden, wenn – wie hier – die Kündigungen nicht imAnwendungsbereich von unionsrechtlichen Richtlinien ausgesprochen wurden. DieAuslegung/Anwendung von § 626 BGB stellt keine „Durchführung des Rechts der Union“im Sinne von Art. 51 I GRC dar. Auch Art. 30 GRC vermittelt nicht die Anwendung derCharta der Grundrechte der Europäischen Union. Ein einheitliches europäischesArbeitsrecht besteht nicht.

Nur ausnahmsweise handelt es sich bei einem Dienstverhältnis eines (Fremd-)Geschäftsführers um ein Arbeitsverhältnis. Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenndie Gesellschaft arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen undauf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungsbestimmung erbringen kann(hier verneint).

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Was ist bei unterschiedlichen

Anträgen?

Bestandsschutz + Vergütung +Zeugnis

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Prozesstrennung

Nach übereinstimmender Ansicht ist für die Zulässigkeit des Rechtswegs der jeweiligeStreitgegenstand maßgebend. Bei mehreren Streitgegenständen hat die Prüfung fürjeden Streitgegenstand gesondert zu erfolgen. Die Rechtswegzuständigkeit ist also fürjeden prozessualen Anspruch gesondert zu prüfen (BAG Beschl. v. 21.5.1996 – 5 AZB36/94, BeckRS 1996, 30761453). Eine Verfahrenstrennung gemäß § 145 I ZPO ist nichtzulässig, wenn der Gegenstand des abgetrennten Verfahrens in einem zulässigenEventualverhältnis zu dem im ursprünglichen Verfahren verbliebenen Gegenstandsteht (BGH, Beschluss vom 19.5.2015 – X ARZ 61/15, NJW-RR 2015, 957).

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Klagefrist § 4 KSchG

Praktisch immer anwendbar

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Klagefrist des § 4 KSchG

In folgenden wenigen Fällen ist § 4 KSchG nicht anwendbar,die Kündigung kann bis zur Grenze der Verwirkungangegriffen werden: bei einem Verstoß gegen § 623 BGB,einer Kündigung vom Vertreter ohne Vertretungsmacht nach§ 180 S. 1 BGB oder vom „falschen“ Arbeitgeber, bei einerGeschäftsunfähigkeit des Arbeitgebers nach §§ 104 f. BGB,bei einer Anfechtung durch den Arbeitgeber wegen Willens-mängeln des Arbeitgebers oder wegen Irrtums (§ 119 BGB)oder arglistiger Täuschung durch den Arbeitnehmer (§ 123BGB).

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Ausnahme § 4 S. 4 KSchG

Trotz Kenntnis von der Schwerbehinde-rung keine Genehmigung eingeholt

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Vorsicht

Offensichtliche Schwerbehinderung

Krebserkrankungen

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Nachträgliche Information

Kein Fall des § 4 S. 4 KSchG!

Arbeitnehmer muss innerhalb von 3Wochen klagen

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Aktuell: BAG, Urteil vom 22.09.2016

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann sich aufden Sonderkündigungsschutz auch berufen, wennder Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung keineKenntnis von der Schwerbehinderteneigenschafthatte, der Arbeitnehmer ihn aber innerhalb der Fristdes § 4 KSchG darüber informiert. Hinzuzurechnenist eine Zeitspanne innerhalb derer der Arbeit-nehmer den Zugang der Mitteilung beim Arbeitgeberbewirken kann (hier 1 Tag).

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Klageanträge

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsver-hältnis der Parteien durch die Kündigung derBeklagten vom (Datum) nicht aufgelöst ist.

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Schleppnetzantrag

Es wird festgestellt, dass das Arbeits-verhältnis der Parteien auch nicht durchandere Beendigungstatbestände beendetworden ist/enden wird, sondern darüberhinaus zu unveränderten Bedingungenfortbesteht.

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Begründung

Klageantrag Ziff. 2 ist ein eigenständigerFeststellungsantrag gem. § 256 ZPO. Der Klägerwendet sich mit seiner Klage gegen jedwedenBeendigungstatbestand; er ist nicht gewillt, einenBeendigungssachverhalt gegen sich gelten zulassen.

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Erklärung Arbeitgeber

Der Arbeitgebervertreter erklärt, dass keineweiteren Kündigungen als die streitgegen-ständlichen ausgesprochen sind und auchsonstige Beendigungstatbestände bis zumheutigen Tag nicht vorliegen.

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Erweiterung Kündigungsschutzklage

Begründung:

Die Beklagte hat im laufenden Prozess erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlichgekündigt.

B e w e i s : Kündigung vom ...

Gem. Urteil des BAG vom 13.3.1997 in NZA 1997, 844 führt der Kläger diese Kündigung unterteilweiser Einschränkung des Feststellungsantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 495 ZPO, § 46Abs. 2 Satz 1 ArbGG) durch eine dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG angepassteAntragstellung in den Prozess ein (Stahlhacke/Preis/Vossen 11. Auflage 2015, Rn. 2040).Dadurch hat er die Klagefrist des § 4 S.1 KSchG sicher gewahrt (BAG, Urteil vom 18.12.2014,NZA 2015, 638 Rn. 28).

Klageantrag Ziffer X als eigenständiger Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO bleibt weiterhinaufrechterhalten. Der Kläger möchte verhindern, dass das Arbeitsverhältnis durchirgendeinen Beendigungstatbestand beendet wird.

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Beklagter im

Kündigungsschutzprozess

Immer Kündigungsschreiben beifügen

Immer auf Insolvenz hinweisen

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§ 6 KSchG

Von Amts wegen!

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§ 6 KSchG

LAG Berlin-Brandenburg,

Urteil vom 09.12.2015

Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung sind unab-hängig von einer Rüge des Arbeitnehmers auch vonAmts wegen zu berücksichtigen, wenn sie sich auseinem Vortrag des Arbeitgebers oder eingereichtenUnterlagen ergeben. Dies gilt auch dann, wenn dasArbeitsgericht zuvor einen Hinweis nach § 6 KSchGgegeben hat.

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Hinweispflichten des Gerichts

Vorsicht: „Revisionsfalle“

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Aktuell: BAG, Urteil vom 23.03.2016

(„Segen und Fluch“)

Wegen einer Verletzung der Hinweispflicht durch das LAG kanndie revisionsbeklagte Partei bis zum Schluss der mündlichenVerhandlung vor dem Revisionsgericht eine auf § 139 III ZPOgestützte verfahrensrechtliche Gegenrüge erheben.

Aber:

Besteht ein Verfahrensmangel darin, dass das LAG den Anspruchauf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus§ 139 III ZPO nicht nachgekommen ist, muss konkret dargelegtwerden, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen undwelche Reaktion auf einen entsprechenden Hinweis erfolgtwäre. Wer die Verletzung des § 139 ZPO durch dasBerufungsgericht rüge, muss im Einzelnen vortragen, was er aufeinen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Der zunächstunterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über dieRüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden.

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Vergleiche im Verfahren

Siehe Muster im Skript

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Vorsicht Abgeltung Urlaub

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom

19.02.2016

In einem Aufhebungsvertrag kann einArbeitnehmer wirksam auf entstandeneAbgeltungsansprüche d. gesetzlichen Min-desturlaubs verzichten.

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Wahrheitspflicht

Eine arglistige Täuschung seitens des Arbeitnehmersist hiernach nach richtiger Ansicht gegeben, wennder Arbeitnehmer im Rahmen gerichtlicherVergleichsverhandlungen die Frage des Gerichts oderdes Arbeitgebers nach einer Anschlussbeschäftigungwahrheitswidrig beantwortet und die Höhe dervereinbarten Abfindung unter Berücksichtigung derangeblichen Arbeitslosigkeit bemessen wird.

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Aufhebungsverträge und

Abwicklungsverträge

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Varianten

Durch einen Aufhebungsvertrag wird dasArbeitsverhältnis einvernehmlich von denParteien beendet, ohne dass der Arbeitgeberzuvor eine Kündigung ausgesprochen hat.Dem Abwicklungsvertrag geht demgegenübereine arbeitgeberseitige Kündigung des Ar-beitsverhältnisses voraus.

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Unechter und echter

Abwicklungsvertrag

Der „unechte“ ist im Grunde ein Fake, die Kündigunghat es eigenständig nie gegeben, sondern sie wargleich Bestandteil der Abrede. Der echte Ab-wicklungsvertrag hingegen wickelt eine Kündigungnachträglich ab, ohne dass seine Inhalte vor oder beiKündigungsausspruch abgesprochen waren.

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Der unechte Abwicklungsvertrag birgt nicht nursozialversicherungsrechtliche Probleme: Haben sichdie Arbeitsvertragsparteien bereits vorher über denInhalt des Abwicklungsvertrags verständigt, kann dernachfolgende Kündigungsausspruch ein Scheinge-schäft (§ 117 BGB) darstellen. Hier fehlt es an einemKündigungsentschluss des Arbeitgebers, dievorausgehende Absprache stellt einen (form-nichtigen) Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmer dar.

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Eine Ausgleichsquittung liegt vor, wenn der Arbeitnehmernicht nur den Empfang von Leistungen bestätigt, sonderndarüber hinaus auf Rechte verzichtet. Dagegen wird miteiner Quittung nur der Empfang bescheinigt, beispielsweiseder Arbeitspapiere, Lohnabrechnung, des Gehalts etc.

Die Klageverzichtsklausel ist – eher selten – vollkommenisoliert anzutreffen und erscheint regelmäßig imAufhebungsvertrag, im Abwicklungsvertrag oder in der„Ausgleichsquittung“. Ob die Ausgleichsquittung derSchriftform bedarf, hängt von den Umständen ab.

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Es besteht selbstverständlich keine Pflicht des Ar-beitnehmers, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, nichteinmal, an einem Gespräch über die Aufhebung seinesArbeitsverhältnisses teilzunehmen. Das Weisungsrecht desArbeitgebers ist nach § 106 S. 1, 2 GewO beschränkt auf„Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung” sowie auf „Ordnungund Verhalten im Betrieb”. In diesem Rahmen kann derArbeitgeber den Arbeitnehmer auch zur Teilnahme anGesprächen verpflichten, in denen er Weisungen vorbereiten,erteilen oder ihre Nichteinhaltung beanstanden will. DieTeilnahme an Gesprächen, die mit den im Gesetz genanntenZielen nicht im Zusammenhang stehen – z.B. Gespräche mitdem einzigen Ziel einer vom Arbeitnehmer bereitsabgelehnten Vertragsänderung -, kann der Arbeitgeber nichtdurch einseitige Anordnung zur nach § 106 GewOverbindlichen Dienstpflicht erheben.

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Aber auch nicht umgekehrt:

Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungs-grundsatz folgt aber grundsätzlich auch keinAnspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss einesAufhebungsvertrages.

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Schriftform

Der Aufhebungsvertrag bedarf als AuflösungsvertragiSd § 623 BGB zu seiner Wirksamkeit derSchriftform, nicht hingegen die Aufhebung desAufhebungsvertrages. Bei lediglich mündlichzustande gekommenem Aufhebungsvertrag kannsich das Berufen auf den Formmangel nach Maßgabedes § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich darstellen.

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Abwicklungsvertrag

Schriftform?

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Stoffels RdA 2016, 304

Die Geltung des Schriftformerfordernisses des § 623 BGB fürAbwicklungsvereinbarungen und damit auch für Klagever-zichtsvereinbarungen wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechungnicht einheitlich gesehen, bejahend einerseits der Zweite Senat (BAGv. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227), verneinendandererseits der Sechste Senat (BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06,NZA 2007, 466); in letzterem Sinne auch die h. L. Rolfs, in: FS Reuter(2010), S. 825, 826 f.; APS/Preis (Fn. 7), § 623 BGB, Rn. 8 f.;MünchKomm/Müller-Glöge, 6. Aufl. 2012, § 623 BGB, Rn. 8; a. A.Schaub, NZA 2000, 344, 347. Zurückhaltender nunmehr wieder derZweite Senat (BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350, 353),wonach allein die zeitliche Nähe zwischen Klageverzicht undAuflösung des Arbeitsverhältnisses den erforderlichen Zusammen-hang und damit die Erstreckung des Schriftformerfordernisses nichtzu begründen vermag:

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BAG, Urt. v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13

„Der Senat hat angenommen, Vereinbarungen über einenKlageverzicht im unmittelbaren zeitlichen und sachlichenZusammenhang mit einer Kündigung seien Auflösungsverträge iSd §623 BGB und bedürften daher nach § 126 II 1 BGB der Unterzeichnungdurch beide Parteien. Der erforderliche Zusammenhang muss jedochdie Annahme rechtfertigen, Kündigung und Klageverzicht seiengemeinsam nur ein anderes Mittel, um das Arbeitsverhältnis inWirklichkeit im gegenseitigen Einvernehmen zu lösen. Fehlt es daran,wird das Arbeitsverhältnis nicht durch Vertrag aufgelöst, sonderndurch Kündigung. In der Entscheidung vom 19.4.2007 hat der Senateinen hinreichenden Zusammenhang darin erblickt, dass dieArbeitgeberin dem Arbeitnehmer vorgeschlagen hatte, erst zu einemnach Ablauf der Kündigungsfrist liegenden Termin zu kündigen, soferndieser auf eine Kündigungsschutzklage verzichte und dasKündigungsschreiben entsprechend diesem Angebot ausgefertigthatte“.

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Einleuchtend?

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Ganz neu:

LAG Hamburg, Urteil vom 01.03.2017 - 5 Sa

65/16 , BeckRS 2017, 127939

Ein Abwicklungsvertrag bedarf der Schriftform. DieBeendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oderAuflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit derSchriftform (§ 623 BGB). Dies gilt auch für Klagever-zichtsvereinbarungen, die im unmittelbaren zeitlichen undsachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kün-digung getroffen werden. Solche Vereinbarungen sindAuflösungsverträge im Sinne von § 623 BGB (BAG, Urteil vom19. April 2007 – 2 AZR 208/06 –, Rn. 25, juris). Die Parteienhaben mit dem Abwicklungsvertrag vom 28. Januar 2014 eineKlageverzichtsvereinbarung getroffen (soeben zu A II 2 a derGründe).

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Konsequenzen für die Praxis?

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Stoffels

Für die Vertragspraxis sei die Empfehlung aus-gesprochen, bei der Abfassung von Abwicklungs-verträgen auf eine möglichst transparenteAusgestaltung der Regelungen zu achten. Die alsKompensation für einen Klageverzicht gedachteLeistung sollte in die Abwicklungsvereinbarungaufgenommen und als solche gekennzeichnetwerden. Das alles sollte schriftlich und nichtaußerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebersgeschehen.

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AGB-Kontrolle?

BAG, Urteil v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14

Der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger war bei derBeklagten seit 2002 als Fleischer beschäftigt. Am 5.3.2013 kündigte dieBeklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.6.2013. Beigefügt wareine von der Beklagten formulierte Abwicklungsvereinbarung. Diese saheine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch dieausgesprochene Kündigung, eine Verpflichtung der Beklagten zurErteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit guter Leistungs- undFührungsbewertung, den Verzicht auf die Erhebung einer Kündi-gungsschutzklage und eine Erledigungsklausel vor. Der Klageverzicht warwie folgt formuliert: „Er verzichtet hiermit ausdrücklich auf die Erhebungder Kündigungsschutzklage.“ Eine Abfindungszusage war nichtvorgesehen. Die Abwicklungsvereinbarung wurde von beiden Seitenunterschrieben. Mit Schreiben vom 14.3.2013 focht der Kläger dieAbwicklungsvereinbarung an und erklärte einen Widerruf. Ferner erhob erfristwahrend eine Kündigungsschutzklage. Die Vorinstanzen hatten dieKlage abgewiesen. Das BAG kommt zum gegenteiligen Ergebnis und gibtder Kündigungsschutzklage statt.

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Was macht der 2. Senat des BAG?

Den in der Abwicklungsvereinbarung enthaltenen Klageverzichtunterzieht das BAG einer materiellen Inhaltskontrolle gem. § 307Abs. 1 Satz 1 BGB. In diesem Zusammenhang stellt es klar, dassauch Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien über dieBedingungen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses alsVerbraucherverträge im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB zuqualifizieren sind. Dies hat zur Folge, dass § 307 BGB gem. § 310Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann zur Anwendung gelangt, wenn dievorformulierten Vertragsbedingungen lediglich zur einmaligenVerwendung bestimmt sind, vorausgesetzt der Verbraucherkonnte aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinenEinfluss nehmen. Davon war im vorliegenden Fall auszugehen.

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Vor Ablauf von 3 Wochen

Die Überprüfung des im Abwicklungsvertrags enthaltenen Klageverzichtsam Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht gemäß § 307 Abs. 3Satz 1 BGB ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob es sich bei demVerzicht um eine Haupt- oder Nebenabrede des Abwicklungsvertragshandelt, scheidet eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nurdann aus, wenn in der Verzichtsabrede keine von Rechtsvorschriftenabweichende oder diese ergänzende Regelung liegt. Mit einem – wie hier– vor Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärtenKlageverzicht ist eine solche Abweichung von Rechtsvorschriften jedochverbunden. Abgewichen wird von § 4 Satz 1 KSchG. Nach diesenBestimmungen sollen dem Arbeitnehmer drei Wochen Zeit für dieÜberlegung zur Verfügung stehen, ob er Kündigungsschutzklage erhebenwill (wieder BAG, Urt. v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351, 352Rn. 15 und so jetzt auch LAG Hamburg Urt. v. 1.3.2017 – 5 Sa 65/16,BeckRS 2017, 127939 Rn. 42).

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Kompensation

Im Rahmen der Inhaltskontrolle gewinnt der Kompensations-gedanke entscheidendes Gewicht. Einen formularmäßigerklärten Verzicht auf die Erhebung der Kündigungs-schutzklage hält das BAG ohne eine kompensierendeGegenleistung des Arbeitgebers wegen unangemessenerBenachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 Satz 1BGB für unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligungliege nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer ohnejegliche Gegenleistung auf die Erhebung der Kündigungs-schutzklage verzichtet habe, sondern vielmehr auch dann,wenn der Arbeitnehmer für seinen Verzicht keineangemessene Kompensation erhalte.

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Frage nur:

welche Kompensation ist

angemessen?

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LAG Hamburg, Urteil vom 01.03.2017 - 5 Sa 65/16

Jedenfalls keine ohnehin bestehenden tariflichenoder gesetzlichen Ansprüche (Zeugnis, Vergütung,Urlaub), sonst Einzelfallentscheidung bei Gesamtbe-trachtung:

Ein angemessener Ausgleich kann bei einem wirk-sam befristeten Arbeitsverhältnis, das ohnehinanderthalb Monate später als im Abwicklungsvertragvereinbart geendet hätte, darin liegen, dass derArbeitnehmer für einen Monat unter Vergütungs-fortzahlung freigestellt wird.

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Kann man die Rechtsprechung

auch auf Aufhebungsverträge

übertragen?

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Widerruf?

§ 312g Abs. 1 BGB

Alt: Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht für denArbeitnehmer nicht. Der am Arbeitsplatz abgeschlos-sene Aufhebungsvertrag stellte kein Haustürgeschäft iSd§ 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 aF dar (BAG 27.11.2003, AP BGB §312 Nr. 1; 18.8.2005, AP BGB § 620 AufhebungsvertragNr. 31; iErg ebenso Annuß NJW 2002, 2844 und BauerNZA 2002, 169 (171); aA Hümmerich/Holthausen NZA2002, 173 (176) und Däubler NZA 2001, 1329 (1344)).

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Neu

Auch § 312g Abs. 1 begründet kein Widerrufsrecht, da dieBestimmung keine Anwendung auf Verträge, die in denGeschäftsräumen (§ 312b) abgeschlossen werden, findet. Die Normgreift aber auch nicht ein, wenn der Aufhebungsvertrag außerhalbder Geschäftsräume abgeschlossen wird. Dem steht § 312 Abs. 1entgegen, der den Anwendungsbereich der nachfolgendenBestimmungen auf entgeltliche Leistungen des Unternehmersbeschränkt. Darunter ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs.17/12637, 45) die Lieferung einer Ware oder Erbringung einerDienstleistung zu verstehen (Bauer/Arnold/Zeh NZA 2016, 449(454); im Ergebnis ebenso Kamanabrou NZA 2016, 919:teleologische Reduktion; aA Fischinger/Werthmüller NZA 2016,193 (197), die ein Widerrufsrecht bejahen, wenn derAufhebungsvertrag eine entgeltliche Leistung des Arbeitgebers, zBeine Abfindung, enthält).

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Keine Bedenkzeit

Ein Widerrufsrecht besteht auch dann nicht, wenn derArbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Abschluss desAufhebungsvertrages keine Bedenkzeit eingeräumt undihm vorher das Thema des Personalgesprächs nichtmitgeteilt hat (BAG 30.9.1993, AP BGB § 123 Nr. 37). Esliegt kein, eine Inhaltskontrolle begründendes „struk-turelles Ungleichgewicht“ zu Lasten des Arbeitnehmersvor. Im Hinblick auf den regelmäßig bestehendenKündigungsschutz kann dem Arbeitnehmer insoweit eineVerhandlungsmacht nicht abgesprochen werden (BAG14.2.1996, NZA 1996, 811).

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Anfechtung

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Arglistige Täuschung

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LAG Hamburg, Urteil vom 01.03.2017 - 5 Sa 65/16

Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschungbestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).Eine arglistige Täuschung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass derTäuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beimErklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einerWillenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung aufobjektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiverWerturteile genügt nicht (BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 –Rn. 41). Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachenbestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war.Das subjektive Merkmal „Arglist“ liegt vor, wenn der Täuschende weißoder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht derWahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachenirrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oderaufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit –genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägtder Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt,steht dem nicht entgegen (BAG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 –,Rn. 22).

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Drohung (mit Kündigung)

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Aktuell: LAG Köln, Urteil vom 19.10.2016 - 11 Sa 114/16

Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände desEinzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werdeim Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfungmit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er dieaußerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, umdamit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungs-vereinbarung zu veranlassen (BAG, BAGE 125, 70).Bei einer Verdachtskündigung muss der Verdacht dringend sein. Esmuss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in derSache zutrifft (BAG, BAGE 151, 1). Die Umstände, die ihnbegründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebensogut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eineaußerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloßeauf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Ver-dächtigungen reichen zur Rechtfertigung eines dringendenTatverdachts nicht aus (BAG, NZA 2013, 137).

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Aktuell: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.01.2016

Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung allerUmstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, dieangedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchseiner arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoherWahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er dieaußerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussichtstellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschlusseiner Beendigungsvereinbarung zu veranlassen. (Leitsatzder Redaktion)

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Rückdatieren

Problematisch – nicht nur für Abwicklungs-, sondern auchfür Aufhebungsverträge – sind Regelungen, mit denenVorschriften des Sozialversicherungs- oder des Steuer-rechts umgangen werden sollen, etwa durch wahr-heitswidrige Rückdatierung. Neben etwaigen ordnungs-widrigkeiten- oder/und strafrechtlichen Rechtsfolgenkönnen Verstöße gegen zwingende Vorschriften desSozialversicherungs- und/oder des Steuerrechts zurNichtigkeit von Abreden nach § 134 oder § 138 BGBführen, wenn der Vertrag ohne diese Regelungen nichtgeschlossen worden wäre.

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Rücktritt

Zahlt der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung nicht,kann der Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen des §323 BGB von dem Aufhebungsvertrag zurücktreten,wenn der Anspruch zu diesem Zeitpunkt durchsetzbarwar (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal). Das istnach Insolvenzeröffnung nicht mehr der Fall.

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Vorsicht bei Austrittsklausel

Ein Abwicklungsvertrag kann für den Arbeitnehmer dieMöglichkeit vorsehen, sein vorzeitiges Ausscheiden ausdem Arbeitsverhältnis zu erklären. Eine solche Erklärungbedarf jedoch gemäß § 623 BGB zwingend derSchriftform. Eine per Telefax übermittelte Kündi-gungserklärung genügt nicht den Anforderungen des §126 I BGB. Dabei ist unbeachtlich, dass nach Regelungendes Zivilprozessrechts die Übermittlung von Schrift-stücken durch Telekopie ausreichend sein kann.

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Keine Pflicht zur Selbstbelastung

„Erfährt der Arbeitgeber von Vorwürfen gegen einen Arbeitnehmer,die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben können, undkonfrontiert er ihn damit, kann der Arbeitnehmer sich auf diesesubstanziiert einlassen und aktiv an der Aufklärung mitwirken oderschweigen. … Das bedeutet aber nicht, dass die fehlende Mitwirkungselbst die Kündigung rechtfertigen kann. Der Arbeitnehmer muss sichweder selbst belasten noch kann er gezwungen werden, demArbeitgeber Tatsachenmaterial zu liefern, um dessen Kündigung„schlüssig” zu machen. Durch eine solche unterlassene Mitwirkungverletzt der Arbeitnehmer keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. DerArbeitgeber, der mit eigenen Mitteln nicht in der Lage ist, gegen einenArbeitnehmer erhobene Vorwürfe selbst weiter aufzuklären, vor allemwenn sie sich auf den außerdienstlichen Bereich beziehen, wirddadurch nicht schutzlos gestellt. Er kann bei berechtigtem Interesseüber § 475 StPO Auskünfte aus einem laufenden Strafverfahrenerlangen.“

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Beweisverwertungsverbot

BAG, Urt. v. 16. 12. 2010 − 2 AZR 485/08 (NZA 2011, 571, beck-online)

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des LAG, unstreitigerSachvortrag, selbst wenn dieser unter Verletzung von Grundrechten gewonnensei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Parteidie Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe, überzeugt nicht. Es ist schonzweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffenderTatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung derprozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 I, II ZPO) einschränkungslos ein „Recht zurLüge“ zusteht. Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, widerbesseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in deneneinfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschenGegenvorbringen zu belasten. Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an derZulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchseines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Parteinicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nichtbestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zu Grundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn inihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertungder fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einemVerwertungsverbot nicht.

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BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, NZA 2017, 443 ff.

19]d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrechteiner Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und derFunktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wennweitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse,sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfGE 117, 202 = NJW 2007, 753Rn. 94). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung alsgerechtfertigt erweisen (BVerfGE 106, 28 = NJW 2002, 3619 [zu C II 4 a]; BAG, NZA 2017, 112 Rn.24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeinePersönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hiergegebenenfalls eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessenmittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials(BVerfG, NZA 2002, 284 [zu II 1 b bb]).[20]e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einergerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG, NZA 2017, 112 Rn. 25mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa desallgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittelsin Form von Sachvortrag zB in Folge von § 138 III ZPO oder § 331 I 1 ZPO zurEntscheidungsgrundlage zu machen (Weber, ZZP 2016, 57 [81]). Unstreitiger Sachvortrag ist nichtallein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei dieMöglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahrenunterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 I und II ZPO. Sie kann daher nicht gezwungensein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zuwahren (im Einzelnen BAG, NZA 2011, 571 Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabeiAusfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängigdavon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG, NZA 2017, 112 Rn. 25 mwN).

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Vorbeschäftigung 3

Jahre?

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Es regt sich Widerspruch bei den LAGs

LAG Hessen, Urteil vom 11.07.2017 - 8 Sa 1578/16, BeckRS 2017, 126713In § 14 II 2 TzBfG ist gesetzlich ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbotgeregelt. Dieses ist nicht auf frühere Arbeitsverhältnisse beschränkt, die weniger alsdrei Jahre zurückliegen (entgegen BAG, NZA 2011, 905; BAG, NZA 2012, 255). (amtl.Leitsatz)

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.07.2017 - 4 Sa 221/16, BeckRS 2017, 125923§ 14 II 2 TzBfG enthält keine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots(entgegen BAG, NZA 2012, 1366). (amtl. Leitsatz)

LAG Niedersachsen, Urt. v. 23.5.2017 – 9 Sa 1304/16 (NZA-RR 2017, 520)1. § 14 II 2 TzBfG enthält keine zeitliche Begrenzung für das Vorbeschäftigungsverbot(entgegen BAG, NZA 2011, 905 und NZA 2012, 255).2. Das Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtsprechung des 7. Senats des BAG ausdem Jahr 2011 zum zeitlich begrenzten Vorbeschäftigungsverbot ist nicht schutzwürdig.(Leitsatz 2 der Redaktion)

Anders noch LAG Köln, Urteil vom 28.04.2016 - 8 Sa 1015/15, (BeckRS 2016, 71005)Der hier zu entscheidende Sachverhalt bietet keine Veranlassung von der aktuellenRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum sog. Vorbeschäftigungsverbot (BAG06.04.2011 - 7 AZR 716/09) abzuweichen.

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Entfristungsklagen

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Die Klagefrist von 3 Wochen gem. § 17 S. 1 TzBfG stellt keinProblem dar, wenn eine Kalenderbefristung vorliegt. BeiZweckbefristung greift § 15 Abs. 2 TzBfG: 2 Wochen nachschriftlicher Unterrichtung.

Aktuell: BAG, Urteil vom 04.11.2015 - 7 AZR 851/13 (LAG Hessen),BeckRS 2016, 67468

1. Auch wenn der Bedingungseintritt in Streit steht, beginnt dieDreiwochenfrist der §§ 21, 17 S. 1 TzBfG grundsätzlich zu demvom Arbeitgeber in seiner schriftlichen Unterrichtungangegebenen Zeitpunkt des Bedingungs-eintritts.

2. Der Vertrag endet allerdings gem. §§ 21, 15 II TzBfG erst zweiWochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung über denBedingungseintritt.

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Aktuell: BAG, Urteil vom 23.03.2016

Das Arbeitsverhältnis wird trotz Zustellung des Rentenbescheids nicht beendet,wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Frist Widerspruch einlegt und denArbeitgeber hierüber alsbald unterrichtet.

Das Arbeitsverhältnis wird trotz Zustellung des Rentenbescheids nicht nach § 33 II1 TV-L beendet, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 84 SGGWiderspruch gegen den Rentenbescheid einlegt und den Arbeitgeber hierüberalsbald unterrichtet, er den Rentenantrag vor Beendigung des Arbeitsverhältnissesnach §§ 21, 15 II TzBfG zurücknimmt oder einschränkt und dem Arbeitgeber diesinnerhalb der Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG mitteilt. (Leitsatz des Gerichts)

Die in § 33 II TV-L geregelte auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnisbei Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung aufunbestimmte Dauer durch den Rentenversicherungsträger endet, ist durch einensonstigen Sachgrund i.S.v. § 14 I 1 TzBfG gerechtfertigt. Dies beruht darauf, dassder Arbeitnehmer voraussichtlich dauerhaft seine vertraglich geschuldeteArbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, er durch die Stellung einesRentenantrags den Eintritt der auflösenden Bedingung herbeigeführt hat, er durcheinen voraussichtlich dauerhaften Rentenbezug abgesichert ist und demArbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden soll, den Arbeitsplatz neu zubesetzen.

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Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigt erst die sozialrechtlicheDispositionsbefugnis des Arbeitnehmers den Auflösungstatbestand ohne Kündigung.Die Anknüpfung des Beendigungstatbestands an eine nur auf Antrag zu gewährendeRentenleistung wahrt das durch Art. 12 I GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, ineigener Verantwortung über die Fortführung der von ihm gewählten Tätigkeit zuentscheiden. Daher sind Änderungen im Antragsverhalten eines Arbeitnehmers auchnach der Zustellung eines Rentenbescheids unter bestimmten Voraussetzungen zuberücksichtigen.

Das Arbeitsverhältnis wird trotz Zustellung des Rentenbescheids nicht nach § 33 II 1 TV-L beendet, wenn der Arbeitnehmer seinen Rentenantrag vor Ablauf derWiderspruchsfrist des § 84 SGG zurücknimmt oder einschränkt und den Arbeitgeberdavon alsbald unterrichtet.

Legt der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 84 SGG Widerspruch gegen denRentenbescheid ein und unterrichtet er den Arbeitgeber hierüber alsbald, tritt dieBeendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 33 II 1 TV-L auch dann nicht ein, wenn derArbeitnehmer den Rentenantrag nach Ablauf der Widerspruchsfrist, aber vor derBeendigung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 21, 15 II TzBfG zurücknimmt odereinschränkt und den Arbeitgeber innerhalb der Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfGdavon in Kenntnis setzt.

Legt der Arbeitnehmer jedoch gegen den Rentenbescheid nicht innerhalb der Frist des§ 84 SGG Widerspruch ein, bleibt es bei der im Tarifvertrag angeordneten Rechtsfolge,auch wenn der Rentenanspruch später wegfällt.

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Vielen Dank


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