Wissenschaftliche Blogs: Nutzungsweisen und Nutzer

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Vortrag von Merja Mahrt und mir, gehalten beim SciLogs-Treffen am 18. März 2012 in Deidesheim.

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WISSENSCHAFTLICHE BLOGSNUTZUNGSWEISEN UND NUTZER

Merja Mahrt & Cornelius Puschmann

Überblick

Forschungskontext Forschungsstand: Was ist ein Wissenschaftsblog?

Welche Rolle spielen Blogs im Wissenschaftsbetrieb? Eigene Fallstudien: Wer liest Wissenschaftsblogs?

Welche Öffentlichkeit(en) bilden sich um Blogs?

2

Forschungskontext

Forschungsschwerpunkte: computervermittelte Kommunikation, Mediennutzungsforschung

Nachwuchsforschergruppe „Wissenschaft und Internet“(Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2010-2012)

DFG-Projekt „Vernetzung, Sichtbarkeit, Information? Nutzungsmotive informeller digitaler Kommunikations-genres unter Wissenschaftlern“(Humboldt-Universität zu Berlin, 2012-2015)

3

Wie verändert das Internet die Wissenschaft?

4

wiss. KommunikationForschungsmethoden

Daten

Fächerkulturen / Selbstverständnis Verhältnis von Wissenschaft und

Öffentlichkeit

Was ist ein Wissenschaftsblog?

definiert durch

5

Akteure?

„das Blog eines Wissenschaftlers“

Wer ist ein Wissenschaftler?

Inhalte?

„ein Blog mit wissenschaftlichen Inhalten“

Was genau sind wissenschaftliche Inhalte?

6

Was ist ein Wissenschaftsblog?

Was ist ein Wissenschaftsblog?

Funktionen wissenschaftlicher Blogs nach Kjellberg (2010)

Inhalte weitergeben (disseminating content) Meinungen äußern (expressing opinions) informiert bleiben und sich erinnern

(keeping up-to-date and remembering) schreiben (writing) sich austauschen (interacting) sich vernetzen (creating relationships)

7

Was ist ein Wissenschaftsblog?

Große Unterschiede bezüglich der Autoren (Wissenschaftler, Journalisten, …) vorgestellten Leserschaft (Fachkollegen, Laien, Politiker, …) kommunikativen Ziele (Inhalte weitergeben, Sozialkapital anhäufen, …)

Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche Typen, bspw. wissenschaftliches Notizbuch

(für die Dokumentation laufender Forschung) Forschungsblog

(für die Veröffentlichung und Diskussion von Forschungsergebnissen) Wissenschafts-PR-Blog

(für die außerfachliche Präsentation wissenschaftlicher Inhalte)

Blogs sind so heterogen wie ihre Autoren!

8

9

geplant

spontan

intern extern

Journal-Artikel / Monographie

Essay in einer Tageszeitung

Kaffeepausen-Gespräch bei einer Konferenz

Vorstellung des Fachs beim Tag der offenen Tür o.ä.

Forschungsblog (I)

PR-Blog (II)

wissenschaftliches Notizbuch (III)

?

Welche Akzeptanz haben Wissenschaftsblogs? Internetnutzer, die zumindest gelegentlich Blogs nutzen

Deutschland: 7% (Busemann & Gscheidle, 2011) USA: 32% (Pew Research Center, 2010) Japan: 80% (comScore, 2011)

Wissenschaftler, die zumindest gelegentlich Blogs nutzen D: 8% (Studie „Digitale Wissenschaftskommunikation“, 2010-2011) UK: ~ 7% (Studie „Use and Relevance of Web 2.0 Resources for

Researchers“, 2009)

Die Akzeptanzunterschiede sind bei Blogs sehr groß!

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Welche Akzeptanz haben Wissenschaftsblogs? „Wie tauschen Sie sich für gewöhnlich mit anderen

WissenschaftlerInnen aus Ihrem Arbeitsgebiet aus?“ (Bader, Fritz & Gloning, 2012) persönlich: 96% am Telefon: 49% über netzbasierte Austauschmedien (z.B. Skype): 21% per E-Mail: 94% auf wissenschaftlichen Mailinglists: 24% in wissenschaftlichen Blogs: 4% (Rechtswissenschaften: 10%) mithilfe von speziellen Forschungsportalen (z.B. ResearchGATE): 5% über Netzwerkportal (z.B. Facebook): 5% über Twitter (oder andere Form des Mikrobloggings): 2% in Wikis: 6%

Quantitativ betrachtet spielen Blogs in der Wissenschaft eine marginale Rolle. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das in der nahen Zukunft ändert.

11

Welche Akzeptanz haben Wissenschaftsblogs? „Wenn Sie wissenschaftliche Thesen oder

Forschungsergebnisse vor der Publikation diskutieren wollen, wie gehen Sie in der Regel vor?“ Ich spreche mit meinem Fachkollegen: 93% Ich tausche mich mit meinen KollegInnen per E-Mail darüber aus: 70% Ich schreibe einen Blog-Beitrag zu diesem Thema: 1%

12

Welche Akzeptanz haben Wissenschaftsblogs? wichtigste Gründe für das Nicht-Lesen von Blogs:

„keine Zeit“ „keine (interessanten) Blogs in meinem Fach“ „die Blog-Landschaft ist mir zu unübersichtlich“ (!)

wichtigste Gründe für das Nicht-Schreiben eines Blogs: „keine Zeit“ „ich nutze bereits andere Kommunikationswege“

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Was sind mögliche Implikationen für den Wissenschaftsbetrieb? Als Werkzeug für die formale interne Wissenschafts-

kommunikation sind Blogs nur geeignet wenn... sie institutionell anerkannt werden sie Maßnahmen zur Sicherung wissenschaftlicher Qualität anwenden ihre Nutzung forschungspolitisch incentiviert wird

Als Werkzeug des Wissensmanagement, für die externe Wissenschaftskommunikation und für die Binnen-kommunikation zwischen Wissenschaftlern einerseits und Praktikern, Journalisten und einer breiteren Öffentlichkeit andererseits sind sie bereits heute relevant.

14

15

16

Fallstudien zur Nutzung wissenschaftlicher Blogs Wer liest wissenschaftliche Blogs und warum? Wie beeinflussen Eigenschaften eines Blogs seine

Nutzerschaft?

Fallstudien Eine Woche Wissenschaftsblogging Fallstudie zu Leserkommentaren Befragung von Lesern

17

Eine Woche Wissenschaftsblogging

5 Meta-Plattformen amazings.es (spanisch) hypotheses.org (französisch) researchblogging.org scienceblogs.com scilogs.de

9.-16. Januar 2012: Erfassung aller Blogposts n = 293

Was erlangt Aufmerksamkeit?

18

Eine Woche Wissenschaftsblogging

Was erlangt Aufmerksamkeit?

19Basis: 293 Blogposts

0

10

20

30

40

Anzahl der Kommentare

%

keine

1-5

6-10

11-20

21-50

51-100

über 100

Eine Woche Wissenschaftsblogging

Was erlangt Aufmerksamkeit? Top 11% Über 100 Kommentare (über 400 bzw. 800)

2 Posts zu Andrew Wakefield und Impfkontroversen („Respectful Insolence“, scienceblogs.com)

Über 50 Kommentare 3 weitere Posts von „Respectful Insolence“, 2 davon zu Impfen 2 Posts von scienceblogs.com (Medienberichterstattung zu

Klimawandel; Rolle der Nullhypothese in der (Natur-) Wissenschaft) 1 Post von scilogs.de (antibiotikatresistente Keime auf Geflügelfleisch)

Über 20 Kommentare (n = 25) breites Fächerspektrum Posts in Alltagssprache, z.T. mit politischer Komponente Posts, die direkt zu Interaktion aufrufen (Nominierungen u.ä.) kontroverse Themen (z.B. Gender, Lebensmittelsicherheit, Preise für

den Zugang zu Journals) 20

Aufmerksamkeit für Wissenschaftsblogs

Bei Posts in Alltagssprache Bei Themen mit politischen oder anderweitig

kontroversen Komponenten Eher nicht bei Posts, die aktuelle Studien und Befunde

darstellen Vielfältige Posts zu Geisteswissenschaften oft ganz ohne

Kommentare

Nur expressive Funktionen werden auch eingelöst? Informationen weitergeben, Meinungen äußern, schreiben

Interaktion: Wer liest Wissenschaftsblogs und warum?21

Fallstudie zur Leserkommentaren

Definition über Inhalte Bezug zu Forschung mit Peer Review (2 Science-Artikel) Risiko- und Krisenkommunikation (EHEC, Fukushima) Allgemeiner Wissenschaftsdiskurs (Guttenberg-Plagiate)

Inhaltsanalyse von 1.271 Blogkommentaren zu 25 ausgewählten, möglichst unterschiedlichen Blogbeiträgen

2 Coder, mehrstufiger Pretest, gute bis sehr gute Intercoderreliabilität

22

Verständlichkeit von Blogpost und Kommentaren

25

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Alltagssprache einf ./mittl. wiss. Anspruch

hoher wiss. Anspruch

Sprache der Kommentare

Sprache der Blogposts

Alltagssprache

einf ./mittl. wiss. Anspruch

hoher wiss. Anspruch

n = 510, 9 Blogs n = 671, 13 Blogs n = 78, 3 Blogs

0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%

100%

nicht zu erkennen

Laie

Experte

Status der Kommentierenden

27

n =

275

n =

109

n =

206

n =

156

n =

375

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%Zusatz, inhaltl. Ergänzung

Zustimmung

Kritik, Widerspruch

Danksagung, Anerkennung, Lob

Frage

Handlungsempf., Hilfe, Rat

Anlässe für Kommentare

28

Bis zu zwei Anlässe codiert

n =

262

n =

119

n =

215

n =

200

n =

405

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

wiss. Kommentar

freier Kommentar

Wiss.vermittlung an Laien

politischer Kommentar

Gratifikationen

29

n = 505

n = 144

n = 312

n = 158

Zwischenfazit zur Blognutzung

Wissenschaftliche Blogs erfüllen vielfältige Funktionen, für Blogger und Leser

Form und Inhalt des Blogs beeinflussen Leser und Kommentare

Informations- und Diskussionsbedarf, insbesondere bei Risiko- und Krisenkommunikation

Geplant: Befragung von Bloglesern zu ihren Interessen, Nutzungsgewohnheiten und Motiven

30

Vielen Dank

Dr. Merja Mahrt Dr. Cornelius Puschmann

Heinrich-Heine- Humboldt-Universität

Universität Düsseldorf zu Berlin

mahrt@phil.uni-duesseldorf.de,

puschmann@ibi.hu-berlin.de 31

Quellen

Bader, A., Fritz, G. & Gloning, T. (2012). Digitale Wissschaftskommunikation 2010-2011: Eine Online-Befragung. Abgerufen am 13. März 2012 von http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2012/8539/

Busemann, K., & Gscheidle, C. (2011). Web 2.0: Aktive Mitwirkung verbleibt auf niedrigem Niveau. Media Perspektiven, (7-8), 360-369.

comScore (2011). Japan Internet users spend most time on blogs worldwide. Pressemitteilung, abgerufen am 13. März 2012 von http://www.comscore.com/Press_Events/Press_Releases/2011/8/Japan_Internet_Users_Spend_Most_Time_on_Blogs_Worldwide

Kjellberg, S. (2010). I am a blogging researcher: Motivations for blogging in a scholarly context. First Monday, 15(8).

Kouper, I. (2010). Science blogs and public engagement with science: Practices, challenges, and opportunities. Journal of Science Communication, 9(1), 1-10.

Pew Research Center (2010). Generations 2010. Pew Internet and American Life Project. Abgerufen am 25. October 2011 von http://pewinternet.org/~/media//Files/Reports/2010/PIP_Generations_and_Tech10.pdf

Poschen, M. (2009). Impact of Web 2.0 on scholarly communication. Vortrag beim Workshop on Scientific Writing and New Patterns of Scientific Communication, 5th International Conference on e-Social Science, Köln, 24.-26. Juni 2009.

32

Abweichungen vom Thema

33

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Thema des Blogbeitrags

thematisch noch verwandt

f remder Gegenstand

Persönliches

Metabezugspunkt

n =

545

n =

157

n =

354

n =

191