Post on 05-Apr-2015
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Begriffe und Funktionen von„Theorie“
System von möglichst allgemeinen Aussagen über die Wirklichkeit, die systematisch geordnet und intersubjektiv
überprüfbar sind !
WISSENSCHAFT
Prognosen über zukünftige
Ereignisse zu erstellen
Konkrete Handlungsoptionen aus
einer Menge von Optionen
auszuwählen und
das diese Handlungsoptionen in die
Praxis umsetzende Handeln zu
legitimieren.
Ziel der Wissenschaft
ist es, auf Grund dieser
Aussagen:
PrämissePrämisse Gesellschaftliches, politisches und auch wissen-
schaftliches Handeln ist nicht unmittelbar als Reflex auf die reale Situation zu verstehen, auf die sich dieses Handeln bezieht.
Vielmehr wird es gesteuert durch die Perzeption einer realen Situation und durch die Interpretation, d.h. durch das Bild, das wir uns von der Handlungs-situation machen - unabhängig davon, ob die Handlungssituation tatsächlich so beschaffen ist, wie wir sie sehen und interpretieren (Thomas-Theorem).
Gesellschaftliches, politisches und auch wissen-schaftliches Handeln ist nicht unmittelbar als Reflex auf die reale Situation zu verstehen, auf die sich dieses Handeln bezieht.
Vielmehr wird es gesteuert durch die Perzeption einer realen Situation und durch die Interpretation, d.h. durch das Bild, das wir uns von der Handlungs-situation machen - unabhängig davon, ob die Handlungssituation tatsächlich so beschaffen ist, wie wir sie sehen und interpretieren (Thomas-Theorem).
Keine Erkenntnis ohne Vorbedingungen
Das Bild der politischen Realität wird nicht durch
Informationen und Erfahrungen geprägt, die unmittelbar aus politischen Ereignissen, Krisen und Konflikten stammen.
Sie werden vielmehr vermittelt - gleichsam gefiltert - durch politische und gesellschaftliche Interessen, (Alltags-)Erfahrungen und Traditionen, denen das realitätswahrnehmende Subjekt im Prozeß seiner politischen Sozialisation ausgesetzt ist.
Kognitive Schemata
In diesem Prozeß bilden sich Schablonen, Muster, Glaubenssätze, Verhaltensmaßstäbe, Urteile und Vor-Urteile - kognitive Schemata - die die Auswahl aktueller Informationen steuern und ihre Deutung und Bewertung bestimmen.
Die Bedeutung dieser Schemata erhellt nicht zuletzt aus dem Umstand, daß der Mensch tagtäglich einer derart großen Menge an Informationen aus und über seine Umwelt ausgesetzt ist, daß sein Wahrneh-mungs- und Informationsverarbeitungsvermögen binnen kurzem durch "information overload" blockiert würde, besäße er nicht die Möglichkeit, unter Rekurs auf kognitive Schemata
# die potentiell unendliche Informationsmenge zu begrenzen, # aus ihr auszuwählen und # das Ausgewählte nach bestimmten Bezugs- mustern zu ordnen.
Verschiedenheit der Weltsichten Ganz besondere Bedeutung haben solche Muster und
Schemata in Lebensbereichen, die wie die internationalen Beziehungen der unmittelbaren, alltäglichen Erfahrung des Individuums entzogen sind. Die Vorstellungen des Menschen über die politischen Ziele und Verhaltensweisen anderer Staaten bilden sich nach den in seinem Kopf vorhandenen, im Umgang mit gesellschaftlicher und politischer Realität erworbenen Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern. Diese sind nicht für alle Menschen gleich, sondern je nach Qualität, Inhalt und Intensität der politischen Sozialisation des Individuums verschieden.
Die Verschiedenheit der kognitiven Schemata und der von ihnen gesteuerten Wahrnehmungs- und Informations-verarbeitungsprozesse bedingt auch eine Verschiedenheit der individuellen Weltsichten. Allerdings läßt sich diese durch Konsensbildung - durch die Verabredung mehrerer Individuen dazu, Phänomene einheitlich zu bewerten und zu interpretieren - teilweise überbrücken und in einer verabredeten gemein-samen Weltsicht aufheben.
Das Billard-Ball-Modell Internationaler Politik
Zugkräfte
Druckkräfte
Spinnweb-Modell internationaler Beziehungen
Wissenschaftliche Erkenntnis und Theoriebildung
In stärker abstrahierend-kategorisierender, logisch-formalisierter und insbesondere an das Kriterium der Nachprüfbarkeit von Aussagen gebundener Form liegt dieser Prozeß kognitiver Schematisierung auch der wissenschaftlichen Erkenntnis, vor allem aber auch dem Prozeß wissenschaftlicher Theoriebildung zugrunde.
ExkursExkurs
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
ERKENNTNISINTERESSE
FRAGESTELLUNG
SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
Theoretische Weltsicht
FRAGESTELLUNG
SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES
Was ist eine Theorie ?
Theorie ist “…das Netz das wir auswerfen, um die Welt einzufangen – um sie zu rationali-sieren, zu erklären und zu beherrschen."
Karl Popper. Logik der Forschung, 6.Aufl. Tübingen 1976
Oder: Theorien helfen bei der Orientierung in einer komplexen Wirklichkeit (vgl. nachf. Schaubild)
STRUKTUR
PROZESS
Internationale Beziehungen als Nullsummenspiel
KRIEG
KONFLIKT
Zivilisierung des Konfliktaustrags durch seine
Verrechtlichung
• Gewaltsame Interessendurchsetzung
• Rüstung/Rüstungswettläufe
• Sicherheitsdilemma
• (sozioökonomische) Dependenz und
• Abhängigkeit durch (Fremd-) Herrschaft
Verteilungsungerechtigkeit/Marginalisierung
• (negative) Interdependenz als Beschränkung von Handlungsoptionen
Internationale
Anarchie
(gewaltsame Regulierung von Beziehungen)
Internationale
Gesellschaft
(Verregelung von Beziehungen)
Überlagerung internationaler Konfliktformationen durch multi- und transnationale (Interessen-) Verflechtungs- und Entscheidungsprozesse
Kooperation
Frieden
• Abschreckung
• Gleichgewichtspolitik
• Kollektive Verteidigung
• Rüstungskontrolle
• Kollektive Sicherheit
• Peace Enforcement/ Peace Keeping
• Peace Building
• Integration
• (Kon-) Föderation
• (positive) Interdependenz:
(friedens-) stabilisierende Wirkungen
von Interdependenzverflechtungen
• funktionale Spillover-Effekte
Internationale Beziehungen als positives Summenspiel
Das methodologisch-ontologische Bezugsfeld
REALISMUS NEOREALISMUS
TRADITIONALISMUS
qualitativ, historisch- hermeneutisch
SZIENTISMUS
quantitativ, empirisch-nomologisch
IDEALISMUS
Spinnweb-Modell internationaler Politik
GLOBALISMUS , REGIME-ANSÄTZE
Billard-Ball-Modell internationaler Politik
Theorie: Funktionen
Eine gute Theorie sollte die folgenden Funktionen erfüllen:
• Beschreibung, Erklärung, Vorhersage von Phänomenen – positive/positivistische Idee der Theoriebildung
• Verifizierung oder (besser) Falsifizierung von (Beobachtungs) Aussagen (Popper) – durch Konfrontation unseres gesammelten Wissens mit der “Wirklichkeit” – kritisch-rationalistische Idee der Theoriebildung
“No matter how many instances of white swans we may have observed, this does not justify the conclusion that all swans are white”.
Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery
• in sich konsistent, geschlossen und konkludent sein
Theorieelemente und Theoriefunktionen Theorieelemente und Theoriefunktionen
1. Begriff => Konstrukt => Idealtyp => Typologie
1. Begriff => Konstrukt => Idealtyp => Typologie
2. Begriffsschema („conceptual framework“)
=> Vortheorie („pre-theory“) => Untersuchungsansatz
(„approach“)
2. Begriffsschema („conceptual framework“)
=> Vortheorie („pre-theory“) => Untersuchungsansatz
(„approach“)
3. Vermutung => Hypothese => Gesetz3. Vermutung =>
Hypothese => Gesetz
4. Axiom => Proposition/Theorem/Lehrsatz
4. Axiom => Proposition/Theorem/Lehrsatz
5. Modell => wissenschaftliches Weltbild => Paradigma oder
Großtheorie
5. Modell => wissenschaftliches Weltbild => Paradigma oder
Großtheorie
1. Darstellungsmittel (ontologische Theorie)
Feststellung dessen „was eigentlich ist“
1. Darstellungsmittel (ontologische Theorie)
Feststellung dessen „was eigentlich ist“
2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)
Feststellung der Gründe: „Warum ist das eingetreten
was jetzt der Fall ist ?“
2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)
Feststellung der Gründe: „Warum ist das eingetreten
was jetzt der Fall ist ?“
3. Rechtfertigungsmittel (validierende Theorie)
Feststellung der Angemessenheit der Erklärung:
„Warum gilt die Erklärung dessen, was jetzt der Fall ist ?“
3. Rechtfertigungsmittel (validierende Theorie)
Feststellung der Angemessenheit der Erklärung:
„Warum gilt die Erklärung dessen, was jetzt der Fall ist ?“
THEO RIE
Theoriefunktionen Theoriefunktionen
1. Darstellungsmittel (ontologische Theorie)
Feststellung dessen „was eigentlich ist“
1. Darstellungsmittel (ontologische Theorie)
Feststellung dessen „was eigentlich ist“
2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)
Feststellung der Gründe: „Warum ist das eingetreten
was jetzt der Fall ist ?“
2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)
Feststellung der Gründe: „Warum ist das eingetreten
was jetzt der Fall ist ?“
3. Rechtfertigungsmittel (validierende Theorie)
Feststellung der Angemessenheit der Erklärung:
„Warum gilt die Erklärung dessen, was jetzt der Fall ist ?“
3. Rechtfertigungsmittel (validierende Theorie)
Feststellung der Angemessenheit der Erklärung:
„Warum gilt die Erklärung dessen, was jetzt der Fall ist ?“
Theorien - DefinitionsversuchTheorien - Definitionsversuch
Theorien
sind ganze Systeme von relativ allgemeinen wissenschaftlichen Sätzen
(miteinander verbundene Wenn – Dann - Aussagen), die einen
bestimmten Ausschnitt der Realität widerspruchsfrei erklären sollen.
Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Allgemeinheit erscheint es
fraglich, ob es in der Sozialwissenschaft überhaupt (noch bzw. schon)
echte Theorien gibt. Momentan wird die Forschung klar von den
Theorien mittlerer Reichweite, die sich nur auf bestimmte soziale
Phänomene in bestimmten Gesellschaften beziehen, dominiert.
Theorien
sind ganze Systeme von relativ allgemeinen wissenschaftlichen Sätzen
(miteinander verbundene Wenn – Dann - Aussagen), die einen
bestimmten Ausschnitt der Realität widerspruchsfrei erklären sollen.
Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Allgemeinheit erscheint es
fraglich, ob es in der Sozialwissenschaft überhaupt (noch bzw. schon)
echte Theorien gibt. Momentan wird die Forschung klar von den
Theorien mittlerer Reichweite, die sich nur auf bestimmte soziale
Phänomene in bestimmten Gesellschaften beziehen, dominiert.
Theorie - Kennzeichen:
• Reflexion ohne Praxiszwang• nach eigenen Strukturen und Kriterien• eigene Sprache: nicht offen, nur bestimmte Verknüpfungen erlaubt• sprachliche Möglichkeiten reduziert, aber präziser als im Alltagsleben• Gesellschaft beeinflusst Reflexion in Bezug auf:• Themenauswahl• Fragestellungen• Methoden• Wissenschaft als Sonderfall institutionalisierter
Reflexion
Theorie - Kennzeichen (2)
Anspruch auf objektive Erkenntnis• Alltagsbewusstsein: nur Behauptung• Theorie: Begründung notwendig
Geltungsanspruch wird durch Meta-Theorie begründet (“Theorie über Theorie”)
Erkenntnistheorie: Wie und wieso wird etwas als “wahr” erkannt? Welche Kriterien besitzen wir zur Bestimmung der Gültigkeit unserer Aussagen
Problem: Abhängigkeit von wissenschaftlichen oder Spiegelung gesellschaftlicher Konventionen
Exkurs: Wissenschaftstheorie als Hintergrundbestimmung
– Wissenschaftstheorie als Meta-Theorie („philosophy of science“)
– Wissenschafts-Theorie: beschäftigt sich mit den Methoden, Voraussetzungen, Zielen und Ergebnissen der einzelnen Substanzwissenschaften
– Abstammung von der Erkenntnistheorie, umfaßt neben Wissenschafts-Philosophie auch Wissenschafts-Psychologie, Wissenschafts-Soziologie, Wissenschafts-Geschichte
– Zwei Verständnismöglichkeiten von Wissenschaftstheorie:
Deskriptiv: wie wird Wissenschaft betrieben? Normativ: wie sollte man Wissenschaft betreiben?
Versuch einer Begriffsklärung
• Wissenschaftstheorie: Der Begriff bezieht sich auf die systematische Reflexion von Voraussetzungen, Bedingungen, Methoden und Zielen von Wissenschaft und von Einzelwissenschaften (theoriea bei Aristoteles meint reines Betrachten, Durchdenken der Dinge, das vordergründig nicht auf Veränderung abzielt).
• Methodologie (methodos griech. Weg, logos griech. Lehre): Die Lehre vom Weg, von Aufgaben, Zielen und Möglichkeiten wissenschaftlicher Erkenntnis.
• Ontologie (griech. Seinwissenschaft): Bezeichnung für die Metaphysik des Seins und der Dinge; Lehre von den abstrakten Bestimmungen des Wesens
Empirie:• Wissenschaften• Phänomene• Theorien• Methoden• Erkenntnis
Empirie:• Wissenschaften• Phänomene• Theorien• Methoden• Erkenntnis
Dimensionen:• Schaffung• Gegenstand• Auswirkungen• Produzentenund Träger
Dimensionen:• Schaffung• Gegenstand• Auswirkungen• Produzentenund Träger
• Kognition• Sprache• Alltagsbewusstsein• Kausalität
• Kognition• Sprache• Alltagsbewusstsein• Kausalität
Wissenschaftstheorie im Überblick
Wissenschafts-theorie
Theorie
allgemeine
Wissensproduktion
spezielle
Erkenntnistheorie
Drei Ebenen des Nachdenkens über Wissenschaft
• EntstehungszusammenhangAbhängigkeit von Wissenschaft von ihren natürlichen und gesellschaftlichen Grund-lagen
• BegründungszusammenhangAuf die Wissenschaft selbst und ihre methodologischen Orientierungen bezogen
• VerwertungszusammenhangWirkung von Wissenschaft auf Natur und Gesellschaft
WT-Problemfelder
• • die Spannung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften (Näheres bei der Traditionalismus – Scientismus-Debatte)
• • das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderen
• • das Wertproblem (Näheres ebenfalls bei der Traditionalismus-Scientismus-Debatte)
Das Verhältnis vom Allgemeinen zum Besonderen
• soll die Wissenschaft allgemeine Sätze aufstellen (analytisches Ziel)
„Jeder Mensch lernt in Abhängigkeit von Vorverständnissen.“» nomothetischer Ansatz: Gesetzesbildung
• oder einzelne, individuelle Tatbestände erforschen?„Das römische Zahlsystem wurde von nicht von den Römern,
sondern den Hethitern erfunden.“» idiographischer Ansatz: Geschichtsschreibung
• oder beides gleichzeitig? In welchem Verhältnis?• Paradoxie (eine Art hermeneutischer Zirkel ??)» Allsätze werden erst durch individuelle „Elemente“ möglich» Individuelles wird erst durch ganzheitliche Sicht als solches
erkennbar
Literaturtip
• Johann August Schülein/Simon Reitze: Wissenschaftstheorie für Einsteiger. Wien 2002 [UTB 2351]
• Bruno Heller: Wie entsteht Wissen. Eine Reise durch die Wissenschaftstheorie. Darmstadt 2005 [wbg]
• John Ziman: Wie zuverlässig ist wissenschaftliche Erkenntnis ? Braunschweig 1982
Literaturtip II
• Wolfgang Detel: Grundkurs Philosophie. Bd.4: Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Stuttgart: Reclam 2007
• Robert C. Bishop: The Philosophy of the Social Sciences. An Introduction. London: Continuum 2007
• Scott Gordon: The History and Philosophy of Social Science. London 1991
Warum beschäftigen wir uns mit Theorien ?