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AuslandMittwoch15. Oktober 2014

Ana Blandiana war 1989 eine der Symbolfiguren des Umbruchsin Rumänien. Unter Diktator Ceaușescu stand sie unter Hausar-rest und hatte Publikationsverbot. Bis heute lässt sich der Frei-geist von niemandem vereinnahmen. Putins Vorgehen in derUkraine erinnert die 72-jährige Schriftstellerin und Bürgerrecht-lerin an Stalins Schamlosigkeit.

«Auf der Strasse wusste ich nie, ob ich verflucht oder geküsst würde»VOR 25 JAHREN FIEL DER EISERNE VORHANG INTERVIEW MIT ANA BLANDIANA

Es ist wieder Krieg in Europa, inIhrem Nachbarland Ukraine – 75Jahre nach Beginn des ZweitenWeltkrieges und 25 Jahre nachder Wende. Was läuft da falschin Europa?Ana Blandiana: Europas grössteSchuld sehe ich im zu grossenVertrauen, in der übertriebenenHöflichkeit gegenüber Russland.Sie grenzt an Schmeichelei. Einberühmtes Zitat von Leninheisst: «Die Kapitalisten werdenuns noch den Strick verkaufen,mit dem wir sie aufknüpfen.»Was bedeutet das mit Blick aufdie Ukraine?Frankreich will Schiffe verkaufenund Deutschland braucht Gas,Russland ist ein immenserMarktplatz geworden. Europahat den russischen Präsidentenimmer mehr unterstützt, als esdieser verdient hätte. WladimirPutin hat seine Nachbarländer –ganz anders als Deutschland undauch anders als seine VorgängerJelzin oder Gorbatschow – nieum Verzeihung gebeten oder dieVerbrechen der Vergangenheitwenigstens als Verbrechen aner-kannt. Denken wir doch an dieZeit nach der MachtergreifungHitlers. Die demokratischenLänder waren gegenüber NS-Deutschland viel zu nachgiebig.Es geht nicht, dass man nichtslernt aus der Geschichte.Was wollen die Russen, was willPutin?Schon zu Sowjetzeiten hätte ichnie pauschal gesagt, dass «dieRussen» schlecht sind. Sie warenvielmehr das erste Opfer des so-wjetischen Imperialismus. AberPutin akzeptiert nicht, dass dieSowjetunion Vergangenheit ist,er will das Imperium wiederher-stellen. Das ist alles. Dabei geht ermit exakt jener Schamlosigkeitvor, die auch Stalin eigen war.Wenn ich sehe, wie Putin lügt,wie zynisch er antwortet, erinne-re ich mich an Rumänien nach1944, als der Eiserne Vorhang er-richtet wurde. Alles lief genaunach diesem Muster ab.Sie hatten unter DiktatorCeaușescu wiederholt Publika-tionsverbot. Vor der Wendestanden Sie in Bukarest unterHausarrest, die Securitate vordem Haus, kein Telefon, keineKorrespondenz. Dachten Sie niean Emigration?Ich wusste immer, dass man Ru-mänien nicht einfach Ceaușescuüberlassen kann. In jener düste-ren Zeit legten Menschen bei un-serem Hauseingang Blumen hin,solche stillen Zeichen der Wert-schätzung haben mir Mut ge-macht. Vor 1989 gab es keinerleiMöglichkeiten, offen Solidaritätzu zeigen.Wie war die Zeit nach

Ceaușescus Sturz und dessenHinrichtung?Es gab laufend Strassenkundge-bungen mit Hunderttausendenvon Menschen. Durch einensimplen Hinweis in der Zeitungbrachten wir Massen auf Plätzeund Strassen. Wenn ich heute dieBilder von diesen Menschen-mengen anschaue, scheint es mirunglaublich, ich hatte nicht nurteilgenommen, sondern wir hat-ten diese Meetings organisiert –zu oft auch ganz theoretischenThemen wie «Reform und Wahr-heit». 1990 war für mich das ab-solut wahnsinnigste Jahr, vielschwerer als die Jahre davor. Ichdachte damals, wenn ich nichtstue, bin auch ich mitschuldig fürdas, was war.Isoliert in der eigenen Wohnungund dann plötzlich im Rampen-licht: Was hat der plötzliche Rol-lenwechsel mit Ihnen gemacht?Mein Leben geriet total aus denFugen. Die Stimmung damals inRumänien unter dem postkom-munistischen Präsidenten IonIliescu war über Jahre derartaufgeheizt, beinahe hysterisch.Wenn ich einem Unbekanntenauf der Strasse begegnete, wussteich nie, ob er mich verfluchenoder küssen würde. Die normaleReaktion einer Frau darauf wä-ren zwei Ohrfeigen. Doch meinMann Romulus Rusan beruhigtemich: «Sie küssen dich nicht alsFrau, sondern als Ikone.»In der Diktatur und in der Ein-samkeit hat Sie auch das Schrei-ben gerettet.Ich habe über Jahre mit der Zen-sur gekämpft. Doch mehr Angstals vor der realen hatte ich immervor der inneren Zensur. Das istein mentaler Mechanismus, derviele Schriftsteller – und nichtnur sie – zerstört hat. Irgend-wann habe ich geschrieben undweitergeschrieben, ohne jedenGedanken daran, ob der Text, obdas Buch zu meinen Lebzeiten jewird erscheinen können.Schriftstellerin, Dissidentin,Bürgerrechtlerin. Als Präsidentinder Bürgerallianz waren Sie einecharismatische Figur der Oppo-sition. Wie sehen Sie Ihre aktuel-le Rolle?Ich bin stolz darauf, heute wiedereinfach Schriftstellerin zu sein.Ich habe nie andere Aufgabengesucht. Meine Pflicht war undist es, zu schreiben, was ich glau-be. Das hat jenen an der Machtnicht gefallen. In den 1990er-Jahren bin ich durch die Ereig-nisse und Umstände zur öffent-lichen Figur geworden, das hatmich geprägt, zum Schreibenblieb da keine Zeit mehr.Mit welchem Gefühl schauen Sieheute auf jene hektischen Jahrezurück?

Ich würde alles wieder tun, aberdie Opfer, die ich gebracht habe,zeitigten bei weitem nicht dieFolgen, die ich mir fürs Landerhofft hatte. Lech Wałesa zogkürzlich an einem Anlass ein er-nüchtertes Fazit seines Kampfesfür die Freiheit: «Das Böse profi-tiert mehr von der Freiheit als dasGute.» So ist es.1996 hat die von Ihnen gegrün-dete und geführte Bürgerallianzdie Wahlen gewonnen, Profes-sor Emil Constantinescu lösteIliescu als Präsident ab. Doch4 Jahre später kehrte der Post-kommunist an die Macht zurück.Was war da schiefgelaufen?In jener Zeit ist die Indifferenzenorm gewachsen. Daran sind

wir, daran ist auch die Bürger-allianz mitschuldig. Und EmilConstantinescu. Auf ihm ruhtenalle Hoffnungen, ihm vertrautendie Menschen. Es hatte nicht nureine politische, sondern eine fastreligiöse Dimension. Es ging umGut und Böse. Kurz vor der Wahlwar im Alter von 81 Jahren dercharismatische Oppositionsfüh-rer Corneliu Coposu gestorben.Nur die gigantische Welle der Be-troffenheit darüber in der Gesell-schaft brachte uns den Sieg. Con-stantinescu hat die Menschenund ihre Anliegen nicht verraten,aber er war schwach, zu schwach,um sich gegen die Seilschaftenvon Parlament und Verwaltungdurchzusetzen. Er war erstarrt

wie das Kaninchen vor derSchlange. Die Zerstörung derIllusionen war da vorpro-grammiert.Wie zeigte sich seine Schwäche?Ich erfuhr etwa von einem em-pörten Augenzeugen, dass diepersönliche Garde des Präsiden-ten, die früher Iliescu beschützte,Schiessübungen auf das Porträt-bild von Constantinescu machte.Als ich ihn darauf ansprach, sagteer nur: «Was kann ich machen, soist das Land.»Nach 89 gab es in der Politik einpaar alte bürgerliche Ikonen derUnbestechlichkeit wie CorneliuCoposu. Heute sehen die Men-schen Politiker oft als Inbegriffder Korruption. Warum ist dieElitebildung so schwer?Es gibt keine Vorbilder mehr inder Politik. Ich sehe da eigentlichnur Monica Macovei. Das ist dereinzige Mensch in der rumäni-schen Politik, in dem ich michwiedererkenne. Doch im politi-schen Leben spielt sie eine peri-phere Rolle.

In Rumänien ist sie eine moralische Instanz: Die Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Ana Blandiana. Bilder Beat Mathys

«Unser Leid istunsere Mitgift.Leid und Schmerzsind auch Teildes Kulturguteseines Volkes.»

«Putin akzeptiertnicht, dass dieSowjetunionVergangenheit ist,er will das Imperiumwiederherstellen.»

Sie kandidiert am 2.Novemberimmerhin für die Präsident-schaft.Monica Macovei wäre perfektdafür, doch sie wird kaum eineChance haben. Meine Stimmeaber hat sie.Und nicht Regierungschef VictorPonta, der als Favorit gilt?Gott behüte. Im rechten Partei-enspektrum hat Klaus Johannis,der Bürgermeister von Sibiu, diebesten Chancen. Wenn man Pon-ta verhindern will, müssen sichdie anderen Parteien bei allenVorbehalten wohl auf ihn ver-ständigen. Der SiebenbürgerSachse gehört heute der Libera-len Partei an, die sich durch vielefragwürdige Kompromisse dis-kreditiert hat. Aber als Personkönnte Johannis ein ausgegliche-ner und ausgleichender Präsi-dent sein.Wenn es der 42-jährige Pontaaber doch schafft?Das Problem ist überall in derWelt das gleiche: Man soll nichteiner einzigen Person oder einereinzigen Partei zu viel Macht ge-ben, sonst erliegen diese der Ver-suchung. Das ist die Gefahr in Ru-mänien mit den Postkommunis-ten von Regierungschef Ponta. Erals Präsident und eine absolutePSD-Mehrheit im Parlament, dasbedeutet Diktatur. Es bedeutetdie Zerstörung des Rechtsstaa-tes. Gerade im Rechtsbereich hatman in den letzten Jahren einigeFortschritte gemacht, dank derfrüheren Justizministerin Ma-covei und dank dem abtretendenPräsidenten Traian Băsescu. Unddas gefällt vielen Politikern über-haupt nicht.Seit 1989 und seit den Iliescu-Jahren hat sich dennoch einiges

getan: Rumänien gehört seit2004 der Nato an und ist 2007der Europäischen Union bei-getreten.Unter Iliescu gab es Verbrechen,für die er verurteilt werdenmüsste, das ist klar. Jetzt spre-chen wir nicht mehr von Verbre-chen, sondern von Korruptionund neuen Formen der Manipu-lation. Doch die politische Klasseist erbärmlich, auch wenn gleich-zeitig das Mass an Gewalt gesun-ken ist. Zu Iliescus Zeiten gab esim Parlament immerhin noch et-wa zehn frühere politische Häft-linge, Menschen, die ich schätzte.Heute gibt es im Parlament kei-nen Einzigen, dem Respekt ge-bührt.Keinen Einzigen?Keinen Einzigen.Das Memorial in der Provinz-stadt Sighet, im Stalinismuseinst ein düsterer Kerker, wurdedurch Sie und Ihren Mann zumwichtigen Ort der Erinnerung inEuropa. Sie führen dort eineSommerakademie mit Wissen-schaftern und Studenten durch.So gesehen sind Sie eine öffent-liche Figur geblieben.Die Gedenkstätte ist aus meinerFrustration über die Politik ent-standen. Mir wurde klar, dassman bei der Erziehung beginnenmuss, um die Dinge wirklich zuändern. Wir müssen zuerst ein-mal wissen, wer wir sind. Das Me-morial weist deshalb nicht in dieVergangenheit, sondern in dieGegenwart.Wie macht man das konkret?Zum Beispiel sagt man immer«Maisbrei explodiert nicht», umden angeblichen rumänischenFatalismus zu illustrieren. DiePolen haben Solidarność, die Un-garn 1956 – und wir den Maisbrei.Dabei kam es im Stalinismus bis1962 in weit über hundert Dör-fern im ganzen Land zu Bauern-aufständen gegen die Kollektivie-rung der Landwirtschaft, diedurch Securitate-Einheiten bru-tal niedergeschlagen wurden. Esgab also durchaus einen realenWiderstand. Und wir, die wir dasschlicht nicht wussten, sagten:«Mamaliga explodiert nicht.»Nur mit einer Gedenkstätte wiedem Memorial in Sighet kannman heute die Spätfolgen desKommunismus erklären und zuverstehen lernen.Welche Bedeutung hat dasMemorial für Europa?Als ich unser Projekt beim Euro-parat vorstellte, erklärte ich es so:Wir wollen ein vereinigtes Euro-pa, aber wie können wir vereinigtsein, wenn sich immer alles nurum Wirtschaft und Politik dreht?Wir müssen auch die Obsessio-nen vereinigen. Unsere sind fun-damental anders als eure, ihrkennt uns überhaupt nicht. Un-ser Leid ist unsere Mitgift. Leidund Schmerz sind auch Teil desKulturgutes eines Volkes. Manmuss den anderen zuerst verste-hen, bevor man sich mit ihm ver-einigt.Können Sie da die Reserven derSchweiz gegenüber der EU ver-stehen?Ich kenne von meinen gelegent-lichen Aufenthalten als Autorinnur die idyllische Seite derSchweiz. Manchmal scheint mirdie Art riskant zu sein, wie sichdie Schweiz darauf versteift, sieselber bleiben zu wollen. DieMenschen sind bescheiden, sienehmen nur, was sie brauchen, sowie die Norweger. Dort war icheinmal mit Freunden beim Fi-schen. Sie fingen vier Fische,zwei assen wir, zwei warfen siezurück ins Wasser. So etwas ver-steht ein Rumäne nie.

Interview: Andreas Saurer

SCHRIFTSTELLERIN, DISSIDENTIN, BÜRGERRECHTLERIN

Die Tschechoslowakei hatteHavel, Polen Wałesa, undDeutschland hat Gauck. Rumä-nien aber hat Ana Blandiana.Zwar hat es die heute 72-Jährigeam 27.Dezember 1989 abge-lehnt, Vizepräsidentin zu wer-den. Ihre Unabhängigkeit zu be-wahren, war ihr auch zwei Tagenach der Hinrichtung von Dikta-tor Nicolae Ceaușescu wichtiger.In ihrer Heimat aber kennt jederdie populäre Schriftstellerin und

streitbare Bürgerrechtlerin. Sieist durch ihre Standhaftigkeit zurmoralischen Instanz geworden.Nach 1989 wurde sie beimAufbau der Zivilgesellschaft zueiner Schlüsselfigur.

Und fast jeder in RumänienkenntArpagic, jenenvon ihr1988in einem Kindergedicht erfunde-nen Kater, in dem sich DiktatorCeaușescu wiedererkannte undder ihr Publikationsverbot undandere Repressalien einbrachte.

Ana Blandiana, Diktator Ceaușescu und der Kater ArpagicAna Blandiana hat bisher über

30 Bücher veröffentlicht, ihre Ro-mane, Erzählungen und Gedich-te sind in 24 Sprachen übersetztworden. Bereits 1982 wurde siein Wien mit dem Herder-Preisausgezeichnet.

Im Gespräch erwähnt Blandia-na auch düsterste Dinge mit ei-nem entwaffnenden Lächeln. Siekennt die Repression im Real-sozialismus und die feinerenSpielarten der Manipulation im

Kapitalismus. Inzwischen ge-hört Rumänien seit 10 Jahren derNato an und ist 2007 EU-Mitgliedgeworden.

Ihre luzide Analyse der aktuel-len politischen Lage in Europaund in Rumänien, wo AnfangNovember Präsidentschaftswah-len stattfinden, unterbricht Blan-diana selbst immer wieder tem-peramentvoll durch Anekdotenaus ihrem Leben und durch Ex-kurse, die weit hinein in die Ge-

schichte und in die Seele ihresVolkes führen.

Im Rahmen der RumänischenKulturtage in Bern, die das Ru-mänische Kulturinstitut Berlin25 nach der Wende organisierthatte, war Blandiana kürzlich inder Schweiz. Geboten wurde inBern dabei mit elf Veranstaltun-gen an fünf Tagen ein neugierigmachender Querschnitt durchFilm, Musik, Folklore und Lite-ratur. asr

«WEG MIT DEM KOMMUNISMUS»

«1990 war für mich das absolutwahnsinnigste Jahr», sagt AnaBlandiana im Gespräch. Auf demUniversitätsplatz in Bukarestprotestierten in jenem Frühling

Hunderttausende gegen diePostkommunisten von Ion Ilies-cu und dessen Palastrevolte inder rumänischenHauptstadt.DieDemonstrierenden fühlten sich

um die Früchte des Volksauf-standes betrogen. In den Weih-nachtstagen 1989 waren beiKämpfen und Schiessereien über1100 Menschen gestorben. asr

1990: Grosskundgebungen auf dem Bukarester Universitätsplatz

Emanuel Parvu

NORDKOREA Wochenlangwar über sein Schicksal speku-liert worden – nun zeigte sichNordkoreas Führer nach länge-rer Abwesenheit wieder in derÖffentlichkeit.

Mit einem zufriedenen Grinseninspiziert ein offenbar gut ge-launter Kim Jong-un einen neugebauten Wohnkomplex für Wis-senschaftler in der nordkoreani-schen Hauptstadt Pyongyang.Neben Kim stehen seine wich-tigsten Berater, darunter HwangPyong-so, die faktische Nummerzwei in der Staatshierarchie. Derrund 30-jährige Kim stützt sichauf einen Stock. Gestern berich-tete die staatliche Nachrichten-agentur KCNA über seinen ers-ten öffentlichen Auftritt, nach-dem er sechs Wochen lang ausdem öffentlichen Leben ver-schwunden war.

Zwar kam es in der Vergangen-heit öfter vor, dass sich nordko-reanische Staatschefs längernicht in der Öffentlichkeit zeig-ten. Für Kim, der auch wichtigenpolitischen Treffen fernblieb,war das aber ungewöhnlich, da ersich zuvor beinahe täglich gezeigthatte. Seine lange Abwesenheithatte daher Gerüchte befeuert, ersei schwer krank oder gar ent-machtet worden.

Beobachter spekulierenDas Staatsmedium verlor wederein Wort über den Gesundheits-zustand des Machthabers nochüber dessen lange Abwesenheit.Es blieb ausserdem unklar, wann

er den Gebäudekomplex besuch-te, üblicherweise veröffentlichtKCNA derlei Meldungen aber amTag danach.

Kim gilt als starker Raucher,ausserdem nahm er jüngst deut-lich an Gewicht zu. Er soll unteranderem an Gicht, Diabetes undBluthochdruck leiden. DasStaatsfernsehen sprach in einemBericht Ende September von«Unwohlsein». «Es ist noch im-mer nicht klar, ob er sich davonerholt hat oder wie schwerwie-gend das war», sagte der Nordko-rea-Experte Kim Yeon-chul vonder südkoreanischen Universitätin Inje. Wichtig sei Pyongyangaber offenbar gewesen, der inter-nationalen Öffentlichkeit zu zei-gen, dass Kim das Land normalregiere. Andere Experten haltendas wochenlange Schweigen füreine Taktik dafür, internationalim Gespräch zu bleiben. sda

Kim Jong-un istwieder aufgetaucht

Wie krank ist er? Kim Jong-un zeigtsich der Öffentlichkeit. Keystone

UKRAINE

Orientierungnach WestenSechs Monate nach Beginn derOperation gegen prorussischeSeparatisten in der Ostukrainehat die Führung in Kiew die Wei-chen für einen weiteren West-kurs gestellt. Das Parlamentwählte den bisherigen Chef derNationalgarde, Stepan Poltorak,zum neuen Verteidigungsminis-ter. Zudem beschloss es eine Re-form der Staatsanwaltschaft undSchritte gegen die ausuferndeKorruption. sda

MEXIKO

Proteste gegenRegierungWütende Studenten haben immexikanischen BundesstaatGuerrero den örtlichen Regie-rungssitz in Brand gesteckt. Hun-derte Dozenten und Studentenforderten am Montag Klarheitüber das Schicksal von 43 Kom-militonen, die vor zwei Wochenin Guerrero von der Polizei ver-schleppt wurden und seitdemvermisst werden. sda

IRAN

Neue Gesprächezu AtomprogrammUnterhändler der sogenannten5+1-Gruppe aus den UNO-Veto-mächten und Deutschland sollenmorgen in Wien erneut mit demIran über sein umstrittenesAtomprogramm verhandeln. Esseien Gespräche in «kompakterund komprimierter, aber den-noch vollständiger Runde», sagteRusslands VizeaussenministerSergei Rjabkow gestern. Dem-nach soll auch die EuropäischeUnion vertreten sein. sda

USA

Sieben erschosseneKinder pro TagIn den USA werden durch-schnittlich jeden Tag sieben Kin-der und Jugendliche erschossen.Das geht aus einer neuen Studieder Organisation «Brady Cam-paign to Prevent Gun Violence»hervor, die für schärfere Waffen-gesetze kämpft. Einige der Opferwürden ermordet, andere wür-den versehentlich erschossenoder hätten sich selbst – gewolltoder ungewollt – tödliche Schüs-se zugefügt, heisst es in dem Re-port, der sich auf Zahlen aus demJahr 2011 stützt. sda

IRAK

Selbstmordattentatauf SchiitenIn der irakischen HauptstadtBagdad sind gestern bei zweiBombenanschlägen mindestens28 Menschen getötet worden.Das schwerste Attentat hättenUnbekannte abermals im schi-itischen Viertel Kadhimija ver-übt, teilten Polizei, Ärzte undVertreter des Parlamentes mit.Dort seien 25 Menschen ums Le-ben gekommen. Unter ihnen seiein Parlamentsabgeordneter. sda

FRANKREICH

Nur noch 50 ProzentAtomstromDas Energiewendegesetz der so-zialistischen Regierung, das eineReduzierung des Atomstromsvorsieht, hat gestern die ersteHürde genommen. Die franzö-sische Nationalversammlungstimmte in erster Lesung klarfür die Vorlage. Sie geht nun inden Senat. Kern des Gesetzes istdie Senkung des Anteils derAtomkraft an der Stromproduk-tion von derzeit 75 auf 50 Prozentim Jahr 2025. sda

InKürze

HONGKONG Bei den pro-demokratischen Protesten hatdie Polizei gestern in grösse-rem Stil mehrere Barrikadender Demonstranten weg-geräumt.

Die Hongkonger Polizei hat ges-tern Morgen damit begonnen,Zelte von Demonstranten aufLastwagen zu laden, welche eineSpur der Verkehrsader Queens-way blockierten. In der Nacht er-richtete Sperren aus Bambus undHolzpaletten wurden mit Ket-tensägen zerlegt und wegge-schafft. Die Fahrspur nach Wes-ten war damit erstmals wiederfür den Verkehr frei.

Der Hauptprotestort in Admi-ralty, wo Strassen nahe des Regie-

rungssitzes mit Zelten und Sper-ren besetzt sind, wurde abernicht geräumt. «Wir werden unsnicht zurückziehen», sagte Stu-dentenführer Alex Chow.

Protestgegner mischen mitDie Proteste in der früheren bri-tischen Kronkolonie dauern seitmehr als zwei Wochen an. Mitt-lerweile machen auch Protest-gegner mobil, die hinter der Re-gierung und Peking stehen. AmVortag gab es gewaltsame Ausein-andersetzungen zwischen ver-mummten Protestgegnern undfriedlichen Demonstranten. Poli-tische Bemühungen zur Lösungder bislang grössten Krise in derchinesischen Sonderverwaltungs-region sind nicht in Sicht. sda

Hongkonger Polizeiräumt Protestlager

BARCELONA Anstelle des un-tersagten Unabhängigkeitsre-ferendums will Katalonien sei-ne Bürger in einer nicht bin-denden Abstimmung zur Los-lösung von Spanien befragen.

«Es wird Wahllokale, Urnen undStimmzettel geben», kündigteder katalanische Ministerpräsi-dent Artur Mas gestern in Barce-lona an. Das Ergebnis der «alter-nativen Abstimmung» am 9. No-vember werde allerdings nichtdefinitiv sein. Vielmehr solle dasVotum den Weg zu Neuwahlenmit plebiszitärem Charakter frei-machen.

Mas hatte am Vorabend beieinem Treffen mit katalanischenParteiführern seinen Verzichtauf das Referendum bekannt ge-

geben. Er begründete dies damit,dass die rechtlichen Vorausset-zungen nicht gegeben seien. Diespanische Zentralregierung hat-te Verfassungsklage gegen dasReferendum erhoben. Madridhatte stets argumentiert, dassnur das gesamte spanische Volküber eine Loslösung Kataloniensentscheiden könne.

«Die katalanische Regierungmacht keinen Rückzieher», er-klärte Mas. Bei der alternativenAbstimmung sollten den Katala-nen dieselben Fragen gestelltwerden wie beim ursprünglichgeplanten Referendum, dieRechtsgrundlage werde aber eineandere sein. Die spanische Regie-rung erwägt, die Abstimmungebenfalls vor dem Verfassungs-gericht anfechten zu lassen. sda

Kein Referendum, abertrotzdem eine Abstimmung

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