Dr. Helmut Wolf
Oberpfälzer Eisen im Wandel der Geschichte
Die Anfänge des Eisenerzbergbaus und der Eisenverhüttung in der Oberpfalz verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Spuren dieser Montantätigkeit finden sich in derFrankenalb westlich von Regensburg in Form von Trichtergrubenfeldern, in denen Eisenschlacken auf Eisenverhüttung schl ießen lassen. Zumeist auf Spekulationen beruhen viele bisherige Altersangaben. Neuerd ings wurdeim Paintener Forst durch C 14-Bestimmungen an Holzkoh leneinschlüssen in Eisensch lacken ein Alter von2000 Jahren (Spätlatenezeit) nachgewiesen. Geländebefunde und Schlackenanalysen deuten allerdings mehrauf eine mittelalterli che Eisengewinnung hin .Bei Ausgrabungen in den 80er Jahren im Stadtgebiet..von Amberg fand sich unter geringer Uberdeckung einebis zu zwei Meter mächtige Eisenschlackenschicht. Diedarin enthaltenen Keramikscherben weisen ins 11. Jahrhundert. Bergbau auf Eisenerz muß demnach für dieseZeit bereits angenommen werden, auch wenn aus denArchivalien der Bergbau erst für die zweite Hälfte des 13.Jah rhunderts faßbar ist (um 1285). Fü r Sulzbach ist derBergbau nach den Quellen erst Anfang des 14. Jahrhunderts belegt.In Auerbach, dem dritten großen Eisenerzrevier nebenAmberg und Sulzbach, finden wir fü r die Anfänge desErzbergbaus ebenfalls nur indirekte Hinweise. So entnehmen wir einem bayerischen Salbuch um 1275:"Beachte, daß bei Auerbach und zu dem Plech der 3. Teildes Gewinns, der von sogenannten Feuern gelöst wird,rechtmäßig dem Herzog gehört." Im bayerischen Salbuch von 1326 werden neben 26 Hammerwerken fünfWerke alter Art genannt, nämlich solche als "Feuer" und"Tretwerke", von denen drei im Raum Auerbach existier-
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ten. Es sind d ies vermutlich kleine Schachtöfen (Renn- .herde von rund einem Meter Höhe), bei denen die Blasebälge für die Luftzufuhr mit Muskelkraft betrieben wurdenund die im Nahbereich der Erzgruben gelegen waren.Diese Bergbau- und Hüttentätigkeit kann in der Anfangsphase für den gesamten Raum Oberpfalz angenommenwerden.Ende des 13. Jahrhunderts vo llzieht sich der technolog ische Wandel von den primitiven Rennherc:!en zu den mitWasse rkraft betriebenen leistungsfähigeren Hammerwerken, d ie in ihrer ursprüng lichen Form Eisenhütten waren. Das Brauneisenerz wurde zusammen mit Holzkohle
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und Zusch lägen in Zerrenherden (Esse-ähnlichen Ofen)zu metallischem Eisen reduziert und durch Aufkohlen imWellherd zu kohlestoffarmem, schmiedbarem Eisen(Stahl) umgewandelt. Erzeugt wurde zunächst im wesentlichen Halbzeug, sog. Schien. Später spezial isierten sichdie Hammerwerke und es entstanden neben denSchienhämmern Blechhämmer, Zainhämmer, Waffenhämmer, d. h. eisenverarbeitende Hämmer.
Der Bergbau - seine rechtlichen Grundlagen, Technikund Organisation
Das Recht, Bodenschätze eines Gebietes zu fördern, lagbeim Landesherrn, der dieses Bergregal gegen Abgaben (Bergzehnt) weiterverleihen konnte. Die Städte Amberg und Sulzbach gelangten schon früh in den Besitzder Berg regalien und erließen Bergordnungen, in denenbergrechtl iche Bestimmungen festge legt waren.Zunächst baute man nur die oberflächennahen Erze ab,seit dem 14.Jahrh undert ging man dazu über, das Eisen-
erz im Tiefbau zu gewinnen. Die Förderschächte ("Würkschächte") wurden gelegentlich bis zu 90 Meter abgeteuft. Von der Schachtsohle aus trieb man Strecken strahlenförmig in den Erzkörper vor. Das vermutlich lockereErz wurde mit einfachem Gezähe ohne Schlägel und Eisen hereingewonnen. Mit Körben, Holztrögen undSchubkarren brachte man das Erz zum Förderschacht,wo es erst durch Handhaspeln, später und bei größerenGruben durch Pferdegöpel zutage gefördert wurde.Ein großes Problem war die Wasserhaltung. Hebewerkemit Pferdegöpelbetrieb schöpften das zulaufende Wasser mittels .Bulqen" (lederne Wassersäcke) aus demGrubengebäude. 1460 gibt Pius 11. der Bergstadt Sulzbach die kirchliche Erlaubnis, an Sonn- und Feiertagendie notwendigen Arbeiten zur geregelten Wasserhaltungdurchzuführen, damit die Gruben nicht absoffen.Der Sulzbacher und Amberger Bergbau wurden nur periodisch betrieben ("Würken"), wobei zunächst Gesellschaften ("Berggewerkschaften") Finanzierung und Organisation übernahmen. Später gelangte besonders derAmberger Bergbau ganz unter städtische Kontrolle.Ein "Würken" dauerte etwa ein- bis eineinhalb Jahre undwurde etwa alle sechs Jahre erneut aufgenommen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren 700 bis 800Bergleute und Hilfskräfte beim Amberger Bergbau beschäftigt.
Oie Blütezeit
Die Große Hammereinung von 1387 bildete den Grundstein für die Wirtschaftsordnung im Eisengewerbe derOberpfalz. Der Hammereinung traten neben den beidenBergstädten Amberg und Sulzbach auch jene Bürger derStadt Nürnberg, die Hammerwerksbesitzer waren, und69 Hammerherren bei. Grundgedanke der Einung dürftezunächst die Bestandssicherung durch das Mittel der Kapazitätsbeschränkung gewesen sein. Die in der Einungfestgesetzte Normung der Erzeugnisse schuf gleicheWettbewewerbsbedingungen für die Mitglieder.Weil die beiden Städte Amberg und Sulzbach über diereichsten Eisenerzlager der Region verfügten, erreichtensie eine MonopolsteIlung, mit der sie das Eisenerz alswirtschaftliches Druckmittel gegen die zahlreichen Hammerwerke einsetzen konnten, die von den Lieferungenabhängig waren. Damit war eine Konkurrenz der "Aus-
leute" ausgeschaltet. Die Einung wurde meist alle zehnJahre erneuert und ergänzt. 250 Jahre sicherte dieser Zusammenschluß den beteiligten Städten eine Vorrangstellung. Erst der 30jährige Krieg setzte diesem "Kartell", dasdu rch seine strengen Zwangsmaßnahmen auch zur Fessel wurde, 1626 ein Ende.Im wesentlichen regelt die Einung folgende Punkte: DasErz durfte nur an Mitglieder der Einung geliefert werden..(MonopolsteIlung). Eine Uberkapazität der Eisenhämmerwurde dadurch verhindert. Damit konnte ein Preisverfallder Erzeugnisse vermieden werden. Die Halbfertigprodukte wurden normiert und durch Schlagmarken gekennzeichnet. Die Arbeitszeit, Löhne und Dienstverpflichtungen für die Belegschaft eines Hammers wurden festgelegt, und schließlich wurde bestimmt, daß die Hammergerichte in Amberg und Sulzbach die Einhaltung dervertrag lichen Regelungen kontrollierten.Das Oberpfälzer Eisengewerbe stellte vor allem Halbfertigwaren in Form von Eisenschienen und Blechen her,die zur Weiterverarbeitung exportiert wurden. Dazu befreite schon 1328 Kaiser Ludwig der Bayer Amberg vomEisenzoll in Ingolstadt, was sich günstig auf den Oberpfälzer Donauhandel mit Ulm auswirkte. Besonderen Erfolghatte die Amberger Zinnblechhandelsgesellschaft, dieverzinnte Eisenbleche sogar bis in die Niederlande undin die Türkei verkauft haben soll.Bei diesen Handelsbeziehungen spielten Vils und Naabals frachtgünstiger Transportweg eine wichtige Rolle. ZurErhöhung des Wasserstandes legte man "Fälle", künstl iche Stauwerke an, über die man an einem einzigen Tag,sonntags, wenn die Arbeit in den Hammerwerken ruhte,das Eisen von Amberg nach Regensburg transportierte.Die Rückfahrt dauerte etwa vier Tage. Dabei wurden dieSchiffe, meist mit Salz beladen, flußaufwärts von Pferdengezogen, "getreidelt". Die Viisschiffe hatten einen geringen Tiefgang, waren 24 Meter lang und 3,3 Meter breit.
Der Niedergang
Der Amberger Bergbau entwickelte sich an der Wendevom 16. zum 17. Jahrhundert wegen zunehmenderSchwierigkeiten mit der Wasserhaltung (eine Folge derErschließung immer tieferer Lagerstättenteile) und mangelhafter Aus- und Vorrichtungsarbe iten ungünstig, sodaß der Erzbedarf der Hammerwerke nicht mehr zu
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decken war. Auch die Qualität des erzeugten Eisens gingzurück. Der Holzmangel machte die Versorgung mit Holzkohle schwierig. Die veraltete Hüttentechnik, Eisen imZerrennherd-Verfahren zu gewinnen - durch die Bestimmungen der Hammereinung vorgeschrieben - bedeutete eine Stagnation der Technolog ie.Obwohl schon vor dem Dreißigjährigen Krieg Bergbauund Hüttenbetriebe der Oberpfalz in einer schweren Krise steckten, wirkten sich unmittelbare Kriegsereignisse,Pestepidemien und Facharbeitermangel, auch wirtschafts- und relig ionspolitische Maßnahmen zusätzlichbelastend aus. Die Oberpfälzer Eisenindustrie kam fastzum Erl iegen. Eisen aus Kärnten und der Steiermark, dasauch in der Qualität besser war, verdrängte das Oberpfälzer Eisen vom Markt. Versuche des Landesherren derKuroberpfalz zu Erneuerung der Hammereinung bliebenohne Erfolg.
Wandel und Anpassung im 19. Jahrhundert
Als sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts der Bergbau inder Oberpfalz langsam erholte, nahmen auch einige Ei-
senhämmer die Produktion auf. Dabei machten aber wenige neuerrichtete staatl iche Hüttenwerke, wie in Rosenberg (Hammer Philppsburg), Weiherhammer und Bodenwöhr den kle inen privaten Unternehmen gefährlicheKonkurrenz, weil sie zur Eisenverhüttung bereits die leistungstärkeren und kontinuierlich zu betreibenden Holzkohlehochöfen in ihren Werken errichtet hatten. Geradedas bei dieser Technolog ie erzeugte kohlenstoffreicheGußeisen für die Herstellung von Waffen war gefragt. Dieeinstigen Hüttenbetriebe, die Sch ienhämmer, wandeltensich von ehemals Schmiedeeisen-produzierenden zureinen weiterverarbeitenden Betrieben, meist zu einfachen Schmieden. Andere gaben die Eisenherstellungund -Verarbeitung ganz auf und nutzten die Wasserkraftz. B. zum Betreiben von Polierwerken und Spiegelglasschleifen. Wieder andere wurden zu Sägewerken, Kunstoder Papiermühlen umgewandelt.Der Eisenerzbergbau wird erst wieder in nennenswertemAusmaß im 19. Jahrhundert aufgenommen. Zu nennen isthier der Tirschenreuther Raum, in dem sich nun einigeGruben befinden. Vor diesem Hintergrund ist auch dieEntstehung der Königshütle bei Mitlerteich zu sehen. Die
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Papst Pius 11. gab 1460 der BergstadtSulzbach die kirchliche Erlaubnis,an Sonn- und Feiertagen dieerforderlichen Arbeiten zur Wasserhaltung der Gruben durchzuführen.
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Rosenberg und Maxhütle Rosenberg.
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große Zeit, als die Oberpfalz im Spätmillelalter ein europäisches Eisenzentrum war, das vor allem Halbzeug liefe rte, war längst vorbei. Mit dem hergestellten Eisen wurde nur noch der regionale Bedarf gedeckt.Der Aufschwung kam erst in der Mille des 19. Jahrhunderts infolge des Eisenbahnbaus und der Einführung derKokshochöfen. Zum Bau der Bahnstrecken wurden inBayern große Mengen Eisenbahnschienen benötigt, dieman in den Anfangszeiten aus Belgien und Großbritannien importieren mußte. Es lag nahe, den Bau einesWalzwerkes für Eisenbahnsch ienen in der Oberpfalz zuplanen, das mit dem Roheisen aus den oberpfälzischenHüllenwerken versorg t werden konnte.Ab 1851 entstand ein Hüttenwerk im "Sauforst" bei Burglengenfeld, das spätere Werk Maximilianshülle-Haidhof.Als Standort für einen Kokshochofen wählte man Rosenberg (1864). Der einschneidende Wandel vollzog sich jedoch erst 1878, als sich die Maxhülle für ihren KoksHochofenbetrieb Erzvorkommen in Auerbach sicherte.Der Durchbruch wurde jedoch erst 1889 erreicht, als manmittels des Thomasverfah rens die phosphorreichen hei-
mischen Erze verhüllen konnte. Nach den Projekten Leonie I und Leon ie 11 und dem steigenden Erzbedarf wurde1904 mit dem Abteufen der Schächte Maffei I und Maffei 11der Grube Nitzlbuch begonnen. Diese Grube wurde bis1978 betrieben und konnte die beachtliche Menge vonrund 16 Mill ionen Tonnen Eisenerz fördern.1883 wurde in Amberg der erste Kokshochofen angeblasen. Hieraus entwickelte sich die Luitpoldhülle. Erzbasishierfür waren die Vorkommen am Erzberg. Der Eisenerzbergbau in Amberg wurde schl ießlich 1964 eingestellt,d ie letzte Sulzbacher Grube, die Grube Eichelberg,schloß 1978. Bis auf einige Erzreste waren diese Grubenausgebeutet. Die Förderung verlagerte sich vollends aufdie Auerbacher Erzvorkommen.Bereits 1971 wurden die Vorarbeiten für die neueSchachtanlage Leonie eingeleitet. 1977 konnte mit derFörderung begonnen werden. Der kontinu ierliche Bergbau schien gewährleistet. Die Maxhülle verfügte somitweiter über ihre eigene Erzbasis.Mit dem Konkurs der Maxhülle im Jahre 1987 wurden jedoch Langzeitplanungen zunichte gemacht. Auch die
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Grube Leonie, die vom bergmännischen Standpunktnoch eine längere Lebenserwartung besaß, mußte denBetrieb einstellen. Nach umfangreichen Stillegungsarbeiten erfolgte die Flutung am 28. November 1989. Mitdiesem Datum ist der Eisenerzbergbau nicht nur in Auerbach, sondern auch in Deutschland Geschichte.Während die Maffeischächte der ehemaligen GrubeAuerbach-Nitzlbuch vom Landkreis Amberg-Sulzbachals Technisches Denkmal gerettet wurden, ist die Zukunftdes zweiten Wahrzeichens Auerbachs, dem Leonieschacht, das" Aus" vorbestimmt. Die Stadt Sulzbach-Rosen berg hat eines ihrer Wahrzeichen, den Förderturmdes St.-Anna-Schachtes erworben und ihn ebenfalls alsTechnisches Denkmal ausgewiesen.Die Bedeutung des Oberpfälzer Montanwesens zeigtsich heute noch in zahlreichen Baudenkmälern. Dazugehören nicht nur Schachtan lagen,sondern die Stadtbefestigungen, Kirchen und Rathäuser in Amberg und Sulzbach, auch die Grabsteine der Hammerherrengeschlechter, die Hammerherrenhäuser, Bergarbeitersiedlungen, Siedlungen der Hüttenarbeiter und natürlich die
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Spuren einstigen Bergbaus und der Eisenverhüttung.lmRahmen des Projektes .B ayerische Eisenstraße" werdendiese Zeugen vom Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern erfaßt, die Geschichte erforscht und signifikanteZeugen des wertvollen Kulturerbes ins Bewußtsein der..Offentl ichkeit gebracht.Die weltweite Stahlkrise der letzten Jahre wirkte sich auchauf die Oberpfälzer Eisenindustrie aus. Katastrophal waren die Folgen für die Maxhütte. Ihr Konkurs am 16. April1987 .betraf rund 5.000 Beschäftigte. Er hatte die Schließung des Werkes in Haidhof und die Beschäftigungsreduzierung im Hauptwerk in Sulzbach-Rosenberg zur Folge. Auch die Luitpoldhütte in Amberg war gezwungen,Kapazitäten abzubauen. Mit den Gießereien in Fronberg,Weiherhammer und Carolinenhütte und dem Werk"Neue Maxhütte" halten diese Betriebe die mehrhundertjährige Tradition aufrecht. Auch wenn sich die Wirtschaftder Oberpfalz grundlegend gewandelt hat und die " Altindustrie" nicht mehr die dominierende Rolle spielt, bleibtfestzuhalten, daß das .Oberptälzer Eisen" die Regionnachhaltig geprägt hat.
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