ISSN — 1619-7372 — www.rkw-magazin.de
RKW MAGAZINspezial | 2011
Kultur- und Kreativwirtschaft
spezial
Hier geht es weiter!
WETTBEWERBKULTUR- UND KREATIVPILOTEN DEUTSCHLAND
Der Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der
Bundesregierung hat zum ersten Mal 32 Unternehmen dieser Branche ausgezeichnet. Jetzt geht es weiter!
Nach der Titelvergabe Ende Oktober starten die „Kultur- und Kreativpiloten“ nun durch – sie erhalten vier
individuelle Screenings und drei Workshops mit Branchenexperten. Lernen Sie die Preisträger und ihre
Ideen kennen und verfolgen Sie deren Entwicklung online auf:
www.kultur-kreativpiloten.dewww.facebook.com/kreativpiloten
Liebe Leserin, lieber Leser,
�
Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011 w w w. rK w- m aga zin . de
die Bedeutung von Kultur- und Kreativschaffenden für die gesellschaftliche Ent-
wicklung ist heute unbestritten. Ihr Einfluss auf die Wirtschaft, erst recht die ihr
selbst innewohnende Wirtschaftskraft, ist trotz beeindruckender Zahlen in
weiten Teilen der Öffentlichkeit unbekannt. Dabei kann niemandem verborgen
bleiben, welch enormen Einfluss beispielsweise Gestaltung und Kommunikation
auf Erfolg oder Misserfolg eines Produktes haben. Im Wettbewerb um den Kun-
den in einer reizüberfluteten Gesellschaft haben Design und Markenimage im
Verhältnis zu klassischen Entscheidungskategorien wie Qualität und Funktiona-
lität zumindest Gleichrang in der Bedeutung erzielt, wenn nicht gar die Ober-
hand gewonnen. Das Selbstverständnis der heterogenen Branche hinkt diesem
Bedeutungszuwachs noch hinterher. Das liegt zum einen an der Nähe zu den
per se dem Gewinnstreben fernen Künsten. Zum anderen ist das unzureichend
entwickelte Verständnis für die Notwendigkeit wirtschaftlicher Professionali-
sierung und die damit korrespondierende unterdurchschnittliche Inanspruch-
nahme von Angeboten der Wirtschaftsförderung zu nennen.
Das wollen wir ändern. Mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirt-
schaft und den dazugehörenden acht Regionalbüros für alle 16 Bundesländer
zielen wir darauf ab, die wirtschaftlichen und beschäftigungswirksamen Po-
tenziale gerade der Kleinstunternehmen und Selbständigen in der Branche
zu heben. Dabei verbinden wir unser profundes Mittelstands-Know-How, die
Beratungserfahrung unserer Landesvereine mit neuen, auf die Bedürfnisse
kreativer, kulturaffiner Menschen zugeschnittenen Transferwegen. Der große
Erfolg dieser Anstrengungen und die Vielfalt der Unternehmen sowie ihre
vielfältigen Wachstumschancen motivieren uns, den eingeschlagenen Weg
fortzusetzen und unser Engagement gemeinsam mit dem Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie und dem Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien (BKM) auszuweiten. Deshalb ist dieses Sonderheft zu
verstehen als ein Zwischenbericht, der Ihnen hoffentlich kurzweilige und inte-
ressante Einblicke in die spannende Welt einer faszinierenden Branche gibt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.
Ihr W. Axel Zehrfeld
w. a xel zeh rfel d, gesch äf t sfü h rer
d es rK w Ko m pe tenz zen trums
RKW Magazin spezial Kultur- und Kreativwirtschaft
titel
08 Kultur- und Kreativwirtschaft:
Daten, Zahlen, Fakten
14 Kreativ arbeiten – mit Erfolg!
Das Kompetenzzentrum Kultur- und
Kreativwirtschaft beim RKW
18 Das Kompetenzzentrum Kultur-
und Kreativwirtschaft mit seinen
Regionalbüros
62 Informationen zum
Kompetenzzentrum Kultur- und
Kreativwirtschaft
� inhalt
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
grusswo rte
10 Bundesminister Rainer Brüderle
Grußwort
12 Staatsminister Bernd Neumann
Grußwort
aus d en regi o n en
21 Katja Großer und Christian Rost,
Regionalbüro Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Thüringen
24 Bianca Poppke,
Regionalbüro
Baden-Württemberg
30 Norman Schulz,
Regionalbüro Hessen, Rheinland-Pfalz,
Saarland
34 Jürgen Enninger,
Regionalbüro Bayern
44 Christof Schreckenberg,
Regionalbüro Nordrhein-Westfalen
50 Dirk Kiefer,
Regionalbüro Berlin, Brandenburg
58 Tania Breyer,
Regionalbüro Bremen, Niedersachsen
60 Frank Lemloh,
Regionalbüro Hamburg, Mecklenburg-
Vorpommern, Schleswig-Holstein
f o Kus
06 Drei Fragen an...
26 Leitfaden durch die
Kultur- und
Kreativwirtschaft
32 RKW Kuratorium: Bedeutung der
Kultur- und Kreativwirtschaft
für den deutschen Mittelstand
36 Kreative Durchstarter:
Die „Kultur- und Kreativpiloten“
40 Interview mit Dr. Ulrich Schröder,
Vorstandsvorsitzender der KfW
46 Internationale Trends in der Kreativ-
wirtschaft: Chancen für Kommunen
54 In der Sahelzone der Einkommen:
Über die Arbeit von mediafon –
dem Beratungsnetz für Soloselbständige
�
w w w. rK w- m aga zin . de
� drei fragen an …
Wieso? Weshalb? Warum?Drei Fragen an…
hansjürgen wilde ist finanzvorstand der erecon ag. die Bremer firma Berät unternehmen,
öffentliche einrichtungen und andere institutionen daBei, die energieeffizienz
ihrer rechenzentren zu optimieren.
Kultur- und Kreativ wirtschaf t –
was verBinden sie mit der Br anche?
Wir interessieren uns sehr für diesen Wirtschaftsbereich. Für uns ist Kreativität
nicht nur schmückendes Beiwerk. Vielmehr suchen wir Schnittmengen, um
gemeinsam an Inhalten zu arbeiten.
giBt es in ihrem unternehmen Bereits
BerührungspunK te zu „den Kreativen“?
Die erecon AG engagiert sich in vielerlei Hinsicht für die Kreativen. Wir traten
in 2010 beispielsweise als Sponsor einer Ausstellung mit Fotografien des Briten
J. Henry Fair auf, der sich mit dem Klimawandel, der Massenproduktion und
der Energiegewinnung auseinandersetzt. Außerdem sind wir Mitgründer des
Vereins „Bremovation“. In diesem Verein setzen sich Bremer Unternehmen für
Kulturprojekte ein, die sich mit Innovation und Nachhaltigkeit beschäftigen.
wo sehen sie (weitere) mögliche
ansatzpunK te für eine zusammenarBeit?
Im Rahmen unserer Sponsorentätigkeit stellen wir Überlegungen für ein Pro-
jekt an, das die Energieverschwendung durch die Informationstechnologie
thematisiert. Wir würden dabei gerne unser technisches Know-How mit den
künstlerischen Potenzialen der Kreativen verbinden. Aus dieser Verknüpfung
unterschiedlicher Sichtweisen auf ein gemeinsames, stark erklärungsbedürftiges
Thema versprechen wir uns Synergien, die zur besseren Verständlichkeit führen.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
�
martin friedel ist
geschäf tsführer der warema
Kunststoff techniK
und maschinenBau gmBh
Kultur- und Kreativ wirtschaf t –
was verBinden sie mit der Br anche?
5 x A = Alles Anders Als Alle Anderen
giBt es in ihrem unternehmen Bereits
BerührungspunK te zu „den Kreativen“?
Nein, die gibt es bislang nicht.
wo sehen sie (weitere) mögliche
ansatzpunK te für eine zusammenarBeit?
Die „Kreativen“ könnten zum Beispiel bei Fra-
gen der Zukunftsgestaltung für das eigene
Unternehmen eingebunden werden. Dadurch
würden gemeinsam neue und andere Blick-
richtungen gewonnen und diskutiert werden.
dipl.-Kfm. Klaus horst KrömmelBein ist geschäfts-
führender gesellschafter der connex paint mixing
systems gmBh, unter anderem ein führender
hersteller von farBmisch-computer-systemen zum
ausmischen von autoreparaturlacKen.
Kultur- und Kreativ wirtschaf t –
was verBinden sie mit der Br anche?
Ich denke dabei insbesondere an ein kultu-
relles Gegengewicht und eine kreative Er-
weiterung zu den eher traditionell geprägten
Wirtschaftsbereichen.
giBt es in ihrem unternehmen Bereits
BerührungspunK te zu „den Kreativen“?
Ja. Bei CONNEX haben wir in erster Linie
Schnittstellen zur Design- und Künstlerszene.
Die Kontakte zur Design- und Künstlerszene
beziehen sich sowohl auf das Gehäusedesign
und die Konstruktion unserer Geräte als auch
auf den Messebau und auf die Gestaltung un-
serer Büroräume inklusive speziell designter
Möbel und individuell gestalteter Accessoires.
wo sehen sie (weitere) mögliche
ansatzpunK te für eine zusammenarBeit?
Ich kann mir vorstellen, dass wir gemeinsam
mit den Kreativen an einem ganzheitlichen
Ansatz für eine zeitgemäße Unternehmens-
kultur arbeiten können.
w w w. rK w- m aga zin . de
� daten, zahlen, faKten
Die elf Teilmärk Te Der kulTur- unD kreaTiv wirTschaf T
01. Musikwirtschaft 02. Buchmarkt 0�. Kunstmarkt 0� . Filmwirtschaft 0�. Rundfunkwirtschaft
0�. Markt für darstellende Künste 0�. Designwirtschaft
0�. Architekturmarkt 09. Pressemarkt 10. Werbemarkt 11. Software/ Games-Industrie
üBer
131 Milliarden Euro umsatz
der marK t z ählt
787.000 sozialversicherungspflichtig Beschäf tigte
üBer
1Million erwerBstätige
rund
237.000 unternehmen
Quelle: monitoring zu ausgewählten wirtschaf tlichen ecKdaten
der Kultur- und Kreativ wirtschaf t 2009. Bmwi (hrsg.) 2010.
Deutschlands Kultur- und Kreativwirtschaft. Daten, Zahlen, Fakten.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
9
wertschöpfungsBeitr ag von rund
62,6 Milliarden Euro damit r angiert die Kultur- und Kreativ wirtschaf t gleich nach der
automoBilindustrie und noch vor der chemischen industrie
anteil der
selBständigen
23,1% an
erwerBstätigen
anteil der Kleinstunternehmen/freiBerufler
mit einem umsatz unter 2 millionen euro:
97% anteil an gesamtumsatz Knapp 2� prozent
– 200� –
anteil der frauen in der gesamten erwerBstätigKeit
innerhalB der Kultur- und Kreativwirtschaft:
53% – 200� –
w w w. rK w- m aga zin . de
10 Bundesminister rainer Brüderle mdB
Grußwortvon BundesministerRainer Brüderle MdB
Deutschland befindet sich mitten im Aufschwung.
Nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise
geht es wieder kräftig bergauf. Die Wirtschaft
wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt. Auch bei der
Kultur- und Kreativwirtschaft geht es aufwärts.
Die Branche zählt rund 237.000 Unternehmen und
mehr als eine Million Beschäftigte. Der Umsatz
lag im Jahr 2009 bei rund 131 Milliarden Euro. Die
Kultur- und Kreativwirtschaft hat also erhebliche
volkswirtschaftliche Bedeutung. Darüber hinaus
gehen auch bedeutende Impulse von dieser Branche
aus. Ihr Markenzeichen sind die vielen kreativen
Menschen, die ständig bereit sind, neue Heraus-
forderungen anzunehmen und Ideen umzusetzen.
Hier entstehen viele neue, zukunftsorientierte Ar-
beits- und Geschäftsmodelle. Deshalb ist hier
auch die Quote der Selbständigen mit 25 Prozent
außergewöhnlich hoch.
Mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft
will die Bundesregierung die Wettbewerbsfähig-
keit dieser Branche noch zusätzlich stärken. Wir
wollen insbesondere die vielen Selbständigen und
Kleinunternehmen noch näher an die Instrumente
der Wirtschaftsförderung heranführen.
Mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Krea-
tivwirtschaft, das wir beim RKW Rationalisie-
rungs- und Innovationszentrum der deutschen
Wirtschaft e.V. angesiedelt haben, gibt es für den
Wirtschaftszweig nun erstmals auf Bundesebene
eine eigene Plattform für Information, Beratung
und Vernetzung. Das RKW verfügt über vielfältige
Kompetenzen und beste Erfahrungen im Bereich
des Mittelstandes. Dieses Know-how wollen wir
auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft nutz-
bar machen.
Darüber hinaus organisieren unsere acht Regional-
büros an rund 70 Orten quer durch die gesamte
Republik Orientierungsberatungen und Sprechtage.
Sie bieten damit ein ausgezeichnetes Forum für die
regionale Vernetzung. Gerade die vielen mittelstän-
dischen Akteure der Branche profitieren davon, das
zeigt auch die überaus große Nachfrage nach die-
sem neuen Angebot. Das gilt auch für den Wettbe-
werb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“, den
wir im Sommer 2010 gestartet haben. Mit diesem
Wettbewerb suchen wir Menschen, die kreative
Ideen in erfolgreiche Geschäfte umsetzen.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
rainer Brüderle, mdB
Bundesminister für
wirtschaft und technologie
11
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist zudem ein
wichtiger Schwerpunkt unserer neu gestarteten
Außenwirtschaftsoffensive. Wir wollen den Export
kultureller und kreativer Produkte sowie Dienst-
leistungen weiter steigern und die Potenziale der
deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft im Aus-
land noch besser bekannt machen. So wird sich
Deutschland etwa im Jahr 2011 als Land des inno-
vativen Designs und der attraktiven Marken auf der
„Business of Design Week“ in Hongkong präsen-
tieren. Das passende Motto dieser Präsentation:
„Brand New Germany“.
Wir setzen alles daran, optimale Rahmenbedingungen
für Kultur- und Kreativschaffende in Deutschland zu
setzen. Davon profitiert unser ganzes Land. In diesem
Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre
dieser Sonderausgabe des RKW Magazins.
Ihr Bundesminister
für Wirtschaft und Technologie
w w w. rK w- m aga zin . de
12 staatsminister Bernd neumann mdB
Grußwort von Staatsminister Bernd Neumann
Vor dem Hintergrund von Globalisierung und einer
sich entfaltenden Wissensgesellschaft sind Kunst
und Kultur wichtige Antriebskräfte wirtschaftlicher
und gesellschaftlicher Innovation und damit ein
Faktor für Wachstum und neue Arbeitsplätze. Bei
einer steigenden Anzahl von Produkten und Dienst-
leistungen bilden Kunst und Kultur längst nicht
mehr nur das ästhetische „Sahnehäubchen“, son-
dern sind ein integraler Bestandteil von Produktent-
wicklung und Marketing. Vielfach besteht jedoch
eine Diskrepanz zwischen der enormen kreativen
Kraft der vielen Selbständigen und Freiberufler in
der Kultur- und Kreativwirtschaft und den wirt-
schaftlichen Erträgen ihrer Arbeit. Um dies zu än-
dern, hat mein Haus gemeinsam mit dem Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Technologie Ende
2007 die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft
auf den Weg gebracht. Eine nachhaltige Politik für
die Branche ist heute nur möglich, wenn Kultur und
Wirtschaft auch in der Politik an einem Strang ziehen.
Das vom RKW Rationalisierungs- und Innovations-
zentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. eingerichtete
Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft
des Bundes ist ein wichtiger Baustein unserer Stra-
tegie zur Stärkung der kulturellen und wirtschaft-
lichen Leistungskraft der Branche. Wir haben das
RKW mit dem Aufbau unseres Kompetenzzentrums
beauftragt, weil es aufgrund seiner Expertise ins-
besondere im Bereich der Mittelstandspolitik dafür
die besten Voraussetzungen bietet.
Dank des Engagements der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Kompetenzzentrums konnten wir
bereits im Jahr 2010 alle acht Regionalbüros ein-
richten, die die Arbeit des Kompetenzzentrums vor
Ort verankern.
Bei aller wirtschaftlichen Bedeutung von Kunst und
Kultur dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass sie
Freiräume brauchen. Nur, wenn wir den Eigensinn
von Kunst und Kultur respektieren, können sie ihre
innovative Kraft voll entfalten. Daher ist es wichtig,
dass sich die Politik nicht nur an eindrucksvollen
wirtschaftlichen Kennzahlen orientiert, sondern die
Bedingungen für Künstler und Kulturschaffende,
für kreatives Arbeiten in Deutschland konkret ver-
bessert. Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft
trägt dazu wesentlich bei. Hier zeigt sich: Kultur
und Wirtschaft ergänzen sich aufs Beste, wenn sie
einander auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Bernd Neumann, MdB
Staatsminister bei der Bundeskanzlerin
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
Bernd neumann, mdB
sta atsminister Bei der
BundesK anzlerin
1�
w w w. rK w- m aga zin . de
Kultur, Kreative und Wirtschaft – wie passt das zu-
sammen? Sind das nicht unvereinbare Gegensätze?
Unsere Antwort lautet: Ja und nein!
Ob Designer oder Musikproduzenten – ihre Krea-
tivität und Einzigartigkeit unterscheidet sie sehr
wohl von einer Serienproduktion des Automobil-
baus. Doch Beispiele erfolgreicher Kreativer bewei-
sen, dass der schöpferische Akt auch als ein Kern
wirtschaftlicher Aktivität entwickelt werden kann.
Hort der Ideen, des Entdeckens
und der Überraschung
Die Kultur- und Kreativwirtschaft nahm in
Deutschland schon vor den Krisenjahren einen
mittleren Platz unter den führenden Branchen
ein: Mit ihrem Beitrag von 63 Milliarden Euro
zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ran-
giert sie in 2007 gleich nach der Automobilindus-
trie und noch vor der Chemischen Industrie.1 In
den Jahren der Wirtschaftskrise entwickelte sie
sich günstiger als die Gesamtwirtschaft. Während
2009 der gesamtwirtschaftliche Umsatz um ca.
8 % sank, blieb der Umsatz der Kreativwirtschaft
lediglich um 3,5 % unter dem Vorjahreswert. Die
volkswirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und
Kreativwirtschaft gründet sich sowohl auf ihr
Wachstums-, als auch auf ihr Kreativpotenzial.
Als „Hort der Ideen, des Entdeckens und der Über-
raschung“ bereichert die Kultur- und Kreativwirt-
schaft nicht nur unser Leben. Kreative schaffen
darüber hinaus einen Ideenvorrat, der die eigene
Branche ebenso inspiriert, wie er traditionell ge-
prägte Wirtschaftszweige anregen kann. Wegen
ihrer interdisziplinären Bedeutung und ihrer Beson-
derheiten, wie der hohe Anteil von Selbständigen
und Kleinstunternehmen, bedarf diese Wachstums-
branche einer gezielten Ansprache und Förderung.
Kreativ arbeiten – mit Erfolg! Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft beim RKW
1� Kreativ arBeiten – mit erfolg!
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
1�
harm wurthmann
leiter des Kompetenzzentrums
Kultur- und Kreativ wirtschaf t
des Bundes
Das Kompetenzzentrum
Kultur- und Kreativwirtschaft
Um die Brancheninitiative der Bundesregierung
zu unterstützen, ist mit Mitteln der Bundesregie-
rung in 2009 das „Kompetenzzentrum Kultur- und
Kreativwirtschaft des Bundes“ im RKW aufgebaut
worden.
Das Team ist so bunt zusammengesetzt wie die
heterogene Branche selbst: Fast alle Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter haben in unterschiedlichen
Bereichen der „Szene“ erfolgreich gearbeitet, bei-
spielsweise in der Musikwirtschaft oder im Theater.
Gepaart mit den Erfahrungen und der Plattform
des RKW ist es möglich, die Kreativen in ihrem
Milieu „abzuholen“, sie für die wirtschaftliche Seite
ihrer Arbeit aufzuschließen und sie zu vernetzen –
nicht nur mit anderen Kreativen, sondern auch
mit Unternehmen eher traditionell geprägter Wirt-
schaftszweige. Zusätzlich integriert das Kom-
petenzzentrum auch das spezialisierte Wissen
externer Experten, mit denen Projektkooperationen
vereinbart werden oder die im Projektbeirat die
Aktivitäten des Kompetenzzentrums begleiten.
Abgeleitet aus den Leitlinien der Brancheninitiative
ist das Kompetenzzentrum Kreativwirtschaft auf
verschiedenen Aktionsfeldern tätig (siehe Grafik).
1 Quelle: monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen
ecKdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2009.
Bmwi (hrsg.) 2010.
dr. ingrid voigt
stellvertretende geschäftsführerin
rKw Kompetenzzentrum
w w w. rK w- m aga zin . de
1� Kreativ arBeiten – mit erfolg!
Regionale Aktivitäten
Zu den regionalen Maßnahmen zählt die Orien-
tierungsberatung. Bundesweit unterstützen neun
Ansprechpartner in acht Regionen die kreativen
Gründer, Freiberufler und Kleinstunternehmen mit
Orientierungsberatungen und Vernetzung. Ihr Ziel
ist es, den Zugang zu Förderungen und Märkten zu
verbessern, aber auch die Weiterbildung und den
Know-how-Transfer in der Branche zu festigen. Über
regionale Netzwerkarbeit soll zudem die Veranke-
rung der Aktivitäten in den Regionen angestoßen
und bereichert werden.
Dank der Unterstützung der RKW Landesorganisa-
tionen konnten die Regionalbüros schnell innerhalb
der Bundesländer in die regionalen Strukturen ein-
gebettet werden. Einen großen Beitrag zur Bekannt-
machung der Angebote vor Ort leistete zudem
eine Reihe von Regionalkonferenzen, die die Initia-
tive Kultur- und Kreativwirtschaft ausrichtete. Hier
hatten die jeweiligen Akteure der Kultur- und Krea-
tivwirtschaft sowie Wirtschaftsförderer, Kammern
und Politik die Gelegenheit, sich kennenzulernen
und auszutauschen.
Die Erfahrungen aus der Aufbauphase zeigen, dass
das Angebot vor Ort auf großes Interesse stößt.
Das Konzept, Sprechtage nicht nur in den großen
Metropolen, sondern auch in kleineren, aktiven
Städten anzubieten, ging auf. Ebenso kristallisiert
sich in den Orientierungsgesprächen heraus, wie
wichtig ein solches Angebot ist – nicht nur für junge
Gründer, sondern für Kreative auf allen Stufen des Un-
ternehmertums und aller Altersklassen. Bereits jetzt
zeichnet sich ab, dass ein Coaching-Angebot in den
Regionen wünschenswert ist, das direkt an die Orien-
tierungsberatungen anschließt und diese vertieft.
aKtionsfelder des Kompetenzzentrums
Kultur- und Kreativwirtschaft
initiative der
Bundesregierung
experten,
verBände,
K ammern
Kompetenzzentrum
mit regionalBüros
l änder,
Kommunen,
städte
gründer,
freiBerufler und
unternehmen
in der KKw
Kompetenz
Kooper ation
Koordination
KommuniK ation
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
1�
Überregionale Aktivitäten
Die überregionalen Aktivitäten des Kompetenzzen-
trums Kultur- und Kreativwirtschaft ergänzen die
regionalen Beratungen. Das Team arbeitet deutsch-
landweit an fachübergreifenden Inhalten, die für
die gesamte Branche Brisanz haben. So werden
beispielsweise neue Trends, die sich in den Szenen
vor Ort entwickeln, aufgegriffen. Zusammen mit
Experten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung
findet zu diesen Themen ein zukunftsweisender
Austausch statt. Als ein Querschnittsthema wurde
in 2010 etwa die „Nachhaltigkeit in der Kultur- und
Kreativwirtschaft“ im Rahmen der RKW-Jahresta-
gung diskutiert.
Darüber hinaus übernimmt das Kompetenzzen-
trum beratende Funktion für die Politik: Es prüft
beispielsweise die Förderprogramme des Bundes
daraufhin, wie gut sie für die spezifischen Belange
von Kreativunternehmern geeignet sind. So nahm
es zum Beispiel das Zentrale Innovationsprogramm
Mittelstand (ZIM) „unter die Lupe“, das allerdings
nur für technologisch anspruchsvolle Projekte der
Kultur- und Kreativunternehmen eine Förderung
ermöglicht.
Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft
ist auch in bundesweiten Projekten engagiert. Mit
dem u-institut für unternehmerisches Denken und
Handeln e.V. organisiert es beispielsweise den vom
Bundeswirtschaftsministerium geförderten Wett-
bewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“.
lesen sie weiter:
„Kreative durchstarter
sollt ihr sein“
- - -
Kulturunternehmer-/innen und Kreative
erreichen und wirtschaf tlich professionalisieren
- - -
Bestehende struK turen nutzen
und ergänzen
- - -
partner
für Kompetenztr ansfer
- - -
pl at tform zur
vernetzung und dialog
- - -
partner um der Br anche gesicht
und gewicht zu geBen
programmatiK
w w w. rK w- m aga zin . de
18 DeuTschlanDkarTe
rkw magazin kulTur- unD kreaTivwirTschafT spezial 2011
19
w w w. rk w- m aga zin . De
20 das team des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft
das team des Kompetenzzentrums
Kultur- und Kreativ wirtschaf t
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
21
Kreative Impulse fokussieren, individuelle Wege finden
K atja grosser und christian rost
Berichten aus dem regionalBüro sachsen,
sachsen-anhalt, thüringen
Dass die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein enormes kultur- und kreativwirtschaftliches Potenzial haben, ist vielfach belegt. Umso erfreulicher war es für uns, in dieser Region aktiv zu werden.
In den ersten Wochen waren wir vor allem mit Netzwerkarbeit beschäftigt. Die Schwierigkeit in der Zu-
sammenarbeit mit der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht darin, eine äußerst heterogene und kleintei-
lige Klientel anzusprechen. Hier war und ist es von Vorteil, dass wir selbst Teil kreativer Szenen sind und die
Akteure vor Ort abholen.
regionalBüro sachsen, sachsen-anhalt, thüringen 21
w w w. rK w- m aga zin . de
gr affiti design aus thüringen
22 regionalbüro sachsen, sachsen-anhalT, Thüringen
rkw magazin kulTur- unD kreaTivwirTschafT spezial 2011
2� 2�
Orientierungsberatung konkret:
Graffiti Design aus Thüringen
Wer Flavor Graffiti Design aus Rositz bei Altenburg einmal persönlich getroffen hat, wird sie nicht mehr
vergessen, und das hat mehrere Gründe: Da sind zum einen diese beiden vollkommen unterschiedlichen
Persönlichkeiten – Susann Seifert als emotionsgeladener Wirbelwind und Ralf Hecht als kontemplativer
Künstler – beide auf ihre Art authentisch und überzeugend. Zum anderen haben beide eine verrückte Un-
ternehmensgeschichte: Susann Seifert, Angestellte der Stadtverwaltung auf der Jagd nach illegalen Graffiti-
Sprayern, verliebt sich in einen der „Gejagten“, Ralf Hecht, lässt sich versetzen und arbeitet fortan mit ihm
zusammen. Ganz legal natürlich. Und nicht zuletzt ist es ihre Arbeit, die die beiden besonders macht: Flavor
Graffiti Design gestaltet Särge und Urnen individuell nach den Wünschen der Kunden. Aber: Es gibt noch
mehr Geschäftsideen, z.B. Fassaden- und Möbelgestaltung, Graffiti-Präventions-Seminare für Kommunen,
Graffiti-Workshops und natürlich die eigene Graffiti-Kunst …
Hier liegt der Ansatz unserer Arbeit: Wie die meisten Kreativen war auch Flavor Graffiti Design anfangs
viel zu breit aufgestellt, wollte allen kreativen Impulsen nachgeben und alle Aufträge annehmen. In der
Beratung sprachen wir gemeinsam über alle Geschäftsfelder, prüften, wo das größte Marktpotenzial liegt,
welche Bereiche die umsatzstärksten sind und langfristig die besten Verdienstmöglichkeiten schaffen –
schließlich haben die beiden auch vier Kinder zu versorgen. Die Sarg- und Urnengestaltung kristallisierte
sich letztlich als Kerngeschäft heraus. Ausgestattet mit einem fokussierten Geschäftskonzept starten beide
nun neu durch.
susann seifert
inhaBerin fl avor gr affiti design:
„in der Beratung fühlten wir uns erstmals mit dem, was wir tun, verstanden und ernst genommen. Katja und
christian wussten, worum es in unserem unternehmen geht und waren die ersten gesprächspartner für uns,
die richtig auf uns eingehen konnten. sie versuchten nicht, uns in ein gängiges „muster“ zu pressen oder mit
standardmäßigen „erfolgsrezepten“ zu bombardieren, sondern regten an, unseren eigenen, individuellen
weg zu suchen. mit gestärktem selbstbewusstsein und vielen neuen anregungen begannen wir, unsere
„hausaufgaben“ zu machen. die zeit nach dem gespräch gehört zu der spannendsten und aufregendsten
unserer selbständigkeit.“
mehr zu individuellen urnenmotiven unter
www.fl avor- gr affitidesign.de
w w w. rK w- m aga zin . de
Heute geht es nach Schwäbisch Hall. Kleinod im Norden Württembergs. Mittelalterliche Perle. Die kleinste der Städte, die ich mir als Sprechtags-orte in Baden-Württemberg ausgesucht habe.
Der erste Schritt von vielen
2� regionalBüro Baden-württemBerg
BronzesKulptur
in schwäBisch hall
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
Gut eineinhalb Stunden ist man mit dem Zug von
Stuttgart unterwegs. Das Internet verspricht ein ma-
lerisches Städtchen am Kocher, viel Wald und Natur.
Für mich jedoch ist die Reise – obgleich ein Aben-
teuer – kein Freizeitvergnügen. Es gilt eine Mission
zu erfüllen: die Kultur- und Kreativwirtschaft dieser
37.000-Einwohner-Stadt kennenlernen.
Fängt gut an, denke ich
Plakate am alten Bahnhofsgebäude werben für Le-
sungen und ein Marionettentheater. Fängt gut an,
denke ich und mache mich auf den Weg ins Tal.
Der Blick auf die Stadt ist atemberaubend. Ich gehe
durch Straßen, in denen noch Häuser aus dem 14.
Jahrhundert stehen und sehe auf meinem Weg: das
Atelier eines Malers, etliche Galerien, die Akademie
der Künste, das Würth-Museum, eine literarische
Weinhandlung, den Kunstverein, vier Buchhand-
lungen, den kroatischen und italienischen Kultur-
verein, die Hochschule für Gestaltung, einen Archi-
tekten, eine Landschaftsarchitektin, eine Werkstatt
für Papier- und Keramikarbeiten, zwei Musikalien-
fachgeschäfte, ein Fotoatelier, das Haller Tagblatt,
einen Theaterkeller, einen freien Radiosender, ein
Studio für afrikanisches Trommeln, ein Gitarrenfo-
rum, ein Kino und ein Freilichttheater. Am Markt-
platz angelangt bin ich beeindruckt von der Fülle
an Kreativunternehmen und -institutionen.
Ich treffe mich mit der Kulturbeauftragten und den
Wirtschaftsförderern von Stadt und Region zu Ge-
sprächen, stelle Initiative, Kompetenzzentrum und
meine Arbeit im Land vor, erzähle von den Orien-
tierungsgesprächen, die ich mit Freiberuflern und
Selbständigen führe. Die drei heißen mich auf das
Herzlichste willkommen und berichten mir vom
kulturellen Leben in Hall. Gemeinsam überlegen
wir, wie wir das Angebot bei Kreativunternehmern
auch in den umliegenden Städten bekannt machen,
die Presse- und Zusammenarbeit angehen können
und wo ein geeigneter Raum für meinen regel-
mäßigen Sprechtag sein könnte. Spontan geht
es auf Besichtigungstour, die Architekten-Kam-
mergruppe Schwäbisch Hall lädt mich schließ-
lich ein, den Sprechtag in ihren Räumlichkeiten
anzubieten.
Am Ende gehen wir beide bereichert auseinander
Schließlich treffe ich mich mit einer Illustratorin
zu einem Orientierungsgespräch. Über eine Freun-
din hat sie von mir erfahren und um einen Ter-
min gebeten. Zunächst höre ich zu, hake nach,
versuche Geschichte und Gegenwart kennenzu-
lernen, gemeinsam schauen wir uns die mitge-
brachten Illustrationen an, wunderschöne Arbeiten.
Wir reden über Angebot und Präsentation, über
Unternehmerpersönlichkeit, die Notwendigkeit,
Markt und Kundenbedürfnisse persönlich kennen-
zulernen und abzufragen. Wir sprechen über Hin-
dernisse und wie sie überwunden werden können
und überlegen konkrete nächste Schritte. Es ist ein
langes und lohnendes Gespräch, am Ende gehen
wir beide bereichert auseinander.
Zurück zum alten Bahnhof und in den Zug Richtung
Zuhause. Mission erfüllt, Kopf voll und doch nur den
ersten Schritt von vielen getan.
2�
B i an c a p o ppKe
B eri chte t aus d em regi o n al B ü ro
Bad en - wü rt tem B erg
w w w. rK w- m aga zin . de
2� leitfaden durch die Kultur- und Kreativwirtschaft
Leitfaden durch die Kultur- und Kreativwirtschaft
je schillernder der Begriff,
desto not wendiger ist eine Kl are vorstellung!
Die Kultur- und Kreativwirtschaft steht seit langem
im Fokus der wirtschaftlichen Debatte. Es gibt in den
verschiedenen kulturwirtschaftlichen Branchen in
Deutschland bereits hervorragende lokale, regionale
und bundesweite Entwicklungen. Trotzdem ist die
öffentliche Debatte über die Kultur- und Kreativwirt-
schaft nach wie vor kein leichtes Unterfangen. Schon
allein der Begriff der Kreativwirtschaft verursacht
viele schillernde Bilder. Die Möglichkeiten, die darin
stecken, scheinen unbegrenzt.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu erstaunlich,
dass es der Politik und den verschiedenen Ministe-
rien in Deutschland gelungen ist, eine klare Vorstel-
lung des Wirtschaftsfeldes Kultur- und Kreativwirt-
schaft zu entwickeln und als einheitliche Basis zu
empfehlen. Die im Folgenden skizzierten Grundpfei-
ler sollen als erste Anregung für alle dienen, die sich
in den nächsten Jahren mit dem Thema befassen
werden.
die Kl arheit üBer das feld
ist Keine normative spinnerei!
Die Definition und Abgrenzung der Kultur- und
Kreativwirtschaft folgt den Empfehlungen der Wirt-
schaftsministerkonferenz aus dem Jahr 2009. Sie
sind konkretisiert im „leitfaden zur erstellung einer
statistischen datengrundlage für die Kulturwirtschaft
und eine länderübergreifende auswertung kulturwirt-
schaftlicher daten“.
Ausgangspunkt sind dabei folgende Prinzipien: Durch
die Festlegung auf eine verbindliche Definition und
Abgrenzung der Kultur- und Kreativwirtschaft, wird
eine einheitliche methodische Grundlage verwandt.
Diese ermöglicht zum einen den Vergleich der Wirt-
schafts- und Beschäftigungsdaten der Kultur- und
Kreativwirtschaft – sowohl zwischen Regionen und
Bundesländern untereinander als auch mit dem Bun-
desgebiet. Zum anderen soll durch die Anbindung
an die Empfehlungen der Wirtschaftsministerkon-
ferenz und die Initiative der Bundesregierung ein
Beitrag zur Verstetigung und Versachlichung des
noch immer schillernden Themas geleistet werden.
Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden die-
jenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, die
überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind
und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung
und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/
kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen.
von michael söndermann, Büro für Kulturwirtschaf tsforschung, Köln
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
2�
Der wirtschaftlich verbindende Kern jeder kultur- und
kreativwirtschaftlichen Aktivität ist der sogenannte
schöpferische Akt. Damit sind alle künstlerischen,
literarischen, kulturellen, musischen, architektoni-
schen oder kreativen Inhalte, Werke, Produkte, Pro-
duktionen oder Dienstleistungen gemeint, die als
wirtschaftlich relevanter Ausgangskern den elf Teil-
märkten zugrunde liegen. Inzwischen wurden auch
europäische Kommissionsstellen auf die vorgestellte
Methodik neugierig und studieren das Grundmo-
dell einer einheitlichen Basis. Gerade weil es für eine
föderalistisch strukturierte Bundesrepublik wahrlich
keine Selbstverständlichkeit war, ist es für die
Europäische Union umso attraktiver, einen ähnlichen
fachlichen Abstimmungsprozess von wirtschaft-
lichen und kulturellen Fachstellen auf europäischer
Ebene anzustoßen.
das wirtschaf tsfeld Kultur- und Kreativ wirtschaf t
umfasst elf KernBr anchen Bzw. teil märK te:
1 . musiKwirtschaf t
2. BuchmarK t
�. KunstmarK t
� . fil mwirtschaf t
�. rundfunKwirtschaf t
� . marK t für darstellende Künste
�. designwirtschaf t
� . architeK turmarK t
9. pressemarK t
10. werBemarK t
11. sof t ware-/games- industrie
w w w. rK w- m aga zin . de
michael söndermann ist geschäftsführer des Büros für Kulturwirtschaftsforschung
mit sitz in Köln. neBen Bundes- und l änderministerien Berät er die eu-Kommission/eurostat,
den europarat/ericarts sowie die deutsche unesco -Kommission.
Im Juli 2010 hat die Bundesregierung den Forschungs-
bericht „Monitoring zu ausgewählten wirtschaft-
lichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft“
vorgelegt. Er beinhaltet die Schätzungen zu diesem
Wirtschaftsfeld in Deutschland bis 2009.
Danach existierten in 2009 in der Kultur- und
Kreativwirtschaft rund 237.000 Unternehmen. Sie
erzielten zusammen ein Umsatzvolumen von ins-
gesamt 131,4 Milliarden Euro und konnten damit
rund 787.000 abhängig Beschäftigten einen Voll-
oder Teilzeitarbeitsplatz bieten. Zusammen mit den
Selbständigen arbeiten in der Kultur- und Kreativ-
wirtschaft in Deutschland mehr als eine Million
Erwerbstätige. Insgesamt erreichte die Kultur- und
Kreativwirtschaft damit schätzungsweise einen
Wertschöpfungsbeitrag in Höhe von rund 62,6 Mil-
liarden Euro.
Vor dem Hintergrund der schwierigen gesamtwirt-
schaftlichen Situation im Jahr 2009 geriet auch
die Kultur- und Kreativwirtschaft in Teilen in eine
schwierige Lage. So schrumpfte der Umsatz gegen-
über dem Vorjahr 2008 um 3,5 Prozent. Zugleich
macht der Vergleich mit der Gesamtwirtschaft je-
doch deutlich, dass die Branche trotzdem erstaun-
lich glimpflich durch die Krise gekommen ist. So
ging das gesamtwirtschaftliche Umsatzvolumen
im gleichen Zeitraum um mehr als 8 Prozent zurück.
Der Erwerbstätigenmarkt bietet im Kontrast zur
wirtschaftlichen Lage ein unerwartet positives Bild.
Trotz der Krise stieg in 2009 die Zahl der Erwerbs-
tätigen im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent
an. Zwar konnten damit die Wachstumsraten (3 bis
knapp 4 Prozent) aus 2008 und 2007 nicht mehr
erreicht werden, dennoch ist es ein bemerkens-
wert, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft ihr
Erwerbstätigenpotenzial halten oder zum Teil sogar
ausweiten konnte.
2� leitfaden durch die Kultur- und Kreativwirtschaft
die empirie ist Kein mathematischer Beweis für den hype der Kultur- und Kreativ wirtschaf t,
sondern dient einer intelligenten deBat te und stif tet vertr auen in das heterogene feld.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
fazit
Mit dem Monitoringbericht der Bundesregierung, den neueren Kulturwirtschaftsberichten der Länder und
denen der Städteregionen wird eine Grundlage zur plausiblen Einschätzung der Kultur- und Kreativwirt-
schaft in Deutschland geschaffen. Wird der „Leitfaden zur Erstellung einer statistischen Datengrundlage
für die Kulturwirtschaft“ entsprechend den Empfehlungen der Wirtschaftsministerkonferenz dabei kon-
sequent berücksichtigt, können künftig alle Befunde und Trends aus den Bundesländern, Städten oder aus
dem Monitoringbericht der Bundesregierung verglichen und bewertet werden. Damit ist ein sinnvoller Weg
in Richtung einer vergleichenden empirischen Analyse eingeschlagen worden.
29
w w w. rK w- m aga zin . de
projeK t „ musiKl aBor“
die mainzer musiKer manuel hilleKe, christian schatK a und r alf schumacher wollen ein KomBinat
aus tonstudio, musiK alischem lehr angeBot und ver anstaltungsr äumlichKeiten aufBauen:
„wir sind durch einen artikel in dem magazin „virtuos“ auf das Beratungsangebot des rKw aufmerksam
geworden. da wir uns gerade in der „heißen“ phase unseres gründerprojekts „musiklabor – Kreatives musik-
zentrum mainz“ befanden, kontaktierten wir norman schulz. er hat uns durch seine positive einschätzung
des projektes sehr unterstützt und machte uns auf den wettbewerb „Kreativpiloten“ aufmerksam. weiter-
hin stellte er den sehr hilfreichen Kontakt zum rheinland-pfälzischen wirtschaftsministerium her, in dem
wir nun einen tatkräftigen unterstützer des musiklabors gefunden haben. zudem berichtete er uns von an-
deren bereits erfolgreich umgesetzten Konzepten in ähnlichen Bereichen in anderen Bundesländern. auch
hier vernetzte er uns mit interessanten und erfahrenen personen aus dem feld der Kreativwirtschaft.
das Beratungsangebot des rKw empfanden wir insgesamt als sehr sinnvoll und hilfreich – zum einen war es
positiv, ein ehrliches feedback zu unserem Konzept zu erhalten, zum anderen haben wir eine reihe interes-
santer denkanstöße und wichtige Kontakte bekommen.“
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
Kompass und MacheteIch bin unterwegs im Namen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Mein Job: Vernetzen und Ideen „grillen“ – Ideen von Menschen, die von ihrer kreativ-schöpferischen Tätigkeit leben und besser leben wollen.
norman schul z
Berichtet aus dem regionalBüro hessen,
rheinl and - pfal z, sa arl and
regionalBüro hessen, rheinland-pfalz, saarland �1
Auf der Suche nach Verbündeten
Seit Februar 2010 finde ich Verbündete, die wie
ich in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht al-
lein einen volkswirtschaftlich bedeutenden Wachs-
tumsmotor sehen. Wir unterstützen damit auch
eine Branche, die unsere Gesellschaft und unseren
Alltag bunter macht und die Fähigkeit besitzt, auf
vermeintlich gewöhnliche Herausforderungen über-
raschend ungewöhnlich zu reagieren. Verbündete
habe ich in den entsprechenden Länderministerien
und Kommunen, aber auch bei den Verbänden,
Institutionen und Initiativen der Kreativwirtschaft
selbst gefunden. Sie haben dazu beigetragen, dass
ich mittlerweile in insgesamt zehn Städten regel-
mäßige Sprechtage anbieten kann. Und das in einer
so unterstützenden Atmosphäre, dass sich meine
ohnehin motivierte Mission weiter beschleunigt.
Ideen klären, weiterentwickeln und vernetzen
Im Mittelpunkt der Orientierungsgespräche steht
häufig die Frage: Wie kann die im schöpferischen
Prozess angewandte Kreativität auch in wertschöp-
ferischen Zusammenhängen nutzbar gemacht wer-
den? Es geht um die Sensibilisierung – im Idealfall
um die Begeisterung – für unternehmerisches Den-
ken und Handeln.
Insbesondere in Fragen des Marktzugangs dreht es
sich oft darum, die Bereitschaft zu wecken, „Kompass
und Machete“ in die Hand zu nehmen, um ausgetre-
tene Pfade zu verlassen und nach eigenen ganz spe-
zifischen Wegen zum Erfolg zu suchen. Warum muss
meine CD zwingend im Mediamarkt stehen? Und
warum kann meine Inszenierung nicht auch außer-
halb eines Theaters auf die Bühne gebracht werden?
w w w. rK w- m aga zin . de
�2 rKw-Kuratorium
Im RKW-Kuratorium kreiste alles um Kreativität
Nach der herzlichen Begrüßung von Dr. Otmar Franz,
Vorsitzender des RKW-Kuratoriums, hob der Staats-
sekretär im Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie Dr. Bernhard Heitzer die erhebliche
volkswirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und
Kreativwirtschaft als Wachstumsbranche hervor.
Mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft will
die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit die-
ser Branche zusätzlich stärken und insbesondere
Selbständige und Kleinstunternehmen an die In-
strumente der Wirtschaftsförderung heranführen.
Der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd
Neumann MdB begründete sehr nachdrücklich seine
These, dass Kunst und Kultur die Antriebskräfte der
Kultur- und Kreativwirtschaft seien. Dass neben der
notwendigen Kulturförderung auch die Kulturwirt-
schaft zu unterstützen ist, ergibt sich aus den viel-
fältigen Möglichkeiten, wie Kunst und Kultur heute
schon die Wirtschaft beeinflussen. Christa Thoben,
die ehemalige Ministerin für Wirtschaft, Mittel-
stand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
öffnete den Blick auf die Familienunternehmen und
machte mit Beispielen deutlich, dass die kreative
Ökonomie eine Chance für diese ist.
Zum Konzept der RKW-Jahressitzung gehört es,
konkrete Praxisbeispiele einzubinden. So konnten
Martin Spengler und Benjamin Mayer, beide Ge-
schäftsführer der lab binaer GbR in Augsburg, ihr
„Labor für Medienkunst“ mit beeindruckenden
Produkten filmisch vorstellen: bspw. mit einem
„gesellschaftskritischen Lichtplattenspieler“ als
freies Kunstprojekt, einer audioreaktiven Fassaden-
installation und einem interaktiven Bewegungs-
parcours.
Einen Überblick über die Tätigkeiten und Erfolge
des vor einem Jahr als Initiative der Bundesregie-
rung eingerichteten Kompetenzzentrums Kultur-
und Kreativwirtschaft des Bundes gaben Dr. Ingrid
Voigt, stellvertretende Geschäftsführerin des RKW
Kompetenzzentrums, und Harm Wurthmann,
Geschäftsführer des RKW Bremen. Sie zeigten,
wie und was sie als Mittler zwischen kreativ Tä-
tigen und wirtschaftspolitischen Entscheidungs-
trägern mit ihrem neuen Team bislang erreicht
haben. In der anschließenden Diskussion kamen
die schwierige Finanzierung der Kreativwirtschaft-
ler sowie die Förderung von Innovation und Be-
ratung zur Sprache. Der Wettbewerb Kultur- und
Kreativpiloten hilft, tragfähige Konzepte der Krea-
tivunternehmen zu entwickeln und damit die
Geschäftsaussichten und Finanzierungschancen
zu verbessern.
Die RKW-Kuratoriumsmitglieder – Unternehmer,
Wissenschaftler, Politiker und Gewerkschafter –
nahmen die Kreativwirtschaft nicht nur als Wachs-
tumsbranche wahr, sie gaben in der Diskussion zu-
gleich Anregungen, wie die Kreativwirtschaft in
einzelnen Bereichen unterstützt werden kann.
Welche Bedeutung hat die Kultur- und Kreativwirtschaft für den deutschen Mittelstand? Diese und weitere Fragen wurden auf der Jahressitzung des RKW-Kuratoriums am 29. Oktober 2010 im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin diskutiert.
ansprechpartnerin:
dr . dorothea hartmann,
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
Bernd neumann, mdB
sta atsminister Bei der
BundesK anzlerin
dr. otmar franz,
vorsitzender
des rKw-Kuratoriums
w w w. rK w- m aga zin . de
34 regionalbüro bayern
„Sie sind der Erste, der über meine Idee nicht lacht.“
jürgen enninger
Berichtet aus dem regionalBüro Bayern
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
Seit dem 1. März 2010 gibt es mit mir in Bayern einen regionalen Ansprechpartner für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Mit sieben Regierungsbezirken, die sich grob als Altbayern, Schwaben und Franken zusammenfassen lassen und 12.500.000 Einwohnern ist Bayern das zweitgrößte Bundesland nach Einwohnern und das größte nach Fläche. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist auch hier der drittgrößte Wirtschaftsbereich. Wie gelang es nun innerhalb kürzester Zeit, ein nachhaltiges und auch in der Fläche niedrig-schwelliges Angebot für die Branche aufzubauen?
Neun Anlaufstellen
für ein „buntes“ Publikum
Zunächst ging es daran, die ersten Sprechtage für Kreative in Bayern zu organisieren. Die Präsenz in
Nürnberg und München brach sofort das allgegenwärtige Thema „Regionalproporz in Bayern“ auf. Zwar
hatte anfangs die Organisation der Sprechtage oberste Priorität. Die Nachfrage nach Beratungen war aus
dem Stand jedoch so hoch, dass die einzelnen Arbeitsschritte parallel laufen mussten. Daher bot ich in
einigen Städten bereits Orientierungsberatungen an, während in den anderen noch passende Locations
für die Sprechtage zu suchen bzw. Kontakte zu den wichtigen Akteuren in Bayern zu knüpfen waren. Die
Räume der insgesamt neun Sprechtagsorte spiegeln auch die vielfältigen Zugänge zu Kultur- und Kreativ-
wirtschaft wider. Der IT-Speicher in Regensburg bietet engen Kontakt zur Games- und Software-Wirtschaft
und die design werkstatt Coburg enge Beziehungen zur Designwirtschaft. Sprechtage in den Kulturre-
feraten München und Augsburg zogen klassische Off-Produktionen der bildenden und darstellenden
Kunst an. Im Würtzburg Palais der Stadt Würzburg konnte ich vielen Kreativen aus dem Umland Orien-
tierungsberatungen anbieten, was insbesondere die starke fränkische Festival- und Theaterszene nutzte.
Drei Beispiele
Diese stehen für Vielfalt, wirtschaftlichen Erfolg und
Innovationskraft der Kultur- und Kreativwirtschaft
in Bayern: Da ist einmal lab binaer aus Augsburg,
das mit Multimediaprodukten sowohl auf dem
Kunstmarkt besteht und gleichzeitig innovative
Standortmarketingtools für Großfirmen entwickelt.
Das Freilandtheater Bad Windsheim kann mit sen-
sationellen Auslastungen bei anspruchsvollen Pro-
duktionen aufwarten. Mit dem Programm BY-ON
bindet die Band Star Post unter anderem selbstver-
marktend eine große Fangemeinde an sich.
Nicht nur München leuchtet
Aus der Arbeit im Regionalbüro wird deutlich,
dass die Ideen und herausragenden Unternehmen
nicht allein in München und Umland zu suchen
sind, sondern sich die Vielfalt und wirtschaftliche
Nachhaltigkeit gerade auch in den vielen mittleren
Kommunen Bayerns zeigt. Dieses Selbstbewusst-
sein lernt man schon bei den ersten Gesprächen
in den ehemals freien Reichsstädten Nürnberg,
Augsburg und Regensburg kennen. Es prägt das
Land und die hiesigen Unternehmen der Kultur-
und Kreativwirtschaft.
Dieses einzigartige Programm zur Ansprache von
Kreativen ist ein großer Erfolg für die Kreativen
im Land und eine Bestätigung des Mutes und der
Entschlossenheit der Träger des Projektes beim
Bund und im RKW.
star post Bindet durch selBst vermarK tung
eine grosse fangemeinde an sich
„Sie sind der Erste, der über meine Idee nicht lacht.“
w w w. rK w- m aga zin . de
32 Preisträger
Die Kultur- und Kreativwirtschaft verbindet neue
Technologien sowie moderne Informations- und
Kommunikationsformen mit den traditionellen
Wirtschaftsbereichen. Kulturschaffende und Krea-
tive verstehen sich jedoch häufig nicht als Un-
ternehmer und Vermarkter ihrer Dienstleistungen
und Produkte. Viele fühlen sich außerdem nicht
der Branche zugehörig, wegen der zu geringen
Außendarstellung und fehlenden Vernetzungsmög-
lichkeiten.
Hier setzt der Wettbewerb „Kultur- und Kreativ-
piloten Deutschland“ an, der vom Kompetenzzen-
trum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
zusammen mit dem u-institut für unternehme-
risches Denken und Handeln durchgeführt wird.
Er soll die Sichtbarkeit der Branche in Deutschland
verbessern, die Unternehmerinnen und Unterneh-
mer professionalisieren sowie ihnen eine Plattform
zur Vernetzung bieten. Im Wettbewerbsverfahren
wurden dazu 32 interessante und innovative Unter-
nehmen und Geschäftsideen von einem Experten-
gremium ausgewählt und öffentlichkeitswirksam
ausgezeichnet.
Gewinner und Profiteure
Der offizielle Startschuss zum Wettbewerb fiel am
7. Juli 2010. 750 Bewerber aus ganz Deutschland
beteiligten sich, 96 wurden ausgewählt und zu re-
gionalen Präsentationsterminen mit Expertenjurys
eingeladen. Die 32 Gewinner wurden am 28. Ok-
tober 2010 durch den Parlamentarischen Staats-
sekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie, Hans-Joachim Otto, mit dem Titel
„Kultur- und Kreativpilot Deutschland“ ausgezeichnet.
Alle Teilnehmer profitieren vom Wettbewerb ins-
besondere dadurch, dass sie ihre kreativen oder
kulturellen Geschäftsideen ausformuliert und vor
Experten auf die Probe gestellt haben. Auf den
Online-Plattformen des Wettbewerbs können
sie sich außerdem deutschlandweit vernetzen.
Die Gewinner entwickeln in einem auf sie abge-
stimmten Programm ihre Unternehmen und Ideen
bis Juni 2011 weiter: Sie erhalten vier persönliche
Screenings mit Experten und drei gemeinsame
Workshops zu Themen wie Akquise, Marketing und
Unternehmensführung. Dabei knüpfen sie wert-
volle Kontakte zu anderen kreativen Unternehmern,
neuen Partnern und Auftraggebern. Sie erhalten
außerdem öffentliche Aufmerksamkeit durch die
Pressearbeit im Rahmen des Wettbewerbs und
die Medienpartnerschaft mit dem Radiosender
MotorFM.
Kreative Durchstarter sollt ihr sein
christoph BacKes
wirtschaf tswissenschaf tler, l ichtdesigner und theater-schauspieler,
geschäf tsführer von cBc (creative Business consult),
vorstand des u- institut für unternehmerisches denKen und handeln
„Kultur- und Kreativpiloten“ – das sind kreative Köpfe, die ebenso viel Geschick bei der Gestaltung und Lenkung ihrer Unternehmen beweisen, wie bei der Entwicklung ihrer Ideen.
wieBKe Buntemeyer ist
die gründerin der
hamBurger schülerwerf t
�� Kultur- und Kreativpiloten
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
w w w. rK w- m aga zin . de
Wettbewerbsverfahren mit Mehrwert
Kreativität und Innovation zeichnen sich
häufig dadurch aus, dass sie nicht in vorge-
gebenen Kategorien bewertbar sind. Das
Bewerbungsverfahren wurde daher so kon-
zipiert, dass die Kriterien der Bewerbung
jeder Teilnehmer selber hervorbringt. Ein
Motivationsanschreiben, eine Skizze der
Unternehmensidee und der Lebenslauf
reichten als Bewerbungsunterlagen aus.
Für das Auswahlverfahren konnten die re-
gionalen Strukturen des Kompetenzzen-
trums genutzt werden. Die Jurys bestan-
den aus renommierten Experten, den
zuständigen Mitarbeitern der Landesmi-
nisterien sowie erfolgreichen Unterneh-
merinnen und Unternehmern der Branche.
Ausgewählte Bewerber erläuterten im per-
sönlichen Gespräch mit den Juroren ihre
Ideen näher und erhielten konkrete Hin-
weise und Anregungen, um diese weiter
zu entwickeln. Die Kultur- und Kreativ-
piloten wurden durch subjektive aber
willkürfreie Ermessensentscheidungen der
Jurys ausgewählt. Die ausgewählten Un-
ternehmen verleihen der Branche nach in-
nen wie nach außen Gesicht und Gewicht.
Sie zeigen als anschauliche Beispiele die
Entwicklungsgeschichten von Unternehmen
der Kultur- und Kreativwirtschaft. Und sie
stehen Modell für die wissenschaftliche
Ausbildung und Professionalisierung.
hamBurger schülerwerf t:
das schulgeBäude – der drit te lehrer
�� Kultur- und Kreativpiloten
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
So schön können Schulen sein
Hamburger Schülerwerft
Aulen, Eingangsbereiche oder Pausenhöfe –
es gibt nichts, für das Wiebke Buntemeyer
keine Verschönerungsidee hätte. Im Jahr
2008 gründete die ausgebildete Interieur-
und Grafikdesignerin die Hamburger
Schülerwerft, die sich auf die Entwick-
lung von kinder- und jugendgerechten
Flächenkonzepten für Bildungseinrich-
tungen spezialisiert hat. Damit ist Wiebke
Buntemeyers Unternehmen bundesweit
das erste seiner Art und der richtige Part-
ner für Schulleitungen, Schulträger oder
Elternvertreter. Das Leistungsspektrum
umfasst die theoretische Ausarbeitung
und Planung sowie die Begleitung bei der
praktischen Umsetzung vor Ort.
Wiebke Buntemeyer Konzeptionier, Orga-
nisator und Vermittler von handwerklichen
Tätigkeiten. Sie bespricht jedes Vorhaben
mit Behörden und Brandschutzbeauftrag-
ten und liefert ein Finanzierungskonzept.
Bei Bedarf übernimmt eine berufsbildende
Schule in der Nähe den Bau der entworfe-
nen Gestaltungselemente und Möbel.
Dabei legt sie Wert auf klar durchdachte
Konzepte, die realistisch umsetzbar und
von langem Nutzen sind. Schüler und
Lehrer sollen sich richtig wohl fühlen,
denn Wohlbefinden fördert bekanntlich
die Lernbereitschaft.
www.hamburger-schuelerwerft.de
2 der 32 Preisträger Kultur- und Kreativpiloten 2010
Möbel als Vermittler
diefabrik – Werkstatt der schönen Dinge
Innovative Designobjekte statt gesichts-
loser Massenprodukte. Vermittlung statt
Verschleierung. Die Möbel von diefabrik
erzählen, wo sie herkommen. Stefan Höll-
dobler und sein Team entwickeln und pro-
duzieren sie aus recycelten Materialien.
So besteht das „chair 777“-Sitzmöbel aus
Karton, der aus Altpapier produziert wird
und selbst wieder recycelt werden kann.
Direkter kann die Beziehung zwischen
Objekt, Hersteller und Kunde nicht sein.
Auch die „tombox 17“ ist ein schönes Bei-
spiel für innovative Abfallverwertung. Ein
ausrangierter Plattenspieler-Lautsprecher
wird in ihr zu neuem Leben erweckt als
tragbarer MP 3-Player.
So entstehen handgefertigte Einzelstücke
mit individuellem Charakter. Sämtliche
Herstellungsschritte, vom Prototypen
bis hin zur Serienproduktion, werden bei
diefabrik durchgeführt. Damit können
alle Prinzipien der Nachhaltigkeit, des Re-
cyclings und Upcyclings berücksichtigt
werden. So entstehen zeitlose Möbel für
verantwortungsbewusste Konsumenten.
www.diefabrik.org
�9
„chair ��� “
Besteht aus recyceltem papier
„tomBox 1� “
aus alt mach neu mit Besserer Qualität
w w w. rK w- m aga zin . de
40 kfw bankengruppe – inTerview
rkw magazin kulTur- unD kreaTivwirTschafT spezial 2011
41
Die KfW Bankengruppe gibt weltweit Impulse für Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie. Als Förderbank,
die im Eigentum von Bund und Ländern steht, unterstützt sie die nachhaltige Verbesserung der wirtschaft-
lichen, sozialen und ökologischen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen etwa in den Bereichen Mittelstand,
Existenzgründung, Umweltschutz, Wohnungswirtschaft, Infrastruktur, Bildungsförderung, Projekt- und
Exportfinanzierung oder Entwicklungszusammenarbeit. Das Förderangebot für Gründer und mittelstän-
dische Unternehmen umfasst nicht nur die klassischen, langfristigen Kredite, sondern auch innovative
Programme, deren Ziel es ist, die Eigenkapitalbasis der Unternehmen zu stärken. Beides offeriert die KfW
Bankengruppe ihren Kunden über deren Hausbanken.
„Dass sich mit vermeintlich verrückten Ideen viel Geld verdienen lässt, wird leider oft verkannt.“Interview mit Dr. Ulrich Schröder, Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe
dr. ulrich schröder, vorstandsvorsitzender
der Kfw BanKengruppe
w w w. rk w- m aga zin . De
�2 Kfw BanKengruppe – interview
Schröder: Das wirtschaftliche Potenzial der Kreativwirtschaft wird häufig unterschätzt. Das liegt zum einen da-
ran, dass die Branche aus vielen sehr unterschiedlichen und teilweise noch recht jungen Teilbereichen be-
steht. Das Bundeswirtschaftsministerium hat elf Teilbranchen identifiziert, angefangen bei der Kunst über
Architektur, Film und Design bis hin zur gesamten Medienwelt, der Werbung und der Spieleentwicklung.
Diese Bereiche erwirtschaften unterschiedlich hohe Umsätze und unterscheiden sich deutlich in ihren Pro-
filen. Gemeinsam ist ihnen jedoch der hohe Anteil an Freischaffenden und kleineren Unternehmen. Nicht
einige große Unternehmen erwirtschaften einen Großteil der Umsätze, sondern viele kleine. Hinzu kommt:
Nach wie vor haftet den Kreativen der Nimbus an „weltfremde Spinner mit verrückten Ideen“ zu sein. Dass sich
mit vermeintlich verrückten Ideen viel Geld verdienen lässt, wird leider oft verkannt. Ich bin überzeugt davon,
dass Kreativität und Innovationen eine der wichtigsten Ressourcen unseres Landes sind.
Schröder: Kreative haben oft besondere Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Das liegt zum einen an der
Kreditsumme – in der Regel benötigen sie kleinere Beträge, für die es meistens schwieriger ist, einen Financier
zu finden. Denn der Aufwand für Bewertung und Bearbeitung kleinerer Kredite ist ähnlich hoch wie bei
größeren. Zum anderen liegt es an der Eigenart vieler kreativer Investments, dass ihr tatsächliches wirtschaft-
liches Potenzial schwerer zu beurteilen ist als zum Beispiel die Anschaffung einer neuen Maschine für einen
Industriebetrieb. Wie sollen Banken den wirtschaftlichen Wert und die Marktfähigkeit einer kreativen Idee
bewerten? Den jungen Unternehmen fehlt es zudem häufig an Eigenkapital und Sicherheiten, manchmal
auch an betriebswirtschaftlichem Know-how.
„nicht einige grosse unternehmen
erwirtschaf ten einen grossteil der umsätze,
sondern viele Kleine.“
rKw magazin: herr dr. schröder, die Kfw hat in ihrem magazin „chancen“ die Kultur- und Kreativ wirtschaf t
in den mit telpunK t gestellt. als drit tgrösste Br anche in deutschl and gewinnt sie ger ade
durch ihre staBilität in der Krise an Bedeutung. wie Kommt es , dass viele unternehmen dennoch
vor grossen wirtschaf tlichen her ausforderungen stehen?
rKw magazin: was unterscheidet die Kreativen ihren erfahrungen nach
von anderen unternehmensgründern? haBen sie ganz spezielle proBleme?
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
Schröder: Unternehmer, Selbständige und Unternehmensgründer in der Kultur- und Kreativwirtschaft kön-
nen, ebenso wie in anderen Branchen, eine ganze Reihe an Förderprodukten der KfW in Anspruch nehmen:
Angefangen bei klassischen Förderkrediten über Mezzanine- bis hin zu echtem Beteiligungskapital. Für
viele junge kreative Unternehmen ist sicherlich das KfW-Startgeld sehr interessant, denn hier übernehmen
wir bis zu 80 Prozent des Kreditrisikos der Hausbank. Das hilft den Banken in vielen Fällen, auch kreative In-
vestments weniger restriktiv zu handhaben. Natürlich müssen auch sie bankwirtschaftlich bewertet werden.
Aber ohne die KfW-Förderung könnte so manches kreative Projekt vielleicht gar nicht oder nur zu schlechteren
Konditionen finanziert werden. Neben der Finanzierung spielt die Beratung für junge Unternehmen eine ganz
entscheidende Rolle. Wir helfen Kreativen, einen geeigneten Berater zu finden und diesen zu finanzieren.
Die KfW-Beraterbörse umfasst derzeit rund 10.000 Berater für das Gründercoaching, von denen jeder fünfte
auch in der Kreativwirtschaft beratend tätig ist. Die Beratungskosten bezuschussen wir mit bis zu 90 Prozent.
Schröder: Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft werden wir
unser Engagement noch weiter ausbauen. Wir werden beispielsweise demnächst eine spezielle Filmförde-
rung anbieten, um den spezifischen Besonderheiten der Filmfinanzierung begegnen zu können. Wir wollen
jungen Unternehmen den Zugang zu unseren Förderkrediten erleichtern und planen daher, die Gründungs-
finanzierung mit dem KfW-Startgeld noch flexibler zu gestalten. Davon profitieren auch Unternehmen der
Kreativwirtschaft. Vor allem aber wollen wir dabei helfen, die Bedeutung und das ökonomische Potenzial
der Kultur- und Kreativwirtschaft stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Das ist ein ganz
wichtiger Teil unserer Aufgabe als Förderbank. Wir wollen helfen, einen Markt zu schaffen, damit Kreative
generell einen besseren Zugang zu günstigen Finanzierungen haben. Wir verstehen uns hier als Impulsgeber
für Wirtschaft und Gesellschaft.
rKw magazin: wie K ann die
Kfw BanKengruppe hier helfen?
rKw magazin: was pl anen sie
für die zuKunf t?
„wir wollen jungen unternehmen den zugang zu
unseren förderKrediten erleichtern und pl anen daher,
die gründungsfinanzierung mit dem Kfw-startgeld
noch flexiBler zu gestalten.“
rKw magazin: herr dr. schröder, vielen danK für das gespr äch.
w w w. rK w- m aga zin . de
Der kreative Kundenmix
Der Kundenkreis ist bunt gemischt und wenn eine
Branche für Überraschungen gut ist, dann diese! Da
kommen die schwierigen, problembelasteten Fälle
genauso, wie die energiegeladenen überschäu-
menden Hoffnungsträger und Visionäre. Für mich
gibt es viel zu erklären, aber viel wichtiger ist zu-
nächst das Zuhören. Wie sind die persönlichen Le-
bensumstände? Wo liegen die individuellen Schwie-
rigkeiten, wo die Chancen und Talente?
Verstehen, anregen, übersetzen, Vertrauen aufbauen –
wie kommen wir auf eine Ebene? Der Wechsel zum
„Du“ ist oft wichtig. „Endlich mal Einer, mit dem
man reden kann“ höre ich des Öfteren. Aber das
reicht nicht. Ist die Idee tragfähig? Sind die Markt-
potenziale realistisch eingeschätzt? Wie lässt sich
eine gute Vermarktungsstrategie herausarbeiten?
Passen die Anforderungen zu der Persönlichkeit der
„Macherin“ oder des „Machers“? Und natürlich Tipps
geben: Wo kann man selbst recherchieren? Wer kann
weiterhelfen? Viele neue Gesichter, Geschichten und
Ideen kommen zur Tür herein, gelegentlich auch alte
Bekannte aus kreativen Szenen.
André Zimmermann ist einer von ihnen.
Nach einer Ausbildung zum Mediengestalter Bild und
Ton arbeitete er mehrere Jahre als Audiodesigner,
Komponist und Dramaturg. Nun steht er kurz vor
dem Abschluss seines Regiestudiums an der Kölner
Hochschule für Medien und hat gemeinsam mit
Malte Zurbonsen die Z2-Studios gegründet.
Ein spannender Ansatz in einem hoch spezialisier-
ten Markt. André und ich diskutieren die Möglich-
keiten und die nächsten Schritte, bevor ich mich auf
den Rückweg zum Bahnhof mache und wieder den
Lautsprechern der deutschen Bahn lauschen darf.
„Aufgrund eines Triebwerkschadens...“.
�� regionalBüro nordrhein-westfalen
Der Wechsel zum „Du“ ist oft wichtig.
christof schrecKenBerg
Berichtet aus dem regionalBüro nordrhein-westfalen
„Thank you for travelling with Deutsche Bahn“ tönt es mal wieder aus dem Lautsprecher. Ich greife die Aktentasche mit dem Laptop und anderem Mobilzubehör und mache mich auf den Weg zu einem meiner Sprechtage.
jan hanten (foto)
und andré zimmermann
r ationalisieren
den audio -worKflow
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
„von anfang an vermisste ich eine stärkere zusammenarbeit
der verschiedenen gewerke in der postproduktion und wünschte
mir bessere Kommunikationswege zwischen den Beteiligten. im
regiestudium lernte ich die „auftraggeberseite“ kennen und war
erstaunt über die wissenslücken im Bereich filmvertonung und da-
rüber, dass ton in deutschland oft noch so nebensächlich behandelt
wird. die immer knapper werdenden Budgets im Kino und tv erhöhen
zusätzlich den druck zu effizientem arbeiten.
zusammen mit jan hanten, einem programmierer mit unermüd-
lichem forschungsdrang, entstand eine neue idee: die entwicklung
eines intelligenten audiodatabase tools. routineprozesse, die sich
in der postproduktion ständig wiederholen, rauben viel zeit. die
sollte man besser in die dramaturgische und kreative arbeit stecken.
unser tool soll den workflow in der audiobasierten arbeit erhöhen,
verschiedene handlungsschritte spielerischer und intuitiver gestal-
ten sowie die Kommunikation der einzelnen gewerke erleichtern.
unser ziel ist es, eine lücke zu schließen zwischen bereits existie-
renden programmen für die audiofile-verwaltung und der host
audiobearbeitungsoftware, wie z.B. digidesign protools.“
andré zimmermann üBer tools zur optimierung
der auditiven postproduK tion
w w w. rK w- m aga zin . de
45
w w w. rk w- m aga zin . De
46
Internationale Trends in der Kreativwirtschaft – Chancen für Kommunen
ines schwarzBach, Bernd hartmann und Katharina hepp
geschäftsBereich Kreativwirtschaft Bei der
wirtschaftsförderung der l andeshauptstadt stuttgart
Städte und Regionen sind weltweit in einen ehrgeizigen Wettbe-werb getreten: Welche von ihnen ist die kreativste? Eine Vielzahl von Städten hat in den letzten Jahren die Kreativwirtschaft als wichtigen Wirtschaftssektor und wirtschaftspolitisches Hand-lungsfeld entdeckt. Großstädte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart schreiben sich die Unterstützung der Branche ebenso auf die Fahne wie mittlere und kleine Städte.
��
internationales tricKfilm-festival
in stuttgart
rKw magazin spezial 2011
in szene gesetzt:
der stut tgarter schlosspl atz
�� internationale trends in der Kreativwirtschaft
Mit der Kreativwirtschaft auf dem Weg
in die Wissensgesellschaft
Diese gesteigerte Aufmerksamkeit ist in
dem hohen Wachstums- und Beschäfti-
gungspotenzial der Kreativwirtschaft be-
gründet. Sie ist als Branche, die von der
permanenten Schaffung neuer Ideen lebt,
Vorbild und Impulsgeber für andere Wirt-
schaftszweige.
Durch den Strukturwandel in vielen Städten
und Regionen kommt ihr eine modell-
hafte Rolle im Übergang von der Indus-
triegesellschaft zur Wissensgesellschaft zu.
Indem Kommunen die Kreativwirtschaft
als politisches Handlungsfeld auf die
Agenda setzen, signalisieren sie damit
gleichzeitig Zukunftsorientierung und Of-
fenheit für den Wandel. Kein Wunder also,
dass die Branche in aller Munde ist.
Die Situation vor Ort:
Stuttgart
Die Kreativwirtschaft weist in Stuttgart eine bedeutende Konzentration auf: über
4.200 Unternehmen und mehr als 22.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
lassen sich ihr zuordnen. Stärken liegen insbesondere in den Bereichen Architektur,
Software, Werbung, Verlage und Design. Die Landeshauptstadt hat bereits vor einigen
Jahren die Bedeutung der ansässigen Kreativunternehmen erkannt und beschlossen,
deren dynamische Rolle zu stärken. Die dafür im Jahr 2008 formulierte Kreativwirt-
schafts-Strategie der Stadt hat bewusst eine europäische Dimension einbezogen: Von
Beginn an sollte die Förderung der Branche in ein geeignetes europäisches Projekt ein-
gebettet werden, um Synergien zu nutzen und von den Ansätzen anderer Standorte zu
lernen. Gelegenheit dazu gab das EU-Projekt „ECCE Innovation – Developing Economic
Clusters of Cultural and Creative Enterprises in the Innovation Process“.
Vernetzung
für mehr Innovation
Mit dem Projekt „ECCE Innovation“ arbeitet die Stadt Stuttgart gemeinsam mit den Städ-
ten Aachen (D), Nantes (F), Eindhoven (NL), Cardiff (UK), Birmingham (UK), Dublin (IE) und
der englischen Kreativwirtschaftsagentur CIDA Huddersfield daran, kreative Unternehmen
und deren Innovationskraft zu stärken. Sie werden stimuliert, Cluster zu bilden und stärker
mit anderen Industrien wie der Automobilbranche, dem Maschinenbau, dem Gesundheits-
sowie dem Finanzsektor zusammenzuarbeiten. Zahlreiche Maßnahmen vor Ort dienen
dieser branchenübergreifenden Vernetzung. In so genannten „Innovations- und Koopera-
tionsworkshops“ werden beispielsweise in Stuttgart regelmäßig jeweils bis zu 15 Kreativun-
ternehmer aus verschiedenen Bereichen über mehrere Monate hinweg intensiv gecoacht.
Die Teilnehmer entwickeln gemeinsam neue Produktideen und Märkte und profitieren dabei
von den vielfältigen Kompetenzen. Unter dem Motto „Wirtschaft trifft Kreative“ führen Ver-
anstaltungen regelmäßig Kreative mit Vertretern der traditionellen Industrie zusammen.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
�9
Schaffung von
kreativen Räumen
Gerade an Orten mit einem hohen Miet-
niveau wie Stuttgart ist das Gestalten von
Freiräumen für kreatives Schaffen ein we-
sentliches Handlungsfeld der Kreativwirt-
schaftsförderung.
Im Rahmen von Zwischennutzungskon-
zepten gelang es, in den letzten Jahren ei-
nige Gebäudekomplexe in hervorragender
Lage zu Kreativzentren umzuwidmen, so
das „H7“ oder die ehemalige Mercedes-
Benz-Niederlassung. Letztere vereint ein
Zentrum für E-Mobilität, das Schauspiel
Stuttgart und Büroräume für Kreative,
d.h. die Bereiche Kultur, Kreativwirtschaft
und Technologie unter einem Dach und
ist damit zu einem Vorzeigeprojekt ge-
worden.
Ebenso fördert Stuttgart neue Arbeits-
formen wie zum Beispiel die „Cowor-
king Spaces“. „Coworking 0711“ wurde
im März 2010 in Stuttgart eröffnet und
entspricht dem Bedürfnis nach einem fle-
xiblen Arbeitsort, der als kreative Platt-
form für Netzwerke, Innovation und Pro-
duktion dient.
Förderung des
kreativen Nachwuchs
Ein weiteres wesentliches Handlungsfeld ist die Zusammenarbeit mit Hochschulen. Im
Rahmen des EU-Projekts „ECCE Innovation“ arbeitet die Wirtschaftsförderung der Lan-
deshauptstadt Stuttgart eng mit der Stuttgarter Hochschule der Medien zusammen,
einer bundesweit herausragenden Ausbildungsstätte der Szene. So bringt der Wett-
bewerb „european business masters cup“ Studierenden schon während des Studiums
unternehmerisches Denken bei, indem sie in einer Unternehmenssimulation in inter-
national gemischten Teams die Geschicke einer Firma lenken müssen. Darüber hinaus
entwickelt die Stuttgarter Hochschule gemeinsam mit Hochschulen in Cardiff, Birmingham
und Nantes ein Curriculum zur Förderung von Entrepreneurship während des Studiums.
Zusammenarbeit ist gefragt –
vor Ort und europaweit
Erst der Vergleich mit anderen Kreativwirtschaften in Europa lässt das eigene Potenzial
erkennen und zeigt Chancen transnationaler Kooperationen auf. Die enge Zusammenar-
beit mit Partnern aus unterschiedlichen Ländern ermöglicht es, gute Beispiele für die Ver-
netzung und Innovationsförderung, die Schaffung kreativer Räume und die Förderung
des kreativen Nachwuchses zu erarbeiten. Durch die Beteiligung an solchen Projekten
wird zudem die internationale Orientierung von Kommunen gefördert. Die Kreativwirt-
schaft benötigt also beides für eine optimale Förderung: aktives Handeln vor Ort – und
europaweites Lernen und Vernetzung.
weitere informationen unter:
www.stut tgart.de/Kreativ wirtschaf t
w w w. rK w- m aga zin . de
rkw magazin kulTur- unD kreaTivwirTschafT spezial 2011
50 regionalbüro berlin, branDenburg
Design Thinker: miTarbeiTer von
Dark horse innovaTion
w w w. rk w- m aga zin . De
51
Eines der großen Themen in meinen Orientie-
rungsberatungen in Berlin und Brandenburg ist
immer wieder die Frage: Wie können die Kultur-
und Kreativbranchen besser mit anderen Wirt-
schaftszweigen vernetzt werden? Für viele meiner
Beratungsfälle ist die interdisziplinäre Zusammen-
arbeit ein Schlüssel zu nachhaltiger und skalierbarer
Wertschöpfung. Im Falle der Unternehmensneu-
gründung von „Dark Horse Innovation“ wird das
besonders deutlich: 32 Absolventen aus unter-
schiedlichsten Disziplinen haben in der Vorgrün-
dungsphase ihres Beratungsunternehmens das
Gespräch mit mir gesucht. Ihr Geschäftsziel: die
Innovationskraft speziell kleiner und mittelstän-
discher Unternehmen in Schwung bringen.
Design-Thinking
Mit der Entwicklungsmethode „Design-Thinking“
wird der Innovationsprozess extrem verkürzt. Mög-
lich wird dieser Effekt durch die Anwendung von
innovativen Tools und Methoden aus dem Design
und anderen Kreativbranchen. Ein Problem hierbei
wurde im Gespräch jedoch schnell deutlich: Das
Ergebnis von Design Thinking-Prozessen lässt sich
selten direkt umsetzen. Oft schließt sich noch eine
je nach Anwendungsszenario durchaus längere Im-
plementierungsphase an. Wie man das hieraus re-
sultierende unternehmerische Risiko minimieren
und überhaupt mittelständische Unternehmen mit
einem Versprechen von eher unkonventionellen Lö-
sungen als Kunden gewinnen kann, waren Fragen,
die wir gemeinsam zu klären versuchten.
Das Entscheidende am neuen Innovationsprozess
ist aber ohnehin nicht die überraschende Schnellig-
keit, mit der passende Lösungen gefunden werden.
In den meisten Fällen profitieren die Kunden der
Design Thinker von den meist verblüffend einfachen
Ergebnissen, die eine kompromisslose Kundenorien-
tierung und der Perspektivwechsel mit einem exter-
nen, interdisziplinären Team mit sich bringen können.
32 Mitarbeiter aus 25 Disziplinen mit 1 Vision
Das ist das Credo der hoch motivierten Gruppe, die
das Tages- und Leitungsgeschäft ihrer neuen Firma
„Dark Horse Innovation“ auf 18 Gründer und drei
Geschäftsführer verteilt. Ganz nebenbei entwickeln
sie damit auch ein neues Arbeitsmodell. Ihre kollabo-
rative Firmenstruktur ermöglicht es allen Mitarbei-
tern, weiterhin auch in ihrer jeweils eigenen Disziplin
zu arbeiten und sich den Innovationsaufgaben im-
mer wieder mit frischen Ideen und aktuellem Fach-
wissen zu stellen.
Noch während ihrer Studienzeit entwickelten sie mit
dieser Herangehensweise ein revolutionäres Kühlsys-
tem für die Metro AG, das in Zukunft den Anteil an
unverkäuflichen Lebensmitteln deutlich reduzieren
soll. Auch das Bundesministerium des Inneren hat
schon die Dienste der jungen Firma in Anspruch ge-
nommen, obwohl sich die Gründer eigentlich speziell
auf die Entwicklungsherausforderungen in kleinen
und mittelständischen Firmen konzentrieren wollen.
Hier sehen sie für flexible, marktnahe und kosten-
günstige Entwicklungsprozesse das meiste Potenzial.
Design Thinking: Treibstoff für den Innovationsmotor
dirK Kiefer
Berichtet aus dem regionalBüro Berlin, Br andenBurg
Konzeptent wicKlung Bei
darK horse innovation
�2 regionalBüro Berlin, BrandenBurg
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
53
w w w. rk w- m aga zin . De
�� mediafon – das Beratungsnetz für soloselBständige
Kreative und Gewerkschaften – für
manch einen scheint das ein Wider-
spruch zu sein. Für rund 60.000 ver.di-
Mitglieder ist es das nicht. Sie arbei-
ten in Kreativ- und Kulturberufen, etwa
als Bildende Künstlerinnen, Autoren,
Musikerinnen, Journalisten, Filmschaf-
fende oder Designerinnen. In der Mehr-
zahl sind sie freiberuflich tätig und auch
das geht: Gewerkschaften und Selb-
ständige – jedenfalls so weit sie nicht
selber Arbeitgeber sind.
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
veroniK a mirschel ,
refer at für selBständige Bei ver .di
Professioneller wirtschaften
Tatsächlich steht für viele Kreative ihr schöpferisches
Tun im Mittelpunkt. Steuern, Gesundheitsbelastung,
soziale Absicherung, Verträge, Akquisition – kurz:
das Geschäft tritt häufig in den Hintergrund. Dabei
stehen allein arbeitende Kreative oft Auftraggebern
oder Geldgebern gegenüber, die sich in der stärkeren
Position befinden. Hier setzen gewerkschaftliche
Handlungsmöglichkeiten an: Mit bezahlbaren Bil-
dungsangeboten zu Akquisition, Verhandlungstech-
niken oder Alleinstellungsmerkmalen des eigenen
Angebots rüsten sich die Solo-Selbständigen für
Verhandlungen. Über das gewerkschaftliche Bera-
tungsnetzwerk www.mediafon.net, in dem langjäh-
rig Selbständige kollegiale Beratung anbieten, finden
sie Antworten auf Fragen rund um ihre Erwerbstä-
tigkeit und soziale Sicherung.
Die persönliche Beratung ist nur ein Teil des Ser-
vices und wird durch virtuelle Leistungen ergänzt.
Über das interaktive Internet-Angebot, den mo-
natlichen Newsletter sowie den RSS-Feed wer-
den Hintergrund-Informationen und aktuelle
Branchenmeldungen verbreitet. Insbesondere im
Online-Ratgeber werden häufig gestellte Fragen
beantwortet.
Außerdem stehen bereit: Honorarempfehlungen
und Musterverträge, Termine und Honorarspiegel
für diverse Branchen, in die Selbständige anonym
ihre erzielten Honorarsätze bei Auftraggebern ein-
geben können. Dies alles gibt Selbständigen not-
wendige Anhaltspunkte, wie sie sich auf ihrem
Markt bewegen können.
Individualität in der Profession bei gleichzeitigem Wunsch nach Kontakt zu Gleichgesinnten, Informationen
aus der Szene, Beratung, Bildungsangeboten, Rechtsschutz im Arbeitsleben und der Möglichkeit, Interessen
gemeinsam durchzusetzen – bei den Motiven für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft unterscheiden sich
Angestellte und Freiberufler nicht. Im Zentrum des Interesses steht gerade für freiberufliche Kreative doch
die Frage: Wie kann ich von meiner Arbeit leben und welche Rahmenbedingungen brauche ich dafür?
In der Sahelzone der EinkommenÜber die Arbeit von mediafon – dem Beratungsnetz für Soloselbständige
w w w. rK w- m aga zin . de
Gemeinsam verhandeln
Trotz dieser Angebote zur individuellen Unterstüt-
zung und Professionalisierung arbeiten Selbstän-
dige, die einem künstlerischen Beruf nachgehen,
nicht selten „in der Sahelzone der Einkommen“, wie
es der ehemalige Vorsitzende der Schriftstel-
lerinnen und Schriftsteller in ver.di (VS), Fred
Breinersdorfer, ausdrückte.
Dies bestätigt ein Blick auf die bei der Künstler-
sozialkasse gemeldeten Erwerbseinkommen zum
1. Januar 2010: Im Schnitt meldeten die – zumeist
hoch qualifizierten – Versicherten ein zu versteu-
erndes Jahreseinkommen von knapp 13.300 Euro.
Weibliche Kulturschaffende liegen mit einem Jah-
reseinkommen von 11.355 Euro unterhalb des
Durchschnittswertes ihrer Kollegen mit rund
15.000 Euro. Nicht wenige hätten Anspruch auf
aufstockendes Arbeitslosengeld II, doch in Anspruch
genommen wird es kaum.
Der Grund: Kreative sind und empfinden sich nicht
als arbeitslos. Nur können sie von der Arbeit, die
sie leisten, oftmals kaum (über-) leben und eine
bessere Honorierung allein nicht durchsetzen. Kre-
ative leben vom Verkauf ihrer Werke und Verhand-
lungen über entsprechende Nutzungsvergütungen
sind überlebensnotwendig für sie. Dabei nicht mit
ihren Auftraggebern in individuelle Auseinander-
setzungen über die Vergütungshöhe eintreten zu
müssen, kommt den meisten Selbständigen ent-
gegen: Kollektive Verhandlungen können die ein-
zelnen Kreativen vor dem Druck des Auftraggebers
schützen.
Erfolge und Herausforderungen
der Gewerkschaften
Da wundert es nicht, dass in einer Umfrage unter
kultur- und medienschaffenden ver.di-Mitgliedern
zu den Erwartungen an ihre Gewerkschaft das
Thema „Kollektivvereinbarung“ einen der Spitzen-
plätze einnahm. Hier hat ver.di veritable Erfolge
aufzuweisen: Für arbeitnehmerähnliche Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter – also Freie, die mehr als ein
Drittel ihres Einkommens bei einem Auftraggeber
verdienen – konnten mit Tageszeitungen und öf-
fentich-rechtlichen Rundfunksendern Tarifverträge
ausgehandelt werden. Die Entstehung des Urhe-
bervertragsrechts, das die gesetzliche Grundlage
dafür legt, angemessene Vergütungen für ganze
Branchen auszuhandeln, ist nicht zuletzt dem hart-
näckigen Eintreten der Gewerkschaften geschuldet.
Ein anderes Beispiel: Als die Enquete-Kommission
„Kultur in Deutschland“ vor einigen Jahren die Exis-
tenz der Künstlersozialkasse in Frage stellte, ver-
breitete sich über die gewerkschaftlichen Verteiler
die Aufforderung, sich diesem Ansinnen schrift-
lich entgegenzusetzen. 3000 individuell formulierte
Anschreiben gingen bei der Enquete-Vorsitzenden
binnen zwei Tagen ein.
Mit der Kollektivierung vermeintlicher Einzelinteres-
sen haben die Gewerkschaften eine respektable Er-
folgsgeschichte hingelegt. Dem verdanken sie ihre
Existenz und daraus beziehen sie ihre Legitimati-
on. Die ersten Erfahrungen, wie das geht, sind weit
über hundert Jahre alt. Und die Anforderungen,
die sich damals stellten, sind aktueller denn je:
Zum Abbau von Konkurrenzen innerhalb und zwi-
schen Beschäftigtengruppen müssen den Erwerbs-
formen angepasste gewerkschaftliche Strukturen
und Durchsetzungsformen entwickelt werden. Das
gilt insbesondere für große Branchen, die wie die
Kreativbranche von „atypischen“ Erwerbsformen
geprägt sind.
�� mediafon – das Beratungsnetz für soloselBständige
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
��
w w w. rk w- m aga zin . De
�� regionalBüro Bremen, niedersachsen
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
Branchenübergreifend denken und handeln
In Braunschweig trifft sich die „Kreativregion38“,
um möglichst viele Kreative aus allen Branchen an-
zusprechen und sich über Arbeitsbedingungen und
Standortfragen auszutauschen. Ähnliche Treffen fin-
den in Oldenburg, Bremen und Osnabrück statt. In
Hannover hat der erste „Coworking-Space“ eröffnet,
eine privatwirtschaftliche Initiative, die interessier-
ten Kreativen temporäre Büroarbeitsplätze zur Ver-
fügung stellt – „Bürogemeinschaft 2.0.“ In diese
Vernetzungsaktivitäten, die aus der Szene heraus or-
ganisiert oder von engagierten Wirtschaftsförderern
initiiert werden, bringe ich mich ein und nutze dabei
meine Erfahrung aus zehn Jahren Freiberuflichkeit
im Theaterbereich und als Kulturmanagerin.
Ich verfolge die Bewegungen der Branche in der
Region und trage dazu bei, nicht Verbundenes zu ver-
binden und interessante Projekte und Initiativen zu-
sammenzubringen. Oft zeigt sich in den Gesprächen,
dass es bei den Akteuren einen großen Bedarf an
Vernetzung gibt. Es fehlt oft noch an fachkundigem
Informationsaustausch, z. B. beim Recherchieren ge-
eigneter Förderinstrumente. Aus meiner eigenen Be-
rufserfahrung weiß ich, dass gut vernetzt zu sein
die Arbeit enorm erleichtert und dabei hilft, Hin-
dernisse zu überwinden. Das gilt im Besonderen für
diese Branche, in der sowohl brancheninterne als
auch branchenübergreifende Verknüpfungen noch
nicht in großem Maßstab stattfinden.
Die „cityförster“
Auf der Suche nach Vernetzung kamen auch die
„cityförster“ in den Sprechtag. Das Unternehmen
agiert im Bereich Architektur und Städteplanung
und wurde von elf Absolventen der Leibniz Univer-
sität Hannover gegründet. Mittlerweile umfasst es
ein europaweites Netzwerk. Beim ersten Gespräch
im Juli 2010 stand der Firmensitz noch nicht fest.
Berlin schien als Standort verlockend zu sein. Den-
noch entschlossen sie sich für Hannover, „weil wir
uns dem allgemeinen Sog der Hauptstadt ent-
ziehen und uns hier interessante Fördermöglich-
keiten erschließen wollen. Wir denken Architektur
in neuen Strukturen und arbeiten daran, für unsere
Entwürfe bei Entscheidern Gehör zu finden.“ Im
Gespräch erörterten wir viele Verbindungsmög-
lichkeiten: Zum niedersächsischen Wirtschaftsmi-
nisterium, zu den Wirtschaftsförderungen, zum
Innovationsnetzwerk, zum deutschen Städtetag,
zur NBank und nicht zuletzt zur Bremer Zwischen-
nutzungsagentur „ZZZ“. „cityförster“ ist ein gutes
Beispiel dafür, dass in der Kultur- und Kreativwirt-
schaft meist branchenübergreifend gedacht und
gearbeitet wird: Sie agieren international und in-
terdisziplinär und arbeiten mit Experten in den
Bereichen nachhaltige Stadtentwicklung, Soziolo-
gie, Zukunftsforschung und Personalentwicklung
zusammen.
Das Telefon klingelt. Am Apparat ein Designunter-
nehmer, der an Raumkonzepten arbeitet. Das Büro
ist in derselben Straße wie die „cityförster“. Beide
haben noch nichts voneinander gehört…
In der Region für Vernetzung sorgen
tania Breyer
Berichtet aus dem regionalBüro
Bremen, niedersachsen
ein ent wicKlungsKonzept
der ‚cit yförster‘ für die
metropolregion helsinKi
�9
w w w. rK w- m aga zin . de
Im Norden diePuppen tanzen lassenCordula Thonett, Inhaberin eines freien Puppentheaters, wartet geduldig vor dem Besprechungsraum des Wissenschaftsparks in Kiel. Sie ist extra aus dem 30 km ent-fernten Eckernförde gekommen, um das Angebot einer kostenlosen Orientierungs-beratung des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft wahrzunehmen.
�0 regionalBüro hamBurg, mecKlenBurg-vorpommern, schleswig-holstein
cordul a thonet ts puppen
in ‚schlucK‘s runter
rKw magazin Kultur- und Kreativwirtschaft spezial 2011
fr anK lemloh
Berichtet aus dem regionalBüro hamBurg,
mecKlenBurg-vorpommern, schleswig- holstein
Eine leichte Skepsis mir gegenüber ist zu spüren und
dennoch ist der Gesprächsauftakt freundlich und
offen. Die unternehmerische Idee, das Netzwerk,
den vorbereiteten Businessplan, Strategien für Mar-
keting und neue Märkte, all die Themen, die vor
allem aus betriebswirtschaftlicher Sicht relevant
sind, hinterfrage ich und versuche meine Erfah-
rungen und mein Wissen durch hilfreiche Tipps wei-
ter zu geben. Hierbei sehe ich den „kreativen Kopf“,
der mir gegenüber sitzt, immer auch als Mensch
mit seinen Stärken und Schwächen, mit all seinen
Emotionen und Fantasien, mit seinen Ängsten
und Hoffnungen.
Figurentheater im Kabuff
Cordula Thonett erzählt mir, dass sie ursprünglich
aus Köln kommt, aber für ihr Theater aufgrund des
„Überangebotes“ der Großstadt keine gute Chance
sah. Also zog es die rheinische Frohnatur Richtung
Norden an die Ostsee nach Eckernförde. Da sie aber
auf die 5. Jahreszeit nicht verzichten wollte, schaffte
sie es, in ihrer neuen Heimat den Karneval einzu-
führen. Der klassische Rosenmontagsumzug fin-
det in dem 23.000 Einwohner-Städtchen samstags
statt und heißt hier „Blaualgensonnabendsumzug“.
Ihre Geschäftsidee liegt inhaltlich auch gar nicht so
weit vom Karneval entfernt. Thonett betreibt als
Puppenbauerin in Eckernförde das freie „Figuren-
theater im Kabuff“. Auf knapp 50 Quadratmetern
eines umgebauten Gebäudes ist Platz für die kleine
Bühne und 30 bis 50 Zuschauer.
Cordula Thonett hat in ihrem Programm neben
humorvollen Stücken auch sozialkritische Themen.
Die Puppen für ihr eigenes Theater baut sie selbst.
Für andere Theaterproduktionen nimmt sie Auf-
tragsarbeiten entgegen. So stammen die für das
Fernsehen verwendeten Puppen „Berni und Ert“
auch von Cordula Thonett. Gerne würde sie Bauch-
reden lernen, um noch authentischer bei ihrer Per-
formance zu wirken.
Der eigene Kulturbetrieb
Sie strebt an, eine kleine Spielergruppe aufzubauen
und Kooperationen mit sozialen und kirchlichen
Einrichtungen zu vereinbaren. Einen gelungenen
Ansatz dafür sieht sie in ihrem Stück zur Suchtprä-
vention. Man könnte gemeinsam mit diesen Or-
ganisationen ein Präventionsprogramm anbieten.
Weiterhin steht sie auch für Auftritte bei Geburts-
tagen für jung und alt und anderen Aufführungen
außer Haus zu Verfügung.
Mir wurde in dem Gespräch klar, dass Cordula
Thonett mit ihrem kreativen Talent und ihren Er-
fahrungen einen eigenen Kulturbetrieb aufgebaut
hat. Jetzt gilt es, den Verkauf von Puppen voran zu
bringen, die Flyer und die Webseite zu optimieren
und das vorhandene Netzwerk auszubauen. Über
das positive Feedback der norddeutschen Karneva-
listin nach der Beratung habe ich mich gefreut. Ich
bin gespannt, ob wir auch gemeinsam „die Puppen
tanzen lassen“ können.
�1
w w w. rK w- m aga zin . de
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im Kabuff (S. 60)
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der Deutschen Wirtschaft e.V., Kompetenzzentrum
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