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Die Holzwirtschaft macht sich den Schweizer Wald nicht nur als Rohstofflieferant, sondern auch als GratisLagerplatzzunutze.DasgeschlageneHolzliegtandenSammelplätzen, bis Sägereien und Plattenwerke freie Kapazitäten haben. Die gestapelten Baumstämme können besonders im heissen Sommer u.a. vom Borkenkäfer(Buchdrucker) befallen werden. Dagegenwurden die Holzlager auch letztes Jahr
hauptsächlichimFrühlingmitdenäusserstgiftigenInsektenmittelnderCypermethrine(vgl.Kasten)behandelt.Diedabeiverwendete Menge Gift kennt der Bund nicht:«Eine zentrale Zusammenstellung (...) gibtesnicht»,teiltedasBundesamtfürUmweltBAFUmit.OEKOSKOPführtedeshalbeineUmfragebeidenKantonendurch.Wirwollten wissen:Welche Insektizide wurden imjeweiligenWaldvon2014bis2018eingesetztundinwelchenMengen?
«Bescheidene Menge» wiegt schwerDie OEKOSKOPFragen liessen sich«schnell»beantworten,teiltederUrnerKantonsförsterMarcusTschoppmit:IndenletztenfünfJahrenseienim«UrnerWaldkeinePestizide zum Einsatz» gekommen. «EineganzbescheideneMenge»sei«lediglichbei
denInsektizidenzurAnwendung»gelangt.Konkrete Zahlen nennt er nicht. InsektengiftesindauchPestizideundbe
scheiden ist die schweizweit ausgebrachteMengenicht:Etwa700KilogrammhochtoxischeInsektizidewurden2018imSchweizerWaldaufgefällteBaumstämmegespritzt(sogenannte Rundholzspritzung). Diesist das Resultat einer Hochrechnung, dieOEKOSKOPaufBasisderUmfragebeidenkantonalen Waldbeauftragten erstellt hat.1 ImWald landen somit rund zwölf Prozentder gesamten CypermethrinMenge, die inder Schweiz verkauft wurde.2
Gift passt schlecht zum Wald-ImageAlle 25 per Email angeschrieben kantonalenForstbehörden3meldetensichzurück.«Grundsätzlich» sei «der Einsatz vonPflanzenschutzmitteln im Wald nicht erlaubt», beginnen die meisten Antworten,soauchdiedesKantonsZürich.Erstdannkommt er – wie die andern auch – auf das Aber der Ausnahmebewilligungen für Insektengiftezusprechen.Siepassenschlechtzum Image des ökologischenHolzlieferanten,welchesdieSchweizerWaldundHolzwirtschaft ihremNutzwald scheinbar allzupauschalverpasst.AuchderBundschreibt,die Schweizer Waldbesitzer würden «ihreWälderaufgrundeinesderweltweitstrengsten»Waldgesetze «bereits nachhaltig undim internationalen Vergleich auf höchstemökologischenNiveau»bewirtschaften.4TatsächlichhältdasSchweizerWaldgesetz
fest:«ImWalddürfenkeineumweltgefährdenden Stoffe verwendetwerden» (Art. 18WaG). Es existieren Ausnahmeregelungen,
Cypermethrine (z.B. Cypermethrin, alphaund zetaCypermethrin) gelten als für denMenschen sehr giftig, reizend und organschädigend.Einigestehen imVerdachtwieHormonezuwirkenundKrebsauszulösen.Alle Cypermethrine sind zudem starkeFischgifte.SiestelleneinegrosseGefahrfürnaheliegendeGewässerdar.ZetaCypermethrinistausserdemgiftigfürBienen.
Chlorpyrifosgiltebenfallsalssehrgiftigsowie reizend und steht im Verdacht, hormonaktiv zu sein sowie die EntwicklungdesGehirnsbeiKindernzubeeinträchtigen.Auch Chlorpyrifos ist ein starkes Fischgift
1 WoderVerbrauchinLiterInsektizidKonzentratangegebenwurde,errechneteOEKOSKOPdieeffektiveWirkstoffmengeausdenHerstellerangaben.
2 2017wurdeninderSchweiz6040KilogrammCypermethrin,alphauzetaCypermethrinandieForstundLandwirtschaftsowiefürdenZierpflanzenbauverkauft(EmailBLWvom19.2.2019).
3 DieKantoneBaselStadtundBaselLandschafthabeneingemeinsamesAmtfürWaldbeiderBasel.
4 KBOBc/oBundesamtfürBautenundLogistikBBL:NachhaltigproduziertesHolzbeschaffen,1/2012,S.2.
5 ForestStewardshipCouncilFSC
Insektizideim Schweizer Wald
Im Schweizer Wald wurden 2018 rund 700 Kilogramm
hochtoxische Insektizide auf gefällte Stämme gespritzt.
Das wäre ganz und gar unnötig, müsste unser Wald
nicht als Holzlager herhalten.
MartinForter,AefU
Hochgiftige
undzudemtoxischfürVögel.Für diese äusserst problematischen In
sektizide will das Bundesamt für UmweltBAFU in der Gewässerschutzverordnung(GSchV) neue Grenzwerte festschreiben.AngesichtsderGiftigkeitschluges2018extrem tiefeGrenzwertevor.Diese sindabermitdeninLaborsüblichenAnalysemethodengarnichtüberprüfbar(vgl.OEKOSKOP1/18).Die Ärztinnen und Ärzte für Umwelt
schutz (AefU) lehnen dieseAlibiübung abundforderndassofortigeVerbotdieserInsektizide.
Die Insektizide Cypermethrin und Chlorpyrifos
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die2018scheinbardieRegelwaren:Gleich22 der 25 kantonalen Forstämter bewilligten den Einsatz hochgiftiger Insektizide,um imWaldgefällteBaumstämmezu ‹imprägnieren›.
Schlechter Überblick?Allerdings erwecken die Antworten gegenüberOEKOSKOPdenEindruck,alshätten einige Kantone keinen Überblick überdie effektiven InsektizidEinsätze in ihrenWäldern. Ihre Auskünfte lassen offen, obWaldeigentümerInsektenmittelausbrachtenbzw. ob Bewilligungen beantragt wurden.So beschränken sich fünf Antworten aufbelangloseoderunklareAussagen.DieAngabenvonsiebenweiterenKantonenwarenunvollständig und deshalb ebenfalls nichtauswertbar.Hingegen nennen zehn Kantone aus al
len Regionen der Schweiz konkrete Mengen,MarkennamenunddieWirkstoffeder2018 im Wald versprühten Insektengifte(vgl. Tabelle www.aefu.ch/wald). In diesen Kantonen steht rund einen Drittel des Schweizer Nutzwaldes. Ihren InsektizidVerbrauch rechnete OEKOSKOP auf diegesamte Schweizer Nutzwaldfläche hoch– abzüglichGlarus, Tessin undWallis. DieGlarnerverzichten imWaldseit JahrenaufInsektizide(vgl.InterviewS.9).DieWalliserundTessinermelden,siehätten2018keinenPestizideinsatzbewilligt.
FSC akzeptiert Insektizid im WaldErstaunlicherweiseerlaubtauchdasHolzlabelFSC5SchweizdenEinsatzderhochgiftigen CypermethrinInsektenmittel. Das Label zertifiziert nach eigenenAngaben über50% der SchweizerWaldfläche und garantieredie«Förderungeinerumweltgerechten,sozialvorteilhaftenundwirtschaftlichtragbaren Waldbewirtschaftung im Schweizerischen Kontext» .Zwar sei der Einsatz von Pestiziden
im Wald gemäss FSCRegeln grundsätzlich verboten, es gebe aber eine
Rundholzbehandlung mit hochtoxischem Insektengift. © Kanton Zürich
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«Ausnahmebewilligung von FSC international zur Anwendung von Pestiziden inderSchweiz»,schreibtHubertusSchmidtke,Geschäftsführer des Vereins FSC Schweiz.AufdieFragevonOEKOSKOP,wieFSCdenEinsatz des extrem giftigen Cypermethrinrechtfertige, antwortet Schmidtke: «Das ist
eine gute Frage.» In der Schweiz «würdendie Waldbesitzer ohne die AusnahmeregelungfürCypermethrinbeiFSCaussteigen».DennwegenderkleinflächigenEigentümerstruktur bleibe das Holz lange im Waldliegen.«Würdeesentrindetoderpermanentabgeführt, dannwäre der Einsatz von Cy
permethrinnichtnotwendig.»BeiallenVorbehalten müsse man aber bedenken, dassderEinsatznursehrpunktuellaufimWaldgelagertesHolzbeschränktsei.DieMengenseien äusserst gering. Auf die Nachfrage,wie gering, antwortet Schmidtke: Es gäbe«keineInformationenzudeninsgesamtangewendeten Pestiziden». Diesen Sommeraberlaufe«dieAusnahmebewilligung»vonFSCaus.Eswerde«wohlkeineneuegeben».DasstündedemLabelgutan.
ImSchweizerWaldwurden2018 sogarbereits verbotene Insektengifte ausgebracht.ImAargauischenlandeten2018vierSpritzmittel,dieseitJuli2017nichtmehrzulässigsind, auf den Baumstämmen. Zwei davonenthalten das extrem toxische Chlorpyrifos (vgl. Kasten S. 6). Auch Holzlager imBernerWaldkriegten2018einChlorpyrifosProdukt sowie zwei weitere verbotene Insektizideab.IndenKantonenFribourg,LuzernundZugkamjeeinverbotenesMittelzurAnwendung.MitunserenFragenzuverbotenenInsek
tiziden und ihren Aufbrauchfristen wand tenwirunsam10.Februar2019andieMedienstelledesBundesamtsfürUmwelt(BAFU).TagsdaraufschreibtAnkeSchützevonder‹KoordinationsstellefürPflanzenschutzmittelimWald›6andieWaldbeauftragtenallerKantone eine Email: Das BAFU sei «vom
Ärztemagazin Oekoskop» zu den «imWaldeingesetztenPflanzenschutzmittelundmengen»angefragtworden.Siewolledaraufhinweisen,dassdieAnwendungeinesPestizidsimWald«zweiJahrenachAuslaufenderZulassung»verbotensei.ErstdurchdieseEmailrealisierten die Fribourger Forstbehörden,wasOEKOSKOPschonerkannthatte:ImdortigenWaldwurde2018einillegalesInsektenmittelaufdieHolzlagergesprüht.8
Spritzen solange es hat?Auch imKantonLuzern hätten sie «nicht realisiert»,dassdieAufbrauchfristfüreinInsektenmittel2017abgelaufenistund«esversäumt,die Anwender explizit zu informieren».9 Offensichtlichist ineinigenKantonenwenigbekannt, was im Wald an Gift ausnahmsweise erlaubtundwasganzundgarverbotenist.7Dass imKantonAargau 2018 auch Insek
Verbotene Insektizide im Schweizer Wald
6 AnkeSchützevonderKoordinationsstelleandieWaldbeauftragenderSchweiz:HinweiszuFristenPSMimWald,Emailvom11.02.2019.DieHochschulefürAgrar,ForstundLebensmittelwissenschaftenHAFLbetreibtdieseschweizweiteKoordinationsstelleimAuftragdesBundesamtsfürUmweltBAFU.
7 Esexistierteine«ChecklistefürdenEinsatzvonPflanzenschutzmittelnimWald»desBundesamtsfürUmweltBAFUvomMärz2016.DarinverweisenzweiDirektlinksaufdiezugelassenenProdukte.BeideLinksführeninsLeere(letztmalseingesehenam14.03.2019).
8 AmtfürWald,WildundFischereidesKantonsFribourganOEKOSKOP,Emailvom19.02.2019.
9 DienststelleLandwirtschaftundWalddesKantonsLuzernanOEKOSKOP,Emailvom22.02.2019.
Hier gehört das geschlagene Holz hin: Auf Lagerplätzen ausserhalb des Waldes sind Insektizide überflüssig.
tizide zum Einsatz kamen, die seit Sommer2017gänzlichverbotensind,dazusagtRuediBättigvonderAbteilungWald:«Dawurden wohl alte Bestände aufgebraucht,weilesbeiunsnichtbekanntwar»undsich«niemand wirklich damit beschäftigt». Essei gut, dassOEKOSKOPdarauf aufmerksam mache. «Wir haben da offensichtlich einUmsetzungsproblem»,hältBättigtransparentundohnezuzögernfest.IsabelleStraubvomBernerAmtfürWald
schreibt: «Sehr wahrscheinlich» hätten«die fehlbaren Anwender» die Vorschriften«zuwenigbeachtet»,alssie2018diesezwei Insektenmittel spritzten. Sie seienaber «darauf hingewiesen» worden, «dassdiese Pflanzenschutzmittel nicht mehr erlaubt» seien.Ähnlich antwortet dasZugerForstamt.IhrZielseiesaber,«längerfristigganz»aufSpritzmittelzuverzichten.
Dr. Martin ForteristGeograf,Buchautorund Geschäftsleiter der Ärztinnen undÄrztefürUmweltschutz(AefU)[email protected]
9
Glarner Wald: kein Gift trotz ‹Burglind›Was FSC Schweiz erst plant, gilt im KantonGlarus seitmindestens fünf Jahren. Siehätten damals beschlossen, imWald keineInsektizidemehr einzusetzen, sagtMaurusFrei, Leiter der Glarner Fachstelle Wald.DafürmussimGlarnerlanddasmeisteHolzsofortausdemWaldgeschafftwerden.Gelingedas, seiendie Insektizideüberflüssig.DasseieineorganisatorischeFrageundhabeauch 2018 trotz Sturm ‹Burglind› geklappt(vgl.Interviewunten).GerademitdenWindwürfendurch‹Burg
lind›begründenabervieleKantonebeiihremInsektizidVerbrauch «den grossen Sprungnach oben», wie es der Kanton Solothurnausdrückt. 2017 verwendeten die Forst
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betriebedort60LiterInsektizidKonzentrat.Im Jahrdaraufwegen ‹Burglind›280Liter.WelcheWirkstoffe inwelchenMengenverspritztwurden,dazumachtSolothurnkeinedetaillierten Angaben. Ebenso wenig derKanton Waadt: Zuerst teilte das Forstamtmit,dieMengesei2018mit«50litresenviron»InsektizidKonzentratgeringgewesen.Auf genauere Nachfrage von OEKOSKOPhiess es, 2017 seien imWaadtländerWald125 Liter InsektengiftKonzentrat gespritztworden.AngabenüberdieMengenfürdas‹BurglindJahr›2018fehltennunaber.
Der Wald bezahlt Diemeisten Kantone rechtfertigen den InsektizideinsatzbeidengeerntetenStämmenmit der Strukturder SchweizerWaldund
Holzwirtschaft. Ebenso das Bundesamt fürUmweltBAFU.Esschreibt,manmüsseauch«den Rahmenbedingungen der Holzkäufer gerechtwerden». Gemeint ist wohl dieSparmöglichkeit durch kostenlose LagerplätzeimWald.UndsogarBeatForstervonder Eidgenössischen Forschungsanstalt fürWald, Schnee und Landschaft WSL meint:«Sowenig Insektizidewiemöglich, so vielwie nötig, wegen der Konkurrenzfähigkeitdes Schweizer Holz». Diese Billigung vonInsektengiftEinsätzenimWaldkönntesichalsBumerangfürdasImagedesSchweizerHolzes herausstellen. Das Beispiel Glaruszeigt:EsgehtimWaldauchohneGift–wennderWilledaist,das«strengsteWaldgesetz»konsequent umzusetzen.
OEKOSKOP: Im Glarner Wald werden keine Insektizide mehr versprüht. Wie kam es dazu? Maurus Frei: Der Glarner Forstdienst hatsichvoreinigenJahrendaraufgeeinigt.SeitmindestensfünfJahrenwirddassogehandhabt. Die wichtigste Massnahme ist, dassdas geerntete FichtenStammholz innertnützlicher Frist aus dem Wald abgeführtwird.Das bedeutet, bevor es von Schadinsekten, z.B. Borkenkäfern, befallen wird.DannkannaufdenEinsatzvonInsektizidenverzichtet werden.
Riskieren Sie damit keinen Befall z.B. mit dem Borkenkäfer? BeiHolzstämmenvonguterQualität,diefürSchnittholzvorgesehensind,wirdeinBefalldurch rechtzeitige Abfuhr aus dem Waldverhindert. Bei Nutzholz von geringererQualität,dasinderIndustrieoderalsEnergieholzVerwendungfindet,spielteinBefalldurch Schad insekten keine Rolle.
War es eine grosse Umstellung, den Wald nicht
mehr als Holzlager zu verwenden?Das ist eine organisatorische Frage. WennderForstdienstdieGrundhaltungkommuniziert, dass das geernteteHolz rechtzeitigaus dem Wald muss, dann kann man Einiges erreichen. Trotz des Sturms ‹Burglind›hatdas imKantonGlarusauchletztesJahrgeklappt.Daszeigt,dassesauchinZukunftohnedenEinsatzvonInsektizidengeht.
Und die Kosten? Rechnet sich das?Wirtschaftlichistesinteressanter,dasNutzholzrechtzeitigausdemWaldabzuführen,als eine längere Lagerung und Behandlungmit Insektiziden imWald in Kauf zunehmen. Das Nutzholz muss ja so oder so raus. Den rechtzeitigenAbtransport zu organisierenistderkleinereAufwand.
«Auf Insektizide kann verzichtet werden»
Maurus Frei ist Fachstellenleiter Wald in der Abteilung Wald
und Naturgefahren des Kantons Glarus.