Metropolregionen in Deutschland und Europa
Hausarbeit im Rahmen der Veranstaltung Stadtplanung im regionalen Kontext
Studiengang: Stadtplanung BAWintersemester 2010/11
von Burij, Michael und Flaegel, Torsten
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis................................................................................................................I
Abbildungsverzeichnis........................................................................................................II
1 Einführung: Regionen in der globalisierten Welt..........................................................1
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung............................2
2.1 Räumliches und funktionelles Verständnis.......................................................3
2.2 Territoriale Kohäsion.......................................................................................4
2.3 Die “Blaue Banane”........................................................................................5
2.4 Raumentwicklung auf der europäischen Ebene..............................................8
2.5 Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) und IKM...................................9
2.6 Regional Governance...................................................................................11
3 Metropolregionen in Deutschland..............................................................................12
3.1 Hannover/ Braunschweig/ Goettingen/ Wolfsburg.........................................12
3.2 Europäische Metropolregion Stuttgart...........................................................13
4 Metropolregionen in Europa......................................................................................16
4.1 London Greater Authority..............................................................................16
4.2 Metropolitanraum Zürich...............................................................................19
5 Fazit und Ausblick...................................................................................................22
Quellenverzeichnis....................................................................................24
Inhaltsverzeichnis II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die europäische Traube..........................................................................................5
Abbildung 2: Raumentwicklungsmodelle in Europa.....................................................................6
Abbildung 3: Regionale Integration und Stadtnetzwerke.............................................................7
Abbildung 4: Abgrenzung der Metropolregionen nach MKRO....................................................9
Abbildung 5: Verband Region Stuttgart...................................................................................13
Abbildung 6: Kooperationsraum Metropolregion Stuttgart.......................................................13
Abbildung 7: London Greater Authority...................................................................................16
Abbildung 8: Londons Subregionen im Kontext.....................................................................17
Abbildung 9: Metropolitanraum Zürich....................................................................................20
Abbildung 10: Zersiedelung von Zürich....................................................................................21
1 Einführung 1
1 Einführung: Regionen in der globalisierten Welt
Die zunehmende Globalisierung, mit der eine Überschreitung von nationalen Grenzen der Wirt-
schafts-, Informations- und Sozialverbindungen in Zusammenhang gebracht wird , hat eine aus-
lösende und verstärkende Wirkung von Transformationsprozessen in der Gesellschaft. Davon
betroffen sind nicht nur Unternehmen, denen sich auf Grund der verbesserten Transport- und
Kommunikationswege neue Absatz- und Beschaffungsmärkte eröffnen, sondern unter anderem
auch die klassischen Organisationsformen in der Politik und der Raumplanung. Auf den globa-
lisierten Märkten lassen sich angesichts des fortschreitenden Strukturwandels bestimmte Wett-
bewerbsvorteile nicht mehr auf der nationalen oder kommunalen Ebene bündeln, so gewinnt die
räumliche Einheit “Region” immer mehr an Bedeutung. Die Entgrenzung der Märkte auf der einen
Seite und die stagnierenden Handlungsmöglichkeiten der nationalen Staaten auf der anderen
erfordern innovative Steuerungs- und Organisationskonzepte. In der Politik, der Wirtschaft (z. B.
in der Tourismusbranche) aber auch in den Medien erfreut sich ein vergleichsweise neuer Begriff
“Metropolregion” in diesem Kontext zunehmend großer Beliebtheit. Dabei existieren bisher weder
auf statistischer, noch auf theoretischer Grundlage basierende eindeutige Kriterien zur Definition
der Metropolregionen. [Bege 2010, Adam 2006]
Die Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Metropolregionen in Deutschland und Europa. Es
soll geklärt werden, auf welchem Wege das Konzept der Metropolregionen Einzug in den wissen-
schaftlichen und politischen Diskurs gefunden hat und welche Akteure und Ereignisse in diesem
Zusammenhang von Bedeutung sind. Zudem sollen an konkreten Beispielen auf der Ebene der
Metropolregionen die neu entstandenen Kooperations- und Organisationsstrukturen sowie deren
Auswirkungen untersucht werden.
Auf der Grundlage einer umfassenden Literatur- und Internetrecherche wird im folgenden Ab-
schnitt zunächst das Konzept der Metropolregionen in der Raumforschung und in der Politik kurz
beleuchtet, sowie für das Verständnis von Metropolregionen relevante Begriffe und Vorgänge
abgehandelt. Danach werden exemplarisch jeweils zwei deutsche Metropolregionen sowie Met-
ropolregionen des europäischen Auslands vorgestellt. Abschließend werden die Untersuchungs-
ergebnisse zusammengefasst und ausgewertet.
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 2
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung
Im Folgenden wird die schrittweise Entwicklung aufgezeichnet, die zur Entstehung des aktuellen
Begriffsverständnisses geführt hat.
Der Ursprung des Wortes metrópolis liegt im Griechischen und bedeutet Mutterstadt. Es be-
zeichnete eine Siedlung, die einem Staat oder einer Provinz als Zentrum galt. Da der entschei-
dende Faktor die Funktion als Ursprung für neue Siedlungsgründungen war und weniger eine
bestimmte Bevölkerungszahl, ist der Begriff seit jeher von einer bestimmten quantitativen Autar-
kie entkoppelt. Die Kirche verwendete den Metropolenbegriff später als Bezeichnung von Ver-
waltungszentren. Die im 19. Jh. entstehende Großstadt wird zunächst mit Bezeichnungen wie
big city, grande ville und Weltstadt versehen. Erst im zweiten Drittel des 19. Jh. wird der Begriff
Metropole von seinen kirchlichen Wurzeln gelöst und zunehmend mit Modernität und großstädti-
schem Dienstleistungsangebot in Zusammenhang gebracht. Als Sinnbild für Modernismus erlebt
der Begriff nun weite Verbreitung. Während des Zweiten Weltkrieges findet der Begriff im Voka-
bular der Nationalsozialisten keine Verwendung. Erst Anfang der 1980er Jahre erlebt das Wort
“Metropole” eine Renaissance, dann als Synonym für die größte Stadt eines Staates. [Paal 2005]
Erste funktionell geprägte Definitionen der Metropole bilden sich in den 90er Jahren heraus. Über
die „neue komplexe Metropole“ gegenüber der „alten Metropole der Industrialisierung“ heißt es:
„The metropolis in the twentieth century is not just a larger city, but a qualitatively new form of
human settlement. It is larger, more complex and plays a more commanding central role – econo-
mic, political and cultural – than the industrial city and town that preceded it.” [Angotti 1993: S.1]
Etwa zur selben Zeit taucht der Begriff “Regionalmetropolen” auf, aus dem sich der Begriff
“Metropolregionen” entwickelt, um eine Erweiterung des Konzepts monozentral ausgerichteter
Regionalstrukturen zu benennen.
In Deutschland herrscht eine polyzentrale Struktur urbaner Verdichtungsräume vor, die oft durch
die direkte Nachbarschaft mehrerer international bedeutsamer Städte gekennzeichnet ist. Dieser
Typ wird als Metropolregion bezeichnet, da einzelne Städte dort häufig nicht die Kriterien einer
Metropole erfüllen können. [Blotevogel 2000]
Die Metropolregionen fanden sich nun mit zunehmender Häufigkeit auf der Tagesordnung des
raumplanerischen Fachdiskurses. So fanden sich 1993 im Raumordnungspolitischen Orientie-
rungsrahmen, den Bund und Länder gemeinsam vorgelegt hatten, Karten, die große Stadtregio-
nen als “Agglomerationen mit besonderer internationaler Ausstrahlung” betitelten. Die dargestell-
ten Räume wurden dabei nicht als Kontrast zwischen städtisch und ländlich, “sondern im Sinne
einer Nuancierung der Nähe oder Ferne zu Agglomerationen charakterisiert”. [Aring 2008, S:9]
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 3
Eine weitere Karte verbildlichte das entscheidende Novum. Wo die zwischen stadtregionalen Ver-
bünden liegenden Verbindungskorridore bislang als belastende Ballungsräume thematisiert wur-
den, formulierte nun erstmals ein raumordnungspolitisches Dokument eine Sicht auf Großstädte,
die den angeschlossenen Stadtregionen eine besondere Bedeutung für die Raumentwicklung
zuwies. Zwei Jahre später wurde im Raumordnunspolitischen Handlungsrahmen die veränderte
Sicht weiter präzisiert und der Begriff der Europäischen Metropolregion geprägt. Mehrere Stadt-
regionen wurden dabei von der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) als Metropolregio-
nen eingestuft. [Aring 2008]
2.1 Räumliches und funktionelles Verständnis
Die Raumforschung kennt zwei wesentliche Betrachtungsweisen von Metropolregionen: ein
räumliches Verständnis wird duch die funktionellen Aspekte einer Region ergänzt.
In Bezug auf die räumliche Ebene kennt das Modell der Metropolregionen eine Unterscheidung in
mono- und polyzentrische Metropolregionen. Dabei umfasst eine monozentrische Metropolregion
eine große Kernstadt und deren Umland, während polyzentrische Metropolregionen mehr oder
weniger gleichwertige Kernstädte umfassen. Der suburbane Raum, vor allem in polyzentrischen
Metropolregionen, ist dabei ein untrennbarer Teil des Modells. Weitere junge Begriffsfindungen,
wie die der “Zwischenstadt” bezeugen die zunehmende Bedeutung des suburbanen Raumes.
[Blotevogel 2002, Aring 2008]
Laut Blotevogel müsse sich unsere tradierte Raumvorstellung aus dem Zeitalter der Nationalstaa-
ten und -Ökonomien einer neuen Raumsemantik gegenübergestellt sehen: “einem Netzwerk-
Raum, in dem die Metropolregionen als Knoten das wichtigste strukturbildende Moment sind.”
[Blotevogel 2002 : S. 346]
In Anlehnung an die Untersuchungen des Geographen Hans Heinrich Blotevogel, benennt der
Initiativkreis Europäischer Metropolregionenden in Deutschland (IKM) den funktionellen Aspekt
damit, dass Metropolregionen einen gezielten Beitrag zur Erreichung von Wachstum und Innova-
tionen in einer Wissensgesellschaft leisten. Im Idealfall stellen sie „Motoren der wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ in einem bestimmten Land oder gar für
ganz Europa dar. [BRBS 1995: S. 27]
Selektierte Bestimmungsfaktoren definieren ihre Position im nationalen und internationalen Wett-
bewerb, gemessen an Indikatoren, die helfen den Einfluss messbar zu machen. Die Bestim-
mungsfaktoren für den Einfluss einer Metropolregion reichen von der Entscheidungs- und Kon-
trollfunktion über ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu ihrer Gatewayfunktion
innerhalb der Landesgrenzen oder sogar darüber hinaus. Die Entscheidungs- und Kontrollfunk-
tion einer Metropolregion richtet sich dabei nach der Zahl und Bedeutung von Entscheidungs-
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 4
zentren der öffentlichen Hand, der Wirtschaft und der Finanzwelt, die in jener Region angesiedelt
sind. Die Innovations- und Wettbewerbsfunktion misst sich an der Generierung technisch-wis-
senschaftlicher, sozialer und kultureller Innovationen. Dafür wird z. B. die Zahl der Studieren-
den an Hochschulen, die Anzahl von speziellen Forschungsbereichen oder der Besucher von
Kultureinrichtungen eruiert. Die Einbindung der Metropolregionen in nationale und internationale
Waren-, Personen- und Informationsströme quantifiziert die Gatewayfunktion. Indikatoren hierfür
können z. B. Abfahrten von Hochgeschwindigkeitszügen, Passagiere an Flughäfen, Güterum-
schlag, Messebesucher und Verlage sein. [Gesellschaft für Arbeit 2009, Blotevogel 2002]
2.2 Territoriale Kohäsion
Unter dem Begriff “territoriale Kohäsion” (oder territorialer Zusammenhalt) kann der gesamte po-
litische Diskurs zur Raumentwicklung in Europa verstanden werden. Im Wesentlichen ist das
Ziel der “territorialen Kohäsion” der Abbau von Disparitäten in Europa und die Förderung einer
polyzentrischen Struktur der europäischen Städte und Regionen. Der Begriff spielt vor allem eine
große Rolle in der Betrachtung der Metropolregionen auf der EU-Ebene.
Den ersten wissenschaftlichen Beitrag zu diesem Thema leistete wahrscheinlich Walter Christaller
im Jahre 1950 mit einem Entwurf eines Systems der Zentralen Orte auf europäischer Ebene. Die
politische Umsetzung erfolgte erstmals in den römischen Verträgen von 1957. Diese beinhalteten
zunächst das Ziel der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion. Eine räumliche Dimension wurde
dann im Vertrag von Maastricht (1992) hinzugefügt. [Spiekermann 2010, Henckel 2010]
Im Jahre 2006 wurden vom Europäischen Rat strategische Leitlinien der Gemeinschaft zur För-
derung der territorialen Kohäsion in Europa verabschiedet. In diesem Dokument wird auf die
Notwendigkeit der netzwerkartigen Zusammenarbeit zwischen allen Verwaltungsebenen und an-
deren Akteuren, die an der Raumentwicklung beteiligt sind, hingewiesen. In den folgenden zwei
Jahren wurde in der territorialen Agenda der Europäischen Union und in einem Buch der Euro-
päischen Kommission das Konzept der territorialen Kohäsion weiter konkretisiert: Das für Europa
typische Städtesystem mit wenigen Metropolen und vielen Klein- und Mittelstädten solle erhalten
bleiben, zugleich sollen alle Regionen an ein leistungsfähiges Infrastrukturnetz angebunden und
die Kooperation zwischen den Regionen gestärkt werden.
Innerhalb der EU existieren zwei wichtige Werkzeuge, die zur Umsetzung der territorialen Kohä-
sion beitragen sollen. Seit 2006 ermöglicht der Europäische Verbund für territoriale Zusammen-
arbeit eine länderübergreifende Kooperation zwischen Mitgliedstaaten, Regional- und Kommu-
nalbehörden ohne die Notwendigkeit zusätzliche Staatsverträge abschliessen zu müssen. Neben
diesem Rechtsinstrument, das in Frankreich und Belgien bereits angewendet worden ist, analy-
siert das European Spatial Planning Observation Network (ESPON) seit 2002 die Raumentwick-
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 5
Abb. 1: Die europäische TraubeQuelle: ruhrgebiet-regionalkunde.de 2010
lung in Europa. Seine Einrichtung war die Folge des im Rahmen von EUREK (s. Abschnitt 2.4)
festgestellten Mangels an vergleichbaren raumbezogenen Informationen. [Henckel 2010]
Trotz der frühzeitigen Bemühungen der Europäischen Union zur Beseitigung von Disparitäten
zwischen ihren Regionen haben sich diese mit der EU-Erweiterungen der Jahre 2004 und 2007
verschärft. Bei einer Zunahme der Bevölkerung um ca. 20% hat der Wohlstand der EU lediglich
um 5% zugenommen. Die Einkommensdifferenz zwischen den ärmsten und den reichsten Regi-
onen hat sich mit der Erweiterung verdreifacht. [Spiekermann 2010]
2.3 Die “Blaue Banane”
Der Forscher Roger Brunet entwickelte 1989 das Modell der so genannten “Blauen Banane” (Ab-
bildung 2). Dieses erste und erfolgreichste Raumbild hebt bestimmte Regionen im Kern Europas
als besonders wirtschaftsstark, produktiv und vernetzt hervor. Brunet begründet sein Modell mit
der historischen Entwicklung seit der Industrialisierung. Entscheidend für die Intensivierung der
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 6
Abb. 2: Raumentwicklungsmodelle in Europa Quelle: cfg-luis.de 2010
Produktion und der Ausbildung wichtiger Handelswege waren die Steinkohlevorkommen in die-
sen Regionen. Nach der Eröffnung des Eisernen Vorhangs wurde die “Blaue Banane” durch die
“Goldene Banane” ergänzt. Diese berücksichtigt nun auch Paris und die Regionen in den neuen
Bundesländern. [Mau 2009]
Im Zusammenhang mit dem von der Europäischen Union gesetzten Ziel der territorialen Kohäsi-
on wurde das Raumbild der “Blauen Banane” von der “Europäischen Traube” abgelöst, die eine
Fülle von Standorten innerhalb Europas abbildet. Das später durch das EUREK entwickelte “Eu-
ropäische Pentagon” (Abbildung 2) stellt ein Fünfeck zwischen London, Paris, Milano, München
und Hamburg dar. Neben den erwähnten existieren zahlreiche weitere Modelle. Der Wandel der
Raumbilder seit Ende der 1980er Jahren macht die Transformation der Vorstellungen von den
räumlichen und ökonomischen Zusammenhängen innerhalb Europas deutlich. Allerdings wird
die Verbreitung von Raumbildern durch die Planungsbehörden auch kritisch gesehen, da diese
selten auf empirischen Analysen basieren, sondern meist ökonomisch und/oder geopolitisch mo-
tiviert sind . [Henckel 2010, Wilks-Heeg 2003]
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 7
Abb. 3: Regionale Integration und Stadtnetzwerke Quelle: ruhrgebiet-regionalkunde.de 2010
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 8
2.4 Raumentwicklung auf der europäischen Ebene
Im Abschnitt 2.2 wurde bereits kurz auf die Anfänge der europäischen Raumentwicklungspolitik
eingegangen. Um das Verständnis der Bedeutung von Metropolregionen in Europa zu erleich-
tern, sollen nun ergänzend einige weitere EU-Projekte und Dokumente vorgestellt werden, die
sich diesem Thema widmen.
Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer überregionalen und transnationalen Raumordnung für
Europa läßt sich bis in das Jahr 1964 zurückverfolgen, dem Jahr der Veröffentlichung eines Be-
richtes mit dem Namen: “Regionalplanung: ein europäisches Problem”. Eine Konferenz der für
die Raumordnung zuständigen Minister in Europa wird als Reaktion auf diesen Bericht einberu-
fen, die “CEMAT” war geboren. Als ein Meilenstein in der europäischen Raumentwicklungspolitik
gilt das 1991 von der Europäischen Kommission herausgegebene Dokument “Europa 2000”.
Zusammen mit dem darauf folgenden Bericht “Europa 2000+” aus dem Jahre 1995 gelten diese
beiden Schriften als Ursprung der Bestrebungen, ein europäisches Raumentwicklungskonzept
(EUREK) zu erstellen. [Henckel 2010]
Als 1999 der informelle Raumordnungsministerrat das EUREK verabschiedet, wird darin analog
zur deutschen Raumordnung die besondere Signifikanz der Metropolregionen für eine ausge-
glichene und kohärente Entwicklung des EU-Territoriums betont. Basierend vor allem auf Erfah-
rungen aus der deutschen, niederländischen und französischen Raumordnungspolitik soll das
EUREK Bedingungen schaffen, unter denen sich Entwicklungsmaßnahmen ergänzen und trans-
nationale Synergieeffekte erzielt werden. Hierfür werden nationale Raumentwicklungsrichtlinien
durch die EU entwickelt. So werden räumlich übergreifende Leitbilder und Ziele vorgegeben, die
in allen Regionen der EU gleichzeitig verfolgt und in ihren Wechselwirkungen berücksichtigt wer-
den sollen. Das EUREK wird mit konkreten Maßnahmen unterstützt. Neben dem wissenschaftlich
beratenden Europäischen Netzwerk zur Raumbeobachtung (ESPON) ist die investitionsvorberei-
tende EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG ein sehr wichtiges Instrument zur Verwirklichung
und Umsetzung einer nachhaltigen Raumentwicklungspolitik. Trotz der langen Historie und der
vielen Evolutionen der europäischen Raumentwicklungspolitik gibt es zur Zeit jedoch weder auf
deutscher noch auf europäischer Ebene Förderprogramme, die ausdrücklich auf Metropolen oder
Metropolregionen zugeschnitten sind. Eine Aktualisierung des EUREK, das nur die damaligen 15
Mitgliederstaaten behandelte, ist bislang nicht erfolgt. [Adam 2006, Henckel 2010]
Mit der Lissabon-Strategie von 2004 schuf die EU das Leitbild der wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen Erneuerung. Ebenso wurde die Maxime der Nachhaltigkeit für die Raumentwicklung
formuliert. Erstmals wurde in dieser Schrift neben dem Ausgleich strukturschwacher Regionen
die Unterstützung von Städten als Wachstumspolen in den Mittelpunkt gestellt. Ferner kommt
im Rahmen der EU-Erweiterung den Stadtregionen, die aufgrund einer ausgeprägten Gateway-
Ebene transnationale Beziehungen pflegen, eine besondere Bedeutung zu. Ziel des Programms,
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 9
Abb. 4: Abgrenzung der Metropolregionen nach MKROQuelle: BBR 2008
das als Bekenntnis zu einer polyzentrichen räumlichen Entwicklung eines expandierenden euro-
päischen Wirtschaftsraumes gedeutet wird, ist die Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit
europäischer Regionen. [Bege 2010]
METREX (Abbildung 3) ist ein 1996 gegründetes Netzwerk europäischer Ballungs- und Groß-
räume, dem Politiker, Beamte und deren Berater zugehören, welche sich mit Raumplanung
und -entwicklung von Ballungszentren befassen. Neben seiner Funktion als Plattform für den
Wissens- und Erfahrungsaustausch fördert METREX die Einflussnahme und Mitwirkung an der
betreffenden Politik und gilt als Partner für europäische Institutionen, die Wissenschaft, Regie-
rungsorganisationen und andere Netzwerke. Auch hier ist die Verbesserung der Lebensqualität
innerhalb von Agglomerationsräumen ein Ziel. Migrationsfragen, Wohnungsbau, Umweltpolitik
und Konzepte zur Stadtsanierung sind einige weitere. [Grasse 2005]
2.5 Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) und IKM
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 10
Die Kernaufgabe der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) ist die Formulierung politischer
Positionen zu grundsätzlichen raumordnerischen Fragen und das Verfassen von Beschlüssen
und Empfehlungen zu wichtigen Themen. Die Besetzung der MKRO besteht aus dem für die
Raumordnung zuständigen Bundesminister und den für die Landesplanung zuständigen Minis-
terien und Senatoren. Gestützt auf §26 Raumordnungsgesetz besteht die Aufgabe der MKRO
in der gegenseitigen Unterrichtung und Abstimmung grundsätzlicher Fragen und Positionen der
Raumordnung und Raumentwicklung. Hierzu gehören vor allem Leitbilder der räumlichen Ent-
wicklung, Belange der Raumordnung in der Europäischen Gemeinschaft, Grundsatzfragen der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Raumordnung, Fragestellungen der Abstimmung
der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sowie Fragen über die Folgen der Verwirk-
lichung von Erfordernissen der Raumordnung in benachbarten Ländern und im Bundesgebiet.
[Ministerkonferenz für Raumordnung 2010]
Mit Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Rhein-Ruhr und Stuttgart benannte die MKRO 1995
die ersten sechs europäischen Metropolregionen in Deutschland. Es folgte kurz darauf das Sach-
sendreieck, bevor mit Hannover, Nürnberg, Rhein-Neckar und Bremen im Verlauf der folgenden
Dekade weitere Metropolregionen in Eigeninitiative folgten, teilweise im partnerschaftlichen Ver-
bund mit umliegenden Großstädten. Sie sollen “als Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftli-
chen, sozialen und kulturellen Entwicklung [...] die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutsch-
lands und Europas erhalten.” [Ministerkonferenz für Raumordnung 1995]
Als Ergebnis eines umfangreichen Konsensbildungsprozesses wurden am 30. Juni 2006 die
neuen „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ von der
MKRO anerkannt. Sie gelten als Erneuerung des seit 1993 gültigen „Raumordnungspolitischen
Orientierungsrahmens“. Das erste der drei enthaltenen Leitbilder, „Wachstum und Innovation“
verfolgt die Zielsetzung, dass Regionalentwicklung vermehrt an wirtschaftlichen Kristallisations-
punkten ansetzt und damit einen aktiven Beitrag leistet um das nationale Wirtschaftswachstum
zu fördern. Zunehmend knappe öffentliche Mittel sollen effizienter eingesetzt werden und höhere
Steuereinnahmen erzielen, so dass damit zukünftig verstärkt im Sinne der terretorialen Kohäsi-
on (s. Abschnitt 2.2) Ausgleichspolitik betrieben werden kann. Vor allem die Weiterentwicklung
der Wissensgesellschaft soll dabei helfen. Das zweite Leitbild mit dem Namen „Daseinsvorsor-
ge sichern“ ist als Antwort der Raumordnung auf den demographischen Wandel zu betrachten
und soll dazu beitragen eine angemessene und gut erreichbare Versorgung mit Dienstleistungen
und Infrastruktur zu garantieren. Das dritte Leitbild, “Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften
gestalten” formuliert den Grundauftrag der Raumordnung, für eine nachhaltige Raumentwick-
lung zu sorgen. Vor allem die Kompetenz zur überörtlichen und überfachlichen Koordination soll
gefördert werden. Mit diesen Leitbildern wird der Anspruch verfolgt, öffentlichen Planungsträ-
gern ebenso wie privaten Investoren durch präzise Politikformulierung und räumlich konkretisierte
Aussagen Perspektiven für die Entwicklung aufzuzeigen und bundespolitische Prioritäten zu ver-
deutlichen. Anfang 2005 sind die vier Regionen Nürnberg, Hannover-Braunschweig-Göttingen,
2 Begriffsentwicklung: Metropolregionen in der Politik und Forschung 11
das Rhein-Neckar-Dreieck und Bremen ebenfalls von der MKRO als „europäische Metropolregi-
onen in Deutschland“ benannt worden.[Beirat für Raumordnung 2010, Bundesinstitut für Bau-,
Stadt- und Raumforschung 2010]
Im Jahre 2001 haben sich im Rahmen eines vom Bund geförderten Projektes die von der MKRO
benannten Regionen zu einem informellen “Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutsch-
land” (IKM) zusammengeschlossen, um eine Interessenvertretung auf Bundes- und Europaebene
zu schaffen. Zielsetzungen des Initiativkreises sind “die Formulierung des Selbstverständnisses
und der Anforderungen der Metropolregionen in Deutschland an die Raumordnungs- und Raum-
entwicklungspolitik sowie an die Fachpolitiken, die Verbesserung der Wettbewerbs- und Hand-
lungsfähigkeit der Metropolregionen auf regionaler, deutscher und europäischer Ebene” sowie die
“Weiterentwicklung und Umsetzung des Konzepts eines leistungsfähigen metropolitanen Netzes
in Deutschland“. [IKM 2011, Adam 2006]
2.6 Regional Governance
Einen besonderen Stellenwert in den aktuellen Veröffentlichungen rund um das Thema “(Met-
ropol)regionen” hat der Begriff Regional Governance. Damit sind im weitesten Sinne komplexe
Steuerungsstrukturen der Regionen gemeint, wobei es auch hier eine gewisse Definitionsvielfalt
besteht. Der Begriff Regional Governance wird entweder normativ oder empirisch-analytisch ge-
braucht. [Adamaschek 2003, Fürst 2006]
Als Analysebegriff verwendet (also zur Erfassung der Realität), beschreibt Regional Governance
spezifische Kooperations- und Steuerungsstrukturen der Regionen. Entscheidend sind in die-
sem Zusammenhang der Netzwerkcharakter solcher Struktur, die Bedeutung regionalpolitischer
Schlüsselakteure und die Kombination verschiedener Steuerungsformen und -instrumente. [Ada-
maschek 2003]
Bei einem normativen Gebrauch (“Good Governance”), trifft der Begriff Aussagen über den in-
stitutionellen Rahmen der regionalen Streuerungstruktur. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den
geeigneten Verfahren, Formen und Instrumenten der Regionalentwicklung. [Adamaschek 2003]
Speziell im bundesweiten raumwissenschaftlichen Diskurs besteht Einigkeit darüber, mit Regional
Governance die regionalen Prozesse der Selbststeuerung mit Netzwerkcharakter zu beschreiben
wenn diese primär die regionale wirtschaftliche Entwicklung fördern und verschiedene Akteure
aus der Wirtschaft, Politik, Verwaltung und/oder Zivilgesellschaft einbeziehen. Auf die wachsende
Bedeutung von Regional Governance im Zusammenhang mit der Krise der kommunalen Haus-
halte und den Herausforderungen der Globalisierung wird immer wieder hingewiesen. In den
Abschnitten 3 und 4 wird unter anderem erläutert, inwiefern solche Prozesse bereits zu der Praxis
in den jeweiligen Metropolregionen gehören. [Fürst 2006]
3 Metropolregionen in Deutschland 12
3 Metropolregionen in Deutschland
Wie im Abschnitt 2.5 bereits geschildert, ist die Entwicklung der Metropolregion in Deutschland
vorallem von der Ministerkonferenz für Raumordnung geprägt. Für die Vernetzung zwischen den
Metropolregionen ist seit 2001 der Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland
(IKM) zuständig. Nun sollen beispielhaft zwei deutsche Metropolregion vorgestellt werden.
3.1 Hannover/Braunschweig/Goettingen/Wolfsburg
Nach Gründung der Region Hannover im Jahr 2001 wurde vier Jahre später die Metropolregi-
on Hannover-Braunschweig-Göttingen von der MKRO anerkannt. Aufgrund der vorbereiteten
Strukturen und des bestehenden Budgets durch die vormalige Region Hannover wurde die Im-
plementierung der Metropolregion erleichtert. Als eine der Stärken der Region identifiziert, wurde
die Mobilitätswirtschaft das erste Leitprojekt der Metropolregion. Erste Schritte der Föderung
dieses Clusters beinhalteten die Bestimmung von Schwerpunktfeldern und die Erarbeitung einer
Kommunikationsplattform. Insgesamt stellt die Bündelung von Innovationspotenzialen vor allem
aufgrund des hohen Anteils an Forschung und Entwicklung eine der großen Stärken der Region
dar. Durch die weltweit agierenden Unternehmen Volkswagen und Siemens sowie bedeutende
Universitäten und Forschungseinrichtungen (ca.95000 Studienplätze an 16 Universitäten) wird
die dafür benötigte Infrastruktur bereit gestellt. Auch die innere Profilierung wurde mit Projekten
wie dem Metropolticket und einer Radverkehrsstrategie angegangen. Räumlich betrachtet ist
Hannover-Braunschweig-Göttingen durch sehr große ländliche Gebiete und weit auseinander
liegende Kernstädte geprägt.
Im Sommer 2009 wurde die Metropolregion erweitert, die Gründung der Metropolregion Hanno-
ver Braunschweig Göttingen Wolfsburg wurde beschlossen. Es entstand eine GmbH, in der nun
auch Unternehmen, wirtschaftsnahe Verbände und das Land Niedersachsen Verantwortung als
Gesellschafter übernehmen. Das Organigramm der Metropolregion GmbH zeigt 17 Aufsichtsrä-
te, 20 Abgeordnete in einem Beirat, 15 Personen in den Vorständen der drei Gesellschafterverei-
ne und 42 Mitglieder der Gesellschafterversammlung. Mit nun rund 4 Mio. Einwohnern und einer
Fläche von fast 19.000 km² umfasst die Metropolregion etwa die Hälfte Niedersachsens. Der
eigene Internetauftritt bezeichnet die Metropolregion als “Low-Budget-Projekt”, da man bislang
nicht wie ein Nachbar aus dem Norden über einen vom Staat gefüllten Fördertopf, oder wie eine
Musterregion im Süden von einem ausgeprägten privaten Mäzenatentum profitiere.
Gemeinsam mit der Botschaft der Republik Frankreich wurde die “Antenne Métropole” gegrün-
det, eine Einrichtung welche die deutsch-französische Zusammenarbeit insbesondere im Kultur-
bereich und der Wissenschaft fördern soll. Die Metropolregion wird damit als ein Instrument zur
3 Metropolregionen in Deutschland 13
Abb. 5: Verband Region Stuttgart Quelle: wikimedia.org 2010
Abb. 6: Kooperationsraum Metropolregion StuttgartQuelle: wikimedia.org 2010
Steigerung der Internationalität genutzt. Auch durch die Förderung der Kreativwirtschaft soll die
Region vor allem in Bezug auf junge Studierende und ausländische Fachkräfte eine Attraktivitäts-
steigerung erfahren. Weiterhin ist jedoch die Mobilitätswirtschaft der Hauptpunkt der Profilierung
als Kompetenzregion, nun mit besonderem Fokus auf die E-Mobilität. [Becker 2006, IKM 2010,
Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg 2010]
Die junge Metropolregion zeichnet sich durch die Gründung einer GmbH mit einem umfassenden
Feld an Gesellschaftern ebenso wie durch interessante Projekte mit Augenmerk auf regionale,
nationale aber auch transnationale Zielsetzungen aus. Die Region stellt ein beachtenswertes Ex-
perimentierfeld dar: da die Kernkompetenz in der Wissenschaft und Forschung liegt kann hier
mustergültig verfolgt wie die von Blotevogel u.a. geforderten Innovationen der Wissensgesell-
schaft mit neuesten Instrumenten geschaffen werden.
3.2 Europäische Metropolregion Stuttgart
Die Europäische Metropolregion Stuttgart wurde bereits 1995 von der MKRO als solche aus-
gewiesen und darf nicht mit der Region Stuttgart gleichgesetzt werden. Der Verband Region
Stuttgart umfasst neben der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg die Kreise Böblingen,
Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis, verfügt über eine direkt gewählte
Regionalversammlung und übernimmt die gesetzliche Regionalplanung, Landschaftsrahmen-
planung, Regionalverkehrsplanung, die regionale Wirtschaftsförderung, den ÖPNV und zum Teil
3 Metropolregionen in Deutschland 14
sogar die Abfallentsorgung und das regionale Tourismusmarketing. Die Metropolregion Stuttgart
umfasst weitere Gebiete, wobei die genauere Abgrenzung sich sehr differenziert gestaltet. [Bege
2010]
Der Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Würtemberg sieht zusätzlich Heilbronn, Reutlingen/
Tübingen und deren Umland als Bestandteile der Europäischen Metropoleregion Stuttgart. Die
Definition “Kooperationsraum Metropolregion Stuttgart” schließt zudem die Regionen Heilbronn-
Franken, Nordschwarzwald, Ostwürttemberg und Neckar-Alb mit ein. [Wirtschaftsministerium
Baden-Württemberg 2002, Verband Region Stuttgart 2010]
Auf 15 428 km² leben in der Europäischen Metropolregion Stuttgart ca. 5,1 Millionen Menschen.
Nach München und Hamburg ist Stuttgart die Metropolregion mit dem drittgrößten Bevölke-
rungswachstum in der Bundesrepublik. Dies ist einer hohen Zuwanderungsrate aus dem Inland
und vor allem aus dem Ausland zu verdanken. In Stuttgart ist zudem mit 4,2% die niedrigste Ar-
beitslosenquote im Vergleich mit anderen deutschen Metropolregionen zu verzeichnen, was vor
allem auf den stark ausgeprägten Industriesektor zurückzuführen ist. In diesem Sektor sind auch
die meisten Arbeitsmigranten beschäftigt, die Industriearbeitsplätze sind allerdings besonders
von den Rationalisierungsmaßnahmen gefährdet und der Dienstleistungssektor bietet noch kei-
ne ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Arbeitnehmer. Neben der
ausgeprägten Automobil- Elektrotechnik und Maschienenbauindustrie sind in der Metropolregion
zahlreiche Bildungseinrichtungen und Wissenschaftsbetriebe angesiedelt. Die Traditionsuniversi-
tät Tübingen, das Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT), 16 Akademien und
Fachhochschulen und acht Frauenhofer- bzw. Max-Planck-Institute sind in diesem Zusammen-
hang zu erwähnen. Dieser Standortvorteil wird auch zunehmend für das Marketing der Region
genutzt. [Bege 2010, Stuttgart-Marketing 2010]
Die Metropolregion betreibt ein eigenes Büro in Brüssel und leistet mit ihm Informations- und
Lobbyarbeit auf der europäischen Ebene. Die Arbeit der Metropolregion ist hauptsächlich in vier
thematischen Arbeitsgruppen organisiert: Wirtschaft und Innovation, Bildung und Wissenschaft,
Verkehr und Neckar sowie Tourismus Projekte. [BMVBS 2007]
Der Verband Region Stuttgart stellt nicht nur nach Fläche, sondern auch nach Bevölkerungs-
anzahl und Wirtschaftkraft den bedeutendsten Anteil der Europäischen Metropolregion dar. Der
Verband fungiert zugleich als Geschäftsführer der Metropolregion Stuttgart und als Sprecher der
Metropolregionen auf Bundesebene. Gemeinsam mit den vier umliegenden Regionalverbänden
wurde ein gemeinsames Regionalentwicklungskonzept für die gesamte Metropolregion entwi-
ckelt. Neben dem mittlerweile in der Öffentlichkeit sehr bekanntem Projekt Stuttgart 21 zählt zu
den weiteren Aktivitäten der Metropolregion beispielsweise das Projekt MOBILIST, bei dem die
Optimierung der Verkehrssysteme und die Stärkung der Naherholung im Vordergrund stehen,
als auch das Projekt BioRegio STERN, ein Programm zur Wirtschaftsförderung im Bereich der
Biotechnologie. [Becker 2006, BMVBS 2007]
3 Metropolregionen in Deutschland 15
Zwar lässt sich behaupten, dass die Metropolregion Stuttgart eines der erfolgreichsten Modelle
(im Sinne von Good Governance) der regionalen Kooperation in Deutschland ist, allerdings muss
dabei auch zwingend erwähnt werden, dass dies eher auf die besondere Struktur (Verband,
Regionalversammlung, eigenes regionales Budget), als auf die Ausweisung seitens der Minister-
konferenz zurückzuführen ist. Ob sich durch die Benennung der Europäischen Metropolregion
weitere Vorteile ergeben haben bleibt fraglich und abzuwarten.
4 Metropolregionen in Europa 16
4 Metropolregionen in Europa
Wie im Abschnitt 3 zu sehen ist, können erhebliche Unterschiede zwischen den deutschen Me-
tropolregionen bestehen, bezogen auf ihre Organisationsstruktur und die Umsetzung der regi-
onplanerischen Entwicklungsziele. Es liegt nahe, dass die Diskrepanzen noch höher sind, wenn
bei der Analyse das europäische Ausland mitberücksichtigt wird. Um diesen Umstand zu ver-
deutlichen werden nun die Regionen Greater London Authority und Metropolitanraum Zürich
untersucht.
4.1 London Greater Authority
Abb.7: London Greater Authority Quelle: london.gov.uk 2010
London ist vor allem aufgrund der starken Ausprägung des Finanz- und Investmentsektors sowie
der wissensintensiven unternehmensnahen Dienstleistungen wirtschaftlich als ein „Global Player“
zu betrachten. Die gesamtwirtschaftliche Leistung der Stadt London belief sich im Jahr 2007
auf 251 Mrd. Pfund. Die Wirtschaftsleistung ist damit um mehr als 300% größer als die Berlins
und übersteigt jene ganz Österreichs. Die Beschäftigten- und Bevölkerungsstruktur der Stadt
4 Metropolregionen in Europa 17
Abb.8: Londons Subregionen im Kontext Quelle: london.gov.uk 2010
ist heute durch die guten Arbeitsmöglichkeiten geprägt die vor allem auf junge, gut ausgebildete
Arbeitnehmer/-innen überregional Anziehungskraft ausüben. Der großen Zahl junger, gut verdie-
nender Bewohner steht eine hohe Zahl Arbeitsloser gegenüber, die im Jahr 2003 bei 16 Prozent
lag. Die soziale Segregation ist besonders stark ausgeprägt, da die einkommensstärksten 20
Prozent der Bewohner sieben Mal soviel verdienen wie die einkommensschwächsten 20 Prozent.
Neben der Bedeutung Londons als Wirtschafts- und Finanzstandort stieg auch die Relevanz als
Kultur- und Kreativstätte sowie als Reiseziel weiter an. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet
85 Prozent der Bruttowertschöpfung Londons, mehr als 90 Prozent aller Beschäftigten arbeiten
in diesem Sektor. Rund die Hälfte der 4,68 Mio. Beschäftigten Londons sind in Bereichen tätig,
die zum Gesundheits- und Sozialwesen, dem Bereich Erziehung und Unterricht, dem Handel
oder dem Kultur- und Tourismusbereich zählen. [Greater london Authority 2005, Gesellschaft für
Arbeit 2009]
Obwohl London im Städteranking Europas eine führende Rolle einnimmt, wurde eine Institution
für die Regionalplanung in der Politik lange vermisst. Bis zum Jahrtausendwechsel verstand man
4 Metropolregionen in Europa 18
unter dem Begriff “Region London” schlicht das Areal, das innerhalb des Pendlereinzugsgebietes
lag. Im Jahr 2000 wies dieser ca. 100 km große Radius eine Bevölkerungszahl von 18,1 Mio.
Menschen auf. Die Regierenden des Kerns der Metropole, der auch als Greater London bekannt
ist und zu der Zeit rund 7,4 Millionen Menschen beheimatete, konnten lange Zeit keine durch-
gängigen politischen Zielsetzungen benennen. Die regionale Politik konnte nicht überzeugen,
und nach Dekaden chaotisch anmutender Strukturen wurde klar, dass eine Reform unabdingbar
war. Basierend auf dem Greater London Authority Act von 1999 nahm die nationale Regierung
im Jahre 2000 die dominante Rolle in der Regionalplanung ein und gründete die Greater London
Authority (GLA). Das außerordentlich komplexe Prozedere der Reorganisation der Zuständigkei-
ten beschäftigte viele Verwaltungsjuristen und wurde in einem über 200 Seiten langen Gesetzes-
text fixiert. Somit liegt die politische Kontrolle über die Regionalplanung nun auf der nationalen
Ebene. Die GLA ist damit ein Unikat, da sie die einzige gewählte Instanz auf regionaler Ebene
Englands ist. Eine Belegschaft von 600 Mitarbeitern verwaltet für die GLA, der ein Bürgermeister
mit Verwaltungsbehörde vorsteht, ein Budget von ca. 150 Mio. Euro. [Salet 2003, Gesellschaft
für Arbeit 2009, Greater London Authority 2010]
Die Wirtschaftspolitik Londons fokussierte in den letzten Jahren vornehmlich eine räumliche
Ansiedlungsstrategie. Unternehmenszuwächse wurden geografisch günstig in den sechs Wirt-
schaftsarealen, in die London unterschieden wird, angesiedelt. Damit wird dem zunehmenden
Platzmangel entgegengewirkt, ebenso werden Beschäftigungsimpulse in Regionen gegeben,
in denen aufgrund des Fortfalls industrieller Beschäftigungssektoren eine hohe Arbeitslosigkeit
herrscht. [Greater london Authority 2005, Gesellschaft für Arbeit 2009]
Der Bürgermeister ist der wichtigste politische Akteur im System der Greater London Authority.
Er entwickelt Leitbilder sowie Entwicklungsstrategien und -Maßnahmen um die Vision umzuset-
zen. Ausserdem bestellt er den Haushalt der Metropolregion und bewilligt Budgets für einzelne
Projekte die der Realisierung des Leitbildes dienen sollen. Der Bürgermeister wird alle vier Jahre
direkt vom Volk gewählt. Das Leitbild des Bürgermeisters Boris Johnson, der seit 2008 im Amt
ist, heisst “Making London the best big city in the world”. [Greater London Authority 2011] Dabei
wird die Verbesserung der Sicherheit ebenso wie die Begrünung der Stadt als Priorität ausgelobt.
Als Gastgeber der Olympischen Spiele 2012 wird London auch die Verbesserung der gesamten
Verkehrssituation in den Fokus nehmen. Generell wird die Verbesserung der ökonomischen, so-
zialen und ökologischen Situation als Verantwortung bezeichnet.
Die 25 Versammlungsmitglieder überprüfen in Ihrer Rolle als Kontrollgremium die Entscheidun-
gen und Handlungen des Bürgermeisters, der im Vereinten Königreich als der mächtigste direkt
gewählte Politiker gilt. Dementsprechend ist auch die Legislative mit viel Macht versehen. Die
Londoner Versammlung tritt auch als Vertreter der Bewohner Londons auf. Die Versammlungs-
mitglieder werden gleichzeitig mit dem Bürgermeister gewählt. Der Bürgermeister ist verpflichtet,
die Versammlung über sein Handeln zu informieren. Sollten zwei Drittel der Mitglieder einen ent-
sprechenden Beschluss fassen, können diese die Haushaltsplanungen des Bürgermeisters ab-
4 Metropolregionen in Europa 19
ändern. Anmerkungen der Versammlung über spezielle Vorhaben muß der Bürgermeister kom-
mentieren, bevor er diese der Öffentlichkeit abschliessend präsentieren darf. Ausserdem leitet
die Versammlung Fragen aus der Bevölkerung oder aus den Wahlkreisen an den Bürgermeister
weiter. Die Tagungen der Versammlung sind generell öffentlich um eine größtmögliche Transpa-
renz zu schaffen. Diese Transparenz wird u.a. durch den Internetauftritt der Greater London Au-
thority fortgeführt. Hier kann jeder Internetnutzer zum Beispiel sämtliche Versammlungssitzungen
ansehen, aber auch recherchieren welche Fragen der Bürgermeister mit welchen Antworten ver-
sehen hat, oder die Höhe der Bezüge und sogar die Spesenkonten der Versammlungsmitglieder
betrachten.
Während der Bürgermeister und die Londoner Versammlung von der Bevölkerung gewählt wer-
den, sind die Mitarbeiter der GLA, das sogenannte Executive Team, ein ständiges, unabhängiges
Organ, das Kontinuität in die fortwährende Konzeption der Entwicklungsstrategien bringen soll.
Der Vorsitzende der GLA ist verantwortlich dafür, dass der Bürgermeister und die Londoner Ver-
sammlung mit den nötigen Kenntnissen und Hilfestellungen versorgt werden die benötigt sind um
ihre Funktionen auszuüben. Ebenso ist er für das strategische Management zuständig. [Greater
London Authority 2010]
Der nach umfangreicher Bestandsanalyse erstellte London Plan aus dem Jahr 2004 zeugt von
dem Selbstverständnis einer wirtschaftlich dynamischen und wachsenden Stadtregion.
Fragen der gesamtstädtischen Lebensqualität nehmen hierbei eine zentrale Rolle in dem London
Plan ein. Die Perspektive des London Plan ist im Vergleich mit anderen Metropolregionen sehr
stark nach innen gerichtet, was vor dem Hintergrund einer monozentrischen Struktur in einem
zentralistischen Staatssystem verständlich sein mag, vor allem da Londons Bemühungen um
eine moderne Regionalentwicklungspolitik in dieser Form recht neu sind.
4.2 Metropolitanraum Zürich
Wie auch bei den Beispielen zuvor, besteht für die Metropolregion Zürich eine Vielzahl von De-
finitionen und Abgrenzungsmöglichkeiten. Am meisten verbreitet ist die Definition des Bundes-
amts für Statistik. Der Metropolitanraum Zürich ist demnach eine von fünf klar abgegrenzten
statistischen Raumeinheiten der Schweiz, die aus den Kantonen Zürich, Aargau, Schaffshausen,
Schwyz, St. Gallen, Thurgau und Zug besteht. Der am 3. Juli 2009 gegründete Verein Metropo-
litanraum Zürich zählt zusätzlich den Kanton Luzern zu dem Metropolitanraum. Der Raumord-
nungsbericht des Züricher Regierungsrats aus dem Juli 2006 sieht dagegen alle Gebiete (auch
einige Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland), die innerhalb einer Stunde vom Züricher
Hauptbahnhof, bzw. Flughafen aus mit dem Auto zu erreichen sind, als Teil der “europäischen
Metropolregion Zürich” (EMRZ). Im räumlichen Verständnis handelt es sich bei der EMRZ um eine
polyzentrische Metropolregion. [Metropolitankonferenz Zürich 2008, Aaring 2008, NZZ 2006]
4 Metropolregionen in Europa 20
In dem Metropolitanraum Zürich leben ca. 1,9 Millionen Menschen, rund 60% von ihnen in der
Kernagglomeration Zürich. In dem Zeitraum 1995-2005 nahm hier die Einwohnerzahl um 8%,
die Anzahl der Arbeitsplätze um 2,8%, und das BIP um 20% zu, was jeweils über dem Wert der
gesamten Schweiz liegt. Von der größten ökonomischen Bedeutung sind in der Region Bank-
und Versicherungswesen, unternehmensorientierte Dienstleitungsbetriebe und Verkehrsindus-
trie. Außerdem spielen Information und Kommunikation, persönliche Dienste, Exportindustrie,
soziale und administrative Dienste und das Baugewerbe eine große Rolle im Branchenmix des
Metropolitanraums. [Metropolitankonferenz Zürich 2008]
Die größten regionalplanerischen Herausforderungen des Metropolitanraums Zürich sowie der
übrigen Schweiz sind die funktionale Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort und die zuneh-
mende räumliche Segregation. Die negativen Folgen sind die enorme Umweltbelastung durch
wachsende Pendlerströme und Kürzungen der öffentlichen Ausgaben aufgrund der sinkenden
kommunalen Einnahmen. Zwar sind diese Probleme auch aus anderen Metropolen der Welt
bekannt, jedoch verlaufen diese Prozesse in der Schweiz besonders rasant, begünstigt durch
das dezentralisierte Steuersystem. Die Gemeinden und Kantone sind vor allem auf die Einkom-
menssteuer angewiesen und befinden sich in einem Steuerwettbewerb. Die einkommensstarken
Einwohnergruppen wandern in die Peripherie ab, die einkommensschwachen bleiben in den
Kernstädten zurück. Als Folge müssen die Steuern erhöht und/oder die Ausgaben für die öffent-
liche Dienste ausgerechnet dort reduziert werden, wo der größte Bedarf nach Sozialleistungen
und öffentlicher Infrastruktur besteht. [OECD 2002]
Abb. 9: Metropolitanraum ZürichQuelle: www.metropolitanraum-zuerich.ch 2010
4 Metropolregionen in Europa 21
Abb.10: Zersiedelung von ZürichQuelle: photobucket.com 2010
Die Raumordnung in der Schweiz ist traditionell eine Aufgabe der Gemeinden. Die Metropolitan-
räume existieren zwar als eine statistische Einheit, die kooperativen Instrumente, die zur Lösung
der Probleme auf der regionalen Ebene beitragen könnten, fehlen allerdings oder sind nur sehr
schwach ausgebildet. Beispielsweise umfasst das Handlungsgebiet des seit 1958 bestehenden
Vereins “Regionalplanung Zürich und Umgebung” nicht einmal die gesamte Fläche des Kantons
Zürich. [Thierstein 2003, RZU 2010]
Seit einiger Zeit wird in der Fachpresse auf die Notwendigkeit hingewiesen auch in der Schweiz
Strukturen aufzubauen, die es erlauben würden auf der Ebene der Metropolregionen Analyse zu
betreiben und zu handeln. Der kleinräumige Föderalismus, Souverenität und Wettbewerb der Ge-
meinden sind aber in dem Schweizer Politikverständnis fest verankert. Die Gründung des Vereins
Metropolitanraum Zürich scheint ein wichtiger Schritt im Aufbau von Regional Governances in
Zürich zu sein. Obwohl es sich hierbei um einen weitgehend privaten Verein ohne demokratische
Legitimierung handelt, können und werden mit seiner Hilfe Projekte auf einer großräumigen Ebe-
ne angestoßen. Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Gesellschaft
und Lebensraum. Da es sich allerdings um eine extrem neue Entwicklung handelt, lassen sich
positive sowie negative Auswirkungen der Arbeit des Vereins noch nicht bewerten. [Metropoli-
tanraum Zürich 2010]
5 Fazit und Ausblick 22
5 Fazit und Ausblick
Der Begriff “Metropolregion” ist in Europa derzeit außergewöhnlich weit verbreitet und bei vielen
Akteuren unterschiedlicher Berufsfelder beliebt. Zu diesem Phänomen ließen sich im Laufe der
Untersuchung drei Hauptursachen identifizieren. Zum einen verlangt der internationale Wettbe-
werbsdruck nach neuen gesamtregionalen Lösungen außerhalb der klassischen administrativen
Lenkungstrukturen. Solche Lösungen werden von der politischen und wissenschaftlichen Ausei-
nandersetzung mit den Metropolregionen erhofft (s. Abschnitte 1 und 2). Desweiteren forciert die
Europäische Union seit mehreren Jahrzehnten und verstärkt in der neuesten Zeit die Raument-
wicklung auf der Ebene der Metropolregionen. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Publikatio-
nen erarbeitet, Projekte durchgeführt und neue Organe geschaffen (s. Abschnitte 2.2-2.5). Und
schließlich scheinen die Begriffe “Metropole” und “Metropolregion” tendenziell positiv belegt zu
sein, sodass sie sich hervorragend für das Produkt- und Standortmarketing eignen (und genutzt
werden), vor allem aber um politische Botschaften und abstrakte Konzepte zu transportieren.
All dies führt dazu, dass die Verwendung des Begriffs “Metropolregion” eine Art Eigendynamik
entwickelt.
Die stärkere Orientierung der europäischen Raumordnungspolitik auf die regionalen Ebene ist
nicht unbegründet. Die Erkenntnisse über die funktionalen Zusammenhänge innerhalb von Ag-
glomerationen sind in der Raumforschung seit längerem bekannt. Allerdings bringt solche räumli-
che Betrachtungsweise auch einige Probleme mit sich. Beispielsweise lassen sich funktional und
nicht administrativ zusammenhängende Einheiten nur schwierig politisch lenken. Die zuständigen
Organisationen stoßen bereits bei der Abgrenzung der Metropolregionen auf erhebliche Schwie-
rigkeiten, besonders bei der Zordnung von periphären Teilräumen. Der Mangel an vergleichbaren
statistischen, auf die Metropolregionen zugeschnittenen Daten wird sowohl seitens der Politik, als
auch seitens der Raumforschung immer wieder kritisiert (s. Abschnitt 2). Die Erhebung solcher
Daten könnte in der Zukunft ein wichtiger Beitrag für die Raumordnung werden.
Die Abschnitte 3 und 4 dieser Arbeit stellen insgesamt vier Metropolregionen Europas vor. Es fällt
zunächst auf, dass alle gewählte Regionen erhebliche Unterschiede aufweisen. Dies betrifft vor
allem ihre Organisationsstrukturen, was allerdings auf die kaum vergleichbaren Rahmenbedinun-
gen zurückgeführt werden könnte. So spielt Stuttgart beim Ausbau von Regional Governance
eindeutig eine Vorreiterrolle, allerdings ist hierfür weniger die Ausweisung als Europäische Met-
ropolregion von Bedeutung. Vielmehr trug die Arbeit des Verbands Region Stuttgart zu diesem
Erfolg bei (s. Abschnitt 3.2). Die Erfahrungen des Verbands lassen sich in der Zukunft als eine
solide Referenz für andere Metropolregionen nutzen, wobei zu beachten gilt, dass vieles nur be-
dingt übertragbar ist.
Als das größte Potenzial der deutschen Metropolregionen ließ sich vor allem eine starke Vernet-
5 Fazit und Ausblick 23
zung der Akteure identifizieren. Außerdem ist das deutsche System der Metropolregionen traditi-
onell polyzentrisch organisiert, was je nach Betrachtungsweise unterschiedlich bewertet werden
kann. Im Hinblick auf das Ziel der Europäischen Union Disparitäten zwischen den Regionen ab-
zubauen, mag es von Vorteil sein. Im internationalen Vergleich der Funktionskonzentration und
der Größe kann allerdings keine der deutschen Regionen mit monozentrischen Agglomerationen
wie Paris oder London mithalten. Dies ist als ein Nachteil, bezogen auf die wirtschaftliche Wett-
bewerbsfähigkeit, zu bewerten.
Aus der Perspektive des föderalistisch geprägten Deutschlands sind die Organisationsstruktu-
ren von Greater London Authority (s. Abschnitt 4.2) besonders außergewöhnlich. Die junge und
schlanke Metropolenverwaltung Londons ermöglicht strategische Planung in nahezu allen Poli-
tikbereichen.
Die Fokussierung der europäischen Raumordnugspolitik auf die Entwicklung von Metropolregio-
nen stößt allerdings auch auf Kritik. Seit der Veröffentlichung der Lissabon-Strategie ist hier eine
Prioritätsverschiebung zu beobachten: weg von dem ursprünglichen Ziel der territorialen Kohäsi-
on, hin zu Wachstum und Beschäftigung durch Hochtechnologie und Forschung (s. Abschnitte
2.2-2.4). Vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs erscheint diese Neuorientierung ver-
ständlich. Die Frage nach der Rolle von beispielsweise wenig qualifizierten Arbeitskäften in einer
rein technologieorientierten Wissensgesellschaft ist bisher allerdings unbeantwortet geblieben.
Es bleibt zu hoffen, dass auch die soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung ausreichend
berücksichtigt wird.
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