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Dr. Dieter Korczak1HTA-Bericht zur Alkoholprävention
20. Wissenschaftliches Symposium DHS 2015
Klink/Waren, 3. Juni 2015
Alkoholprävention
Ergebnisse eines HTA-Berichtes:
Evidenz, Wirksamkeit, Ressourcenallokation
Dieter Korczak
Dr. Dieter Korczak2HTA-Bericht zur Alkoholprävention
„Die Krankenkassen werden verpflichtet, der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
ab 2016 rund 35 Millionen Euro im Jahr zu überweisen.
Als Gegenleistung sieht der Gesetzgeber vor, dass die
Bundeszentrale die Kassen bei ihren Präventionsaufgaben
unterstützt, vor allem bei der Prävention in Lebenswelten.
Der Zwangszuschuss ist erheblich, stockt er doch den Etat
der Bundeszentrale von derzeit rund 60,3 Millionen Euro
auf annähernd 100 Millionen Euro im Jahr auf.“
Ärztezeitung 1. Juni 2015
Vorbemerkung I
Dr. Dieter Korczak3HTA-Bericht zur Alkoholprävention
„Jährlich werden mindestens 36 Mio. Euro für
Alkoholpräventionsmaßnahmen bei Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgegeben.
Die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der
Millionenbeträge ist jedoch nicht evaluiert, auch
nicht das Kosten-Nutzen- oder Kosten-
Wirkungsverhältnis.
Prävention muss kosteneffektiv sein, um die Ein- und
Durchführung von Präventionsmaßnahmen zu
begründen.“
Krauth/John/Suhrcke, 2011
Vorbemerkung II
Dr. Dieter Korczak4HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2015
Hermann Schlömer
„Dass Maßnahmen der Suchtprävention sich
hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und des
Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu legitimieren
haben, erwarten öffentliche und private
Auftraggeber und FörderInnen zunehmend.“
Vorbemerkung III
Dr. Dieter Korczak
Zielsetzung von Health Technology Assessment
• Systematische Evaluation von Prozessen und
Technologien auf der Basis wissenschaftlicher,
verfügbarer Informationen/ Literatur
• Diskussion und Bewertung von
- Wirksamkeit (Alltag) und Kosteneffektivität
- ethischen und sozialen Zusammenhängen
- gesetzlichen Rahmenbedingungen
• Berücksichtigung bei und Basis für
gesundheitspolitische/n Entscheidungen
(effektiver Umgang mit Ressourcen, Identifikation von
Forschungsbedarf, ggf. Priorisierung)
Dr. Dieter Korczak6HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Ziele des HTA-Berichts
Umfassende Übersicht der aktuellen Literatur zu
verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen
hinsichtlich riskanter Alkoholkonsummuster und
alkoholbezogener Probleme bei Kindern und
Jugendlichen.
Beurteilung aktueller Präventionsprogramme auf ihre
Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, um
evidenzbasierte Empfehlungen bezüglich zukünftiger
Maßnahmen treffen zu können.
Übersicht über das föderale Präventionssystem und
Maßnahmen zur Verhaltensprävention von riskanten
Alkoholmustern.
Dr. Dieter Korczak7HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Forschungsfragen
Wie wirksam sind verhaltensbezogene Interventionen?
Wie ist die Wirksamkeit einfacher Schul- oder
Community-Interventionen?
Wie ist die Wirksamkeit verschiedener Interventionen
verglichen untereinander?
Wie ist die Übertragbarkeit internationaler Ergebnisse
auf die Situation in Deutschland?
Welche Maßnahmen der verhaltensbezogenen
Prävention werden in Deutschland umgesetzt? Zu
welchen Maßnahmen liegen Evaluationen vor?
Dr. Dieter Korczak8HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Methodik
Systematische elektronische Recherche in 34
Datenbanken (Juli 2010)
Unter anderem:
Cochrane (auch bei Bühler/Thrul 2013)
DAHTA
EMBASE
MEDLINE
SciSearch
SOMED
Dr. Dieter Korczak9HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Studienselektion: Quantitative Ergebnisse der Recherche
Datenbanksuche 401 Publikationen werden identifiziert
Erstkontrolle
Handrecherche
Bewertung
Berücksichtigung
Titel/Abstract
Nach Durchsicht von Titel und Abstract
werden 261 Publikationen ausgeschlossen
und somit 140 Artikel eingeschlossen
Eingeschlossen:
40 sozialmedizinische
4 ökonomische
15 ethische Publikationen
Insgesamt: 59 Publikationen
Nach Durchsicht der Volltexte werden
ausgeschlossen: 58 sozialmedizinische,
5 ökonomische und 24 ethische Publikationen
6 Studien
Volltext
Dr. Dieter Korczak10HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Evidenzbewertung
HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Evidenzbewertung nach Oxford Centre of Evidence-based MedicineRCT = Randomisierte kontrollierte Studie, Quelle: Oxford Centre of Evidence-based Medicine, Levels of Evidence (2006)
1A Meta-Analysen; systematischer Review von RCT
1B Einzelne RCT
2A Systematischer Review von Kohortenstudien
2B Einzelne Kohortenstudien und RCT niedriger Qualität
2C Outcome Research
3A Systematischer Review von Fall-Kontrollstudien
3B Einzelne Fall-Kontrollstudien
4 Fallserien, Kohortenstudien und Fall-Kontrollstudien
schlechter Qualität
5 Reine Expertenmeinungen, Laborbeobachtung, theoretische
Annahmen
Dr. Dieter Korczak11HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Sozialwissenschaftliche Evidenz
• Repräsentativität und Signifikanz
• Validität
• Reliabilität
• Longitudinalität
• Experimentelles Untersuchungsdesign
Dr. Dieter Korczak12HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Theoretisches Erklärungsmodell erforderlich
Nullhypothese
• Veränderung der Einstellung zum Alkoholkonsum
• Reduktion des täglichen Alkoholkonsums
• Reduktion der Alkoholrauscherfahrungen
• Schutzfaktoren stärken
• Risikofaktoren frühzeitig minimieren
Dr. Dieter Korczak
• Den Beginn des Konsums verhindern oder
hinauszögern
• Riskante Konsummuster frühzeitig
reduzieren
• Eine Abhängigkeit mit allen zur Verfügung
stehen Mitteln frühzeitig behandeln
13HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Eckpunkte aus dem Aktionsplan „Drogen und Sucht“, Juni 2002
Dr. Dieter Korczak14HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Diskussion im HTA-Bericht - Studien
Der Begriff des riskanten Konsums wird in einer großen Bandbreite
verwendet.
Zahlreiche Studien leiden unter methodischen Mängeln
(fehlende Randomisierungen, fehlende oder kurze Follow-up, unklar
definierte Messparameter).
Die Studien differenzieren teilweise zwischen Kindern, Jugendlichen
und jungen Erwachsenen, verwenden aber unterschiedliche
Altersgrenzen.
Es fehlen Untersuchungen zu berufstätigen Jugendlichen und jungen
Erwachsenen sowie Minoritäten.
Die Übertragbarkeit US-amerikanischer Ergebnisse auf Deutschland
ist problematisch.
Dr. Dieter Korczak15HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Evaluation
Outcome I
Output I
Income
Output III
Output II
Outcome II
Input
Outcome III
Erfassung des Geld, Personal und Zeitaufwands
Erfassung der Ressourcen und Kompetenzen der Zielpersonen
Dokumentation der durchgeführten Aktivitäten
Bekanntheit des Programms, Teilnahmefrequenz, Gender Quoten
Teilnehmerreaktion (Interesse, Zufriedenheit, Stärken, Schwächen)
Veränderungen von Wissen, Werte, Einstellungen
Umsetzung in ,neues‘ Handeln
Erreichte neue personale, berufliche, soziale Position
Organisation auf der Ebene von SozialsystemenImpact
Phase Messgröße(n)Evaluation
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Dr. Dieter Korczak16HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Evaluierte Präventionsprojekte und ihre Wirkung
Präventionstyp Zielgruppe Stichprobe Ergebnis
Papilio Universell 3-7 Jahre 687 Verhalten (+),Hyperakt. (-)
Ganz schön stark Universell 6-10 Jahre 1.050 Verzögerung des
Konsumbeginns
Klasse2000 Universell 1.-4. Klasse 157 Verzögerung des
Konsumbeginns
Eigenständig werden Universell 1.-4. Klasse 919 ?
NA TOLL!/Bist Du stärker
als Alkohol?
Universell 12-16 Jahre K. A. ?
Kribbeln im Bauch Universell 9. Klasse 104 Reduzierung
Alkoholkonsum
Aktion Glasklar Universell < 16 Jahre 1.686 Reduzierung
Rauschtrinken
HaLT Universell/Indiziert 14-27 Jahre 74 Keine Wirkung
Alkohol? Kenn Dein Limit Universell 16-20 Jahre 7.000 Keine Wirkung
FreDPLUS Indiziert 14-27 Jahre 99 ?
JiMs Barkeeperschulung Universell > 16 Jahre 60 Keine Wirkung
FreD = Frühintervention bei erstauffälligen Drogen- und Alkoholkonsumenten. HaLT = Hart am Limit. JiM = Jugendschutz im Mittelpunkt.
K. A. = Keine Angabe.
Dr. Dieter Korczak17HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Diskussion im HTA Bericht – Maßnahmen, Projekte
Nur wenige Maßnahmen erzielen dauerhafte Reduktionen der
Alkoholkonsumhäufigkeit oder -menge.
Insgesamt ist zu beobachten, dass trotz Interventionen der Alkoholkonsum
mit steigendem Alter zunimmt.
Der Einfluss altersspezifischer Alkoholnormen für die Übergangsphase
vom Jugend- zum Erwachsenenalter wird kaum problematisiert und völlig
unzureichend untersucht.
Die Effekte von Multikomponentenprogrammen und gemeindenahen
Interventionen werden nur vereinzelt angesprochen; das in diesen
Untersuchungen verwendete Studiendesign ist defizitär.
Der Grad der angestrebten Verhaltensänderung wird nicht benannt, die
Beurteilung der Effektivität der Maßnahmen erfolgt nur im Nachhinein im
Vergleich mit Kontrollgruppen.
Dr. Dieter Korczak18HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Fazit des HTA-Berichtes (2011)
Eine wirksame und nachhaltige
Verhaltensänderung des
Risikoalkoholkonsums durch die
deutschen Alkoholpräventionsprogramme
für Kinder, Jugendliche und junge
Erwachsene ist anhand der vorgelegten
Evaluationsstudien nicht zu beobachten.
Dr. Dieter Korczak19HTA-Bericht zur Alkoholprävention
• seit 2011
Intensive Diskussion in Fachkreisen, intern
• 2012
Memorandum Forschungsförderung Prävention des BMBF
„Prävention muss evidenzbasiert sein.“
• 2013
Neuauflage der „Expertise zur Suchtprävention“ der BZgA
• 2014
Kölner Memorandum im Auftrag des BMG
- Versuch der Differenzierung zwischen Evidenzbasierter
Suchtprävention und Evidenzgenerierung
• 2015
Umsetzung der Evidenzdiskussion im Drogen- und Suchtbericht
nicht erkennbar
Nachbemerkung - Wirkung des HTA-Berichtes
Dr. Dieter Korczak20HTA-Bericht zur Alkoholprävention
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Dieter Korczak
GP Forschungsgruppe
Breitscheidstr. 16
16321 Bernau bei Berlin
Email: dieter.korczak@gp-f.com
www.gp-f.com