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Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

Date post: 25-Jan-2015
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In der neuen Ausgabe des Ketchum Pleon Inspire-Magazins geht es um die Frage, was gute Veränderungs- bzw. Change-Kommunikation ausmacht. Erinnern Sie sich noch an die Megadeals der 90er-Jahre, wie beispielsweise ThyssenKrupp, Vodafo-ne/Mannesmann oder ExxonMobil, die ganze Branchen umkrempelten? Derartige Fusionen, M&As oder auch Produktionsverlagerungen waren lange Zeit der klassische Auslöser für Projekte der Change-Kommunikation. In den letzten Jahren sind neue Themen für die Veränderungskommunikation hinzugekommen, denn im digitalen Wandel stoßen viele Unternehmensstrukturen und -kulturen an ihre Grenzen und müssen sich einer selbstverordneten Verjüngungskur unterziehen. Die Change-Kommunikation war schon immer ein Feld für Kommunikatoren mit Fingerspitzengefühl. Und mit Visionen. Zunächst gilt es – wie auch der Titel „Love it, change it, leave it“ unserer Ausgabe betont –, die Notwendigkeit zu erkennen und aus der Passivhaltung auszubrechen, die in vielen Unternehmen vorherrscht. Im zweiten Schritt geht es darum, nicht nur ein ambitioniertes Team zu finden und einzuschwören, sondern ganze Mitarbeiterscharen auf einen längeren und nicht immer bequemen Wandelpfad mitzunehmen. Gerade bei alteingesessenen Mitarbeiterteams eine spannende Herausforderung. Mehr denn je ist es wichtig, nicht nur Prozesse und Informationskaskaden zu planen, sondern eine neue unternehmerische Haltung einzunehmen und eine Vision von der Veränderung zu schaffen. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Inhalt: Unsere Autoren diskutieren Sinn und Unsinn eines unter-nehmerischen Leitbildes, wie Storytelling auch bei Change-Projekten helfen kann und was es denn nun mit den Millennials auf sich hat. Es geht um die Bedeutung von Leadership und die Notwendig-keit, ein eigenes Tempo zu finden, und warum wir als Kommunikatoren eine neue Haltung und eine klare Positionierung brauchen. Viel Spaß bei der Lektüre.
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Das Themenmagazin von Ketchum Pleon | Januar 2014 Love it, change it, leave it Inspire #05 Schwerpunkt Change-Kommunikation
Transcript
Page 1: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

Das Themenmagazin von Ketchum Pleon | Januar 2014

Love it, change it, leave it

Inspire #05

Schwerpunkt Change-Kommunikation

Page 2: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

SCHWERPUNKT CHANGE

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

erinnern Sie sich noch an die Megadeals der 90er-Jahre, wie beispielsweise

ThyssenKrupp, Vodafone/Mannesmann oder ExxonMobil, die ganze Bran-

chen umkrempelten? Derartige Fusionen, M&As oder auch Produktions-

verlagerungen waren lange Zeit der klassische Auslöser für Projekte der

Change-Kommunikation. In den letzten Jahren sind neue Themen für die

Veränderungskommunikation hinzugekommen, denn im digitalen Wandel

stoßen viele Unternehmensstrukturen und -kulturen an ihre Grenzen und

müssen sich einer selbstverordneten Verjüngungskur unterziehen.

Die Change-Kommunikation war schon immer ein Feld für Kommunikatoren

mit Fingerspitzengefühl. Und mit Visionen. Zunächst gilt es – wie auch der

Titel „Love it, change it, leave it“ unserer Ausgabe betont –, die Notwendig-

keit zu erkennen und aus der Passivhaltung auszubrechen, die in vielen

Unternehmen vorherrscht. Im zweiten Schritt geht es darum, nicht nur ein

ambitioniertes Team zu finden und einzuschwören, sondern ganze

Mitarbeiter scharen auf einen längeren und nicht immer bequemen Wandel-

pfad mitzunehmen. Gerade bei alteingesessenen Mitarbeiterteams eine

spannende Herausforderung. Mehr denn je ist es wichtig, nicht nur Prozesse

und Informationskaskaden zu planen, sondern eine neue unternehmerische

Haltung einzunehmen und eine Vision von der Veränderung zu schaffen.

Wie das funktionieren kann, erzählen unsere Autoren in der fünften Aus-

gabe unseres Inspire-Magazins. Nach einem Überblick über die klassische

Change-Kommunikation und ihre Herausforderungen widmen wir uns ein-

zelnen Aspekten, wie zum Beispiel dem Storytelling für Change-Projekte

oder den misstrauisch beäugten Millennials. Das Thema Leadership wird

eine besonders wichtige Rolle spielen, denn Change ohne Leadership funk-

tioniert nicht (mehr). Ganz gemäß dem Motto: Wer etwas ändern will, muss

den Mut haben, vorauszugehen.

Ihr Team von Ketchum Pleon

PS: Die digitale Version des Magazins finden Sie auf unserem Blog

www.kpg-blog.de

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Page 3: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

INHALT

4 Hausmittel gegen den Change-Blues Müde und abgeschlagen, sobald die nächste Veränderung im Unternehmen kommuniziert wird? Diese Tipps helfen.

6 Treiber des Wandels Verschiedene Change-Typen halten uns in Trab: der Versuch einer Systematisierung.

8 Die Leidtbild-DebatteLeitbilder sind berühmt und berüchtigt. Warum sie jedoch mehr können als oft unterstellt, verrät dieser Artikel.

10 Unternehmen sind keine Märchenonkel Warum Veränderungskommunikation von einer starken Geschichte und echten Emotionen profitiert.

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Achtung, Millennials!Verändert eine neue Generation die Arbeitswelt? Ein Blick auf die jungen Wilden.

Und – wofür stehen Sie? Themenzentrierte Führung macht den Gedanken des Agenda-Settings für die eigene Leadershiparbeit nutzbar.

16 Der Kunde am Schreibtisch neben mir Wenn Kunden auf einmal einen zentralen Part bei der Produktentwicklung spielen, entstehen Ängste – und Chancen.

18 The Wizard of MarCom Zwischen Kundenkontakt und Prozess-optimierung. Ein Ausflug in die wundersame Welt des Marketings.

20 Das richtige Tempo Interview mit Prof. Joachim Klewes über Regatten, Schnelligkeit und die Kunst, auch mal Nein zu sagen.

22 Position beziehenVerstecken gilt nicht mehr. Mitarbeiter und Öffentlichkeit erwarten eine Meinung. Und Entscheidungen.

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Page 4: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

Alles im Wandel, alles im Fluss … Gebetsmühlenartig wiederholen

Unternehmen das Change-Mantra und lösen dauerhaften Vollalarm

aus: „Wir müssen uns an die Märkte anpassen! Die Kunden noch

besser bedienen! Ein neues Geschäftsmodell entwickeln! Und end-

lich die IT konsolidieren!“ So ruft es das Management regelmäßig in

die Organisation hinein – aber als Reaktion erntet es allenfalls ein

müdes Schulterzucken. Zugegeben, die Liste von einst erfolgreichen

Unternehmen, die quasi über Nacht vom Markt verschwinden, ist

lang. Und die Marktführer verteidigen ihre Position gewiss nicht,

indem sie sich zufrieden zurücklehnen. Aber wer sein Allheilmittel

im Aktionismus sucht, führt die Organisation zielsicher in einen

Zustand des kollektiven Burn-outs. Lähmung statt der erhofften

Bewegung ist die Folge. Gegen chronische Organisationserschöp-

fung gibt es zwar kein Allheilmittel, aber einige wirkungsvolle Wach-

macher, die nur richtig dosiert werden müssen.

Hausmittel Nummer 1: das Kernteam. Sorgt für Klarheit.

Das Top-Management hat sein Commitment für die geplante

Change-Initiative zugesichert? Dumm nur, dass die meisten Mit-

arbeiter die Botschaften ihres CEO zwar zur Kenntnis, sie sich aber

nicht zu Herzen nehmen. Sie orientieren sich vielmehr an den Aus-

sagen und am Verhalten ihrer direkten Vorgesetzten. Noch wichtiger

sind für sie die internen Netzwerker: Kollegen, die gut verdrahtet

sind und bereichsübergreifend Respekt genießen. Klar im Vorteil ist,

wer diese Schlüsselfiguren jeder Change-Initiative in sein Kernteam

aufnimmt. Sie bringen nicht nur die erforderliche Überzeugungskraft

mit, sondern sorgen zusätzlich für eine interdisziplinäre Aufstellung.

Bevor es mit seiner Arbeit loslegt, sollte das Kernteam zunächst

einen offenen Dialog über grundlegende Projektziele und -inhalte

führen. Klingt zunächst banal, ist aber ausgesprochen wichtig.

Wie wichtig, zeigt der folgende Test: Bitten Sie die Mitglieder

Ihres Projektteams, zwei Fragen jeweils in einem Satz zu beant-

worten: „Was machen wir in unserem Projekt?“ „Warum machen

wir das?“ In den meisten Fällen werden Sie auf die gleichen

Fragen viele verschiedene Antworten erhalten. Unsere Erfahrung

zeigt: Ein professionell aufgesetzter Alignment-Dialog im Kernteam –

ob im Rahmen eines Workshops oder per Einzelinterviews  – ist

notwendig, um die Stimmen der wichtigsten Multiplikatoren-

DER CHANGE-BLUES Müde? Abgeschlagen? Antriebslos? Vier Hausmittel gegen die Corporate-Krankheit des Jahrzehnts.

Page 5: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

CHANGE-bLUES

Gruppe zu orchestrieren. Nur so entsteht eine einheitliche Vision

des Wandels, die sich über Teilprojekte, Funktionen und Regionen

hinweg kommunizieren lässt.

Hausmittel Nummer 2: informelle Information. Schafft virale Effekte.

Das Kernteam steht und hat Klarheit über seine Ziele? Dann sollte es

jetzt in einem nächsten Schritt darum gehen, das Konzept auf die

Straße zu bringen. Zeit für einen echten Change-Klassiker, die Kom-

munikationskaskade – oder? Wer seine Führungskräfte dazu anhält,

die Kernbotschaften vom Top-Management abwärts auf die nächste

Hierarchiestufe zu vermitteln, muss sich über Lähmungserscheinun-

gen nicht wundern: Relevante Informationen dringen, wenn über-

haupt, nur verzögert bis zur Basis durch. In den meisten Fällen ist

das mittlere Management schlicht damit überfordert, strategische

Initiativen in einen Kontext zu betten oder sogar den Beitrag des

eigenen Teams abzuleiten.

Die Alternative? Virale Effekte und der „Spread the Word“-Mechanis-

mus. Auch hierfür lohnt es sich, ein gut verdrahtetes, erweitertes

Kernteam an der Hand zu haben, das glaubwürdig für Ideen eintritt.

Die Mitglieder können so jenseits langer Workshop-Schleifen und

Training-Sessions den Diskurs eröffnen, sei es über das Gespräch

auf Fluren, in der Kaffeeküche oder bei Firmenfeiern. Auf informel-

lem Wege werden so eigene Erlebnisse geteilt und glaubwürdige

Erfolgsgeschichten verbreitet. Hinter allen Erzählungen muss nur

immer die eine konsistente Kernbotschaft des angestrebten Wandels

durchscheinen: Was soll am Ende herauskommen? Wie sieht der

Weg dorthin aus? Was wird vom Einzelnen erwartet?

Hausmittel Nummer 3: digitaler Dialog. Aktiviert Mitmachkräfte.

Ein weiterer Tipp gegen die Change-Schlappheit: Wer mitmachen

darf, schläft weniger schnell ein. Um ihre Mitarbeiter einzubinden,

können Unternehmen heute auf vielfältige digitale Kommunikations-

instrumente zurückgreifen. Die Belegschaft kann sich darüber in

Echtzeit zu den Veränderungsthemen austauschen und aktiv mit den

Projektinhalten auseinandersetzen. Eine Möglichkeit hierfür sind

zum Beispiel interaktive Comic-Geschichten, die neue Verhaltens-

weisen einordnen: Ein Protagonist durchlebt im Unternehmen Her-

ausforderungen, die er nur bewältigt, wenn er seine Denk- und

Handlungsmuster anpasst. Die Mitarbeiter können regelmäßig

abstimmen, wie die Geschichte fortgeführt wird. Eine Kommentar-

funktion ermöglicht es ihnen darüber hinaus, den Verlauf zu diskutie-

ren. Bei Nokia Siemens Networks wurde der Learning Comic zum

Beispiel erfolgreich an eine interne Qualitätskampagne geknüpft.

Eine weitere Alternative, die die Veränderungsbereitschaft einzelner

Mitarbeiter auf den Prüfstand stellt, ist die Onlinesimulation von

erfolgskritischen Entscheidungsszenarien. Die Teilnehmer können

hier aus verschiedenen Alternativen auswählen, etwa welche Hand-

lungsoption einem neu definierten Leitbild entspricht. Zur gewählten

Alternative und zu möglichen Auswirkungen erhalten die Mitarbeiter

direktes Feedback.

Hausmittel Nummer 4: Projekt-Pit-Stops. Beugt Beschwerden vor.

Unternehmen sollten jeweils prüfen, inwieweit welche Formate der

eigenen Kultur entsprechen. Aber sie sollten auch bereit sein, mit

Interaktion zu experimentieren. Oft wird die Teilnahmebereitschaft

der Mitarbeiter unterschätzt. Dagegen befreit man die Belegschaft

mit dem x-ten Workshop oder Großgruppen-Event kaum aus ihrer

Change-Müdigkeit. Das Kernteam braucht hier unbedingt Rückende-

ckung durch das Top-Management, wenn es den Change-Prozess so

abwechslungsreich und flexibel wie möglich gestalten möchte.

Gerade diese hohe Anpassungsfähigkeit sicherzustellen, gehört zu

den größten Herausforderungen. Je weiter der Prozess voranschrei-

tet, desto mehr wird das Kernteam mit Unwägbarkeiten und Überra-

schungen konfrontiert, die wieder neue Schritte erfordern. Daher

ist es zu empfehlen, regelmäßige Pit-Stops durchzuführen, um zu

reflektieren: Sind wir noch in der Spur? Wo laufen wir Gefahr, uns zu

verzetteln? Wo kommen wir einfach nicht weiter – aber auch: Was

haben wir schon erreicht und können wir es kommunizieren?

Genauso wichtig wie ein guter Start ist der erfolgreiche Abschluss

eines Change-Projekts, der jedem Beteiligten die Möglichkeit gibt,

die wichtigsten Lernerfahrungen abzuleiten und neue Energie zu

tanken. Denn die nächste Veränderung kommt bestimmt. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Diesmal drei Buchempfehlungen unserer Autoren: R. Langen, J. Klewes (2008): Change 2.0 beyond organisational transformation; J. P. Kotter (2006): Das Pinguin-Prinzip. Wie Veränderung zum Erfolg führt. Oder L. Dörfel (2007): Interne Kommunikation – Die Kraft entsteht im Maschinenraum.

@Michaela Hasebegleitet im Münchener Change Team Unternehmen bzw. Abteilungen bei Veränderungsprozessen. „Die einzelnen Schritte müssen dabei immer nachvollziehbar sein“, ist sie überzeugt.

@Daniel Colomaarbeitet ebenfalls im Münchener Büro und sieht die große Kunst erfolgreicher Change-Kommunikation darin, alle Beteiligten auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen. Auch wenn mal Ansagen gemacht werden müssen.

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Page 6: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

TREIBER DES WANDELS

Globalisierung

Work-Life-Balance

Demographischer Wandel

Diversity & Inclusion

Flexibilisierung

Wissensgesellschaft

Lebenslanges Lernen

Emerging Markets

// Unverständnis für „weiches Thema“

// Mangelnde Reflexion der eigenen Verhaltensmuster

// Auf Führungsebene Gefühl der Über- forderung und Angst vor mehr Transparenz

// Fehlende Unterstützung aus dem Top-Management

// Lähmung von Prozessen und Infragestellung von Routinen

// Skepsis und Berührungsängste zwischen Unternehmen und Organisationseinheiten

// Wut, Widerstand und Demotivation der Mitarbeiter

orGanIsatIon KuLtur

Zum BeispielKundenorientierungsprogramm,

Führungskräfteentwicklung, Werteimplementierung

Zum BeispielBereichszusammenfassung,

Mergers & Acquisitions, Restrukturierung & Downsizing

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TREIbER dES WANdELS6 //

Page 7: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

Ob das Zeitalter des lebenslangen Lernens ausgerufen wird oder digitale Netzwerke das Miteinander revolutionieren – gesellschaftliche Trends treiben den Wandel in den Unternehmen voran und beeinflussen deren Organisationsstruktur, Unternehmenskultur, Geschäftsstrategie und die IT-Systeme. Change-Manager und Change Kommunikatoren stehen bei jedem

Veränderungsszenario vor unterschiedlichen Herausforderungen. Ein gemeinsamer Erfolgsfaktor bleibt: Change kann nur gelingen, wenn er

mit den Menschen vollzogen wird und das Management gezielt den Dialog sucht.

nachhaltigkeit

Mass-Customization

social Media

Big Data

Digital Lifestyle

// Unverständnis und Vertrauensverlust

// Unsicherheit in Bezug auf Zielsetzung

// Bei Mitarbeitern keine Notwendigkeit für Strategiewechsel erkennbar

// Ablehnung und Protest, weil z.B. Mehrwert nicht erkennbar

// Angst vor mehr Transparenz in den Aufgaben/Rollen/Verantwortlichkeiten

// Angst vor fehlender Kompetenz/ Qualifikation

stratEGIE I t & ProzEssE

Zum BeispielEnterprise 2.0,

Logistikprogramm, Softwareeinführung

Zum BeispielVision/Mission,

Internationalisierung, Vertriebsstrategie

@Isabel Schallerist Artdirektorin in Düsseldorf und findet, dass Infografiken das ideale Medium für komplexe Themen sind.

TREIbER dES WANdELS // 7

Page 8: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

UNTERNEHMENSIDENTITÄT AUF DEM PRÜFSTAND Warum Werteprozesse Geschäftstreiber sein können. Und oft nicht funktionieren.

Page 9: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

UNTERNEHmENSIdENTITäT

Das Leitbild hat wieder Konjunktur, denn der Wunsch nach Orientie-

rung in einer sich immer schneller drehenden Unternehmenswelt

wächst. In der klassischen Form beschreibt es den Zweck, die lang-

fristige Entwicklung und die Art und Weise der internen Zusammen-

arbeit bzw. des Außenauftritts einer Organisation  – anders aus-

gedrückt umfasst das Leitbild Mission, Vision, Werte und

Führungsgrundsätze. Es stiftet Identität und fördert die Identifika-

tion. So weit die Wunschvorstellung. In der Realität hören viele

Unternehmen allerdings genau dann auf, wenn die eigentliche Arbeit

beginnen sollte. Denn für gewöhnlich steht am Ende des Werte-

oder Leitbildprozesses lediglich eine Broschüre – Absender: der Vor-

stand –, die dann via Verlautbarungskommunikation in die Organisa-

tion gespielt werden soll. Das Motto: „Jetzt bitte leben!“ Wer so

vorgeht und die Mitarbeiter in die Entwicklung des Leitbilds nicht

einmal einbezieht, darf sich über mangelnde Begeisterung nicht

wundern. Die Reaktion der Belegschaft ist erwartbar: „Gelesen,

gelacht, gelocht.“ Auch weil sie häufig eine große Kluft zwischen

Sollprofil und erlebter Realität wahrnimmt.

Gerade ein Wert wie Vertrauen wird leicht ad absurdum geführt,

wenn das Unternehmen den Mitarbeitern durch komplexe Unter-

schriftenregelungen eben jenes nicht zuspricht. Wenn Partizipation

gepredigt, aber Top-down-Verordnungen gelebt werden. Wenn eine

bessere Kundenorientierung gefordert ist, es aber eigentlich nur

darum geht, immer das Beste für die Firma herauszuholen.

In der Entwicklung eines Leitbilds vergeben sich Unternehmen viel

Potenzial, wenn sie den Dialog über die bestehende und gewünschte

Kultur oder Ausrichtung nicht in die gesamte Organisation tragen. Wie

es besser geht, hat zum Beispiel die Festo AG vorgemacht, ein welt-

weit führender Anbieter von Lösungen für die Industrieautomatisie-

rung. In einem mehrstufigen Werteprozess hat das Top-Management

zunächst den Rahmen abgesteckt. Grundlage waren sogenannte

Cultural Drawings – von den Führungskräften erstellte Zeichnungen,

die existierende und gewünschte Verhaltensweisen bei Festo illust-

rierten. Sie gaben Antworten auf Fragen wie: Was macht uns stolz?

Was sind Dos and Don’ts bei Festo? Welche Situationen illustrieren

unsere Kultur am besten? 300 Führungskräfte weltweit setzten sich

auf diese Weise mit den künftigen Werten auseinander.

Zusätzlich prüfte ein bereichsübergreifendes Sounding Board die ersten

Entwürfe des Zielbilds in enger Abstimmung mit einem Wertekomitee.

In einem nächsten Schritt wurde der unternehmensweite Dialog eröff-

net: Im Intranet diskutierten die Mitarbeiter anhand von Thesen die vor-

geschlagenen Kulturdimensionen. Bei diesem Culture-Square wurden

die Mitarbeiter pro Dimension mit zwei unterschiedlichen Ausprägun-

gen im Sinne eines „mehr davon“ oder „weniger davon“ konfrontiert:

Soll das Unternehmen beispielsweise eher vorsichtiger oder eher muti-

ger in seinen Entscheidungen agieren? Auf Grundlage der Culture-

Square-Ergebnisse konnte das Projektteam schließlich prägnante und

differenzierende Werte formulieren. Mit der Verabschiedung durch den

Vorstand erfolgte dann der Startschuss für die weltweite Einführung –

in Form von Dialogformaten bis auf Teamebene.

In vielen Unternehmen begegnen die Mitarbeiter Werteworkshops

zunächst mit großer Skepsis. Sie befürchten, in Harmoniesoße ertränkt

zu werden. Ein Großteil der Teilnehmer kommt dann aber erstaunt aus

den Veranstaltungen heraus und stellt fest: Dieser Tag hat uns in unse-

rem Geschäft bzw. in unserer Zusammenarbeit weiter gebracht als alle

Jours fixes der vergangenen vier Wochen zusammen.

Dies ist immer dann der Fall, wenn Unternehmen den Werte- oder Leit-

bildprozess mit ihren Geschäftsprozessen verzahnen. Denn Werte sind

kein Selbstzweck. Sie dienen als Instrument, um zentrale Themen auf

den Tisch zu bringen, etwa Tabus innerhalb von Teams oder Graben-

kämpfe zwischen Abteilungen. Ein gemeinsames Verständnis schärft

den Blick für das unternehmerische Ganze und bringt auf den Punkt:

Was ist uns wichtig? Dass bei der Kommunikation eines Leitbilds längst

nicht mehr die Broschüre die erste Wahl ist, zeigt das Beispiel eines

Energieversorgers. Das Unternehmen musste eine umfassende

Restrukturierung durchlaufen und entschied sich, den Ist- und Soll-

Zustand der Organisation in einer Storymap zu visualisieren. Die darge-

stellten Szenen aus dem Unternehmensalltag bieten hohes Identifikati-

onspotenzial und erleichtern die Diskussion über Stärken und Schwächen.

Alle Abteilungen und Teams haben – im wahrsten Sinne des Wortes – ein

gemeinsames Bild vom Zustand der Organisation und ein gemeinsames

Verständnis darüber, wie der Weg in die Zukunft verläuft.

Fazit: Ein Leitbildprozess kommt erst dann voll zur Wirkung, wenn

der Verankerung mindestens so viel Zeit eingeräumt wird wie dem

Entwicklungsprozess und die Kommunikation nicht nur auf Kampag-

nenelemente vertraut. Leitbilder werden lebendig, wenn sie hierar-

chie- und bereichsübergreifend einen Diskurs auslösen und die Mit-

arbeiter dazu motivieren, sie mit eigenen Geschichten zu füllen. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Zehn Erfolgsfaktoren, um mit Werten Wert zu schöpfen, nennt in folgen-dem Artikel Harvard-Professor Rosabeth Moss Kanter: http://blogs.hbr.org/2010/06/ten-essentials-for-getting-val/

@Markus Czeslikleitet als Senior Consultant das deutschlandweite Change-Team von Ketchum Pleon mit Sitz in München. Aktives Zuhören und hohe Empathie sind zwei seiner wichtigsten Arbeits-werkzeuge.

@Kerstin Straubingerist Associate Consultant Change und überzeugt, dass Werte sowohl im Unternehmen als auch in der Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielen werden.

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Page 10: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

UNTERNEHMEN SIND KEINE MÄRCHENONKELWarum Veränderungsprozesse trotzdem eine Geschichte brauchen.

„The only people who like change are wet babies.“ Das war mein

erster Gedanke, als ich den Hörer auflegte. Gerade hatte ich eine der

kürzesten Telefonkonferenzen als Geschäftsführerin beendet – und

dieses Telefonat sollte mein bisheriges Leben auf den Kopf stellen.

Fast zwanzig Jahre lang war ich im gleichen Unternehmen. Hier

fühlte ich mich wie zuhause, war eingebunden in alle Entscheidun-

gen und agierte unter Freunden. Mit einem Schlag sollte sich das

ändern. Es kamen Fremde hinzu, die mir wie Eindringlinge in unsere

heile Welt vorkamen. Plötzlich war alles neu. Ich hatte nicht um diese

Reise gebeten. Sie wurde mir einfach aufgezwungen. Ich musste

mich verändern. Und so stürzte ich mich in mein neues Schicksal …

Haben auch Sie eine Geschichte, die Ihr Leben veränderte? Es gibt

unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Einige erzählen ihre

eigene Geschichte, andere verweisen auf etwas, was sie gehört

oder gelesen haben. Die Bibel, der Koran, aber auch „Der Alchimist“

(Paulo Coelho), „Der kleine Prinz“ (Antoine de Saint-Exupéry) und

„Der Fänger im Roggen“ (J. D. Salinger) werden oft genannt.

Geschichten sind mächtig. Sie können Selbstmorde auslösen (Goe-

thes „Werther“) und vor Selbstmord warnen (Christiane F.:„Wir Kin-

der vom Bahnhof Zoo“). Sie können die Angst vor der Dunkelheit

nehmen (C. S. Lewis: „Die Chroniken von Narnia“) und ein Licht der

Hoffnung entzünden (H. B. Stowe: „Onkel Toms Hütte“).

Storytelling ist derzeit eines

der meistdiskutierten The-

men unter Kommunikati-

onsexperten. Zu fast jedem

Thema scheint „Storytelling“ der Schlüssel zum Erfolg. Daher wundert

es kaum, dass sich auch Change-Manager, HR-Abteilungen und

Betriebspsychologen mit der „Kraft der Geschichte“ beschäftigen.

Change-Manager erkennen die „Kraft der Geschichte“

Page 11: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

SToRyTELLING & CHANGE

Zu Recht, denn die Persuasionsforschung hat schon lange nachge-

wiesen, dass gute Geschichten überzeugender wirken als Fakten.

Skeptiker erreicht man damit eher als mit sachlichen Argumenten

oder nüchternen Statistiken. Neurowissenschaftler kennen den

Grund: Während Daten gezielt einzelne Bereiche unseres Gehirns

aktivieren, sprechen Geschichten eine ganze Reihe von Gehirn-

regionen an. Geschichten arbeiten mit Bildern. Sie sind „Kino im

Kopf“. Sie wecken Emotionen, verankern Informationen und lösen

Assoziationen aus. Und das Beste: Gute Geschichten sind „viral“.

Sie werden wieder und wieder erzählt. „Sharing“ nennt man das

heute. Was aber macht eine gute Geschichte – eine gute Corpo-

rate Story – aus?

fünf Komponenten sorgen für den Erfolg

Jede Geschichte braucht einen guten Grund, um erzählt zu werden.

Der Anfang jeder Corporate Story ist daher eine klare Positionierung

der Unternehmensmarke (Meaningful Brand), die überzeugende

Antworten gibt auf die Frage: „Was will dieses Unternehmen errei-

chen?“ (Vision).

Jede gute Geschichte braucht einen Helden, der klar erkennbar ist.

Denn wir identifizieren uns leichter mit einer einzelnen Person als

mit anonymen Gruppen. Noch ein Tipp: Das Unternehmen muss

nicht zwangsläufig der Held in der Geschichte sein, vielleicht ist es

auch mal der Mitarbeiter oder der Kunde.

Jede gute Geschichte startet mit einem Konflikt: In der Unterneh-

menskommunikation sind wir eigentlich gewohnt, über Lösungen zu

sprechen. Doch gute Geschichten leben vom Drama, von den Her-

ausforderungen, die der Held meistern muss. Durch den Konflikt

baut sich die Spannung einer Geschichte auf. Und die Lösung

erstrahlt umso heller, je ausführlicher der Konflikt dargestellt wurde.

Gute Geschichten berühren uns emotional und unterhalten. Sie

müssen mit Herz (und Schmerz) erzählt werden, nur dann öffnen sie

auch das Herz von Skeptikern. Eine Herausforderung für viele Unter-

nehmenskommunikatoren, die gewohnt sind, mit sachlichen

Reports und seriösen Artikeln zu informieren.

Gute Geschichten sind inspirierend und viral. Genau das muss der

Anspruch an Corporate Storytelling sein. Gute Geschichten machen

im Unternehmen von allein die Runde. Dafür gilt es die passenden

Informationskanäle zu nutzen, aber auch Mut und Toleranz aufzubrin-

gen, dass Geschichten ergänzt und verändert werden („User-gene-

rated Content“).

Geschichten helfen, Verhalten zu ändern. Jedes Märchen erzählt

uns, was wir tun und lassen sollen und wie wir erfolgreich durchs

Leben gehen: Du sollst keinem Fremden vertrauen (Rotkäppchen),

Schlauheit siegt über Stärke (Das tapfere Schneiderlein), Lügen

haben kurze Beine (Pinocchio).

Doch Unternehmen erzählen keine Märchen. Wie also sehen erfolg-

reiche Corporate Stories aus, die für Change-Prozesse geeignet

sind? Und wo kommen diese Geschichten her? Drei Ansätze haben

sich hier als sehr erfolgreich herausgestellt:

Die Parabel – Hier werden Veränderungsprozesse mit Hilfe von Ana-

logien veranschaulicht. Die Ist-Situation im Unternehmen, die Soll-

Situation oder auch der Weg vom Ist zum Soll werden mit Szenarien

verglichen, beispielsweise aus Natur, Technik, Kunst oder Sport. Die

Parabel hilft, bildhafter und greifbarer zu erzählen und komplexe Vor-

gänge einfacher darzustellen.

Der Erfahrungsbericht – Konkrete Fallbeispiele zeigen Verände-

rungserfordernisse auf. Der Zuhörer erkennt sich in der Darstellung

wieder und entwickelt seine Erfahrungen weiter.

Der persönliche Report – Manager sind Menschen und Menschen

lösen Veränderungen aus. Mit Hilfe persönlicher Geschichten über

den Ausgangspunkt von Veränderungen bis hin zur Beschreibung

der Reise vom Ist- zum Soll-Zustand motivieren Manager ihr Team

auf emotionale und persönliche Art.

… Und meine ganz persönliche Reise? Drei Jahre nach dem Merger

zwischen Ketchum und Pleon gibt es viele Geschichten über den

Zusammenschluss der beiden Agenturen. Die meisten beginnen mit

„Es war einmal“ und viele haben ein Happy End. Auch für mich. Heute

bin ich Chief Creative Officer von Ketchum Pleon, Europas Agentur

des Jahres 2013, die vor kurzem in Cannes mit einem goldenen und

zahlreichen Löwen in Silber und Bronze ausgezeichnet wurde. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Storytelling und Kreativität werden bei uns groß geschrieben. Auf unserem Blog www.kpg-blog.de oder in verschiedenen Präsentationen, die auf Slideshare kostenfrei zur Verfügung stehen finden Sie Beiträge und Anregungen rumd um diese Themenbereiche.

@Petra Sammerist unser Chief Creative Officer und bestimmt keine Märchentante. Ihr Steckenpferd ist u. a. Storytelling. Mit ihren Workshops und Trainings ist sie in ganz Europa für Kunden und Kollegen unterwegs.

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Page 12: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

Kennen Sie die Arbeitshasen? Berufstätige, die nach dem Karotten-

prinzip vorgehen: Sie fangen klein an, arbeiten fleißig, um dann end-

lich ihre Belohnung in Form einer gut dotierten Position zu erhalten.

Ganz anders die sogenannten Millennials. Die Generation der heute

18- bis 33-Jährigen wollen ihre privaten Bedürfnisse nicht zurückstel-

len, nur um perspektivisch Karriere zu machen, so die Beratungsge-

sellschaft PwC. Sie hat im April 2013 die bislang größte internatio-

nale Studie vorgelegt, die sich mit den Erwartungen der ab 1980

Geborenen beschäftigt. Die Experten haben dafür rund 44.000

Berufstätige befragt – am Rande sei bemerkt: allesamt PwC-Mitar-

beiter. Vorläufiges Fazit: Millennials verändern die Arbeitskultur

weltweit. Sie setzten Unternehmen immer mehr unter Anpas-

sungsdruck, schreiben die Autoren der Studie.

Und tatsächlich: Die Millennials drängen heute mit aller Wucht auf den

Arbeitsmarkt und stellen Unternehmen vermehrt vor Schwierigkei-

ten. Gerade wenn die Jüngeren auf etablierte Kollegen treffen, sind

Reibungen vorprogrammiert. Argumentationsschwach, haltungsarm

und mangelnde Tiefgründigkeit – so lauten die Vorwürfe, die den Mil-

lennials vielerorts entgegenschallen. Als unflexibel, kontrollsüchtig

und wenig führungskompetent empfinden die Jungen hingegen ihre

neuen Vorgesetzten. Es ist davon auszugehen, dass das Konfliktpo-

tenzial künftig eher zunimmt. Denn: Bis zum Jahr 2020 werden die

Millennials mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung stellen.

Höchste Zeit also, dass sich Unternehmen auf Mitarbeiter von mor-

gen einstellen? Oder fremdeln hier wieder nur zwei Generationen

miteinander – so wie ihre Vorgänger und deren Vorgänger?

Wer sich genauer mit den Millennials auseinandersetzt, trifft auf eine

in ihren Erwartungen gespaltene Zielgruppe. Klar, die Aufgabenstel-

lungen im Job müssen attraktiv und sinnstiftend sein – aber bitte

schön nicht zulasten

des Privatlebens gehen.

Die Mehrheit der 18-

bis 33-Jährigen will

sich außerdem nicht

langfristig an ein Unter-

nehmen binden; gleich-

zeitig schließt sie häufige Jobwechsel für sich selbst aus. Die Flexi-

bilität des Brötchengebers wiederum wird als gegeben

vorausgesetzt, Home-Office, variable Arbeitszeiten und hohe Frei-

heitsgrade inklusive. Aber alles sollte sich dann lieber doch innerhalb

ACHTUNG, MILLENNIALS!Verändert eine neue Generation die Arbeitswelt?

Klar, die Aufgabenstellungen im Job müssen attraktiv und sinnstiftend sein – aber bitte schön nicht zulasten des Privatlebens gehen.

Page 13: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

ACHTUNG, mILLENIALS

geordneter Strukturen bewegen. Eine wichtige Rolle spielen zudem

die Anerkennung und Wertschätzung durch Vorgesetzte. 41 Prozent

der Millennials möchten mindestens einmal im Monat gelobt wer-

den, heißt es dazu auch in der PwC-Studie. Überhaupt das Arbeits-

klima: Teamwork und Gemeinschaftsgefühl sind Attribute, die ein

gutes Unternehmen für Berufseinsteiger auszeichnen.

Wer verändert eigentlich wen?

Ist hier etwa eine Generation der Leistungsverweigerer herange-

wachsen, mit völlig abwegigen Vorstellungen vom Berufsleben?

Wohl kaum. Die Erwartungen spiegeln vielmehr die unbestimmte

Lebenssituation junger Menschen wider, die von ökonomischen

Zwängen und sozialen Unwägbarkeiten geprägt ist. Praktika, befris-

tete Verträge, Projektarbeit und Freiberuflichkeit – so sieht vielfach

die berufliche Realität der Millennials aus. Das macht diese Genera-

tion so skeptisch gegenüber Mitarbeitern, die in klassischen

Erwerbsbiografien und -modellen groß geworden sind.

Organisationen wären jedoch gut beraten, genauer hinzuhören, was

der Nachwuchs ihnen zu sagen hat. Denn es spricht auch vieles für

die Millennials: Sie sind bestens ausgebildet, durchaus kompromiss-

bereit, wenn der Gesamtrahmen stimmt, und technisch absolut auf

der Höhe der Zeit. So

könnten sie – nur ein Bei-

spiel  – als wichtige Trei-

ber für Social Business

und die Weiterentwick-

lung von Unternehmen

in Richtung Enterprise

2.0 agieren, wenn man sie denn ließe und ihnen keine Stolpersteine

in den Weg legte. Vor allem die ältere Generation hätte auf diesem

Gebiet noch sehr viel von den Millennials zu lernen.

Denn nicht zuletzt spielt die nächste Generation eine bedeutsame

Rolle, wenn es um die Evolution sozialer Systeme – und nichts ande-

res sind Unternehmen – geht. Das haben Untersuchungen des nie-

derländischen Generationenforschers Aart C. Bontekoning gezeigt.

Danach seien Arbeitnehmer, die nach 1975 geboren sind – also die

Vorgänger der Millennials –, zu Beginn ihrer Karrieren zwar mit viel

Enthusiasmus und Veränderungsbereitschaft in ihr Berufsleben ge-

startet. Allerdings konnten sie sich vielfach nicht gegen ihre älteren

Kollegen durchsetzen und mussten sich schnell an etablierte Arbeits-

weisen anpassen. Darüber haben sie viel Energie verloren  – eine

verpasste Chance für Unternehmen, Prozesse zu optimieren und

neue Geschäftsideen für sich zu erschließen.

Eine Generation unter der Lupe

Droht den Millennials ein ähnliches Schicksal wie ihrer Vorgängerge-

neration? Bontekoning nennt drei Gründe, die dagegen sprechen.

Erstens erhält der heutige Nachwuchs mehr Aufmerksamkeit als

alle anderen Generationen vor ihm. Das heißt, etablierte Berufstä-

tige und Führungskräfte wissen inzwischen relativ gut über die Mill-

ennials, deren Erwartungen und ihr Potenzial Bescheid. Zweitens

seien die Jüngeren heute aufgeschlossener gegenüber älteren Kol-

legen als noch vor zehn Jahren. Sie akzeptieren Autorität, wenn

diese durch Kompetenz belegt ist, und können sich einordnen, ohne

an Authentizität zu verlieren. Und drittens sei der Innovationsdruck

deutlich gestiegen, sodass viele Unternehmen automatisch auf

Impulse der jüngeren Generationen angewiesen sind.

Letztendlich haben es die Unternehmen also selbst in der Hand, ob

sie den geeigneten Rahmen für Millennials setzen. Und ganz offen

gefragt: Wer würde nicht gern in einem Umfeld arbeiten, das die

beschriebenen Erwartungen einlöst? Flexible Arbeitszeitmodelle,

mehr Transparenz über die berufliche Weiterentwicklung, eine an-

gemessene Entlohnung, ein verstärkter, ehrlicher Austausch von

Führungskräften mit ihren Mitarbeitern sowie Gemeinschaftsgefühl

und Teamgeist – all das sind Eigenschaften, die nicht nur für die Mil-

lenials ein attraktives Umfeld ausmachen. Vielleicht ist es an der

Zeit, sie bei ihren Zielen zu unterstützen? Auch die Arbeitshasen

haben mittlerweile dazugelernt. //

Sie sind bestens ausgebildet, durchaus kompromissbereit, wenn der Gesamtrahmen stimmt, und technisch absolut auf der Höhe der Zeit.

WEItErfüHrENDE LINKS

Die Ergebnisse der PwC-Studie, bei der 44.000 Mitarbeiter der Beratungsfirma befragt wurden, finden Sie als englischsprachige Zusammenfas-sung hier.

Die komplette Untersuchung „The Evolutionary Power of New Generations“ des Generationen-forschers Bontekoning steht zum Abruf als PDF hier bereit.

Ein bisschen Humor hilft auch, hier ein nicht ganz ernst gemeinter Video-beitrag zum Umgang mit Millennials am Arbeitsplatz: Auch die Innovations-berater von IDEO haben sich schon 2009 mit den Millennials auseinander-gesetzt. Ihre vier Tipps haben bis heute Bestand. Das Beste aus Millenials herausholen? Tipps gibt es auch bei der der UNC Kenan-Flagler Business School hier.

@Thomas Fischerarbeitet als Senior Consultant am Standort Düsseldorf, gemeinsam mit Millennials und Arbeitshasen.

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Page 14: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

UND – WOFÜR STEHEN SIE?Der Wandel des eigenen Auftritts. Oder: was Leadershipkommunikation vom Agenda-Setting-Ansatz lernen kann.

In vielen Gesprächen mit HR-Experten begegnet uns derzeit immer

wieder ein Thema: wie sehr Studierende und Absolventen mit etab-

lierten Führungsmodellen in Organisationen zu kämpfen haben.

Aber es gibt Hoffnung. Denn nach unserer Einschätzung gehört die

hierarchische Führung ohnehin bald der Vergangenheit an. Begeiste-

rung und Team-Spirit lassen sich damit nicht länger erzeugen.

Anstelle des klassischen Managements tritt ein Führungskonzept,

das auf Ideen und Themen setzt, um Mitarbeiter zu motivieren. Die

themenzentrierte Führung orientiert sich am Agenda-Setting-Ansatz

der klassischen PR: Wie gerät ein Thema auf die öffentliche Agenda?

Und wie lässt sich sicherstellen, dass darüber auch diskutiert wird?

Sieben Schritte können der Führungskraft dabei helfen, ein eigenes

Thema zu finden und zu besetzen, das zu ihrem Verhalten und zu

ihrer Organisation passt.

Schritt 1: Themenfindung. Authentizität und natürliche Autorität

entstehen dann, wenn die Führungskraft das Thema nicht von ande-

ren übernimmt, sondern selbst definiert. Erfolgreiche Manager ver-

binden inhaltliche Substanz mit persönlicher Involvierung und Emoti-

onalität. Diese Merkmale entstehen aber nur, wenn die Führungskraft

sich auf ihre eigenen Wertesysteme verlässt, das heißt sie kennt

und verbalisieren kann.

Schritt 2: Relevanz-Test. Das Thema passt zum eigenen Wertesys-

tem? Dann muss es im zweiten Schritt auf die unternehmerische

Relevanz und Substanz geprüft werden. Mitarbeiterbefragungen,

Organisationsanalysen oder Fokusgruppen können dabei helfen, die

Passgenauigkeit zu überprüfen.

Page 15: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

UNd – WofüR STEHEN SIE?

Schritt 3: Komplexitätsreduktion. Das Thema braucht ein Schlag-

wort oder einen kurzen Satz, der auf Anhieb einleuchtet und mit dem

sofort innere Bilder verbunden werden. Wird dieser Satz durch Krea-

tivität veredelt, spricht man von einer Leitidee. Sie ist der rote Faden

jeder Führungskommunikation. Bilder und Symbole helfen, die Leit-

idee auf den Punkt zu bringen.

Schritt 4: Kommunikationsbeginn. Jedes Thema braucht einen

Zeitpunkt für die erste Veröffentlichung, einen Startschuss. Das kann

eine Videobotschaft an alle Mitarbeiter sein oder ein internes Town-

hall-Meeting. Wichtig ist, dass Führungskräfte eine hinreichend

große Menge an Menschen dazu anregen, über ihr Thema zu disku-

tieren, zum Beispiel über eine Online-Plattform.

Schritt 5. Kommunikationseffizienz. Neue interne Kanäle wie etwa

Social Media oder Enterpricse-2.0-Anwendungen verändern mit ihrem

dialogischen Charakter auch die Kommunikation von Führungskräften.

Dennoch ist die persönliche Ansprache mit klaren Botschaften weiterhin

unerlässlich; die Leitidee muss sich durch alle Kanäle hindurchziehen.

Schritt 6: Storytelling. Storytelling gewinnt auch im Management

(wieder) zunehmend an Bedeutung. Nicht ohne Grund: Gedächtnis-

forscher sprechen vom „episodischen Gedächtnis“, das unsere

Lebensgeschichte oder wichtige Momente unseres (Arbeits-)

Lebens speichert. Geschichten sind hilfreich, da sie Thema und Füh-

rungsperson dauerhaft miteinander verbinden und eine nachhalti-

gere Erinnerung der Inhalte ermöglichen.

Schritt 7: Netzwerke. Um wirklich zu bewegen, sind Unterstützer

gefragt: Menschen, die sich für das gleiche Thema oder dieselbe

Idee begeistern können. Themenzentrierte Führung muss gerade

auch Kritiker überzeugen und Dialoge zulassen. Führungskräfte soll-

ten das Netzwerken mit Personen beginnen, die sich bereits für ähn-

liche Themen interessieren wie sie selbst.

Selbstkonzept als Grundlage für themenzentrierte führung

Das Selbstverständnis von Führungskräften wandelt sich. Respekt

und Akzeptanz gewinnt man nicht mehr qua Amt. Das gilt insbeson-

dere gegenüber den sogenannten Millennials. Gute und erfolgreiche

Führung zeigt sich am besten in schwierigen Situationen – zum Bei-

spiel bei Mitarbeiterkonflikten oder wenn das Geschäft in Schieflage

geraten ist. Genau dann erfordert es gute und überzeugende Ent-

scheidungen. Dafür ist vor allem eines nötig: ein klares und struktu-

riertes Selbstkonzept.

Haben Sie nicht was vergessen?

Viele Führungskräfte haben jedoch genau dieses Selbstkonzept im

Laufe ihrer Karriere aus den Augen verloren. Sie können deshalb gar

nicht artikulieren, auf welcher Grundlage sie ihre Entscheidungen

treffen. Das berufliche Umfeld bestimmt vielerorts mit impliziten

und expliziten Regeln, was Erfolg ausmacht. Führungskräfte werden

in der Regel eher zur nächsten Schulung geschickt, um Manage-

ment-Schwächen zu kompensieren, und nicht, um den individuellen

Führungsstil zu stärken. Dabei ist hinlänglich bekannt: Menschen

sind in den Dingen erfolgreich, die ihnen Spaß machen und die sie

mit Leidenschaft verfolgen können. Ein Thema zu besetzen – und

dieses involviert: mit Nachdruck und Emotionalität zu verfolgen

gelingt also nur, wenn die Führungskraft es glaubwürdig und authen-

tisch vertreten kann.

„Wofür stehst du?“ lautet nicht nur der Titel eines erfolgreichen

Fachbuchs. Genau diese Frage sollten auch Führungskräfte für sich

beantworten, wenn sie ihre Mitarbeiter themenorientiert leiten wol-

len. Eine glaubwürdige Antwort setzt voraus, dass eine ehrliche Aus-

einandersetzung mit den eigenen Werten stattgefunden hat. Es

bedarf also grundsätzlicher Überzeugungen und einer klaren Hal-

tung, die mit Respekt gegenüber anderen vertreten werden muss

und die anderen ausreichend Raum zugesteht, die eigenen Stärken

zu entfalten. Nur dann stellen Führungskräfte in ihren Teams Akzep-

tanz, Identifikation und insbesondere eine kritische Reflexion her,

die sich dauerhaft positiv auf die eigene Entwicklung und den Fort-

schritt der Organisation auswirken wird. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Das eigene Führungsthema lässt sich gut in einem kleinen Workshop erar-beiten, denn damit das Thema zur jeweiligen Führungskraft passt, ist eine individuelle Bestandsaufnahme und Definition glaubwürdiger Fokusthemen empfehlenswert. Sprechen Sie uns gerne hierzu an.

@Christof Biggelebenist als Head of Campaigning für die Entwicklung von Leitideen und Themen zuständig – ob für Konzer-ne, Verbände oder Führungspersön-lichkeiten.

@Frank Pieperist Geschäftsführer der wegweiser strategie agentur und Collaboration-Partner für ein Beratungsmandat von Ketchum Pleon.

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Page 16: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

DER KUNDE ALS KOLLEGEEnterprise 2.0 als Plattform für gemeinsame Produktentwicklungen.

„Gestalten Sie gemeinsam mit uns die Zukunft“  – unter diesem

Motto lädt die BMW Group seit 2001 Privatpersonen, Universitäten

und Forschungseinrichtungen dazu ein, Teil der Virtuellen Innova-

tions Agentur (VIA) zu werden. Praktisch jeder könne Patente, Ideen

und Konzepte zu neuen Technologien und Services für die Mobilität

der Zukunft einreichen, heißt es dazu auf der Unternehmensweb-

site. Immerhin 800 Ideen erreichen BMW so pro Jahr; und drei Pro-

zent davon gelangen innerhalb des Konzerns auch zur Umsetzung.

Die Idee, Unternehmensfans aus aller Welt um Mithilfe beim nächs-

ten Quantensprung zu bitten, ist also nicht neu. Die Vorteile liegen

auf der Hand: Kunden verfügen über das meiste Wissen zu Produk-

ten, deren Nutzungsmöglichkeiten und ihren eigenen Produktbe-

dürfnissen. Einerseits. Andererseits sind die eigenen Ingenieure,

Techniker und Produktentwickler die bedeutendsten Know-how-

Träger eines Unternehmens. Nur: Beim Austausch zwischen den

beiden Gruppen hapert es noch gewaltig, Vorurteile überwiegen.

War es nicht Henry Ford, der das Bonmot prägte: „Hätte ich meine

Kunden gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere

Pferde“? Der Kunde darf sich im besten Fall an eine gut organisierte

Service-Hotline wenden. Aber auf Augenhöhe mit den Ingenieuren

zu diskutieren ist bis auf wenige Ausnahmen – siehe oben – Neuland.

Noch: Denn immer mehr Unternehmen vollziehen inzwischen den

Wandel zu einem Enterprise 2.0 (E 2.0), um ihre Produktivität, Effek-

tivität und letztlich den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Das

schließt die verbesserte Vernetzung mit Kunden ein.

Kaufe Produktinnovation inklusive Kulturwandel

Enterprise 2.0 beschreibt einen möglichen Lösungsansatz  – inklu-

sive des Abbaus von Wissensbarrieren um mehr Wertschöpfung im

Sinne eines Social Business zu erzielen. E 2.0 setzt zum einen dar-

auf, interaktive, „social“ Software einzuführen, um die Transaktions-

kosten für den Austausch von Wissen und Know-how zu minimie-

ren. Zum anderen geht es aber um einen mehr oder weniger

radikalen Kultur- und Führungswandel innerhalb von Organisationen.

Dieser Wandel entkräftet klassische Hierarchien zugunsten von

Innovation und Optimierung oder baut sie gar ab. Anders gesagt:

E 2.0 ohne Kulturwandel funktioniert nicht, denn hier werden alte

Wissensmuster vollständig hinterfragt und – sehr zum Leidwesen

vieler alteingesessener Fachleute – mit den Einschätzungen von ver-

meintlich unwissenden Kunden gepaart. Wenn diese Hürde intern

wie extern genommen ist, kann sich ein wirkliches Enterprise 2.0

durch ein erhebliches Wissens- und vor allem Anwendungspotenzial

Page 17: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

dER KUNdE ALS KoLLEGE

auszeichnen. Andrew McAfee, Professor am amerikanischen Mas-

sachusetts Institute of Technology (MIT) und E 2.0-Vordenker

,beschreibt die Quintessenz des Wandels als „the use of emergent

social software platforms within companies, or between companies

and their partners or customers“. Gerade die Vernetzung mit den

Kunden sollte für Unternehmen den eigentlichen Ausschlag für die

Weiterentwicklung in Richtung E 2.0 geben. Denn sie können wert-

volle Einschätzungen zu Produkten, Unternehmen und dem Wettbe-

werb abgeben. Zusatzeffekt: Eine neue Form des Customer-Relati-

onship-Building entsteht.

Ein Gedankenspiel

Das folgende, frei erfundene Szenario veranschaulicht, welche Vor-

teile die enge Vernetzung mit den externen Anspruchsgruppen für

Unternehmen hat: „Frühjahr 2014: In den Entwicklungslabors des

Technologieunternehmens Wopple wird fieberhaft an der nächsten

Generation eines Smartphones gearbeitet. Der Erwartungsdruck ist

hoch, denn das Vorgängermodell hat sämtliche Absatzrekorde gebro-

chen. Hinzu kommt der eigene Anspruch, immer wieder Standards in

Sachen Usability und Funktionalität zu setzen zu. Das Ziel für das neue

Modell lautet nicht nur Absatzsteigerung, sondern vor allem Innovati-

onsführerschaft. Die Entwickler wollen sich deshalb nicht nur auf ihr

eigenes Wissen, Reviews und Fokusgruppen verlassen. Sie benöti-

gen detaillierte Erkenntnisse darüber, was die potenziellen Käufer

wirklich von einem Smartphone erwarten. Mit Hilfe eines Hybridsys-

tems, das die internen Systeme mit externen sozialen Netzwerken

wie zum Beispiel Facebook, Weibo, Orkut und Vkontakte verknüpft,

können sie ihre Zielgruppen genau ermitteln und kontaktieren. Inner-

halb des digitalen Systems eröffnen die Entwickler einen geschlosse-

nen Bereich, auf den potenzielle Kunden Zugriff haben und in dem sie

ihre Ideen für das neue Gerät einbringen können. Die Bandbreite an

Impulsen reicht von ganz pragmatischen Anforderungen wie Stoßfes-

tigkeit, Abnutzungsverbesserung und Laufzeit bis hin zu wilden Uto-

pien, etwa selbstlernenden Algorithmen, die sich auf den jeweiligen

Anwender einstellen. Das vorhandene Wissen kann mit Hilfe des Sys-

tems für den Entwicklungsprozess nutzbar gemacht werden – und

ermöglicht einen Quantensprung für Smartphones.“

Natürlich wäre es für Unternehmen auch schon vor der Einführung

sozialer Software möglich gewesen, detaillierte Erkenntnisse über

die Erwartungen von Verbrauchern zu erlangen – allerdings ist der

Aufwand hierfür unverändert hoch und somit kostenintensiv. Dank

der neuen Möglichkeiten, die sich aus der Weiterentwicklung zum

Enterprise 2.0 ergeben, kann jetzt eine theoretisch unbegrenzte

Menge an Verbrauchern daran mitwirken, Produkte und Lösungen

zu verbessern. Und das mehr oder minder ad hoc und ohne große

Opportunitätskosten, da die erforderlichen Informationen bei Face-

book, Google und Co. bereits gespeichert sind und in Zeiten von Big

Data (http://bigcontext.interone.de/) die Grundlagen für die dezi-

dierte Identifikation der eigenen Anspruchsgruppen geschaffen sind.

In den Startlöchern

Die technischen Voraussetzungen für das beschriebene Szenario

sind bereits heute vorhanden. Mit den großen, externen sozialen

Netzwerken liegt eine Kommunikationsinfrastruktur vor, die den Dia-

log zwischen Kunden und Unternehmen ermöglicht. Und mit dem

Wandel vom Unternehmen zu einem E 2.0 existieren auch intern die

ersten erforderlichen Werkzeuge für einen Austausch mit den Ziel-

gruppen. Erste Beispiele sind realisiert. Dennoch überwiegen die

Bedenken zu Datensicherheit, Privatsphäre, Rechten, Motivationen

und dem konkreten Nutzen.

Vom Kunden zum Kollegen

Der größte Wandel, der Unternehmen hier bevorsteht, ist das verän-

derte Verhältnis zum Kunden – und damit das Selbstverständnis der

Forschungs-und-Entwicklungs-Abteilung und der Hausingenieure.

Der Kunde steht längst nicht mehr am Ende der Wertschöpfungs-

kette. Nachdem er bereits die klassischen Verkaufsabläufe und

Marketingberechnungen dank sozialer Netzwerke neu sortiert hat,

werden sich nun auch in Unternehmen ganze Produktionsketten auf

ihn einstellen müssen: Der Kunde wird zum Entwicklungspartner,

zum Wissensträger und zum gleichberechtigten Tüftler  – am

„Schreibtisch neben dir“. Somit wird Wissen zu einem Teil demokra-

tisiert, das Können jedoch, die tatsächliche technische Umsetzung

und Innovation, wird noch etwas länger in den Produktionshallen der

Unternehmen zu Hause sein. Bis der 3D-Drucker zu einem Massen-

produkt wird und auch die klassischen Produktionsmechanismen

über den Haufen wirft. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Mehr zu den Grundlagen und Prognosen von Enterprise 2.0 finden Sie in der Neujahrsausgabe 2013 des Inspire Magazins. Ein Beispiel aus unserem eige-nen Hause ist die Kreativ-Plattform Mindfire (www.ketchum.com/mindfire) die Studenten der Kommunikationswissenschaft weltweit einbindet, um kreative Lösungen für Kommunikationsherausforderungen zu erarbeiten.

@Rüdiger Maeßenleitet den Düsseldorfer Standort und berät Kunden in allen Belangen rund um digitale Themen und Enterprise 2.0. Sie finden ihn auf Twitter unter @rmaessen.

@Norbert Bremaentwickelt und betreut Digital-kampagnen und -projekte und würde einigen Konzernen bei der Produktentwicklung gerne ein paar Empfehlungen geben ...

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Page 18: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

THE WIZARD OF MARCOMEin Ausflug in die zauberhafte Welt des Marketings.

„Toto, I have a feeling we’re not in Kansas anymore“, sind die ersten

Worte, die Dorothy in dem Klassiker „Der Zauberer von Oz“ an ihren

Hund richtet, nachdem sich die beiden in einer völlig fremden Umge-

bung wiederfinden. Der Film, zuvor noch in Schwarz-Weiß gehalten,

ist plötzlich bunt und farbenfroh – so wie die fantastische Welt von Oz

mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Erlebnissen. Diese Analogie

wählte ein Londoner B2B-Dienstleister für sein Marketing-Manifesto

und eröffnet für uns die Diskussion über neue Aufgaben und Heraus-

forderungen im modernen Marketing und Vertrieb.

Alles so schön bunt hier!

Die Marketingmanager von heute mögen ihre aktuelle Arbeitswirk-

lichkeit als ähnlich verändert empfinden wie Dorothy das Land Oz

oder manch ein Kommunikationsmanager seine Pressearbeit. Schuld

sind – mal wieder – das Internet und Social Media und die explodierte

Vielzahl an Marketingmöglichkeiten bei gleichzeitiger Diversifizierung

der Zielgruppen. Die Marketingfragen bleiben aber dieselben: Wo sind

„Leads“ und „Opportunitys“, wo ist Absatzsteigerung möglich und

wie verhindere ich es, im Spam zu landen? Kein leichtes Unterfangen,

betrachtet man die Vielzahl der Instrumente im digitalen Marketing-

koffer  – von E-Books, SEOs, E-Mail-Blasts, Communitys, Widgets,

hin zu Videos, Games, Tweets, Websessions und Podcasts sowie WoM.

Sie sind teils auch mit geringem Budget realisierbar und bringen ent-

sprechend auch mehr und kleinere Unternehmen auf den Plan. Wirk-

lich spannend ist dabei aber weniger die gestiegene Kanalvielfalt und

Anzahl der Mitspieler, sondern vielmehr die veränderte Art und Weise

der Kommunikation, insbesondere die Unmittelbarkeit des Kunden-

kontakts und die Transparenz aller Aktivitäten. Letzteres betrifft

sowohl den potenziellen Kunden (wo ist er, was mag er, wie ist seine

„Digital Body Language“, hat er meine Mail gelesen und auf mein

Banner geklickt?) als auch die Unternehmen (gefällt uns, was sie tun,

sind sie ehrlich, sind sie persönlich erreichbar?). Beide Punkte führen

zu einer grundsätzlich kritischeren Verbraucherhaltung, die Marketing-

sprech und zweifelhafte Werbebotschaften eiskalt abstraft.

Was bedeutet die schöne bunte Welt für das Berufsbild eines Marke-

tingmanagers? Es geht dabei nicht um den unzweifelhaft vorhande-

nen Bedarf an Digital Natives, sondern die Frage, wie die Aufgaben-

felder des MarComs (Marketing Communications Manager) erweitert

werden. Gucken wir uns selbige genauer an: Der MarCom analysiert

zunächst die Meinungen der Kunden, die über unterschiedliche

interne und externe Kanäle einlaufen, die PR-Reportings und das

Feedback des Vertriebs. Daraufhin werden Inhalte und Prozesse für

Page 19: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

THE WIzARd of mARCom

verschiedene Märkte und Kanäle entwickelt. Bereits hier setzt eine

operative Herausforderung an, da in vielen Unternehmen weder die

Reportingstrukturen noch die jeweiligen Manager von PR, Marketing

und Vertrieb aufeinander eingestellt sind. Das wirkliche Zaubern

beginnt im Anschluss, wenn es gilt, die unterschiedlichen Aktivitäten

sinnvoll zu verzahnen. Zurück zum Kunden in spe: Mindestens sieben

aufeinander aufbauende Kontaktpunkte bis zum Geschäftsabschluss

durchläuft im Schnitt der zukünftige Kunde. Theoretisch, wenn er

nicht vorher abspringt. Und die Grenze zur Aufdringlichkeit wird oft

überschritten: Wer kennt es nicht, die permanente E-Mail-Flut, den

Anruf auf das Privathandy, das Stalking durch kürzlich angeklickte Pro-

dukte – die permanente Kontaktaufnahme kann schnell abschrecken.

Um den Interessenten also nicht direkt wieder zu verlieren, zu schnell

den Fängen des Vertriebs auszusetzen oder gar den nächsten Flight in

eine laufende Reputationskrise zu legen, gilt es hier, den Überblick –

und die Nerven – zu bewahren. Die neuen Koordinationsanforderun-

gen haben bereits einen Zweitmarkt hervorgebracht, der sich mit der

Automatisierung und Steuerung der Marketingaktivitäten beschäftigt,

Bezeichnungen wie „Automated Marketing“ oder auch „Transactional

Marketing“ erleben hier einen ähnlichen Hype wie transmediale Kom-

munikation in der PR. Das Thema Enterprise 2.0 lässt grüßen, denn

auch hier geht es um die große Frage, wie Social Technologies für

Organisationen intern und extern effektiv genutzt werden können und

die Arbeitsprozesse erleichtern. Eins ist klar: Die gute alte Excel-

Tabelle stößt hierbei endgültig an ihre Grenzen.

Einige Beispiele für Marketingtools: Spredfast oder vitrue beispielsweise

ermöglichen u. a. die Terminierung von Tweets und Posts, in Eloqua wer-

den wiederum komplette Marketingprozesse durchgeplant, die dann

automatisiert durchgeführt werden. Wenn der Kunde A macht, erhält er

Information B. Wenn er diese liest/nicht liest, passiert C/D etc. Das Auf-

setzen ist neu und die Planung komplex – wenn sie falsch angesetzt wird,

kann es auch hier potenzielle Kunden eher verschrecken als ansprechen.

Lohnenswert ist die Investition vor allem bei kleinteiligen und dabei sehr

komplexen Marketingaktivitäten. Wichtiger denn je dabei: Um die Leute

mit oder trotz Marketingautomation begeistern zu können, muss der

Content überzeugen. Und auch die beste Koordinationssoftware ersetzt

nicht das grundlegende Kommunikationsverständnis und ein Gespür für

richtiges – und vor allem falsches – Timing. Was an Zeit eingespart wird,

muss auf der anderen Seite in die Content-Erstellung und das Monitoring

der eigenen Aktivitäten investiert werden.

Hier schließt unser letzter Punkt an, der gleichzeitig ein Paradox zur

aufgezeigten Marketingentwicklung enthüllt: Das sogenannte „Res-

ponsive Marketing“ hat die Flexibilisierung der eigenen Kommunika-

tion zum Ziel. Es gibt nicht mehr den einen starren „Prospectfunnel“,

der einmal im Jahr entwickelt und dann immer gleich durchlaufen

wird. Nein – je nach Verhalten der Nutzer werden die Marketingaktivi-

täten nach diesem Verständnis flexibel angepasst. Und je nach Feed-

back der Nutzer auch überarbeitet und verbessert. Persönlich. Im Dia-

log. Das lernende Marketing. So die Idee. Die Kombination aus

„Datenbank-Software zur Meisterung des Koordinationsaufwands“

und dem Anspruch „flexibel auf Kundenwünsche reagieren und Akti-

vitäten entsprechend anpassen“ erscheint widersprüchlich. Die

Kunst, trotz Automatisierung persönlich und „autark“ von einer Soft-

ware agieren zu können, insbesondere im Falle von Service- und auf-

keimenden Krisenthemen, ist die nächste große Herausforderung.

Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, die das „System“

so nicht hergibt, ist eigenverantwortliches Handeln der Mitarbeiter

gefragt. Ob und in welchem Rahmen sie das machen, können und

auch wollen, sollte jedes Unternehmen grundsätzlich für sich selber

festlegen. Und das gilt nicht nur für das Marketing.

Daheim ist es am schönsten?

Das Aufgabenfeld des Marketingmanagers hat also einen neuen

Zuschnitt und verschiedenste technische Helferlein an die Hand

bekommen. Die Erwartungen an das individuelle Know-how und die

Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit steigen. Gerade der

MarCom muss dabei eine Gratwanderung absolvieren: den neuen –

weil direkten – Draht zum Kunden aufrechterhalten, dabei mit guten

Inhalten überzeugen, aber gleichzeitig von den Möglichkeiten profitie-

ren, die ihm die Prozessautomatisierung bietet. Er befindet sich also

in vielerlei Hinsicht auf neuem Terrain und es gibt für ihn – anders als

für Dorothy im „Zauberer von Oz“ – nicht den Ausweg, die Hacken

der magischen Schuhe zusammenzuschlagen und in die alte Heimat

zurückzukehren. Höchste Zeit also, die neuen Realitäten anzunehmen

und die Schuhe einzulaufen, denn: „We’re not in Kansas anymore“

und, sorry, Dorothy, werden auch nie mehr dorthin zurückkehren. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Noch mehr wissen? Verschiedene Online-Marketing-Fettnäpfchen inkl. Umgehungsstrategien finden sich hier: http://bit.ly/wAF8F6. Eine Studie von FedEx und Ketchum Pleon (http://bit.ly/MjMz3Z) untersucht das Thema Social Business und die Zocalo Group bietet mit der Fan-Rallye einen inter-essanten Ansatz für Markenbotschafter-Kommunikation.

@Sven Kleibrinkist Consultant am Düsseldorfer Standort und hantiert tagtäglich in den Abgründen und Wundern der neuen Marketingwelt. Nach Oz würde er auch gerne mal.

@Anneke Ruschbeschäftigt sich als Senior-Beraterin mit dem Thema „Transactional Marketing“. Die Kunst besteht darin, den Überblick zu behalten. Und nicht alles der Auto matisierung zu überlassen, sagt sie.

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Page 20: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

DAS RICHTIGE TEMPOInterview mit Prof. Joachim Klewes über Werte, Wandel und die Wahl der richtigen Rennstrecke.

Page 21: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

dAS RICHTIGE TEmPo

Herr Professor Klewes, in den Managementetagen wird beklagt,

dass sich künftige Marktentwicklungen immer schwieriger vor-

hersagen lassen. Prognosen werden kassiert, in regelmäßigen

Abständen werden Strategiewechsel ausgerufen. Dies erweckt

den Eindruck, dass wir in einer Periode der Unsicherheit und

Instabilität leben. Teilen Sie diese Einschätzung oder suchen sich

die Medien gezielt solche Schlagzeilen aus?

Ganz klar: Heute ist das Tempo der Veränderung so hoch, dass

Unternehmen, Manager und Mitarbeiter viel mehr Unsicherheit aus-

halten müssen. Den Medien bleibt gar nichts anderes übrig, als das

zu verarbeiten – mal recht, mal schlecht. Für uns als Berater bedeu-

tet das leider oft, dass sich die Halbwertzeit unserer Empfehlungen

drastisch verringert. Beratung heute ist deutlich anspruchsvoller als

vor zwanzig oder dreißig Jahren.

Woran können sich Unternehmen in Phasen der Instabilität und

Unsicherheit dann noch halten? Worauf kommt es jetzt vor

allem an?

Ich hab noch nie zu denen gehört, die mit einem Patentrezept oder

einer einfachen Lösung um die Ecke gekommen sind. Also, es gibt

nicht die eine Sache, auf die es ankommt. Das ist wie bei einer

Regatta: Wenn du als einer der Ersten ankommen willst, musst du

nicht nur den richtigen Kurs wählen, nicht nur den Wind riechen,

gekonnt trimmen und das Boot nicht zu leicht und nicht zu schwer

machen, nicht nur die richtige Crew trainiert haben – es muss alles

zusammenspielen. Um im Bild zu bleiben, jedes Unternehmen sollte

sich auch fragen: Will ich überhaupt an diesem Rennen teilnehmen?

Will ich überhaupt segeln oder vielleicht besser in einer anderen Dis-

ziplin vorwärtskommen? Ich meine also, für Unternehmen kann es

nicht nur darum gehen, dass sie sich in einer Zeit der Instabilität

möglichst perfekt anpassen, sondern dass sie versuchen, selbst die

Spielregeln zu definieren.

Wie gelingt es dem Management von Unternehmen, wieder

mehr Gelassenheit und Souveränität in der Führung zu erlan-

gen, anstatt nur von Veränderungen und Veränderungsinitiati-

ven getrieben zu werden?

Na ja, allzu gelassen sollte das Management auch nicht sein. Ich plä-

diere schon für eine hohe Wachsamkeit. Und die Lösungen sind

auch für die unterschiedlichen Etagen im Management unterschied-

lich. Es gibt aber ein paar gute Ansätze, die praktisch überall funktio-

nieren. Klare Grundwerte gehören dazu. Hoher Konsens in der Füh-

rungsspitze und in den Teams – daran kann man arbeiten. Eine offene

Unternehmenskultur, die Probleme frühzeitig erkennt und anspricht.

Hört sich einfach an, aber: Werden diese drei Aspekte gelebt, kann

sich das Management nicht mehr verstecken. Das ist durchaus

anstrengend, aber wir als Kommunikationsberater können dabei

unterstützen!

Gibt es Erfolgsmuster, die Unternehmen vor Jahrzehnten vor

Krisen bewahrt haben und heute noch gelten?

Eindeutig ja! Die Bereitschaft, Erfolgsmuster über Bord zu werfen

und immer wieder neue auszuprobieren. Also das „love it, change it,

leave it“ auch als Unternehmen zu leben.

Welches Erfolgsgeheimnis haben traditionsreiche Konzerne wie

Bayer, MAN, Carl Zeiss oder Siemens, die mehr als hundert

Jahre fortbestehen?

Gegenfrage: Sind das noch die gleichen Unternehmen wie vor hun-

dert oder auch nur vor fünf Jahren? Keineswegs. Also gilt auch hier:

Hätten sich diese Firmen nicht verändert, gäbe es sie schon längst

nicht mehr.

In welche Richtung wird sich Change-Management/Change-

Kommunikation entwickeln bzw. entwickeln müssen, um mit

der hohen Change-Geschwindigkeit mithalten zu können? Oder

ist es zunehmend die Aufgabe der Change-Manager und -Kom-

munikatoren, genau diese Geschwindigkeit aus den Prozessen

herauszunehmen?

Nein, das ist nicht ihre Aufgabe. Ich glaube nicht an Beschleunigung

oder Entschleunigung. Ich meine, es kommt vielmehr darauf an, für

jede Veränderungsstrecke das richtige Tempo herauszufinden und

dann zu entscheiden, ob und wie man das Tempo fahren kann oder

nicht. Wenn das nicht geht, sollte man eine andere Strecke wählen.

Gerade wir als Berater sollten uns nie mit dem „Wie“ zufrieden

geben, sondern immer das „Ob“ und „Was“ mitdenken. Sonst sind

wir unser Geld nicht wert. //

WEItErfüHrENDE LINKS

@Joachim KlewesJoachim Klewes (59) gründete zusammen mit Paul J. Kohtes die Agentur Kohtes & Klewes, aus der die spätere Pleon und heutige Ketchum Pleon entstand. Für unsere Agentur ist er nach wie vor mit anspruchs-vollen Beratungsmandaten für alte und neue Kunden tätig. Außerdem führt er die von ihm gegründete

Stiftung „Change Centre“ sowie die gleichnamige Beratungsgesellschaft für Non-Profit-Kunden und ist als Honorarprofessor für politische Kommuni-kation an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf tätig.

@Christin Käpplerarbeitet am Münchener Standort für das Change-Team von Ketchum Pleon. Ihre Erkenntnis: Es gibt keine Schablone für erfolgreiche Change-Projekte, die Kreu-zung aus Erfahrung und Empathie machts.

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Page 22: Inspire #5 Change Ketchum Pleon2014

POSITION BEZIEHENVon der Notwendigkeit einer neuen unternehmerischen Haltung. Ein Beitrag von Dirk Popp, CEO Ketchum Pleon.

Marissa Mayer von Yahoo steckt in einer Zwickmühle: Sie ist die

vielleicht modernste Managerin eines spannenden Onlineunterneh-

mens, das jeden Tag mit neuen Techniken und Trends hantiert und

vor der Herausforderung steht, sich neu erfinden zu müssen. Oder

zu dürfen. Dabei bedient sie sich jedoch eines derart autoritären

Führungsstils, mit detailversessenen Effizienzkontrollen und um-

strittenen Bewertungssystemen, dass hier zwei Welten aufeinander-

treffen. Sie symbolisieren den Scheideweg, an dem Führungs -

kräfte heute oft stehen. Sie agieren in einem Umfeld voller neuer

Technologien, mit mehr Transparenz und neuen Arbeitsmodellen und

-generationen. Also einem Umfeld, das jeden Tag Entscheidungen

vom Management fordert, für die es keine Vorlage und keine Anlei-

tung gibt. In vielen Unternehmen stünden eigentlich radikale Neue-

rungen, zum Beispiel durch Budgetshifts oder moderne Teamstruk-

turen, auf der Tagesordnung, doch aus meiner Erfahrung greifen die

meisten Manager genau in diesem Moment lieber auf „altbewährte

Prozesse und Standards“ zurück, die jedoch nicht mehr passen. Um

in Zukunft Mitarbeiter hinter sich zu versammeln und das Unterneh-

men gemeinsam nach vorne zu bringen, braucht es stattdessen

etwas anderes: eine klare Haltung. Diese begünstigt intern die

gemeinsame Kommunikationskultur, da sie Orientierung gibt. Sie

schafft extern eine klare Positionierung gegenüber den Stakehol-

dern. Und sie fördert drittens die Innovationsfähigkeit von Unterneh-

men. Schauen wir uns diese drei Bereiche genauer an.

1. Haltung als Kitt für die Kommunikationskultur

Der Einklang der Kommunikationsinhalte wurde lange Zeit mit Kon-

zepten wie der „One-Voice-Policy“, „verbindlichen Corporate Guide-

lines“ und hierarchischen Informations- und Freigabekaskaden

angestrebt. Angesichts der zunehmenden Echtzeitkommunikation

bzw. der daraus erwachsenen Erwartungshaltung der Kunden an die

Reaktionsgeschwindigkeiten von Unternehmen haben diese Kon-

zepte ausgedient. Statt One-Voice geht es auf einmal um eine

„Polyphonie“, in der alle Mitarbeiter gewollt oder ungewollt eine

zentrale Rolle für die Reputationsbildung spielen  – bei Freunden,

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PoSITIoN bEzIEHEN

Bekannten und in allen Kanälen, in denen sie privat oder beruflich

kommunizieren (siehe auch die Ergebnisse des Ketchum Leader-

ship Communication Monitors 2013, KLCM). Die unternehmeri-

sche Haltung ist im Optimalfall der neue Kitt, der diese vielstimmi-

gen Repräsentanten verbindet. Sie stiftet Orientierung für das

Verhalten und fördert und fordert gleichzeitig die Selbstständigkeit

und Eigeninitiative der Mitarbeiter. „Discerning a clear future through

the fog of today“, übersetzt der KLCM, nur so kann im „neuen“

Umfeld zumindest ein Gefühl von Sicherheit geschaffen werden. Die

persönliche Einstellung, die erforderlich ist, um dieses Neuland

betreten zu können, beschreibt Brian Solis von der Alimeter Group

als „Lean Forward“-Einstellung. Nicht dem Altbekannten verhaftet

bleiben, sondern sich aufgeschlossen in Richtung Zukunft wenden –

aber ohne die Balance zu verlieren. Wer also selber eine klare Hal-

tung in Bezug auf Themen, Ansprüche und Zusammenarbeit ein-

nimmt – siehe hierzu auch den Artikel „Und wofür stehen Sie?“ –,

kann diese auch an die eigenen Mitarbeiter vermitteln.

2. Klare Kante im externen Auftritt

In der externen Wahrnehmung macht eine Haltung Kommunikatoren

und Unternehmen unterscheidbar (siehe hierzu auch die ECCOS-

Studie). Vielerorts hat der Perfektionismus in der klassischen

Medienarbeit Einzug gehalten – und mit ihm die Langeweile. Spitzen

und Kanten werden weggehobelt, die Teflon-Beschichtung hat die

Kommunikations-Professionals erreicht. Interviews werden dreifach

autorisiert, bis vom Inhalt und von der Persönlichkeit des Interviewten

nichts mehr übrig bleibt. Dies führt dazu, dass über kurz oder lang

alle Unternehmen auf eine fast gleiche Art und Weise kommunizie-

ren (übrigens gilt dies auch für Agenturen) – wenn sie nicht den Mut

aufbringen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Das bedeu-

tet ausdrücklich nicht, dass jeder Manager die Untiefen seiner Seele

offenbaren soll, aber seine Meinung äußern und dabei auch zu Stär-

ken und Schwächen stehen kann. Und zwar ohne dass Anleger,

Medien und Internet-Trolle direkt zum Protest aufrufen. Mit einer

klaren Haltung entstehen in der Außenwirkung Authentizität und

Glaubwürdigkeit. Faktoren, die für Kunden bei der Einschätzung von

Unternehmen entscheidend sind. Der Einklang von Worten und

Taten von Unternehmen bzw. dem CEO spielt dabei eine besondere

Rolle und beeinflusst nachweislich auch die Bewertung des Unter-

nehmens und den Kauf von Produkten (ECCOS).

3. Haltung als triebwerk für Innovationen

Drittens beeinflusst die Haltung auch konkret, wie das Unterneh-

men in die Zukunft steuert und wie Mitarbeiter mit Ressourcen für

Entwicklungen und Ideen umgehen. Tragfähige Ideen entstehen sel-

ten top down, die Mitte der Organisation muss zum Mitmachen

motiviert werden. Kein leichtes Unterfangen. Nicht nur die Füh-

rungskraft, sondern auch die Mitarbeiter müssen eine neue Haltung

lernen, geprägt von Vertrauen, Verantwortung und Eigeninitiative.

Und wie funktioniert das? Einige Beispiele: Als Best Practices für

Innovationskulturen werden gerne Coke, Apple und Google zitiert,

die ihren Mitarbeitern gezielt ein Zeitkontingent für Ideenentwick-

lung zur Verfügung stellen. Für Innovationsneulinge geht es jedoch

auch in kleineren Schritten. Um den Denkstrukturen der eigenen

Leute auf die Sprünge zu helfen, sind zum Beispiel Innovations -

labore als „Labs“ (Bsp. das Creation Center oder die T-labs 2.0)

derzeit en vogue. Auch institutionalisierte  – und damit oftmals zu

komplizierte – Ideenmanagement-Prozesse finden Einzug in die Kon-

zernhallen. Leichter geht es mit der Nutzung inspirierender Arbeits-

methoden, wie Kreativtechniken oder zum Beispiel dem Ansatz des

Design-Thinking des Institute of Design der Stanford University.

Auch Kreativworkshops, Co-Creation-Ansätze und regelmäßige Out-

of-the-box-Impulse können inspirieren und einen Schub in die rich-

tige Richtung geben. Die Vorteile all dieser Ansätze: Ideenentwick-

lungen werden bewusst angegangen, um Mitarbeiter aus dem

gelernten Alltag zu holen. Dennoch: Nur weil die Mitarbeiter Lauf-

schuhe gestellt bekommen, fangen sie a) noch nicht an zu laufen

und b) auch nicht unbedingt in die richtige Richtung. Im Optimalfall

gelingt es jedoch, durch eine entsprechende (vorgelebte) Haltung

eine neue Kultur des Mitmachens, der Entscheidungen und der

Eigenverantwortung zu prägen, in der nicht alles verworfen und neu

erfunden werden muss, jedoch kritisch hinterfragt und optimiert

werden darf.

Fazit: Unternehmen brauchen Haltung. Dabei geht es weder um eine

neue Arbeitsanweisung noch um einen neuen Trend. Haltung wird

durch Personen verkörpert. Die Förderung authentischer Persönlich-

keiten mit eigenen Meinungen und klaren Positionen rückt damit in

den Mittelpunkt. Haltung kann Innovationsentwicklung fördern, die

nächste große Aufgabe der Wirtschaft. Manager und Mitarbeiter

brauchen hierfür jedoch Mut. Zum „Nein“- wie zum „Ja“-Sagen,

gegenüber den eigenen Kollegen, dem Vorstand, dem internationa-

len Board, Journalisten und Kritikern. „Jein“ und Prokrastinations-

taktiken werden gestrichen. Schlechte Zeiten für Opportunisten und

Verwalter. Die Rückbesinnung auf diesen unternehmerischen Klassi-

ker symbolisiert aus meiner Sicht ein Revival der Echtheit, mit Mut

zu Ecken und Kanten, die weder perfekt noch immer bequem sind,

aber überraschend authentisch. Und echten Menschen – und Unter-

nehmen – vertraut und folgt man. //

WEItErfüHrENDE LINKS

Die aktuellen Ergebnisse des Ketchum Leadership Communication Monitors 2013 finden Sie unter http://bit.ly/YtkGgo, die ECCOS-Studie hier: http://slidesha.re/1dnqAN2.

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Januar 2014

Ketchum Pleon GmbHBahnstraße 2

40212 Düsseldorf

Konzept und Realisierung: Business Development Deutschland

Schlussredaktion: Ulrich Nitsche, Thomas Fischer

Layout: Yasmine Cordes, Mario Föllmer

Fotos und Illustration:

Yasmine Cordes

Infografik:Isabel Schaller

Produktion: Stefanie Strieker


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