Post on 19-Feb-2017
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Medikations-Check up 60+ Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)
Ferdinand M. Gerlach, Christiane Muth, Martin Beyer
Klinische Entscheidungsunterstützung
AMTS: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
- Bei 6,5% aller Krankenhauseinweisungen, davon 2% tödlich; Kosten für D: 400 Mio. € / Jahr1,2
- Ältere (≥ 70 J.) 5 x so häufig betroffen wie Jüngere (≤3 0 J.)2; Verdopplung von 1995 bis 2005 (USA)3
- Etwa 50% der Fälle vermeidbar2,4, davon:~60% Fehler beim Verschreiben, ~20% mangelnde Adhärenz5,6
- Weitere potentiell negative Folgen für Betroffene:- ↓ : Lebensqualität, kognitive und physische Funktionalität, Aktivität
und Teilhabe- ↑ : Stürze, Heimunterbringung
[1] Davies EC et al. (2009) PLoS One; 4 (2): e4439; [2] Schneeweiss S et al. (2002) Eur J ClinPharmacol; 58 (4): 285-291; [3] Bourgeois FT et al. (2010) Pharmacoepidemiol Drug Saf; 19:901–910 ; [4] Pirmohamed M et al. (2004) BMJ; 329 (7456): 15-19; [5] Gurwitz JH, et al. (2005) Am J Med; 118 (3): 251-258; [6] Col N et al. (1990) Arch Intern Med; 150 (4): 841-845
Klinische Entscheidungsunterstützung
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Uijen & van de LisdonkBritt et al.van den Akker et al.
Multimorbidität und Multimedikation
DDD
DD
D
Präv
. (%
)
Alter (J.)
Prävalenzstudien
Eigene Darstellung, Daten aus: Fortin et al; Ann Fam Med 2012 Mar;10(2):142-51;GKV-Verordnungsreport, 2011
Klinische Entscheidungsunterstützung
Problemanalyse in der Hausarztpraxis:Fehler beim Verschreiben
Querschnittstudie: 18 Praxen, N=169 PatientenØ 74 Jahre, Ø 8 (5 bis 16) Medikamente1
1. Arzneimittelinteraktionen: 25% der Patienten2. Unangemessene Dosierungen: 23% der Patienten3. Gegenanzeigen nicht beachtet: 15% der Patienten4. Potentiell unangemessene Verordnungen
(PIMs, nach „Beers-Liste“): 21% der Patienten
[1] Muth et al. (2008) Z Allg Med;84:15
Klinische Entscheidungsunterstützung
1. Verordnet, aber nicht eingenommen: 64% Pat. (1 – 9 VO/ Pat.)2. Dosierung gesenkt: 43% (1 – 4 VO/Patient)3. Dosierung erhöht: 39% (1 – 5 VO/Patient)4. Dosierungsintervalle verändert: 43% (1 – 5)5. Einnahmen ohne Wissen des Hausarztes: 48% (1 – 17)Σ 96% Patienten mind. 1 Abweichung, Ø 5 Abw./ Patient (max. 25)
Unter den „Top 10“: Kardiaka inkl. Antiarrhythmika, Analgetika, Sympathomimetika,Antidiabetika, Psychopharmaka (z.B. Antidepressiva)
Problemanalyse in der Hausarztpraxis:Adhärenz
[1] Muth et al. (2008) Z Allg Med;84:15
Klinische Entscheidungsunterstützung
♀, 79 Jahre,5 Erkrankungen, Therapie nach zutreffenden Leitlinien
9 Arzneimittel-Wechselwirkungen 5 Gegenanzeigen 8 Interaktionen
mit Nahrungs-mitteln
Boyd et al. JAMA 2005;294:716-724
Klinische Entscheidungsunterstützung
Arzneimittel-Wechselwirkungen Gegenanzeigen
Eigene systematische Untersuchung an 48 Leitlinien zu chronischer Herzinsuffizienz und 18 häufigsten Komorbiditäten:Interaktions-Matrix
Muth et al. J Clin Epidemiol 2014; 67:1242-1250.
Klinische Entscheidungsunterstützung
Daten aus Muth et al. J Clin Epidemiol 2014; 67:1242-1250
Matrix: 195 klinisch relevante Interaktionen
Klinische Entscheidungsunterstützung
Weitere internationale Partner: Prof. Paul P Glasziou (Bond University, AUS), Prof. André Knottnerus(Maastricht University, NL), Prof. Rafael Perera (Oxford University, UK), Prof. Jose Valderas Martinez (University of Exeter, UK) sowie weitere in den Niederlanden, Irland, Spanien und Italien
Klinische Entscheidungsunterstützung
Wirksamkeit von Interventionen
Patterson et al. (2014) Interventions to improve the appropriateuse of polypharmacy for older people. 12 Studien eingeschlossen, (11/12 komplexe Interventionen); keine signifikanten Effekte auf klinisch relevante Endpunkte1
Positive Effekte auf Prozessparameter:- Brown Bag Review Ausgangssituation, Adhärenz1-4
- Computerized Decision Support Systems Verschreibungsqualität5-8
- Vorbereitende Gespräche durch medizinisches Assistenzpersonal Adhärenz9
- [Einbeziehung von Apothekern: positive Effekte bei etablierter Beziehung zwischen Arzt und Apotheker] 1,10-11
[1-11] Literatur auf Anfrage
Klinische Entscheidungsunterstützung
Die *-Strategie
*PRIorisierung von MUltimedikation bei Multimorbidität
Medikationsanamnese durch MFA:• Medikationsbezogene Probleme anhand
Checkliste (MedikationsMonitoringListe)• Vom Patienten eingenommene Medikamente
(brown bag review)
Priorisierung und Optimierung des Medikationsplans:
• Computerassistierte (AID) Überprüfung der Medikation durch den Hausarzt
• Abstimmung des neuen Medikationsplans in der Arzt-Patient-Konsultation
Klinische Entscheidungsunterstützung
Evidenzbasiert Beruht auf der
Grundlage von Schlüsselprinzipien zur Versorgung multimorbider Patienten (Ariadne)1
[1] Muth et al. BMC Med 2014; 12:223
Die *-Strategie
Klinische Entscheidungsunterstützung
Evidenzbasiert Beruht auf der
Grundlage von Schlüsselprinzipien zur Versorgung multimorbider Patienten (Ariadne)1
Adressiert den gesamten Medikationsprozess1
PatientenkontaktBestandsaufnahme
Stadium 2: Kommunikation
Stadium 3:Ausgabe
Stadium 4:Einnahme
Stadium 5:Monitoring
Stadium 1: Verschreiben
MediMoLBrown bag review
AiD+
Vorgespräch der MFAArzt-Patient-Konsult.
AiD+
MediMoL
(Wiederholte Intervention)
[1] mod. nach Bain KT et al. (2008) J Am Geriatr Soc 56:1946–1952
Die *-Strategie
Klinische Entscheidungsunterstützung
Pilotstudie (N=20 Praxen, N=100 Pat.): Intervention ist machbar, positive Erfahrungen bei Hausärzten, Patienten, MFA; Barrieren:- Zeitaufwand: Hausärzte Ø-lich 35 min./Pat., MFA Ø-lich 45 min./Pat. - Fehlende Integration von AiD in Praxis-Software
Hauptstudie (Cluster-RCT in 72 Praxen, N=505 Pat., Zufallsstichprobe), Alter: Median 72 (IQR: 67-77) [max. 97] Jahre; Anzahl VO/Pat.: Median 8 (IQR 6-9) [max. 19] primärer Endpunkt: Angemessenheit der Verschreibung –Differenz im Medication Appropriateness Index (MAI) 6 Monate zur Baseline (T1-T0) zu wenige „interventionsbedürftige“ Patienten!
Zentrale -Ergebnisse
Klinische Entscheidungsunterstützung
„Medikations-Check up 60+“ – Ziele und Vorgehen
Population Patienten in
Hausarztpraxis
Ältere Patienten mit Multimorbidität & Multimedikation
Ältere Patienten mit
Multimorbidität &
Multimedikation unter Risiko
1. Targeting: Identifikation von Pat. mit Multimorbidität unter Risiko für negative gesundheitliche Outcomesdurch unange-messeneMultimedikation: multivariate prognostische Modelle an Primärdaten (PRIMUM) und Sekundärdaten (TK-Versichertendaten)
2. Prospektive Barrierenanalyse für zielgerichtete Intervention Prozessevaluation PRIMUM Fokusgruppendiskussion
Klinische Entscheidungsunterstützung
Aus Vorprojekten gelernt
1. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Maßnahmen zur Verbesserung der AMTS bei Multimedikation sind nicht trivial.
2. Komplexität der Patienten/Entscheidungen erfordert Maßnahmenbündel (komplexe Intervention) mit Adressierung des gesamten Medikationsprozesses(zeit- und ressourcenaufwändig!)
3. Praxistaugliche Maßnahmen zur Ver-besserung der AMTS müssen systematisch entwickelt, evaluiert und gezielt bei Risikopatienten eingesetzt werden.