Kirchhöfe zwischen Substanz verlust
und Gestaltungswillen
Keine Antwort aus Schloss Calbe auf Luthers Thesenbrief
Eugen Diederichs – eine mittel deut sche Verlegerpersönlichkeit
Umweltpreis 2017 | Mundart | Offene Ateliers in Sachsen-Anhalt
Heimat bewegt 3-2017 | 27. Jahrgang | �,�� EUR | ISSN ����-����
Rezension
Sachsen-Anhalt-Journal 3 | 2017 3130 Sachsen-Anhalt-Journal 3 | 2017
Grube Einheit – Goldener Schatz im Harz von Walter Müller
Hrsg. Wolfgang Schilling, Selbstverlag, Blankenburg 2016
318 S., ca. 550 Abb., zahlr. Illustrationen, Diagramme, Karten
ISBN 978-3-935971-85-0 | 39,90 €
Der umfangreiche Textband in Quartformat mit ca. 550 Abb. zur
Geschichte der ehemaligen Schwefelkiesgrube „Einheit“ – auch be-
kannt unter den Namen „Drei Kronen & Ehrt“ – in Elbingerrode /
Stadt Oberharz am Brocken wurde unter Federführung von Wolf-
gang Schilling von insgesamt 24 Autoren in reichlich drei Jahren
erarbeitet. Die Autoren, überwiegend langjährige Mitarbeiter mit
teilweise jahrzehntelanger Zugehörigkeit bzw. in Leitungsfunktio-
nen in der Grube tätig gewesen, hatten ehrenamtlich riesige Men-
gen Quellenmaterial und Massen von Fotograien zu bewältigen.
Auf 318 Seiten erfährt der Bergbau- bzw. regionalgeschichtlich in-
teressierte Leser zahlreiche Details zu Geologie, mittelalterlichem
Bergbau am „Großen Graben“, den Autarkiebestrebungen in der
Zeit des Dritten Reiches 1933 –1945 sowie der Betriebsgeschichte in
der DDR-Zeit. Während der fast 40jährigen DDR-Geschichte wurde
die unwirtschaftlich arbeitende Grube noch weiter betrieben, weil
für entsprechende Schwefel-Importe die Devisen fehlten. Interes-
sant ist das Kapitel über die Konsumgüterproduktion in den 1970er
und 1980er Jahren in der Grube „Einheit“ vor allem im Rahmen
der Schulunterrichts in Technik und Produktion (UTP) sowie die
geschaffene eigene kleine Schmucksteinproduktion von Harzer
Blutstein, verquarzten Roteisenerz und anderen Gesteinen.
Am 31. Juli 1990 wurde die Produktion aufgrund von Unwirt-
schaftlichkeit eingestellt. Parallel zu der 1991 bis 2002 erfolgten
kostenintensiven Verwahrung und Sanierung begann, vorange-
trieben vor allem durch den von November 1990 bis 2011 bestehen-
den Förderverein Besucherbergwerk „Dreikronen und Ehrt“ e. V.
Elbingerode, der Umbau zu einem Schau- bzw. Besucherbergwerk.
Bereits seit Juni 1993 hat ein provisorisch (ab 1. Juli 1994 regulär)
laufender Besucherbetrieb stattgefunden. Leider musste das
Schaubergwerk nach fast 25jährigen Betrieb und insgesamt mehr
als 500.000 Besuchern mit der letzten Führung am 2. November
2015 aufgrund fehlender vertraglicher Nutzungsrechte für die
Berg bauhohlräume über den 30. November 2015 hinaus für immer
geschlossen werden.
Vom Beginn des Bergbaus im Harz im 9. Jahrhundert und sei-
nen archäologischen Wurzeln, über die Prachtstücke der Mineral-
welt, den Arbeitsalltag des Bergmanns bis hin zur Stilllegung wie
auch der Geschichte des Besucherbergwerks bieten die Autoren
fundierte und gut lesbare Texte zur Geschichte dieses einzigarti-
gen Bergwerks des Harzes aber auch zur Bergbaugeschichte der
gesamten Region um Elbingerode. Besonders umfangreiche Ka-
pitel sind dem außergewöhnlichen Mineralschatz der Grube und
dem Aufbau und Betrieb des Besucherbergwerks gewidmet. Aber
auch der Denkmal- und Naturschutz in und um die Grube kom-
men nicht zu kurz.
Ohne die zahlreichen Sponsoren, u. a. der Hermann-Redder-
sen-Stiftung, dem Harzklub-Zweigverein Elbingerode und den
weiteren auf S. 317 zusammengestellten Unterstützern aus der
Wirtschaft der Region wäre dieses aufwendig produzierte Berg-
baubuch nicht zu realisieren gewesen.
Qualitativ sticht dieser umfangreiche Prachtband nicht nur
durch das Format und die über 550 – teils großformatigen – Fotos
und etwa 40 Diagramme aus der vergleichbaren Bergbau- und
Regionalliteratur hervor. Auch das von Dorit Günther geschaffene
Layout überzeugt und lässt das Studium des in der Harzdruckerei
Wernigerode gedruckten Buches zu einem künstlerischen Genuss
werden. Daher kann dieser Band mit einem sehr guten Preis- / Leis-
tungsverhältnis regional- bzw. bergbaugeschichtlich interessier-
ten Personen nur empfohlen werden.
Tagungsbericht: Unbekanntes lebendiges KulturerbeInformationsveranstaltung des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt e. V., Nietzsche-Dokumentationszentrum Naumburg / Saale, 24. 06. 2017 von Alois Döring
Das tradierte kulturelle Erbe – gesellschaftliche Bräuche, dar-
stellende Künste, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und
handwerkliche Fertigkeiten – werden im bundesweiten Verzeich-
nis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO gesammelt, seit
die Bundesrepublik Deutschland 2013 der UNESCO-Konvention
zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beitrat.
Der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. hatte Initiati-
ven und Vereine, Gruppen und Gemeinschaften, die sich um die
Aufnahme in die Liste immateriellen Kulturerbes bewerben, so-
wie Mitarbeiter*innen in den Verwaltungen von Landkreisen
und Städten zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Ca.
35 Teilnehmer*innen fanden sich in Naumburg ein.
Die Bedeutung, die der Erfassung des Immateriellen Kultu-
rerbes in Sachsen-Anhalt zugemessen wird zeigte unter anderem,
dass Staatsminister Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Mi-
nister für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, teilnahm. In seinem
Grußwort regte er ein Kataster zur Bestandsaufnahme des Imma-
teriellen Kulturerbes für Sachsen-Anhalt an.
Von den zahlreichen interessanten Beiträgen der Tagung sei
nur auf einige hingewiesen. Irene Ziehe vom Museum Europäischer
Kulturen in Berlin thematisierte in ihrem Vortrag die bis heute
nachwirkenden völkischen Forschungen Hans Hahnes (1875 – 1935).
Er stellt für die Wissenschaftsgeschichte sowohl der Archäologie
als auch der Volkskunde eine Persönlichkeit dar, die viel Zeittypi-
sches, so viel Zeitprägendes verkörpert. Für den „Volkheitskundler“
galt das „Brauchtum“ als Ausdruck „lebendiger Beziehungen zwi-
schen Vorzeit und Gegenwart“. Der „Deutschtums-Apostel“, so Ire-
ne Ziehe, propagierte eine „völkische und irrationale Philosophie“,
die ihn „zum Wegbereiter einer nationalsozialistischen Weltan-
schauung“ stempelt. Hahne besuchte mit seinem Mitarbeiter die
Brauchträger vor Ort, brachte ihnen seine Anschauungen nahe und
beeinflusste das Brauchgeschehen bis hin zur Deutung und Verän-
derung von Kostümen. Die gegenwärtigen Brauchträger haben
sich mit diesem „Erbe“ auseinandergesetzt und in ihrem Antrag
zum Immateriellen Kulturerbe auf die Vereinnahmung des Brau-
ches durch Hahne hingewiesen.
Zwei erfolgreich beantragte Traditionen mit den Effekten ihrer
Aufnahme in das Verzeichnis und ihre mediale Verbreitung wurden
vorgestellt. Kathrin Baltzer vom Schachmuseum Ströbeck sprach
darüber, wie die Schachtradition in ihrem Ort lebendig gehalten
wird. Reinhard Sträßner vom Förderverein Elsterfloßgraben e. V.
in Zeitz berichtete über länderübergreifendes Antragstellen und
dessen regionale Wirkung. Die Anerkennung der Tradition in Strö-
beck führte zu stärkerer Wahrnehmung auf der kommunalen Ebe-
ne, denn nach den Gebietsreformen gehört das Dorf als Ortsteil zu
Halberstadt. Die bundesweite Anerkennung der Flößerei beförder-
te lokale Erhaltungsbemühungen des Elsterfloßgrabens, des nach
der Länge größten technischen Denkmals Sachsen-Anhalts aus der
Mitte des 16. Jahrhundert.
Werner Mezger vom Freiburger Institut für Kulturanthropologie
und Europäische Ethnologie referierte über die Fastnacht als Bei-
spiel eines europäischen Brauchkomplexes. Nach Überlegungen
zur Ideengeschichte der Fastnacht, ihrem Zusammenhang mit
Jahreszyklus, Römischen Kalender, Christlichem Jahreslauf usw.,
zeigte er die Bedeutung des Narren als zentrale Figur der Fastnacht
auf, der Bedeutungsnähe von Narrenidee und Vergänglichkeits-
vorstellung sowie die Nachbarschaft von Tor und Tod. Sein Fazit
lautet, Fastnacht ist die „Auseinandersetzung mit der Endlichkeit
menschlicher Existenz im europäischen Kontext“. Mezger wies
auf das Freiburger Projekt „folklore europaea“ hin, ein digitales
Verzeichnis mehrerer tausend Feste und Bräuche in ganz Europa
(http://www.folklore-europaea.org/).
Nach einer Führung durch das Nietzsche-Dokumenta-
tionszentrum gab es noch die Gelegenheit, den Festumzug zum
Hussiten-Kirschfest anzusehen.
Lebendschachspiel
während des Schach-
festes in Ströbeck