RAD Forum 2017 - SVA Aargau · RAD Forum 2017 Ressourcenorientierte Eingliederung junger...

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RAD Forum 2017 Ressourcenorientierte Eingliederung

junger Versicherter

Astrid Palca & Eveline Chironi

Ressourcenorientierte Eingliederung junger Versicherter

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Vortragsinhalte Eingliederungsauftrag und

Eingliederungsmassnahmen der IV Lebensabschnitt Jugendalter: Biologische,

psychologische und systemische Faktoren der Entwicklung

Fallbeispiel: Herausforderungen in der nachhaltigen Integration von Jugendlichen

Die IV als Integrationsversicherung für Jugendliche und junge Erwachsene

Als Beitrag zur sozialen Sicherheit richtet die Invalidenversicherung ihr Handeln konsequent auf die Eingliederung und damit auch auf die aktuelle und künftige Existenzsicherung junger Menschen aus

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Professionalisierte Integrationsprozesse für Jugendliche/junge Erwachsene helfen:

Informationen an Fachpersonen vermitteln und

Unterstützungsbedarf zur Prävention von Jugendarbeitslosigkeit und Verlust von Tagesstruktur und Arbeitssozialisierung früh erfassen und zu steuern

Chronifizierung durch zu frühe Berentung mittels Einsatz von gezielt geführten Eingliederungsmassnahmen vermeiden

Eingliederungsmassnahmen haben zum Ziel, Renten zu vermeiden oder zu reduzieren oder wieder aufzuheben

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Interdisziplinäres Eingliederungsteam

Früherfassung (Erstberatung/Anspruchsklärung) Sachbearbeitung Leistungen (Anspruchsklärung

bei Sonderschule) Berufsberatung (Integrationsmassnahmen und

Berufliche Massnahmen) RAD-Ärzte (Fachdienst: Bestimmung der

funktionellen Einschränkungen/med. Belastungsprofil)

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Anspruchsvoraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene

Vorliegen eines somatischen und/oder

psychischen und/oder geistigen Gesundheitsschadens

kausaler Zusammenhang zur funktionellen Einschränkung in Schule und Beruf (Erwerbstätigkeit) oder der Berufswahl gegeben

Versicherungsmässige Voraussetzungen erfüllt

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Wer sind nun unsere jungen Versicherten?

Jugendliche mit klarer Diagnose nach ICD-10 und Funktionseinschränkungen in Schule/Ausbildung zeigen

Jugendliche, die überwiegend wahrscheinlich nach ICD-10 erkranken werden (klare Verhaltensabweichungen, aber noch keine sichere Diagnose) und Funktionseinschränkungen in Schule und Beruf zeigen

Jugendliche, die unter Umständen passagere Symptome/wesentliche Funktionseinschränkungen in Schule/Ausbildung zeigen oder gezeigt haben, aber ungünstige Umfeldfaktoren eine Genesung schwierig machen

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Zusammenarbeit mit dem regionalen ärztlichen Dienst RAD

Medizinisches Profil: Diagnose, respektive gesundheitsbedingte Funktionseinschränkungen und ihre Auswirkungen auf Berufswahl/Ausbildung/Beruf, Arbeitsfähigkeit der bisherigen und angepassten Tätigkeit, in Berücksichtigung der Krankheitsentwicklung, aber auch der Zumutbarkeit und der Gefahren Auflagen In Absprache (z.B. Abstinenz oder Therapieauflagen)

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Eingliederungsmassnahmen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Beratung und Information

Eingliederungs- massnahmen

Medizinische Massnahmen

Integrations- massnahmen

Massnahmen beruflicher Art

Berufsberatung Art. 15

Erstmalige Berufliche Aus.

Art.16 Umschulung

Art. 17 Arbeitsvermittl.

Art. 18

Abgabe von Hilfsmitteln

Frühintervention

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Exkurs: Erstmalige berufliche Massnahmen gemäss IVG Art. 15 Berufsberatung Versicherte, die infolge Invalidität in der Berufswahl oder in der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit behindert sind, haben Anspruch auf Berufsberatung. Unter diesen Artikel fallen auch berufliche Abklärungsmassnahmen. Art. 16 Erstmalige berufliche Ausbildung ebA Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen Ausbildung im wesentlichen Umfange zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern diese Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Die IV gewährt Beiträge an die invaliditätsbedingten Mehrkosten.

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Aufgaben der Eltern

Das Gewährleisten einer Ausbildung ist primär elterliche Pflicht:

Die Eltern haben dem Kind, insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen (Art. 302 ZGB)

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Berufsberatung der Invalidenversicherung

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Kernaufgaben der Eingliederung in der Berufsberatung Individuelle Beratung und Unterstützung in Berufswahl-,

Ausbildungs- und Umschulungsfragen, Potentialabklärungen

Erarbeiten von Entscheidungsgrundlagen für berufliche Massnahmen und weitere Leistungen der IV

Klassenbesprechungen und Einzelberatungen in Zusammenarbeit mit den Eltern und den beteiligten Sonderschulen

Mithilfe bei der Realisierung von beruflichen Ausbildungen nach der Sonderschulung

Fachliche und organisatorische Überwachung der Ausbildungsmassnahmen

Übergänge in die Erwerbstätigkeit absichern

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Eingliederung Junger Menschen durch die IV

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Ausbildungsformen

IV-Anlehren oder praktische Ausbildung im geschützten Rahmen

INSOS-PrA-Ausbildung Abschluss Grundausbildung:

Berufliche Grundbildung mit Attest (EBA) oder mit eidg. Fähigkeitsausweis (EFZ) in der freien Wirtschaft oder im geschützten Rahmen

Mittelschule, Studium

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Gesundheitsschaden und Funktion

Gute Integrationsfähigkeit

Integration gefährdet

Integration gefährdet

Integration deutlich erschwert oder nicht möglich

Intelligenz

Verhaltensauffälligkeit

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Austausch / Anfragen

Hotline der IV-Berufsberatung 062 837 86 29

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Jugendalter

Dr. Astrid Palca & Eveline Chironi

IV-relevanter Gesundheitsschaden?

zickig

ist bekifft

vergisst alles

fordernd

verletzt sich

schwänzt

frech faul

aggressiv

übertreibt

chaotisch

klaut

launisch

schlägt zu

unzuverlässig traurig

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Jugendsprache

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Pubertät als Lebensphase

• Biologische Prozesse: - Veränderung der Hirnstruktur - Hormonelle Veränderungen - Weiterentwicklung der Psyche Achtung: Wegen wichtiger Bauarbeiten kommt es vorübergehend zu Unannehmlichkeiten => Risiko «Fehlentwicklung ausserhalb der Norm»

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Herausforderungen in der Entwicklung des Jugendalters

Abb. Prof. A. Michaud, 11.05.2017

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Hirnentwicklung in der Pubertät

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Risiken/Krankheiten in der Adoleszenz

Suchterkrankung Essstörungen ADHS/ADS Depression => Suizid Angststörungen Zwangsstörungen Entwicklung Persönlichkeitsstörungen Schizophrenie Impulskontrollstörungen/ gesteigertes Risikoverhalten

(Selbstverletzungen, Stehlen, Kaufsucht usw.) 24

IV-relevanter Gesundheitsschaden?

Symptomentwicklung/Funktionseinschränkungen Beispiel «antriebsarm» (= Mangel an Energie, Initiative, Interesse)

Schwelle

gemütlich/faul antriebsarm/antriebslos/Stupor

Symptom => Syndrom => Diagnose (ICD-10)

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Risikofaktoren psych. Gesundheit

Erschwerte Lebenslage

Armut

Migration

Suchtab-hängigkeit der Eltern

Verlust naher

Angehöriger

Arbeitslosigkeit der Eltern

Gewalt

Schwere Erkrankung

in der Familie

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Resilienzfaktoren

Faktoren, die

Resilienz fördern

Familie, Eltern

Geschwister Grosseltern

Schule

Intelligenz

Emotionale Intelligenz

Kultur

Aktive Einstellung

zu Problemen

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Resilienzfaktoren

Ebene der Person Intelligenz Emotionale/soziale Kompetenzen Wertehaltung/aktive (positive) Einstellung

gegenüber Problemen Selbstwirksamkeitserwartung hoch

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Resilienzfaktoren

Ebene der Familie Pos. Familienklima/sichere Bindung und

positive Beziehung zu einer Elternperson/ Guter sozio-oekonomischer Status

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Resilienzfaktoren

Ebene der sozialen Umgebung Gute Beziehung zu einer erwachsenen Person

ausserhalb der Kernfamilie Kontakt zu sozialen Gruppen Gute Schulqualität und positives Schulklima

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Förderung der Ressourcen bei Jugendlichen und entsprechende Unterstützungsmassnahmen Schaffen und stützen eines zuverlässigen Umfeldes

und verbindliches sozialen Netzes (z.B. betreutes Wohnen)

Beistand und/oder Therapeutenbeziehung als stützende Massnahme

Stärkung von Selbstwirksamkeitserwartungen im Rahmen der Berufsausbildung

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Fallbeispiel

Dr. Astrid Palca & Eveline Chironi

Fallvignette / Praxisbeispiel: N.T.D. weiblich 21 Jahre IV-Anmeldung 10 / 2013 durch Sozialdienst der Gemeinde initiiert

Biographie: Mutter Philippinin Vater Holländer (früh verstorben; Diabetes, Alkoholiker) - bis zum 9. Lebensjahr in den Niederlanden gelebt - Übersiedlung in die Schweiz, zum neuen Lebenspartner der Mutter - Grosse Schwierigkeiten in Pubertät und Adoleszenz mit

vorübergehender Heimplatzierung/Probleme in der Beziehung zur Mutter

- Beistandschaft eingerichtet - Schulleistungen ab 12./13. Lebensjahr verschlechtert, Beginn mit

Cannabiskonsum 14./15. Lebensjahr

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Ausbildung

Primarschule Besuch in den Niederlanden und der Schweiz, gute Schülerin

Realschule: Leistungen wechselnd, später verschlechtert 10. Schuljahr, Abbruch Mehrere Institutionen durchlaufen für Beschäftigung und

Tagesstruktur Beginn beruflicher Massnahmen durch IV ab 2014,

Vorbereitung auf ebA bis 07/2015: Aufbautraining → Ganztagespensum

Beginn erstmalige berufliche Ausbildung (ebA) als Köchin EFZ ab 09/2015

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Herausforderungen für die Eingliederung

Psychischer Gesundheitsschaden, komplexe Problematik,

trotzdem zurückhaltende Diagnosestellung Substanzabusus: Alkohol (früher Beginn), Cannabis (Abstinenz

trotz Auflage schwierig) Delinquenz: im Verlauf der ebA wurde die Versicherte von der

Jugendstaatsanwalt-schaft verurteilt, angedrohte Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer Therapie ausgesetzt

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Herausforderungen für die Eingliederung

Zusammenarbeit verschiedener Institutionen notwendig:

Jugendstaatsanwaltschaft, Bewährungshilfe Forensische Psychiatrie IV-Stelle Weitere behandelnde Ärzte Wohnbegleitung Ausbildungsinstitution

Enge Begleitung durch IV – BB nach regelmässigen Besprechungen mit RAD

Seit 02/2017 neue Diagnose: Epilepsie

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Ressourcen

Sehr gute Intelligenz, überdurchschnittlicher IQ Motivation zur Arbeit / Selbständigkeit Arbeitet gut Gute Berufseignung als Köchin Grundsätzlich gute Durchhaltefähigkeit, Ganztagespensum

konnte jeweils in den Institutionen schnell erreicht werden Wohlwollendes, unterstützendes Umfeld: Institutionen,

Therapeuten, Wohnbegleitung

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Take Home Message Für die Eingliederung junger Versicherter ist wichtig

Individuelle und professionelle Beurteilung Geduld, Zeit Zuversicht, positive Grundhaltung, Entwicklungsoptimismus Ressourcen Interdisziplinäre Zusammenarbeit (intern, extern) Professionell ausgestattete Schulen und Ausbildungsstellen

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Fragen?

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