European Commission, DG Competition
Neuere Entwicklungen in der EU-
Fusionskontrolle
Thomas Deisenhofer
Abteilung C-5
GD Wettbewerb
20 Oktober 2010
European Commission, DG Competition
Disclaimer
Ich gebe meine persönliche Ansichten wieder. Was ich sage, kann nicht der Europäischen Kommission oder der GD Wettbewerb zugerechnet werden.
European Commission, DG Competition
Agenda
1. Allgemeine Entwicklungen
2. Ausgewählte Fälle aus den Bereichen IT, Medien und Telekommunikation
3. Neue Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen in den USA
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Anmeldungen und Verweisungsentscheidungen
notifications and referrals
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
90 92 94 96 98 0 2 4 6 8 10
year
notifications
referrals (art 4.4 + 9)
referrals (art 4.5 + 22)
notifications-simplified
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InterventionsrateInterventionen
(Remedies I + II, Verbotsentscheidungen, Rücknahmen in der Phase II)
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
16%
18%
20%
91 92 93 94 95 96 97 98 99 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10year
remedies I+II over total
decisions
prohibitions over total
decisions
interventions over total
decisions
interventions over total
decisions non simplified
(from 2000)withdrawals second
phase over total
decisions
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Auswirkungen der Krise
– Deutlich weniger Anmeldungen, aber auch geringerer Anteil vereinfachter Verfahren
– Krisentypische Fragestellungen• Artikel 7(3) Befreiungen vom Vollzugsverbot möglich, aber bleiben
die Ausnahme
• Bewertung von Verstaatlichungen
• Einwand der Sanierungsfusion spielt in der Praxis fast keine Rolle
– Bei Abhilfemassnamen prüft die Kommission genau die Umsetzbarkeit
• Schwierige Suche nach geeigneten Abhilfemassnahmen (und insbesondere geeigneten Käufern)
• Wie kann die Umsetzung von Abhilfsmaßnahmen garantiert werden
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Anhängige Phase II Fälle
• M.5658 Unilever/Sara Lee– Bedenken in Märkten für Deodorants, Hautreinigung und Stoff-Pflege in
mehreren Mitgliedstaaten– Ökonometrische Untersuchung von Substitutions- und Preiseffekten
• M.5675 Syngenta/Monsanto– Zusammenschluss der beiden führenden Sonnenblumensaatgutversorger mit
starker Stellung in der Züchtung und im Vertrieb– Artikel 22 Verweisung durch Spanische und Ungarische
Wettbewerbsbehörden
• M.5675 Aegean/Olympic– Zusammenschluss führt zu hohen Marktanteilen oder Monopolen auf vielen
Inlandsstrecken und auf bestimmten internationalen Strecken– Bedenken auch bezüglich der Bodenabfertigung und der Strecken die
aufgrund gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen angeboten werden
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Herausforderungen
• Anzahl der Neuanmeldungen nimmt wieder zu
• Konsolidierungsfusionen
• Komplexe Fälle; Einsatz der Ökonometrie
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2. Fälle aus den Bereichen IT, Telekommunikation und Medien
• M.5529 Oracle/Sun
• M. 5727 Microsoft/Yahoo search business
• M. 5650 T-Mobile/Orange
• M.5881 Pro7Sat.1/RTL/JV
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Überblick
• Oracle (Business Software) erwirbt Sun (Hardware und Software) für $ 7.4 Billionen
• In Phase I gelöst: Auswirkungen auf Java Technologie, Middelware, IT stack
• Phase II konzentrierte sich auf den Datenbank-Markt– Marktführer im Bereich der proprietären Datenbanken erwirbt den
marktführenden open-source Datenbankanbieter
– Gefahr der Ausschaltung einer besonders wichtigen Wettbewerbskraft (§ 37,38 HMG)
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Verfahren
• Anmeldung am 30. Juli mehrere Monate nach der US-Anmeldung
• Beschwerden in Phase I von grossen Europäischen Kunden
• Beschwerdepunkte -> Anhörung -> Öffentliche Erklärungen Oracle’s
• Oracle’s Briefkampagne vs. Monty Widenius’ e-mail und Internet-Kampagne
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Umsatzanteile
Revenues Revenues
(USD million) (USD million)
Oracle 9,180 48.9% 8,901 43.5%
IBM 4,110 21.9% 4,442 21.7%
Microsoft 3,123 16.6% 4,000 19.5%
Sybase 605 3.2% 617 3.0%
Teradata 644 3.4% 653 3.2%
Sun (MySQL) 90 0.4% 40 0.2%
Others 1 036 5.6% 1 824 8.9%
Database Vendors
Gartner IDC
Market share
2008
Market share
2008
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2009 EMEA ‚developer use‘48.3%
45.6%
25.7%
12.5%
3.7%0.9%
10.1%
Microsoft MySQL Oracle IBM* Postgres Sybase Ingres
da
tab
as
e m
os
t o
fte
n u
se
d t
his
ye
ar
in %
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Wettbewerb zwischen Oracle und MySQL
• Quellen– Oracle interne e-mail Rabatt-Datenbank (HQapps)
– Oracle interne CRM-Daten
– Erhebungen bei IT-Managern und Software-entwicklern
– Interne Dokumente von Oracle und Sun
– Kommissionsfragebögen
• Ergebnisse- MySQL übt in verschiedenen Segmenten des Marktes
Wettbewerbsdruck auf Oracle aus (jedoch nicht im high end segment)
- Wettbewerbsdruck ist bis zu einem gewissen Grad dynamisch
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Freistellung
• Kein Wettbewerbsdruck im High-end Segment
• Oracle ist nicht in der Lage und/oder hat kein Interesse daran MySQL auszuschalten
• PostgreSQL und/oder ‘Ableger’ könnten den von MySQL ausgehenden Wettbewerbsdruck ersetzen
• Kommission berücksichtigt die von Oracle gemachten öffentlichen Erklärungen vom 14. Dezember
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Bemerkungen
‚Open-Source‘ - Natur von MySQL warf komplexe Fragen auf:
• Theory of harm
• Nachweis des von MySQL ausgehenden Wettbewerbsdrucks
• Kann man einen ‚Open-Source‘ Wettbewerber durch Zusammenschluss ausschalten?
• Hürden für ‚Ableger‘ von Open Source Produkten
• Wirkung öffentlicher Erklärungen im Open Source Sektor
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Überblick
• Microsoft erwirbt Yahoo‘s Suchmaschinensparte (Internetsuche und Suchmaschinenwerbung)
• Komplexe Zuständigkeitsfragen
• 3 zu 2 Fusion in Markt mit hohen Zugangsbarrieren
• Freigabe in Phase I
• Enge Zusammenarbeit mit dem DoJ
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Suchmaschinen als zweiseitige Plattformen
• Gratis Internetsuche für Nutzer
– Unterscheide: internetweite, vertikale, Website Suche
– Suche nach: Links, Nachrichten, Bildern, full search, …
• Suchmaschinenwerbung gegen Entgelt (durch key-word-auction bestimmt)
– On-line Werbeformate: text, images, video,…
– Formen des ‘targeting’: Kontext, Suchbegriffe, Suchverhalten, …
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Suchmaschinen als zwei-seitige Plattformen
Suchnutzer Werbetreibende
online suche
kostenlos für Nutzer
Werbung beim Suchvorgang
Gebührenpflichtig
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Formen der Internetsuche
#2 Vertical search
#1 Web wide search
#3 Site search
European Commission, DG Competition
Formen der Internetwerbung
« Sponsored links »
Algorithmic results
Contextual ad
Display ad
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Suchplattformen haben mehr als zwei Seiten…
Suchnutzer Online
Werbetreibende
Verteiler von ”entry points” Verleger
European Commission, DG Competition
Verteiler von entry points
Destination Site#1
Toolbar#3
Browser Search Box
#4
Auto Search#2
Destination Site#1
Toolbar#3
Browser Search Box
#4
Auto Search#2
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Online Verleger
Choice between a site search and a web wide search
Sponsored linksSponsored links
(provided by Google)
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Marktdefinitionen
• On-line Werbung und off-line Werbung sind verschiedene Märkte
• Möglicherweise engere Märkte für
– Suchmaschinenwerbung
– Mobil-Internetwerbung
• Gratis erbrachte Internetsuchdienstleistungen als relevanter Markt?
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Bemerkungen
• Gründliche Phase I Marktuntersuchung
• Ergebnis: Google sehr stark; sehr niedrige Marktanteile der Parteien in Europa
• ‚Counterfactual‘ Betrachtung spielte grössere Rolle als behauptete Effizienzgewinne
• Marktdefinitionen könnten möglicherweise Auswirkungen auf potenzielle Kartellfälle haben
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Überblick
• 5 zu 4 Fusion der britischen Mobilfunktöchter von France Telecom und der Deutschen Telekom
• GU wird neuer britischer Marktführer mit Marktanteilen von 33% im Endkundenmarkt und 49% im vorgelagerten Netzzugangsmarkt
• Beschwerden von Wettbewerbern und Verbrauchervereinigungen
• Verweisungsantrag des OFTs• Zusagen der Parteien• Rücknahme des Verweisunsantrags und Freigabe unter
Auflagen
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Bedenken
• Gefahr der vorzeitigen Kündigung des Radio Access Network Sharing Agreements (RAN) zwischen dem ‘Maverick’ 3UK und T-Mobile -> Mögliche zusätzliche Ausschaltung des Mavericks
• Spektrumkonzentration der Parteien im 1800 MHz Frequenzband könnte Wettbewerb im 4G Mobiltelefonbereich beschränken
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Frequenzen
Post Merger UK Spectrum Allocation
800 MHz 1800 MHz
VF
O2
Or/T
3
900 MHz
15
2100 MHz
20
10
2600 MHz
15
60
5
5
17.4
17.4
30
30
800 MHz 1800 MHz
5
5
VF
O2
T-m
Or
3
17.4
17.4
900 MHz
15
2100 MHz
15
10
10
10
2600 MHz
Pre Merger UK Spectrum Allocation
UHF up to
30MHz
3G expansion slot
Up to 70MHz30
30
800 MHz 1800 MHz
5
5
VF
O2
T-m
Or
3
17.4
17.4
900 MHz
15
2100 MHz
15
10
10
10
2600 MHz
UHF up to
30MHz
3G expansion slot
Up to 70MHz
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Bemerkungen
• Wachsende Bedeutung der mobilen Datenübertragung und des für 4G geeigneten Spektrums
• Zusammenspiel zwischen Wettbewerbsrecht und Regulierung
• Abhilfemaßnahmen: ist ein einseitig bindendes Vertragsangebot ausreichend in Phase I?
• Verfahren: Zusammenspiel von Verweisungsantrag und Verhandlungen über Auflagen in Phase I
European Commission, DG Competition
Überblick
• Geplantes GU: Internet-Plattform zum Abruf von allen deutschsprachigen Fernsehsendungen bis zu 7 Tagen nach deren Ausstrahlung im frei empfangbaren Fernsehen
• Freier Zugang für Internetnutzer• ‘Shop in the shop’ Konzept:
– Fernsehsender zahlen für die technischen Dienstleistugen (v.a. streaming)– Fernsehsender entscheiden über Werbung im Zusammenhang mit ihren
Inhalten
• Nach Phase I Marktuntersuchung Verweisung an Bundeskartellamt und Österreichische Bundeswettbewerbsbehörde
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Projekt Strukturadvertiser 1Advertisers
Consumer
advertiser 2 advertiser 3 advertiser 4
ARD / ZDFBroadcasters/
Parents
RTL P7Sat.1 Arte
AmazonasHulu YouTube
Platforms (VoD / Web TV / IP TV / etc.)
Consumers
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Ergebnisse der Phase I Marktuntersuchung
• Märkte – Möglicherweise neuer Zuschauermarkt an der Grenze zwischen
Internet und TV
– Möglicher Werbemarkt näher an Fernsehwerbung als an anderen Formen der Internet-werbung
• Bedenken– Input-foreclosure: Parteien kontrollieren grossen Teil der deutschen
‘must have’ Inhalte; Gründung des GU verringert Anreize Inhalte über andere Plattformen zu vertreiben
– Gefahr der Diskriminierung von Fernsehsendern auf der Plattform
– Gefahr von ‘coordinated effects’ in den Werbemärkten
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Bemerkungen
• Zunehmende Konvergenz zwischen Internet and TV
• Neuordnung der Marktmachtverteilung • Ungewöhnlicher Fall: neue Märkte, niedrige Umsätze,
Effizienzen, trotzdem negative Ergebnisse der Marktuntersuchung
• Herausforderungen – Gefahr für den Wettbewerb vs. Innovation und Effizienzgewinne
– Gibt es genug Platz für mehrere Marktteilnehmer?
– Europa-weite Relevanz vs. Sachnähe der nationalen Wettbewerbsbehörden
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Überblick
• Offizielle Aufgabe der sequentiellen Vorgehensweise bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen
• Marktdefinition – nicht immer hilfreich oder notwendig – in jedem Fall nur Mittel zum Zweck
• Betonung der Bedeutung verschiedener direkterer Beweisquellen für Auswirkungen auf den Wettbewerb
• Einführung eines ‚upward pricing pressure‘ Tests insbesondere für differenzierte Produktmärkte
• Revision der Schwellenwerte• Revision der Tests für co-ordinated effects, entry, buyer power
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Bemerkungen
• In weiten Teilen Kodifizierung der heutigen Praxis• Neu ist vor allem der in der Praxis noch nicht geprüfte ‚upward pricing
pressure‘ Test• Spannungsverhältnis zwischen
– Aufgabe von zwingender Marktdefinition und– Schwellenwerten/Vermutungen, die auf Marktanteilen beruhen
• Einige Elemente könnten als größere Bereitschaft einzugreifen interpretiert werden (z. B. koordinierte Effekte)
• Weitgehende transatlantische Konvergenz mit EU horizontalen Leitlinien• Fortsetzung der engen Kooperation und offener Dialog sind die besten
Garantien für Konvergenz