Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr. med. Job Harenberg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Univ.-Prof. Dr. med. Dr.-Ing. Holger Kiesewetter
Hämostaseologicum Berlin
Einz
elpr
eis:
EU
R 3,
99
vascular carePraxis und Forschung im Trend
2|2010
Antikoagulation bei HIT II
Sonderfall Intensivpatient
Herausforderung
Patienten mit erworbener Hemmkörperhämophilie
Thrombosen nach Drogenmissbrauch
Spektakulärer Krankheitsverlauf einer Fixerin
Titel
2 Vascular care 2/2010 Vol. 19
Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr. med. Job Harenberg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Medizinische Fakultät Mannheim
Klinische Pharmakologie
Maybachstraße 14
68169 Mannheim
Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Institut für Transfusionsmedizin
Luisenstraße 65
10117 Berlin
Univ.-Prof. Dr. med. Dr.-Ing. Holger Kiesewetter
Hämostaseologicum
Mohrenstraße 6
10117 Berlin
Wissenschaftlicher Beirat:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Susanne Alban
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Pharmazeutisches Institut
Fachbereich Pharmazeutische Biologie
Univ.-Prof. Dr. med. Bettina Kemkes-Matthes
Universitätsklinikum Gießen und Marburg
Schwerpunkt Hämostaseologie
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Kujath
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Lübeck
Klinik für Chirurgie
Univ.-Prof. Dr. med. Bernd Pötzsch
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Institut für Experimentelle Hämatologie
und Transfusionsmedizin
Univ.-Prof. Dr. med. Werner H. Rath
RWTH Aachen
Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Prof. Dr. med. Lothar Röcker
Freie Universität Berlin
Institut für Physiologie
Fachbereich Physiologie
Univ.-Prof. Dr. med Abdulgba Salama
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Institut für Transfusionsmedizin
Luisenstraße 65
10117 Berlin
Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Helmut Schinzel
Universitätsmedizin Mainz
II. Medizinische Klinik und Poliklinik
Univ.-Prof. Dr. med. Reinhard Schneppenheim
Universitätskrankenhaus Eppendorf
Kinderklinik
Abt. für Pädiatrische Hämatologie
und Onkologie, Fachbereich Pädiatrie
Univ.-Prof. Dr. Christian Scholz
Universität des Saarlandes
Lehrstuhl für Organisation, Personal-
und Informationsmanagement
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Kanzlei Ulsenheimer Friederich
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München
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Impressum
Kasuistik
PeTer KuJaTH, MarTIN HoFFMaNN, FlorIaN M. VoGT, KlINIK FÜr cHIrurGIe, uNIVersITÄTsKlINIKuM scHlesWIG-HolsTeIN, caMPus lÜBecK
Drogenkonsum mit dramatischen Folgen: Spritzenabszess, Beckenvenenthrombose, Lungenembolie
28 Vascular care 2/2010 Vol. 19
Abbildung 1:
angio-computertomografie
des Beckenbereichs. Die
lufteinschlüsse sind durch
Pfeile markiert.
Drogenabhängige injizieren ihre Dro-gen häufig intravenös [5], um schnell eine anflutung mit rauschartigem effekt, einen so genannten Kick, her-beizuführen. Nicht selten ist dabei der Zugangsweg die Vena femoralis im Bereich der leiste. Die häufigen einsti-che in die Venen können zu abszessen und in Folge zu weiteren dramatischen ereignissen führen, wie im vorliegen-den Fall einer 44-jährigen drogensüch-tigen Patientin.
Die polytoxikomane Patientin betreibt seit gut 15 Jahren oralen, nasalen sowie intramuskulären und intravenö-sen Drogenabusus. Dazu verwendete sie die marktüblichen rauschmittel wie Morphinderivate (Heroin), canna-bis und Kokain sowie unterschiedliche sedativa. seit drei Jahren nimmt die Patientin am Polamidon-substitutions-programm teil.
Anamnese: Bei der hier beschriebe-nen Patientin war es in den letzten fünf Jahren infolge vielfacher Punktio-nen wiederholt zu abszedierungen in der leistenregion gekommen. Im wei-teren Verlauf hatte sich eine Thrombo-phlebitis der Vena femoralis commu-nis gebildet. Perivaskuläre abszesse waren in halbjährlichen abständen ins-gesamt dreimal operativ in verschiede-nen chirurgischen abteilungen revidiert worden. Mittlerweile war es zu einer Destruktion der thrombosierten Vena femoralis superficialis gekommen.
Die Patientin wurde aufgrund einer sich aktuell erneut entwickelnden Infektion im Bereich der linken leiste (Körpertemperatur 39,8°c, leukozyten 12.000 c/µl, crP 350 mg/dl = Norm 5 mg/dl) zur stationären Behandlung in die chirurgische Klinik des universi-tätsklinikums schleswig-Holstein, cam-pus lübeck, eingewiesen. Dort wurde zunächst eine computertomografie (cT) des Beckens durchgeführt.
Diagnose septische Beckenvenen-thrombose: Im angio-cT ließ sich ein Fistelsystem mit Vernarbungen im Bereich der linken leiste nachweisen. Die entzündlichen Veränderungen wei-teten sich nach retroperitoneal aus.
Ferner wurde eine Thrombose der Vena femoralis superficialis festgestellt, die sich in den Bereich der Vena femoralis communis und der Vena iliaca externa fortsetzte. Mehrere lufteinschlüsse im Bereich der Beckenvenenthrombose waren im cT-Bild sichtbar (abb. 1).
Die Diagnose lautete septische Becken-venenthrombose links mit multiplen abszessen.
Kasuistik
Vascular care 2/2010 Vol. 19 29
Initiales therapeutisches Vorge-hen: es wurde umgehend eine kalku-lierte antibiotische Therapie mit einem carbapenem (3 x 1g) und Vancomy-cin (2 x 1g) eingeleitet. Zur Thrombo-embolieprophylaxe erhielt die Patientin Dalteparin (5.000 I.e.). Zeitgleich mit der cT-untersuchung trat bei der Pati-entin ein septisches schockgeschehen auf.
Während initial die lungenübersicht einen altersentsprechenden Thorax zeigte, kam es in der akutsituation zu einer schweren vollständigen Verschat-tung beider lungenflügel (abb. 2).
Die Patientin war bei respiratorischer Insuffizienz fünf Tage beatmungs-pflichtig.
Das Kreislaufversagen machte hohe Dosen Katecholamin notwendig. Die initialen entzündungsparameter stie-gen tendenziell weiter an. Zusätzlich wurde noch eine chronische Hepatitis-c-Infektion nachgewiesen.
eine transösophageale echokardiogra-fie ergab außer einem kleinen Vorhof-septumdefekt keinen pathologischen Befund und insbesondere keinen Hin-weis auf eine endokarditis.
Nach stabilisierung der Kreislaufver-hältnisse wurden die linke Vena iliaca externa und Vena iliaca communis frei-gelegt. Der Zugang erfolgte von retro-peritoneal. Dabei fanden sich starke entzündliche Veränderungen nicht nur in der umgebung der Gefäße, sondern auch im retroperitonealen Bereich. Nach ausklemmen der Vena iliaca communis und Vena iliaca interna wurde die Vena iliaca externa eröffnet und ein zerflie-ßender septischer Thrombus extrahiert. aufgrund der schweren entzündlichen Veränderungen war eine rekonstruk-tion der Vena iliaca externa nicht mehr möglich. Die Vene wurde am Über-gang zur Vena iliaca interna und Vena iliaca communis abgesetzt (abb. 3). Im abstrich der Iliacalvenen war ein Gemisch aus staphylococcus aureus und β-hämolysierenden streptokokken nachweisbar.
Abbildung 2:
computertomografie des
Thorax. linke abbildung vom
2. september 2009 zeigt einen
altersentsprechenden Thorax.
In der rechten abbildung, die
drei Tage später aufgenom-
men wurde (5.9.09), sind eine
fleckförmige Verschattung
beider lungenflügel sowie eine
kräftige ergussbildung beidseits
deutlich zu sehen.
KasuistikKasuistik
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Im weiteren Verlauf waren die ent-zündungsparameter nur mäßig rück-läufig. Daher wurde ein weiteres Mal eine computertomografie des Tho-rax durchgeführt; im cT-Bild zeigte sich linksseitig ein lungenabszess im Bereich des apikalen unterlappenseg-ments 6.
Die Patientin hatte immer noch eine hohe Körpertemperatur. Da eine Infek-tion im operierten Bereich der linken Beckenvene ausgeschlossen werden konnte, wurde die Indikation zur ope-rativen entfernung des lungenabszes-ses gestellt.
Die laterale Thorakotomie erfolgte drei Wochen nach der stationären auf-nahme. Dabei fand sich eine im Durch-messer 3 cm große abszessforma-tion im apikalen unterlappensegment (abb. 4). es wurde eine segmentresek-tion durchgeführt. Die histologische Begutachtung des operationspräparats bestätigte den abszess mit einer leu-kozytären Demarkation eines frischen hämorrhagischen lungeninfarkts.
Ferner konnten multiple, teilweise in Beginn der organisation stehende Thromboembolien nachgewiesen wer-den, die zu einem lumenverschluss der segmentarterien führten. Der intraope-rative abstrich des lungenabszesses entsprach nach mikrobiologischer Iden-tifizierung dem abstrich aus der Iliacalvene.
Weiterer Verlauf nach der Abzess-entfernung: Postoperativ kam es rasch zur entfieberung der Patientin, die entzündungsparameter gingen zurück. Die Drainagen konnten zeitge-recht entfernt werden. acht Tage nach der Thorakotomie wurde die Patientin in gutem allgemeinzustand entlassen.
Entlassung der Patientin: Zum ent-lassungszeitpunkt erhielt sie 2 x 8 ml Polamidon täglich. Das linke Bein zeig-te klinisch noch eine leichte schwel-lung und umfangsvermehrung. Zur sekundären Thromboseprophylaxe wurde der Patientin postoperativ für drei Wochen Fondaparinux (1 x 5 mg, beginnend ab dem 2. postoperativen Tag) verordnet.
Nach eingehender interdisziplinärer Diskussion konnte man sich aufgrund des chronischen i.v.-Drogenabusus bei der Patientin und der damit verbunde-nen erhöhten Gefahr von unkontrol-lierten stürzen und Verletzungen sowie der vielfachen intravenösen Injektionen nicht zu einer oralen langzeitantiko-agulation entschließen.
Abbildung 3:
septische Thrombose der V. iliaca
nach spritzenabszess: Das linke
retroperitoneum ist eröffnet. Die
a. iliaca communis und externa
verlaufen längs des operationssitus.
Im lager der resezierten V. iliaca
externa ist ein hämostyptischer
streifen (a) eingelegt. Darüber die
unterbindung (b) der Beckenvene
am Übergang zur V. iliaca com-
munis am einstrom der V. iliaca
interna. (a) (b)
Kasuistik
Vascular care 2/2010 Vol. 19 31
Epikrise: Bei der Patientin bestand das seltene Krankheitsbild einer septischen Beckenvenenthrombose. oft ist diese mit gynäkologischen erkrankungen assoziiert [3, 4]. Die abklärung erfolgte durch eine angio-computertomogra-fie. Dies ist insofern von Bedeutung, als die meisten Patienten mit einem i.v.-Drogenabusus die leistengefäße durchstechen; in der Folge bilden sich retrovaskuläre Fisteln und abszesse, die klinisch nicht immer leicht zu erken-nen sind.
Die Diagnose wurde aufgrund der luft-einschlüsse im cT gestellt. Wegen der hohen Gefährdung der Betroffenen durch eine Verschleppung der infizier-ten Thromben mit konsekutiver septi-scher lungenembolie besteht bei einer septischen Venenthrombose immer die Indikation zur operativen Thrombo-ektomie.
ursachen septischer Thrombosen sind zumeist Prozesse wie bei der hier beschriebenen Patientin oder iatro-gene Infektionen der Jugularvenen und der Vena cava superior durch infizierte Katheter. septische Thrombophlebiti-den der Jugularvenen, oft durch Fuso-bakterien verursacht, werden auch als lemierre-syndrom bezeichnet [1].
Neben der Gefahr einer septischen lungenembolie besteht auch ein risiko für eine rechtsherzendokarditis. Diese konnte im vorliegenden Fall aber aus-geschlossen werden. eine bakterielle Thrombose sollte immer auch beglei-tend antibiotisch behandelt werden.
Indikation zur Resektion: aufgrund der hämorrhagischen Infarzierung nach der lungenembolie und des sich daraus entwickelnden lungenabszesses wurde in dem hier vorgestellten Fall die Indi-kation zur resektion des lungenabs-zesses gestellt [2, 6]. Diese Maßnahme verbesserte den Zustand der Patientin unverzüglich. Bei der nachgewiesenen hämorrhagischen Infarzierung mit Zer-störung des Gewebes war eine restitu-tion dieses lungenabschnitts nicht mehr möglich.
auch wenn nach resektion der Iliacal-vene kein akutes lungenembolierisiko mehr bestand, wurde die Verordnung einer passageren antikoagulation dis-kutiert. Wegen der operierten Becken-venenthrombose mit folgender lungen-embolie wäre diese indiziert gewesen. aufgrund der starken Gefährdung der Patientin durch ihre Drogensucht (unkontrollierte stürze und Verletzun-gen sowie häufige Injektionen) musste im vorliegenden Fall jedoch von einer oralen langzeitantikoagulation abgese-hen werden.
Abbildung 4:
lungenpräparat eines etwa 3 cm
großen lungenabszesses (la). Das
Gewebe zeigt eine hämorrhagische
Infarzierung, die sich durch die
Infektion in auflösung befindet.(LA)
Kasuistik
32 Vascular care 2/2010 Vol. 19
Literatur
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methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA)
finds a new home. J Emerg Med 37(2) Aug (2009)
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5. Kaiser MM, Kujath P, Müller G, Bruch HP: Treatment
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tions. Chirurg 68(10) Oct (1997) 1029–34
6. Sözener ZC, Kayal A, Atasoy C, Kilickap M, Numa-
noglu N, Savas I: Septic pulmonary embolism: three
case reports. Monaldi Arch Chest Dis 69(2) Jun
(2008) 75–77
KorrespondenzadresseProf. Dr. med. Peter Kujath Universitätsklinikum Schleswig-HolsteinCampus Lübeck Klinik für Chirurgie Ratzeburger Allee 16023538 Lübeck
PeTer KuJaTH, MarTIN HoFFMaNN, FlorIaN M. VoGT, KlINIK FÜr cHIrurGIe, uNIVersITÄTsKlINIKuM scHlesWIG-HolsTeIN, caMPus lÜBecK
Termine – Kongresse 2010
Mai 2010
05.05. – 07.05. Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit Berlin
07.05. – 08.05. AngioUpdate 2010 der Deutschen Gesellschaft für Angiologie Wiesbaden
10.05. – 12.05 International Society for Laboratory Hematology (ISLH 2010) Brighton, United Kingdom
11.05. – 14.05. 113. Deutscher Ärztetag Dresden
14.05. – 18.05. 6th International Platelet Symposium (Platelets 2010) Ma‘ale Hachamisha, Israel
07.05. – 08.05. onkologietagung Innsbruck 2010 - Der ältere Patient in der onkologie Innsbruck, Österreich
Juni 2010
04.06. – 08.06. ASCo - American Society of Clinical oncology 2010 Chicago, USA
09.06. – 12.06. 42. gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und notfallmedizin (DGIIn) und der ÖGIAIM
Berlin
10.06. – 13.06. 15th Congress of the European Hematology Association Barcelona, Spanien
19.06. – 22.06. Deutscher Anästhesiekongress der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
nürnberg
25.06. – 26.06. Update Hämatologie / onkologie 2010 unter der Schirmherrschaft der DGHo Duisburg
Kongress-Service
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Neu
Socio-medico Verlag & Agentur
für medizinische Informationen GmbH
Pettenkoferallee 29
82402 Seeshaupt
T: 08178-905031
F: 08178-905032
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