Ein chronologischer Rückblick
50 Jahre – Wohnungsbaugenossenschaft „Glück Auf“ Gera eG
1956 – Die Gründung Seite 5
Erste Bauvorhaben Seite 10
Die Vereinigung mit der AWG der Bauarbeiter Seite 14
Die 60er Jahre Seite 20
Mit viel Einsatz geht es schnell voran
Die 70er Jahre Seite 32
Ein neuer Stadtteil entsteht
Die 80er Jahre Seite 44
Das Problem der Mangelwirtschaft nimmt zu
Die 90er Jahre Seite 58
Alles wird anders
Gegenwart und Zukunft Seite 72
2
Impressum
Herausgeber: Wohnungsbaugenossenschaft „Glück Auf“ Gera eG
07545 Gera, Berliner Straße 5 · Telefon 03 65 / 8 33 30-0
E-Mail: [email protected] · www.glueckaufgera.de
Fotos: WBG „Glück Auf“ Gera eG
Stadtarchiv Gera
Schädlich, Friedland, Mehlig, Meister, Mann, Reimitz, Kämpfe, Ende,
Saase, Gerhardt, Toepel
3 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
VORWORT
Seit einem halben Jahrhundert ist die Wohnungsbaugenossen-schaft „Glück Auf“ Gera eG das Zuhause vieler Geraer und da-mit eng mit den Biografien mehrerer Generationen verbunden. Aufbauend auf die Idee der solidarischen Selbsthilfe bedeutete die Mitgliedschaft in Zeiten der Wohnungsnot sich aus eigener Kraft, mit umfangreichem finanziellem Einsatz und großen Ar-beitsaufwand, ein Dach über dem Kopf zu schaffen. Die damit verbundenen persönlichen Anstrengungen und Entbehrungen beeindrucken auch noch Jahrzehnte später.Gut und sicher zu wohnen ist ein Grundbedürfnis der Men-schen, wichtig für Wohlbefinden und Zufriedenheit. Deshalb ist neben der wirtschaftlichen Stabilität ein lebendiges genos-senschaftliches Leben von besonderer Bedeutung. Dem ehren-amtlichen Engagement vieler Mitglieder in den vergangenen 50 Jahren sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.Mit viel Mühe und Elan haben sie die Genossenschaft auf-gebaut, ihre Rechte und Pflichten wahrgenommen und den Genossenschaftsgedanken an ihre Kinder, Enkel, Urenkel, Freunde und Bekannte weitergegeben.Vieles hat sich seit der Gründung unserer Genossenschaft verändert: egal ob Wohnungsnot und Mangelwirtschaft, oder Wohnungsbestand und Überflussgesellschaft – immer hat sich die „Glück Auf“ den wechselnden Anforderungen gestellt.Besonders die Umbrüche der vergangenen Jahre, die durch die gesetzliche Verpflichtung zur Privatisierung und den not-wendigen Abriss nicht mehr benötigter Wohnungen zu einer Bestandsreduzierung geführt haben, erforderten schwierige und nicht für alle Mitglieder populäre Entscheidungen. Im Mit-telpunkt stand dabei aber immer die Sicherung der Zukunfts-fähigkeit unserer Genossenschaft.So soll es auch künftig sein. Wirtschaftlicher Erfolg, Beständig- keit und Nachhaltigkeit der Bestandsentwicklung, gelebte ge-nossenschaftliche Demokratie und Solidargemeinschaft sind Garanten für die weitere erfolgreiche Entwicklung der „Glück Auf“.Mit der Kraft einer großen lebendigen Gemeinschaft wird unsere Genossenschaft auch die Herausforderungen künftiger
Jahrzehnte zum Wohle aller ihrer Mitglieder meistern.
Uwe Klinger Dieter LappannVorstand Vorstand
4
DIE GRÜNDUNG Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik fördert
allseitig die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen
der werktätigen Bevölkerung. Um den Umfang des Wohnungs-
baues zu erweitern und die Versorgung der Werktätigen mit
Wohnungen zu verbessern sowie die Vorteile kollektiven Bau-
ens anzuwenden, werden entsprechend den Wünschen und
Bedürfnissen der Werktätigen, Arbeiterwohnungsbaugenossen-
schaften gebildet.
Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften erhalten für ihre
Bauten Kredite zu Vorzugsbedingungen und volkseigene Grund-
stücke zur unentgeltlichen Nutzung.
In Anerkennung dieser Maßnahmen der Regierung der Deut-
schen Demokratischen Republik und im Bewusstsein der Bedeu-
tung des eigenen tatkräftigen Einsatzes bei der Errichtung und
Pflege genossenschaftlichen Eigentums fanden sich eine ganze
Reihe Kollegen der SDAG Wismut der Objekte 90, 29, 17 und der
HO Wismut zusammen und bildeten die
„Arbeiter – Wohnungsgenossenschaft Wismut Glück Auf“.
So beschrieb vermutlich der erste Schriftführer, Oskar Dell,
im Jahr 1956 die Bedeutung der Gründung unserer
Genossenschaft.
Bauschild für das erste Bauvor- haben in der Kurt-Keicher-Straße
5 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
1956 DIE GRÜNDUNG
Volkswacht, 08.08.1956
Erdaushub in HandarbeitDie erste Baugrube in der Kurt-Keicher-Straße
Das große Werk der Erdbewegung vollbrachte der Bagger 34
6 7 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE! 6
Der erste Jahresabschluss der AWG „Glück Auf“
Mitgliedsausweis Nr. 142 von Ottomar Busse,seit 01.09.59 wohnhaft in der Gagarinstraße 85
7 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
1956 DIE GRÜNDUNG
7 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE! 6
8
So sah es zu Beginn der Arbeiten in der Kurt-Keicher-Straße aus
Günther Thiel, der erste Vorsitzende der Genossenschaft
An erster Stelle standen in den Nachkriegsjahren die Lösung
dringender Versorgungsaufgaben und Maßnahmen gegen die
Wohnungsnot und für den Wiederaufbau an. Grundlage für
den sich entwickelnden Wohnungsbau war das Gesetz über den
Aufbau der Städte in der DDR vom September 1950. Mit der
Verordnung „Über die weitere Verbesserung der Arbeits- und
Lebensbedingungen der Arbeiter und der Rechte der Gewerk-
schaften“ vom 10. Dezember 1953 wurden die Grundlagen
für die Bildung von Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften
geschaffen.
Es waren vorallem Großbetriebe, die die Gründung neuer Ge-
nossenschaften anregten. Sie hatten ein Interesse an der Ansied-
lung von Arbeitskräften. Die Gründung der Arbeiterwohnungs-
baugenossenschaft „Glück Auf“ fand am 17. Juni 1956 im Geraer
Klubhaus der Bergarbeiter statt. Trägerbetrieb war die SDAG
Wismut Gera mit den damaligen Objekten 90, 29, 17. Zwei
weitere Betriebe, die auch unter Wismut – Regie standen, waren
mit angeschlossen: die HO Wismut und die S. V. Wismut. An der
Gründungsveranstaltung nahmen 64 Kollegen und drei Vertreter
der Betriebsleitung teil. Nach der Begrüßung und der „Begrün-
dung zur Gründung“ der AWG durch Vertreter der Gewerk-
schaftsleitung erfolgte die Diskussion zum Statut. Dazu nahmen
26 Diskussionsredner Stellung.
„…Der Entwurf des Statuts war in kollegialer Zusammenarbeit mit
Vertretern der BGL`s ausgearbeitet worden, dadurch kamen keine wesentlichen
Veränderungen in Vorschlag. …“
Auszug aus dem Protokoll
der Gründungs- veranstaltung
Einstimmig wurde im Anschluss für das neue Statut abge-
stimmt. Weitere Diskussionspunkte waren die Fragen nach
dem Bauplatz, der Arbeitsleistung und des Zuschusses der Be-
triebsleitungen. Die vom Sekretär für Arbeiterversorgung des
Kreis-Vorstandes der IG Wismut, Kollege Beyer, vorgeschlage-
nen Kandidaten für den Vorstand fanden bei den Anwesenden
nur teilweise Zustimmung. Daher wurden von den Teilnehmern
der Veranstaltung zwei weitere Kollegen aus dem Kreis der An-
wesendenen vorgeschlagen.
Während der Gründungsveranstaltung gaben bereits 40 Kolle-
gen ihre unterschriebene Beitrittserklärung ab. Das Statut sah
vor, dass mit Beitritt ein Eintrittsgeld in Höhe von 10,00 DM zu
zahlen ist. Weitere 300,00 DM waren bis spätestens einen Mo-
nat nach Beitritt, und im Laufe von höchstens fünf Jahren die
vollen Anteile in Höhe von 2.500,00 DM zu erbringen.
Gewählt wurden folgende Mitglieder in den Vorstand:Günter Thiel, Vorsitzender (Schacht Schmirchau)Günter Kanis,Stellvertreter (HO Wismut)Oskar Dell,Schriftführer (Schacht Lichtenberg)Willi Wiedenbach, Mitglied (Garage Gera)Fritz Wolf, Mitglied (Objekt 29)
Die erste Revisionskommission setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen:
Walter Bäsler, Vorsitzender
Wolfgang Schröter
Karl-Heinz König
9 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
1956 DIE GRÜNDUNG
In einem Artikel der Volkswacht vom 08. August 1956 über
die Gründung der „Glück Auf“ heißt es:
„…Von besonderer Wichtigkeit ist aber die manuelle Arbeit eines jeden Mitgliedes der Genossenschaft. Die Vergabe der Wohnung erfolgt 1. nach dem Eintrittstermin 2. nach der Leistung für die Genossenschaft 3. nach der sozialen Lage.Unser Arbeiter- und Bauern-Staat wird die Arbeiterwohnungs-baugenossenschaft durch zinsfreie Kredite unterstützen. …“
Registriert wurde die neu gegründete Ge-
nossenschaft am 03. September 1956 unter
der Nummer: 20/1956. Die erste Geschäfts-
stelle befand sich in der Mathilde-Wurm-
Straße 4, der heutigen Gagarinstraße.
Am 25. Juni 1956 fand, wiederum im Berg-
arbeiterklubhaus, die erste Vorstandssitzung
statt. Der Vorsitzende gab die neue Bank-
verbindung, Konto-Nummer 5407 bei der
Deutschen Notenbank, bekannt. Insgesamt
waren bereits Eintrittsgelder in Höhe von
400,00 DM eingezahlt worden.
Der Vorstand beschloss zur Führung des
Mitgliederbestandes eine Kartei und ein so
genanntes „Hauptbuch“, sowie zur Nach-
weisführung der geleisteten Stunden ein
„Aufbaubuch“ zu führen.
Am Ende des Jahres 1956 verfügte die „Glück
Auf“ bereits über 82 Mitglieder (davon 61
Arbeiter, 14 Angestellte und 7 Angehörige
der Intelligenz). Für das Jahr 1957 wurde
durch die Bezirkskommission ein Finanzlimit
von 960.000,00 DM zugeteilt.
Damalige Werbung für Genossenschaften
Genossen-schafts- mitglieder bei der Mai-demonstration 1957
10
Noch im Jahr 1956 wurde der Genossenschaft durch den Rat der Stadt Gera ein Baugrundstück an der Kurt-Keicher-Straße zugeteilt. Damit begannen zugleich die Schwierigkeiten. Da das Grundstück eine sehr starke Hanglage aufwies, mussten große Erdmassen bewegt werden, bevor mit der Bauausführung begonnen werden konnte. Dafür stand aber kaum Technik zur Verfügung. Ein kleiner Bagger vom WISMUT-Objekt 17 konnte nur einen Sonntag eingesetzt werden. Dann ruhte der Betrieb wieder. Eine Planierraupe brachte auch nicht die erhoffte Hilfe, sodass die Genossenschafter mit Hacke und Schaufel anstren-gende und kräftezehrende Handarbeit verrichten mussten. Zur Organisation der notwendigen Bautechnik fuhr der Vorsit-zende, Günter Thiel, nach Berlin. Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Nach kurzer Zeit stand auf dem Grundstück ein großer Seilzugbagger, mit dem der erforderliche Erdaushub viel zü-giger vonstatten ging.
DIE ERSTEN BAUVORHABEN
„…Man wollte uns drei Blöcke bauen, doch beinah hatten wir daran zu kauen. Erst wurden 3 Geschosse vorgeschlagen, doch bald schon nach ein paar Tagen, da schlug man 2 Geschosse vor, die Projektierung war ganz Ohr. Doch später erklärte man ganz sacht, man zöge nur 2 Blöcke in Betracht. Aus diesen zweien wurden drei, nur beim letzten, das dritte Geschoss war nicht dabei. Es wäre alles nicht im Geschick, es störte die Aussicht vom Luisenblick. Die Projektierung hat es nicht geniert, sie hat eben dreimal an-gefangen und projektiert. Mit dem ‚Wegfall´ der Blöcke kamen die Mahner, es waren von der Stadt die Grünplaner! Das Ganze hat uns sehr erbost und trotzdem 3.100,00 DM mehr gekost! ...“
Auch die Projektierung der ersten drei Häuser verlief nicht gerade
problemlos. Einer der ersten Mitstrei-ter, der Schriftführer im Vorstand,
Oskar Dell, hielt dazu folgendes fest:
In der ersten Baugrube
Mit viel Elan ging es in der Kurt-Keicher-Straße voran
„…Sicher wird die anfänglich schlecht organisierte maschinelle Unterstützung durch die Objektleitung der SDAG WISMUT in Gera auf dem jetzigen guten Stand bleiben. Sehr geholfen hat uns das schnelle und unbürokratische Eingreifen des sowjetischen Genossen Objektleiters des Objektes 90, Genosse Sobko, dem wir dafür danken…“
In einem Artikel der „Volkswacht“
zu diesem Thema hieß es:
Der kleine Bagger stand nur kurz zur Verfügung
11 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Infolge der umfangreichen Tiefbauarbeiten überstiegen die entstandenen Kosten die zur Verfügung stehenden Mittel. Aufgrund zahlreicher Verhandlungen und der angespannten Finanzlage der neu gegründeten Genossenschaft wurden letzt- lich die Erdarbeiten für rund ein Drittel der ursprünglich gefor-derten 75.000,00 DM abgerechnet. Der Erdaushub wurde für den Bau des Stadions der Freundschaft und die Errichtung der Geraer Radrennbahn verwendet.Beim Anlegen der Fundamentgräben, bei der Gründung, beim Mauern, selbst beim Verlegen der ersten Deckenträger griffen die Genossenschafter tatkräftig zu und leisteten bis zum Richt-fest 700 Arbeitsstunden.Die Verantwortung für die Bauausführung lag beim VEB BAU- UNION, der in der Kurt-Keicher-Straße vor allem seine Lehrlinge einsetzte. Das Baubüro der „Glück Auf“ befand sich auf dem Grundstück in einer Gartenlaube, die bis heute noch dort steht.Anlässlich des ersten Richtfestes der „Glück Auf“, am 8. Sep- tember 1957, wurde extra eine Tribüne am Dachstuhl errichtet. Von dieser sprachen dann der Vorsitzende der Genossenschaft, Günter Thiel, der Betriebsdirektor sowie der Bauleiter der BAU-UNION, Vertreter vom Rat der Stadt und vom Kreisvorstand der IG WISMUT. Ein Arbeiterveteran gratulierte im Namen der Nationen Front und dankte für die bisher erbrachten Arbeits-stunden. Nach dem vom Zimmerpolier der Richtspruch gespro-chen und angestoßen wurde, begann die eigentliche Feier.Insgesamt konnten mit diesem ersten Bauvorhaben der „Glück Auf“ ab 1958 36 Wohnungen, davon 24 Drei-Raum-Wohnungen und 12 Vier-Raum-Wohnungen bezugsfertig an Mitglieder der Genossenschaft übergeben werden.Zeitgleich mit der Errichtung der Häuser in der Kurt-Keicher-Straße begannen die Bauvorbereitungen in der Herderstraße/Ecke Berliner Straße und Herderstraße/Ecke jetzige Gagarin-straße. Einer der Vorbesitzer des Grundstückes, ein Fischzüchter namens Rohrbach, wurde durch den Rat der Stadt umgesetzt. Auch hier war wieder der Arbeitseinsatz vieler Mitglieder not-wendig, nur das hier die Bodenverhältnisse weniger schwierig waren als in der Kurt-Keicher-Straße.
1956 ERSTE BAUVORHABEN
„…Am 22.10.58 haben die 48 WE Herderstraße Richtfest. Es standen DM 1.600,- zur Verfügung. Es nehmen 100 Bauarbeiter und 100 Mitglieder daran teil mit je 5,- DM, außerdem ist Saalmiete und die Kapelle zu bezahlen.“Weiterhin heißt es im Protokoll:„…Der Dachdecker-Brigadier Winkelhöfer hat sich verpflichtet, 200 Stunden für alte und kranke Mitglieder zu leisten. Die 10 Mitglieder müssen ausgesucht wer-den. Da Koll. Siedel schon 1500 Stunden geleistet hat, wurde ihm eine Prämie von 350,- DM zugesprochen. Er bat darum, diese als Zuschuss für einen Kühlschrank zu erhalten, was auch genehmigt wurde…“
Im Protokoll über die
Vorstands-sitzung vom
19.10.1958 ist in Vorbereitung des Richtfestes
folgendes vermerkt:
Baggermaschinisten und Schmie-rer gaben ihr Bestes, so dass der fast unüberwindbare Berg immer kleiner wurde.
Auch die Kipper müssen gezählt werden
Von Hand zu Hand auf´s Auto
12
Die Maurerarbeiten in der Kurt-Keicher-Straße führten
überwiegend die Lehrlinge des VEB BAU-UNION aus
Der Dachstuhl ist fertig, es ist alles, von der Fahne bis zur
Tribüne, für das feierliche Richtfest vorbereitet
Von dem Zimmerpolier wird der Richtspruch gesprochen und
auf das Gedeihen der Arbeiter-Wohnungen
getrunken
13 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Zeitungsbericht der Volkswacht, anläßlich des Richtfestes in der Kurt-Keicher-Straße
Beitrittserklärung von Fritz Triller,Mitglied-Nr. 15
Foto: Die ersten Häuser der „Glück Auf“in der Kurt-Keicher- Straße 18 – 28
Seit dem Erstbezug vor 48 Jahren wohnen heute noch 15 Familien in der Kurt-Keicher-Straße
1956 ERSTE BAUVORHABEN
14
DIE VEREINIGUNG mit der AWG der Bauarbeiter Gera
Bis Ende 1956 war die Zahl der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften im Bezirk Gera bereits
auf 20 angestiegen. Diese vereinten insgesamt 1365 Mitglieder.
Seit der ersten Genossenschaftsgründung im Bezirk Gera im Jahr 1954 waren bis zum 31. Dezem-
ber 1956 insgesamt 581 Wohnungen im genossenschaftlichen Wohnungsbau errichtet worden.
In seiner Sitzung am 26. November 1956 beschloss der Rat des Bezirkes Gera, den Arbeiterwoh-
nungsbaugenossenschaften im Folgejahr ein Limit von 12,75 Mio. DM zur Verfügung zu stellen.
Das Hauptaugenmerk wurde aus wirtschaftlichen Gründen auf die Errichtung von „Geschoss-
bauten nach Typenplänen und in möglichst großen Blocks“ gelegt.
In dieser Welle der Neugründung von Genossenschaften entstand auch die AWG der Bau-
arbeiter Gera. Trägerbetrieb war der VEB BAU-UNION Gera mit Sitz in der Friedrich-Engels-
Straße 1. Angeschlossen waren die Volksbildung und Handelseinrichtungen (KONSUM) in Gera.
Erster Vorsitzender der AWG war Hellmut Illig, sein Stellvertreter war Heinz Bandelin.
Die AWG der Bauarbeiter erhielt Grundstücke auf dem Galgenberg, entlang der jetzigen Straße
des Bergmanns, zugewiesen. Die Projektierung der Häuser erfolgte durch die Mitarbeiter des
Entwurfsbüros für Hochbau beim Rat des Bezirkes Gera, die zugleich Mitglieder der AWG der
Bauarbeiter waren.
15 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE VEREINIGUNG
„…Wir bitten, uns zur
Realisierung dieser Termine zu
unterstützen und den Polier
anzuweisen, zielstrebiger und
energischer den Bauablauf zu
gewährleisten…“
„…Der Baufortschritt des
Hauses 4 sowie der Häuser 5 – 8
ist unbefriedigend. Wenn die
AWG gemeinsam mit dem Bau-
betrieb unsere Baustelle als Wett-
bewerbsbaustelle beschlossen
hat, so kann man zurzeit sagen,
dass die Initiative nur auf Seiten
der AWG gelegen hat, …“
In einem Schreiben der AWG der Bauarbeiter an den VEB BAU-UNION Gera vom 03. Mai 1958 heißt es:
Ziel der Genossenschaft war es, bis zum 30. Juni 1958 die Häu-
ser 1 bis 3 (jetzt Straße des Bergmanns 86, 88, 90) mit insgesamt
18 Wohnungen fertig zu stellen. Hauptauftragnehmer war der
Trägerbetrieb selbst. Ob es an der zeitlichen Planung des Bau-
ablaufs lag, oder aber an Problemen bei der Bauausführung
– der damalige Vorstand der AWG musste sich gegenüber dem
Baubetrieb und den Versorgungsträgern auf die Verpflichtung
zu Ehren des V. Parteitages der SED berufen, um eine termin-
gerechte Fertigstellung des Bauvorhabens zu erreichen.
Weitere 9 Wohnungen entstanden im gleichen Jahr in der
Straße des Bergmanns 84 (Haus 4). Etwas zeitlich versetzt be-
gann 1958 der Bau der Häuser Straße des Bergmanns 77 – 81
(Haus 5), 83 – 85 (Haus 6), 87 (Haus 7) und 89 (Haus 8).
In der Vollversammlung am 10. Juni 1958 berichtet der AWG-
Vorsitzende, dass in dem Jahr der Genossenschaft ein Limit von
77.600,- DM für die Rohbauerstellung von 32 Wohnungen zur
Verfügung steht.
Anders als zunächst geplant, werden die Häuser 5 bis 8 nicht
mehr monolithisch, sondern in Blockbauweise errichtet. Auf
die daraufhin vorgetragenen Anfragen von Mitgliedern, nach
den Möglichkeiten, ihre manuellen Leistungen zu erbringen,
erläuterte der Vertreter des VEB BAU-UNION Gera, dass
Arbeitsstunden sowohl in der Blockfertigungsstätte in Gera-
Leumnitz, als auch als Urlaubsvertretung bei der Montage auf
der Baustelle erbracht werden können.
Eine große Diskussion begann in der gleichen Vollversamm-
lung zur Frage der Wohnungsausstattung. Aufgrund des Man-
gels an Fliesen gab es eine Anordnung, die fertig zu stellenden
Bäder mit einem Plastikanstrich zu versehen.
„In der Ausrüstung der Wohnung unterschei-det man 2 Dinge. Einmal die, die im Projekt
vorgesehen sind und zum anderen die Ein-
richtungen, die dem Genossenschaftsmitglied zugute kommen. Zur Diskussion Fliesen: Vorgesehen ist im Projekt
Plastik, trotzdem nimmt der Vorstand Einfluss und macht das rein, was er an Material bekom-men kann.“
Im Protokoll ist die Stellung-
nahme des ebenfalls anwesenden „Glück Auf“
– Vorsitzenden Günter Thiel zu diesem Thema
wie folgt festgehalten
worden:
Foto von der Baustelle der „Glück Auf“ in der Herderstraße
16
Den zur Vollversammlung am 10. Juni 1958 anwesenden Mit-
gliedern gab der Vorsitzende der AWG der Bauarbeiter den
in der Vorstandssitzung am 02. Juni 1958 gefassten Beschluss
bekannt, „…sich mit der AWG ‚Glück Auf‘ zusammenzuschlie-
ßen.“ Deren Vorsitzender begründete diesen Schritt mit der
gemeinsamen Nutzung der vorhandenen Technik und der
Bündelung der guten Fachkräfte in den beiden Genossen-
schaften. Der AWG der Bauarbeiter waren zum 31. Mai 1958
144 Mitglieder beigetreten. Im Vorfeld der Fusion waren sehr
viele Probleme zu klären. Die meisten Anfragen gab es zur
Gleichbehandlung der Mitglieder beider Genossenschaften
bei der Anrechnung erbrachter manueller Leistungen und bei
der Wohnungsvergabe. Von den Vollversammlungen beider
Unternehmen wurden Mitglieder gewählt, die gemeinsam in
einer Kommission verbindliche Grundsätze für die Arbeit des
neuen Vorstandes erarbeiteten. Der Zusammenschluss selbst
erfolgte am 01. August 1958.
Folgende manuelle Eigenleistungen mußten vor
dem Bezug der Wohnung erbracht werden:
1 1/2 Zimmer 400 Stunden
2 Zimmer 500 Stunden
2 1/2 Zimmer 600 Stunden
2 2/2 Zimmer/ 3 Zimmer 700 Stunden
3 1/2 Zimmer 800 Stunden
Vorgeschrieben war, dass diese Eigenleistungen grundsätzlich
allein erbracht werden mussten.
„…Es ist jedoch gestattet,
eine volleinsatzfähige Arbeits-
kraft mitzubringen.
Ehefrauen volleinsatzfähiger
Genossenschafter sind davon
ausgeschlossen.“
Baustelle Herderstraße: Technik im Einsatz
17 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE VEREINIGUNG
Protokoll der staatlichen Bau-aufsicht über die Gebrauchs-abnahme des Hauses Straße-des Bergmanns 84
Die Arbeitsleistung sollte spätestens innerhalb von 2 Jahren
ab Eintritt in die AWG erbracht werden. Die Wohnungsver-
teilung hatte mit Fertigstellung des Rohbaus zu erfolgen. Bis
dahin hatten die Mitglieder 70%, jedoch mindestens 50%,
ihrer Gesamtarbeitsleitung zu erbringen. Für die Reihenfolge
der Zuteilung der Wohnung war unter der Voraussetzung,
dass sowohl die manuellen, als auch die fi nanziellen Eigen-
leistungen erbracht worden waren, das Eintrittsdatum in
die Genossenschaft entscheidend. Es wurde vereinbart, die
Wohnungsverteilung bei den durch beide Genossenschaften
begonnenen Bauvorhaben nach den bereits festgelegten
Woh nungs ver ga be plä nen vorzunehmen. Die Wohnungen auf
dem Galgenberg wurden somit nur von den Mitgliedern der
AWG der Bau ar bei ter bezogen.
Aus der Schlussrechnung der ersten vier Häuser (Straße des
Bergmanns 84 - 90) geht hervor, dass der Bau dieser insgesamt
27 Woh nun gen damals insgesamt 644.628,36 DM gekostet hat.
Davon wurden 115.534,95 DM in Eigenleistung erbracht.
18
Auf einer der ersten Vollversammlungen nach dem Zusammen-
schluss beider Genossenschaften wurden am 07. Dezember
1958 die Mitglieder bestätigt, die die fertig gestellten Woh-
nungen in der Berliner Straße/Herderstraße, Herderstraße/M.-
Wurm-Straße (heute: Gagarinstraße) und am Galgenberg die
Häuser 1 bis 4 beziehen durften.
Gleichzeitig wurde der Wohnungsverteilungsplan für die
Bauten in der Levenstraße und am Platz der Republik (heute:
Anna-Schneider-Weg)zur Diskussion gestellt. Dabei erregte
die Frage, ob die Wohnungen nach Eintrittsdatum in die Ge-
nossenschaft, oder nach erbrachter Leistung vergeben wer-
den, die Gemüter. Weil eine erhöhte Leistungsbereitschaft bei
denen zu verzeichnen war, die die Wohnungszusage bereits
erhielten, wurde festgelegt, bereits bei Rohbaufertigstellung
die endgültige Wohnungsaufteilung vorzunehmen.
Im Jahr 1958 wurde der Geschäftssitz der „Glück Auf“ in die
Herderstraße 8 verlegt. In einer auf dem Grundstück befind-
lichen Baracke wurde die Verwaltung der Genossenschaft
untergebracht.
Anfang 1959 war die Zahl der Genossenschaftsmitglieder be-
reits auf 640 gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits
Finanzierungen für 182 Wohnungen abgeschlossen worden.
Davon waren 36 Wohnungen bezogen (Kurt-Keicher-Straße)
und 146 Wohnungen befanden sich noch im Bau.
Genehmigung der Miethöhe für die Häuser Straße des
Bergmanns 84 – 90.Obwohl die Kostenmiete bei
0,66 DM/m2 Wohnfläche hätte liegen müssen, wurde sie vom
Rat der Stadt Gera mit 0,53 DM/m2 Wohnfläche
festgesetzt.Um das Bauvorhaben trotzdem
wirtschaftlich zu gestalten, wurde mit Einverständnis des
Kreditgebers, der Stadt- und Kreissparkasse Gera,
die Abschreibung der Gebäude verringert.
19 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE VEREINIGUNG
Erster Briefkopf mit Angabe der Geschäftsstelle in der Herderstraße 8
20
Die Teilnehmer der Bezirks-
baukonferenz beschäftigten sich 1960 intensiv mit
diesem Thema. In einem Bericht
der Volkswacht über die Notwendigkeit, die Betonindustrie
schneller zu ent-wickeln, heißt es:
„Im industriellen Wohnungsbau müssen wir 1960 zum Bau des zentralen Typs
Q6 übergehen. Durch einheitliche Sektionsgrundrisse ist bei diesem Typ erstmalig
die Voraussetzung gegeben, dass trotz unterschiedlicher Wohnungsgrößen stets
die gleichen technologischen Bedingungen für die Produktionsorganisation vor-
handen sind. Dadurch wird eine wesentlich höhere Arbeitsproduktivität als bei
den bisherigen Typen erzielt.
Da wir in den kommenden Jahren noch nicht die Möglichkeiten haben, den
Q6-Typ in Betongroßblöcken herzustellen, müssen wir bis 1961 hinein diesen Typ
auf der Grundlage der Ziegelgroßblockbauweise errichten.“
Angesichts der anhaltenden Wohnungsnot war man Ende der 50er Jahre mit
der althergebrachten monolithischen Bauweise an Grenzen gestoßen, die ein
schnelleres Vorankommen im Wohnungsbau trotz der umfangreichen manu-
ellen Unterstützung der Genossenschaftsmitglieder unmöglich machte. Daher
wurde nun verstärkt begonnen, Typenprojekte zu entwickeln, die die Vorferti-
gung von Bauteilen in großen Stückzahlen ermöglichten.
DIE 60er JAHREMit viel Einsatz geht es schnell voran
21 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
Das Politbüro der SED bezeichnete die Betonin-
dustrie als das Kernstück der sozialistischen Bau-
industrie. In Gera wurde in der Folge 1960 mit
dem Bau einer Gleitfertigeranlage begonnen,
die ein Jahr später fertig gestellt wurde. Ge-
plant war, damit Wandbauteile für jährlich
2.000 Wohnungen zu produzieren.
Der Schwerpunkt des industriellen Wohnungs-
baus lag, nicht zuletzt durch den Arbeitskräfte-
bedarf der SDAG WISMUT bedingt, im Raum
Gera. Wie der damalige Stadtbauleiter Herr
Hopp in einem Interview mit der „Volkswacht“
am 12. Dezember 1960 erklärte, war im glei-
chen Jahr die Fertigstellung von 621 Neubau-
wohnungen in Gera geplant. Davon sollten
260 Wohnungen durch Wohnungsgenossen-
schaften errichtet werden. Der Stadtbauleiter
räumte zugleich ein, dass man mit etwa 550
errichteten Wohnungen am Jahresende den
Plan nicht ganz erfüllen wird.
Der Wohnungsbestand unserer Genossenschaft
wuchs im ersten Jahrzehnt nach der Gründung
rasant. Nachdem 1960 und 1961 drei Häuser
im Stadtzentrum (Anna-Schneider-Weg 1 – 3;
Ernst-Thälmann-Straße – heute Reichsstraße
2 d – i) mit insgesamt 105 Wohnungen bezugs-
fertig waren, wurde gleichzeitig mit dem Bau
in Debschwitz und am Bieblacher Hang begon-
nen. Grünes Licht gab es noch 1958, bzw. 1959
für den Baubeginn in der Levenstraße und der
Dr.-Otto-Nuschke-Straße (heute Zabelstraße).
Bild links: Links ist das Haus Ernst-Thälmann-Straße 2 d – f (heute Reichsstraße) zu sehen
Bild oben: Ernst-Thälmann-Straße (heute Reichsstraße), rechts das Haus 2 g – i, links die Einmündung zum Stadtgraben
Bericht der Volkswacht über die Umsetzung der Be-schlüsse der Bezirksbaukonferenz durch die „Glück Auf“
22
Zu den glücklichen Familien, die 1961 ihre neue Wohnung in
der Dr.-Otto-Nuschke-Straße erhielten, gehörten Christa und
Erhard Mehlig. Seit 01. Juli 1958 Mitglied in der „Glück Auf“,
musste die Familie Anteile in Höhe von 2.400,00 DM erwerben
und außerdem 1.000 Aufbaustunden leisten, um die Vorausset-
zung für den Bezug der 4-Raum-Wohnung zu erfüllen. Diese
Belastungen sind heute für viele nur noch schwer vorstellbar.
Wie die meisten Männer arbeitete Herr Mehlig als Hauer bei
der WISMUT. Neben dieser körperlich schweren Tätigkeit zum
Feierabend, an den Wochenenden oder während des Urlaubs
nochmals viele Stunden für die Genossenschaft zu arbeiten,
war eine gewaltige Leistung der Mitglieder in der damaligen
Zeit. Auch der finanzielle Aufwand war nicht gering.
Für einen Hauer, der in der damaligen Zeit nicht zu den Gering-
verdienenden gehörte, entsprach der Erwerb von Anteilen in
Höhe von 2.400,00 DM etwa vier Monatslöhnen. Riesig war die
Freude bei Familie Mehlig, dass, nachdem nun alle finanziellen
und materiellen Leistungen erbracht waren, das Glück es gut
mit ihnen meinte. Durch den Vorstand, dessen Vorsitz seit 1959
Theodor Wulfert übernommen hatte, wurden die künftigen
Mitglieder ausgelost.
22
23 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
Auf der Grundlage einer Bebauungsplanung des Stadtbauamtes aus dem Jahr 1959 „für das
Gebiet zwischen Arminius- und Flurstraße, sowie Rathenau- und Leninstraße“ wurde durch
unsere Genossenschaft das Haus Liselotte-Herrmann-Straße 3 – 9 (heute Prof.-Simmel-Straße
35– 41) gebaut. Die Übergabe der 32 Wohnungen erfolgte im Mai 1962.
„Jung verheiratet, das Ziel eigene Wände zu besitzen, aber wie und wo? In
allen Ecken herrschte Wohnungsnot, die Folgen des Krieges waren noch nicht
überwunden. Da kam der Beschluss, die AWG zu gründen. Das war die Lösung
für uns junge Leute, nichts wie hin. Eintritt 25.01.1958, Mitgliedsnummer 115.
Durch den Zusammenschluss der AWG BAU-UNION und AWG WISMUT rutschten
wir auf die Nummer 415. Da wir schon etwas Geld gespart hatten, konnten wir
die Anteile gleich bezahlen. 900 Stunden Eigenleistung standen auf dem Plan.
Mein Mann im Schichtbetrieb, ich mit Arbeiterkarte von Wetterzeube nach Gera,
andere kamen mit dem Zug von hinter Zeitz und das im Februar bei eisiger Kälte.
Frauenbrigade, 1. Einsatz der Block in der Kurt-Keicher-Straße, mit der Spitzha-
cke die gefrorenen Zementberge abhacken. Hart hatte es uns getroffen, als es
von einigen Kumpels hieß, wir gehen nach Bieblach, hier ist es uns zu schwer –
das können die Frauen fertigmachen. Wir ließen uns nicht entmutigen, denn eines
Tages landeten wir auch in Bieblach und standen unseren Mann. Später kamen
wir in die Berliner Straße, Ecke Herderstraße, das so genannte ´Millionenprojekt´,
zum Ziegelabkratzen. Es war eine schwere Zeit, aber Spaß gab es dabei auch.
Wer erinnert sich noch an diese Zeit? Im Mai 1958 waren die Stunden abgear-
beitet, aber keine Wohnung in Sicht. 1962 bekamen wir die Schlüssel für die
Liselotte-Herrmann-Straße (jetzt Prof-Simmel-Straße). Unsere Männer mussten
noch mal Stunden leisten, da es an Arbeitskräften fehlte.
Da wir soviel Kraft investiert haben, hängen die 1. Mieter an diesem Umfeld. Die
Anlage vor dem Haus wird zum größten Teil von den Mietern selbst gepflegt. Die
Fahrbahn ist bei Regen eine kleine Seenlandschaft. Aufgefüllt wurde der Weg
mit dem Schutt vom Abriss der Häuser am damaligen Roßplatz (jetzt Heinrich-
straße). Schwere Autos und Ratten taten das Nötige dazu. Aber wenn man so viel
Kraft gelassen hat, hängt man an der Wohnung.“
Eine der ersten Bewohner war
Marianne Radt-ke. Sie wohnt
noch heute dort und erinnert
sich an die schwere Zeit:
Insgesamt wurden weitere drei Wohnblöcke
mit jeweils 32 Wohnungen bis August 1962 in
der Eiselstraße und der Liselotte-Herrmann-
Straße an die Bewohner übergeben. Das Haus
Eiselstraße 24 – 32 folgte dann im Jahr 1966.
Alle Wohnungen waren mit Ofenheizung aus-
gestattet.
Im Hintergrund sind die Häuser Eiselstraße 24 – 32 und
29 – 35 (Giebelseite) zu sehen
24
Es ist nicht verwunderlich, dass sich in der Folge des umfangreichen und inten-
siven Miteinanders beim Bau des Hauses Freundschaften unter den Bewohnern
und später gut funktionierende Hausgemeinschaften gebildet haben, die zum
Teil bis heute noch bestehen. Eine solche vorbildliche Hausgemeinschaft gibt es
zum Beispiel in der Eiselstraße 33.
Bereits am 19. Juni 1967
fand die „Volkswacht“
in ihrem Artikel über den
Zusammenhalt der Bewohner anerkennende
Worte:
„…429 Stunden NAW hat
die Hausgemeinschaft im ver-
gangenen Jahr geleistet. 35 da-
von die Frauen bei Reinigungs-
arbeiten in der neuen Rudolf-
Scheffel-Schule (die übrigens
ihren Namen einem Vorschlag
der Eiselstraße 33 verdankt),
die übrigen 394 Stunden vor-
wiegend für Verschönerungs-
arbeiten. Da wurden Blumen-
beete angelegt, der Rasen ge-
mäht und was so alles dazu
gehört, keiner schloss sich
aus.…“
„…Es ist wohl ein himmelweiter Unterschied, ob man nur für sich und seine
Interessen lebt, oder sich auch für andere verantwortlich fühlt. Auch in der kost-
baren Freizeit. Denn das wohl zeichnet die Hausgemeinschaft Eiselstraße 33 am
meisten aus. Wenn es ‚brennt‘, wenn dringende Arbeiten in und außer Haus zu
erledigen sind, dann lassen sie Hobby auch mal Hobby sein und sind zur Stelle.
‚Wenn es klingelt, dann sind wir eben dabei…‘ meinte Frau Glaser, die halbtags
im VEB Wohnungsbau arbeitet. ‚Wenn sich alle untereinander verstehen, dann
schließt sich wohl keiner aus‘ sagte Frau Reichert, Hausfrau, Mutter von 4 Kin-
dern, deren Gatte, Gleisbauarbeiter, nur an Wochenenden nach Hause kommen
kann.…“
„…Sie halten zusammen, die acht Familien, ob in der Nachbarschaftshilfe, in
Torgauer Initiative oder in der gesellschaftlichen Arbeit. Fast jeder im Haus hat
eine gesellschaftliche Funktion: in der Partei, im Wohnbezirk, im DFD, im Sport.
In den Wohnbezirksversammlungen sind sie mit starker, gut vorbereiteter Ab-
ordnung vertreten.…“
Heute noch
wohnhaft in der
Eiselstraße 33:
Franz Glaser
Klaus Götze
Herta Obst
25 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
25 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Zum 01. Juni 1961 waren auch die einzigen
außerhalb der Stadtgrenzen errichteten 36
Wohnungen in Wünschendorf bezugsfertig.
Diese Wohnungen wurden leider zum 01. Ja-
nuar 1984 an die AWG „Frohe Zukunft“ Weida
verkauft. Zum 31. Dezember 1962 war die Mit-
gliederzahl der „Glück Auf“ bereits auf 1.242
angewachsen.
26
Größter Investitionsschwerpunkt der „Glück
Auf“ war bis 1964 der Bieblacher Hang. Hier
entstanden bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt
264 Wohnungen für unsere Genossenschaft.
Gebaut wurde in der Makarenkostraße, in
der Erich-Weinert-Straße und Dr.-Theodor-
Neubauer-Straße und im Erzhammerweg.
Gemeinsam mit den anderen Geraer Woh-
nungsbaugenossenschaften und dem volks-
eigenen Wohnungswirtschaftsbetrieb wurde
ein ganzer Stadtteil, einschließlich der not-
wendigen Infrastruktur, geschaffen. Damit
war der Bieblacher Hang eines der ersten
komplex geplanten Wohngebiete in der DDR.
In der Bebauung spiegeln sich die städtebau-
lichen und gesellschaftlichen Vorstellungen
der damaligen Zeit wieder.
Aufgrund des nahezu unveränderten Erhal-
tungsstandes der Wohngebäude, Versorgungs-
einrichtungen und Freiflächen, wird der
Bieblacher Hang vom Landesamt für Denk-
malpflege und Archäologie als Kulturdenkmal
ausgewiesen.
„…Zum Bauprogramm gehörten neben den zahlreichen Wohnbauten Ver-
sorgungseinrichtungen für die hier unterzubringende, vornehmlich bei der
Sowjetisch-Deutschen-Aktiengesellschaft WISMUT (SDAG) beschäftigte Bevöl-
kerung, so Schulen, Kindergärten und –krippen, Kaufhallen, eine Gaststätte,
Poliklinik und Freilichtbühne. Es war ein privilegiertes Vorhaben, das sich im
erhöhten Standard, der beachtlichen architektonischen Qualität und der von
Anbeginn parkartig ausgestalteten Gesamtanlage zeigte, u. a. in der Beheizung
der Wohnungen mittels eines zentralen Fernheizsystems, Ausstattung derselben
mit Bädern und Zuteilung von, ansonsten im gesamten Land bis zur politischen
Wende 1989, raren Garagen. Die gartenkünstlerisch anspruchsvolle Durchgrü-
nung verband die variantenreiche Wohnbebauung aus offener Zeilenbebauung,
Gegenhangbebauung mit kurzen Blöcken und Punkthochhäusern, in deren
Gesamtgefüge die qualitätvollen Versorgungseinrichtungen gezielt eingefügt
worden sind.…“
In einer Erläuterung des
Landesamtes dazu heißt es:
Das Neubau- gebiet Bieblacher Hang aus der Vogel-perspektive
Aufnahmen während der
Bauphase
27 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
Noch heute ist der Bieblacher Hang ein allseits
geschätztes und nachgefragtes Wohngebiet.
Ein Wohngebäude, wie die Erich-Weinert-
Straße 19 – 23, mit insgesamt 24 Wohnungen
kostete damals etwa 550.000,00 DM. Darin
enthalten waren auch die Kosten für Projektie-
rung (3.600,00 DM) und Bauleitung (2.500,00
DM). Die Baukosten je m2 Wohnfl äche betru-
gen damit rund 400,00 DM.
Zum 31. Dezember 1962 gab es insgesamt 704
Genossenschaftsmitglieder, die noch keine
Wohnung erhalten hatten. Trotz der unüber-
sehbaren Fortschritte im Wohnungsbau nahm
die Zahl der Wohnungssuchenden weiter zu.
Zur Verwaltung der Genossenschaft zählten
damals nur zwei Personen: der Vorsitzende
und eine Buchhalterin.
Blick von der Dr.-Theodor-Neubauer-Straße in Richtung Erich-Weinert-Straße und Erzhammerweg
Genossenschaftsmitglied
Herbert Kämpfe beim
Arbeitseinsatz
Die Häuser in der Dr.-Theodor-Neubauer-Straße
28
Auch in Langenberg wurden 1965 Wohnungen der „Glück Auf“
bezogen. In der Max-Reimann-Straße (heute Steinbeckstraße)
wurden drei Wohnblöcke mit je 36 Wohnungen gebaut. 32
Wohnungen wurden 1968 im Charlottenburgweg fertig ge-
stellt.
Ende 1965 konnten die Genossenschaftsmitglieder, die für den
Bezug der neu gebauten Wohnungen in der Mittelstraße 27
– 31 vorgesehen waren, ihren Nutzungsvertrag unterzeichnen.
Zu jeder Wohnung gehörten damals ein Kachelofen, ein trans-
portabler Kachelofen, ein Gaskohleherd in der Küche und ein
Kohlebadeofen.
Interessant ist, dass noch 1965 in den Vorbemerkungen eines
jeden Nutzungsvertrages auf die Bedeutung der Arbeiterwohnungs-baugenossenschaften in Bezug auf
die deutsche Wiedervereinigung hingewiesen wurde:
„…Die Mitglieder der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft
bilden eine Gemeinschaft, die durch ihre kollektive Zusammen-
arbeit ein betriebliches Wohnzentrum schafft und damit gleich-
zeitig neben dem genossenschaftlichen auch das gesellschaft-
liche Leben fördert. Damit trägt die Arbeiterwohnungsbau-
genossenschaft ihren Teil zur Festigung unseres Arbeiter- und
Bauern-Staates und darüber hinaus zur Wiedervereinigung
unseres Vaterlandes und damit für den Frieden bei.“
Blick auf die Häuser in der Langen-berger Max-Reimann-Straße (heute Steinbeckstraße)
Mit Fertigstellung der Häuser in der Mittelstraße wurde die Geschäftsstelle der „Glück Auf“
aus der Baracke in der Herderstraße in die Mittelstraße 31 c verlegt.
Anfang 1966 rollten die Möbelwagen in der Robert-Blum-Straße (32 Wohnungen) an. Es folg-
ten die Fertiggestellung von 50 Wohnungen in der Eiselstraße 24 – 32, von 16 Wohnungen in
der Leninstraße (heute Wiesestraße) und von 48 Wohnungen in der Heinrich-Zille-Straße 3 – 13.
Dort, wo zuvor ein altes Bauerngehöft gestanden hatten, wurden 1968 in der Bieblacher Straße
47 – 53 insgesamt 64 Wohnungen gebaut. Der Bauaufwand für diese Baulückenschließung war
aufgrund der ausgeprägten Hanglage groß.
(Privatbesitz Gerhardt)An der Stelle, wo sich jetzt das Haus Bieblacher Straße 47a – 53b befindet, stand dieser Bauernhof
29 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
Bieblacher Straße 47 – 53 Arbeitseinsatz auf der Baustelle Bieblacher Straße
Bieblacher Straße 47 – 53
Neben der Notwendigkeit große Erdmassen abzutragen, war
die Möglichkeit einer Kranmontage nur zum Teil gegeben.
Sämtliche Wände mussten monolithisch mit Hochlochziegeln
hergestellt werden. Damit eignete sich diese Baustelle wie-
derum für die Ausbildung der Maurerlehrlinge des VEB (B)
Wohnungsbau Gera.
Ein weiterer Unterschied zum Typenprojekt bestand in der
Verlegung der Hauseingänge auf die Südseite der Bieblacher
Straße. In der Baubeschreibung ist nachzulesen, dass die Errich-
tung von Balkonen aus städtebaulichen Gründen entfällt. Die
vorgesetzten Freitreppen wurden als gestaltende Elemente
angesehen. Genau 30 Jahre später erhielten dann im Rahmen
einer Sanierung alle Wohnungen einen Balkon.
Zur Erweiterung der Geschäftsräume erfolgte 1969 der Umzug
des AWG-Büros von der Mittelstraße 31 c in die Gagarinstraße
85. Dadurch wurde eine Zusammenfassung aller Verwaltungs-
kräfte in einem Büro bei gleichzeitig besserer Abwicklung des
Publikumsverkehrs erreicht. Durch Umzugskosten und Vorrich-
tung der Räume wurde 1969 der Verwaltungskostenhöchstsatz
von 30,00 M je Wohnung um 30 Pfennige überschritten.
Erstmals sank der Mitgliederbestand unserer Genossenschaft
Ende der 60er Jahre.
„…Im Berichtszeitraum 1969/69 war ein Zugang von 264 WE zu verzeichnen.
Der Gesamtwohnungsbestand per 31.12.1969 belief sich auf 1.392 WE. Demge-
genüber veränderte sich der Mitgliederbestand im gleichen Zeitraum von 1.823
auf 1.695. Die meisten Abgänge traten durch Kündigungen ein, weil den Mit-
gliedern auf Grund der fehlenden Perspektive keine verbindliche Zusage über
die Wohnungszuweisung gegeben werden konnte. 303 Genossenschafter sind
gegenwärtig noch ohne Wohnung.…“
Im Revisions- bericht des
Prüfungsverban-des der Arbeiter-
wohnungsge-nossenschaften
für die Jahre 1968/69 heißt
es dazu:
30
Tatsächlich trat zwischen 1969 und 1972 eine Phase des Still-
standes im Baugeschehen ein. Die letzten zuvor fertig gestell-
ten Wohnungen waren die 120 in der Makarenkostraße. Wie
die bereits Ende 1968 übergebenen Wohnungen in der Wil-
helm-Pieck-Straße 203 - 217 (heute Berliner Straße) gehörten
sie zu den ersten vom Typ „Magdeburg“, die von der „Glück
Auf“ übernommen wurden.
Die verdiente Pause nach getaner Arbeit
Arbeitseinsatz in der Bieblacher Straße
Rohbau in der Zabel- straße 6 – 12
31 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 60er JAHRE
32
DIE 70er JAHREEin neuer Stadtteil entstehtNach einer fast dreijährigen Unterbrechung der Bautätigkeit
wurden im Frühjahr 1972 die ersten Wohnungen in der Süd-
straße 60 – 70, wenige Monate später die übrigen Häuser in
der Fröbel-, Debschwitzer- und Südstraße übergeben.
Auf Gartenland und dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei
wurden in Debschwitz ins ge samt 210 Wohnungen errichtet.
Dort wo 1972 die Häuser in der Fröbel-, Debschwitzer- und Südstraße entstanden, waren zuvor Gärten. Im Hintergrund das 1958 bis 1960 errichtete erste Heizkraftwerk Geras.
Für die Neubauten in der Debschwitzer Straße mußte alte Bausubstanz abgerissen werden
Wohngebiet Süd-, Fröbel- und Debschwitzer Straße
33 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
Zeitgleich entstand auch in Zwötzen ein richtiges kleines Wohngebiet. In der Fritz-Reuter-Stra-
ße und der Walter-Gerber-Straße wurden 10 Wohnblöcke ausschließlich für die „Glück Auf“
gebaut. Damit konnten weitere 288 Familien eine Wohnung beziehen. Auf Grund der wieder
in Fahrt gekommenen regen Bautätigkeit konnten im Jahr 1972 328 Mitglieder neu in die Ge-
nossenschaft aufgenommen werden. Von den 1986 Mitgliedern waren zum 31. Dezember 1972
1.800 mit einer Wohnung versorgt.
Von den 1.800 Wohnungen waren weniger als ein Drittel fern-
beheizt. Es galt damals als ein Privileg, in eine Wohnung mit
Fernheizung ziehen zu können. Auf Grund der niedrigen Mie-
ten, die sämtliche Betriebskosten mit einschlossen, waren die
Stützungen aus dem Staatshaushalt für fernbeheizte Wohnun-
gen besonders hoch. Im Jahr 1972 erhielt die „Glück Auf“ zur
Deckung der Kosten für die Wärmelieferung je fernbeheizter
Wohnung 603,05 Mark vom Staat gezahlt. Mit weiteren 55,82
Mark wurde der Wasserverbrauch und mit 122,67 Mark je Woh-
nung der Reparaturbedarf vom Staat subventioniert.
Die Walter-Gerber-Straße 37 - 43 in ihrem ursprünglichen Zustand, ohne Balkone.
34
Überhaupt spielte das Problem der Erbringung von Reparatur-
und Instandhaltungsleistungen seit Anfang der 70er Jahre eine
immer größere Rolle. Über 10 Jahre alte Kachel- und Badeöfen
mussten repariert, Fenster gestrichen und Sanitärkeramik aus-
getauscht werden.
Aufgrund der staatlich geforderten Ausrichtung der gesamten
Bauwirtschaft auf Neubaumaßnahmen, fehlten die Kapazitä-
ten für Werterhaltungsmaßnahmen. In einem Bericht des Vor-
standes zum Jahresabschluss 1973 werden Reparaturdefizite
hauptsächlich in den Gewerken:
Dach und Rinne
Schornsteinkopferneuerung
Klempner und Fußboden
genannt.
Um die notwendigen Eigenleistungen durch die Genossen-
schaft erbringen zu können, wurde mit der Einstellung von
zwei Klempnern Anfang der 70er Jahre begonnen, eigene
Reparaturkapazitäten zu sichern.
Auch in den Delegiertenversammlungen spielten damals
Fragen der Werterhaltung immer wieder eine große Rolle.
So wurde festgelegt, dass bei festgestelltem Eigenverschul-
den der Genossenschafter selbst die Kosten der Reparatur zu
tragen hat. Notwendige Kachelofenreparaturen waren bis
spätestens 30. April eines jeden Jahres in der Geschäftsstelle
anzumelden.
„…Außenanstriche der Fenster: Für das Streichen der Wohnungs-, Treppen-
haus-, Waschhaus- und Kellerfenster (alles außen) wird aller 3 Jahre folgende
Farbmenge ausgegeben: 2 Zi.-WE 1 Büchse Vorstreichfarbe
und 1 Büchse Lackfarbe
2 1/2 Zi.-WE 1 1/2 Büchse Vorstreichfarbe
und 1 Büchse Lackfarbe
2 2/2 Zi.-WE 2 Büchsen Vorstreichfarbe
und größer und 1 1/2 Büchsen Lackfarbe
Die Anstricharbeiten sind von allen Mietern selbst im Rahmen der jährlich zu
erbringenden 12 Stunden Eigenleistung auszuführen.
Die Ausgabe der Farbe erfolgt nur an den Sprechtagen, und zwar geschlossen
für die gesamte Hausgemeinschaft.…“
Zum Streichen der Fenster
wurde folgen-des festgelegt.
Auszug aus den Beschluss-
vorlagen der Jahreshaupt-versammlung
1971:
35 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
Neuer Vorsitzender des Vorstandes und Geschäftsführer der AWG war 1970 Rainer Salusa
geworden. Seit 1968 arbeitete er bereits als ehrenamtliches Mitglied im Vorstand mit. Diesem
gehörten in dieser Zeit bis zu 16 ebenso ehrenamtlich tätige Mitglieder an. Die Revisionskom-
mission, deren Vorsitz über viele Jahre Peter Sandfuchs innehatte, setzte sich aus weiteren 3 bis
6 Mitgliedern zusammen.
Der am 23.08.1976
bestätigte AWG-Vorstand
Am 28. April 1972 erfolgte im Beisein des da-
maligen Oberbürgermeisters Horst Pohl der
erste symbolische Spatenstich für Gera´s größ-
tes Neubaugebiet Lusan. Die Planung sah vor,
bis 1980 Wohnungen für ca. 34.000 Menschen
zu bauen. Die ersten unserer Genossenschaft
in Lusan übergebenen Häuser waren die bei-
den 11-Geschosser in der Straße der Bauarbei-
ter (heute Weidenstraße).
Blick vom Hochhaus in der Straße der Bauarbeiter (heute Weidenstraße) zur Siedlung Sommerleithe. Dort wo die Tiefbauarbeiten ausgeführt werden,
befindet sich heute die Zeulsdorfer Straße.
36
Eine zu Recht oft lobend erwähnte Hausgemeinschaft bildete
sich im Hauseingang Nr. 5. Unter der Regie der gewählten
Hausgemeinschaftsleitung wurde eigenverantwortlich nicht
nur das Wohnumfeld in Ordnung gehalten, sondern auch so
manches Fest miteinander gefeiert. Im Juni 1986, 13 Jahre nach
dem Einzug, wird das Wirken der Hausgemeinschaft in einem
großen Artikel der Volkswacht vorgestellt. Erwähnt werden
darin der gemeinsam mit eigenen Mitteln eingerichtete Klub-
raum, die zünftigen Hausfeste mit Discjockey Georg Jacob und
natürlich auch der Pflegevertrag mit dem VEB Grünanlagen zur
Pflege des ersten öffentlichen Spielplatzes in Lusan.
Kranbahn für die Montagearbeiten im 1. Bauabschnitt
Kurt Dewitz: „…Als ich meinen ersten Trabi holte, 1970, da
bin ich schon mal die Weidaer Straße, das war damals hier die
Hauptstraße, lang gefahren. Wo heute Lusan steht, war alles
Feld und es wehte so ein Wind, dass mir der Hut vom Kopf flog.
Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass hier mal ein ganzer
Stadtteil mit allen Drum und Dran zum Wohlfühlen aus dem
Boden wachsen würde. Und schon gar nicht, dass ich mit mei-
ner Familie nur drei Jahre später in einen der ersten drei Blöcke
Einzug halten würde, sozusagen als Lusaner Ureinwohner. Was
hat sich nicht alles getan!“
Siegfried Müller: „…In einem Haus mit 40 Familien ist es
freilich nicht einfach zu arbeiten und zugegeben, es braucht
hohen persönlichen Einsatz. Deshalb kommt es viel auf das
Wirken der Hausgemeinschaftsleitung an, wie sie es versteht,
die große Gemeinschaft unter einen Hut zu bringen, jeden zu
gewinnen fürs Mitmachen. Da gehen wir halt immer wieder
zu den Leuten, reden mit ihnen, mit allen, nehmen uns auch
ihrer Probleme an. Kameradschaftlichkeit, Vertrauen, Gemein-
schaftsgefühl, sozialistische Lebensweise – das sind für uns
keine leeren Worte, das versuchen wir täglich zu leben.“
Einige der tatkräftigen Bewohner kommen in diesem Artikel auch
zu Wort.
Blick auf die Straße der Bauarbeiter und Straße der Neuerer (heute Weiden- und Kastanienstraße).
Montage des 11-Geschossers in der Straße der Bauarbeiter
Vom Kartoffelacker zum größten Neubaugebiet
37 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
37 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
38
Bereits fertig gestellt war 1974 auch die Kaufhalle Süd in der
Zeulsdorfer Straße. In den ersten Jahren wurde sie doppelt ge-
nutzt: zum einen als Einkaufsstätte und zum anderen, bis zur
Fertigstellung der Großküche, vorübergehend als Speisesaal
für die Bauarbeiter.
Bevor sich Ende der 70er Jahre das Baugeschehen ausschließ-
lich auf Lusan beschränkte, wurden 1974 bis 1976 insgesamt
320 Wohnungen in 8 Wohnblöcken in der Dornaer-, Plzener-
und Pskower Straße an die Genossenschaftsmitglieder der
„Glück Auf“ übergeben.
Bis Ende 1975 hatte sich die Anzahl der Wohnungen auf 3.108
erhöht. Die Mitgliederzahl lag bei 3.202.
Die Eigenleistungen der Mitglieder wurden immer häufiger
in finanzieller Form abgegolten. Manuelle Arbeitsleistungen
wurden infolge der stark entwickelten Industrialisierung der
Bauabläufe in Betrieben oder öffentlichen Einrichtungen er-
bracht. Dem zugrunde lagen Verträge mit Bauunternehmen
(WBK, SBTK), dem Tierpark und der Pioniereisenbahn im
Martinsgrund, sowie beispielsweise der Porzellanfabrik. Als
Verrechnungsbasis wurden damals Stundenverrechnungssätze
zu 6,30 Mark und 7,50 Mark festgelegt. Oft wurden die Ar-
beitsleistungen erst nach dem Bezug der Wohnung erbracht,
um die vor dem Bezug erbrachten finanziellen Leistungen zum
Teil wieder abzuarbeiten.
Als sozialistische Errungenschaft wurde 1973 die Festsetzung
der Mieten auf das nicht kostendeckende Niveau von 1966
gepriesen.
Blick zum Wohngebiet Dornaer-, Plzener-, Pskower Straße
39 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
Ende 1974 und Anfang des folgenden Jahres konnten insge-
samt 684 Wohnungen in der Zeulsdorfer- und Birkenstraße
von den Mitgliedern unserer Genossenschaft bezogen werden.
Damit nahmen sie vom ersten Rundbau unserer Stadt besitz,
der zugleich 30 Jahre lang die Südliche Stadteinfahrt und eine
der Zufahrten Lusans prägte.
Für die vielen Kinder wurden im Innenraum der Wohnanlage
eine kombinierte Kindereinrichtung und nur einen Steinwurf
entfernt, zwei Schulen mit jeweils 26 Klassenräumen gebaut.
Die erste nahm im September 1974 den Schulbetrieb auf. Die
Bewohner gehörten damals zum Wohnbezirk 111.
Über ihre Aktivitäten im Wohngebiet berichtete die Volkswacht am 03.11. 1978 folgendes: „Im Wohnbezirk 111 in
Gera-Lusan – er besteht seit etwa
vier Jahren – wohnen ca. 2.500
Bürger. Er gehört zahlenmäßig
zu den drei größten unserer
Stadt. Im Wohnbezirksausschuss
arbeiten 30 Mitglieder, hinzu-
kommen Kommissionen für
Agitation und Propaganda, für
den Wettbewerb, für Jugend
und Sport und für Ordnung und
Sicherheit. In jedem Haus gibt es
stabile Hausgemeinschaften, 66
an der Zahl. In jedem Wohnblock
koordiniert ein Verantwortlicher
die Tätigkeit von je sechs Haus-
gemeinschaften. Aktive Hilfe gibt
der Transportbetrieb der SDAG
WISMUT, der mit Beginn des
vergangenen Jahres die Paten-
schaft über den Wohnbezirk
übernahm und die Realisierung
des Wettbewerbsprogramms
unterstützt…“
Montage der Birkenstraße mit anschließender Bebauung Zeulsdorfer Straße, im rechten Bild ist die heutige Integrierte Gesamtschule zu erkennen
Geras erster „Rundling“ in der Birkenstraße
40
Im schnellen Tempo vergrößerte sich der Wohnungsbestand
von Jahr zu Jahr. Bereits im April 1976 waren alle vier Wohnblö-
cke in der Kiefernstraße mit insgesamt 306 Wohnungen fertig
gestellt. Weitere 275 Wohnungen folgten ein Jahr später in
der Jenaer- und Rudolstädter Straße.
Zwischen geplanter und tatsächlicher Fertigstellung lag oft ein
großer Zeitraum. Durch den Rat der Stadt wurden jährlich die
Wohnungsneubaukontingente des volkseigenen und der ge-
nossenschaftlichen Wohnungsunternehmen festgelegt.
So beinhaltete dieses Kontingent für die „Glück Auf“ im Jahr 1978 die Errichtung folgender Häuser:
Block 16.13
Otto-Worms-Straße 1 – 5
Block 12.6 VS1
Schleizer Straße 10/12
Nord II Bl. 1 VS2
Berliner Straße 154/156
Nord II Bl. 2 VS2
Berliner Straße 150/152
Blick in die Jenaer Straße
41 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
Obwohl die Fertigstellung sämtlicher 282 Wohnungen für 1978 geplant war, erfolgte die Über-
gabe dieser Häuser erst zwischen Januar und August 1979. Aufgrund der staatlichen Vorgabe
standen unserer Genossenschaft aus diesem Kontingent aber nur 268 Wohnungen zur Verfü-
gung, da 14 Wohnungen einer so genannten Zweckbindung für Angehörige der Nationalen
Volksarmee unterlagen.
Für die Finanzierung des kom- plexen Wohnungsbaus wurden durch die Staatsbank der DDR Investitionskredite ausgereicht. So wurde für die 45 Woh-nungen in der Otto-Worms- Str. 1-5, deren Bau 1.534.000,00 Mark kostete, ein Kredit in Höhe von 1.380.000,00 Mark aufgenommen. Die fehlenden Mittel wurden durch Eigenka-pital der „Glück Auf“, sowie über einen Kredit der Spar-kasse zur Finanzierung der Ein-bauküchen (29.850,00 Mark) aufgebracht. Im Kreditvertrag musste sich der Rat der Stadt verpflichten, Zins- und Til-gungsleistungen zu überneh-men und der Staatsbank der DDR zu überweisen. Mit den nicht kostendeckenden Mieten hätte die Genossen-schaft den Kapitaldienst auch nicht erbringen können.
Kiefernstraße 14 – 47, im Vordergrund befindet sich heute die Nürnberger Straße. Das Haus ganz links (Kiefernstraße 14 – 24) wurde bereits im Jahr 2004 abgerissen.
42
Das Hochhaus in der Schleizer Straße 10/12 war der erste 11-
Geschosser der „Glück Auf“, dessen Erdgeschoss vor allem
für Handelseinrichtungen funktionell nutzbar gebaut wurde.
Damit wurde zur Verbesserung der Versorgungssituation bei-
getragen. Bis zur Wende befand sich in der Schleizer Straße der
Intershop. Nicht nur Lusaner werden sich bestimmt noch daran
erinnern können.
Andere Mieter in Erdgeschosszonen von Hochhäusern der
„Glück Auf“ waren u. a. die Deutsche Post, der VEB HDR
mit einer Reparaturannahmestelle und die Stadt- und Kreis-
sparkasse in der Otto-Rothe-Straße 14/16, der VEB Textilrei-
nigung, der VEB Baustoffversorgung und ebenfalls der VEB
HDR, später RFT in der Wilhelm-Pieck-Straße 154/156 (heute
Berliner Straße).
Ansicht des ersten Hochhauses der „Glück Auf“ mit Funktionsunterlagerung im Ergeschoss – Schleizer Straße 10/12
43 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 70er JAHRE
Bei schnellem Baufortschritt in Lusan gelang es oft nicht,
die Fußwege und Außenanlagen zeitnah zur Übergabe der
Gebäude fertig zu stellen, bzw. die regelmäßige Pflege zu
gewährleisten. Mitunter lagen Plattenteile und andere Hinter-
lassenschaften der Baustellen jahrelang auf den Grundstücken.
Diese Mängel wurden selbst in der Tageszeitung kritisch ange-
sprochen.
Am 27. Oktober 1979 wurde der dritte Streckenabschnitt der
Straßenbahnlinie nach Lusan übergeben. Damit war diese
Linie nunmehr durchgängig bis zur Wendeschleife in Zeulsdorf
befahrbar.
Ende 1979 umfasste der Wohnungsbestand der AWG“ Glück
Auf“ bereits 4.036 Wohnungen. Davon befanden sich zu die-
sem Zeitpunkt 1.700 Wohnungen allein in Lusan.
Trotz des hohen Baufortschritts im Wohnungsbau nahm die
Zahl der wohnungssuchenden Personen und Familien nicht
ab. Eine Wohnung in Lusan zu erhalten, war schon deswegen
besonders erstrebenswert, weil diese mit Fernheizung und
zentraler Warmwasserversorgung ausgestattet waren. Damit
entfielen die sonst übliche Bevorratung mit Kohlen und das
zimmerweise Beheizen der Wohnung.
Am 1. Oktober 1977 berichtete
die „Volkswacht“ von einem
Stadtteilrundgang des damaligen
Oberbürger- meisters
Horst Pohl in Lusan.
Darin heißt es:
„…Hier ging es um Ordnung und Sauberkeit, vor allem im ersten
Bauabschnitt. Tatsache ist, dass in diesem Teil des Neubaugebietes der
Wohnungsbau abgeschlossen ist, dass es hier jedoch noch viele Ecken und
Kanten gibt, die einem gepflegten und sauberen Bild widersprechen.
In Vorbereitung auf den Republikgeburtstag und das Oktoberjubiläum gilt es
für Veränderungen zu sorgen. …“
„… Das beginnt bei der Gestaltung und Pflege der Anlagen vor den Häusern
und dazu gehört auch, dass Wäsche auf den Balkons nicht lustig im Wind
flattert, sondern unterhalb der Balkonbrüstung getrocknet wird“
Die Straßenbahn- wendeschleife in Zeulsdorf.
44
DIE 80er JAHREDas Problem Mangelwirtschaft nimmt zu
Mit dem Beschluss des VIII. Parteitages der SED, die Wohnungs-
frage als Problem in der DDR bis 1990 zu lösen, hatte man sich
1971 ein sehr anspruchsvolles Ziel gesetzt. Trotz des hohen
Tempos bei der Errichtung neuer Wohnungen nahm die Woh-
nungsnachfrage in den 80ger Jahren noch zu.
Einer der Gründe dafür lag in der Vernachlässigung der vor-
handenen Altbausubstanz. Die Anzahl der Wohnungen, die
aus baulichen Gründen leerstanden, stieg damals von Jahr zu
Jahr.
Neben der Tatsache, dass die Zielstellung der Partei längst
dahingehend eingeschränkt wurde, dass die Wohnungsfrage
als soziales Problem bis 1990 zu lösen sei, halfen auch die Plan-
vorgaben der Regierung nicht viel, diese Fehlentwicklung zu
stoppen.In der Anord-
nung zum Fünfjahrplan 1986 – 1990
wurde als einer der Grundsätze des komplexen Wohnungsbaus
festgelegt:
„… Der Wohnungsneubau ist verstärkt mit der Erhaltung, Modernisierung
und Rekonstruktion der vorhandenen Wohnbausubstanz zur Erhöhung des
Wohnwertes, insbesondere der Mehrfamilienhäuser und in den innerstädtischen
Gebieten, zu verbinden. …“
Briefkopf der Generaldirektion der SDAG Wismut
Sämtliche Bauleistungen mussten durch die örtlichen Räte
bilanziert werden. Bereits im laufenden Planjahr war der ent-
sprechende Bedarf für das kommende Jahr bei den zuständi-
gen Behörden einzureichen. In Abhängigkeit von den staatlich
festgelegten Plankennziffern kam es dann zur Verteilung des
Kontingentes. Dabei blieben Instandhaltungs- und Reparatur-
maßnahmen zugunsten von Neubaumaßnahmen meist auf
der Strecke. Um Reparaturleistungen in geringem Umfang zu
sichern, stieg die Zahl der beschäftigten Betriebshandwerker
in der „Glück Auf“ in den 80er Jahren beträchtlich.
Waren 1980 noch 5 Mitarbeiter in der Genossenschaft manuell tätig, waren es neun Jahre später schon
insgesamt 17 Handwerker:6 Klempner
2 Dachdecker3 Heizungsmonteure/Schlosser
3 Maurer1 Tischler
1 Elektriker1 Betriebshandwerker
45 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Mit der Verfügung über eigene Handwerker war „nur“ noch das Problem der Materialbeschaf-
fung zu lösen. Hierzu bedurfte es großen Organisationsgeschicks und noch besserer Verbin-
dungen. Man kaufte alles und hatte damit auch die Möglichkeit, mit anderen Betrieben zu tau-
schen, um das zu bekommen, was man tatsächlich brauchte. Dafür fuhr man oft in der ganzen
DDR herum. Voraussetzung dafür war die Vorhaltung einer gewaltigen Lagerwirtschaft. Die
„Glück Auf“ verfügte 1989 über insgesamt 26 Lager, die sich vornehmlich in Kellerräumen ihrer
Häuser befanden. Dazu zählten u. a. folgende Lager:
Karl-Matthes-Straße 91
Installationsmaterial Heizung (z. B. Heizkörper, Ventile, Flansche)
Jenaer Straße 20
Material für Tischler und Maler (z. B. Fensterglas, Spanplatten, Tapeten)
Ostrowskistraße 36
Installationsmaterial Sanitär (z. B. Gasthermen, Spülkästen, Mischbatterien)
Ostrowskistraße 50
Installationsmaterial Elektro (z. B. Sicherungskästen, Zählertafeln, Steckdosen)
M.-Dicke-Straße 1 (heute Schwarzburgstraße)
Material für Dachdecker (z. B. Schneefanggitter, Fallrohre, Dachheißkleber)
In einer 6-seitigen Lagerord-
nung waren die Grundsätze
der Lagerhaltung und Materi-
alwirtschaft geregelt.
46
So wie die staatlichen Organe versuchten gesell-schaftliche Organisationen ihren Einfl uss auf die Wohnungsvergabe geltend zu machen.
47 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Volkswacht 22.11.1989
Trotz der gewaltigen Anstrengungen und der Ausschöpfung
aller sich bietenden Möglichkeiten, war es nicht möglich, den
schleichenden Verfall der Gebäudesubstanz aufzuhalten. Der
Instandhaltungsbedarf stieg immer weiter an. Den oft berech-
tigten Forderungen von Mitgliedern, Reparaturen in den Woh-
nungen auszuführen, konnte häufi g nicht zeitnah entsprochen
werden. Entsprechende Eingaben an den Oberbürgermeister,
an die SED Kreis- oder Bezirksleitung, oder gar an den Staats-
ratsvorsitzenden, Erich Honecker, waren keine Seltenheit.
Besonders vor anstehenden Wahlen wurde die infragege-
stellte Wahlbeteiligung als Druckmittel gegenüber der Ver-
waltung verwandt. Über die entsprechenden zwischenge-
schalteten Instanzen kamen dann alle diese Eingaben zur
Stellungnahme wieder auf den Tisch der Genossenschaft. So
wuchs gleichzeitig mit dem Instandhaltungsstau auch der Ver-
waltungsaufwand beträchtlich.
Vom Januar bis November 1989 wurden bei der „Glück Auf“
allein 80 Dachreparaturen angemeldet, die im gleichen Jahr
nicht behoben werden konnten. Aus den Unterlagen geht her-
vor, dass eine Durchfeuchtung der Wohnräume in den meisten
Fällen der Anlass zu Reparaturanmeldungen war.
„…Als ein großes Problem erweist sich jedoch die Tatsache, dass der Anteil
Baureparaturen an Wohngebäuden gegenüber den Baureparaturen insgesamt
in der Stadt rückläufi g ist. Die dem VEB Gebäudewirtschaft und den Arbeiter-
wohnungsbaugenossenschaften zubilanzierten Reparaturkapazitäten wurden
per 30.09.1989 mit 60,1 Prozent in Anspruch genommen. Die Objektliste für
Ge ne ral re pa ra tu ren an Dächern ist erst mit 42 Prozent erfüllt. Dies, sowie
Material- und Kapazitätsprobleme wirken einer planmäßigen Wert er hal tung
und Modernisierung, vorallem in Mehrfamilienhäusern, der Altbausubstanz
entgegen.
Trotz Leistungssteigerung im örtlich geleiteten Bauwesen des VEB Gebäude-
wirtschaft sowie der Initiativen der Interessengemeinschaft wird die einfache
Reproduktion an der Bausubstanz in den Altbaugebieten schon über einen
längeren Zeitraum nicht gewährleistet. Das führt zunehmend zu schweren
Schäden an den Häusern und in den Wohnungen, die einen schnelleren
Wiederbezug verhindern. Der schärfer gewordene Kontrast zwischen Altem
und Neuem sowie im Niveau der Ausstattung fi ndet seinen Ausdruck in der
großen Zahl von Wohnungsanträgen und Eingaben der Bürger, die eine
Komfortverbesserung anstreben. In der massenpolitischen Arbeit wird deutlich,
dass die Mehrzahl dieser Bürger ihr Wohnungsproblem als sozial dringend
empfi nden. …“
In einer Bericht-erstattung des
Rates der Stadt Gera zur
wohnungs-politischen Arbeit
Ende der 80er Jahre heißt es:
48
Woran es nicht mangelte, waren Initiativprogramme (z. B. FDJ-
Initiative „Dächer dicht“), Wettbewerbe („Schöner unsere
Städte und Gemeinden – mach mit“), Verpflichtungserklärun-
gen zu Ehren besonderer Anlässe (z. B. Parteitage oder Volks-
kammerwahlen), Vorschriften und Anweisungen. So mußte
der Vorsitzende die Mitarbeiter aktenkundig darüber beleh-
ren, dass das „Abhören sämtlicher Sender des kapitalistischen
Weltsystems“ in den Räumen der AWG verboten ist.
Infolge des stark angewachsenen Wohnungs-
bestandes in Lusan, richtete die Genossen-
schaft zunächst in der Straße der Jungakti-
visten 4 (heute Platanenstraße) eine Außen-
stelle ein. Zeitweilig befand sich auch in der
Straße der Neuerer (heute Kastanienstraße)
ein Stützpunkt, vornehmlich zur Anmeldung
von Reparaturen. Erst ab 18. Februar 1991
befand sich die Außenstelle der „Glück Auf“
in den vorher durch den Intershop genutzten
Räumen in der Schleizer Straße 10.
Hauptschwerpunkt des Wohnungsbaus waren für die Ge-
nossenschaft Anfang der 80er Jahre die beiden Hochhäuser
Emil-Schönherr-Straße 2/4 (heute Rudolf-Hundt-Straße) und
Franz-Lenzner-Straße 2/4 (heute Bruno-Brause-Straße), sowie
die Wohnquartiere Franz-Stephan-Straße (90 Wohnungen),
Kurt-Sebastian-Straße (heute Kretschmerstraße, 105 Woh-
nungen), Anna-Steigmaier-Straße (heute Auerbachstraße,
102 Wohnungen), der VII. Bauabschnitt Eiselstraße (144
Wohnungen), sowie das gesamte Gebiet Karl-Matthes-Straße
(498 Wohnungen). Der letzte an die „Glück Auf“ übergebene
Neubau in Lusan war das Haus Karl-Matthes-Straße 99 – 101
im August 1984.
Im Vordergrund das Hochhaus Emil-Schönherr-Straße 2/4
(heute Rudolf-Hundt-Straße). Die Zufahrt zu den Häusern ist
noch recht abenteuerlich.
Baustelle Anna-Stegmaier-Straße (heute Auerbachstraße).
Im Hintergrund ist einer der fünf Elfgeschosser in der Karl-
Matthes-Straße zu sehen.
49 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
49 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Die Zahl der Wohnungs-tausche, hier über den Stadtrat für Wohnungspolitik initiiert, stieg in den 80er Jahren enorm an.
Aktenkundige Belehrung der
Mitarbeiter der „Glück Auf“
50
Zum 31. Dezember 1983 verfügte die Genossenschaft bereits
über 4.949 Wohnungen, 73,5 % davon waren fernbeheizt.
Trotz des vielpropagierten Slogans „Meine Hand für mein Pro-
dukt“ war die Qualität der Bauausführung nicht immer zufrie-
den stellend. Oft kam es zu Auseinandersetzungen, wenn die
AWG aufgrund von Mängeln einen Block nicht vom Baubetrieb
abnahm, dieser daher nicht die fristgerechte Übergabe vermel-
den konnte und der geplante Mietereinzug verschoben wer-
den musste. Verstärkt wurde die Wohnungsnachfrage durch
die mit der Umgestaltung des Stadtzentrums einhergehenden
Umsetzung von Familien. So vereinbarte beispielsweise der
Rat der Stadt Gera mit der „Glück Auf“ die Umsetzung von
8 Familien aus dem Rekonstruktionsgebiet Zschochern in den
genossenschaftlichen Wohnungsbestand. Für diese Familien
übernahm die Stadt die Zahlung der Genossenschaftsanteile
und die finanziellen Eigenleistungen sowie die betrieblichen
Unterstützungsleistungen.
Die Erbringung der manuellen Arbeitsleistungen, die ja ohne-
hin seit der Industrialisierung der Bauproduktion nicht mehr
unmittelbar mit dem Bauprozess in Verbindung standen, wur-
de immer häufiger finanziell abgegolten. So wurde mit dem
medizinischen Versorgungsbereich des Gesundheitswesen
WISMUT vereinbart, dass die zu erbringenden Stunden mit
Bereitschafts- und Wochenenddiensten abgegolten werden
können. Zum Ansatz kam bei Ärzten hierbei ein Stundenver-
rechnungssatz von 4,35 M je Stunde.
Baustelle 6. Bauabschnitt (Gebiet Anna-Stegmaier-Straße/Karl-Matthes-Straße)
Blick über das Zwötzner Wohn-gebiet hinüber nach Lusan. Die Häuser Karl-Matthes-Straße waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebaut.
Blick vom Heeresberg auf die Häuser in der Anna-Stegmaier-Straße (heute Auerbachstraße) und die Hoch-häuser in der Karl-Matthes-Straße. Letztgenannte fielen bereits 2002 der Abrissbirne zum Opfer.
51 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Nach Abschluss des Wohnungsbaus in Lusan und noch vor Beginn der Bauarbeiten in Bieblach/
Ost entstand in den Jahren 1984/85 das Wohngebiet Bieblach – Nord mit 684 Wohnungen. Der
„Glück Auf“ wurden im Mai und Juni 1985 zwei Wohnhäuser in der Ostrowskistraße mit insge-
samt 96 Wohnungen übergeben.
Die „Volkswacht“ berichtete am 09. August 1988 über ein Bürgerforum in Bieblach, an dem
Einwohner, Mitglieder des Rates, Vertreter gesellschaftlicher Organisationen und Betriebsleiter
teilnahmen. Viele Bieblacher, die ihre schöne Wohnung, die angenehme Umgebung und das
viele Grün hervorheben, werden zitiert. Kritisch wurde u.a. die Unzuverlässigkeit des Nahver-
kehrs, fehlende Bäume im Volkspark und der schlechte Zustand der Zufahrt zum Kindergarten
„Rosenhügel“ von den Bürgern angesprochen.
Abschließend ist zu lesen:
„…Die bereits in Vorbereitung des
Forums durchgeführten Beratungen mit
den Bürgern des Stadtgebiets Bieblach
eingeschlossen, wertet Oberbürgermeister
Horst Jäger die Veranstaltung als sehr
wertvoll für die weitere Verwirklichung
der bürgernahen und leistungsorientierten
Kommunalpolitik, wie sie den Beschlüssen
des XI. Parteitages der SED entspricht…“
„…Vorallem, so unterstreicht er, neh-
men die Mitglieder des Rates und alle
Verantwortlichen die Gewissheit mit, dass
auf das Engagement der Bürger jederzeit
Verlass ist. Dies stelle eine besondere
Herausforderung an eine wirksame und
qualifizierte staatliche Leitungstätigkeit
zum Wohle der Bürger dar. Vorallem gehe
es für die Abgeordneten und den Rat dar-
um, alle wesentlichen Fragen der Kommu-
nalpolitik vertrauensvoll mit den Bürgern
zu beraten, sie rechtzeitig über anstehen-
de Aufgaben zu informieren, um so das
Vertrauensverhältnis zwischen Partei und
Volk weiter zu festigen, gemäß unserem
Grundsatz – Arbeite mit, plane mit, regiere
mit! – die sozialistische Demokratie noch
wirksamer zu entfalten…“
51 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Qualitätspass des VEB Wohnungsbaukombinat
Gera
52
oben: Vereinbarung zur Abgeltung der manuellen Arbeits-leistungen durch Bereitschafts- und Wochenenddienste
rechts: Antwort-schreiben auf eine Eingabe an den Staatsrat der DDR wegen einer neuen Badewanne
53 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Bereits ein Jahr vorher, zum Pfi ngstfest 1987 rüstete sich die
Stadt für das VII. Festival der Freundschaft zwischen der Ju-
gend der DDR und der UdSSR, um ein guter Gastgeber zu sein.
In diesem Zusammenhang wurde die Hausgemeinschaft Ernst-
Thälmann-Straße 2 g (heute Reichsstraße) in der „Volkswacht“
vom 29. Mai 1987 vorgestellt.
Als großer „Mach – mit – Fleiß“ zur Vorbereitung des Treffens werden die Aktivitäten der Hausgemein-schaft beschrieben:
„…Zu den Selbstverständlich-
keiten in der Hausgemeinschaft,
sie besteht seit den Tagen des
Einzuges 1960, gehört es auch,
in der Mach-mit-Bewegung an
vorderer Stelle zu stehen. Die
immerhin 300 m2 Grünfl äche
ums Haus sind selbst für eilige
Passanten eine kleine Augen-
weide. Im Initiativprogramm
für 1987 werden bei Wert-
erhaltungsarbeiten, so u. a.
dem Streichen von Fenstern,
Leistungen in Höhe von 2.000
Mark anvisiert. Verschiedenste
Kleinreparaturen führen die
Mieter selbst aus.
350 Kilogramm Altpapier und
80 Kilogramm Alttextilien gilt
es, auf die SERO-Waage zu
bringen…“
Ernst-Thälmann-Straße (heute Reichsstraße), rechts die „Centra“, damals die gößte Kaufhalle im Bezirk Gera
Blick von der Ernst-Thälmann-Straße (heute Reichsstraße) in Richtung Stadtmuseum
54
30.01.1986, Bieblach-Ost Beginn der Erschließungsarbeiten für das Neubaugebiet Bieblach-Ost. Im Hintergrund Roschütz und die Autobahn.
Nachdem im April 1986 die Grundsteinlegung für Geras zweitgrößtes Neubaugebiet erfolgte,
wurden der „Glück Auf“ im November des gleichen Jahres die ersten Wohnungen in Bieblach/
Ost übergeben.
Es handelte sich um insgesamt 65 Wohnungen in der Margarete-Dicke-Straße 1 – 9 (heute
Schwarzburgstraße). In der Erdgeschosszone befanden sich Handelseinrichtungen und eine
Außenstelle der Meldestelle der Volkspolizei. Bis zum Jahr 1990 konnten insgesamt 363 Ge-
nossenschaftsmitglieder mit ihren Familien in neu errichtete Wohnungen in Bieblach-Ost
einziehen.
In den einzelnen Bauabschnitten kamen auch neue Blocktypen zum Einsatz, wie es sie so in
Lusan noch nicht gab. So wurde durch so genannte „Anhangsektionen“, die an bisher übliche
Blöcke „angehängt“ wurden, eine Bebauungsverdichtung erreicht. Die Margarete-Dicke-
Straße 9 und die Otto-Cummer-Straße 12 (heute Otto-Lummer-Straße) sind solche Häuser. Sie
zeichnen sich vorallem dadurch aus, dass sich in jedem Geschoss drei Wohnungen befinden.
Aber auch die kleinen würfelförmigen Mittelganghäuser in der Heinz-Schiffel-Straße 2 und 4
(heute Leuchtenburgstraße) waren Weiterentwicklungen des Typenprogramms.
Blick auf Bieblach-Ost
55 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Auch in Bieblach-Ost kam es, nicht zuletzt dem Bautempo geschuldet, zu „Problemen bei der
Sicherung in der Komplexität in der Abarbeitung“, wie es in einem Schreiben des Oberbürger-
meisters an die „Glück Auf“ heißt.
Am 30. Oktober 1989 wurde
durch den AWG-Vorsitzenden
der letzte „Grundmittel-Kredit-
vertrag für sozialistische Woh-
nungsbaugenossenschaften“
unterzeichnet. Mit der Kredit-
aufnahme von 8,867 Mio. Mark
wurde der Bau der drei Häuser,
Otto-Cummer-Straße 2 - 10, 12,
14 – 18, die zugleich die letzten
der Genossenschaft übergebe-
nen Neubauvorhaben waren,
finanziert.
Damit war der Wohnungsbe-
stand der „Glück Auf“ bis Ende
1989 auf 5.798 Wohnungen
gestiegen.
Neben dem Vorsitzenden wa-
ren in der Verwaltung der Ge-
nossenschaft zu diesem Zeit-
punkt 18 Mitarbeiter beschäf-
tigt.
5656
Nachdem am 26. Oktober 1989 in einem ersten Rathausge-
spräch Vertreter der Basisgruppen, der Kirchen, dem Oberbür-
germeister und Ratsmitgliedern u. a. Fragen zur Wohnungspo-
litik diskutiert hatten und auf dem 1. Bürgerforum im „Haus
der Kultur“ am 05. November 1989 ebenfalls zu Problemen
der Wohnungsversorgung offene Berichterstattung gefordert
wurde, berichtete die „Volkswacht“ am 18. November 1989
erstmals über das gesamte Ausmaß der Wohnungsnot.
Ende 1989 waren 9.771 Geraer und Geraerinnen als wohnungs-
suchend gemeldet. Davon verfügten 593 Familien bis dahin
über keinen eigenen Wohnraum, lebten also mehrheitlich
noch bei den Eltern. 665 allein lebende Bürger über 26 Jahre
waren noch ohne eigenen Wohnraum.
Von einer Realisierung des Wohnungsproblems als soziale Fra-
ge war man in Gera also weit entfernt. Erstmals wurde die Be-
vormundung durch „Parteien und übergeordnete Staatsorga-
ne“ im Zusammenhang mit der Wohnungsvergabe kritisiert.
Bereits Ende 1989 war die Wiederbelegung der infolge BRD-Verzug leer gewordenen Wohnungen in der öffentlichen Diskussion
57 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 80er JAHRE
Ernst-Thälmann-Straße (heute Reichsstraße)
Blick nach Lusan in den 80er JahrenBlick nach Lusan Blick nach Lusan in den 80er Jahrenin den 80er Jahren
Artikel aus der Volkswacht vom 18. November 1989
58
DIE 90er JAHRE Alles wird anders
Mit der Wende hatten sich schlagartig die politischen Rahmen-
bedingungen für die Wohnungswirtschaft im Allgemeinen
und das Wirken der Wohnungsbaugenossenschaften im Be-
sonderen geändert.
Plötzlich waren Fragen der Material- und Arbeitskräftebe-
schaffung nicht mehr von Bedeutung, sondern alleine die
Finanzen galten als das Maß aller Dinge.
„…Hatten wir in der Planwirtschaft durch die Gewährleistung staatlicher
Subventionen finanzielle Mittel, so fehlte es an Kontingenten für Material und
an zu bilanzierten Betrieben für die Instandhaltung und Instandsetzung unserer
Wohnungen.
Nach der Einheit Deutschlands bieten sich täglich Firmen bei uns an, werden wir
mit Materialangeboten überhäuft, es fehlen jedoch die finanziellen Mittel und
Voraussetzungen…“
Auszug aus dem Lagebericht des
Vorstandes für das
Geschäftsjahr 1990:
Ostthüringer Nachrichten vom 25.01.1991
59 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
59 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Da mit den bis 1991 gezahlten Mieten eine Bewirtschaftung des Wohnungsbestandes, sowie
die Erbringung des Kapitaldienstes für die aufgenommenen Kredite nicht möglich war, sub-
ventionierte der Staatshaushalt der DDR die Wohnungsunternehmen. Dadurch kam es auch
zwangsläufi g zur totalen Abhängigkeit der Wohnungsbaugenossenschaften von den örtlichen
Räten. Der Neubeginn brachte somit nicht nur die willkommene Selbstbestimmung der Ge-
nossenschaften, sondern auch existentielle Fragen mit sich. Die drastische Reduzierung und
Einstellung der staatlichen Subventionsgewährung stellte den Vorstand vor vollkommen neue,
bisher nie da gewesene, Probleme.
Mit der Währungsumstellung erhöhten sich sprunghaft die Bewirtschaftungskosten. Wasser-,
Strom- und Müllgebühren stiegen ebenso wie die Kosten der Verwaltung und Instandsetzung
infolge der Freigabe und Erhöhung der Preise.
60
Völlig neu war auch die Einführung der Mehrwertsteuer (damals 14 %) zum
01. Juli 1990. Diese Mehrkosten waren infolge des damals geltenden Mietpreis-
rechts nicht auf die Miete umlegbar.
Um den ostdeutschen Vermietern die Möglichkeit zu geben, bis zu einer Än-
derung des Mietrechts diese Aufwendungen zu tragen, wurden im 2. Halbjahr
1990 einmalige Bewirtschaftungsbeihilfen gezahlt. Diese betrugen pauschal
einmalig 180 DM je Wohnung und zusätzlich 135 DM für jede fernbeheizte
Wohnung.
In einem Artikel der „Ostthüringer Nachrichten“ vom 25. Januar 1991, kündigte
der Vorsitzende der „Glück Auf“, Rainer Salusa, die Zahlungsunfähigkeit bei
Ausbleiben weiterer Subventionen für Ende Februar 1991 an. Diese prekäre
finanzielle Situation war auch der Tatsache geschuldet, dass die „Glück Auf“
wie alle anderen Genossenschaften auch, Zinsen und Tilgung für die bis zu die-
sem Zeitpunkt aufgenommenen Kredite nicht mehr allein tragen konnte.
Laut DM-Eröffnungsbilanz war die „Glück Auf“ zum 30. Juni 1990 mit
Schulden in Höhe von 79,2 Mio. DM belastet. Die Schulden wurden ebenso
wie das Bankguthaben im Verhältnis 2 : 1 umgestellt. Einzig die eingezahlten
Geschäftsguthaben der Genossenschaftsmitglieder wurden im Verhältnis
1 : 1 weitergeführt. Diese Entscheidung traf der Vorstand gemeinsam mit
dem Aufsichtsrat. Der Anteilsbestand betrug zur Währungsumstellung
11.440.171,53 DM.
Zu DDR-Zeiten beteiligten sich die Genossenschaften am Kapitaldienst ihrer
Kredite (Zins und Tilgung) mit einem Prozent jährlich, vier Prozent übernahm
der Staatshaushalt.
„…Bei der Frage, wer in dieser Zwischenzeit Eigentümer der Wohnungsbau-
kredite aus der ehemaligen DDR sei, wurde uns mitgeteilt, dass es sich um die
Deutsche Kreditbank AG als Nachfolger der ehemaligen Staatsbank der DDR
handelt.
Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen haben die Banken und Sparkassen
die Zinssätze auch für die Altkredite auf das aktuelle Niveau von 9,25 % ab
01.07.1990 und sogar auf 10 % ab 14.01.1991 angehoben.
Unsere Wohnungsbaugenossenschaft ist nicht in der Lage und wird es nie sein,
die hohen Zinssätze zu zahlen. Auf Drängen der Wohnungsunternehmen wird
und muss hierzu eine angemessene Regelung und Lösung gefunden werden,
da sonst die im Aufbau befindliche unternehmerischer Wohnungswirtschaft in
eine Lage gerät, bei der seriöses Wirtschaften unmöglich ist…
Auszug aus dem Lagebericht
des Vorstan-des für das
Geschäftsjahr 1990:
Um Zeit für eine generelle Klärung des Umgangs mit den in der DDR ausge-
reichten Wohnungsbaukrediten zu gewinnen, wurden die Zins- und Tilgungs-
leistungen bis Ende 1993 ausgesetzt. Damit war das Problem der Altschulden
jedoch nicht endgültig entschieden, sondern nur vertragt.
61 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
Die Antwort der Politik darauf hieß: Altschul-
denhilfegesetz. Im Rahmen der Umsetzung
dieses 1993 in Kraft getretenen Gesetzes be-
antragte die Genossenschaft eine Entlastung
von den Altschulden. Mit Bescheid der Kre-
ditanstalt für Wiederaufbau vom 01. bzw. 08.
Dezember 1994 wurde die Höhe der Schulden
auf 150 DM je m² Wohnfläche begrenzt. Dies
bedeutete eine Reduzierung der Altschulden
auf 49,0 Mio. DM. Daran geknüpft war die
Verpflichtung, 15 Prozent des Wohnungsbe-
standes bis 2003 zu privatisieren. Somit waren
868 Wohnungen, von insgesamt 5.790 Woh-
nungen, mit einer Fläche von 49.027,28 m²
zu veräußern. Hintergrund war das Bestreben
der Bundesregierung, neben der Verbesserung
der Kredit- und Investitionsfähigkeit der Woh-
nungsunternehmen den Anteil individuellen
Wohneigentums zu erhöhen.
In den ersten Jahren nach der
Gründung wurde das Nutzungsrecht
am Grund und Boden verliehen
und im Grundbuch eingetragen
„…In der Vergangenheit wurde den Genossenschaften
das erforderliche Bauland unentgeltlich und unbefristet zur
Verfügung gestellt. Die Verleihung des Nutzungsrechtes ist in
den ersten Jahren der Existenz unserer Genossenschaft in das
Grundbuch eingetragen worden. Später, insbesondere mit der
stärkeren Einbeziehung der Genossenschaften in den kom-
plexen Wohnungsbau unterblieb dieses. Vielfach ist keine Ver-
messung des bereitgestellten Bodens vorgenommen worden.
Das bezieht sich insbesondere auf alle Neubaugebiete ab 1971
(Debschwitz/Ost, Zwötzen, Wohngebiet Dornaer Straße, Lusan
und Bieblach/Ost).“
Ein weiteres zu lösendes Problem war die Zuordnung des Grund und Bodens und
der damit verbundene Eintrag der Genossenschaft in die Grundbücher.
Auszug aus dem Lagebericht des Vorstandes für
das Geschäftsjahr 1990:
62
63 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
Auf Antrag der Wohnungsunternehmen, legte der Magistrat der Stadt Gera auf seiner Sitzung
vom 11. Oktober 1990 die kostenlose Übertragung der Grundstücke an die Geraer Genossen-
schaften fest.
Diese Vorgehensweise wurde am 01.Oktober 1992 auch von der Geraer Stadtverordnetenver-
sammlung beschlossen. Danach waren alle Grundstücke, auf denen sich Häuser aus genossen-
schaftlichen Eigentum befanden, ebenfalls in das Eigentum der Genossenschaften zu über-
führen. Die Bewertung der Grundstücke erfolgte entsprechend der Vermögenszuordnungen
und wurde im Jahr 1994 in die Bilanz eingestellt. Für die zugeordneten Flächen waren an die
Stadt Ausgleichszahlungen in Höhe von 1,50 bis 2,00 DM/ m² zu zahlen. Insgesamt bezahlte die
„Glück Auf“ für die Zuordnung 527,8 TDM.
Große Unsicherheit herrschte in Anbetracht der unausweichlich kommenden Mieterhöhung.
Die zum 01. Oktober 1991 geplante Einführung der Umlegbarkeit von Betriebskosten führte zu
Diskussionen. Niemand hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt ernsthaft Gedanken über die fi nan-
ziellen Auswirkungen des großzügigen Verbrauchs von Wasser und Energie gemacht. Plötzlich
galt es, Verbräuche zu reduzieren, um den eigenen Geldbeutel zu schonen. Daran mussten sich
die Meisten erst gewöhnen.
Auf das veränderte Verbrauchsverhalten reagierten die Ver- und Entsorgungsunternehmen
in den Folgejahren zwangsläufi g mit steigenden Preisen. Die erste Abrechnung der Betriebs-
kosten erfolgte im September 1993 für den Zeitraum 01. Oktober 1991 bis 30. September 1992.
Erst im Jahr 1995 wurde auf eine kalenderjährliche Abrechnung umgestellt.
Neu war auch, dass entsprechend der Betriebskosten, Leistungen zur Pfl ege der Außenanlagen
umlagefähig waren. Bis dahin wurde die Pfl ege der Freifl ächen vertraglich mit einzelnen Haus-
gemeinschaften geregelt. Ein kleiner fi nanzieller Zuschuss war allenfalls Anreiz - nicht aber
eine Vergütung der tatsächlich erbrachten Leistungen.
64
Somit gab es bis zur Wende auch keine angestellten Hauswarte
in der „Glück Auf“. Am 01. Juli 1990 waren 47 Mitarbeiter in
der Genossenschaft tätig, 20 davon als Handwerker im Regie-
betrieb. Erst ab 1992 wurden Hauswarte beschäftigt. Zugleich
reduzierte sich die Zahl der Beschäftigten im Regiebetrieb. Die
Notwendigkeit über eine möglichst große Zahl von Handwer-
kern zu verfügen, um notwendige Instandhaltungsmaßnah-
men vorzunehmen, bestand nun nicht mehr.
Allen war klar, dass zum Preis der in der DDR üblichen Mieten
kein eigenständiges Bewirtschaften des Wohnungsbestandes
möglich ist. Damit war ein stufenweises Anheben des Miet-
niveaus unumgänglich. Mit der Zahlung von Wohngeld an
viele Familien versuchte die Bundesregierung die finanziellen
Mehrbelastungen, infolge der Mieterhöhungen, abzufedern.
Im Jahr 1993 erhielten in Gera 17.925 Haushalte Wohngeld.
Das zunehmende Baualter vieler Häuser und die über viele
Jahre ausgebliebenen Reparaturmaßnahmen führten zwangs-
läufig zu einem riesigen Instandhaltungs- und Instandset-
zungsstau.
Andererseits stiegen gleichzeitig mit den Mietpreisen auch die
Forderungen der Genossenschaftsmitglieder nach einer um-
fangreichen Sanierung der Wohnungen und Gebäude. Hatte
man bis 1989 mit voller Kraft an der Erweiterung des Woh-
nungsbestandes gearbeitet, wurden nunmehr nur Erhaltungs-
aufwendungen getätigt. Dabei konnte aber nur auf die eigene
Leistungsfähigkeit der Genossenschaft gesetzt werden. Eine
staatliche Subventionierung wie zu DDR-Zeiten gab es nicht
mehr. In den Jahren 1991 und 1992 wurden Reparaturaufträge
von jeweils 5 – 6 Mio. DM durch Fremdfirmen erbracht. Hinzu
kamen die Leistungen der eigenen Handwerker.
1993 wurde erstmals mit der Erich-Weinert-Straße 25 – 29 ein
Haus komplex, d. h. in mehreren Gewerken, modernisiert.
Im gleichen Jahr begannen die Arbeiten in der Liselotte
Herrmann-Straße 13 – 19, die 1994 abgeschlossen werden
konnten.
Schwerpunkte dieser umfangreichen Sanierungsmaßnahmen
waren in den Folgejahren weitere Häuser in der Erich-Wei-
nert-Straße, Liselotte-Herrmann-Straße, Prof.-Simmel-Straße
und im Erzhammerweg. Aufgrund der ungenügenden Däm-
mung war die Fassadensanierung, insbesondere bei den Q6B-
Typenbauten aus den 60er Jahren, besonders wichtig.
Innenausbau und Einbau neuer Fenster
Fassadensanierung Erzhammerweg 2 – 6
Küche vor der Sanierung Erzhammerweg 2 – 6
65 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
Sanierung Erzhammerweg 2 – 6 (1995)
Das Haus trägt heute
die Hausnummer 22 – 28
Bad vor der Sanierung
66
Trotz der höheren Mieten war die Nachfrage nach sanierten Wohnungen hoch. Die Ent-spannung der Situation am Wohnungsmarkt, Anfang der 90er Jahre, war neben der drastischen Reduzierung der Bevölkerung, infolge von Ab-wanderungen, auch auf eine rege Bautätigkeit zurückzu-führen. Eigenheimstandorte wuchsen, vor allem im stadt-nahen Landkreis, wie Pilze aus dem Boden. So hatte sich die Zahl der im Wohnungsamt registrierten Wohnungssuchenden bis Ende 1995 auf 2.723 reduziert. 1993 tauschten noch 224 Haushalte ihre Wohnungen, zwei Jahre später nur noch 56. Neben dem Ziel, den eigenen Wohnungsbestand zu modernisieren, bestand die Notwendigkeit, über eine zeitgemäß ausgestattete Geschäftsstelle zu verfügen, die nicht nur Platz für die Verwaltung, sondern auch für Handwerker und Hauswarte bot. Dieses Vorhaben wurde 1994 mit dem Erwerb und dem notwendigen aufwändigen Umbau einer leerstehenden Villa in der Berliner Straße 5 umgesetzt. Damit wurden nicht nur für die Mitarbeiter verbesserte Arbeitsbedingungen, sondern auch für die Genossenschaft und ihre Mitglieder eine angemessene Geschäftsstelle geschaffen. Bereits 1995 zeigt sich, dass die nach Altschuldenhilfegesetz vorgesehene mieternahe Priva-tisierung völlig unbefriedigend verlief. Nur wenige Mieter hatten bis dahin die Bereitschaft erklärt, ihre Wohnung zu kaufen. Nach einer daraufhin erfolgten Novellierung des Gesetzes war es möglich, die Privatisierungsauflage auch durch den Verkauf von Wohnungen an eigen-tumsorientierte Genossenschaften zu erfüllen. 1996 kaufte die im gleichen Jahr gegründete Wohngenossenschaft „Neuer Weg“ eG 320 unsanierte Wohnungen in der Steinbeckstraße, dem Charlottenburgweg, der Makarenkostraße und der Otto-Lummer-Straße.
Die Kurt-Keicher-Straße 18 – 28 vor der Sanierung
An die Wohnungen wurden auch Balkone angebaut
67 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
Eine mieternahe Privatisierung erfolgte ab 1997 in den Objek-ten Kretschmerstraße 10 – 14 und 16 – 26 sowie Franz-Stephan-Straße 1 – 11. Von den 195 Wohnungen wurden bis zum heuti-gen Tag 80 Wohnungen vornehmlich an Eigennutzer verkauft. Damit befi nden sich immer noch 115 Eigentumswohnungen im Wohnungsbestand der „Glück Auf“. Die Ausgründung einer eigentumsorientierten Genossen-schaft, der ausschließlich Objekte der WBG „Glück Auf“ Gera eG übertragen werden sollten, war ein weiterer Versuch, die mit der Altschuldenentlastung verbundene Privatisierungsauf-lage zu erfüllen.
Die neue Geschäftsstelle in der Berliner Straße 5 während der Umbauarbeiten.
Die Villa war zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Genossen-schaft total abgewirtschaftet. Bis zur Wende befand sich darin ein Kindergarten und zuvor das Gästehaus der SED-Bezirksleitung Gera.
Einmal jährlich erschien seit Ende der 90er Jahre eine Informations-schrift für die Bewohner.
Links im Bild die Zabelstraße 6 – 12 nach Sanierung und Balkonanbau, oben rechts das Geschäfts-gebäude der „Glück Auf“.
68
Folgende Gebäude sollte in die „Weiße Elster“ übertragen werden: Dornaer Straße 19 a – d Dornaer Straße 31 – 37 Pskower Straße 2 – 8 Plzener Straße 18 – 24 Auerbachstraße 8 – 12 Eiselstraße 24 – 32 Eiselstraße 29 – 35 Mittelstraße 27 – 31 Robert-Blum-Straße 3 – 9
Pskower Straße 2 – 8
Eiselstraße 24 – 32
Mittelstraße 27 – 31
Am 20. Juni 1998 erfolge im Konzertsaal des Geraer Theaters die Gründungsversammlung der Wohnungsgenossenschaft „Weiße Elster“. Dem voraus ging der Versuch, die für die Ausgründung vorgesehenen 364 Wohnungen direkt an die Bewohner zu veräußern. Durch Befragungen und Informati-onsveranstaltungen stellte sich schnell heraus, dass für einen Kauf kaum Interesse bestand, aber die betroffenen Familien einer Genossenschaftsgründung mehrheitlich positiv gegen-über standen.
Am 20. November 1998 erfolge die Anmeldung der neu ge-gründeten Genossenschaft im Genossenschaftsregister. Im Vorstand arbeiteten Beate Seifarth, Gundomar Dudel und Heinz-Joachim Seidel (der dafür sein Aufsichtsratsmandat in der „Glück Auf“ für ein Jahr niederlegte). Die gewählten Mit-glieder des Aufsichtsrates waren Edith Böttger, Georg Fried-land, Norbert Brehme und Werner Gerstenberger.Mittlerweile wuchs der Leerstand aufgrund des hohen In-standsetzungsbedarfs in den 364 Wohnungen auf über 40 Pro-zent an. Dies und die zu erwartenden hohen Sanierungskosten verschärften die wirtschaftliche Situation. Hinzu kam, dass die Bundesregierung Anfang 1999 die Privatisierungsauflagen deutlich entschärfte. Danach hatte die „Glück Auf“ das Nicht-zustandekommen der Privatisierungsverpflichtung auf Grund der ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu vertreten. Damit war eine Veräußerung der 364 Woh-nungen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgenommen wurde, nicht mehr erforderlich. Auf einer Mitgliederversamm-lung am 14. Juni 1999 wurde die Auflösung der Wohnungsge-nossenschaft „Weiße Elster“ beschlossen und einen Tag später beim Genossenschaftsregister angemeldet.
Die Gründungsveranstaltung der „Weißen Elster“ fand im Konzertsaal statt
69 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
69 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Der Vorstand der „Weißen Elster“ bekundet den Rücktritt vom geplanten Kauf der 364 Wohnungen
Auszug aus dem Protokoll der Mitglieder-versammlung, in der die Aufl ösung der „Weißen Elster“ beschlossen wurde.
70
Obgleich Jahr für Jahr zahlreiche Sanierungsvorhaben reali-
siert wurden, reichte deren Umfang nicht aus, allen Erwartun-
gen der Mitglieder an eine Verbesserung der Wohnungsaus-
stattung Rechnung zu tragen.
Der Einbau neuer Fenster erfolgte oft nicht block-, sondern
wohnungsweise, Fassaden wurden saniert ohne die fehlenden
Balkone nachzurüsten. All das erschwerte die Wiedervermie-
tung leerer Wohnungen erheblich. Zwischenzeitlich hatte sich
der Wohnungsmarkt im Osten Deutschlands radikal verändert.
Innerhalb weniger Jahre war aus der Wohnungsnot ein Woh-
nungsüberschuss geworden.
Von 1990 bis zum Jahr 2000 verringerte sich die Bevölkerungs-
zahl Geras um 13 Prozent, gleichzeitig stieg die Anzahl der
Wohnungen um über 10 Prozent an.
Damit war für alle Geraer Wohnungsunternehmen nichts mehr
wie es vorher war.
Keine Vermietungsprobleme gab es bei gut sanierten Woh-
nungen in begehrten Wohnlagen. So wurden beispielsweise in
den Jahren 1999 und 2000 für fast 15 Mio. DM 288 Wohnungen
in Zwötzen saniert, die bis heute komplett vermietet sind.
Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Sanierungstätig-
keit im Jahr 2000. Neben dem Zwötzener Wohngebiet wurden
Sanierungsmaßnahmen in der Kurt-Keicher-Straße, der Berli-
ner- und der Herderstraße, in der Zabelstraße und in der Straße
des Bergmanns durchgeführt.
Mieterfest anläßlich der Sanierung in der Walter-Gerber-Straße
Zabelstraße 6 – 12
Walter-Gerber-Straße 45 – 51
Robert-Blum-Straße 3 – 9
Herderstraße 8
71 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
DIE 90er JAHRE
Das erste Objekt der Genossenschaft mit insgesamt 32 Wohnungen, das der Abrissbirne weichen musste, war das Haus Dornaer Straße 19 a – d im Jahr 2001. Heute befindet sich an seiner Stelle ein Einkaufsmarkt.
Als wichtigste Ausstattungsverbesserung wurde durch die Be-
wohner der ehemals kohlebeheizten Wohnungen der Einbau
eines modernen Heizungssystems mit Warmwasseraufberei-
tung immer wieder hervorgehoben.
Durch die Privatisierung von Wohnungen sank der Wohnungs-
bestand bis zum Jahr 2000 auf 5.345 Wohnungen. Trotz der
zahlreichen Investitionen war der Anteil des sanierten Woh-
nungsbestandes der „Glück Auf“ zur Jahrtausendwende weit
geringer als der anderer Geraer Wohnungsgenossenschaften.
Die Folge waren hohe Leerstände, die wiederum hohe Erlös-
ausfälle und immense Ausgaben für nicht umlegbare Betriebs-
kosten bedeuteten.
Seit Ende der 90er Jahre war immer häufiger der Abriss von
nicht mehr nachgefragten Wohnhäusern, zur Stabilisierung des
Wohnungsmarktes, in der öffentlichen Diskussion. Tatsächlich
war der Abriss nicht entwicklungsfähiger Wohngebäude der
einzige Weg, die immer höher werdenden Leerstandskosten
zu reduzieren.
72
GEGENWART UND ZUKUNFT
Die große Zahl leerstehender Wohnungen in der „Glück Auf“
erforderte eine rasche und konsequente Nutzung der In-
strumentarien des auch von der Politik propagierten Stadt-
umbaus. Dahinter verbirgt sich der Abriss der nicht mehr
benötigten Wohnungen bei gleichzeitiger Aufwertung der
zukunftsfähigen Bestände.
„Mut zur Veränderung“ titelte vielsagend das erste Magazin,
welches im Herbst 2002 in völlig neuer Aufmachung erschien
und seitdem dreimal jährlich an alle Haushalte der Genos-
senschaft verteilt wird. Für die seit 2002 in der „Glück Auf“
tätigen Vorstände, Uwe Klinger und Dieter Lappann, war es
von Anfang an wichtig, das öffentliche Erscheinungsbild des
Unternehmens wesentlich zu verbessern. Im Internet, in der
Presse und auf zahlreichen Veranstaltungen und Präsenta-
tionen wurden insbesondere die vielen Aktivitäten im Zu-
sammenhang mit der Entwicklung des genossenschaftlichen
Wohnungsbestandes dargestellt. Die erste
Ausgabe des neuen Magazins
Das Internet wurde in das
Marketing der „Glück Auf“
als neues Werbemittel
eingebunden.
73 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
2000…
73 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
Aufwertung und Abriss – für beides ist die intensive Kommunikation mit den betroffenen
Familien erforderlich. Wichtigste Voraussetzung für die notwendige Weiterführung der Abriss-
maßnahmen war der Bescheid der Kreditanstalt für Wiederaufbau über die Altschuldenentlas-
tung für die vom Markt genommenen Wohnungen. Somit trägt jeder Abriss auch dazu bei, die
Verschuldung und damit die laufenden Kapitalkosten zu reduzieren.
Die wirtschaftliche Situation erforderte 2002 eine strategische Neuausrichtung der Unterneh-
mensführung. Für die künftige Bestandsentwicklung wurden fünf Investitionsschwerpunkte
ausgewiesen: die Gebiete Süd-, Debschwitzer-, Fröbelstraße und Dornaer-, Plzener-, Pskower
Straße, der Wohnstandort Eiselstraße (Alt-Lusan), sowie die Quartiere Birkenstraße/ Zeulsdor-
fer Straße und Kiefernstraße.
Durch den Geraer Stadtrat wurden in der Folge Rahmenpläne für die städtebauliche Entwick-
lung dieser Gebiete beschlossen. Die „Glück Auf“ gab die Erarbeitung dieser Rahmenpläne in
Auftrag. Die vorliegenden Stadtratsbeschlüsse dokumentieren die Entwicklungsfähigkeit der
Wohnquartiere und sind eine wichtige Finanzierungsvoraussetzung. Wichtigste Aussage dieser
Pläne: der Umbau dieser Wohnstandorte wird Abriss und Aufwertung beinhalten.
Der Beschluss des Geraer
Stadtrates für den Quartiers-
rahmenplan Wohngebiet „Südstraße“
74
Bis Ende 2005 ist die Genossenschaft bei der Umsetzung dieser Vorhaben bereits ein großes Stück vorangekommen. 2003 wurden die beiden Objekte Eiselstraße 29 – 35 und Mittelstraße 27 – 31 saniert. In der Mittelstraße wurde zum ersten Mal die attraktive Gestaltung der Ge-bäude mit einem Teilabriss verbunden. Die Wohnungsanzahl reduzierte sich von ursprünglich 56 Wohnungen auf nunmehr 44 Wohnungen. Diese sind nach Wohnungsgröße viel stärker differenziert als dies bisher der Fall war. Die Herangehensweise – Schaffung unterschiedlichster Wohnungsgrundrisse verbunden mit einer auf die persönlichen Wünsche und Möglichkeiten der Bewohner abgestimmten Ausstattung – fand auch bei allen folgenden Umbauvorhaben
viel Anerkennung durch die Bewohner. Alle weiteren Sanierungsmaß-nahmen waren bis zum heuti-gen Tag mit einer Reduzierung der Wohnungszahl, zugunsten eines individuelleren Wohnens, verbunden.
Für den aufwändigen Umbau des Hauses Eiselstraße 24 – 32, hier
entstanden in den beiden oberen Etagen Maisonette-Wohnungen
mit Dachterrassen, erhielt die „Glück Auf“ eine Anerkennung
im Rahmen des Wettbewerbs „Innovationspreis 2005“ durch den Verband Thüringer Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft e.V. Mit der Sanierung 2004 erhielten
die letzten ofenbeheizten Wohnungen eine moderne Heizung.
Die sanierten Häuser in der Mittelstraße
75 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
2000…
Ein Projekt, das als beispielhaft für den Stadtumbauprozess angesehen werden kann, war die Umgestaltung des Quartiers Kiefernstraße. Von den insgesamt vier Häusern der „Glück Auf“ dienen künftig nur noch zwei Häuser dem Wohnen. Durch die Umbaumaßnahmen 2003/2004 entstanden 26 verschiedene Wohnungstypen. Aufzüge wurden angebaut, Balkone verglast und die beiden Giebelseiten erhielten durch Anbauten eine architektonische Aufwertung. Die Gestaltung attraktiver Außenanlagen bildete den krönenden Schlusspunkt der Umgestaltung. 2005 konnten zwei weitere Vorhaben der langfristigen Investitionsplanung realisiert werden – der Umbau der Pskower Straße 2 – 6 und die Umgestaltung der Eiselstraße 127 – 135. Beide Objekte wurden durch den Teilabriss eines Segmentes verkleinert, die Pskower Straße erhielt einen Dachaufbau und damit zwei Penthouse-Wohnungen. Auch in der Eiselstraße entstanden zwei Wohnungen mit großen Dachterrassen. Giebelanbauten an beiden Gebäuden schaffen neben einer interessanten Fassadengestaltung eine größere Grundrissvielfalt für künftige Wohnungssuchende.
Der Wohnstandort der „Glück Auf“ in der Kiefernstraße
Im November 2005 wurde der erfolgreiche Umbau des Hauses in der Eiselstraße 127 – 135 beendet.
Die Pskower Straße erhielt durch den Dachaufbau zwei attraktive
Penthouse-Wohnungen.
76
Für alle diese Investitionen hat die „Glück Auf“ seit 2003 rund 15,3 Mio. Euro ausgegeben. Des Weiteren wurden seit 2002 insgesamt 128 Balkone an bereits sanierte Wohnungen an-gebaut, um deren Vermietungsfähigkeit zu verbessern. Hinzu kommt eine Vielzahl komplexer Instandhaltungsmaßnahmen zur Aufwertung des Bestandes. Hervorzuheben ist hier be-sonders die Fassadensanierung der beiden Hochhäuser in der Berliner Straße 150 – 156 in den Jahren 2004 und 2005. Daneben ist gegenwärtig der Abriss nicht mehr nachgefragter Wohnungen ein Schwerpunkt der Bestandsentwicklung. Seit 2002 wurden bis Ende 2005 insgesamt 802 Wohnungen abge-rissen. Dafür wurde die „Glück Auf“ bislang von Altschulden in Höhe von über 3,1 Mio. Euro entlastet. Damit reduzieren sich die Zins- und Tilgungsleistungen, für die die Genossenschaft aufzukommen hat, erheblich. Diese sehr umfangreichen Maß-nahmen der letzten Jahre haben in ihrer Gesamtheit dazu bei-getragen, den Anteil des sanierten und teilsanierten Bestandes seit 2002 von 32 Prozent auf nunmehr knapp 60 Prozent zu erhöhen.
In der Makarenkostraße erhielten 2002 insgesamt 48 Wohnungen
einen Balkon.
Umfangreiche Fassadensanierung in der Berliner Straße 150 – 156
Abriss der fünf Elfgeschosser in der Karl-Matthes-Straße. Die „Glück Auf“ reduziert mit dem Rückbau ihres Hauses Karl-Matthes-Straße 50 – 52 (im Vordergrund) ihren Be-stand um 110 Wohnungen.
77 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
2000…
Der Leerstand konnte, nicht zuletzt auch Dank zahlreicher Marketingmaßnahmen, innerhalb von vier Jahren um mehr als die Hälfte reduziert werden. Auf dem Weg zu einer starken Gemeinschaft, entwickelt die „Glück Auf“ immer mehr Service-angebote „rund ums Wohnen“. Hauswirtschaftliche Dienstleis-tungsangebote werden vorallem von den älteren Mitgliedern in zunehmenden Maß gern angenommen.Im Jahr 2004 wurde das Tochterunternehmen „Glück Auf“ Wohnservice GmbH gegründet. Als Dienstleister treten die Hauswarte und Reinigungskräfte dieses Unternehmens mittlerweile nicht nur in den eigenen Beständen der Ge-nossenschaft auf. Das Service-Angebot wird sich in den kommenden Jahren ent-sprechend der Nachfrage weiter vergrößern.Moderne, komplett eingerichtete Gästewohnungen stehen den Mitgliedern zur Verfügung, wenn Besuch unterge-bracht werden muss. Darüber hinaus besteht die Möglich-keit, Gästewohnungen anderer Wohnungsbaugenossen-schaften bundesweit zu nutzen. Mit der Service-Card der Geraer Wohnungsgenossen-schaften lässt sich, egal ob beim Theaterbesuch oder beim Einkaufen, auf einfache Weise Geld sparen.Besonders positive Resonanz gab es seitens der Mit-glieder bei der Einführung der jährlichen Verzinsung der eingezahlten Genossenschaftsanteile. Viele Mitglieder nutzen ihre Mitgliedschaft als sichere Geldanlage und zahlten weitere Anteile ein.
Die Serviceangebote – Gästewohnungen und Servicecard werden durch die Dienstleistungen der „Glück Auf“ Wohnservice GmbH abgerundet.
78
Die gemeinsam mit den anderen vier Geraer Wohnungsgenos-senschaften veranstalteten Präsentationen, ob zum Wald- und Dahlienfest, zum Weltgenossenschaftstag oder im Rahmen der Marktaktionen von „Ja für Gera“ e.V., sind immer Gelegenheit mit sehr vielen Geraern ins Gespräch zu kommen. Dabei ist im-mer zu spüren: die „Glück Auf“ ist auf einem guten Weg. Dass dies so ist, zeigen auch die zunehmenden Mitgliederzah-len. Erstmals seit 10 Jahren stieg 2005 die Anzahl der Genos-senschaftsmitglieder.Neben dem Ausbau der Dienstleistungsangebote ist die Schaf-fung zusätzlicher lukrativer Anlagemöglichkeiten in Vorberei-tung.Der Schwerpunkt bei der Entwicklung zukunftsfähiger Woh-nungsbestände liegt in den kommenden Jahren in den Wohn-quartieren „Birkenpark“, Süd-, Debschwitzer- und Fröbelstraße, sowie Pskower Straße.Darüber hinaus sind komplexe Modernisierungsmaßnahmen und die Weiterführung des Balkonanbauprogramms Bestand-teile der Investitionsplanung. Wichtig ist die Schaffung eines nach Lage, Größe, Ausstattung und Mietpreis sehr differen-zierten Wohnungsangebotes, um den individuellen Wünschen und finanziellen Möglichkeiten der Genossenschaftsmitglieder und wohnungssuchender Personen und Familien gerecht wer-den zu können.Die Zufriedenheit der Mitglieder und die zukunftsfähige Ausrichtung der Genossenschaft sind die vom Aufsichtsrat, Vorstand und allen Mitarbeitern der „Glück Auf“ gemeinsam verfolgten Unternehmensziele für eine weitere erfolgreiche Entwicklung.
Die „Glück Auf“ ist gemeinsam mit den anderen Geraer
Wohnungsgenossenschaften auf zahlreichen regionalen Veranstal-
tungen als Aussteller vertreten.
79 BEI UNS SIND SIE ZU HAUSE!
2000…
GESTERN – HEUTE – Der „Birkenpark“ in Lusan
Bild oben: 1988 - die ursprüngliche Bebauung mit einer Kindereinrichtung und zwei Wohnblöcken im Innern.
Bild mitte: Nach dem Abriss von insgesamt 312 Woh-nungen und dem Rückbau der Kindereinrichtung ist bereits die künftige aufgelockerte Gestaltung des Areals erkennbar.
HEUTE – MORGEN – Die „Elstersiedlung“ in Debschwitz
Bild oben: Der Fassadenentwurf für die Balkonseite nach dem Umbau des Wohngebietes Süd-, Fröbel- und Debschwitzer Straße.
Bild links: Der jetzige Bestand des Wohngebietes.