7/25/2019 Gasschutz Und Luftschutz 1936 Nr.3 Mrz
1/29
NR 3
6.
JAHRGANG
BERLIN
IM MRZ 1936
ZEITSCHRIFT FR
DAS
GESAMTE
GEBIET
DES GAS UND LUFTSCHUTZES DER ZIVILBEVLKERUNG
MllTEILUNGSBL TT
MTLICHER N CHRICHTEN
ber
die
seelische
Aufnahmebereitschaft
fr Luftschutzfragen
Gerhard M u e
11
e r - R e i e
h a u j *):
.Das Jahr
19.35 hat
uns drei bedeutungs\'
olk
DlCnstpflichtgcsetze gebracht: das 'Wehrgesetz, das
Gesetz ber die
Arbeitsdienstpflicht und
da L u f t
sehutzgesetz.
Alle
drei
bedeuten sehr
tiefe
griffe 'in das Privatleben des
einzelnen
V o l k s g e
nossen;
von
keinem
der
beiden ersteren aber
w e r ~
d
f
en derartig
breite
Massen aller Volksschichten
a ~ t wie
vom
L u f t s
eh
u
tz
g e
se t z. Zwar
~ f h c h t c t bereits
das
Wehrgesetz jeden
deutschen
ann und
jede deutsche Frau
ber
die eigentliche
Wehrpflicht
hinaus
zur Dienstleistung fr das
Vaterland; auch die
Arbeitsdienstpflicht ist
nicht
n ~ r
fr die
jungen
Mnner,
sondern ebenso
fr
~ ~ e
h e r ~ n w a e h s c n d e
weibliche
Jugend
vorgesehen;
DI
e Luftschutzpflicht
aber bestimmt, da al l
e
eutschen,
neben
den Mnnern
und Frauen
also
i ~ c h Jugendliche, zu Dienstleistungen
und S a c h
e}stungcn sowie zu Handlungen,
Duldungen und
hlhterlassungen
verpflichtet
sind, die
zur D u r c h
1 ung des
Luftschutzes
erforderlich werden.
Mit
R
lem
Recht kann
deshalb
der
Prsident des
G e i ~ h s l u f t s c h u t z b u n d e s , Generalleutnant a.
D.
r
1
m m
c,
von diesem
Gesetz
sagen:
E
s
SChaf f t e ine V o l k s g e m e i n s c h a f t im
R ~ h m e n d e r L a n d e s v e r t e i d ig u n g w i e
N.
r
s ie b i sh e r n i c h t g e k a n n t h ab en .
odlemand
ob M a n n o d e r F r au ob j u n g
Or a l t ob s c h w a c h o d e r s t a r k w i rd
vOn d i e s e r V o l k s g e m e i n s c h a f t a u s ~
ge n.o m m e n." Um so aufflliger kann es
~ e h e I n e n da den Fragen
des Luftschutzes in
/n . b ~ e i t e n Volksmassen noch bei weitem nicht
lasJemg
e
Verstndnis
entgegengebracht wird,
das
ler
Wehrpflicht und der
Arbeit
dienstpflicht
al1
;
gemein gezollt wird.
'Voran
liegt das?
ger
Gedanke
der
allgemeinen
Wehrpflich
t ist
~ I ~
mehr
als einem Jahrhundert ein wesentlicher
,e1\
des
gesamten Volksempfindens
geworden,
nIcht, anders als die allgemeine Schulpflicht.
Die
~ r b e J t s d i e n s t p
f l i h t
yerkrpert
gewissermaen
Cll1e Ergnzung
dieser beiclen.
wird
jedenfalls im
\ 'olksbewutscin nicht wesentlich anders beurteilt.
Vor allen Dingen aber sind diese drei - die e h r
pflicht wenigstens scheinbar - z
ei
t I
i ch
b e
g
r en
z
1. Man hat
die Schulzeit hinter sich, man
hat
den Arbeitsdienst
durchgemacht,
man hat
sein
Jahr
abgedient;
damit ist
- insonc1erheit bei
Schule
und Arbeitsdienst
- dem
Gesetze Genge
getan
und
das persnliche Freisein
\'on
diesen
Pflichten
wiedererlangt.
Die Wehrpflicht
erstreckt
sich
zwar
noch auf eine ganze Reihe \'on
Jahren;
ber
das
bedeutet
in friedlichen
Zeiten
doch
nur
ein Bereitsein,
hchstens
ein Eingezogenwerden
zu
verhltnismig
kurzen Reservebungen.
Ganz
anders ist
es dagegen mit
der
Luftschutzpflicht
Und
hier scheint mir der
wesentliche
Punkt zu
liegen,
von
dem ausgegangen werden
mu
, wenn
die
Aufnahmebereitschaft
fr Frauen des
L u f t
schutzes
im ganzen
Volke
so
vorbereitet und
pflegt
werden
soll, da
Jer
Gedanke der
L u f t
schutzpflicht
ebenfalls
selbstverstndliches
e
Illcingut aller
Volksgenossen
wird.
Der
L u f t s c h u t z
pflicht unterstehen
wir im
m e r von
der
frhen
Jugend bis ins hchste Alter; da gibt es keine .
liehkeit, einmal zu sagen: ich
habe
sie
hinter
mir,
ich habe sie
abgedient oder
iihnlieh. Die L t l f t
schutzpflicht ist eine V e r p f li eh t u n g
zu
I e
b en s
I
n g
I i ch e m D
i e n s t an und
in der
Volksgemeinschaft; sie bedarf deshalb in ganz
anderem und hherem
lae
als jene anderen
Dienstpflichten der festen Fundamentierurtg im
Volksbewutsein
durch
Erziehung. Sie kann und
mu
somit
zu einem besonderen Ausdruck i n n e r
lieh gowollter
und
in die
Tat
umgesetzter
n a t i o n a l
sozialistischer
berzeugungstrcue
im
Dienst
am
Ganzen werden.
Da
solche
Erziehungsarbeit notwendig
ist.
drfte
von keiner Seite
bestritten
werden.
Mit
welch ausgezeichnetem Erfolge sie
der
R e ie h s
* Whrend der u n ~ dies cr Arbeil lrifft
die
schmerzliche
Nach
ri ch t
ein
da ihr Verfasser am 11 Fehruar an
den
Folgen e in
es
Auloun f. l lcs
versc
hi eden ist. D. h r i r t l l
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I u t s c
hu t
z b
und
bisher
bereits geleistd
hat,
das
bcweist
seinl: j
\litgliederzahl von rund
sicben
:vlillionen, cine Zahl, die
berdies schon vor Erla
des
Luftschutzgesetzes
nahezu erreicht war. Um
so wichtiger
ist
es
jedoch,
das
Interesse
an den
Fragen des Luftschutzes immer
weiter
zu weckcn
und zu ycrtiefcn, wcil seit
dem
Bestehen des Luft,
sehutzgesetzcs und
zugleich wegcn der
y e r h ~ i l t n i s
mig hohen .
\lit
gliedsza
hlen
des Reichsluftschutz '
bundes das
Volk
Gefahr luft,
einem uralten
Erb,
fehler anheimzufallen,
der darin bestcht, da
man
sich
auf Vater
Staat, auf das Gesetz und auf die
anderen
verhit. \ i l l i o n e n f c h konntc mall
l:S
wiihrend des Krieges erleben,
ua der brave
da '
heimgebliebene Brgersmann - in durchaus
ehr'
liehem
und
gutem Glauben - die
uerung tat:
..
Unsere Feldgrauen
werden
es schon schaffen ".
zugleich in der Heimat die Durehhaltestimm\1ng
ve rdarb und den allgemeinen Wehrwillen untcr '
grub, indem cl' nrgelte
und
meckerte, weil die
Nahrungsnot
und
der Kohlcnmangel auch in seine
liebgewordenen Privatge\\'ohnheitell
mit seht
rau '
her
Hand
eingriffen. "Der Luftschutz wircl's
schon
schaffen " - so
denken
zahllose \ olksge'
nossen
auch
heute,
ohne
sich
darber
klar
zu wer '
den, da sie gesetzlich auch zu ihm gehren. l\\an
hofft dann etwa so: "l\ \ich werden sie ja nicht
gerade heranholen, wcnn es Ernst wird. - Sie
haben
ja masscnhaft ausgebildete Leute " Solcher
Geist - und es hat keinen Zweck. zu vcrscl1'l.\'ci,
gen, da er im Volkc noch weit verbreitet ist -
mu ausgerottet werden.
Und dazu
dient
die Erziel1Ung - gcbrauehen
wir ruhig den
Ausdruck
"Propaganua" oder
"Wer'
bung". Es gibt zahllosc Definitioncn fr den Be'
griff "Werbung"; einc m gc hier gengen. n sciner
Arbeit "P
r 0 p aga n d
l
s W a f c" erklrt
i\ \
ajor DrAng.
Albrecht
BI
au das Wesen der
Werbung
als
"darauf
gerichtet, cine sec
li
schc Be'
l:influssung auf andere Menschcn auszubcn in der
Art, da dcr
Werbende
den Umworbenen be'
s timmto seelische
Antriebe
erteilen will, die diese
wieder zu bestimmter Stellungnahme und VerhaI,
tensweise bewegen sollen" und fhrt dann fort:
"jede Werbettigkeit
setzt
daher -eine notwendige
Durchforschunu der seelischen Struktur der Um '
worbellen und 'das Eingehen auf die Eigentmlich ,
keiten ihrer Triebe, ihrer Bedrfnisse lind Ziel
setzungen voraus."
Die Eindrcke, die fnfzehn
Jahre
der Schmach
in der Volksseele
hintcrlassen
haben.
knnen
sel
bstverstndlich nicht
wie KreidesehrHt
auf
einer Tafel mit einem nassen Schwamm im I-
land
,
umdrehen ausgelscht werden.
Fnfzehn
.lahre lang
ist
versucht worden, dem deutschen Vo lke den
angeborenen Wchrgeist auszutreiben; und es hat
wahrlich der rastlosen
Arbeit
der Besten bedurft,
diesem Versuch einen Damm entgegenzusetzen,
der stark genug war, seinen vollen Erfolg zu
ver'
eiteln.
Trotzdem
haben diesc Versuche Spuren
hinterlassen, die auch heute noch genug bemerk,
bar sind. Darum in erster Linie betreiben alle ver'
antwo rtungsbewutcn Stellen heute die wehr,
ge
istige Erziehung;
und
zu ihr
gehrt
die Wer,
bung fr die Fragen des Luftschutzes. Nur, wenn
sie in diesem Sinne, als Teil -
und
als
nicht un
,
wichtiger Teil - der Gesamtwerbung fr die
Er'
starkung
des
Wehrwillens, aufgefat und betric
,
hen
wird,
kann
sie Erfolg haben.
Man st
keinen Weizen
auf ein Stoppelfeld; dcr
Boden mu
erst
vorbereitet, fr die auszustreuende
Saat
aufnahmebereit
gemacht werden. 'Wenn das
in richtiger Form und erforder lichem .Y\ae ge,
8
sehdwll
ist, so wiru die
Saat den Erwartungen ent'
spreche
nd
aufgehen.
Wo Werbung mit Aussicht
auf Erfolg
betrieben
werden soll, mu also
ZU "
vrder
t die
Auf
nah
me bel '
e i t s c h a t ge'
schaffen
werden. Den
besten Bewcis dafr
haben
wir ja im Kriege e rl
ebt:
es
wollte
uns
oft
genug
verwunderlich
erscheinen, wie
schn
ell es .
der
Entente
mit
ihren Propagandalgen gelang, fast die
ganzu \Vclt gegen
uns aufzuhetzen; und
doch
war
das
gar
nicht so
erstaunlich,
weil eben die Auf ,
nahmcbercitschaft
fr diese
Hetzc seit
langen
Jahren gcschaffen
wordcn
war. Hatte sich doch die
ganzo \Velt ihre
Ansichten
ber die in Deutsch,
lanu
herrschenden
Zustii.nde fast ausschlielich
aus dem "Berlin
er Tageblatt",
dem "Simplizissi'
mus" und iihnlichen Presseerzeugnissen zusammen '
konstruiert und
kon
struieren mssen . weil die hin '
ter diesen
Blttern stchende
.luden
sehaft
dafr
sorgte, da
nur
sie an allen wichtigen
Punkten
der
'Welt als "deutschc" Bltitter auslagen. Da
war
nachher
der Boden fr die
Ha,
und Hetzsaa t in
der Tat hinreichenu \'orbereitet -
Die "Durchforschung
der
seclischen Struktur der
Umworbenen" als Voraussetzung fr
jede
Werbe ,
ttigkeit
bedeutet nun
aber noch keine
Schaffung
der Aufnahmebereitschaft,
sondern
nur die Fest,
stellung, ob diese vorhanden ist. Die "Eigentm ,
lichkeiten ihrer Triebe.
ihrer
Bed
rfnisse und
Ziel ,
setzungen"
knnen
sich bei dieser Durchforschung
"ouar
als der
Aufnahmebereitschaft
stracks
en t
'
gcgengesetzt erweisen.
Dann
beginnt die
schwerste
.
aber
wichtigste Aufgabe der Propaganda: die
einem Verbungserfolge
widerstrebende Gesamb
~ r u n d l g e der seelischen Struktur zu wandeln
Wo sich bei der Werbung fr die
Idee
dcs
Luft
,
schutzes
diese :-Jotwendigkeit ergibt, mangelt es
-
ausnahmslos
- an
einer
der beiden bereits ge,
kennzeichneten Grundbedingungen:
an
der
natio
,
nalsozialistisehen bcrzeugungstreue zu tatgewolI,
ter Dienstlcistung fr die Volksgemeinschaft
oder
an dem Verstiinclnis fr die vaterlndische
Not,
wendigkeit eines
allumfassenden
Wehrwillens. "Vo
jedoch
diese beiden tatschlich
vorhanden
sind, da
ist
auch die
Aufnahmebereitschaft
fr Fragen des
Luftschutzes
immer
vorauszusetzen. Die
dann
ein ,
setzende Werbung darf aber naturgem das ge'
forderte
Eingehen
auf die
Eigentmlichkeiten
der
Um\vorbenen nicht vermissen lassen. Di e Be'
wohner eines Industrieortes mssen
selbstverstnd
,
lich anders
angefat werden
als diejenigen eines
ausgesprochenen Bauerndorfes ; das
ist
eine Bin'
senwahrheit, deren Forderung
am
leichtest
en
zu
erfllen
ist
bei der Werbung durch die Rede :
wer
Luftsehutzwerbcvortrge halten wollte, ohne sich
jeweils auf die allerverschiedensten Zuhrerkreise
in
Stadt
und Land
ein, und
umstellen zu
knnen
,
soll die Finger davon lassen Er verdi rbt mehr, als
er etwa
ntzen
kann. "Veit schwieriger
ist
die
Auf
,
gabe der Werbung fr die Presset),
insonderheit
die,
jenige Tagespresse, die ihre Leser sowohl in der
industriereichen
Stadt
als auch auf dem buerlichen
Dorfo hat, die sich mit dem einmal gedruckten
"Vort an die verschiedensten Bildungskreise und
Berufsschichtcn wendet. Will diese Presse ihrer
Aufgabe hinsichtlich der Luftschutzwerbung unter
allen
ihren Leserkreisen
gerecht
werden,
so
wird
sie nicht umhin knnen. dio gleichen Fragen von
immer wieder anderen Gesichtspunkten
aus zu be '
lcuehten. Bringt sie aber Berichte ber Luftschutz '
werbeveranstaltungen in der alten
Form
der Ver '
einsberichterstattung - man findet das Icider im'
I) Vgl.
darber
auch E. Hampe:
I'o
chmals Presse und Luftschutz . In
..
Gasschutz und
Lurtsohut z" . 4. . 64 (Mr z). 1934 .
7/25/2019 Gasschutz Und Luftschutz 1936 Nr.3 Mrz
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I ~ e r noch y e r h l t n i s m ~ i i g hufig - ,
dann
hat sie
eIne gute Gelegenheit, erzieherische Arbeit zu
~ t e n ; nutzlos verpat. ieht die Tatsache, da
In Langendorf
eine
Luftschutzwerbeveranstaltung
stattgefunden hat, bei der dieser oder jener Redner
den Zuhrern "mit eindring
lichen
Worten
die
wendigkei t der
Grndun(J
einer Ortsgruppe
des
Reichsluftschutzbundes ;ns Herz
gelegt
hat,
woraufhin
sich
eine
erkleckliche
Anzahl der n
wesenden
zum Eintritt bereit erklrte", ist
die
Hauptsache;
die
bestnde vielmehr darin, mit
mglichst
ebenso berzeugenden Ausfhrung en
n ~ n m e h r auch andere, die
an jener Veranstaltung
~ e h t teilgenommen haben,
aus
dem
Schlafe zu
rutteln.
Dabei knnen
den Zeitungen, besonders
wenn
es
sich
um ach
richten
von
-
auswr
ts h a n ~
delt,
in der Regel jedoch keinerlei
Vorwrfe
macht
werden,
da s ie
auf
ihre Berichterstatter -
meistens wohl die
Pressewarte der Ortsgruppen
-
angew
ie
sen sind.
.
Daraus ergibt
sich, da auch in dieser I
Jinsicht
dIe f r a g e d e r P e r s n I i c h k e i t eine
schlaggebende Rolle sp ielt. Jeder, ob 1 lann
oder
Frau,
der dazu berufen wird,
in
irgendeiner Form
am Vorwiirtstreiben der Luftschutzfrage m i t Z l l
arbeiten, ganz
gleichg ltig, ob in der Stadt oder
auf
dem
Laml e, mu nicht nur die Materie
herrschen , sondern
yor
allen Dingen selbst r e s t
1
durchdrungen sein
von
den Fundamentalfop
derungen fr die gesam te
LuFtschutzidee:
G e
me i n s e h a f t s
v
i I I e nun d W e h r w i l l e n.
Ein anderer wird niemals eine richtige
A u f n a h m e
bereitschaft fr die Fragen
des
Luftschutzes s c h a f ~
fen, ja,
etwa
vorhander'le
nie
voll
auswerten
Luftschutzgesetze
bestehen heute
in
vielen
S t a a
K
t e ~ ; berall aber
auch beseh ftigen sich fhrende
opfe mit den Fragen,
wie
die
Volksmassen von
der
Notwendigkeit
des Luftschutzes zu
b e r z e u
gen sind
und
we r als der
geeigne
tst
e
Trger
d i e ~
s ~ . r Werbung gelten kann. Aus der berreichen
{ulle
der
diesbezglichen
Ausfh
rungen b e d e u t e n
der
1nn
er der verschiedensten Staaten sei hier
nUr
ein vVort des bekannten franzsischen G e ~
nerals
i e s se I
wiedergegeben,
der den L u f t ~
schutz durchaus als militrische Aufgabe
auffat;
l r sagt: "Selbst nach dem \\ 'ehrpfliehtalter hat
der Brger noch eine militrische Pflicht zu
fllen: cl' mu
jederzeit
den jungen Leuten Pflicht ,
gefhl predigen und selbst das Beispiel dafr
leben. Der Luftschutz darf ferner der Front keinen
K.iimpfcr entziehen; dia
nicht
mehr w e h r p f 1 i c h t i
gen Leute finden hier ein weites
Feld
der
Betiiti,
gung.'
Das
erstere sind Wortc, die genau das
wiedergeben,
was wir alten Soldaten
auch in
Deutschland immer empfunden haben: wir haben
-
anders ausgedrckt
- die
nie aufhrende
Pflicht, den
jungen
Leuten unseren
eigenen
alten
\Vehrgeist zu predigen und yorzulebcn. Und
dazu
bietet
auch
denjenigen unter
uns, die
nieht mehr
wehrpflichtig,
vielleicht auch nicht mehr
wehrfhig
sind, der Luftschutz
- wie
GCI1l
:ral "iessel dies
sagt
- ein
weites
Feld
der
3 tiitigung. Wir alle
haben doch
die vViedereinfhrung
der
allgemeinen
\
Vehrpflieht in erster Linie
als die \ V i e d c r h e r s t e l
lung eines R
0
c h
te sangesehen Nun bidet
uns
das Luftschutzgesetz die
.
\'lgliehkeit, das hchste
Recht
des
deutschen
.\t1annes,
an der Verteidigung
des
Vaterlandes mitzuarbeikn,
aueh
dann noeh
auszuben,
wenn wir nicht mehr
\Vaffen
tragen
knnen.
Wie
viele
unserer Vter,
die
als
junge
Mnner
anno
70 in den Sattel
gestiegen
waren.
haben
9 4
bitterlich darunter
ge
litten,
da
sie
uns nun
allein
reiten
lassen
muten und selbst
nicht mehr der Ehre
teilhaftig
werden
konnten,
mitzutun
bei
der
Abwehr
der feinde
-
Soll
die
AufnahmebereitscJuft
fr
die Fragen
des Luftschutzes im ganzen
Volke
so
gefrdert
werden, wie es in \ Vahrheit nottut, dann mssen
auch die Millionen der alten Soldaten mobilisiert
werden, fr die das Dienen immer in erster Linie
ein Recht,
erst
in zweiter Linie eine Pflicht
wesen i
t
fr die
Kameradschaft
und V o l k s g e m e i n
schaf
t ,
Nationalsozialismus und
vVehrwiJIe
v o n e i n
anller untrennbare Begriffe sind . Soll das ganze
Volk
auch im Luftschutz wahrhaft zusammen.
tehen,
dann
mu
Gemeingut
a
ll
er Volksgenossen
werden, was der Reichsminister der
Luftfahrt,
H
0
r m a n n
G r
i n g, gesagt ha t: 0 e r K m
fe r
f r d e n L u f t s c h u t z h a t l l enau so
' " i e I V e r a n t w 0 r
t un
g u n d so ; ; i e I E h r e
w i a j cd e r r r
0
n t
so
l l a t
I
er Schutzraumbedarf einer Grostadt
Dr.-Ing. Kurt
W i e
n
cl i e c k . Dsselclorf
d
Zweck und
ufgabe
der S e h u t z r ~ i u m e sind dureh
. ~ n
einleitenden Satz
zum
Abschnitt VI der
V o r ~
laufigen
Ortsanweisung"
wie folgt eindeutig
f e s t ~
gelegt:
Der Schutzraum dient der Bevlkerung
E'hrencl
eines Luftangriffes als Aufenthaltsraum.
d
r soll gegen die
Wirkung der Sprengsteke und
er Detonation von Brisanzbomben, gegen V e r
schuttung und chemische Kampfstoffe schtzen.
Umfang
und Art
der
den fr
Vorbereitung und
Durchfhrung des Bevlkerungsschutzes yerant .
Wortlichen St
ellen
gestellten Aufgabe knnen auch
ddureh
folgende Einzelfragen gekennzeichnet wep
en:
1
W i e
ist
zu
schtzen?
2 W o
is t zu
schtzen?
3
W e r
ist
zu
schtzen?
.Die erste Frage
berhrt
vorwiegend die t e e h
nISche Seite und
kann
schon
heute
als
beantwortet
ge lten .
Die Erfllung der Grundfor
,
derungen
nach
E i n s t u r z S p l i t t e r ~ D e t o n a t i o n s d r u e k und a m p f
stoffsiche
rh e
it bietet grundstzlich
keine techni
sc
he
Schwierig
keit
mehr.
Aus der Vielheit der t e e h n i
sc
hen 1gliehkeiten
wird
ich bci
Vertiefung der
Erkenntnisse und Auswertung der im Laufe der
Zeit gewonnenen praktischen Erfahrungen das
und luftschutztechni
sch
Zweckmigste d u r e h
setzen.
Der '
ehutzraumbau ist
als teehni che
E i n z e l a u f
gabe somit kein Problem. Er ist
abe
r auch
nicht
so
sehr
ein
Finanzierungsproblem
- wie v i ~ l f a c h
a n ~
genommen wird
-
als vielmehr
eine Angelegenheit
der W e r
b u n g. Erst
wenn das
ganze
deutsche
Volk
durch stndige und intensive Werbung
zum
Luftschutzgedanken
erzogen und jede r einzelne
von
der
Notwendigkeit des Schutzes fr sich und seine
Familie sowie
von der
Bedeutung dieses Schutzes
fr die
Nation durchdrungen
is t, werden wir
zur
9
7/25/2019 Gasschutz Und Luftschutz 1936 Nr.3 Mrz
4/29
allgcmeincn Einfhrung \'on Schutzraumbauten
kommen.
In oer
Erkenntnis, da das
S c h u t z r a u m
problcm nicht
yon ocr Technik odcr
vom
E i n z e l ~
fall aus
oer
Lsung
nhergebracht
wcrden kann,
wird ocr
Luftschutztechniker - ob
er
will
oder
nicht -
unter
ncuer Zielsctzung und mit
v c r g r
ertem
Blickfeld den
Schwerpunkt
seiner
Arbeit
auf dem Gebiete des Schutzraumbaues verlagern
mssen. Nicht die Erarbcitung technischer Details
ooer Vcrbesscrungen,
nicht
die Ausfhrung
zelner Schutz
rume treiben
oie Dinge voran,
oern
Erkennen
und Anfassen
der Aufgabe als
~ \ c n e n p r o b l c m mit Hilfe von Organisation und
Statistik
und unter Bercksichtigung
volkswirb
sehaftlichcr und wchrpolitiseher Gesichtspunkte
heit
die Losung.
Da
fr
eubautcn
in absehbarer
Zeit
mit einer
entsprechcndcn
gesetzlichen Regelung zu rechncn
ist und
hier bei
der kontinuierlichen Summicrung
von
Einzelfllcn weder hinsichtlich Finanzicrung
noch Kapitalbcschaffung Schwierigkciten zu
b c r
winocn sind, knnen diese aus dem Kreis der Bc;
traehtungen
ausscheidcn.
Fr
die zur Erstellung
cines Schutzraumes in eincm Neubau
e r f o r d e r
lichcn baulichen
Manahmen rechnet
man heute
z.
B mit
einem Satz von 0,8 bis 1,2% der
e s m t
hausbaukosten, nach
andercn
Untersuchungen mit
50 RM.
Mehrkosten
je
erstellter
Wohnung. Der
nachtrgliche Einbau von S c h u t z r ~ i u m c n in v o r h a n
dencn
Gebuden wird
mit
35 bis 45 RM. je Kopf
der
Belcgung angegeben . Allein schon dicsc Zahlen
zeigcn die fr ein M i l l i o n c n
V o l k
ungeheure
volkswirtschaftlichc Bedcutung der Aufgabe, fr
alle Volksgenosscn ausreichenoe Schutzrume zu
crstcllcn. Es liegt auf der Hand, da bei der
wltigung dieses J\lasscnproblel11s fr a1le Planun '
gen, VOl'arbcitcn und Entseheidungcn der alles
berragcnde
Grundsatz
zu gelten hat, da Fehl,
dispositioncn
generell
und
im Einzelfall aus
n a t i o ~
nalwirtschaftlichen
und
wehrpolitischen Grnden
auf cin Kleinstma beschrnkt blciben mssen.
Unzweckmig oder am falschen Ort crsteIlte
Schutzrtlume bedeuten einc Vergcudung an Volks;
vermgcn, cine Minderung des Schutzes
dcr
Z i v i l
ocvlkerung und damit einc Schwchung unserer
na tionalen V crtcidigung.
Voraussetzung
zur
praktischcn
Lsung der
Schutzraumfrage ist der Grundsatz weiser M i
gun
g.
In diesem Sinne ist schon bei der ormie;
rung des vom Sehutzraum zu gewhrleistend_en
Schutzcs durch Verzicht auf Volltreffcrschutz b e ~
wut
vom
Grundsatz
der hundertprozentigen
Sicherheit abgewichen. Es erscheint denmach 10 ;
gisch und bercchtigt, hinsichtlich der Frage des e
samtschutzes der Bevlkcrung entsprechend zu
entscheiden. Absolute Sicherheit aller Volksge;
nossen unter allen Umstnden und in allen Lagen
zu gewhrleisten, ist sicherlich - vom Standpunkt
des einzelnen - unbedingt der erstrebenswerte
Idealzustand. Vom Standpunkt
der
ation dagegen
trifft
dies nur bedingt zu.
Allo Leistungen fr Schutzraumbauten sind
volkswirtschaftlich so lange vertretbar, wie das
Verhltnis von Leistung zu Nutzeffekt dureh jede
Mehrleistung nicht nennenswert verringert wird.
Wenn
z.
B. die
Kosten
fr eine
Konstruktion oder
fr ein luftschutztechnisches Bau; oder Ausbau;
element um 80 erhht werden mssen, um eine
10prozentige Sicherheitssteigerung zu erzielen, oder
wenn Zahl und Gre der ffentlichen Sammel
schutzrume unter Bercksichtigung von vielleicht
an nur zwei Tagen im
Jahr
s tatistiseh ermittelten
Fremdenverkehrsspitzen bemessen
werden, wrden
6
Leistung und
Effekt
in eincm
untragbaren
tvli;
verhltnis tchen.
In
der Erkenntnis,
da
die
Zeit
selbst fr die
Lsung des Schutzraumproblems arbeitet, sei es
durch stetige Verschiebung im l
\lengenverhltnis
luftgcschtzter
)Jcubautcn
zu dcn ungeschtzten
Altbauten, sei es durch im
Laufe
der Jahre immer
sttirker
werdende
Auswirkungen luftschutztcchni
;
scher
Erkenntnisse
im Stdtebau
oder
durch die
planvoll betriebene Strukturveriinderung in d.:r
Nutzung
luftempfindlicher Gebiete
oder
sei cs
schliclich durch die Auswirkung umwiilzender
Erkenntnisse, sil1Ll yorschnclle
Entscheidungen
zu
vermeiden
und
das Gewicht
der Arbeit
nicht auf
Erstellung einzelner Rume, sondern auf metho;
dische, priizise
und
weitsichtigc genereJle Planung
unter Bercksichtigung aller yorhcnannten G e;
sichtspunkte zu legen.
n dem Beispiel
einer westdeutschen Grostadt
mit 500000 Einwohnern soll im folgenden gezeigt
wcrden, naeh
welchen Gesichtspunktcn und
Mc;
thodcn der Schutzraumbedarf und die SchutzraUlw
verhltnisse festgelegt
werden
knnen,
wenn
man
auf die Forderung eines absoluten
Gesamtschutzes
ycrzichtet.
Insbesondere
soll
festgcstellt
werden:
1. Zahl der
schutzbcdrftigen
Wohnhiiuser.
2. Zahl dcr schutzbedrftigcn Personen,
3. Belegung der Schutzrume.
Als
Grundlagen
der
Untersuchung
dienen die
amt;
lichcn
statistischen
Erhebungen ber
Altcrsaufbau
und
Erwcrbshitigkeit sowic dic Grundstcks;
und
Wohnungsziihlung.
vVenn Jn,1I1 in diesem
Zusammenhang
VOn dem
Einflu lohnender Ziele auf die Gefhrdung be;
nachbarter
Wohnsiedlungen
absieht,
drfte
der
G
r ad
der
G e
f h r
dun
g in
der Hauptsache
von der Bebauungs; und
Wohndiehte
abhngen. Es
kann angenommen werden,
da
dicht besiedelte so;
wie hoch und ~ e s c h l o s s e n
bebaute
' tadtteile wesent;
lich mehr gefhrdet sind als weitlufig und niedrig
bebaute
Gebiete. Der weitaus
grte
Teil aller vor;
hanc1enen Kleinhuser - klein hinsichtlich Gre,
Geschozahl und Belegungsstrke - drfte im all;
gcmcinen in den Randgebieten zu finden sein. Im
vorliegenden Falle
wohnen
z. B. im ungnstigsten
statistischen
Zhlbezirk
im Stadtinnern 26 Per;
sonen im Mittel in cinem Wohngebudc, im gn;
stigsten
Falle dagegen im Auenbezirk nur 7. Die
Zahl der Huser
mit
nicht mehr als zwci Wohnun;
gen
deckt
sich
ungefhr
mit der Anzahl
der
vVohn;
huser mit
nicht
mehr als zwei Geschossen. In bei ;
den statistischen Gruppen wohnt die gleiche
An
;
zahl Menschen, nmlich 13% der Gesamteinwoh;
nerschaft.
Erkennt
man also aus nationalwirtschaftlichen
Grnden
die Berechtigung oder gar die
Notwen;
digkei teines e in g e s eh r
n k t e n G e sam
t ;
sc hu t z es an, so kann diese Einschrnkung z.
B
darin bestehcn,
nur
solche Huser mit Schutzru;
men zu versehen, die wegen ihrer Lage
besonders
gefhrdet erscheinen bzw. bei
denen
sich der Ein;
bau eines Schutzraumes wegen der
starken Wohn;
belegung in
jeder
Beziehung lohnt . Da diese
Husergruppen nicht streng
gebietsweise
zusam;
menliegen, kann hierbei auer Betracht bleiben, da
es sich nicht um Bestimmung der einzelnen,
nun
in
Wirklichkeit
zu schtzenden Wohnhuser handelt,
sondern nur um
die
Ermittlung
des
wahrschein;
lichen Schutzraumbedarfs. Es
heit
also nicht, da
nun Wohnhuser mit nicht mehr als zwei Wohnun;
gen
grundstzlich von
der Sicherung
durch
Schutz;
7/25/2019 Gasschutz Und Luftschutz 1936 Nr.3 Mrz
5/29
rume ausgeschlossen
sein sollen, sondern cs
wird
angenommen,
da die
Zahl der
nieht
dringend
s e ~ u t z b e d r f t i g e n
H ~ i u s e r mit der Zahl
alll.:r
Huser
~ I t nicht mchr als zwci vVohnungen ungcLihr
ubercinstimmt.
Ferner wird angenomlllen, da von
dcn
B . : ~
w ~ n e r n jedes
Hauses
vier Personen wegen
ihrer
Tahgkcit im Selbstschutz (Luftschutzhauswart,
l - ~ a u s f c u e r w e h r ,\1elder,
Luftschutzgemeinschaft)
l1 eht im Sehutzraum untergebracht zu werden
brauchen
. .
ger
l t c r s auf bau der Bevlkerung, a u s g l : ~
tl.
ruekt
im Vom Hundert
Satz der Bevlk
erun
g
sIeht
nun in unscrem
Beispiel wie folgt aus:
Personen
unter
14 und ber
60 Jahre . .
:\'\nner
im
vVehralter von 18 bis
35
.Iahren
Die
brigen
mnnlichen Personcn .
V? erwerbst tigc
Frauen.
. . .
27
t9 "
{
1-1
24
Ie
brigcn
weiblichen Pcrsoncn
Gesamtbevlkerung
100
Aus
dem vorliegenden
statistischen
Material
c r ~
geben
sich nun untcr
Bcrcksichtigung der oben
getroffcnen einschrtinkcneien Annahmcn folgende
Werte:
A.
05
aller vVohngebude erhalten einen S e h u t z
raum,
87 eier
Gesamteinwohnerschaft
wohnen in
diesen Husern.
..
B.
Fr
die
Zahl
der
Personen,
die
durch
S c h u t z
raume
im Ernstfall zu schtzen sein werden
nen je nach Annahme
verschiedene
vVerte 1 i t t e l t
werden
. Die der vVahrscheinlichkeit am nchsten
kommenden Werte
knnen aber erst dann o e f u n ~
den werden,
wenn
zuknftigo
statistische
E r h e b u n ~
ten
fr P e r s o n e n und Wohnungszhlungen unter
L
esonderer
B e r c k s i c ~ t i g u n g
der
Bedrfnisse des
uftsehutzcs
durchgethrt
worden sind.
b
yorerst knncn mit
einiger
Sicherheit nur die
eiden Werte bestimmt
werden,
von denen
hauptet werden kann, da der wirkliche
Wert
unter
al1en Umshinden zwischcn dicscn bciden G r e n z ~
Werten liegen mu.
Im ungnstigsten
Fall
sind
im Schutzraum alle
Personen
untcrzubringen,
mit
Ausnahme
der
M n
ner im
wehrfhigen Alter und der Selbstschutz