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Das Themenmagazin von Ketchum Pleon | Januar 2014
Love it, change it, leave it
Inspire #05
Schwerpunkt Change-Kommunikation
SCHWERPUNKT CHANGE
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
erinnern Sie sich noch an die Megadeals der 90er-Jahre, wie beispielsweise
ThyssenKrupp, Vodafone/Mannesmann oder ExxonMobil, die ganze Bran-
chen umkrempelten? Derartige Fusionen, M&As oder auch Produktions-
verlagerungen waren lange Zeit der klassische Auslöser für Projekte der
Change-Kommunikation. In den letzten Jahren sind neue Themen für die
Veränderungskommunikation hinzugekommen, denn im digitalen Wandel
stoßen viele Unternehmensstrukturen und -kulturen an ihre Grenzen und
müssen sich einer selbstverordneten Verjüngungskur unterziehen.
Die Change-Kommunikation war schon immer ein Feld für Kommunikatoren
mit Fingerspitzengefühl. Und mit Visionen. Zunächst gilt es – wie auch der
Titel „Love it, change it, leave it“ unserer Ausgabe betont –, die Notwendig-
keit zu erkennen und aus der Passivhaltung auszubrechen, die in vielen
Unternehmen vorherrscht. Im zweiten Schritt geht es darum, nicht nur ein
ambitioniertes Team zu finden und einzuschwören, sondern ganze
Mitarbeiter scharen auf einen längeren und nicht immer bequemen Wandel-
pfad mitzunehmen. Gerade bei alteingesessenen Mitarbeiterteams eine
spannende Herausforderung. Mehr denn je ist es wichtig, nicht nur Prozesse
und Informationskaskaden zu planen, sondern eine neue unternehmerische
Haltung einzunehmen und eine Vision von der Veränderung zu schaffen.
Wie das funktionieren kann, erzählen unsere Autoren in der fünften Aus-
gabe unseres Inspire-Magazins. Nach einem Überblick über die klassische
Change-Kommunikation und ihre Herausforderungen widmen wir uns ein-
zelnen Aspekten, wie zum Beispiel dem Storytelling für Change-Projekte
oder den misstrauisch beäugten Millennials. Das Thema Leadership wird
eine besonders wichtige Rolle spielen, denn Change ohne Leadership funk-
tioniert nicht (mehr). Ganz gemäß dem Motto: Wer etwas ändern will, muss
den Mut haben, vorauszugehen.
Ihr Team von Ketchum Pleon
PS: Die digitale Version des Magazins finden Sie auf unserem Blog
www.kpg-blog.de
2 //
INHALT
4 Hausmittel gegen den Change-Blues Müde und abgeschlagen, sobald die nächste Veränderung im Unternehmen kommuniziert wird? Diese Tipps helfen.
6 Treiber des Wandels Verschiedene Change-Typen halten uns in Trab: der Versuch einer Systematisierung.
8 Die Leidtbild-DebatteLeitbilder sind berühmt und berüchtigt. Warum sie jedoch mehr können als oft unterstellt, verrät dieser Artikel.
10 Unternehmen sind keine Märchenonkel Warum Veränderungskommunikation von einer starken Geschichte und echten Emotionen profitiert.
12 14
Achtung, Millennials!Verändert eine neue Generation die Arbeitswelt? Ein Blick auf die jungen Wilden.
Und – wofür stehen Sie? Themenzentrierte Führung macht den Gedanken des Agenda-Settings für die eigene Leadershiparbeit nutzbar.
16 Der Kunde am Schreibtisch neben mir Wenn Kunden auf einmal einen zentralen Part bei der Produktentwicklung spielen, entstehen Ängste – und Chancen.
18 The Wizard of MarCom Zwischen Kundenkontakt und Prozess-optimierung. Ein Ausflug in die wundersame Welt des Marketings.
20 Das richtige Tempo Interview mit Prof. Joachim Klewes über Regatten, Schnelligkeit und die Kunst, auch mal Nein zu sagen.
22 Position beziehenVerstecken gilt nicht mehr. Mitarbeiter und Öffentlichkeit erwarten eine Meinung. Und Entscheidungen.
// 3
Alles im Wandel, alles im Fluss … Gebetsmühlenartig wiederholen
Unternehmen das Change-Mantra und lösen dauerhaften Vollalarm
aus: „Wir müssen uns an die Märkte anpassen! Die Kunden noch
besser bedienen! Ein neues Geschäftsmodell entwickeln! Und end-
lich die IT konsolidieren!“ So ruft es das Management regelmäßig in
die Organisation hinein – aber als Reaktion erntet es allenfalls ein
müdes Schulterzucken. Zugegeben, die Liste von einst erfolgreichen
Unternehmen, die quasi über Nacht vom Markt verschwinden, ist
lang. Und die Marktführer verteidigen ihre Position gewiss nicht,
indem sie sich zufrieden zurücklehnen. Aber wer sein Allheilmittel
im Aktionismus sucht, führt die Organisation zielsicher in einen
Zustand des kollektiven Burn-outs. Lähmung statt der erhofften
Bewegung ist die Folge. Gegen chronische Organisationserschöp-
fung gibt es zwar kein Allheilmittel, aber einige wirkungsvolle Wach-
macher, die nur richtig dosiert werden müssen.
Hausmittel Nummer 1: das Kernteam. Sorgt für Klarheit.
Das Top-Management hat sein Commitment für die geplante
Change-Initiative zugesichert? Dumm nur, dass die meisten Mit-
arbeiter die Botschaften ihres CEO zwar zur Kenntnis, sie sich aber
nicht zu Herzen nehmen. Sie orientieren sich vielmehr an den Aus-
sagen und am Verhalten ihrer direkten Vorgesetzten. Noch wichtiger
sind für sie die internen Netzwerker: Kollegen, die gut verdrahtet
sind und bereichsübergreifend Respekt genießen. Klar im Vorteil ist,
wer diese Schlüsselfiguren jeder Change-Initiative in sein Kernteam
aufnimmt. Sie bringen nicht nur die erforderliche Überzeugungskraft
mit, sondern sorgen zusätzlich für eine interdisziplinäre Aufstellung.
Bevor es mit seiner Arbeit loslegt, sollte das Kernteam zunächst
einen offenen Dialog über grundlegende Projektziele und -inhalte
führen. Klingt zunächst banal, ist aber ausgesprochen wichtig.
Wie wichtig, zeigt der folgende Test: Bitten Sie die Mitglieder
Ihres Projektteams, zwei Fragen jeweils in einem Satz zu beant-
worten: „Was machen wir in unserem Projekt?“ „Warum machen
wir das?“ In den meisten Fällen werden Sie auf die gleichen
Fragen viele verschiedene Antworten erhalten. Unsere Erfahrung
zeigt: Ein professionell aufgesetzter Alignment-Dialog im Kernteam –
ob im Rahmen eines Workshops oder per Einzelinterviews – ist
notwendig, um die Stimmen der wichtigsten Multiplikatoren-
DER CHANGE-BLUES Müde? Abgeschlagen? Antriebslos? Vier Hausmittel gegen die Corporate-Krankheit des Jahrzehnts.
CHANGE-bLUES
Gruppe zu orchestrieren. Nur so entsteht eine einheitliche Vision
des Wandels, die sich über Teilprojekte, Funktionen und Regionen
hinweg kommunizieren lässt.
Hausmittel Nummer 2: informelle Information. Schafft virale Effekte.
Das Kernteam steht und hat Klarheit über seine Ziele? Dann sollte es
jetzt in einem nächsten Schritt darum gehen, das Konzept auf die
Straße zu bringen. Zeit für einen echten Change-Klassiker, die Kom-
munikationskaskade – oder? Wer seine Führungskräfte dazu anhält,
die Kernbotschaften vom Top-Management abwärts auf die nächste
Hierarchiestufe zu vermitteln, muss sich über Lähmungserscheinun-
gen nicht wundern: Relevante Informationen dringen, wenn über-
haupt, nur verzögert bis zur Basis durch. In den meisten Fällen ist
das mittlere Management schlicht damit überfordert, strategische
Initiativen in einen Kontext zu betten oder sogar den Beitrag des
eigenen Teams abzuleiten.
Die Alternative? Virale Effekte und der „Spread the Word“-Mechanis-
mus. Auch hierfür lohnt es sich, ein gut verdrahtetes, erweitertes
Kernteam an der Hand zu haben, das glaubwürdig für Ideen eintritt.
Die Mitglieder können so jenseits langer Workshop-Schleifen und
Training-Sessions den Diskurs eröffnen, sei es über das Gespräch
auf Fluren, in der Kaffeeküche oder bei Firmenfeiern. Auf informel-
lem Wege werden so eigene Erlebnisse geteilt und glaubwürdige
Erfolgsgeschichten verbreitet. Hinter allen Erzählungen muss nur
immer die eine konsistente Kernbotschaft des angestrebten Wandels
durchscheinen: Was soll am Ende herauskommen? Wie sieht der
Weg dorthin aus? Was wird vom Einzelnen erwartet?
Hausmittel Nummer 3: digitaler Dialog. Aktiviert Mitmachkräfte.
Ein weiterer Tipp gegen die Change-Schlappheit: Wer mitmachen
darf, schläft weniger schnell ein. Um ihre Mitarbeiter einzubinden,
können Unternehmen heute auf vielfältige digitale Kommunikations-
instrumente zurückgreifen. Die Belegschaft kann sich darüber in
Echtzeit zu den Veränderungsthemen austauschen und aktiv mit den
Projektinhalten auseinandersetzen. Eine Möglichkeit hierfür sind
zum Beispiel interaktive Comic-Geschichten, die neue Verhaltens-
weisen einordnen: Ein Protagonist durchlebt im Unternehmen Her-
ausforderungen, die er nur bewältigt, wenn er seine Denk- und
Handlungsmuster anpasst. Die Mitarbeiter können regelmäßig
abstimmen, wie die Geschichte fortgeführt wird. Eine Kommentar-
funktion ermöglicht es ihnen darüber hinaus, den Verlauf zu diskutie-
ren. Bei Nokia Siemens Networks wurde der Learning Comic zum
Beispiel erfolgreich an eine interne Qualitätskampagne geknüpft.
Eine weitere Alternative, die die Veränderungsbereitschaft einzelner
Mitarbeiter auf den Prüfstand stellt, ist die Onlinesimulation von
erfolgskritischen Entscheidungsszenarien. Die Teilnehmer können
hier aus verschiedenen Alternativen auswählen, etwa welche Hand-
lungsoption einem neu definierten Leitbild entspricht. Zur gewählten
Alternative und zu möglichen Auswirkungen erhalten die Mitarbeiter
direktes Feedback.
Hausmittel Nummer 4: Projekt-Pit-Stops. Beugt Beschwerden vor.
Unternehmen sollten jeweils prüfen, inwieweit welche Formate der
eigenen Kultur entsprechen. Aber sie sollten auch bereit sein, mit
Interaktion zu experimentieren. Oft wird die Teilnahmebereitschaft
der Mitarbeiter unterschätzt. Dagegen befreit man die Belegschaft
mit dem x-ten Workshop oder Großgruppen-Event kaum aus ihrer
Change-Müdigkeit. Das Kernteam braucht hier unbedingt Rückende-
ckung durch das Top-Management, wenn es den Change-Prozess so
abwechslungsreich und flexibel wie möglich gestalten möchte.
Gerade diese hohe Anpassungsfähigkeit sicherzustellen, gehört zu
den größten Herausforderungen. Je weiter der Prozess voranschrei-
tet, desto mehr wird das Kernteam mit Unwägbarkeiten und Überra-
schungen konfrontiert, die wieder neue Schritte erfordern. Daher
ist es zu empfehlen, regelmäßige Pit-Stops durchzuführen, um zu
reflektieren: Sind wir noch in der Spur? Wo laufen wir Gefahr, uns zu
verzetteln? Wo kommen wir einfach nicht weiter – aber auch: Was
haben wir schon erreicht und können wir es kommunizieren?
Genauso wichtig wie ein guter Start ist der erfolgreiche Abschluss
eines Change-Projekts, der jedem Beteiligten die Möglichkeit gibt,
die wichtigsten Lernerfahrungen abzuleiten und neue Energie zu
tanken. Denn die nächste Veränderung kommt bestimmt. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Diesmal drei Buchempfehlungen unserer Autoren: R. Langen, J. Klewes (2008): Change 2.0 beyond organisational transformation; J. P. Kotter (2006): Das Pinguin-Prinzip. Wie Veränderung zum Erfolg führt. Oder L. Dörfel (2007): Interne Kommunikation – Die Kraft entsteht im Maschinenraum.
@Michaela Hasebegleitet im Münchener Change Team Unternehmen bzw. Abteilungen bei Veränderungsprozessen. „Die einzelnen Schritte müssen dabei immer nachvollziehbar sein“, ist sie überzeugt.
@Daniel Colomaarbeitet ebenfalls im Münchener Büro und sieht die große Kunst erfolgreicher Change-Kommunikation darin, alle Beteiligten auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen. Auch wenn mal Ansagen gemacht werden müssen.
// 5
TREIBER DES WANDELS
Globalisierung
Work-Life-Balance
Demographischer Wandel
Diversity & Inclusion
Flexibilisierung
Wissensgesellschaft
Lebenslanges Lernen
Emerging Markets
// Unverständnis für „weiches Thema“
// Mangelnde Reflexion der eigenen Verhaltensmuster
// Auf Führungsebene Gefühl der Über- forderung und Angst vor mehr Transparenz
// Fehlende Unterstützung aus dem Top-Management
// Lähmung von Prozessen und Infragestellung von Routinen
// Skepsis und Berührungsängste zwischen Unternehmen und Organisationseinheiten
// Wut, Widerstand und Demotivation der Mitarbeiter
orGanIsatIon KuLtur
Zum BeispielKundenorientierungsprogramm,
Führungskräfteentwicklung, Werteimplementierung
Zum BeispielBereichszusammenfassung,
Mergers & Acquisitions, Restrukturierung & Downsizing
Rea
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TREIbER dES WANdELS6 //
Ob das Zeitalter des lebenslangen Lernens ausgerufen wird oder digitale Netzwerke das Miteinander revolutionieren – gesellschaftliche Trends treiben den Wandel in den Unternehmen voran und beeinflussen deren Organisationsstruktur, Unternehmenskultur, Geschäftsstrategie und die IT-Systeme. Change-Manager und Change Kommunikatoren stehen bei jedem
Veränderungsszenario vor unterschiedlichen Herausforderungen. Ein gemeinsamer Erfolgsfaktor bleibt: Change kann nur gelingen, wenn er
mit den Menschen vollzogen wird und das Management gezielt den Dialog sucht.
nachhaltigkeit
Mass-Customization
social Media
Big Data
Digital Lifestyle
// Unverständnis und Vertrauensverlust
// Unsicherheit in Bezug auf Zielsetzung
// Bei Mitarbeitern keine Notwendigkeit für Strategiewechsel erkennbar
// Ablehnung und Protest, weil z.B. Mehrwert nicht erkennbar
// Angst vor mehr Transparenz in den Aufgaben/Rollen/Verantwortlichkeiten
// Angst vor fehlender Kompetenz/ Qualifikation
stratEGIE I t & ProzEssE
Zum BeispielEnterprise 2.0,
Logistikprogramm, Softwareeinführung
Zum BeispielVision/Mission,
Internationalisierung, Vertriebsstrategie
@Isabel Schallerist Artdirektorin in Düsseldorf und findet, dass Infografiken das ideale Medium für komplexe Themen sind.
TREIbER dES WANdELS // 7
UNTERNEHMENSIDENTITÄT AUF DEM PRÜFSTAND Warum Werteprozesse Geschäftstreiber sein können. Und oft nicht funktionieren.
UNTERNEHmENSIdENTITäT
Das Leitbild hat wieder Konjunktur, denn der Wunsch nach Orientie-
rung in einer sich immer schneller drehenden Unternehmenswelt
wächst. In der klassischen Form beschreibt es den Zweck, die lang-
fristige Entwicklung und die Art und Weise der internen Zusammen-
arbeit bzw. des Außenauftritts einer Organisation – anders aus-
gedrückt umfasst das Leitbild Mission, Vision, Werte und
Führungsgrundsätze. Es stiftet Identität und fördert die Identifika-
tion. So weit die Wunschvorstellung. In der Realität hören viele
Unternehmen allerdings genau dann auf, wenn die eigentliche Arbeit
beginnen sollte. Denn für gewöhnlich steht am Ende des Werte-
oder Leitbildprozesses lediglich eine Broschüre – Absender: der Vor-
stand –, die dann via Verlautbarungskommunikation in die Organisa-
tion gespielt werden soll. Das Motto: „Jetzt bitte leben!“ Wer so
vorgeht und die Mitarbeiter in die Entwicklung des Leitbilds nicht
einmal einbezieht, darf sich über mangelnde Begeisterung nicht
wundern. Die Reaktion der Belegschaft ist erwartbar: „Gelesen,
gelacht, gelocht.“ Auch weil sie häufig eine große Kluft zwischen
Sollprofil und erlebter Realität wahrnimmt.
Gerade ein Wert wie Vertrauen wird leicht ad absurdum geführt,
wenn das Unternehmen den Mitarbeitern durch komplexe Unter-
schriftenregelungen eben jenes nicht zuspricht. Wenn Partizipation
gepredigt, aber Top-down-Verordnungen gelebt werden. Wenn eine
bessere Kundenorientierung gefordert ist, es aber eigentlich nur
darum geht, immer das Beste für die Firma herauszuholen.
In der Entwicklung eines Leitbilds vergeben sich Unternehmen viel
Potenzial, wenn sie den Dialog über die bestehende und gewünschte
Kultur oder Ausrichtung nicht in die gesamte Organisation tragen. Wie
es besser geht, hat zum Beispiel die Festo AG vorgemacht, ein welt-
weit führender Anbieter von Lösungen für die Industrieautomatisie-
rung. In einem mehrstufigen Werteprozess hat das Top-Management
zunächst den Rahmen abgesteckt. Grundlage waren sogenannte
Cultural Drawings – von den Führungskräften erstellte Zeichnungen,
die existierende und gewünschte Verhaltensweisen bei Festo illust-
rierten. Sie gaben Antworten auf Fragen wie: Was macht uns stolz?
Was sind Dos and Don’ts bei Festo? Welche Situationen illustrieren
unsere Kultur am besten? 300 Führungskräfte weltweit setzten sich
auf diese Weise mit den künftigen Werten auseinander.
Zusätzlich prüfte ein bereichsübergreifendes Sounding Board die ersten
Entwürfe des Zielbilds in enger Abstimmung mit einem Wertekomitee.
In einem nächsten Schritt wurde der unternehmensweite Dialog eröff-
net: Im Intranet diskutierten die Mitarbeiter anhand von Thesen die vor-
geschlagenen Kulturdimensionen. Bei diesem Culture-Square wurden
die Mitarbeiter pro Dimension mit zwei unterschiedlichen Ausprägun-
gen im Sinne eines „mehr davon“ oder „weniger davon“ konfrontiert:
Soll das Unternehmen beispielsweise eher vorsichtiger oder eher muti-
ger in seinen Entscheidungen agieren? Auf Grundlage der Culture-
Square-Ergebnisse konnte das Projektteam schließlich prägnante und
differenzierende Werte formulieren. Mit der Verabschiedung durch den
Vorstand erfolgte dann der Startschuss für die weltweite Einführung –
in Form von Dialogformaten bis auf Teamebene.
In vielen Unternehmen begegnen die Mitarbeiter Werteworkshops
zunächst mit großer Skepsis. Sie befürchten, in Harmoniesoße ertränkt
zu werden. Ein Großteil der Teilnehmer kommt dann aber erstaunt aus
den Veranstaltungen heraus und stellt fest: Dieser Tag hat uns in unse-
rem Geschäft bzw. in unserer Zusammenarbeit weiter gebracht als alle
Jours fixes der vergangenen vier Wochen zusammen.
Dies ist immer dann der Fall, wenn Unternehmen den Werte- oder Leit-
bildprozess mit ihren Geschäftsprozessen verzahnen. Denn Werte sind
kein Selbstzweck. Sie dienen als Instrument, um zentrale Themen auf
den Tisch zu bringen, etwa Tabus innerhalb von Teams oder Graben-
kämpfe zwischen Abteilungen. Ein gemeinsames Verständnis schärft
den Blick für das unternehmerische Ganze und bringt auf den Punkt:
Was ist uns wichtig? Dass bei der Kommunikation eines Leitbilds längst
nicht mehr die Broschüre die erste Wahl ist, zeigt das Beispiel eines
Energieversorgers. Das Unternehmen musste eine umfassende
Restrukturierung durchlaufen und entschied sich, den Ist- und Soll-
Zustand der Organisation in einer Storymap zu visualisieren. Die darge-
stellten Szenen aus dem Unternehmensalltag bieten hohes Identifikati-
onspotenzial und erleichtern die Diskussion über Stärken und Schwächen.
Alle Abteilungen und Teams haben – im wahrsten Sinne des Wortes – ein
gemeinsames Bild vom Zustand der Organisation und ein gemeinsames
Verständnis darüber, wie der Weg in die Zukunft verläuft.
Fazit: Ein Leitbildprozess kommt erst dann voll zur Wirkung, wenn
der Verankerung mindestens so viel Zeit eingeräumt wird wie dem
Entwicklungsprozess und die Kommunikation nicht nur auf Kampag-
nenelemente vertraut. Leitbilder werden lebendig, wenn sie hierar-
chie- und bereichsübergreifend einen Diskurs auslösen und die Mit-
arbeiter dazu motivieren, sie mit eigenen Geschichten zu füllen. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Zehn Erfolgsfaktoren, um mit Werten Wert zu schöpfen, nennt in folgen-dem Artikel Harvard-Professor Rosabeth Moss Kanter: http://blogs.hbr.org/2010/06/ten-essentials-for-getting-val/
@Markus Czeslikleitet als Senior Consultant das deutschlandweite Change-Team von Ketchum Pleon mit Sitz in München. Aktives Zuhören und hohe Empathie sind zwei seiner wichtigsten Arbeits-werkzeuge.
@Kerstin Straubingerist Associate Consultant Change und überzeugt, dass Werte sowohl im Unternehmen als auch in der Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielen werden.
// 9
UNTERNEHMEN SIND KEINE MÄRCHENONKELWarum Veränderungsprozesse trotzdem eine Geschichte brauchen.
„The only people who like change are wet babies.“ Das war mein
erster Gedanke, als ich den Hörer auflegte. Gerade hatte ich eine der
kürzesten Telefonkonferenzen als Geschäftsführerin beendet – und
dieses Telefonat sollte mein bisheriges Leben auf den Kopf stellen.
Fast zwanzig Jahre lang war ich im gleichen Unternehmen. Hier
fühlte ich mich wie zuhause, war eingebunden in alle Entscheidun-
gen und agierte unter Freunden. Mit einem Schlag sollte sich das
ändern. Es kamen Fremde hinzu, die mir wie Eindringlinge in unsere
heile Welt vorkamen. Plötzlich war alles neu. Ich hatte nicht um diese
Reise gebeten. Sie wurde mir einfach aufgezwungen. Ich musste
mich verändern. Und so stürzte ich mich in mein neues Schicksal …
Haben auch Sie eine Geschichte, die Ihr Leben veränderte? Es gibt
unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Einige erzählen ihre
eigene Geschichte, andere verweisen auf etwas, was sie gehört
oder gelesen haben. Die Bibel, der Koran, aber auch „Der Alchimist“
(Paulo Coelho), „Der kleine Prinz“ (Antoine de Saint-Exupéry) und
„Der Fänger im Roggen“ (J. D. Salinger) werden oft genannt.
Geschichten sind mächtig. Sie können Selbstmorde auslösen (Goe-
thes „Werther“) und vor Selbstmord warnen (Christiane F.:„Wir Kin-
der vom Bahnhof Zoo“). Sie können die Angst vor der Dunkelheit
nehmen (C. S. Lewis: „Die Chroniken von Narnia“) und ein Licht der
Hoffnung entzünden (H. B. Stowe: „Onkel Toms Hütte“).
Storytelling ist derzeit eines
der meistdiskutierten The-
men unter Kommunikati-
onsexperten. Zu fast jedem
Thema scheint „Storytelling“ der Schlüssel zum Erfolg. Daher wundert
es kaum, dass sich auch Change-Manager, HR-Abteilungen und
Betriebspsychologen mit der „Kraft der Geschichte“ beschäftigen.
Change-Manager erkennen die „Kraft der Geschichte“
SToRyTELLING & CHANGE
Zu Recht, denn die Persuasionsforschung hat schon lange nachge-
wiesen, dass gute Geschichten überzeugender wirken als Fakten.
Skeptiker erreicht man damit eher als mit sachlichen Argumenten
oder nüchternen Statistiken. Neurowissenschaftler kennen den
Grund: Während Daten gezielt einzelne Bereiche unseres Gehirns
aktivieren, sprechen Geschichten eine ganze Reihe von Gehirn-
regionen an. Geschichten arbeiten mit Bildern. Sie sind „Kino im
Kopf“. Sie wecken Emotionen, verankern Informationen und lösen
Assoziationen aus. Und das Beste: Gute Geschichten sind „viral“.
Sie werden wieder und wieder erzählt. „Sharing“ nennt man das
heute. Was aber macht eine gute Geschichte – eine gute Corpo-
rate Story – aus?
fünf Komponenten sorgen für den Erfolg
Jede Geschichte braucht einen guten Grund, um erzählt zu werden.
Der Anfang jeder Corporate Story ist daher eine klare Positionierung
der Unternehmensmarke (Meaningful Brand), die überzeugende
Antworten gibt auf die Frage: „Was will dieses Unternehmen errei-
chen?“ (Vision).
Jede gute Geschichte braucht einen Helden, der klar erkennbar ist.
Denn wir identifizieren uns leichter mit einer einzelnen Person als
mit anonymen Gruppen. Noch ein Tipp: Das Unternehmen muss
nicht zwangsläufig der Held in der Geschichte sein, vielleicht ist es
auch mal der Mitarbeiter oder der Kunde.
Jede gute Geschichte startet mit einem Konflikt: In der Unterneh-
menskommunikation sind wir eigentlich gewohnt, über Lösungen zu
sprechen. Doch gute Geschichten leben vom Drama, von den Her-
ausforderungen, die der Held meistern muss. Durch den Konflikt
baut sich die Spannung einer Geschichte auf. Und die Lösung
erstrahlt umso heller, je ausführlicher der Konflikt dargestellt wurde.
Gute Geschichten berühren uns emotional und unterhalten. Sie
müssen mit Herz (und Schmerz) erzählt werden, nur dann öffnen sie
auch das Herz von Skeptikern. Eine Herausforderung für viele Unter-
nehmenskommunikatoren, die gewohnt sind, mit sachlichen
Reports und seriösen Artikeln zu informieren.
Gute Geschichten sind inspirierend und viral. Genau das muss der
Anspruch an Corporate Storytelling sein. Gute Geschichten machen
im Unternehmen von allein die Runde. Dafür gilt es die passenden
Informationskanäle zu nutzen, aber auch Mut und Toleranz aufzubrin-
gen, dass Geschichten ergänzt und verändert werden („User-gene-
rated Content“).
Geschichten helfen, Verhalten zu ändern. Jedes Märchen erzählt
uns, was wir tun und lassen sollen und wie wir erfolgreich durchs
Leben gehen: Du sollst keinem Fremden vertrauen (Rotkäppchen),
Schlauheit siegt über Stärke (Das tapfere Schneiderlein), Lügen
haben kurze Beine (Pinocchio).
Doch Unternehmen erzählen keine Märchen. Wie also sehen erfolg-
reiche Corporate Stories aus, die für Change-Prozesse geeignet
sind? Und wo kommen diese Geschichten her? Drei Ansätze haben
sich hier als sehr erfolgreich herausgestellt:
Die Parabel – Hier werden Veränderungsprozesse mit Hilfe von Ana-
logien veranschaulicht. Die Ist-Situation im Unternehmen, die Soll-
Situation oder auch der Weg vom Ist zum Soll werden mit Szenarien
verglichen, beispielsweise aus Natur, Technik, Kunst oder Sport. Die
Parabel hilft, bildhafter und greifbarer zu erzählen und komplexe Vor-
gänge einfacher darzustellen.
Der Erfahrungsbericht – Konkrete Fallbeispiele zeigen Verände-
rungserfordernisse auf. Der Zuhörer erkennt sich in der Darstellung
wieder und entwickelt seine Erfahrungen weiter.
Der persönliche Report – Manager sind Menschen und Menschen
lösen Veränderungen aus. Mit Hilfe persönlicher Geschichten über
den Ausgangspunkt von Veränderungen bis hin zur Beschreibung
der Reise vom Ist- zum Soll-Zustand motivieren Manager ihr Team
auf emotionale und persönliche Art.
… Und meine ganz persönliche Reise? Drei Jahre nach dem Merger
zwischen Ketchum und Pleon gibt es viele Geschichten über den
Zusammenschluss der beiden Agenturen. Die meisten beginnen mit
„Es war einmal“ und viele haben ein Happy End. Auch für mich. Heute
bin ich Chief Creative Officer von Ketchum Pleon, Europas Agentur
des Jahres 2013, die vor kurzem in Cannes mit einem goldenen und
zahlreichen Löwen in Silber und Bronze ausgezeichnet wurde. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Storytelling und Kreativität werden bei uns groß geschrieben. Auf unserem Blog www.kpg-blog.de oder in verschiedenen Präsentationen, die auf Slideshare kostenfrei zur Verfügung stehen finden Sie Beiträge und Anregungen rumd um diese Themenbereiche.
@Petra Sammerist unser Chief Creative Officer und bestimmt keine Märchentante. Ihr Steckenpferd ist u. a. Storytelling. Mit ihren Workshops und Trainings ist sie in ganz Europa für Kunden und Kollegen unterwegs.
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Kennen Sie die Arbeitshasen? Berufstätige, die nach dem Karotten-
prinzip vorgehen: Sie fangen klein an, arbeiten fleißig, um dann end-
lich ihre Belohnung in Form einer gut dotierten Position zu erhalten.
Ganz anders die sogenannten Millennials. Die Generation der heute
18- bis 33-Jährigen wollen ihre privaten Bedürfnisse nicht zurückstel-
len, nur um perspektivisch Karriere zu machen, so die Beratungsge-
sellschaft PwC. Sie hat im April 2013 die bislang größte internatio-
nale Studie vorgelegt, die sich mit den Erwartungen der ab 1980
Geborenen beschäftigt. Die Experten haben dafür rund 44.000
Berufstätige befragt – am Rande sei bemerkt: allesamt PwC-Mitar-
beiter. Vorläufiges Fazit: Millennials verändern die Arbeitskultur
weltweit. Sie setzten Unternehmen immer mehr unter Anpas-
sungsdruck, schreiben die Autoren der Studie.
Und tatsächlich: Die Millennials drängen heute mit aller Wucht auf den
Arbeitsmarkt und stellen Unternehmen vermehrt vor Schwierigkei-
ten. Gerade wenn die Jüngeren auf etablierte Kollegen treffen, sind
Reibungen vorprogrammiert. Argumentationsschwach, haltungsarm
und mangelnde Tiefgründigkeit – so lauten die Vorwürfe, die den Mil-
lennials vielerorts entgegenschallen. Als unflexibel, kontrollsüchtig
und wenig führungskompetent empfinden die Jungen hingegen ihre
neuen Vorgesetzten. Es ist davon auszugehen, dass das Konfliktpo-
tenzial künftig eher zunimmt. Denn: Bis zum Jahr 2020 werden die
Millennials mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung stellen.
Höchste Zeit also, dass sich Unternehmen auf Mitarbeiter von mor-
gen einstellen? Oder fremdeln hier wieder nur zwei Generationen
miteinander – so wie ihre Vorgänger und deren Vorgänger?
Wer sich genauer mit den Millennials auseinandersetzt, trifft auf eine
in ihren Erwartungen gespaltene Zielgruppe. Klar, die Aufgabenstel-
lungen im Job müssen attraktiv und sinnstiftend sein – aber bitte
schön nicht zulasten
des Privatlebens gehen.
Die Mehrheit der 18-
bis 33-Jährigen will
sich außerdem nicht
langfristig an ein Unter-
nehmen binden; gleich-
zeitig schließt sie häufige Jobwechsel für sich selbst aus. Die Flexi-
bilität des Brötchengebers wiederum wird als gegeben
vorausgesetzt, Home-Office, variable Arbeitszeiten und hohe Frei-
heitsgrade inklusive. Aber alles sollte sich dann lieber doch innerhalb
ACHTUNG, MILLENNIALS!Verändert eine neue Generation die Arbeitswelt?
Klar, die Aufgabenstellungen im Job müssen attraktiv und sinnstiftend sein – aber bitte schön nicht zulasten des Privatlebens gehen.
ACHTUNG, mILLENIALS
geordneter Strukturen bewegen. Eine wichtige Rolle spielen zudem
die Anerkennung und Wertschätzung durch Vorgesetzte. 41 Prozent
der Millennials möchten mindestens einmal im Monat gelobt wer-
den, heißt es dazu auch in der PwC-Studie. Überhaupt das Arbeits-
klima: Teamwork und Gemeinschaftsgefühl sind Attribute, die ein
gutes Unternehmen für Berufseinsteiger auszeichnen.
Wer verändert eigentlich wen?
Ist hier etwa eine Generation der Leistungsverweigerer herange-
wachsen, mit völlig abwegigen Vorstellungen vom Berufsleben?
Wohl kaum. Die Erwartungen spiegeln vielmehr die unbestimmte
Lebenssituation junger Menschen wider, die von ökonomischen
Zwängen und sozialen Unwägbarkeiten geprägt ist. Praktika, befris-
tete Verträge, Projektarbeit und Freiberuflichkeit – so sieht vielfach
die berufliche Realität der Millennials aus. Das macht diese Genera-
tion so skeptisch gegenüber Mitarbeitern, die in klassischen
Erwerbsbiografien und -modellen groß geworden sind.
Organisationen wären jedoch gut beraten, genauer hinzuhören, was
der Nachwuchs ihnen zu sagen hat. Denn es spricht auch vieles für
die Millennials: Sie sind bestens ausgebildet, durchaus kompromiss-
bereit, wenn der Gesamtrahmen stimmt, und technisch absolut auf
der Höhe der Zeit. So
könnten sie – nur ein Bei-
spiel – als wichtige Trei-
ber für Social Business
und die Weiterentwick-
lung von Unternehmen
in Richtung Enterprise
2.0 agieren, wenn man sie denn ließe und ihnen keine Stolpersteine
in den Weg legte. Vor allem die ältere Generation hätte auf diesem
Gebiet noch sehr viel von den Millennials zu lernen.
Denn nicht zuletzt spielt die nächste Generation eine bedeutsame
Rolle, wenn es um die Evolution sozialer Systeme – und nichts ande-
res sind Unternehmen – geht. Das haben Untersuchungen des nie-
derländischen Generationenforschers Aart C. Bontekoning gezeigt.
Danach seien Arbeitnehmer, die nach 1975 geboren sind – also die
Vorgänger der Millennials –, zu Beginn ihrer Karrieren zwar mit viel
Enthusiasmus und Veränderungsbereitschaft in ihr Berufsleben ge-
startet. Allerdings konnten sie sich vielfach nicht gegen ihre älteren
Kollegen durchsetzen und mussten sich schnell an etablierte Arbeits-
weisen anpassen. Darüber haben sie viel Energie verloren – eine
verpasste Chance für Unternehmen, Prozesse zu optimieren und
neue Geschäftsideen für sich zu erschließen.
Eine Generation unter der Lupe
Droht den Millennials ein ähnliches Schicksal wie ihrer Vorgängerge-
neration? Bontekoning nennt drei Gründe, die dagegen sprechen.
Erstens erhält der heutige Nachwuchs mehr Aufmerksamkeit als
alle anderen Generationen vor ihm. Das heißt, etablierte Berufstä-
tige und Führungskräfte wissen inzwischen relativ gut über die Mill-
ennials, deren Erwartungen und ihr Potenzial Bescheid. Zweitens
seien die Jüngeren heute aufgeschlossener gegenüber älteren Kol-
legen als noch vor zehn Jahren. Sie akzeptieren Autorität, wenn
diese durch Kompetenz belegt ist, und können sich einordnen, ohne
an Authentizität zu verlieren. Und drittens sei der Innovationsdruck
deutlich gestiegen, sodass viele Unternehmen automatisch auf
Impulse der jüngeren Generationen angewiesen sind.
Letztendlich haben es die Unternehmen also selbst in der Hand, ob
sie den geeigneten Rahmen für Millennials setzen. Und ganz offen
gefragt: Wer würde nicht gern in einem Umfeld arbeiten, das die
beschriebenen Erwartungen einlöst? Flexible Arbeitszeitmodelle,
mehr Transparenz über die berufliche Weiterentwicklung, eine an-
gemessene Entlohnung, ein verstärkter, ehrlicher Austausch von
Führungskräften mit ihren Mitarbeitern sowie Gemeinschaftsgefühl
und Teamgeist – all das sind Eigenschaften, die nicht nur für die Mil-
lenials ein attraktives Umfeld ausmachen. Vielleicht ist es an der
Zeit, sie bei ihren Zielen zu unterstützen? Auch die Arbeitshasen
haben mittlerweile dazugelernt. //
Sie sind bestens ausgebildet, durchaus kompromissbereit, wenn der Gesamtrahmen stimmt, und technisch absolut auf der Höhe der Zeit.
WEItErfüHrENDE LINKS
Die Ergebnisse der PwC-Studie, bei der 44.000 Mitarbeiter der Beratungsfirma befragt wurden, finden Sie als englischsprachige Zusammenfas-sung hier.
Die komplette Untersuchung „The Evolutionary Power of New Generations“ des Generationen-forschers Bontekoning steht zum Abruf als PDF hier bereit.
Ein bisschen Humor hilft auch, hier ein nicht ganz ernst gemeinter Video-beitrag zum Umgang mit Millennials am Arbeitsplatz: Auch die Innovations-berater von IDEO haben sich schon 2009 mit den Millennials auseinander-gesetzt. Ihre vier Tipps haben bis heute Bestand. Das Beste aus Millenials herausholen? Tipps gibt es auch bei der der UNC Kenan-Flagler Business School hier.
@Thomas Fischerarbeitet als Senior Consultant am Standort Düsseldorf, gemeinsam mit Millennials und Arbeitshasen.
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UND – WOFÜR STEHEN SIE?Der Wandel des eigenen Auftritts. Oder: was Leadershipkommunikation vom Agenda-Setting-Ansatz lernen kann.
In vielen Gesprächen mit HR-Experten begegnet uns derzeit immer
wieder ein Thema: wie sehr Studierende und Absolventen mit etab-
lierten Führungsmodellen in Organisationen zu kämpfen haben.
Aber es gibt Hoffnung. Denn nach unserer Einschätzung gehört die
hierarchische Führung ohnehin bald der Vergangenheit an. Begeiste-
rung und Team-Spirit lassen sich damit nicht länger erzeugen.
Anstelle des klassischen Managements tritt ein Führungskonzept,
das auf Ideen und Themen setzt, um Mitarbeiter zu motivieren. Die
themenzentrierte Führung orientiert sich am Agenda-Setting-Ansatz
der klassischen PR: Wie gerät ein Thema auf die öffentliche Agenda?
Und wie lässt sich sicherstellen, dass darüber auch diskutiert wird?
Sieben Schritte können der Führungskraft dabei helfen, ein eigenes
Thema zu finden und zu besetzen, das zu ihrem Verhalten und zu
ihrer Organisation passt.
Schritt 1: Themenfindung. Authentizität und natürliche Autorität
entstehen dann, wenn die Führungskraft das Thema nicht von ande-
ren übernimmt, sondern selbst definiert. Erfolgreiche Manager ver-
binden inhaltliche Substanz mit persönlicher Involvierung und Emoti-
onalität. Diese Merkmale entstehen aber nur, wenn die Führungskraft
sich auf ihre eigenen Wertesysteme verlässt, das heißt sie kennt
und verbalisieren kann.
Schritt 2: Relevanz-Test. Das Thema passt zum eigenen Wertesys-
tem? Dann muss es im zweiten Schritt auf die unternehmerische
Relevanz und Substanz geprüft werden. Mitarbeiterbefragungen,
Organisationsanalysen oder Fokusgruppen können dabei helfen, die
Passgenauigkeit zu überprüfen.
UNd – WofüR STEHEN SIE?
Schritt 3: Komplexitätsreduktion. Das Thema braucht ein Schlag-
wort oder einen kurzen Satz, der auf Anhieb einleuchtet und mit dem
sofort innere Bilder verbunden werden. Wird dieser Satz durch Krea-
tivität veredelt, spricht man von einer Leitidee. Sie ist der rote Faden
jeder Führungskommunikation. Bilder und Symbole helfen, die Leit-
idee auf den Punkt zu bringen.
Schritt 4: Kommunikationsbeginn. Jedes Thema braucht einen
Zeitpunkt für die erste Veröffentlichung, einen Startschuss. Das kann
eine Videobotschaft an alle Mitarbeiter sein oder ein internes Town-
hall-Meeting. Wichtig ist, dass Führungskräfte eine hinreichend
große Menge an Menschen dazu anregen, über ihr Thema zu disku-
tieren, zum Beispiel über eine Online-Plattform.
Schritt 5. Kommunikationseffizienz. Neue interne Kanäle wie etwa
Social Media oder Enterpricse-2.0-Anwendungen verändern mit ihrem
dialogischen Charakter auch die Kommunikation von Führungskräften.
Dennoch ist die persönliche Ansprache mit klaren Botschaften weiterhin
unerlässlich; die Leitidee muss sich durch alle Kanäle hindurchziehen.
Schritt 6: Storytelling. Storytelling gewinnt auch im Management
(wieder) zunehmend an Bedeutung. Nicht ohne Grund: Gedächtnis-
forscher sprechen vom „episodischen Gedächtnis“, das unsere
Lebensgeschichte oder wichtige Momente unseres (Arbeits-)
Lebens speichert. Geschichten sind hilfreich, da sie Thema und Füh-
rungsperson dauerhaft miteinander verbinden und eine nachhalti-
gere Erinnerung der Inhalte ermöglichen.
Schritt 7: Netzwerke. Um wirklich zu bewegen, sind Unterstützer
gefragt: Menschen, die sich für das gleiche Thema oder dieselbe
Idee begeistern können. Themenzentrierte Führung muss gerade
auch Kritiker überzeugen und Dialoge zulassen. Führungskräfte soll-
ten das Netzwerken mit Personen beginnen, die sich bereits für ähn-
liche Themen interessieren wie sie selbst.
Selbstkonzept als Grundlage für themenzentrierte führung
Das Selbstverständnis von Führungskräften wandelt sich. Respekt
und Akzeptanz gewinnt man nicht mehr qua Amt. Das gilt insbeson-
dere gegenüber den sogenannten Millennials. Gute und erfolgreiche
Führung zeigt sich am besten in schwierigen Situationen – zum Bei-
spiel bei Mitarbeiterkonflikten oder wenn das Geschäft in Schieflage
geraten ist. Genau dann erfordert es gute und überzeugende Ent-
scheidungen. Dafür ist vor allem eines nötig: ein klares und struktu-
riertes Selbstkonzept.
Haben Sie nicht was vergessen?
Viele Führungskräfte haben jedoch genau dieses Selbstkonzept im
Laufe ihrer Karriere aus den Augen verloren. Sie können deshalb gar
nicht artikulieren, auf welcher Grundlage sie ihre Entscheidungen
treffen. Das berufliche Umfeld bestimmt vielerorts mit impliziten
und expliziten Regeln, was Erfolg ausmacht. Führungskräfte werden
in der Regel eher zur nächsten Schulung geschickt, um Manage-
ment-Schwächen zu kompensieren, und nicht, um den individuellen
Führungsstil zu stärken. Dabei ist hinlänglich bekannt: Menschen
sind in den Dingen erfolgreich, die ihnen Spaß machen und die sie
mit Leidenschaft verfolgen können. Ein Thema zu besetzen – und
dieses involviert: mit Nachdruck und Emotionalität zu verfolgen
gelingt also nur, wenn die Führungskraft es glaubwürdig und authen-
tisch vertreten kann.
„Wofür stehst du?“ lautet nicht nur der Titel eines erfolgreichen
Fachbuchs. Genau diese Frage sollten auch Führungskräfte für sich
beantworten, wenn sie ihre Mitarbeiter themenorientiert leiten wol-
len. Eine glaubwürdige Antwort setzt voraus, dass eine ehrliche Aus-
einandersetzung mit den eigenen Werten stattgefunden hat. Es
bedarf also grundsätzlicher Überzeugungen und einer klaren Hal-
tung, die mit Respekt gegenüber anderen vertreten werden muss
und die anderen ausreichend Raum zugesteht, die eigenen Stärken
zu entfalten. Nur dann stellen Führungskräfte in ihren Teams Akzep-
tanz, Identifikation und insbesondere eine kritische Reflexion her,
die sich dauerhaft positiv auf die eigene Entwicklung und den Fort-
schritt der Organisation auswirken wird. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Das eigene Führungsthema lässt sich gut in einem kleinen Workshop erar-beiten, denn damit das Thema zur jeweiligen Führungskraft passt, ist eine individuelle Bestandsaufnahme und Definition glaubwürdiger Fokusthemen empfehlenswert. Sprechen Sie uns gerne hierzu an.
@Christof Biggelebenist als Head of Campaigning für die Entwicklung von Leitideen und Themen zuständig – ob für Konzer-ne, Verbände oder Führungspersön-lichkeiten.
@Frank Pieperist Geschäftsführer der wegweiser strategie agentur und Collaboration-Partner für ein Beratungsmandat von Ketchum Pleon.
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DER KUNDE ALS KOLLEGEEnterprise 2.0 als Plattform für gemeinsame Produktentwicklungen.
„Gestalten Sie gemeinsam mit uns die Zukunft“ – unter diesem
Motto lädt die BMW Group seit 2001 Privatpersonen, Universitäten
und Forschungseinrichtungen dazu ein, Teil der Virtuellen Innova-
tions Agentur (VIA) zu werden. Praktisch jeder könne Patente, Ideen
und Konzepte zu neuen Technologien und Services für die Mobilität
der Zukunft einreichen, heißt es dazu auf der Unternehmensweb-
site. Immerhin 800 Ideen erreichen BMW so pro Jahr; und drei Pro-
zent davon gelangen innerhalb des Konzerns auch zur Umsetzung.
Die Idee, Unternehmensfans aus aller Welt um Mithilfe beim nächs-
ten Quantensprung zu bitten, ist also nicht neu. Die Vorteile liegen
auf der Hand: Kunden verfügen über das meiste Wissen zu Produk-
ten, deren Nutzungsmöglichkeiten und ihren eigenen Produktbe-
dürfnissen. Einerseits. Andererseits sind die eigenen Ingenieure,
Techniker und Produktentwickler die bedeutendsten Know-how-
Träger eines Unternehmens. Nur: Beim Austausch zwischen den
beiden Gruppen hapert es noch gewaltig, Vorurteile überwiegen.
War es nicht Henry Ford, der das Bonmot prägte: „Hätte ich meine
Kunden gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere
Pferde“? Der Kunde darf sich im besten Fall an eine gut organisierte
Service-Hotline wenden. Aber auf Augenhöhe mit den Ingenieuren
zu diskutieren ist bis auf wenige Ausnahmen – siehe oben – Neuland.
Noch: Denn immer mehr Unternehmen vollziehen inzwischen den
Wandel zu einem Enterprise 2.0 (E 2.0), um ihre Produktivität, Effek-
tivität und letztlich den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Das
schließt die verbesserte Vernetzung mit Kunden ein.
Kaufe Produktinnovation inklusive Kulturwandel
Enterprise 2.0 beschreibt einen möglichen Lösungsansatz – inklu-
sive des Abbaus von Wissensbarrieren um mehr Wertschöpfung im
Sinne eines Social Business zu erzielen. E 2.0 setzt zum einen dar-
auf, interaktive, „social“ Software einzuführen, um die Transaktions-
kosten für den Austausch von Wissen und Know-how zu minimie-
ren. Zum anderen geht es aber um einen mehr oder weniger
radikalen Kultur- und Führungswandel innerhalb von Organisationen.
Dieser Wandel entkräftet klassische Hierarchien zugunsten von
Innovation und Optimierung oder baut sie gar ab. Anders gesagt:
E 2.0 ohne Kulturwandel funktioniert nicht, denn hier werden alte
Wissensmuster vollständig hinterfragt und – sehr zum Leidwesen
vieler alteingesessener Fachleute – mit den Einschätzungen von ver-
meintlich unwissenden Kunden gepaart. Wenn diese Hürde intern
wie extern genommen ist, kann sich ein wirkliches Enterprise 2.0
durch ein erhebliches Wissens- und vor allem Anwendungspotenzial
dER KUNdE ALS KoLLEGE
auszeichnen. Andrew McAfee, Professor am amerikanischen Mas-
sachusetts Institute of Technology (MIT) und E 2.0-Vordenker
,beschreibt die Quintessenz des Wandels als „the use of emergent
social software platforms within companies, or between companies
and their partners or customers“. Gerade die Vernetzung mit den
Kunden sollte für Unternehmen den eigentlichen Ausschlag für die
Weiterentwicklung in Richtung E 2.0 geben. Denn sie können wert-
volle Einschätzungen zu Produkten, Unternehmen und dem Wettbe-
werb abgeben. Zusatzeffekt: Eine neue Form des Customer-Relati-
onship-Building entsteht.
Ein Gedankenspiel
Das folgende, frei erfundene Szenario veranschaulicht, welche Vor-
teile die enge Vernetzung mit den externen Anspruchsgruppen für
Unternehmen hat: „Frühjahr 2014: In den Entwicklungslabors des
Technologieunternehmens Wopple wird fieberhaft an der nächsten
Generation eines Smartphones gearbeitet. Der Erwartungsdruck ist
hoch, denn das Vorgängermodell hat sämtliche Absatzrekorde gebro-
chen. Hinzu kommt der eigene Anspruch, immer wieder Standards in
Sachen Usability und Funktionalität zu setzen zu. Das Ziel für das neue
Modell lautet nicht nur Absatzsteigerung, sondern vor allem Innovati-
onsführerschaft. Die Entwickler wollen sich deshalb nicht nur auf ihr
eigenes Wissen, Reviews und Fokusgruppen verlassen. Sie benöti-
gen detaillierte Erkenntnisse darüber, was die potenziellen Käufer
wirklich von einem Smartphone erwarten. Mit Hilfe eines Hybridsys-
tems, das die internen Systeme mit externen sozialen Netzwerken
wie zum Beispiel Facebook, Weibo, Orkut und Vkontakte verknüpft,
können sie ihre Zielgruppen genau ermitteln und kontaktieren. Inner-
halb des digitalen Systems eröffnen die Entwickler einen geschlosse-
nen Bereich, auf den potenzielle Kunden Zugriff haben und in dem sie
ihre Ideen für das neue Gerät einbringen können. Die Bandbreite an
Impulsen reicht von ganz pragmatischen Anforderungen wie Stoßfes-
tigkeit, Abnutzungsverbesserung und Laufzeit bis hin zu wilden Uto-
pien, etwa selbstlernenden Algorithmen, die sich auf den jeweiligen
Anwender einstellen. Das vorhandene Wissen kann mit Hilfe des Sys-
tems für den Entwicklungsprozess nutzbar gemacht werden – und
ermöglicht einen Quantensprung für Smartphones.“
Natürlich wäre es für Unternehmen auch schon vor der Einführung
sozialer Software möglich gewesen, detaillierte Erkenntnisse über
die Erwartungen von Verbrauchern zu erlangen – allerdings ist der
Aufwand hierfür unverändert hoch und somit kostenintensiv. Dank
der neuen Möglichkeiten, die sich aus der Weiterentwicklung zum
Enterprise 2.0 ergeben, kann jetzt eine theoretisch unbegrenzte
Menge an Verbrauchern daran mitwirken, Produkte und Lösungen
zu verbessern. Und das mehr oder minder ad hoc und ohne große
Opportunitätskosten, da die erforderlichen Informationen bei Face-
book, Google und Co. bereits gespeichert sind und in Zeiten von Big
Data (http://bigcontext.interone.de/) die Grundlagen für die dezi-
dierte Identifikation der eigenen Anspruchsgruppen geschaffen sind.
In den Startlöchern
Die technischen Voraussetzungen für das beschriebene Szenario
sind bereits heute vorhanden. Mit den großen, externen sozialen
Netzwerken liegt eine Kommunikationsinfrastruktur vor, die den Dia-
log zwischen Kunden und Unternehmen ermöglicht. Und mit dem
Wandel vom Unternehmen zu einem E 2.0 existieren auch intern die
ersten erforderlichen Werkzeuge für einen Austausch mit den Ziel-
gruppen. Erste Beispiele sind realisiert. Dennoch überwiegen die
Bedenken zu Datensicherheit, Privatsphäre, Rechten, Motivationen
und dem konkreten Nutzen.
Vom Kunden zum Kollegen
Der größte Wandel, der Unternehmen hier bevorsteht, ist das verän-
derte Verhältnis zum Kunden – und damit das Selbstverständnis der
Forschungs-und-Entwicklungs-Abteilung und der Hausingenieure.
Der Kunde steht längst nicht mehr am Ende der Wertschöpfungs-
kette. Nachdem er bereits die klassischen Verkaufsabläufe und
Marketingberechnungen dank sozialer Netzwerke neu sortiert hat,
werden sich nun auch in Unternehmen ganze Produktionsketten auf
ihn einstellen müssen: Der Kunde wird zum Entwicklungspartner,
zum Wissensträger und zum gleichberechtigten Tüftler – am
„Schreibtisch neben dir“. Somit wird Wissen zu einem Teil demokra-
tisiert, das Können jedoch, die tatsächliche technische Umsetzung
und Innovation, wird noch etwas länger in den Produktionshallen der
Unternehmen zu Hause sein. Bis der 3D-Drucker zu einem Massen-
produkt wird und auch die klassischen Produktionsmechanismen
über den Haufen wirft. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Mehr zu den Grundlagen und Prognosen von Enterprise 2.0 finden Sie in der Neujahrsausgabe 2013 des Inspire Magazins. Ein Beispiel aus unserem eige-nen Hause ist die Kreativ-Plattform Mindfire (www.ketchum.com/mindfire) die Studenten der Kommunikationswissenschaft weltweit einbindet, um kreative Lösungen für Kommunikationsherausforderungen zu erarbeiten.
@Rüdiger Maeßenleitet den Düsseldorfer Standort und berät Kunden in allen Belangen rund um digitale Themen und Enterprise 2.0. Sie finden ihn auf Twitter unter @rmaessen.
@Norbert Bremaentwickelt und betreut Digital-kampagnen und -projekte und würde einigen Konzernen bei der Produktentwicklung gerne ein paar Empfehlungen geben ...
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THE WIZARD OF MARCOMEin Ausflug in die zauberhafte Welt des Marketings.
„Toto, I have a feeling we’re not in Kansas anymore“, sind die ersten
Worte, die Dorothy in dem Klassiker „Der Zauberer von Oz“ an ihren
Hund richtet, nachdem sich die beiden in einer völlig fremden Umge-
bung wiederfinden. Der Film, zuvor noch in Schwarz-Weiß gehalten,
ist plötzlich bunt und farbenfroh – so wie die fantastische Welt von Oz
mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Erlebnissen. Diese Analogie
wählte ein Londoner B2B-Dienstleister für sein Marketing-Manifesto
und eröffnet für uns die Diskussion über neue Aufgaben und Heraus-
forderungen im modernen Marketing und Vertrieb.
Alles so schön bunt hier!
Die Marketingmanager von heute mögen ihre aktuelle Arbeitswirk-
lichkeit als ähnlich verändert empfinden wie Dorothy das Land Oz
oder manch ein Kommunikationsmanager seine Pressearbeit. Schuld
sind – mal wieder – das Internet und Social Media und die explodierte
Vielzahl an Marketingmöglichkeiten bei gleichzeitiger Diversifizierung
der Zielgruppen. Die Marketingfragen bleiben aber dieselben: Wo sind
„Leads“ und „Opportunitys“, wo ist Absatzsteigerung möglich und
wie verhindere ich es, im Spam zu landen? Kein leichtes Unterfangen,
betrachtet man die Vielzahl der Instrumente im digitalen Marketing-
koffer – von E-Books, SEOs, E-Mail-Blasts, Communitys, Widgets,
hin zu Videos, Games, Tweets, Websessions und Podcasts sowie WoM.
Sie sind teils auch mit geringem Budget realisierbar und bringen ent-
sprechend auch mehr und kleinere Unternehmen auf den Plan. Wirk-
lich spannend ist dabei aber weniger die gestiegene Kanalvielfalt und
Anzahl der Mitspieler, sondern vielmehr die veränderte Art und Weise
der Kommunikation, insbesondere die Unmittelbarkeit des Kunden-
kontakts und die Transparenz aller Aktivitäten. Letzteres betrifft
sowohl den potenziellen Kunden (wo ist er, was mag er, wie ist seine
„Digital Body Language“, hat er meine Mail gelesen und auf mein
Banner geklickt?) als auch die Unternehmen (gefällt uns, was sie tun,
sind sie ehrlich, sind sie persönlich erreichbar?). Beide Punkte führen
zu einer grundsätzlich kritischeren Verbraucherhaltung, die Marketing-
sprech und zweifelhafte Werbebotschaften eiskalt abstraft.
Was bedeutet die schöne bunte Welt für das Berufsbild eines Marke-
tingmanagers? Es geht dabei nicht um den unzweifelhaft vorhande-
nen Bedarf an Digital Natives, sondern die Frage, wie die Aufgaben-
felder des MarComs (Marketing Communications Manager) erweitert
werden. Gucken wir uns selbige genauer an: Der MarCom analysiert
zunächst die Meinungen der Kunden, die über unterschiedliche
interne und externe Kanäle einlaufen, die PR-Reportings und das
Feedback des Vertriebs. Daraufhin werden Inhalte und Prozesse für
THE WIzARd of mARCom
verschiedene Märkte und Kanäle entwickelt. Bereits hier setzt eine
operative Herausforderung an, da in vielen Unternehmen weder die
Reportingstrukturen noch die jeweiligen Manager von PR, Marketing
und Vertrieb aufeinander eingestellt sind. Das wirkliche Zaubern
beginnt im Anschluss, wenn es gilt, die unterschiedlichen Aktivitäten
sinnvoll zu verzahnen. Zurück zum Kunden in spe: Mindestens sieben
aufeinander aufbauende Kontaktpunkte bis zum Geschäftsabschluss
durchläuft im Schnitt der zukünftige Kunde. Theoretisch, wenn er
nicht vorher abspringt. Und die Grenze zur Aufdringlichkeit wird oft
überschritten: Wer kennt es nicht, die permanente E-Mail-Flut, den
Anruf auf das Privathandy, das Stalking durch kürzlich angeklickte Pro-
dukte – die permanente Kontaktaufnahme kann schnell abschrecken.
Um den Interessenten also nicht direkt wieder zu verlieren, zu schnell
den Fängen des Vertriebs auszusetzen oder gar den nächsten Flight in
eine laufende Reputationskrise zu legen, gilt es hier, den Überblick –
und die Nerven – zu bewahren. Die neuen Koordinationsanforderun-
gen haben bereits einen Zweitmarkt hervorgebracht, der sich mit der
Automatisierung und Steuerung der Marketingaktivitäten beschäftigt,
Bezeichnungen wie „Automated Marketing“ oder auch „Transactional
Marketing“ erleben hier einen ähnlichen Hype wie transmediale Kom-
munikation in der PR. Das Thema Enterprise 2.0 lässt grüßen, denn
auch hier geht es um die große Frage, wie Social Technologies für
Organisationen intern und extern effektiv genutzt werden können und
die Arbeitsprozesse erleichtern. Eins ist klar: Die gute alte Excel-
Tabelle stößt hierbei endgültig an ihre Grenzen.
Einige Beispiele für Marketingtools: Spredfast oder vitrue beispielsweise
ermöglichen u. a. die Terminierung von Tweets und Posts, in Eloqua wer-
den wiederum komplette Marketingprozesse durchgeplant, die dann
automatisiert durchgeführt werden. Wenn der Kunde A macht, erhält er
Information B. Wenn er diese liest/nicht liest, passiert C/D etc. Das Auf-
setzen ist neu und die Planung komplex – wenn sie falsch angesetzt wird,
kann es auch hier potenzielle Kunden eher verschrecken als ansprechen.
Lohnenswert ist die Investition vor allem bei kleinteiligen und dabei sehr
komplexen Marketingaktivitäten. Wichtiger denn je dabei: Um die Leute
mit oder trotz Marketingautomation begeistern zu können, muss der
Content überzeugen. Und auch die beste Koordinationssoftware ersetzt
nicht das grundlegende Kommunikationsverständnis und ein Gespür für
richtiges – und vor allem falsches – Timing. Was an Zeit eingespart wird,
muss auf der anderen Seite in die Content-Erstellung und das Monitoring
der eigenen Aktivitäten investiert werden.
Hier schließt unser letzter Punkt an, der gleichzeitig ein Paradox zur
aufgezeigten Marketingentwicklung enthüllt: Das sogenannte „Res-
ponsive Marketing“ hat die Flexibilisierung der eigenen Kommunika-
tion zum Ziel. Es gibt nicht mehr den einen starren „Prospectfunnel“,
der einmal im Jahr entwickelt und dann immer gleich durchlaufen
wird. Nein – je nach Verhalten der Nutzer werden die Marketingaktivi-
täten nach diesem Verständnis flexibel angepasst. Und je nach Feed-
back der Nutzer auch überarbeitet und verbessert. Persönlich. Im Dia-
log. Das lernende Marketing. So die Idee. Die Kombination aus
„Datenbank-Software zur Meisterung des Koordinationsaufwands“
und dem Anspruch „flexibel auf Kundenwünsche reagieren und Akti-
vitäten entsprechend anpassen“ erscheint widersprüchlich. Die
Kunst, trotz Automatisierung persönlich und „autark“ von einer Soft-
ware agieren zu können, insbesondere im Falle von Service- und auf-
keimenden Krisenthemen, ist die nächste große Herausforderung.
Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, die das „System“
so nicht hergibt, ist eigenverantwortliches Handeln der Mitarbeiter
gefragt. Ob und in welchem Rahmen sie das machen, können und
auch wollen, sollte jedes Unternehmen grundsätzlich für sich selber
festlegen. Und das gilt nicht nur für das Marketing.
Daheim ist es am schönsten?
Das Aufgabenfeld des Marketingmanagers hat also einen neuen
Zuschnitt und verschiedenste technische Helferlein an die Hand
bekommen. Die Erwartungen an das individuelle Know-how und die
Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit steigen. Gerade der
MarCom muss dabei eine Gratwanderung absolvieren: den neuen –
weil direkten – Draht zum Kunden aufrechterhalten, dabei mit guten
Inhalten überzeugen, aber gleichzeitig von den Möglichkeiten profitie-
ren, die ihm die Prozessautomatisierung bietet. Er befindet sich also
in vielerlei Hinsicht auf neuem Terrain und es gibt für ihn – anders als
für Dorothy im „Zauberer von Oz“ – nicht den Ausweg, die Hacken
der magischen Schuhe zusammenzuschlagen und in die alte Heimat
zurückzukehren. Höchste Zeit also, die neuen Realitäten anzunehmen
und die Schuhe einzulaufen, denn: „We’re not in Kansas anymore“
und, sorry, Dorothy, werden auch nie mehr dorthin zurückkehren. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Noch mehr wissen? Verschiedene Online-Marketing-Fettnäpfchen inkl. Umgehungsstrategien finden sich hier: http://bit.ly/wAF8F6. Eine Studie von FedEx und Ketchum Pleon (http://bit.ly/MjMz3Z) untersucht das Thema Social Business und die Zocalo Group bietet mit der Fan-Rallye einen inter-essanten Ansatz für Markenbotschafter-Kommunikation.
@Sven Kleibrinkist Consultant am Düsseldorfer Standort und hantiert tagtäglich in den Abgründen und Wundern der neuen Marketingwelt. Nach Oz würde er auch gerne mal.
@Anneke Ruschbeschäftigt sich als Senior-Beraterin mit dem Thema „Transactional Marketing“. Die Kunst besteht darin, den Überblick zu behalten. Und nicht alles der Auto matisierung zu überlassen, sagt sie.
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DAS RICHTIGE TEMPOInterview mit Prof. Joachim Klewes über Werte, Wandel und die Wahl der richtigen Rennstrecke.
dAS RICHTIGE TEmPo
Herr Professor Klewes, in den Managementetagen wird beklagt,
dass sich künftige Marktentwicklungen immer schwieriger vor-
hersagen lassen. Prognosen werden kassiert, in regelmäßigen
Abständen werden Strategiewechsel ausgerufen. Dies erweckt
den Eindruck, dass wir in einer Periode der Unsicherheit und
Instabilität leben. Teilen Sie diese Einschätzung oder suchen sich
die Medien gezielt solche Schlagzeilen aus?
Ganz klar: Heute ist das Tempo der Veränderung so hoch, dass
Unternehmen, Manager und Mitarbeiter viel mehr Unsicherheit aus-
halten müssen. Den Medien bleibt gar nichts anderes übrig, als das
zu verarbeiten – mal recht, mal schlecht. Für uns als Berater bedeu-
tet das leider oft, dass sich die Halbwertzeit unserer Empfehlungen
drastisch verringert. Beratung heute ist deutlich anspruchsvoller als
vor zwanzig oder dreißig Jahren.
Woran können sich Unternehmen in Phasen der Instabilität und
Unsicherheit dann noch halten? Worauf kommt es jetzt vor
allem an?
Ich hab noch nie zu denen gehört, die mit einem Patentrezept oder
einer einfachen Lösung um die Ecke gekommen sind. Also, es gibt
nicht die eine Sache, auf die es ankommt. Das ist wie bei einer
Regatta: Wenn du als einer der Ersten ankommen willst, musst du
nicht nur den richtigen Kurs wählen, nicht nur den Wind riechen,
gekonnt trimmen und das Boot nicht zu leicht und nicht zu schwer
machen, nicht nur die richtige Crew trainiert haben – es muss alles
zusammenspielen. Um im Bild zu bleiben, jedes Unternehmen sollte
sich auch fragen: Will ich überhaupt an diesem Rennen teilnehmen?
Will ich überhaupt segeln oder vielleicht besser in einer anderen Dis-
ziplin vorwärtskommen? Ich meine also, für Unternehmen kann es
nicht nur darum gehen, dass sie sich in einer Zeit der Instabilität
möglichst perfekt anpassen, sondern dass sie versuchen, selbst die
Spielregeln zu definieren.
Wie gelingt es dem Management von Unternehmen, wieder
mehr Gelassenheit und Souveränität in der Führung zu erlan-
gen, anstatt nur von Veränderungen und Veränderungsinitiati-
ven getrieben zu werden?
Na ja, allzu gelassen sollte das Management auch nicht sein. Ich plä-
diere schon für eine hohe Wachsamkeit. Und die Lösungen sind
auch für die unterschiedlichen Etagen im Management unterschied-
lich. Es gibt aber ein paar gute Ansätze, die praktisch überall funktio-
nieren. Klare Grundwerte gehören dazu. Hoher Konsens in der Füh-
rungsspitze und in den Teams – daran kann man arbeiten. Eine offene
Unternehmenskultur, die Probleme frühzeitig erkennt und anspricht.
Hört sich einfach an, aber: Werden diese drei Aspekte gelebt, kann
sich das Management nicht mehr verstecken. Das ist durchaus
anstrengend, aber wir als Kommunikationsberater können dabei
unterstützen!
Gibt es Erfolgsmuster, die Unternehmen vor Jahrzehnten vor
Krisen bewahrt haben und heute noch gelten?
Eindeutig ja! Die Bereitschaft, Erfolgsmuster über Bord zu werfen
und immer wieder neue auszuprobieren. Also das „love it, change it,
leave it“ auch als Unternehmen zu leben.
Welches Erfolgsgeheimnis haben traditionsreiche Konzerne wie
Bayer, MAN, Carl Zeiss oder Siemens, die mehr als hundert
Jahre fortbestehen?
Gegenfrage: Sind das noch die gleichen Unternehmen wie vor hun-
dert oder auch nur vor fünf Jahren? Keineswegs. Also gilt auch hier:
Hätten sich diese Firmen nicht verändert, gäbe es sie schon längst
nicht mehr.
In welche Richtung wird sich Change-Management/Change-
Kommunikation entwickeln bzw. entwickeln müssen, um mit
der hohen Change-Geschwindigkeit mithalten zu können? Oder
ist es zunehmend die Aufgabe der Change-Manager und -Kom-
munikatoren, genau diese Geschwindigkeit aus den Prozessen
herauszunehmen?
Nein, das ist nicht ihre Aufgabe. Ich glaube nicht an Beschleunigung
oder Entschleunigung. Ich meine, es kommt vielmehr darauf an, für
jede Veränderungsstrecke das richtige Tempo herauszufinden und
dann zu entscheiden, ob und wie man das Tempo fahren kann oder
nicht. Wenn das nicht geht, sollte man eine andere Strecke wählen.
Gerade wir als Berater sollten uns nie mit dem „Wie“ zufrieden
geben, sondern immer das „Ob“ und „Was“ mitdenken. Sonst sind
wir unser Geld nicht wert. //
WEItErfüHrENDE LINKS
@Joachim KlewesJoachim Klewes (59) gründete zusammen mit Paul J. Kohtes die Agentur Kohtes & Klewes, aus der die spätere Pleon und heutige Ketchum Pleon entstand. Für unsere Agentur ist er nach wie vor mit anspruchs-vollen Beratungsmandaten für alte und neue Kunden tätig. Außerdem führt er die von ihm gegründete
Stiftung „Change Centre“ sowie die gleichnamige Beratungsgesellschaft für Non-Profit-Kunden und ist als Honorarprofessor für politische Kommuni-kation an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf tätig.
@Christin Käpplerarbeitet am Münchener Standort für das Change-Team von Ketchum Pleon. Ihre Erkenntnis: Es gibt keine Schablone für erfolgreiche Change-Projekte, die Kreu-zung aus Erfahrung und Empathie machts.
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POSITION BEZIEHENVon der Notwendigkeit einer neuen unternehmerischen Haltung. Ein Beitrag von Dirk Popp, CEO Ketchum Pleon.
Marissa Mayer von Yahoo steckt in einer Zwickmühle: Sie ist die
vielleicht modernste Managerin eines spannenden Onlineunterneh-
mens, das jeden Tag mit neuen Techniken und Trends hantiert und
vor der Herausforderung steht, sich neu erfinden zu müssen. Oder
zu dürfen. Dabei bedient sie sich jedoch eines derart autoritären
Führungsstils, mit detailversessenen Effizienzkontrollen und um-
strittenen Bewertungssystemen, dass hier zwei Welten aufeinander-
treffen. Sie symbolisieren den Scheideweg, an dem Führungs -
kräfte heute oft stehen. Sie agieren in einem Umfeld voller neuer
Technologien, mit mehr Transparenz und neuen Arbeitsmodellen und
-generationen. Also einem Umfeld, das jeden Tag Entscheidungen
vom Management fordert, für die es keine Vorlage und keine Anlei-
tung gibt. In vielen Unternehmen stünden eigentlich radikale Neue-
rungen, zum Beispiel durch Budgetshifts oder moderne Teamstruk-
turen, auf der Tagesordnung, doch aus meiner Erfahrung greifen die
meisten Manager genau in diesem Moment lieber auf „altbewährte
Prozesse und Standards“ zurück, die jedoch nicht mehr passen. Um
in Zukunft Mitarbeiter hinter sich zu versammeln und das Unterneh-
men gemeinsam nach vorne zu bringen, braucht es stattdessen
etwas anderes: eine klare Haltung. Diese begünstigt intern die
gemeinsame Kommunikationskultur, da sie Orientierung gibt. Sie
schafft extern eine klare Positionierung gegenüber den Stakehol-
dern. Und sie fördert drittens die Innovationsfähigkeit von Unterneh-
men. Schauen wir uns diese drei Bereiche genauer an.
1. Haltung als Kitt für die Kommunikationskultur
Der Einklang der Kommunikationsinhalte wurde lange Zeit mit Kon-
zepten wie der „One-Voice-Policy“, „verbindlichen Corporate Guide-
lines“ und hierarchischen Informations- und Freigabekaskaden
angestrebt. Angesichts der zunehmenden Echtzeitkommunikation
bzw. der daraus erwachsenen Erwartungshaltung der Kunden an die
Reaktionsgeschwindigkeiten von Unternehmen haben diese Kon-
zepte ausgedient. Statt One-Voice geht es auf einmal um eine
„Polyphonie“, in der alle Mitarbeiter gewollt oder ungewollt eine
zentrale Rolle für die Reputationsbildung spielen – bei Freunden,
22 // PoSITIoN bEzIEHEN
PoSITIoN bEzIEHEN
Bekannten und in allen Kanälen, in denen sie privat oder beruflich
kommunizieren (siehe auch die Ergebnisse des Ketchum Leader-
ship Communication Monitors 2013, KLCM). Die unternehmeri-
sche Haltung ist im Optimalfall der neue Kitt, der diese vielstimmi-
gen Repräsentanten verbindet. Sie stiftet Orientierung für das
Verhalten und fördert und fordert gleichzeitig die Selbstständigkeit
und Eigeninitiative der Mitarbeiter. „Discerning a clear future through
the fog of today“, übersetzt der KLCM, nur so kann im „neuen“
Umfeld zumindest ein Gefühl von Sicherheit geschaffen werden. Die
persönliche Einstellung, die erforderlich ist, um dieses Neuland
betreten zu können, beschreibt Brian Solis von der Alimeter Group
als „Lean Forward“-Einstellung. Nicht dem Altbekannten verhaftet
bleiben, sondern sich aufgeschlossen in Richtung Zukunft wenden –
aber ohne die Balance zu verlieren. Wer also selber eine klare Hal-
tung in Bezug auf Themen, Ansprüche und Zusammenarbeit ein-
nimmt – siehe hierzu auch den Artikel „Und wofür stehen Sie?“ –,
kann diese auch an die eigenen Mitarbeiter vermitteln.
2. Klare Kante im externen Auftritt
In der externen Wahrnehmung macht eine Haltung Kommunikatoren
und Unternehmen unterscheidbar (siehe hierzu auch die ECCOS-
Studie). Vielerorts hat der Perfektionismus in der klassischen
Medienarbeit Einzug gehalten – und mit ihm die Langeweile. Spitzen
und Kanten werden weggehobelt, die Teflon-Beschichtung hat die
Kommunikations-Professionals erreicht. Interviews werden dreifach
autorisiert, bis vom Inhalt und von der Persönlichkeit des Interviewten
nichts mehr übrig bleibt. Dies führt dazu, dass über kurz oder lang
alle Unternehmen auf eine fast gleiche Art und Weise kommunizie-
ren (übrigens gilt dies auch für Agenturen) – wenn sie nicht den Mut
aufbringen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Das bedeu-
tet ausdrücklich nicht, dass jeder Manager die Untiefen seiner Seele
offenbaren soll, aber seine Meinung äußern und dabei auch zu Stär-
ken und Schwächen stehen kann. Und zwar ohne dass Anleger,
Medien und Internet-Trolle direkt zum Protest aufrufen. Mit einer
klaren Haltung entstehen in der Außenwirkung Authentizität und
Glaubwürdigkeit. Faktoren, die für Kunden bei der Einschätzung von
Unternehmen entscheidend sind. Der Einklang von Worten und
Taten von Unternehmen bzw. dem CEO spielt dabei eine besondere
Rolle und beeinflusst nachweislich auch die Bewertung des Unter-
nehmens und den Kauf von Produkten (ECCOS).
3. Haltung als triebwerk für Innovationen
Drittens beeinflusst die Haltung auch konkret, wie das Unterneh-
men in die Zukunft steuert und wie Mitarbeiter mit Ressourcen für
Entwicklungen und Ideen umgehen. Tragfähige Ideen entstehen sel-
ten top down, die Mitte der Organisation muss zum Mitmachen
motiviert werden. Kein leichtes Unterfangen. Nicht nur die Füh-
rungskraft, sondern auch die Mitarbeiter müssen eine neue Haltung
lernen, geprägt von Vertrauen, Verantwortung und Eigeninitiative.
Und wie funktioniert das? Einige Beispiele: Als Best Practices für
Innovationskulturen werden gerne Coke, Apple und Google zitiert,
die ihren Mitarbeitern gezielt ein Zeitkontingent für Ideenentwick-
lung zur Verfügung stellen. Für Innovationsneulinge geht es jedoch
auch in kleineren Schritten. Um den Denkstrukturen der eigenen
Leute auf die Sprünge zu helfen, sind zum Beispiel Innovations -
labore als „Labs“ (Bsp. das Creation Center oder die T-labs 2.0)
derzeit en vogue. Auch institutionalisierte – und damit oftmals zu
komplizierte – Ideenmanagement-Prozesse finden Einzug in die Kon-
zernhallen. Leichter geht es mit der Nutzung inspirierender Arbeits-
methoden, wie Kreativtechniken oder zum Beispiel dem Ansatz des
Design-Thinking des Institute of Design der Stanford University.
Auch Kreativworkshops, Co-Creation-Ansätze und regelmäßige Out-
of-the-box-Impulse können inspirieren und einen Schub in die rich-
tige Richtung geben. Die Vorteile all dieser Ansätze: Ideenentwick-
lungen werden bewusst angegangen, um Mitarbeiter aus dem
gelernten Alltag zu holen. Dennoch: Nur weil die Mitarbeiter Lauf-
schuhe gestellt bekommen, fangen sie a) noch nicht an zu laufen
und b) auch nicht unbedingt in die richtige Richtung. Im Optimalfall
gelingt es jedoch, durch eine entsprechende (vorgelebte) Haltung
eine neue Kultur des Mitmachens, der Entscheidungen und der
Eigenverantwortung zu prägen, in der nicht alles verworfen und neu
erfunden werden muss, jedoch kritisch hinterfragt und optimiert
werden darf.
Fazit: Unternehmen brauchen Haltung. Dabei geht es weder um eine
neue Arbeitsanweisung noch um einen neuen Trend. Haltung wird
durch Personen verkörpert. Die Förderung authentischer Persönlich-
keiten mit eigenen Meinungen und klaren Positionen rückt damit in
den Mittelpunkt. Haltung kann Innovationsentwicklung fördern, die
nächste große Aufgabe der Wirtschaft. Manager und Mitarbeiter
brauchen hierfür jedoch Mut. Zum „Nein“- wie zum „Ja“-Sagen,
gegenüber den eigenen Kollegen, dem Vorstand, dem internationa-
len Board, Journalisten und Kritikern. „Jein“ und Prokrastinations-
taktiken werden gestrichen. Schlechte Zeiten für Opportunisten und
Verwalter. Die Rückbesinnung auf diesen unternehmerischen Klassi-
ker symbolisiert aus meiner Sicht ein Revival der Echtheit, mit Mut
zu Ecken und Kanten, die weder perfekt noch immer bequem sind,
aber überraschend authentisch. Und echten Menschen – und Unter-
nehmen – vertraut und folgt man. //
WEItErfüHrENDE LINKS
Die aktuellen Ergebnisse des Ketchum Leadership Communication Monitors 2013 finden Sie unter http://bit.ly/YtkGgo, die ECCOS-Studie hier: http://slidesha.re/1dnqAN2.
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Januar 2014
Ketchum Pleon GmbHBahnstraße 2
40212 Düsseldorf
Konzept und Realisierung: Business Development Deutschland
Schlussredaktion: Ulrich Nitsche, Thomas Fischer
Layout: Yasmine Cordes, Mario Föllmer
Fotos und Illustration:
Yasmine Cordes
Infografik:Isabel Schaller
Produktion: Stefanie Strieker