Position
Stand: Mai 2017
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Soziale Marktwirtschaft sorgt für inklusives Wachstum
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für inklusives
Wachstum
vbw – Mai 2017
Vorwort
Vorwort
Dank der Sozialen Marktwirtschaft ist das Wachstum in Deutschland inklusiv
In der wirtschaftspolitischen Diskussion macht ein neues Modewort die Runde:
inklusives Wachstum. Gemeint ist damit ein Wachstum, das in seiner Wirkung nicht
auf wenige beschränkt ist, sondern bei breiten Bevölkerungsschichten ankommt. Der
Begriff geht zurück auf die OECD, die sich in einer Studie aus dem Jahr 2014 mit den
Folgen der Globalisierung auseinander gesetzt hat.
Für Entwicklungs- und Schwellenländer mag die Diskussion durchaus ihre Berechti-
gung haben. Aber sicher nicht auf Deutschland bezogen: Das Wachstum in Deutsch-
land ist inklusiv. Unsere Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft ist genau
darauf angelegt, für inklusives Wachstum zu sorgen: indem das marktwirtschaftliche
System von einer Sozial- und Umverteilungspolitik flankiert wird. Nicht zufällig ähnelt
der Begriff des „Wachstums für alle“, mit dem inklusives Wachstum plakativ beschrie-
ben wird, dem Motto Ludwig Erhards vom „Wohlstand für alle“.
Hierzulande dient der Begriff des inklusiven Wachstums lediglich den Verfechtern einer
Umverteilungspolitik als Begründung für ihre Konzepte. Doch eine Ausweitung von
Umverteilung und Regulierung ist kontraproduktiv, weil sie das Wirtschaftswachstum
bremst.
Die Umverteilungspolitiker, die sich auf das inklusive Wachstum berufen, zeichnen
bewusst ein falsches Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage in unserem Land. Im
vorliegenden Positionspapier zeigen wir die Fakten auf, die eine deutliche Sprache
sprechen: Das Wachstum in Deutschland ist inklusiv.
Bertram Brossardt
15. Mai 2017
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Inhalt
Inhalt
1 Der Begriff ................................................................................................... 1
2 Unsere Position........................................................................................... 3
2.1 Grundkonzept des inklusiven Wachstums: richtig, aber nicht neu ................. 3
2.2 Inklusives Wachstum nicht als Begründung für Umverteilung vorschieben ... 3
2.3 Das Wachstum in Deutschland ist inklusiv .................................................... 3
2.4 Soziale Marktwirtschaft als Garant für inklusives Wachstum ......................... 4
2.5 Kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum ..... 4
3 Die Fakten.................................................................................................... 5
3.1 Armut ............................................................................................................ 5
3.2 Einkommensverteilung .................................................................................. 7
3.3 Verteilung der Einkommensteuerlast ............................................................. 8
3.4 Erwerbsbeteiligung ....................................................................................... 9
3.5 Vereinbarkeit von Familie und Beruf ........................................................... 10
3.6 Bildung ........................................................................................................ 11
3.7 Öffentliche Finanzen ................................................................................... 13
3.8 Innovation ................................................................................................... 14
4 Der Zehn-Punkte-Plan des Wirtschaftsministeriums .................................. 15
4.1 Positive Ansätze ......................................................................................... 15
4.2 Überwiegend wachstumsschädliche Maßnahmen ....................................... 15
Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 17
Hinweis
Zitate aus dieser Publikation sind unter Angabe der Quelle zulässig.
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Der Begriff 1
1 Der Begriff
Inklusives Wachstum ist ein Wirtschaftswachstum, das bei allen ankommt
In der wirtschaftspolitischen Diskussion ist immer häufiger vom sog. inklusiven Wachs-
tum die Rede. Gemeint ist damit ein Wirtschaftswachstum, das in seiner Wirkung nicht
auf wenige beschränkt ist, sondern bei breiten Bevölkerungsschichten ankommt und
gesellschaftliche Teilhabe aller mit sich bringt.
Der Begriff geht zurück auf eine Studie der OECD aus dem Jahr 2014 mit dem Titel „All
on Board: Making Inclusive Growth Happen“. Die OECD beschreibt inklusives Wachs-
tum als „ein ökonomisches Wachstum, das für alle Teile der Bevölkerung Möglichkei-
ten schafft und das die Früchte des erarbeiteten Wohlstands, in geldlicher wie in nicht-
geldlicher Form, fair in der Gesellschaft verteilt“. Laut OECD-Studie habe die Ungleich-
heit in den letzten Jahrzehnten weltweit zugenommen.
Die OECD stellt stark auf die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit ab. Die Schere zwi-
schen Arm und Reich könne nur geschlossen werden, wenn politische Maßnahmen
neben der Einkommensverteilung auch den Zugang zu guter Bildung, zu Gesundheit
und öffentlichen Infrastrukturen berücksichtigen.
In Deutschland hat die Bertelsmann Stiftung den Begriff des inklusiven Wachstums
aufgenommen und im Jahr 2015 ein groß angelegtes Projekt unter diesem Titel be-
gonnen. Die Bertelsmann Stiftung spricht von „Wachstum für alle“.
Die Stiftung kommt zu der Einschätzung, dass Ungleichheiten zwischen Menschen und
Regionen zunähmen und gleichzeitig unsere Gesellschaft heute schon auf Kosten der
zukünftigen Generationen lebe. Gefordert wird eine neue Wachstumsagenda, die das
Ziel wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in Einklang bringt mit der Leistungsfähigkeit und
langfristigen Tragfähigkeit unserer sozialen, fiskalischen und auch ökologischen Sys-
teme. Die Bertelsmann Stiftung benennt aber auch klar die Zielkonflikte: Zum einen
müsse eine Balance zwischen der notwendigen wirtschaftlichen Dynamik und dem
Ausmaß an Umverteilung und Sozialpolitik gefunden werden. Zum anderen müsse
abgewogen werden zwischen dem Umfang des dringend gebotenen Schuldenabbaus
und den erforderlichen Zukunftsinvestitionen zum Erhalt der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit.
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Unsere Position 3
2 Unsere Position
Die Soziale Marktwirtschaft garantiert inklusives Wachstum
2.1 Grundkonzept des inklusiven Wachstums: richtig, aber nicht neu
Gegen das grundsätzliche Konzept eines inklusiven Wachstums ist nichts einzuwen-
den. Ziel jedes Wirtschaften ist es, für möglichst breite Bevölkerungsschichten Wohl-
stand zu schaffen. Dies ist in Deutschland dank unserer Wirtschaftsordnung der Sozia-
len Marktwirtschaft gegeben.
Positiv zu werten ist, dass bereits durch die Begrifflichkeit „inklusives Wachstum“ deut-
lich gemacht wird, dass Wirtschaftswachstum die Grundvoraussetzung für die Lösung
von Verteilungsfragen und für Sozialpolitik ist. Auch viele der seitens der OECD oder
der Wissenschaft empfohlenen Maßnahmen sind sinnvoll und diesem Ziel dienlich,
insbesondere Investitionen in Bildung, Investitionen in Infrastruktur, Förderung von
Unternehmensgründungen oder eine solide öffentliche Haushaltspolitik.
2.2 Inklusives Wachstum nicht als Begründung für Umverteilung vorschieben
In der aktuellen politischen Diskussion in Deutschland wird der Begriff des inklusiven
Wachstums aber meist nicht in seiner eigentlichen Definition gesehen. Er wird miss-
braucht und von den Verfechtern einer Umverteilungspolitik als Begründung für ihre
Konzepte vorgeschoben. Dabei wird bewusst ein falsches Bild der wirtschaftlichen und
sozialen Lage gezeichnet, um zu suggerieren, dass das Wachstum nicht inklusiv sei.
Ein solcher Befund ist aber zumindest für Deutschland falsch!
2.3 Das Wachstum in Deutschland ist inklusiv
Deutschland ist ein Sozialstaat, in dem eine umverteilende Steuerpolitik sowie die So-
zialversicherungssysteme dafür sorgen, dass die Verteilung der Markteinkommen kor-
rigiert wird und somit das Wirtschaftswachstum bei breiten Bevölkerungsschichten an-
kommt.
Fakt ist, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland seit 2005 zurückgegangen
ist und die Haushaltseinkommen gleicher verteilt sind als im OECD-Durchschnitt.
Durch unser Steuersystem wird die Einkommensungleichheit erheblich reduziert. Die
Bezieher hoher Einkommen tragen weit überdurchschnittlich zur öffentlichen Finanzie-
rung bei. Die Arbeitsmarktentwicklung ist quantitativ und qualitativ eine Erfolgsge-
schichte. Beschäftigung und Erwerbstätigkeit liegen auf Rekordniveau. Nur 2,6 Prozent
der abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiten in der Zeitarbeit. Der Anteil befris-
tet Beschäftigter an allen abhängig Erwerbstätigen liegt seit Jahren unter 10 Prozent, in
der Privatwirtschaft zuletzt sogar nur bei 6,7 Prozent. Und fast 90 Prozent aller Be-
4 Unsere Position
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
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schäftigten sind zufrieden mit ihrer Arbeitszeit, dies gilt auch für 80 Prozent der teilzeit-
beschäftigten Frauen.
In Kapitel 3 zeigen weitere Fakten im Detail, dass das Wachstum in Deutschland inklu-
siv ist.
2.4 Soziale Marktwirtschaft als Garant für inklusives Wachstum
Für inklusives Wachstum in Deutschland sorgt unser System der Sozialen Marktwirt-
schaft. Sie ist eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaftsordnung, die genau auf
inklusives Wachstum abzielt. Im Vordergrund steht ein auf Wettbewerb und Leistung
beruhendes marktwirtschaftliches System, das auf effiziente Weise für das notwendige
Wachstum sorgt. Die flankierende Umverteilungs- und Sozialpolitik korrigiert den rei-
nen Marktprozess und sorgt für eine Teilhabe aller am Wachstum. Letztlich ist inklusi-
ves Wachstum nur eine neue Begrifflichkeit für das, wofür die Soziale Marktwirtschaft
steht.
2.5 Kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum
Die politischen Anhänger des inklusiven Wachstums argumentieren, dass eine gerin-
gere Ungleichheit zu mehr Wachstum führe. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
ökonomischer sowie sozialer Ungleichheit und Wirtschaftswachstum kann aber nicht
festgestellt werden. Studien zeigen lediglich für Länder mit einer sehr hohen Ungleich-
heit oder mit einem geringen Einkommens- und Wohlstandsniveau, dass ein Abbau der
Ungleichheit in der Tat zu mehr Wachstum führen kann. In fortgeschrittenen Volkswirt-
schaften mit einem etablierten Umverteilungs- und Sozialsystem – wie in Deutschland
– ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil: Hier kann eine zusätzliche Umverteilung die Leis-
tungsfähigkeit bremsen und damit Wachstumspotenziale reduzieren.
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Die Fakten 5
3 Die Fakten
Das Wachstum in Deutschland ist inklusiv
In der Diskussion um inklusives Wachstum wird oftmals ein falsches Bild von der wirt-
schaftlichen und sozialen Realität in Deutschland gezeichnet. Um verteilungspolitische
Maßnahmen zu rechtfertigen, wird eine vermeintliche soziale Schieflage beschworen.
Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Das Statistische Bundesamt veröf-
fentlicht jährlich einen Indikatorenbericht – Nachhaltige Entwicklung in Deutschland. In
diesem werden verschiedene Indikatoren veröffentlicht, die ergänzend zum reinen
Wirtschaftswachstum die Nachhaltigkeit der Wirtschaftsentwicklung aufzeigen. Diese
Daten belegen: Das Wachstum in Deutschland ist inklusiv.
3.1 Armut
Der Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts misst die sog. „materielle Depri-
vation“ von Haushalten, d.h. der Mangel an bestimmten Gebrauchsgütern sowie der
unfreiwillige Verzicht auf ausgewählten Konsum aus finanziellen Gründen. Als (erheb-
lich) materiell depriviert gelten Haushalte, die drei (vier) von neun vorgegebenen Krite-
rien nicht erfüllen: Auto, Waschmaschine, Farbfernsehgerät, Telefon, rechtzeitige Be-
zahlung von Miete, Hypothek und Rechnungen für Vorsorge, angemessenes Heizen
der Wohnung, Möglichkeit, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige
vegetarische Mahlzeit zu essen, jährlich eine Woche Urlaub außerhalb der eigenen
Wohnung, Bestreitung unerwarteter Ausgaben (2015: 980,- €).
– 2015 galten 10,7 Prozent der Haushalte in Deutschland als materiell depriviert.
– Im EU-Durchschnitt liegt der Anteil um rund 6 Prozentpunkte höher.
– Der Anteil der erheblich materiell deprivierten Haushalte lag in Deutschland bei
4,4 Prozent, EU-weit waren es 8,1 Prozent.
– Die Anteile sowohl der materiell deprivierten als auch der erheblich materiell depri-
vierten Haushalte in Deutschland sind seit Jahren weitgehend konstant.
(vgl. Abbildung 1, Seite 6)
6 Die Fakten
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inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Abbildung 1
Materielle Deprivation in Deutschland und in der EU
Quelle: Destatis
11,1 10,7
17,816,9
4,5 4,4
8,4 8,1
0
5
10
15
20
25
2010 2011 2012 2013 2014 2015
Anteile in ProzentMaterielle DeprivationDeutschland
Materielle DeprivationEU-28
Erhebliche materielle DeprivationDeutschland
Erhebliche materielle DeprivationEU-28
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inklusives Wachstum
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Die Fakten 7
3.2 Einkommensverteilung
Die Einkommensverteilung wird mit dem sog. Gini-Koeffizienten gemessen. Ein Wert
von 0 bedeutet absolute Gleichverteilung, ein Wert von 1 signalisiert maximale Un-
gleichverteilung. Betrachtet werden die Verteilung des reinen (personalen) Marktein-
kommens, des Äquivalenz-Einkommens vor Sozialleistungen und des (verfügbaren)
Äquivalenzeinkommens nach Umverteilung. Das Äquivalenzeinkommen berücksichtigt
Anzahl und Alter der von diesem Einkommen lebenden Personen in einem Haushalt.
Die Zahlen belegen, dass die Umverteilung in Deutschland für einen erheblichen Ab-
bau der Ungleichheit sorgt.
– Der Gini-Koeffizient der individuellen Markteinkommen lag 2013 bei 0,51 (jüngere
Daten sind nicht verfügbar).
– Bei Betrachtung auf Haushaltsebene und Berücksichtigung der Haushaltsstruktur
sinkt der der Gini-Koeffizient auf 0,36 im Jahr 2015.
– Nach Steuern und Abgaben sinkt der Gini-Koeffizient weiter auf 0,30.
– Mittelfristig ist der Gini-Koeffizient der verfügbaren Einkommen stabil. Nachdem er
von 0,30 im Jahr 2008 bis auf 0,28 im Jahr 2012 zurückging, stieg er bis 2014 wie-
der leicht auf 0,31, bevor er im Jahr 2015 auf 0,30 sank.
Abbildung 2
Einkommensverteilung in Deutschland
Quelle: Destatis
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gini-KoeffizientMarkteinkommen
Äquivalenzeinkommenvor Sozialleistungen
verfügbaresÄquivalenzeinkommen
8 Die Fakten
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inklusives Wachstum
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3.3 Verteilung der Einkommensteuerlast
Der Vergleich der Einkommensverteilung vor und nach Umverteilung hat bereits ge-
zeigt, dass das Steuersystem in Deutschland das Umverteilungsziel erreicht. Dies be-
stätigen die Daten der Verteilung des Einkommensteueraufkommens.
– Die zehn Prozent der Haushalte mit dem höchsten Bruttoeinkommen tragen mit
48,2 Prozent fast die Hälfte des Einkommensteueraufkommens; obwohl auf sie nur
27,3 Prozent des Bruttoeinkommens entfällt.
– Betrachtet man die 30 Prozent der einkommensstärksten Haushalte in Deutschland,
so entfallen auf sie 55 Prozent der Bruttoeinkommen, aber fast 80 Prozent des Auf-
kommens der Einkommensteuer.
– Umgekehrt zahlt die einkommensschwächere Hälfte der Haushalte in Deutschland
nur sieben Prozent des Einkommensteueraufkommens, während auf sie aber über
26 Prozent der Bruttoeinkommen entfallen.
Abbildung 3
Verteilung der Bruttoeinkommen und der Einkommensteuerlast in Deutschland
Quellen: IW Köln, SOEP, EVS.
2,8 0,04,4 0,3
5,51,0
6,5
2,0
7,3
3,5
8,6
5,6
10,1
8,4
12,1
12,2
15,4
18,7
27,3
48,2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Haushaltsbruttoeinkommen Einkommensteuer inkl. Solidaritätszuschlag
10. Dezil
9. Dezil
8. Dezil
7. Dezil
6. Dezil
5. Dezil
4. Dezil
3. Dezil
2. Dezil
1. Dezil
Anteil der Einkommensdezile, 2017
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inklusives Wachstum
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Die Fakten 9
3.4 Erwerbsbeteiligung
Das Wirtschaftswachstum des vergangenen Jahrzehnts hat zu einem massiven Be-
schäftigungsanstieg und einem Abbau der Arbeitslosigkeit geführt. Dadurch wurde im-
mer mehr Menschen die Teilhabe am Erwerbsleben ermöglicht und damit auch die
Möglichkeit, Erwerbseinkommen zu erzielen. Abzulesen ist dies an der Entwicklung der
Erwerbstätigenquote, also dem Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung.
Diese ist nicht nur insgesamt gestiegen. Vor allem die Erwerbsbeteiligung von Perso-
nengruppen, die ehemals besondere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt hatten –
Frauen und Ältere – ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen.
– Bezogen auf die Bevölkerung im gesamten erwerbsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre)
ist der Anteil der Erwerbstätigen seit 2005 von 69 auf 78 Prozent gestiegen. Damit
ist das für 2030 gesetzte Ziel bereits erreicht.
– Die Erwerbstätigenquote der Frauen lag 2015 mit 73,6 Prozent um 8,7 Prozentpunk-
te unter der entsprechenden Quote der Männer von 82,3 Prozent. Der Abstand hat
sich jedoch deutlich verringert. Im Jahr 2000 betrug er noch 15,8 Punkte.
– Massiv gestiegen ist die Erwerbsbeteiligung der Älteren. Die Erwerbstätigenquote
der über 60-Jährigen hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt. Sie stieg von 19,6 auf
53,3 Prozent.
– Die Quote der Männer in dieser Altersgruppe stieg von 31,9 auf 59,1 Prozent, die
Quote der Frauen erhöhte sich von 35,8 auf 47,9 Prozent.
Abbildung 4
Erwerbstätigenquoten Deutschland
Quelle: Destatis
75,078,0
69,7
73,6
80,482,3
41,1
53,3
33,1
47,949,4
59,1
20
30
40
50
60
70
80
90
2010 2011 2012 2013 2014 2015
Insgesamt Frauen Männer
Ältere insgesamt(60- bis 64-Jährige)
Frauen(60- bis 64-Jährige)
Männer(60- bis 64-Jährige)
Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung der jeweilgen Altersgruppe, in Prozent
10 Die Fakten
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inklusives Wachstum
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3.5 Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Der eben beschriebene Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen ist nicht zuletzt der
verbesserten Möglichkeiten zu verdanken, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ein wich-
tiger Faktor hierfür sind die Kinderbetreuungsangebote. Im Indikatorenbericht wird der
Anteil der Kinder in Ganztagesbetreuung (mehr als sieben Stunden, ohne Tagespflege)
erfasst. Der Indikator misst nur die Kinder, die tatsächlich betreut werden, nicht die
vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten.
– Der entsprechende Anteil der 0- bis 2-Jährigen ist in den vergangenen zehn Jahren
von knapp 6 auf über 16 Prozent gestiegen.
– Der Anteil der 3- bis 5-Jährigen stieg im letzten Jahrzehnt von 22 auf 44,5 Prozent.
Abbildung 5
Kinder in Ganztagesbetreuung, Deutschland
Quelle: Destatis
5,9
16,2
22,0
44,5
0
10
20
30
40
50
60 0- bis 3-Jährige
3- bis 6-Jährige
Anteil an allen Kindern der jeweiligen Altersgruppe
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inklusives Wachstum
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Die Fakten 11
3.6 Bildung
Bildung ist der entscheidende Schlüssel für die Perspektiven am Arbeitsmarkt und da-
mit für die Möglichkeit, am Markt Einkommen zu erzielen. Der Indikatorenbericht des
Statistischen Bundesamts betrachtet zwei Zielgrößen:
– Der Anteil der sog. „frühen Schulabgänger“. Dies sind diejenigen 18- bis 24-
Jährigen, die über keinen Abschluss des Sekundarbereichs II (Hochschulreife bzw.
abgeschlossene Berufsausbildung) verfügen und gegenwärtig auch keine Schule
oder Hochschule besuchen und sich an keiner Weiterbildungsmaßnahme beteiligen.
Dieser Anteil ist mittelfristig um fünf Prozentpunkte auf 10 Prozent gesunken (vgl.
Abbildung 6).
– Der Anteil der Personen mit höheren Bildungsabschlüssen. Hier wird der Anteil der
30- bis 34-Jährgen erfasst, die einen tertiären (Abschluss an Fachschulen bis Uni-
versitätsabschluss) oder einen postsekundaren nicht-tertiären (zwei Abschlüsse im
Sekundarbereich II) haben.
Der Anteil aller Personen mit höheren Bildungsabschlüssen ist mittelfristig von 33
auf fast 47 Prozent gestiegen, der Anteil der Personen mit tertiärem Abschluss ist
von knapp 25 auf über 32 Prozent gestiegen. (vgl. Abbildung 7, Seite 12).
Abbildung 6
Frühe und Schulabgänger (18- bis 24-jährige) in Deutschland
Quelle: Destatis
14,9
9,8
15,6
9,5
14,2
10,1
8
9
10
11
12
13
14
15
16Insgesamt Frauen Männer
Anteil an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe in Prozent
12 Die Fakten
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Abbildung 7
Personen mit höheren Bildungsabschlüssen (30- bis 34-jährige)
Quelle: Destatis
33,4
46,8
31,4
50,5
35,2
43,1
24,8
32,3
20
25
30
35
40
45
50
55Insgesamt
Frauen
Männer
Tertiär insgesamt
Personen mit tertiärem oder postekundarem nicht-tertiären Abschluss, Anteil an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe in Prozent
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inklusives Wachstum
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Die Fakten 13
3.7 Öffentliche Finanzen
Solide Staatsfinanzen sind Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften. Eine über-
mäßige Verschuldung belastet die künftigen Generationen. Die Situation der öffentli-
chen Haushalte hat sich in den vergangenen Jahren verbessert.
– Die Defizitquote, d. h. die jährliche Neuverschuldung im Verhältnis zum BIP, liegt
seit 2011 unter der im Europäischen Stabilitätspakt genannten Grenze von 3 Pro-
zent.
– Seit 2014 werden sogar Haushaltsüberschüsse erzielt.
– Der strukturelle Finanzierungssaldo (ohne konjunkturelle Einflüsse) lag 2012 erst-
mals unter der Zielmarke von 0,5 Prozent des BIP und war danach ebenfalls positiv.
– Die Schuldenstandsquote, also die Gesamtverschuldung in Prozent des BIP, sank
von 80 Prozent im Jahr 2012 auf 71,2 Prozent im Jahr 2015. 2016 dürfte die Schul-
denstandsquote weiter gesunken sein. Sie bleibt aber über der Zielmarke des Stabi-
litätspakts von 60 Prozent.
Abbildung 8
Finanzierungssaldo und Schuldenstandsquote Deutschland
Quelle: Destatis
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
-10,0
-8,0
-6,0
-4,0
-2,0
0,0
2,0
Finanzierungssaldo (linke Skala)
Schuldenstandsquote (rechte Skala)
Finanzierungssaldo und Schuldenstand, öffentliche Haushalte, in Prozent des Bruttoinlandsprodukts(in jeweiligen Preisen)
3%-Grenze
60%-Grenze
14 Die Fakten
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inklusives Wachstum
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3.8 Innovation
Eine weitere entscheidende Voraussetzung und ein Treiber für künftiges Wachstum
sind Innovationen. Deshalb werden im Indikatorenbericht die privaten und öffentlichen
Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F+E) bezogen auf das BIP betrachtet.
– Der Anteil der F+E Ausgaben lag in Deutschland viele Jahre knapp unter
2,5 Prozent des BIP.
– Seit 2008 ist ein relativ stetiger Anstieg zu beobachten. Im Jahr 2014 lag der Wert
bei 2,9 Prozent, womit die Zielmarke der Bundesregierung von 3 Prozent fast er-
reicht wurde.
Abbildung 9
Private und öffentliche F+E Ausgaben
Quelle: Destatis
2,9
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
F+E-Ausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts
2,4
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
Der Zehn-Punkte-Plan des
Wirtschaftsministeriums 15
4 Der Zehn-Punkte-Plan des Wirtschaftsministeriums
Wenig Licht und viel Schatten
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat einen Zehn-Punkte-Plan für
inklusives Wachstum mit dem Titel Deutschland – stark und gerecht veröffentlicht. Ob-
wohl das Papier vom Wirtschaftsministerium veröffentlicht wurde, enthält es Vorschlä-
ge aus den verschiedensten Politikbereichen und stellt faktisch ein wirtschafts-und so-
zialpolitisches Wahlprogramm der SPD dar. Es zeichnet ein falsches Bild von Deutsch-
land und enthält zahlreiche Maßnahmen, die mehr Regulierung und mehr Umverteilung
bedeuten. Dies würde das Wachstum schwächen.
4.1 Positive Ansätze
Der Zehn-Punkte-Plan des Bundeswirtschaftsministeriums enthält durchaus einige
begrüßenswerte Aussagen und sinnvolle Vorschläge. Insbesondere die klaren Be-
kenntnisse zur Industrie und zum Freihandel sind hier zu nennen. Ebenso richtig ist es,
die Rahmenbedingungen für Innovationen zu verbessern, eine Digitale Strategie 2025
aufzulegen und die Bildungschancen auszubauen. Konkret begrüßen wir die Absicht,
die F+E-Ausgaben zu erhöhen, Start-Ups sowie Ausgründungen zu fördern. Auch die
steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen findet unsere Unterstützung.
Allerdings müssen dabei entscheidende Aspekte beachtet werden:
– Eine Forschungsförderung muss unternehmensgrößenunabhängig greifen.
– Bei der Digitalisierung darf die Berücksichtigung von berechtigten Schutzbedürfnis-
sen nicht dazu führen, dass die Innovationspotenziale erstickt werden. Notwendig ist
ein Ausgleich zwischen der Schutzpflicht des Staates und der Eigenverantwortung
der Bürger und Arbeitnehmer.
– Es fehlen Aussagen zu zentralen energiepolitischen Aufgaben, die aber Grundvo-
raussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Industrie am Standort Deutschland sind.
– Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Bildungssystems müssen die bestmögliche
individuelle und differenzierte Förderung in den Fokus nehmen, eine Finanzierung
nach dem Gießkannenprinzip ist falsch.
4.2 Überwiegend wachstumsschädliche Maßnahmen
Insgesamt überwiegen im Zehn-Punkte-Plan aber deutlich Maßnahmen, die mehr Re-
gulierung und mehr Umverteilung bedeuten und somit das Wachstum mindern.
– Eine befristete Teilzeit bzw. ein Rückkehrrecht in Vollzeit widerspricht einer zeitge-
mäßen Auffassung von flexibler Arbeitsgestaltung.
– Eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung verringert die Flexibilität der Un-
ternehmen und erschwert den Einstieg in den Arbeitsmarkt – vor allem für Langzeit-
arbeitslose, gering Qualifizierte oder Berufsanfänger.
16 Der Zehn-Punkte-Plan des
Wirtschaftsministeriums
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
vbw – Mai 2017
– Eine Familienarbeitszeit hat negative Folgen für Arbeitsvolumen und Wertschöpfung
von Unternehmen, insbesondere in männerdominierten Branchen.
– Eine Ausweitung der Tarifbindung – sei es durch gesetzlichen Zwang, durch gesetz-
liche Begünstigung oder eine Ausweitung der Allgemeinverbindlicherklärung – ist
ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Tarifautonomie.
– Gleiches gilt für die Vorschläge zur Aufwertung der SAGE-Berufe (Soziale Arbeit,
Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung).
– Die steuerpolitischen Pläne widersprechen dem genannten Ziel einer „beschäfti-
gungs- und wachstumsfördernder Weiterentwicklung“. Es ist unnötig und falsch, die
Bezieher hoher Einkommen durch noch höhere Spitzensteuersätze sowie Eheleute
durch den Wegfall des Ehegattensplittings steuerlich stärker zu belasten.
– Ebenfalls wachstumsfeindlich sind eine Finanztransaktionsteuer sowie eine höhere
Besteuerung von Vermögen und Erbschaften.
– Eine einseitige Erweiterung der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung
zugunsten der Arbeitnehmerseite schwächt unsere Unternehmen im globalen Wett-
bewerb.
– Zusätzliche gesetzliche Vorgaben für Vorstandsvergütungen stellen einen Eingriff in
die Privatautonomie und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dar.
– Eine Ausbildungsgarantie oder ein Recht auf Weiterbildung setzen auf Zwang und
sind folglich der falsche Ansatz.
Position – Soziale Marktwirtschaft sorgt für
inklusives Wachstum
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Ansprechpartner / Impressum 17
Impressum
Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl
auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren
Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher
Form verzichtet.
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vbw
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© vbw Mai 2017
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Telefax 089-551 78-294