Wie wirbt man um Vertrauen im Social Web?Zur Authentizität von Public Relations im Social Web – Vertrauenskultur oder Marketingkonstrukt?
No.
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Januar 2011 11. Jg. ISSN 1860-2827
Stiefkind Modejournalismus?
Sein und Bewusstsein von TV-Sportjournalisten Selbstverständnis, Themenselektion und Zukunftsaussichten
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02 Fachjournalist No .1 2011
MEDIEN Zur Entwicklung der Medien in Osteuropa
GESEllSchafT Krisenintervention durch ehrenamtliche Seelsorge
PuBlIc RElaTIoNS Wie wirbt man um Vertrauen im Social Web?02 INHALT
03 EDITORIAL
34 IMPRESSUM
INHALT
STIEfKIND MODEjOURNALISMUS?Birgit Stolz
SEIN UND BEWUSSTSEIN VON TV-SPORTjOURNALISTENSelbstverständnis, Themenselektion und Zukunftsaussichten angesichts wachsender Kommerzialisierungseffekte im FernsehsportMichael Schaffrath
ZWANZIg jAHRE NAcH DEM fALL DES EISERNEN VORHANgSZur Entwicklung der Medien in OsteuropaMarc Stegherr
BEVOR DU SELBSTMORD BEgEHST, RUf MIcH AN!Krisenintervention durch ehrenamtliche Seelsorge, rund um die UhrFranz-Josef Hücker
DfjV INTERN
WIE WIRBT MAN UM VERTRAUEN IM SOcIAL WEB?Zur Authentizität von Public Relations im Social Web – Vertrauenskultur oder Marketingkonstrukt?Nicole Petzi
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MoDEJouRNalISMuS Stiefkind Modejournalismus?
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22 26
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SPoRTJouRNalISMuS Sein und Bewusstsein von TV-Sportjournalisten
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03Fachjournalist No .1 2011
bereits zu Beginn des neuen Jahres blicken wir in der ersten Ausgabe des FACHJOURNALIST noch
einmal zurück: Auf den fünften Deutschen Fachjournalisten-Kongress, der am 29. Oktober 2010 in
Berlin stattfand. Impressionen zur Veranstaltung erhalten Sie in der Rubrik DFJV-Intern.
Wie wird man in Deutschland Modejournalistin bzw. Modejournalist? Dieser Frage geht BIRgIT
STOLz nach. Anforderungsprofil der Profession und Status quo der Ausbildungssituation in
Deutschland sowie im europäischen Ausland werden dargelegt, Fachleute aus Theorie und Praxis
kommen zu Wort. Fazit: Auch Modejournalismus braucht fundiertes Fach- und Formalwissen.
Wie sich das Selbstverständnis von TV-Sportjournalistinnen und -Sportjournalisten vor dem
Hintergrund einer steigenden gesellschaftlichen und ökonomischen Relevanz des Sports entwickelt
hat, an welchen Parametern sich die Themenselektion im Sportjournalismus orientiert und wie es
um die zukunft des Ressorts bestellt ist, darauf geben die Untersuchungsergebnisse im Beitrag von
MICHAeL SCHAFFRATH Antwort.
Als große errungenschaften von Internet und Web 2.0 werden unter anderem die gewonnene
Dialogkultur und die Transparenz genannt. Diese, so wird oft postuliert, soll sich die
Öffentlichkeitsarbeit als „authentische PR“ zunutze machen. Doch wie wird Authentizität hier
verstanden? Und kann hierüber eine Vertrauenskultur für die PR geschaffen werden – oder muss
„authentische PR“ im Social Web eher als Marketingkonstrukt verstanden werden? Die Antworten
von NICOLe PeTzI auf diese Fragen erhalten Sie im Titelbeitrag.
Allzu oft steht Russland im Fokus, wenn es um die Bewertung der entwicklung der Medien in
Osteuropa seit dem Fall des eisernen Vorhangs geht. Damit rückt aus dem Blickwinkel, dass
es in anderen Staaten Osteuropas seither durchaus auch positive Veränderungen gegeben hat.
erkenntnisse hierzu liefert MARC STegHeRR.
einen wesentlichen Anteil am zusammenhalt unserer gesellschaft hat das ehrenamtliche
engagement. Auch viele Krisendienste könnten ohne dieses nicht existieren.
entwicklungsgeschichte, Funktion und Themen der bekanntesten deutschen einrichtung, der
TeLeFONSeeLSORge, beschreibt FRANz-JOSeF HüCKeR. Und er würdigt gleichsam die Menschen
dahinter und deren Bedeutung für unser gesundheitssystem.
eine lohnende Lektüre wünscht Ihnen
IHR LARS VON HUgO
(Chefredakteur)
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
EDITORIAL
04 Fachjournalist No .1 2011
„Der Mode entkommt man nicht. Denn auch wenn Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode“, so wird KARL LAGERFELD zu diesem Thema zitiert. Wenngleich Mode als gesellschaftliches Phänomen weit über die einfache Notwendigkeit, sich vor Kälte oder Hitze zu schützen, hinausgeht, steht fest: Zumindest Kleidung geht jeden etwas an.
Früher als trivial und oberflächlich belächelt, ist Mode längst als Bestandteil der Kultur und Ausdruck des Zeitgeistes akzeptiert. Selbst renommierte Tages- und Wochenzeitungen berichten inzwischen regelmäßig über wichtige Ereignisse aus der Modewelt und ihre Prota-gonisten. Die WELT bezeichnet Modejournalisten in ihrer Onlineausgabe vom 31. März 2007 gar als „Heim-liche Intellektuelle“, die über das Interesse an Mode hinaus eine gute Allgemeinbildung besitzen müssten. Kenntnisse aus den Bereichen Politik und Geschichte seien ebenso unerlässlich wie ein guter Überblick über das Kulturgeschehen im In- und Ausland, Interesse für Fotografie und natürlich kunstgeschichtliches Wissen. Diese breit angelegte Bildung, gepaart mit einem guten Gespür für Mode und Zeitgeist, mache einen guten Modejournalisten aus.
Die Frage „Was ziehe ich an?“ hat sich sicher
jeder von uns schon einmal gestellt. Selbst
eingefleischte Modegegner kommen bei
manchen gelegenheiten um die Lösung dieses
Problems nicht herum. Modejournalisten
haben die Aufgabe übernommen, ihre
– zugegebenermaßen meist weiblichen – Leser
durch den Modedschungel zu führen und
Anleitung für dieses menschliche Urbedürfnis
des Sich-Kleidens zu bieten. Doch wie wird
man in Deutschland heute Modejournalist?
von Birgit Stolz
STIEfKIND MODEjOURNALISMUS?
MODEjOURNALISMUS
Dass man sich dennoch hierzulande mit dem Thema „Mode“ schwertut, zeigt die Tatsache, dass es trotz dieser sehr hohen Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten von Modejournalisten auf staatlicher Hochschulebene in Deutschland kein einziges Studien-angebot speziell für Modejournalisten gibt. Kultur-, Musik- oder Sportjournalismus sind zahlreich vertreten, doch reiner Modejournalismus – Fehlanzeige. Woran das liegen könnte, erklärt Moderedakteurin ISABEL ARNHOLD von der Zeitschrift ELLE: „Es existiert kein Bewusstsein für dieses Berufsbild.“
STUDIUM IM AUSLAND?
Der Blick ins nahe Ausland ist auch nicht gerade vielversprechend. England punktet immerhin mit einer staatlichen Hochschule, die das Fach Modejournalismus anbietet: dem LONDON COLLEGE OF FASHION, mit einer Bachelor- und Masterausbildung in Fashion Journalism im Angebot. Das ARTEZ INSTITUTE OF THE
ARTS im niederländischen Arnheim bietet im Rahmen des Masterstudiums Fashion Strategy eine Spezialisierung in Fashion Journalism an. Und im Modeland Frankreich ist die Situation erstaunlicherweise ähnlich wie in der
Abbildung: c. cornelius
05Fachjournalist No .1 2011
MODEjOURNALISMUS
Bundesrepublik – keine Studienmöglichkeit an einer staatlichen Hochschule.
So bleibt in Deutschland lediglich der Blick auf private Ausbildungseinrichtungen. Als nach eigenen Angaben einzige private Akademie in Deutschland bietet die AMD
AKADEMIE MODE & DESIGN mit Standorten in Düssel-dorf, Berlin, Hamburg und München neben anderen Studienfächern das Hauptfach Modejournalismus/Medienkommunikation an. Mode, Fremdsprachen, Jour-nalismus, Marketing und Public Relations sind einige der zahlreichen Ausbildungsinhalte. Da die hohen Studiengebühren das Budget eines durchschnittlichen Studenten jedoch sprengen dürften, kommt ein Studium an der AMD sicherlich nur für wenige der potenziellen Modejournalismusstudenten ernstlich in Betracht.
AUf UMWEgEN ZUM ZIEL
Eine Qualifizierung für diesen Beruf auf öffentlichen Pfaden ist in Deutschland bisher nur auf Umwegen realisierbar. Häufig wählen angehende Modejournalisten mangels anderer Möglichkeiten ein Studium im Bereich Modedesign, Modemanagement oder Bekleidungstechnik an einer Fachhochschule und absolvieren anschließend ein journalistisches Volontariat bei einer Modezeitschrift. Oder sie verzichten sogar ganz auf ein Studium und eignen sich ihre Kenntnisse über Mode und das journalistische Schreiben anderweitig an, zum Beispiel über eine Ausbildung im Schneiderhandwerk plus Praktika bei Zeitungen und Magazinen. Dass dieser Weg heute durch-aus seine Berechtigung hat, davon ist Moderedakteurin ISABEL ARNHOLD überzeugt: „Man muss nicht unbedingt studieren, wenn man diesen Beruf ausüben möchte. Viele qualifizieren sich über eine Schneiderlehre.“ Wer jedoch nicht die Technik des Modemachens erlernen will, son-dern Mode lieber beobachtet und darüber schreibt, wird sich mit einer handwerklich ausgerichteten Ausbildung eher schwertun.
Und ob darüber hinaus auch in Zukunft eine Lehre als Qualifikation für den Beruf des Modejournalisten aus-reichen wird, ist fraglich. Denn ohne ein abgeschlossenes Studium ein Volontariat bei einer Zeitschrift zu be-kommen, wird immer schwieriger: „Der Einstieg in den Beruf des Modejournalisten akademisiert sich zu-nehmend“, sagt auch INA KÖHLER, die Studienleiterin für den Ausbildungsgang Modejournalismus/Medienkom-munikation an der AMD AKADEMIE MODE & DESIGN
in Düsseldorf. „Im Bereich Styling ist es sicher noch möglich, auf ein Studium zu verzichten. Für das Schreiben werden jedoch Fachleute gebraucht, die das journalistische Handwerkszeug beherrschen und darüber hinaus ein breit angelegtes Fachwissen über Mode aufweisen können. Sie müssen außerdem über eine gute Allgemeinbildung verfügen, offen für kulturelle Themen sein und gesellschaftliche Prozesse einordnen können. Modejournalisten, die für Modestrecken verantwortlich sind, müssen beurteilen können welche Themen die Mode beeinflussen, und Prognosen darüber erstellen können, wie die Mode in zwei oder drei Jahren aussehen könnte. Ohne Ausbildung fehlt in der Regel der intellektuelle Überbau.“ In einer Ausbildung würden darüber hinaus das visuelle Verständnis geschult und natürlich Sprachen gelehrt, allen voran Englisch als Lingua franca plus ein bis zwei weitere Fremdsprachen. Sich das alles ohne einschlägiges Studium anzueignen, dürfte zumindest schwerfallen.
Diese Ausführungen machen deutlich, dass an Mode-journalisten die gleichen hohen Anforderungen gestellt werden wie an ihre Kollegen aus anderen journalistischen Sparten auch. Um Qualitätsjournalismus in diesem Bereich leisten zu können, ist also eine breit angelegte Ausbildung, die Formal- und Fachkompetenzen vermit-telt, unumgänglich.
STUDIENINHALTE
In Anlehnung an das Ausbildungsprogramm der AMD müsste ein Studiengang an einer staatlichen Hochschule also Fachkenntnisse aus dem Bereich „Mode“ im weitesten Sinne einerseits und journalistische Fach-kenntnisse andererseits vermitteln. Der Bogen im Bereich des Modefachwissens spannt sich dabei von Fächern wie Kunstgeschichte, Bekleidungs- und Mode-theorie über Modefotografie und Styling bis hin zur Textiltechnologie. Und auch Fachwissen aus dem Bereich „Visuelle Kommunikation“ zur Förderung der kreativen Ausdruckfähigkeit sollte ein Modejournalismusstudium enthalten. Die breite Palette der journalistischen Fach-kompetenz müsste unter anderem mit Fächern wie Jour-nalistische Darstellungsformen (Meldung, Nachricht, Be-richt, Reportage etc.), Journalistisches Texten, Recherche und Interviewtechniken abgedeckt werden, abgerundet durch Studieninhalte, die Einblicke in die Bereiche „Kulturjournalismus“, „TV-Journalismus“ und Ähnliche
»Ohne ein abgeschlossenes Studium ein Volontariat bei einer zeitschrift zu bekommen,
wird immer schwieriger.«
»Um Qualitätsjournalismus in diesem Bereich leisten zu können, ist eine breit
angelegte Ausbildung, die Formal- und Fachkompetenzen vermittelt, unumgänglich.«
06 Fachjournalist No .1 2011
MODEjOURNALISMUS
geben. Aber auch allgemeines Grundlagenwissen wie IT- und Internetkenntnisse, Public Relations sowie Marketing und natürlich Fremdsprachen wie Englisch, Französisch und Italienisch gehören für angehende Modejournalisten zur Allgemeinbildung dazu.
Welche grundsätzlichen Voraussetzungen sollte ein ange-hender Modejournalist mitbringen, um eine Ausbildung erfolgreich absolvieren und vor allem später auf diesem Gebiet kompetent arbeiten zu können? „Wichtig sind vor allem ein Grundinteresse für Mode und solide Kenntnisse auf diesem Gebiet“, erklärt Moderedakteurin ISABEL
ARNHOLD, aber natürlich auch das Talent zum Schreiben, Neugierde, Kreativität und Enthusiasmus für den Beruf des Modejournalisten.
PRAxISERfAHRUNg
Damit die künftigen Modeprofis eine Vorstellung von der Wirklichkeit des Berufes bekommen und die in der
Ausbildung vermittelten fachlichen Kompetenzen und ihre kreativen Fähigkeiten schließlich zielgerichtet umsetzen können, müssen in jedem Fall Praktika bei ein-schlägigen Medien oder in der Modebranche im In- und Ausland auf dem Studienplan stehen. Die zentrale Be-deutung von Praktika in der Ausbildung bestätigt auch die ELLE-Redakteurin: „Viele haben ein falsches Bild von unserem Beruf. Die Realität sieht jedoch anders aus. Wer nicht weiß, wer oder was sich beispielsweise hinter PRADA verbirgt, hat schon verloren. Ein Praktikum ist deshalb sehr empfehlenswert.“ Theorie allein reicht also gerade in dieser schnelllebigen Branche sicher nicht aus. Neben Praktika können auch Workshops zu verschie-denen Modethemen oder auch praxisbezogene Projekte in Zusammenarbeit mit Medien- oder Modeunternehmen die Nähe und Aktualität zur Branche herstellen.
Am Ende einer solchen umfassenden Ausbildung stehen dann schließlich Modejournalisten, die ein fundiertes Wissen im Bereich „Mode“, gepaart mit dem notwendigen
fotograf: D. Ruta
07Fachjournalist No .1 2011
MODEjOURNALISMUS
Die Autorin BIRgIT STOLZ ist Absolventin der Freien
Journalistenschule in Berlin und arbeitet seit 2007
als freie Journalistin in Bonn. Seitdem schreibt sie für
verschiedene Medien im Bereich Sprache, Reisen und
Kultur. Darüber hinaus ist sie als übersetzerin tätig.
Ihre Abschlüsse als Diplom-übersetzerin und Diplom-
Dolmetscherin erwarb sie 1987 und 1988 an der
Fachhochschule Köln.
www.newsaktuell.de
„Presseportal.de ist das wichtigste Gate zu aktuellen Unternehmensinfos.Deshalb fliegen alle Journa-listen Deutschlands darauf.“
Jens Petersen, Leiter Unternehmenskommunikationbei news aktuell
newsaktuellAd_210x148_JPetersen:news_aktuell_Anzeigen_210x148mm 30.04.2009 13:45 Uhr Seite 1
journalistischen Handwerkszeug, vorzuweisen haben. Sie können Modeströmungen dank ihrer Kenntnisse und geschulten Kreativität einordnen und bewerten, Modestrecken für Zeitschriften entwerfen und aufgrund ihrer journalistischen Fachkompetenzen professionell umsetzen. Als Mode- und Lifestylejournalisten können sie bei Zeitungen, Zeitschriften oder beim Fernsehen arbeiten oder auch im Bereich „PR und Marketing“ in Modeunternehmen tätig werden. In Abgrenzung zum Allroundjournalisten sind sie tief in die Materie eingestiegen und bringen Insiderwissen mit, das die solide Basis für eine kompetente Berichterstattung aus der Welt der Mode bildet.
WIRTScHAfTSfAKTOR MODE
Angesichts der starken Präsenz der Mode in der deutschen Medienlandschaft ist die Bestandsaufnahme hinsichtlich der Ausbildung von Modejournalisten zumindest an staat-lichen Hochschulen zurzeit also eher ernüchternd. Ob diese auf den Bedarf an einschlägig ausgebildeten Fach-leuten reagieren werden, bleibt abzuwarten. Zu wünschen wäre es, denn auch rein wirtschaftlich betrachtet steht die deutsche Mode international nicht schlecht da: Laut der
Branchenskizze für 2008 des BUNDESMINISTERIUMS
FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE gehört die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie international zu den Exportweltmeistern.
Umso wichtiger ist es also, dass Mode kompetent kommuniziert wird. Kleidung bzw. Mode ist und bleibt ein Ausdruck der Persönlichkeit, ihr kann sich gerade im medialen Zeitalter, in der die Außenwirkung eines Menschen eine immer größere Rolle spielt, keiner ent-ziehen. Und nicht umsonst stellte der Schweizer Dichter GOTTFRIED KELLER schon im 19. Jahrhundert fest, was inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist und auch heute noch gilt: „Kleider machen Leute.“//
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SPORTjOURNALISMUS
SELBSTVERSTäNDNIS, THEMENSELEKTION UND ZUKUNfTSAUSSIcHTEN ANgESIcHTS WAcHSENDER KOMMERZIALISIERUNgSEffEKTE IM fERNSEHSPORTvon Michael Schaffrath
SEIN UND BEWUSSTSEIN VON TV-SPORTjOURNALISTEN
Kein Ressort im Journalismus befindet sich unter so starken wirtschaftlichen einflüssen wie
der TV-Sport. Die steigende Kommerzialisierung des Spitzensports hat zu einer erheblichen
Ökonomisierung der Fernsehsportberichterstattung geführt – und umgekehrt. Inwieweit
das veränderte ökonomische Sein in den Redaktionen das journalistische Bewusstsein der
Redakteure beeinflusst, ist mittels einer schriftlichen Befragung am Lehrstuhl für Sport,
Medien und Kommunikation der Technischen Universität München untersucht worden. Dabei
wurden neben normativen Berufszielen zum ersten Mal in der Sport-Kommunikatorforschung
auch ökonomische und ganz persönliche Motive von TV-Sportjournalisten erhoben
und nachgewiesen. zudem fokussiert die Studie Fragen zur Themenauswahl, zur
redaktionsinternen Qualitätsprüfung und zu zukunftsperspektiven im TV-Sport.
KOMMERZIALISIERUNg ERHöHT KONKURRENZDRUcK
Die Fußball-WM hat es noch einmal sehr deutlich gemacht: Spitzensportereignisse bringen Quoten, die von keinem anderen TV-Genre in dieser Höhe und in dieser Regelmäßigkeit generiert werden können. Daher ist es auch kein Wunder, dass die höchste je in Deutschland seit Einführung der Personenreichweite 1975/76 gemes-sene Quote am 7. Juli 2010 beim Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien erreicht wurde. 31,10 Mio. Menschen verfolgten die Partie am heimischen Bild-
schirm. Damit wurde der bis dahin geltende Rekord von 29,66 Mio. Zuschauern bei der Partie Deutschland gegen Italien im Jahr 2006 auf Platz 2 der ewigen Bestenliste verdrängt (Geese, S., Zeughardt, C., Gerhard, H. 2006, S. 454). Neben den Spielen der Fußball-WM und -EM sind es vor allem die Übertragungen der Olympischen Spiele, der Formel 1, einiger prominent besetzter Box-kämpfe oder auch vom Biathlon und Skispringen, welche die jährlichen Hitlisten der publikumsintensivsten Sen-
fotograf: M. Tilly
0�Fachjournalist No .1 2011
SPORTjOURNALISMUS
dungen im gesamten Fernsehbereich anführen. Da quotengarantierende Spitzensportereignisse aber keine beliebig prolongierbaren Produkte, sondern besonders knappe Güter darstellen, hat sich mit dem Start des Privatfernsehens ab 1984, dem Aufkommen des Pay-TV 1991 und der Etablierung spezieller Sportspartenkanäle wie des DSF (heute SPORT 1) seit 1993 der Kampf um attraktive Sportevents massiv verstärkt. Vermehrte Web-TV-Portale und zusätzliche IPTV-Angebote erhöhen den Kampf um Lizenzen zusätzlich. „Astronomische“ Preise und „exorbitante“ Steigerungsraten waren und sind die Folge des Wettbietens um die Übertragungsrechte für bestimmte Spitzensportevents (vgl. Hackforth, J., Schaffrath, M. 2008, S. 392-406). Längst wird im TV-Sportjournalismus die Frage, wer was wann in welcher Form berichten darf, durch den Erwerb und die Höhe der Lizenzzahlung beantwortet. Nicht die publizistische Diktion, sondern immer mehr das ökonomische Diktat definiert die Handlungsspielräume der Redaktionen und die Berichterstattungsräume der Redakteure.
All dies verschärft den Konkurrenzdruck zwischen Sendern und den Wettbewerb unter Journalisten – intern wie extern! Wenn aber die Medien und ihre Mitarbei- ter in „marktähnlichen Strukturen“ agieren, „dann mutet es schon seltsam an, wenn wir ausgerechnet die Eigen-interessen der Journalisten aus der Debatte um die Öko-nomisierung der Medien ausblenden“ (Fengler, S., Ruß-Mohl, S. 2005, S. 19). Stimmt! Aber genau das hat die Sport-Kommunikatorforschung jahrzehntelang getan. Bei medienübergreifenden Befragungen (vgl. Weischenberg, S. 1994, S. 445; Görner, F. 1995, S. 246; Ehl, L., Fey, A. 2004, S. 100; Frütel, S. 2005, S. 248; Weischenberg, S., Malik, M., Scholl, A. 2006, S. 278) sowie bei den seltenen Spezial-umfragen unter Fernsehkollegen (vgl. Görner, F. 1995, S. 254; Thielemann, M. 2008, S. 79) wurden ökonomisch intendierte oder persönlich motivierte Berufsziele kaum erhoben. Dieses Forschungsdefizit ist in dieser Fallstudie reduziert worden, weil wirtschaftliche Motive und indi-viduelle Eigeninteressen der TV-Sportmitarbeiter abge- fragt und nachgewiesen werden konnten. Außerdem sollte in der Untersuchung ermittelt werden, wie re-daktionsinterne Abläufe – Themenauswahl, Beitrags-abnahmen, Feedback – vor dem Hintergrund ökono- mischer Veränderungsprozesse eingeschätzt werden.
UNTERSUcHUNgSDESIgN
Um die unterschiedlichen Sendersysteme – öffentlich-rechtlich, privat und pay – in einem Low-Budget-Projekt adäquat zu berücksichtigen, musste ein Befragungs-standort gewählt werden, an dem sich diese drei Arten von TV-Sportredaktionen auch befinden. Das ist in
München mit dem BAYERISCHEN RUNDFUNK (BR), dem damaligen DEUTSCHEN SPORT FERNSEHEN und ehemals PREMIERE (jetzt SKY) der Fall. Die schrift-liche Befragung wurde vor Ort im Zuge von Redaktions-konferenzen durchgeführt. Mit diesem Design konnte sichergestellt werden, dass die Befragten den Bogen eigenhändig ausfüllten. 158 hauptberufliche TV-Sport-journalisten arbeiteten zum Befragungszeitpunkt (Febru-ar und März 2009) nach Angaben der drei Sportchefs in den Sendern. 101 Personen (33 vom BR, 33 vom DSF (SPORT 1) und 35 von PREMIERE (SKY) nahmen an der Umfrage teil. Das entspricht einer Ausschöpfungsquote von 63,9 Prozent. Es wurden nur hauptberufliche Sportjournalisten befragt. Davon waren 54,5 Prozent in fester Anstellung tätig, 45,6 Prozent arbeiteten als Freie. 85,1 Prozent der Befragten waren männlich, 14,9 Prozent weiblich. Aufgrund der regionalen Konzentration auf den Münchener Raum sind die Ergebnisse zwar nicht repräsentativ für die Gruppe aller TV-Sportjournalisten in Deutschland. Dennoch bietet die Größe der Stichprobe für diese Spezialgruppe eine Reihe interessanter Ergebnisse.
VERMITTLER, VERMARKTER UND VERKäUfER
Beim Selbstverständnis von Journalisten geht es um die Frage, was Journalisten selbst wollen und welche Ziele sie mit ihrer Arbeit verfolgen (vgl. Weischenberg, S. et al. 2006, S. 97). Es handelt sich hierbei um ein sehr beliebtes, zugleich aber auch um ein recht kontrovers diskutiertes Forschungsgebiet der Kommunikationswis-senschaft: „Zu keinem anderen Thema gibt es im Bereich Journalismus mehr Untersuchungen, und kein Thema ist stärker umstritten“ (Meyen, M. 2009, S. 331). Unabhängig davon, ob und inwieweit das Selbstverständnis das jour-nalistische Handeln tatsächlich beeinflusst: Konsensfähig ist, dass man es als den „selbst gesteckten Rahmen“ für professionelles Handeln bezeichnen kann (vgl. Weischen-berg, S. et al. 2006, S. 98-101).
Analog zu bisher vorliegenden Sport-Kommunikatorstu-dien lässt sich ebenso bei dieser Befragung die besondere Relevanz normativer Berufsziele nachweisen. Die größte Zustimmung entfällt auf Aussagen wie „das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren“ (92,1 Prozent), „möglichst schnell Informationen zu vermitteln“ (85,2 Prozent) oder „dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten“ (79,2 Prozent). „Kritik an Miss-ständen zu üben“ (54,4 Prozent) und „den Sport zu kontrollieren“ (27,7 Prozent) werden immer seltener zu den originären Motiven gezählt.
Dass die Kommerzialisierung der TV-Branche einen Einfluss auf das Selbstverständnis von TV-Sportjour-
10 Fachjournalist No .1 2011
nalisten besitzt, zeigen die Akzeptanzwerte zu den hier erstmals erhobenen ökonomisch ausgerichteten Berufs-zielen. Immerhin 61,4 Prozent der Befragten reklamieren für sich, „am wirtschaftlichen Erfolg meines Senders mit-zuarbeiten“. 38,6 Prozent verstehen sich „als kostenbe- wusster Informationsunternehmer“. 21,8 Prozent sehen sich selbst „als Vermarkter“, der ein nachgefragtes Pro-dukt gewinnbringend abzusetzen hat. Und noch 18,8 Pro-zent beschreiben sich „als Zielgruppenverkäufer“, der ein günstiges Werbeumfeld schaffen soll.
Bei den ganz persönlichen Berufsmotiven steht die Siche-rung des eigenen Arbeitsplatzes (79,2 Prozent) ganz oben auf der Prioritätenliste, was in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise ebenso wenig überrascht wie der Wunsch, sich „gute eigene Verdienstmöglichkeiten zu schaffen“ (67,3 Prozent). Vielen geht es außerdem um ihr Ansehen und ihr Prestige, die den „Marktwert“ des Einzelnen steigen lassen. „Anerkennung von den Kollegen [...] bekommen“ (49,5 Prozent) und „beim Publikum Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit [...] wecken“ (48,5 Prozent) möchte fast die Hälfte aller Befragten. Die eigene „Position in der Redaktionshierarchie zu verbessern“ (41,6 Prozent) wird ebenfalls angestrebt.
aBB. 1: „NORMATIVES“, „öKONOMIScHES“ UND „PERSöNLIcHES“ ROLLENSELBSTVERSTäNDNIS VON TV-SPORTjOURNALISTEN
IN MEINEM BERUf gEHT ES MIR DARUM … ZUSTIMMUNg IN PROZENT
das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren 92,1möglichst schnell Informationen zu vermitteln 85,2dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten 79,2meinen Arbeitsplatz zu sichern 79,2bei Top-Sport-Events live dabei sein zu können 75,2komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln 67,3gute eigene Verdienstmöglichkeiten zu schaffen 67,3am wirtschaftlichen Erfolg meines Senders mitzuarbeiten 61,4 neue Trends aufzuzeigen und neue Ideen zu entwickeln 61,4mich selbst zu verwirklichen 54,4Kritik an Missständen zu üben 54,4Anerkennung von den Kollegen zu bekommen 49,5beim Publikum Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit zu wecken 48,5positive Ideale zu vermitteln 43,6meine Position in der Redaktionshierarchie zu verbessern 41,6als kostenbewusster Informationsunternehmer den Medienmarkt zu bedienen 38,6den Sport zu kontrollieren 27,7als Vermarkter ein nachgefragtes Produkt gewinnbringend abzusetzen 21,8den persönlichen Bekanntheitsgrad zu steigern 21,8einen privilegierten Zugang zu Spitzensportlern zu besitzen 18,8als Zielgruppenverkäufer ein günstiges Werbeumfeld zu schaffen 18,8mal einen journalistenpreis zu gewinnen 10,9
Es zeigt sich, dass TV-Sportjournalisten sich selbst nicht nur als „Vermittler von Informationen“, sondern auch als „Verkäufer von Programminhalten“ und als „Vermark-ter der eigenen Person“ beschreiben. Der Blick für wirt-schaftliche Notwendigkeiten ist bei den Sportjournalis-ten geschärft, was auch weitere Auswertungen deutlich machen.
ORIENTIERUNg AN öKONOMIScHEN HANDLUNgSLOgIKEN
Die Befragten sind sich fast alle einig, dass der Kosten-faktor im TV-Sportjournalismus die Auswahl von Themen und Ereignissen diktiert. Dabei sind es zum einen die „Kosten für Senderechte und Übertragungslizenzen“, die für 95 Prozent der Befragten „immer“ und „häufig“ ent- scheidend sind, und zum anderen die „Produktionskos- ten“, die noch 91 Prozent für ausschlaggebend halten. Aufgrund der Refinanzierung solcher Investitionen ist die Rezipientenorientierung für mehr als 83 Prozent der TV- Sportjournalisten zudem besonders bedeutsam. Hinzu kommen noch „Nachrichtenfaktoren, wie Relevanz, Prominenz, geografische Nähe etc.“, die rund 80 Prozent der Befragten als handlungsleitend bei der Themenselek-tion einstufen, dicht gefolgt von anderen „professio-
Angaben in Prozent (n = 100 bis 101)
SPORTjOURNALISMUS
11Fachjournalist No .1 2011
nelle[n] Erfordernisse[n] in den Redaktionen“, die für 79 Prozent die Auswahl noch mitbestimmen. Demgegenüber konstatieren nur 56 Prozent der Befragten, dass die „Orientierung an konkurrierenden Sendern“ eine Rolle spielt. „Persönliche Einstellungen und Vorlieben der Jour-nalisten“ beeinflussen bei rund der Hälfte der TV-Sport-journalisten die Themenfindung ( →Abb. 2).
Ein senderspezifischer Blick zeigt, dass die Ausrichtung an ökonomischen Rahmenbedingungen bei Privatsendern etwas ausgeprägter ausfällt als im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Bei den Produktionskosten sind die Unterschie- de sogar recht groß. Diese sind für alle DSF (SPORT 1)- Kollegen und für mehr als 90 Prozent der PREMIERE (SKY)-Mitarbeiter selektionsentscheidend. Demgegen-über sind es „nur“ vier Fünftel der BR-Journalisten, die hierauf besonders achten. Vermutlich ist es die finanzielle Sicherheit durch die Rundfunkgebühr, welche die redak-tionellen Handlungsspielräume und die individuellen Be-richterstattungsmöglichkeiten erweitert. Dazu würde pas-sen, dass fast drei Viertel der BR-Journalisten betonen, dass ebenfalls persönliche Präferenzen die Themenwahl „immer“ bzw. „häufig“ beeinflussen. Von DSF (SPORT 1) nimmt dies nicht einmal die Hälfte und von PREMIERE (SKY) kein Drittel der Befragten an. Die Erklärung ist dafür einfach: Im Privatfernsehen konzentriert man sich bei der inhaltlichen Gestaltung des Programms insbesondere auf die erworbenen Sendelizenzen. Für indi-viduelle thematische Präferenzen bleibt da kaum Platz.
aBB.2: PROZENTUALER ANTEIL DERER, DIE BEI DER fRAgE „DIE AUSWAHL VON EREIgNISSEN UND THEMEN KANN VON VERScHIEDENEN fAKTOREN BEEINfLUSST WERDEN. WAS MEINEN SIE, WELcHE DER fOLgENDEN KRITERIEN BESTIMMEN füR SIE DIESE AUSWAHL UND IN WELcHER INTENSITäT TUN SIE DAS?“ DAS jEWEILIgE KRITERIUM „IMMER“ ODER „HäUfIg“ ALS AUSWAHLENTScHEIDEND EINgESTUfT HABEN.
Kosten für Senderechte und übertragungslizenzen 95,0
Produktionskosten 91,1
Orientierung an den Wünschen des Publikums 83,2
Nachrichtenfaktoren, wie Relevanz, Prominenz, geografische Nähe etc. 80,2
Professionelle Erfordernisse in den Redaktionen 79,2
Orientierung an konkurrierenden Sendern 56,4
Persönliche Einstellungen und 49,5Vorlieben der journalisten
IMMER / HäUfIg
Angaben in Prozent (n = 101)
Dass sich die PREMIERE (SKY)-Mitarbeiter in geringerem Ausmaß an klassischen Nachrichtenfaktoren ausrichten als die übrigen Befragten, liegt primär daran, dass bei dem Pay-TV-Sender mit der Konzentration auf Fußball und Motorsport ein klarer thematischer Schwerpunkt gesetzt wird. Dagegen ist beim BR und bei DSF (SPORT 1) die Sportartenvarianz größer, was die Bedeutung klassischer Nachrichtenfaktoren erhöht ( →Abb. 3).
KOSTENDRUcK KONTERKARIERT KONTROLLVERfAHREN
Aktualitäts-, Zeit- und Kostendruck reduzieren im TV- Sport die Chancen auf einen angemessenen Qualitäts-check. Die sogenannte „Abnahme“ von Beiträgen stellt längst keine Selbstverständlichkeit mehr dar. Nur knapp 32 Prozent geben an, dass solche Abnahmen „immer / fast immer“ bei ihnen stattfinden. Hinzu kommen rund 37 Prozent der Befragten, bei denen dies nach Eigenangaben noch „meistens“ der Fall ist. Aber bei knapp 16 Prozent stellen Abnahmen bereits die Ausnahme dar. Und rund 12 Prozent sagen, dass sie dieses journalistische Korrektiv gar nicht erleben ( →Abb. 4).
Ein differenzierter Blick auf die Sender zeigt markante Unterschiede zwischen den Sendersystemen. Im öffent-lich-rechtlichen Fernsehen scheint die Abnahme immer noch zum Standardrepertoire des Qualitätsmanagements zu gehören. Neun von zehn Mitarbeiter des BR sagen, dass ihre Beiträge „immer“ oder „meistens“ vor der
SPORTjOURNALISMUS
12 Fachjournalist No .1 2011
aBB.3: THEMENSELEKTION NAcH SENDERN. PROZENTUALER ANTEIL DERER, DIE DAS jEWEILIgE KRITERIUM „IMMER“ ODER „HäUfIg“ ALS AUSWAHLENTScHEIDEND EINgESTUfT HABEN.
Angaben in Prozent (n = 101)
BR DSf (SPORT 1) PREMIERE (SKY)
Kosten für Senderechte und übertragungslizenzen
Produktionskosten
Orientierung an den Wünschen des Publikums
Nachrichtenfaktoren, wie Relevanz, Prominenz, geografische Nähe etc.
Professionelle Erfordernisse in den Redaktionen
Orientierung an konkurrierenden Sendern
Persönliche Einstellungen und Vorlieben der journalisten
93,9
81,8
81,8
96,9
75,7
60,6
72,7
96,7
100,0
84,8
84,8
84,8
54,5
45,4
94,3
91,4
82,8
60,0
77,1
54,3
31,4
aBB.4: ANTWORTEN AUf DIE fRAgE: „WIE OfT WERDEN IHRE BEITRägE VON jEMAND ANDEREM IN DER REDAKTION ABgENOMMEN, BEVOR DIESE AUSgESTRAHLT WERDEN?“
immer / fast immer 31,7
meistens 36,6
ab und zu / selten 15,8
gar nicht 11,9
keine Angabe 4,0
fREqUENZ
Angaben in Prozent (n = 101)
PROZENT
Austrahlung geprüft werden (87,9 Prozent). Im Privat- funk ist das seltener der Fall. Nur 60,6 Prozent der DSF (SPORT 1)-Kollegen und lediglich 57,1 Prozent der PREMIERE (SKY)-Journalisten konstatieren, dass ihre Beiträge vor Sendungsbeginn nochmals von anderen geprüft werden.
fEEDBAcK AUSBAUfäHIg
Ein konstruktiv-kritischer Meinungsaustausch könnte zur Sicherung bzw. Steigerung der Berichterstattungs-qualität in den Redaktionen noch forciert werden. Mit rund 45 Prozent berichtet nicht einmal die Hälfte aller Mitarbeiter, dass es „immer / fast immer“ ein Feedback auf die eigene Arbeit gibt. Hinzu kommt noch knapp ein Viertel der TV-Kollegen, die zumindest „meistens“ Reaktionen aus der Redaktion bekommen. Aber es sind rund 30 Prozent der Befragten, die nur „ab und zu“ von den Kollegen Einschätzungen zu ihrer Arbeit erhalten. Von einer kompletten Feedback-Abstinenz berichten nur Ausnahmefälle ( →Abb. 5).
Dass bei den kommerziellen Anbietern die redak-tionsinterne Kritik intensiver gepflegt wird als im öffentlich-rechtlichen Fernsehbereich, kann durchaus ein wenig erstaunen. Zumindest sagen 74,3 Prozent der PREMIERE (SKY)-Mitarbeiter und 72,4 Prozent der DSF (SPORT 1)-Kollegen, dass sie „immer“ oder „meistens“ ein Feedback bekommen. Beim BR sind es dagegen 60,6 Prozent, die dies bestätigen können.
Sowohl die anscheinend nachlassende Kontrolle vor den Sendungen als auch die geringer werdende Kritik nach Sendeende deuten an, dass im TV-Sport die Redaktion als Sozialisationsinstanz sukzessive an Einfluss verliert.
DüSTERE ZUKUNfTSAUSSIcHTEN
Große Skepsis macht sich senderübergreifend breit, und dies sowohl bezüglich der eigenen Aussichten der Befrag- ten als auch mit Blick auf die strukturellen Perspektiven des TV-Sports. Fast alle TV-Sportjournalisten (99 Prozent)
SPORTjOURNALISMUS
13Fachjournalist No .1 2011
sind sich „sicher“ oder halten es für „wahrscheinlich“, dass der Kostendruck auf die Redaktionen zunehmen wird. Mehr als 92 Prozent sehen darüber hinaus auf sich ein umfangreicheres Anforderungsprofil zukommen, und für 87 Prozent wird außerdem noch die zeitliche Beanspruchung für den Einzelnen zunehmen. Trotz steigender Anforderungen befürchten 75 Prozent sink-ende Verdienstmöglichkeiten und 71 Prozent antizipieren schlechtere Arbeitsbedingungen ( →Abb. 6).
aBB.5: ANTWORTEN AUf DIE fRAgE: „gIBT ES NAcH DEN SENDUNgEN EIN fEEDBAcK AUS DER REDAKTION ZU IHRER ARBEIT?“
immer / fast immer 45,5
meistens 23,8
ab und zu / selten 29,7
gar nicht 1,0
keine Angabe 0,0
fREqUENZ
Angaben in Prozent (n = 101)
PROZENT
aBB.6: ANTWORTEN AUf DIE fRAgE: „WERfEN SIE ABScHLIESSEND NOcH EINEN KURZEN BLIcK IN DIE ZUKUNfT DES TV-SPORT-jOURNALISMUS. WELcHE DER fOLgENDEN ENTWIcKLUNgEN WERDEN IHRER ANSIcHT NAcH IN WELcHER INTENSITäT EINTREffEN?“
Der Kostendruck für die TV-Sportredaktionen wird zunehmen 99,0
Das Anforderungsprofil an den Einzelnen wird umfangreicher 92,1
Die Konkurrenzsituation unter den Kollegen wird sich erhöhen 91,1
Der quotendruck wird steigen 90,1
Die zeitliche Beanspruchung für den Einzelnen wird größer 87,1
Die Lizenzkosten für Sportevents werden steigen 84,2
Die Verdienstmöglichkeiten für TV-journalisten werden sinken 74,3
Die Arbeitsbedingungen werden sich verschlechtern 71,0
Die qualität des TV-Sportjournalismus wird sinken 64,4
gANZ SIcHER / WAHRScHEINLIcH
Angaben in Prozent (n = 101)
fAZIT
Die steigende gesellschaftliche und ökonomische Rele-vanz des Sports hat Sportjournalisten selbstbewusster, aber auch sehr viel marktorientierter gemacht – und dies nicht nur im Sinne des eigenen Senders, sondern auch mit Blick auf persönliche Interessen und individuelle Ziele. Die Selbsteinschätzungen zeigen, dass sich TV-Sportjournalisten eben nicht nur als selbstlose Verfechter normativer Gemeinwohlinteressen sehen, sondern als ich-bezogene Personen mit nachvollziehbaren Partiku-larintentionen.
Die steigende Kommerzialisierung im Sportjournalismus hinterlässt aber nicht nur nachhaltige Spuren im professionellen Selbstverständnis, sondern beeinflusst auch das Alltagsgeschäft auf vielfältige Art und Weise. So muss sich die Themenauswahl immer stärker an ökonomischen Imperativen orientieren statt an publi-zistischen Postulaten. Lizenz- und Produktionskosten sind entscheidend. Letztlich erschweren Kostendruck und Ressourcenengpässe ein optimales Qualitätsmanagement mit angemessenen Evaluierungsinstrumenten wie regel-mäßigen „Abnahmen“ und kontinuierlichem „Feedback“. Auch der Blick in die Zukunft ist von der Vision geprägt, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen sich weiter verschärfen, womit sich ebenso die Erwartung verbindet,
SPORTjOURNALISMUS
14 Fachjournalist No .1 2011
dass die Herausforderungen an den Einzelnen stei-gen, während sich dessen Arbeitsbedingungen ver-schlechtern.//
LITERATUR:
Ehl, L., Fey, A. (2004): Das Berufsprofil „Sportjournalist 2004“. Eine repräsentative Befragung der Sportjournalisten in Deutschland, Köln (unveröffentlichte Diplomarbeit).
Fengler, S., Ruß-Mohl, S. (2005): Der Journalist als „Homo oeconomicus“, Konstanz.
Frütel, S. (2005): Toy Department for Men. Eine empirische Studie zum internationalen Sportjournalismus, Köln-Pulheim.
Geese, S., Zeughardt, C., Gerhard, H. (2006): Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im Fernsehen, in: Media Perspektiven, 9, S. 454-464.
Görner, F. (1995): Vom Außenseiter zum Aufsteiger. Ergebnisse der ersten repräsentativen Befragung von Sportjournalisten in Deutschland, Berlin.
Hackforth, J., Schaffrath, M. (2008): Die Zukunft der Sportberichterstattung, in: Hermanns, A., Riedmüller, F. (Hg.): Management-Handbuch Sportmarketing, München, 2. Auflage, S. 381-410.
Meyen, M. (2009): Das journalistische Feld in Deutschland. Ein theoretischer und empirischer Beitrag zur Journalismusforschung, in: Publizistik, 3, S. 323-345.
Schaffrath, M. (Hg.) (2009): Traumberuf Sportjournalismus. Ausbildungswege und Anforderungsprofile in der Sportmedienbranche, Münster.
Thielemann, M. (2008): Kommunikatorforschung: Das Selbstverständnis im Sportjournalismus. Eine empirische und exemplarische Untersuchung deutscher Fernseh-Sportjournalisten, Berlin.
Der Autor Priv.-Doz. Dr. MIcHAEL ScHAffRATH, M.A., ist
seit 2000 stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für
Sport, Medien und Kommunikation der TU München.
Vorherige wissenschaftliche Stationen: Deutsche
Sporthochschule Köln, TU Dresden, Universität
Lüneburg. Sportjournalistische Stationen: WDR, RTL,
Radio Antenne Münster, Sport-Informations-Dienst,
Aachener Nachrichten. Schaffrath ist Herausgeber der
Schriftenreihe „Sportpublizistik“ und Autor zahlreicher
Bücher, Fachaufsätze und Vorträge zu Themen der
Sportkommunikation.
Weischenberg S. (1994): Annäherungen an die „Außenseiter“. Theoretische Einsichten und vergleichende empirische Befunde zu Wandlungsprozessen im Sportjournalismus, in: Publizistik, 4, 39. Jg., S. 428-452.
Weischenberg, S., Malik, M., Scholl, A. (2006): Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland, Konstanz.
Ein Novum der BrancheLinkpool zu Spezialisten
www.piag.de
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SPORTjOURNALISMUS
15Fachjournalist No .1 2011
WIE WIRBT MAN UM VERTRAUEN IM SOcIAL WEB?ZUR AUTHENTIZITäT VON PUBLIc RELATIONS IM SOcIAL WEB – VERTRAUENSKULTUR ODER MARKETINgKONSTRUKT?von Nicole Petzi
„Tue gutes und rede darüber!“ Diese politische
Maxime erhob vor rund 50 Jahren geORg-
VOLKMAR gRAF zeDTWITz VON ARNIM
für Public Relations (PR). Sie scheint in
zeiten der Social Media als „Tue gutes und
diskutiere darüber!“ neue Blüten in der
PR- und Marketing-Fachwelt zu treiben.
Das Web 2.0 gilt den Spezialisten aufgrund seiner
Transparenz und offenen Dialogkultur als Katalysator von
Authentizität per se. Kann jedoch mit der Nutzbarmachung einer
authentischen Dialogkultur gleichsam eine Vertrauenskultur für die PR generiert werden?
Und ist mit der viel gelobten authentischen Social-Web-PR überhaupt offene ehrlichkeit und
Wahrhaftigkeit von Unternehmen, Organisationen oder Politikern gemeint – oder steckt dahinter
lediglich die Idee oder die Konstruktion einer solchen als zeitgemäße Marketingstrategie?
ETHIK UND gLAUBWüRDIgKEIT VON MULTIMEDIA-PR
Die PR-Fachwelt ist sich in ihren theoretischen Diskursen über kommunikationswissenschaftliche und sozialpsychologische Ansätze seit Jahrzehnten einig: Bei einer erfolgreichen Überzeugungsarbeit im massenmedi-alen Raum ist die Glaubwürdigkeit des Kommunikators eine entscheidende Variable. Von einer glaubwürdigen Kommunikation und PR-Arbeit hängt das Vertrauen der Rezipienten in die kommunizierte Botschaft oder das beworbene Produkt ab. Daher hat der deutsche „PR-Papst“1 CARL HUNDHAUSEN 1951 im Anschluss an das US-amerikanische PR-Verständnis den Begriff Public Relations als die „Unterrichtung der Öffentlichkeit (oder ihrer Teile) über sich selbst, mit dem Ziel, um Vertrauen zu werben“ (Hundhausen, C. 1951, S. 53) definiert.
Inmitten des generellen Misstrauens gegen PR als Auf-tragskommunikation barg gerade der deutsche Markt eine besonders problematische Wahrnehmung und Beur- teilung. Dies hing mit der negativen Aufladung des Pro- pagandabegriffs im Deutschen Reich von 1933–1945 zusammen. Die nahen Beziehungen der frühen deutschen PR-Forscher CARL HUNDHAUSEN, FRANZ RONNE-
BERGER und ALBERT OECKL zu GOEBBELS Propa-gandaministerium und zur NSDAP sind offengelegt. Sie machten die Abgrenzungsbemühungen der deutschen Nachkriegs-PR-Forschung zu einer hohen Hürde und setzten die praktische PR-Arbeit über lange Zeit ver-stärkt dem Zwielicht aus. Demgegenüber kam bereits seit den 1970er-Jahren im angloamerikanischen Raum eine Debatte über die Rolle und Moral der PR in Gang. Damit einhergehend beschäftigten sich sowohl Kommu-nikationswissenschaftler in fundierten Studien mit der berufsständischen Ethik, aber auch PR-Fachkräfte im berufspraktischen Alltag. Der deutsche Raum folgte dies-en Anregungen erst seit den 1990er-Jahren und zudem nur zögerlich.
»Von einer glaubwürdigen Kommunikation und PR-Arbeit hängt das Vertrauen
der Rezipienten in die kommunizierte Botschaft oder das beworbene Produkt ab.«
PUBLIc RELATIONS
16 Fachjournalist No .1 2011
Nach HUNDHAUSENS und OECKLS ersten Formulie-rungen von PR-Prinzipien wie Wahrheit und Offenheit konzipierte die Fachkommission Ethik der DEUTSCHEN
PUBLIC RELATIONS-GESELLSCHAFT e.V. (DPRG) im Jahr 1991 „Sieben Selbstverpflichtungen“2. Sie dienten seither als Grundlage für die Spruchpraxis des DEUTSCHEN
RATES FÜR PUBLIC RELATIONS (DRPR) unter Leitung von HORST AVENARIUS. Als DPRG-Leitlinien zur moralischen Verpflichtung wurden sie erst 1995 übernommen. In der siebten und letzten Richtlinie verpflichten sich PR-Kräfte, Vertrauen zu schaffen, ihr eigenes Verhalten zu überprüfen und somit dem Berufsstand nicht zu schaden. Derartige Leitsätze hatte im Übrigen IVY L. LEE, einer der frühesten US-amerikanischen Vertreter von PR im modernen Sinn, zuerst im Jahr 1906 als „Declaration of Principles“ publiziert. Die praktische Realität hierzulande und heute sieht leider so aus, dass trotz aktiver Verbandstätigkeit in dieser Richtung viele Fachleute die Kodizes nicht zur Kenntnis nehmen, was an dem noch immer mangelnden Grad an Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit liegt. Das macht die Generierung eines positiven Images des Berufsstandes national und international nicht leichter.
Mit dem Web 2.0 bewegen sich mediale Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die PR in einer neuen Sphäre des fließenden Übergangs von „öffentlich“ und „privat“, die einerseits als Chance für absolut authentische, nah an den berufsethischen Leitsätzen lokalisierte PR-Arbeit betrachtet wird. Andererseits erkennen Beobachter diese Entwicklung aber auch als Gefahr für drohenden Autoritäts- und Vertrauensverlust. Da Regeln Vertrauen schaffen (können), suchte zuletzt das Netzwerk Medienethik an der HAMBURGER AKADEMIE
FÜR PUBLIZISTIK den neuen Herausforderungen für Journalisten und PR-Fachleute initiativ zu begegnen: Mit dem Ende 2009 formulierten internationalen Ethikkodex für Multimediajournalismus. Unter Punkt 3.3 zu Blogs und Sozialen Netzwerken wird hier der Multimediajournalist auf seine „gesellschaftspolitische Rolle im Internet als Privatperson“ hingewiesen. Im Speziellen seien „Soziale Netzwerke […] bei besonders vorsichtigem Umgang und sparsamer Zugänglichmachung als privat“ (Netzwerk Medienethik 2009) zu betrachten.3 Journalisten und PR-Fachleute sollen demnach eine gewisse Abgrenzung von öffentlich und privat selbst bei Sozialen Netzwerken wie FACEBOOK, die keine Karriereportale darstellen, professionell umsetzen. Das erscheint in mehrfacher Hinsicht problematisch. Der
„internationale“ Multimediakodex beruft sich in seiner Präambel auf die freiheitlich-demokratischen Grundwerte sowie auf die geltenden Journalistenkodizes in Deutsch-land, Österreich und der Schweiz. Er erscheint somit auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, der in Sachen Datenschutz strengeren Regeln folgt, als es international, vor allem im angloamerikanischen Bereich, üblich ist. Das Internet ist jedoch eine globale Angelegenheit und lässt die Menschen keine Grenzen, nicht nur in puncto privatem Datenschutz, spüren. Vor diesem Hintergrund finden sich in der Praktikerliteratur oder in Fachmagazinen vielfach Anleitungen, wie sowohl Journalisten als auch PR-Profis Nutzen aus eigentlich „privaten“ Communities für das eigene „Geschäft“ ziehen können. Das Einbinden von vielen „Fans“ oder der Reputations-„Mehrwert“ einer großen Freundesliste stehen dabei im Fokus. Dieses sogenannte „Friend-Casting“ wird im Rahmen von Auf-merksamkeitsgenerierung und Empfehlungsmarketing als Marketinginstrument gemessen. Zum jetzigen Stand ist diese Web 2.0-PR-Praxis für manchen Beobachter wegen der problematischen Abgrenzung von öffentlich und privat zwar zweifelhaft; sie ist jedoch selbstverständlich für den Professional. Schließlich machen es namhafte Politiker, Unternehmen oder Organisationen sonstiger Couleur mit augenscheinlich „privaten“ FACEBOOK-Fanseiten, die im Rahmen der eigenen PR und des eigenen Marketings entstehen, vor.
AUTHENTIScHE MITTEL UND KANäLE
Ethikkodizes sollen die professionelle Kommunikation mit moralischen Geltungsgrundsätzen verbinden, um dadurch dem Berufsstand Glaubwürdigkeit zu verleihen. In der Praxis erfüllen derartige Kodizes nach heutigem Stand ihre Orientierungsfunktion für PR-Arbeit nur bedingt. Das trifft umso mehr auf den Web 2.0-Bereich zu. Unterdessen hat der klassische Grundsatz eines HUNDHAUSEN in Bezug auf die vertrauensschaffende Aufgabe von Öffentlichkeitsarbeit unter modernen Bedingungen umso mehr Relevanz. In diesem Zusammenhang wird neben Begriffen wie Dia-logbereitschaft, Offenheit und Transparenz im und durch das Web 2.0 besonders der Begriff der „Authentizität“ genannt. Es ist sozusagen das aktuelle Modewort von Internet-Kommunikationsberatern. Die neue strategische Vorgabe für Online-PR, -Marketing und -Werbung lautet: Vertrauen generieren durch authentische PR mittels Social Software. Web 2.0-Enthusiasten sprechen sogar
»Das Internet ist jedoch eine globale Angelegenheit und lässt die Menschen keine grenzen, nicht nur in
puncto privatem Datenschutz, spüren.«
»Die neue strategische Vorgabe für Online-PR, -Marketing und -Werbung lautet: Vertrauen generieren durch authentische PR mittels
Social Software«
PUBLIc RELATIONS
17Fachjournalist No .1 2011
von einer „Vertrauenskultur“, die durch das neue digitale Medium, das schließlich den Menschen in den Mittelpunkt stelle, für zeitgemäßes Kommunikationsmanagement nutzbar gemacht werden könne. Dabei scheint der ethische oder humane Aspekt keine Rolle zu spielen. Dass moderne PR-Modelle gemäß Kommunikationswissen-schaftlern wie PETER SZYSZKA oder ROLAND BURKART im Rückgriff auf amerikanische Vorgaben gesellschafts-, dialog- oder verständnisorientiert sind und zeitgemäße Unternehmenskultur auf einer transparenten Corporate Social Responsibility fußt, ist Marketingstrategien ge-schuldet. Die orientieren sich tatsächlich immer mehr an Kundenzufriedenheitsmessungen aufgrund traditioneller sozialpsychologischer Ansätze.
Das partizipative und offene Internet mit dem direkten Rückkanal für jedermann ist prädestiniert für eine direkte Ansprache der User als Kunden beziehungsweise Adressaten und für ein zielgenaues Ausloten ihrer Wünsche und ihrer Zufriedenheit. Es überrascht dabei nicht, dass sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der moralischen Aufladung von sogenannter authentischer PR mittels Web 2.0-Anwendungen stellt. In PR-Fachkreisen werden die Diskussionen über die Gestalt dieser vielbeschworenen Authentizität bereits intensiv geführt. Generell definiert die klassische PR-Literatur Authentizität als „unverfälschtes Verhalten“, das besonders über Privatheit oder Personalisierung erreicht werden kann (vgl. Ruisinger, D. 2007, S. 94; Pleil, T., Rehn, D. 2010, S. 62). Während dies als erprobtes
»generell definiert die klassische PR-Literatur Authentizität als „unverfälschtes Verhalten“,
das besonders über Privatheit oder Personalisierung erreicht werden kann«
Instrument in der politischen Kommunikation und vor allem im Wahlkampf längst eine gängige Methode dar-stellt, um den politischen Kandidaten als Privatpersonen mehr Glaubhaftigkeit zu verleihen, verfolgen heute nicht nur VIPs mit ihren täglichen Statements via TWITTER oder ähnliche Mikroblogging-Dienste dieselbe PR-Strate-gie in denkbar ungefilterter Form.
Dem Phänomen von authentischer PR im Web 2.0 hat sich zuletzt ein Forschungsprojekt an der Hochschule Darmstadt unter THOMAS PLEIL, Leiter des Studiengangs Online-Journalismus und Professor für Public Relations, gewidmet. 19 beteiligte Studenten untersuchten dabei in den Bereichen Wirtschaft und Politik die PR-Strategien im Social Web sowie zwischen Januar und Juli 2009 die Diskussionen in deutschsprachigen PR-Communities (TWITTER, Weblogs, XING-Gruppen) zu den Web 2.0-Aktivitäten. Blogs und Video-Podcasts spielten dabei eine zentrale Rolle, darunter der viel diskutierte „Governmental Podcast“ von ANGELA MERKEL. Die Auswertung der Fachgespräche durch die Darmstädter führte zu dem Ergebnis, dass ein Teil der PR-Profis Authentizität mit Wirklichkeitsnähe oder Ehrlichkeit identifiziert; für andere beinhaltet der Begriff im Rückgriff auf medientheoretische oder kulturanthropologische Modelle (Authentizität als „mediale Gewandtheit“) in erster Linie eine konzeptionelle Ebene.4 (→Abb. 1) Für den Wiener Professor für PR PETER SZYSZKA schließen sich beispielsweise Authentizität und Insze-nierung in der PR-Arbeit überhaupt nicht aus, und Web 2.0-Namensgeber TIM O’REILLY postete im Juli 2010 in einer Fachblogdiskussion zum Thema „verdeckte Werbebotschaften“ via TWITTER als „authentischem“ Kanal: „Yes, people can and will abuse every medium. But some people do it well. And yes, sometimes doing
keine Angabe
konzeptionell
Inszenierung
Ehrlichkeit
Wirklichkeitsnähe
aBB. 1: VERSTäNDNIS VON AUTHENTIZITäT
Quelle: Pleil, T., Rehn, D. (2010), n = 105
32%
30%
11%
24%
3%
PUBLIc RELATIONS
18 Fachjournalist No .1 2011
it well includes planning and practice. Imagine if every book I published were published as it comes direct from the keyboard of the author without any editing. More authentic, yes. Better, no.“5
Web 2.0-PR muss authentisch wirken, egal ob auf insze-nierter oder wahrhaftiger Basis. Der US-amerikanische Vorreiter SHIFT COMMUNICATIONS prägte 2006 den Begriff der „PR-2.0“ für die neuartigen Bedingungen von PR im Social Web, die nicht ohne die Partizipation der User, dem direkten Zeugnis ihrer Aufmerksam-keit im Internet, funktionieren kann. Unternehmen und Organisationen gehen heute davon aus, dass sie hohen (Zeit-) Aufwand im Internet zur Schaffung von Kommunikationsräumen zum direkten Online-Dialog mit ihren Kunden betreiben müssen, um authentisch und glaubwürdig zu wirken. Dies bedeutet die zugespitzte Umsetzung einer „symmetrischen Kommunikation“, das heißt einer Kommunikation mit direktem Rückkanal für die User. Als neuesten Trend verfechten PR-Manager die sogenannten Social Media Rooms als digitale Knotenpunkte, die den Online-Pressebereich ersetzen und alle Web 2.0-Aktivitäten einer Organisation bündeln sollen. Social Networks spielen dabei eine herausragen-de Rolle, wobei eine ausgefeilte strategische Umsetzung wohl im Moment noch ein Desiderat darstellt. PR-Professionals sehen große Chancen auf Imagegewinn durch eine Web 2.0-PR, die wie ein kontinuierlicher authentischer Dialog auf Augenhöhe wirkt und damit nicht als Marketinginstrument von den Usern wahr-genommen werden soll.
NEUE ZIELgRUPPEN, NEUES REAKTANZPOTENZIAL?
Eine andere Bezeichnung für PR 2.0 ist die sogenannte CLUETRAIN-PR6 (vgl. Lampe, S. 2007, S. 203), die durch
direkte Kommunikationskanäle den Menschen in den Mittelpunkt rücken soll. Web 2.0-Befürworter erkennen hierin die Online-Verwirklichung des HABERMAS’SCHEN egalitären Öffentlichkeitsideals in einer neuen Art symmetrischer Kommunikation aller Menschen. Die von PR-Fachleuten antizipierte gesellschaftliche Trans-formation durch das Web 2.0 initiierte eine Fülle von Untersuchungen zu den Variablen der Vertrauensge- winnung der User, die auf einer Peer-to-Peer-Ebene viel einflussreicher eingestuft werden müssten. Studiener-gebnisse besagen, dass Glaubhaftigkeit im Sinne von ehrlicher Offenheit daher immer wesentlicher wird.
Auf der anderen Seite werden die PR- und Werbestrategen jedoch auch mit einer stetig instabileren Gesellschaft konfrontiert. Meinungsmärkte werden unüberschaubarer, die Generierung von Aufmerksamkeit als kommunika-tives Ziel immer schwieriger. Der verstorbene Medien-journalist und Herausgeber des HANDBUCHS PR, BERND-
JÜRGEN MARTINI, spricht im Zusammenhang mit einer neu definierten Öffentlichkeit inmitten der neuen Medienlandschaft vom Übergang von der „individuellen Massenkommunikation“ zur „massenhaften Individual-kommunikation“. (vgl. Avenarius, H. 2000, S. 32) Die Kommunikation im Social Web ist persönlicher und subjektiver, der User markenunabhängiger, vielleicht egozentrischer.7 Vor diesem Hintergrund eruieren Markt-forscher und PR-Fachleute Parameter zur Minimierung der Gefahren durch Kontrollverlust, die eine möglichst glaubwürdige, weil transparente und dialogoffene Social-Web-PR in sich birgt. ( →Abb. 2) Strategisch umgesetzte Authentizitätskonstrukte, verdeckte Promotion-Aktio-nen, Ghostwriting oder vom Unternehmensmarketing „eingeschleuste“ Blogger generieren aber psychologisches Reaktanzverhalten der Menschen. Auch das ist hin-reichend bekannt und führt weiterhin zu intensiven
19%
33%27%
21%keine Angabe
Schreibstil
Personalisierung
unperfekte Produktion
aBB. 2: STRATEgIEN VON AUTHENTIZITäT
Quelle: Pleil, T., Rehn, D. (2010), n = 105
PUBLIc RELATIONS
1�Fachjournalist No .1 2011
Diskussionen in der PR-Fachwelt, ob Unternehmenskom-munikation überhaupt authentisch sein kann oder darf.
BLIcKWINKEL: DEUTScHE „POLITIK 2.0“ IM SOcIAL NETWORK fAcEBOOK?
Besonders bei der im Web 2.0 geführten PR deutscher Politiker sind die Zweifel von Beobachtern und Fach-leuten groß. Hohn und Spott sind umso größer, wenn die als „authentisch“ ausgegebene Kommunikation als durchgeplante Wahlkampfstrategie auffliegt. Prominen-tes Beispiel ist die TWITTER-Ghostwriter-Affäre von SPD-Spitzenkandidat THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL während der hessischen Landtagswahl Anfang 2009. Die als peinlich wahrgenommene Übernahme der Online-Wahlkampfstrategien von BARACK OBAMA durch deutsche Parteizentralen wird hierzulande als belanglos abqualifiziert. Dennoch kommen gerade Politiker nicht umhin, in ihrem Beraterkreis die Möglichkeiten zu diskutieren, wie sie sich am sinnvollsten im Web 2.0 positionieren können. Zielvorgaben betreffen die Optimierung der politischen Kommunikation und die Mobilisierung der Wählerschaft unter den neuen Voraussetzungen des Social-Web-Zeitalters. Der durchaus unerwartete Erfolg von ANGELA MERKELS Video-Podcast scheint auch der deutschen Politik die Richtung in weitere Web-2.0-Anwendungen wie Social Networks gewiesen zu haben.
Seit OBAMAS erfolgreicher integra-tiver Netzkampagne, über die er mehr als 750 Millionen Dollar Spendengelder sammeln konnte, gelten für PR-Fachleute TWITTER oder FACEBOOK als Aktivierungs-potenzial im Rahmen einer erfolg-reichen Politiker-PR. So können weltweit Millionen von Menschen unkompliziert und kostengünstig erreicht werden. In PR-Fachkreisen wird immer intensiver darüber diskutiert, wie man das eigentlich private „Freundesnetzwerk“ FACE-
BOOK am erfolgreichsten für die Kundenbindung erschließen könne. Dabei wird auf die Möglichkeit der direkten Kommunikation mit
den Usern verwiesen, die jede Organisation trotz aller Bedenken nutzen sollte. Dass dies aber problemlos als deutsche „Politik 2.0“ in eine Form neuer politischer Partizipation aufgrund einer authentischen Kommu-nikation auf den Politiker-Profilseiten übertragen werden kann, erscheint zweifelhaft. Bis zu einem gewissen Grad an das Vorbild OBAMAS angelehnt, führen jedoch seit einiger Zeit wenige deutsche Führungspolitiker ihre „privaten“ FACEBOOK-Fanseiten mit diversen Ausprägungen. Dazu zählen ANGELA MERKEL, GUIDO
WESTERWELLE, KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG und auch HORST SEEHOFER. OBAMA hat viele Millionen Fans. Demgegenüber fallen die Listen der Deutschen natürlich vergleichsweise äußerst bescheiden aus, wobei MERKEL und ZU GUTTENBERG im Vergleich zu WESTER-
WELLE und SEEHOFER noch wesentlich mehr aufweisen. Ähnliches fällt zum Kommentierungsverhalten der User zu Politiker-Posts auf, die bei den Deutschen angesichts OBAMAS Vorgaben in Zahlen sehr wenige sind. In der Gestaltung ihrer Profile fallen unterschiedliche Tenden- zen auf. Bei dem Klick zu SEEHOFER bekommt man etwa ein Interview präsentiert, wie es so in jedem Boulevardmagazin stehen könnte. Westerwelle nutzt offenkundig FACEBOOK (durch die Notizen-Applikation) ausschließlich als weiteren Kanal, um politische Bot-schaften oder Slogans wie auf Parteiveranstaltungen zu transportieren; seine „Lieblingsseiten“ sind auf die FDP ausgerichtet. Demgegenüber pflegen MERKEL und ZU GUTTENBERG via FACEBOOK bewusst auch ihr „privates“ Konterfei. Vor dem Hintergrund, dass beide ohnehin die beliebtesten Politiker Deutschlands sind, darf angenommen werden, dass die propagierte „authentische
»Die als peinlich wahrgenommene übernahme der Online-Wahlkampfstrategien
von BARACK OBAMA durch deutsche Parteizentralen wird hierzulande
als belanglos abqualifiziert.«
PUBLIc RELATIONS
facebookprofil des Bundesverteidigungsmininsters Dr. Karl-Theodor zu guttenberg
20 Fachjournalist No .1 2011
Vertrauenskultur“ im Web 2.0 ihre Glaubwürdigkeit nicht neu generiert hat, sondern diese höchstens verstärken mag.
fAZIT: „AUTHENTIScHES“ WEB 2.0 PER SE NIcHT gLAUBWüRDIgER
Web 2.0 wird also für die politische Kommunikation erfolgreicher deutscher Politiker eher boulevardesque denn als „Politik 2.0“ mit gesellschaftspolitischem Auftrag verstanden. Der Erfolg OBAMAS mag sich aus einem differenzierten soziokulturellen Hintergrund der Amerikaner erklären, wodurch es ihm möglich zu sein scheint, seinen Anhängern nicht nur im Wahlkampf großes Entertainment zu bieten und dieses konstruktiv mit der Autorität als US-Präsident zu verbinden. Die Web 2.0-Sphäre mit ihrer direkten Kommunikationsstruktur geht sehr gut mit diesen Vorgaben konform. Die Welt ist unter kommunikativen Aspekten eben nur in den technischen Möglichkeiten „ein Dorf“, wie der kanadi-sche Kommunikationstheoretiker MARSHALL MCLUHAN bekanntermaßen urteilte. Differenzierungen sind nötig.
In Sachen glaubwürdiger Social-Media-PR sind kultur-soziologische Aspekte aber nur die eine Seite. Ein großes Dilemma ist bei der unausgegorenen Fachdiskussion um die inhaltliche Aufladung von „Authentizität“ im Social Web zu greifen. Das Ideal der offenen Ehrlichkeit von PR soll frei von Marketinginstrumenten sein, kann aber de facto ohne diese nicht funktionieren. Sie bleibt nicht mehr als ein hehres Ziel. Währenddessen konzentriert sich die Praxis auf die Evaluierung von Parametern, anhand derer „Authentizität“ zumindest der Form nach konstruiert werden soll. Folgenreiche Reaktanzverhalten der Menschen sind vorprogrammiert, wenn die Web 2.0-Marketinginstrumente als solche auffliegen, was durchaus seinen Teil dazu beitragen mag, dass eine kritische und skeptische Reflexion des Social Web mancherorts in Gang zu kommen scheint.8
Das Diktum der traditionellen PR-Forschung, „Wer nur glaubwürdig sein will, wirkt häufig unglaubwürdig“ (vgl. Bentele, G. 1992, S. 164), trifft auch und besonders auf die Generierung von Authentizität im Web 2.0 zu. Wer sich lediglich auf die Produktion authentisch wirkender Mittel sowie die Schaffung der Rahmenbedingungen für authentische „Dialog-Kommunikation“ in der Social-Web-PR konzentriert, läuft auch leichter das Risiko, genau das Gegenteil zu erreichen. Statt einzig an dem „Always on“-Wettlauf im Internet teilzunehmen, sollten sich die professionellen Kommunikationsmanager auch hinsichtlich des Social Web wieder verstärkt am dauerhaften Kodifizierungsdiskurs zur Umsetzung
Die Autorin Dr. phil. NIcOLE PETZI, M.A., studierte
geschichte und Klassische Archäologie an der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und promovierte
über die politische Kommunikation europäischer
gesandter an den Herrscherhöfen der Renaissance.
Sie ist Absolventin der Freien Journalistenschule
Berlin und ging in ihrer wissenschaftsjournalistischen
Abschlussarbeit der Frage nach der Bedeutung
authentischer PR im Social Web nach.
PUBLIc RELATIONS
ethischer Berufswerte in die Praxis beteiligen (vgl. Föhr, B. 2004, S. 192 f.).//
ENDNOTEN:
1 Vgl. den Begriff von Heinelt (2003).2 Nützliche Links zu den PR-Kodizes finden Sie beim Deutschen Rat für
Public Relations unter: http://www.drpr-online.de/statische/itemshowone.php4?id=1.
3 Ethik-Kodex für Multimediajournalismus. Zugriff am 29.09.2010 unter http://multimediaehtik.wordpress.com/ethik-kodex-multimedia-journalismus/.
4 Vgl. die Ergebnisse bei Pleil T., Rehn D., (2010), S. 62.5 Kommentar vom 17.06.2009 auf Bait’n’Beer Blog vom 16.06.2009: „A Strategy
for Authenticity“. Zugriff am 29.09.2010 unter http://baitandbeer.blogspot.com/2009/06/strategy-for-authenticity.html#comments.
6 Begriff vom sog. Cluetrain-Manifest, worin 1999 David Weinberger et al. unter Aufstellung von 95 Thesen unter anderem die vernetzten „Märkte als Gespräche“ hervorhob.
7 Bezeichnenderweise hat mit dem Web 2.0-Hype das Time Magazine YOU als Person of the Year 2006 gekürt.
8 Die Germanistin Astrid Herbold argumentiert zum Beispiel in dieser Richtung in ihrem aktuell erschienenen Buch „Das große Rauschen: Die Lebenslügen der digitalen Gesellschaft“.
LITERATUR
Avenarius, H. (2000): Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation, 2. Aufl., Darmstadt.
Berge, S. , Buesching, A. (2008): Strategien von Communities im Web 2.0, in: Hass, B. et al. (Hrsg.): Web 2.0. Neue Perspektiven für Marketing und
Medien, Berlin, Heidelberg, S. 23-37.
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22 Fachjournalist No .1 2011
ZWANZIg jAHRE NAcH DEM fALL DES EISERNEN VORHANgS ZUR ENTWIcKLUNg DER MEDIEN IN OSTEUROPA
Die Diskussion über die Lage der Medien in Osteuropa leidet an einem wesentlichen Manko: Sie
steht allzu sehr im Schatten der zugegebenermaßen deprimierenden Lage der Medien in Russland.
Dort hat sich die Sicherheit der Journalisten
und all derer, die sich für die Meinungsfreiheit
einsetzen, seit dem Mord an der mutigen
ANNA POLITKOVSKAJA nicht verbessert.
Die NOVAJA gAzeTA („Neue zeitung“),
für die POLITKOVSKAJA schrieb, hat man
immer wieder über Steuernnachforderungen
und Drohungen einzuschüchtern versucht.
einschüchterung und bisweilen selbst
Mordanschläge kamen auch in den anderen
Transformationsstaaten Osteuropas in der
zeit nach der Wende vor. Aber davon haben
sich Länder wie Serbien oder Rumänien
mittlerweile weit entfernt. Der Medienmarkt
wuchs und gedieh, trotz ethnischer gräben,
ungeachtet des oft als zu groß kritisierten
einflusses westlicher Medienkonzerne oder
des Drucks alter politischer Seilschaften.
von Marc Stegherr
SERBIEN UND KROATIEN: MARKTgäNgIgKEIT ALS KRITERIUM
Dass im heutigen Russland die Pressefreiheit endgültig für tot erklärt werden müsste, wenn es nicht die NOVAJA
GAZETA und einige mutige Provinzzeitungen gäbe, sollte nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, dass die osteuropäischen Medien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen ungeahnten Aufschwung erlebt haben. Nach den Jahrzehnten der Unterdrückung entstanden überall Zeitungen, Zeitschriften sowie eine Unzahl von Radiosendern und Fernsehstationen, die sich frei und ungehindert über fast alles äußerten. Man genoss die end-lich wiedergewonnene Freiheit in vollen Zügen. Doch die alten Seilschaften wollten ihren gewohnten Einfluss nicht von heute auf morgen einbüßen. Im ehemaligen
Jugoslawien spielte sich vor dem Bürgerkrieg und wäh-renddessen ein wahrer Machtkampf um die ehemals regierungsbestimmte Presse ab. Journalisten passten sich an oder gerieten unter die Räder. Die größte und älteste Zeitung Serbiens und auf dem Balkan, die POLITIKA, galt zu Zeiten MILOŠEVIĆS als Flaggschiff der Regierung und hatte sich damit in den Augen vieler Serben hoffnungslos kompromittiert und ihr Renommé verspielt. Nach der Ablösung des Regimes durch die friedlichen Proteste im Jahre 2000 konnte die POLITIKA wieder Boden gut-machen. Viele bekannte serbische Schriftsteller und Intel-lektuelle schreiben für sie, weshalb man die Erregung in der serbischen Öffentlichkeit verstehen kann, als 2003 bekannt wurde, dass ausgerechnet der deutsche WAZ-Konzern zum Mehrheitseigentümer des Verlagshauses POLITIKA geworden war.
Das serbische Nachrichtenmagazin NIN
MEDIEN
23Fachjournalist No .1 2011
MEDIEN
wurde, entschlossen sich die Journalisten VIKTOR IVANČIČ, PREDRAG LUČIĆ und BORIS DEZULOVIĆ, eine unabhängige Zeitschrift ins Leben zu rufen, die FERAL. Da viele kroatische Unternehmer es vorzogen, in regierungsnahen Periodika zu inserieren, somit die Werbeeinnahmen ausblieben und außerdem die steuerliche Belastung in die Höhe geschraubt worden war, musste die FERAL im Juni 2007 ihr Erscheinen zum ersten Mal einstellen. Die Redaktion erklärte, für kritische und für regierungsnahe Medien gälten hinsichtlich der Steuern nicht die gleichen Bemes-sungsgrundsätze. Rettend griff damals die deutsche WAZ-Gruppe ein, wobei sich mancher Kritiker der anderweitigen „Performance“ der Gruppe veranlasst fühlte zu betonen, die FERAL sei das Flaggschiff des unabhängigen, investigativen Journalismus in Kroatien. Hohe Entschädigungsansprüche hochrangiger Politiker aus der Ära TUDJMAN – die das Blatt wegen „Zufügung seelischen Leids“ verklagt hatten – der Boykott der Werbewirtschaft und auch die steuerliche Belastung brachten 2008 das Ende. Viele berühmte Persönlich-keiten wie die kroatische Schriftstellerin SLAVENKA
DRAKULIA, der slowenische Philosoph SLAVOJ ŽIŽEK, der US-amerikanische Linguist und Gesellschaftskriti-ker NOAM CHOMSKY oder der französische Philosoph ALAIN FINKIELKRAUT hatten für die Zeitung geschrie-ben. Der kroatische Staatspräsident FRANJO TUDJMAN war regelmäßig Objekt des Spottes in der Rubrik „Shit of the week“ und erhielt sogar den Ehrenpreis „Shit of the year“ für seine Aussage, er werde neben FRANCO als Retter der westlichen Zivilisation in die Geschichte eingehen. Dass eine solche Zeitung gerade in den heißen 1990er-Jahren in Regierungskreisen wenig beliebt war, liegt auf der Hand.
2005 stieg der deutsche Konzern auch bei der 1953 gegründeten, auflagenstarken VEČERNJE NOVOSTI
(„Abendnachrichten“) ein. Was in Rumänien und Kroatien bereits zu beobachten war, begann sich auch in Serbien abzuzeichnen. Namhafte Zeitungen, darunter etliche, die sich durch ihre Opposition gegen das TUDJMAN-Regime in Kroatien oder die CEAUŞESCU-Diktatur in Rumänien einen Namen gemacht hatten, wurden nach und nach aufgekauft und auf „marktgängigen Kurs“ gebracht. Hier bahne sich, kritisierte so mancher einheimische Journalist, eine Entwicklung an, die bedenklich stimme. Nachdem man das alte Regime abgeschüttelt habe, das mal mehr, mal weniger, aber immer nachdrücklich auf Regimetreue pochte, offenbare sich der ominöse Markt und das angebliche Publikumsinteresse als neue bedrohliche Einflussnahme auf den kritischen Journalismus. Die vielzitierte Boulevardisierung der seriösen, traditionsreichen Presse ist zum Beispiel in Kroatien augenfällig, gerade wenn man sie mit den serbischen Pendants vergleicht. Während manche Artikel des kroatischen Politmagazins GLOBUS fast nur noch aus Illustrationen bestehen, ist sein serbischer Gegenpart, die NIN, fast schon zu textlastig – wobei die jüngste Reform das serbische Nachrichtenmagazin durchaus übersicht-licher und lesbarer gemacht hat.
Als Entschuldigung heißt es oft, die kroatische oder rumänische Öffentlichkeit wünsche eben weniger regierungskritische Artikel als Sensationsmeldungen. Die INTERNATIONAL FEDERATION OF JOURNALISTS meinte jedoch, nicht nur in Kroatien, sondern auch in Rumänien und Bulgarien zeigten sich die „verheerenden Auswirkungen“ des Engagements internationaler Medienkonzerne, die nur auf die Bilanzen sähen und weniger auf die Bedeutung kritischer Medien für die Entwicklung funktionierender demokratischer Gesellschaften. In Rumänien beherrschte der Streit zwischen dem WAZ-Emissär BODO HOMBACH und der Redaktion der ROMÂNIA LIBERĂ 2004 und 2005 die Schlagzeilen. Gegen die Marktmacht westeuropäischer Konzerne und nicht zuletzt gegen politisch einflussreiche Kreise im Lande konnte sich auch das beliebte und mehr-fach ausgezeichnete kroatische Satiremagazin FERAL
TRIBUNE nicht lange behaupten. Bis 1993 erschien es als Beilage der traditionsreichen kroatischen Tageszeitung SLOBODNA DALMACIJA, danach als selbständiges Blatt.
REgIERUNgSKRITIScHE MEDIEN IN KROATIEN UND SERBIEN
Als die SLOBODNA durch einen gesetzwidrigen Pri-vatisierungsprozess an ein Mitglied der regierenden HRVATSKA DEMOKRATSKA ZAJEDNICA verkauft
Die kroatsiche Tageszeitung Slobodna Dalmacija
24 Fachjournalist No .1 2011
MEDIEN
Ebenso wenig populär war der serbische Sender B92, der heute zu den beliebtesten und einflussreichsten Sendern Serbiens gehört. Im Schicksalsjahr 1989 gegründet, legte sich B92 von Anfang an mit den Mächtigen an. Sein Leitspruch lautete: „Informieren heißt nicht Meinungen vertreten und sie wiederholen, in der Information liegt auch die Kraft, die Realität zu verändern.“ Der Sendebetrieb wurde in den 1990er-Jahren oft gestört, aber auf internationalen Druck wieder freigeschaltet. Im Oktober 2000, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen das MILOŠEVIĆ-Regime, zählte B92 ungefähr 1,3 Millionen Zuhörer, weil er der einzige Sender war, der live von Ereignissen auf den Straßen Belgrads berichtete. In der Nach-MILOŠEVIĆ-Zeit, die von politischen Macht-kämpfen geprägt war, kämpfte B92 wie viele andere regierungskritische Medien mit finanziellen Problemen. Dazu kam der anhaltende politische Gegenwind: Der Chef der serbischen Radikalen, VOJISLAV ŠEŠELJ, nannte die Journalisten von B92 Verräter, die im Solde der Fein-de Serbiens stünden. Nach der Unabhängigkeitserklä-rung der serbischen Südprovinz Kosovo im Frühjahr 2008 heizte der staatliche Rundfunk RTS zusammen mit den Boulevardmedien die Stimmung bedrohlich an. Die Redaktion des als pro-westlich geltenden Senders B92 wurde von Hooligans angegriffen.
KOSOVO, BOSNIEN, MAZEDONIEN: ETHNIScHE gRäBEN AUcH IN DEN MEDIEN
Im Kosovo selbst ist Kritik an der rein nationalen Sicht der Dinge nach wie vor ein Randphänomen. In der Unterstützung des großen Ziels Unabhängigkeit war man sich bis 2008 über alle Partei- und Mediengrenzen hinweg einig. Kritik an problematischen Entwicklungen dieser programmatisch uniformen, kosovo-albanisch verengten Politik im international verwalteten Kosovo konnte fatale Konsequenzen haben. Als sich die Kosovo-Serben nach dem Ende des Kosovo-Konflikts aus Angst vor Anschlägen nicht mehr aus dem Haus trauten und mancher Scharfmacher die Serben kollektiv als inferior und verbrecherisch verdammte, meinte VETON SURROI, damaliger Chefredakteur der angesehenen Tageszeitung KOHA DITORE („Die Tageszeit“), das sei nur eine andere Form des Faschismus. Morddrohungen waren die Folge. Nicht anders erging es der Moderatorin JETA XHARRA, die in dem TV-Magazin „Life in Kosovo“ Clanwirtschaft und Korruption beim Namen nannte und selbst hoch-gradig tabuisierte Themen wie die Nachlässigkeit von Ortsbeamten, Verbrechen der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK bis hin zur Homosexualität ansprach.
»Informieren heißt nicht Meinungen vertreten und sie wiederholen, in der Information liegt auch
die Kraft, die Realität zu verändern.«
Der Spagat zwischen dem, was in einer von Krieg und politischem Konflikt zerrissenen Gesellschaft tragbar und sagbar ist, zeigt sich auch im ethnisch gespaltenen Bosnien-Herzegowina. Nicht nur im Bundesparlament, auch im Aufsichtsrat des Bundesfernsehens FTV stritt man sich darum, ob der ethnische Proporz zwischen muslimischen Bosniaken und Kroaten wirklich gewahrt würde. Hinzu kommen die Zwistigkeiten zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und der Serben-Republik, der Republika Srpska. Die bosnischen Kroaten wie auch die bosnischen Serben lesen vor allem die Zeitungen und Zeitschriften aus Kroatien bzw. Serbien – im Falle der Serben u. a. VEČERNJE NOVOSTI („Abendnachrichten“), BLIC oder POLITIKA, im Falle der Kroaten VEČERNJI
LIST („Abendzeitung“) oder JUTARNJI LIST („Morgen-zeitung“) aus Zagreb.
Die zwei größten Zeitungen der Föderation, DNEVNI
AVAZ („Tägliche Stimme“) und OSLOBODJENJE („Befreiung“), wurden und werden in Banja Luka nicht gelesen, um sich mit dem Gesamtstaat zu identifizieren, sondern um sich über die Vorgänge in der Föderation auf dem Laufenden zu halten und die Politik entsprechend auszurichten. Seitdem das Kosovo unabhängig ist, wird regelmäßig die Frage diskutiert, ob sich die Republika Srpska nicht Serbien anschließen solle – eine Aussicht, die den Vertretern der internationalen Gemeinschaft Schweißperlen auf die Stirn treibt. In der Serbenrepublik ist neben der NEZAVISNE NOVINE („Unabhängige Zeitung“) die ebenfalls in Banja Luka erscheinende serbisch-konservative GLAS SRPSKE („Stimme der Serben-Republik“) die größte regionale Tageszeitung. Die Zeitung, die sich heute fast nur in der Serben-Republik verkauft, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Namen GLAS in Banja Luka gegründet. Im jugoslawischen Bürgerkrieg änderte sie ihren Namen in GLAS SRPSKI („Serbische Stimme“) und wenig später in GLAS SRPSKE. Im Gegensatz zur betont konservativ-nationalen GLAS SRPSKE ist die NEZAVISNE NOVINE
eine Zeitung, deren Redakteure sich vorgenommen haben, die bosnisch-serbische Gesellschaft kritisch zu durchleuchten. Daher war sie auch von Anfang an in der bürgerlichen Schicht aller drei Nationen beliebt. Als sie aber begann, auch über serbische Kriegsverbrechen zu schreiben, war sie fortan Angriffen ausgesetzt. Auf den Gründungsredakteur ŽELJKO KOPANJA wurde im Oktober 1999 sogar ein Attentat verübt, bei dem er um Haaresbreite dem Tod entkam. International wurde man dadurch auf die NEZAVISNE aufmerksam, die seitdem deutlich mehr Unterstützung erhält.
Das Projekt einer offenen Gesellschaft, unterstützt von kritischen Medien, ist ein langwieriger Prozess, der mit der Courage der Journalisten und dem Widerhall, den sie
25Fachjournalist No .1 2011
MEDIEN
über ihre Gesellschaft hinaus erfahren, steht und fällt. Stärkeres Interesse für die internen Probleme würde sich auch Mazedonien wünschen, jener Staat, um den zwischen einer starken albanischen Minderheit und einer etwa doppelt so großen slawischen Mehrheit gerungen wurde und wird. Die Spaltung der Gesellschaft entlang ethnischer Linien entlud sich 2001 in einem bewaffneten Konflikt zwischen der mazedonischen Armee und radi- kalen Albanern. In den Folgejahren wäre man in den Medien der Mehrheitsethnie kaum ohne Sensations-meldungen über die Albaner ausgekommen, monierte der Ethikrat des mazedonischen Journalistenverbandes im Jahr 2002. Um Sensationen bemüht sind freilich weniger die traditionsreichen Periodika Mazedoniens wie die NOVA MAKEDONIJA, die 1944 gegründet wurde, als die Neugründungen der Zeit nach der Unabhängigkeitserklä-rung, Zeitungen wie DNEVNIK („Tagblatt“) oder UTRINSKI
VESNIK („Morgenzeitung“), welche im Juni 1999 zum ersten Mal erschien.
MITTELOSTEUROPA: DOMINANZ WESTEUROPäIScHER MEDIENKONZERNE
Neben den ethnischen Gegensätzen, an deren Überwindung Politik und Medien arbeiten, gilt es, die Verflechtung von Medien, Wirtschaft und Politik und auch die Finanzierungsprobleme der öffentlich-rechtlichen Medien zu lösen, mit denen ehedem auch die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn zu kämpfen hatten. In den Ländern Mittelosteuropas, so auch in Polen, wird eines immer wieder beklagt: Die Dominanz westeuropäischer Medienkonzerne. Nicht nur in den erwähnten südosteuropäischen, auch in mittelosteuropäischen Staaten kontrollieren gerade deutsche Verlagsunternehmen mehr als die Hälfte des gesamten Pressemarktes, allen voran der WAZ-Konzern und die VERLAGSGRUPPE PASSAU. In Prag gehört lediglich eine Zeitung einem tschechischen Verlag: Das ehemals als RUDE PRAVO bekannte Organ der KOMMUNISTISCHEN PARTEI, eine jetzt nur noch PRAVO genannte Tageszeitung. Wie in Tschechien sind auch in Polen die VERLAGSGRUPPE PASSAU, der BAUER-
VERLAG und SPRINGER stark vertreten. Polnische Journalisten sahen deshalb bereits die Pressefreiheit durch die Vorherrschaft deutscher Konzerne bedroht, was sicherlich übertrieben ist.
Was die Freiheit der Presse in der Ukraine betrifft, konnte man nach dem Sieg der „Orangenen Revolution“ vor sechs Jahren deutliche Fortschritte beobachten. Nach dem neuerlichen Sieg von VIKTOR JANUKOVYČ im Januar 2010 drohen diese aber wieder zurückgedreht zu werden. Dass das Wahlergebnis von 2004, das den
russophilen JANUKOVYČ zum Sieger erklärt hatte, manipuliert war, erfuhren nur die Fernsehzuschauer, die der Gehörlosensprache mächtig waren. Im Fernseh-sender UT-1 hatte NATALIA DIMITRUK damals in Gebärdensprache erklärt: „Die von der zentralen Wahlkommission veröffentlichten Ergebnisse sind gefälscht, glauben Sie ihnen nicht.“ Mit dieser Geste des Widerstands griff die orangefarbene Revolution der Straße endgültig auch auf die Medien über. Der offiziell unterlegene Präsidentschaftskandidat VIKTOR JUŠČENKO wurde Präsident. Heute ist sein ehemaliger Konkurrent JANUKOVYČ Präsident, und dessen russlandfreundliche, autokratische Politik lässt auch die ukrainischen Medien in jenes bedenkliche Fahrwasser geraten, das Russland zu einem für Journalisten derart gefährlichen Ort macht.
Wenn auch die „Boulevardisierung“ und die politische Uniformität bisweilen beklagt werden — ein Phänomen, das durchaus nicht auf Osteuropa beschränkt ist — haben die Medien in Mittelost- und Südosteuropa in den letzten 20 Jahren doch eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen. Zugespitzt formuliert: Auf die Emanzipation vom autoritären System der Vergangenheit folgt die allmähliche Heilung der Transformations-„Krankheiten“, die dort am ausgeprägtesten sind, wo Krieg und ethnischer Konflikt den Übergang verzögert haben. Die Erfolgsgeschichte der ostmittel- und südosteuropäischen Medien hat die Kraft, auf Osteuropa abzufärben. Russland oder die Ukraine stünden noch schlechter da, wenn es die mutigen und engagierten Journalisten nicht gäbe, die sich für den Aufbau einer freien und kritischen Presse einsetzen, oft genug unter Einsatz ihres Lebens.//
»Die erfolgsgeschichte der ostmittel- und südosteuropäischen Medien hat die Kraft,
auf Osteuropa abzufärben.«
Der Autor Dr. MARc STEgHERR, geb. 1968 in Ingolstadt,
ist Dozent für Landeskunde Südosteuropas an
der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Forschungsschwerpunkt: Slawische Non-
Standardsprachen, Sprach- und Kulturgeschichte
Südosteuropas; Tätigkeit
als landeskundlicher
Südosteuropa-Berater für
KFOR, Bundeswehr und
politische Institutionen. Jüngste
Publikation: Marc Stegherr,
Kerstin Liesem: Die Medien in
Osteuropa. Mediensysteme im
Transformationsprozess.
26 Fachjournalist No .3 2010
BEVOR DU SELBSTMORD BEgEHST, RUf MIcH AN!
KRISENINTERVENTION DURcH EHRENAMTLIcHE SEELSORgE, RUND UM DIE UHR.von Franz-Josef Hücker
Nur selten begegnet er uns in den Tageszeitungen oder in
den Nachrichtensendungen. es sei denn, es handelt sich um
bundesweit bekannte Persönlichkeiten wie die 48-jährige
Berliner Jugendrichterin KIRSTeN HeISIg, die sich ende Juni
2010 aus persönlichen gründen in einem Forststück stranguliert haben soll. Oder um den
32-jährigen Fußball-Nationaltorwart ROBeRT eNKe, der sein Leben am 10. November 2009
mit einem Schienensuizid beendete, nachdem er wegen Depressionen bereits mehrfach in
psychiatrischer Behandlung war. In öffentlichen Beileidsbekundungen ist dann zu lesen,
dass die Menschen fassungslos und tief erschüttert seien, dass endlich etwas geschehen
müsse. In Deutschland nimmt sich stündlich ein Mensch das Leben. Nahezu eine Kleinstadt
jährlich. ganz ohne öffentliche Beileidsbekundungen und Medieninteresse. Doch es gibt
Menschen, die in dieser Situation etwas tun: Die Telefonseelsorger, denen diese Studie
zur Funktion eines Krisendienstes im deutschen gesundheitssystem gewidmet ist.
SUIZID ALS TODESURSAcHE
Der Suizid als Todesursache weist seit Jahren einen abnehmenden Trend auf, allerdings auch weiterhin be-achtliche Zahlen.1 So wurde 1999 bei 11.157 Sterbefällen (8.080 männlich (m), 3.077 weiblich (w) / 2,6 : 1) Suizid als Todesursache festgestellt, 2008 waren es 9.451 (7.039 m, 2.412 w / 2,9 : 1). Während sich 1999 in Deutschland alle 47 Minuten jemand das Leben genommen hat (mittlere Lebensjahre 53,3), geschah das 2008 alle 56 Minuten (mittlere Lebensjahre 55,7). Das sind mehr Menschen, als durch Verkehrsunfälle sterben. Schon im Jugendalter gilt der Suizid nach Unfällen als häufigste Todesursache. Nach Schätzungen liegt das Verhältnis von Suizid und Suizidversuch bei 1 zu 12. Knapp 60 Prozent aller Suizidversuche entfallen auf Frauen. Rein statistisch
»In Deutschland nimmt sich alle 56 Minuten ein Mensch das Leben«
erfolgen die meisten Suizide im Mai, die wenigsten in der dunklen Jahreszeit. Warum sich Menschen das Leben nehmen, wissen wir nicht. Die Berichterstattung zu KIRSTEN HEISIG und ROBERT ENKE hat gezeigt, dass es zu dieser bisher unbeantworteten Frage nur subjektive Antworten geben kann, die jede pauschale Erklärung verbieten.
Bekannt ist allerdings, dass in Deutschland etwa 15 Proz-ent der Frauen und acht Prozent der Männer innerhalb eines Jahres eine depressive Phase durchleben, die bei einem von sieben schwer depressiven Menschen in einen Suizid einmündet. Außerdem leidet jede fünfte Frau und fast jeder zehnte Mann innerhalb eines Jahres unter einer Angststörung, die oft zu starken Beeinträchtigungen des alltäglichen Lebens führen kann. Bekannt ist weiterhin, dass wahrscheinlich nur bei einem Teil der Betroffenen die richtige Diagnose gestellt und eine angemessene Behandlung eingeleitet wird (vgl. Achterberg, P. et al.
27Fachjournalist No .1 2011
gESELLScHAfT
2006, S. 29). Und selbst wenn dies gelingen sollte, verlangt es Geduld, die in dieser kritischen Situation nicht erwartet werden kann. So müssen Betroffene, die einen Psychotherapeuten aufsuchen möchten, im Mittel rund zwei Monate auf das Erstgespräch warten und knapp fünf Monate auf einen ambulanten Psychotherapieplatz (vgl. Schulz, H. et al. 2008, S. 15).
Wohin können sich diese Menschen also wenden, die nicht sterben möchten, aber auch nicht so weiterleben wie bisher? In dieser Situation nutzen Menschen oft das Gesprächsangebot der deutschen TELEFONSEELSORGE, die im Vergleich mit anderen bundesweiten Krisendiensten den höchsten „Bekanntheitsgrad“ (vgl. Friese, B. 2005, S. 24) aufweist und eine entsprechend beachtliche Nachfrage.
gESELLScHAfTLIcHE VERANTWORTUNg üBERNEHMEN
Die telefonische Seelsorge begann in Deutschland vor über 50 Jahren, am 5. Oktober 1956, als der Arzt, Psycho- therapeut und Pfarrer DR. KLAUS THOMAS eine private Rufnummer für die ÄRZTLICHE LEBENSMÜDENBETREU-
UNG BERLIN veröffentlichte. Bereits 1957 entstanden weitere Stellen, die sich nun allerdings TELEFONSEEL-
SORGE nannten. Und schon in den folgenden Jahren zog sich ein Netz von Neugründungen über die gesamte Bundesrepublik.
Der Namenswechsel beendete zugleich einen Rich-tungsstreit. Während für die ÄRZTLICHE LEBENS-
MÜDENBETREUUNG BERLIN das Gesprächsangebot in eine Behandlung einmünden sollte, hatten für die TELEFONSEELSORGE Anonymität und Verschwiegenheit absolute Priorität. Eine Position, die sich durchsetzte und die TELEFONSEELSORGE bis heute nachhaltig geprägt hat; sie ermöglicht ungebrochen ein niederschwelliges Gesprächsangebot für die Hilfesuchenden.
Ein ganz ähnliches Gesprächsangebot existierte in England bereits seit 1953 („Before you commit suicide, ring me up!“), ausgelöst durch den Suizid eines 14-jährigen Mädchens und die extreme Suizidrate in den großen Städten. In London gründete der Pfarrer DR.
CHAD VARAH am 2. November 1953 die SAMARITANS
(Samariter). Dabei handelt es sich um eine Organisation, die seit dem 11. April 1963 als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung firmiert und ein mit der TELEFONSEELSORGE vergleichbares Anliegen hat: „Samaritans provides confidential non-judgemental emotional support, 24 hours a day for people who are experiencing feelings of distress or despair, including those which could lead to suicide.“2
Schlicht und funktional: Die gründerjahre der Berliner TELEfONSEELSORgE, quelle: Telefonseelsorge Berlin e.V.
»Die Idee der Telefonseelsorge entstand durch den Suizid eines 14-jährigen Mädchens«
28 Fachjournalist No .1 2011
gESELLScHAfT
Im anderen Teil des damals noch geteilten Deutschlands, in der Deutschen Demokratischen Republik, wurde die erste Telefonseelsorgestelle am 2. Januar 1986 in Dresden gegründet, am 1. November 1988 folgte die KIRCHLICHE TELEFONSEELSORGE BERLIN-MITTE. Und nach der Wende entstanden weitere Stellen in allen neuen Bundesländern.
Wer bei der TELEFONSEELSORGE anrief, musste an-fangs die Telefongebühren selbst tragen. Das wurde Mitte 1997 geändert. Am 1. Juli 1997 hat die DEUTSCHE TELEKOM die „ersten freecall 0800 Servicenummern für die Telefonseelsorge-Dienste“ geschaltet und übernimmt seither die Gebühren. Mit der Umstellung auf die gebührenfreien Rufnummern wurde auch das Anliegen verwirklicht, dass die Anrufe bei der TELEFONSEEL-
SORGE nicht mehr in den Verbindungsnachweisen der Anrufer dokumentiert werden und insofern auch dort die versprochene Anonymität gewahrt bleibt. Ergänzend zu den bundesweiten Rufnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 ist die TELEFONSEELSORGE seit dem 6. August 2008 auch mit der europaweit einheitlichen Kurzruf-nummer 116123 für telefonische Betreuungsdienste („Emotional Support“) ebenfalls kostenlos erreichbar.
So bieten die Ehrenamtlichen der TELEFONSEELSORGE den Menschen in einer Lebenskrise bereits seit Jahrzehnten rund um die Uhr deutschlandweit eine Gesprächsmöglichkeit, während die zumeist hauptberufliche Leitung der Regionalstellen für die Organisation sowie für die Auswahl, Ausbildung und Begleitung der Telefonseelsorger verantwortlich ist. Außerdem bietet die TELEFONSEELSORGE „12 Offene Türen in zwölf Städten“ als „City-Beratungsdienste“, die Menschen in einer Lebenskrise ohne Voranmeldung und lange Wartezeiten auch anonym in Anspruch nehmen können. Weiterhin hat sich die TELEFONSEELSORGE im Internet mit einem „Gesprächsangebot“ per E-Mail (seit 1995) und Chat (seit 2003) etabliert, das wie die „City-Beratungsdienste“ eine beachtliche Resonanz aufweist und ständig weiterentwickelt wird.
ORgANISATION UND gRUNDSäTZE DER TELEfONSEELSORgE
Die TELEFONSEELSORGE wurde von Anfang an durch die Kirchen gefördert, seit 1961 sind Neugründungen regionaler Stellen überwiegend ökumenisch. Träger sind Kirchenkreise, Dekanate, Bistümer, Landeskirchen und gemeinnützige Vereine. Im Jahr 2008 gab es in Deutsch-land 106 Telefonseelsorgestellen, 30 in evangelischer, 9 in katholischer und 67 in gemeinsamer Trägerschaft. Auf Landesebene organisieren sich diese Einrichtungen
in Verbänden, auf Bundesebene in konfessionellen Konferenzen.
Sämtliche Grundsatzvereinbarungen und Rahmen-vorgaben zur Aus- und Weiterbildung der ehrenamtlichen Mitarbeiter und für die Fortbildung der hauptver-antwortlichen Mitarbeiter erarbeitet die EVANGELISCH-
KATHOLISCHE KOMMISSION FÜR TELEFONSEEL-
SORGE UND OFFENE TÜR, die auch die alljährlich in der fränkischen Gemeinde Vierzehnheiligen (14 heilige Nothelfer) stattfindende „Leiterinnen- und Leitertagung für Telefonseelsorge und Offene Tür“ vorbereitet. Die TELEFONSEELSORGE gilt als beispielhaft für die Idee der Ökumene und ist Mitglied der INTERNATIONAL
FEDERATION OF TELEPHONE EMERGENCY SERVICES
(IFOTES) mit Sitz in Genf. Die aus 28 Ländern stammenden Mitglieder dieses weltweiten Verbandes haben sich auf Grundsätze für ihre Arbeit geeinigt, die in der IFOTES ETHICAL CHARTER geregelt sind. Als ethische Grundsätze der TELEFONSEELSORGE gelten: „Anonymität, Verschwiegenheit, Erreichbarkeit rund um die Uhr, Offenheit, Kompetenz, Kostenfreiheit.“
WIE WIRD MAN TELEfONSEELSORgER?
Der Weg zum Telefonseelsorger beginnt mit dem Auswahlverfahren. Dabei geht es um die Belastbarkeit des Bewerbers, sein Einfühlungsvermögen, seine Konfliktbereitschaft und Teamfähigkeit und um seine Motivation für den Krisendienst. Und es geht um die Bereitschaft, sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen. Danach folgen die einjährige Ausbildung mit mindestens 90 Zeitstunden und die Erprobungsphase. Die Schwerpunkte der Ausbildung sind laut Rahmenplan: 1. die Arbeit an der eigenen Person, 2. die Gesprächsführung, 3. die Informationen zu Problemfeldern der Gespräche (vgl. Rahmenordnung 1986). Am Schluss der Ausbildung entscheidet die Stellenleitung über die Zulassung zum Dienst in der TELEFONSEELSORGE und der OFFENEN TÜR.
Auch wenn die Laienausbildung der TELEFONSEEL-
SORGE nicht zur „Ausübung der Heilkunde“ (vgl. Hücker, F.-J. 1997, S. 264-271) qualifizieren kann, muss sie ihre Absolventen befähigen, psychotherapeutische Effekte zu erzielen. Nichts anderes erwartet ein beacht-licher Teil der Hilfesuchenden, denn schließlich teilen sich die TELEFONSEELSORGE und die Psychotherapie zahlreiche Gesprächsgegenstände.
»Laienausbildung ermöglicht TeLeFONSeeLSORge durch ehrenamtliche«
2�Fachjournalist No .1 2011
gESELLScHAfT
»Bei der TeLeFONSeeLSORge beginnt alle 20 Sekunden ein gespräch«
Zuwachs an ehrenamtlichen Mitarbeitern verzeichnen, im Vergleich zu 2007 sogar einen von 11,3 Prozent. Das vergleichsweise stärkere Engagement der Frauen bei der TELEFONSEELSORGE spiegelt sich bereits in der Ausbildung für die Mitarbeit wider, die im Jahr 2008 von 747 Frauen (76,1 %) und 235 Männern (23,9 %) absolviert wurde.
Im Jahr 2008 erreichten die TELEFONSEELSORGE bundesweit 2.258.085 Anrufer; 681.017 haben sofort aufgelegt, 1.577.068 Gespräche kamen zustande. Davon waren etwa 31 Prozent wiederholte und 28 Prozent regelmäßige Anrufe. Somit wurde die TELEFONSEELSORGE 2008 alle 14 Sekunden erreicht, alle 20 Sekunden wurde ein Gespräch begonnen und jeder der 8.633 Mitarbeiter hat im Mittel etwa 183 Gespräche geführt. Die durchschnittliche Dauer der Gespräche betrug 18,3 Minuten. Von den Anrufern waren 53,7 Prozent weiblich, 31,3 Prozent männlich, bei den restlichen 15 Prozent fehlt die Angabe des Geschlechts. Gut 30 Prozent der Anrufer lebten alleine. ( →Abb. 1)
Die Gespräche ordnet die TELEFONSEELSORGE drei thematischen Gruppen zu. Danach entfielen 2008 rund 54 Prozent auf die Gruppe „Individuelle Lebensereignisse“, 31 Prozent auf die Gruppe „Soziale Beziehungen“, 15 Prozent auf die Gruppe „Soziales Umfeld“. Bei der Gruppe „Individuelle Lebensereignisse“ ging es im Einzelnen um psychische Erkrankungen (16 %), Einsamkeit (10 %), physische Erkrankungen (7 %), Suche nach Sinn und Orientierung (6 %), Sexualität (6 %), Sucht (3 %), Gewalt (2 %), Sterben/Tod/Trauer (2 %), Suizid (1 %), Schwangerschaft (1 %); bei „Soziale Beziehungen“ um Partnerschaft (13 %), Familie/Verwandtschaft (12 %), Freunde/Nachbarn/Kollegen (6 %); bei „Soziales Umfeld“ um Arbeit/Schule/Ausbildung (5 %), Wohnen/Freizeit (5 %), Geld/wirtschaftliche Fragen (3 %), Gesellschaft/Politik/Kirche (2 %). Nahezu 32 Prozent der Gespräche
aBB.1: TELEfONSEELSORgE IN AKTION
Quelle: Telefonseelsorge und eigene Berechnungen
jahr 2005 2006 2007 2008Anrufe 1.978.951 2.230.538 2.027.078 2.258.085Sekundentakt 15,9 14,1 15,6 14,0gespräche 1.589.121 1.807.177 1.596.445 1.577.068Sekundentakt 19,8 17,5 19,8 20,0Ehrenamtliche Mitarbeiter 7.252 7.913 7.756 8.633Ø gespräche 219 228 206 183Ø gesprächsdauer in Minuten 20,4 17,2 18,7 18,3
Begleitend zur Arbeit als Telefonseelsorger im Tag- und Nachtdienst sind Supervision und Fortbildung verpflichtend. Beides gilt als unverzichtbar, weil die Ehrenamtlichen die Gespräche auch selbst verarbeiten müssen. Weil jedes Gespräch anders ist und niemand wissen kann, was ihn erwartet, wenn er das nächste Mal den Telefonhörer abnimmt. Dabei stellt sich ohnehin die Frage, wie es möglich ist, sich kurzfristig auf ständig wechselnde Menschen mit ihren individuellen Problemen und Lebenskrisen einzustellen? Eine Frage, die ENNY nach 26 Jahren als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin so beantwortet (Telefonseelsorge 2006, S. 7):
„Von großer Wichtigkeit sind sicher die Bereitschaft, sich auf andere Menschen einzulassen, und die Freude daran, sich mit der Lebenswirklichkeit anderer zu beschäftigen. Dies setzt Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Tole-ranz, Geduld und Interesse voraus. Eine gewisse Neugier- de ist auch dabei. Wichtig finde ich auch, nicht die Anruf-enden und mich zu vermischen: Diese haben und führen ein ganz anderes Leben als ich! Ihre Lebensgeschichten, die sie mir im Telefonat erzählen, sind einzigartig. Respekt zu empfinden vor ihnen als einzigartigen Individuen ist mir ganz wichtig. Das bedeutet, dass ich mich interessiert darum bemühe, die Welt mit ihren Augen und aus ihrem Blickwinkel zu betrachten. Die Einstellung auf Menschen mit ihren Sorgen und Problemen ist gelungen, wenn ich mich von dieser Grundhaltung getragen weiß. Dann ist es gar nicht schwer, sich auf immer wieder neue Menschen einzustellen, es gelingt ohne große Anstrengung, beinahe automatisch.“
HINTER DIE KULISSEN gEScHAUT
Der 2008er-Jahresstatistik der TELEFONSEELSORGE ist zu entnehmen, dass im Berichtsjahr 8.633 ehrenamtliche Mitarbeiter für den Telefondienst zur Verfügung gestanden haben, davon 81,4 Prozent Frauen und 18,6 Prozent Männer. 2006 verfügte die Telefonseelsorge über 7.913 ehrenamtliche Mitarbeiter, 2007 über 7.756; somit konnte sie 2008 im Vergleich zu 2006 9,1 Prozent
30 Fachjournalist No .1 2011
konnten im Berichtsjahr 2008 keinem Thema zugeordnet werden. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sind psychische Erkrankungen das häufigste Motiv für den Anruf bei der TELEFONSEELSORGE, gefolgt von der Partnerschaft, die den zweiten Rang in der Liste der 17 statistisch erfassten Gesprächsthemen beansprucht.
Befriedigt die TELEFONSEELSORGE damit den Ge-sprächsbedarf der Hilfesuchenden? Das scheint kei-neswegs der Fall zu sein: Tatsächlich ist im Durchschnitt nur jeder fünfte, schlimmstenfalls sogar nur jeder 15. Anrufversuch bei der TELEFONSEELSORGE erfolgreich (vgl. Weber, T. 2006, S. 118).
DIE PRAxIS DER TELEfONSEELSORgE
Was in den Gesprächen der TELEFONSEELSORGE ge-schieht, soll verborgen bleiben (vgl. Belzner, R. 2010, S. 7). Es sei denn, jemand plaudert aus dem Nähkästchen, wie die TELEFONSEELSORGE STUTTGART anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens in der STUTTGARTER ZEITUNG (vgl. Höfle, N. 2010, S. 22). Schon beim zweiten Anruf im Mai 1960 sei es zur Sache gegangen, ist dort zu lesen. Damals kündigte eine Frau an, ihren Mann und sich selbst zu töten, und wollte wissen, ob das gemeinsame Testament trotzdem Bestand habe. Der Helfer legte auf und erkundigte sich bei einem Juristen. Er beantwor-tete der Frau ihre Frage, als sie später erneut anrief, und versuchte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
Heute würde niemand diese juristische Auskunft einholen und das Gespräch würde komplett anders geführt werden, kommentiert KRISCHAN JOHANNSEN, der die Stuttgarter TELEFONSEELSORGE leitet, diese Anekdote. Zwar sei es auch in den ersten Jahren oft um Beziehungen gegangen, aber die Fragen seien andere gewesen als heute. Damals wollten die Anrufer wissen, ob sie abends eine Frau mit in
»Den Menschen Wege aufzeigen, wie sie weitermachen können«
ihr Zimmer in Untermiete bringen dürfen. Heute fragen Mütter, ob es richtig sei, wenn die 14-jährige Tochter beim Freund übernachte.
Was die Menschen vor 50 Jahren umgetrieben habe, seien die Kriegsfolgen gewesen. Heute riefen viele an, die unter psychischen Erkrankungen leiden, die Angst vor Arbeitslosigkeit haben. Doch nicht nur die Themen seien heute andere, auch die Hilfen. Begonnen habe die Stuttgarter TELEFONSEELSORGE mit Ehrenamtlichen, die ungeschult ans Telefon gegangen seien. Die den An-rufern rieten, öfter zu beten oder auf die Eltern zu hören. Das habe sich geändert. Heute bekommen die Mitarbeiter in Stuttgart eine Ausbildung in Gesprächspsychotherapie. Und sie geben auch keine guten Ratschläge mehr. Heute versuche man in die Menschen hineinzuhören und ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie sie weitermachen können.
VOM NUTZEN DER TELEfONSEELSORgE
Jede Beantwortung der Frage nach dem tatsächlichen Nutzen der TELEFONSEELSORGE ist der Gefahr ausge-setzt, im Spekulativen zu versanden, denn konkrete Stu-dien dazu fehlen. Jedoch existieren Studien und Fakten, die geeignet erscheinen, ihren möglichen gesellschaft-lichen Nutzen teilweise zu erschließen.
Ein häufiges Motiv für einen Anruf bei der TELE-
FONSEELSORGE ist die emotionale und soziale Isolation vieler Menschen. Nach der Einsamkeitsforschung geht es dabei aufseiten des Anrufers um sein Bedürfnis nach Mitgefühl. Aber eben auch immer um das Bedürfnis des Telefonseelsorgers, anderen Menschen Mitgefühl entgegenbringen zu können. (vgl. Weiss, R. 1975). Beides befriedigt die TELEFONSEELSORGE.
Wird das Gesprächsangebot der TELEFONSEELSORGE mit einem Stundensatz von 23,84 Euro (vgl. Zimmer-mann, R.-B., Bergold, J. 2003, S. 129) einer vergleichbaren Einrichtung kalkuliert, belaufen sich die kalkulatorischen
ABB.2: EINSPARUNgEN IM gESUNDHEITSSYSTEM DURcH DIE TELEfONSEELSORgE
jahr 2005 2006 2007 2008gespräche 1.589.121 1.807.177 1.596.445 1.577.068Ø Dauer in Min 20,4 17,2 18,7 18,3
Erläuterung: Die Bewertung erfolgt mit einem angemessenen Stundensatz von 23,84 Euro, um die Ersparnis durch das unentgeltliche Ehrenamt abzuschätzenQuelle: Telefonseelsorge und eigene Berechnungen
gesamtstunden 540.301 518.057 497.559 481.006Bewertung in Euro 12.880.776 12.350.479 11.861.807 11.467.183Ehrenamtliche Mitarbeiter 7.252 7.913 7.756 8.633Ø Bewertung in Euro pro Mitarbeiter 1.776 1.561 1.529 1.328
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31Fachjournalist No .1 2011
Kosten der unentgeltlichen Tätigkeit jedes Ehrenamt-lichen im Mittel (2005 bis 2008) mit abnehmender Tendenz auf etwa 1.500 Euro jährlich und insgesamt auf rund 12 Millionen Euro pro Jahr, die allein durch diesen Krisendienst jährlich im deutschen Gesundheitssystem eingespart werden. ( →Abb. 2)
Schon lange ist bekannt, dass sich Menschen, die anderen helfen, vergleichsweise wohler fühlen, gesünder sind und länger leben. Die um den Faktor 1,4 verlängerte Lebens- zeit setzt aber voraus, dass die Ehrenamtlichen für eine einzige Einrichtung tätig sind. Teilen sie ihre Zeit unter mehreren Institutionen auf, konnte dieser lebensver-längernde Effekt ebenso wenig festgestellt werden wie bei Menschen, die in den Genuss der ehrenamtlichen Arbeit kamen (vgl. Brown, S. et al. 2003, S. 320-327). SPITZER (2006, S. 994-996) verweist darauf, dass man rein rechnerisch durch Ehrenämter die Streichung einer ganzen Reihe von Langzeitmedikationen ausgleichen könne. Das erspare einige Milliarden an Gesundheitskos-ten und bringe denjenigen zusätzliche Lebensqualität, denen geholfen werde. Schon die Aspirin-Studie belege: Wenn jemand zuhöre, sei das doppelt so gut wie Aspirin.
Die ehrenamtlichen Zuhörer bei der TELEFONSEEL-
SORGE rekrutieren sich mit steigender Tendenz aus der Gruppe der über 59-Jährigen: Waren es 1998 noch 23,4 Prozent (24,2 % w, 19,9 % m), betrug ihr Anteil 2008 bereits 36,6 Prozent (35,9 % w, 39,5 % m). 1998 korrelierte diese Gruppe noch mit der Bevölkerungsstatistik, in der sie einen Anteil von 22,3 Prozent aufwies. Allerdings hat sie sich im Zeitablauf immer mehr von dieser Marke entfernt und übersteigt 2008 nunmehr ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung von 25,6 Prozent mit 11 Pro-zentpunkten. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Anrufern. Dort ist es die Altersgruppe der unter 20-Jährigen, die mit einem Mittelwert von 29,6 Prozent (1998 bis 2008) die stärkste Gruppe der Anrufer bildet; ihr Anteil hat sich von 1998 (15,6 %) bis 2008 (31,3 %) verdoppelt. Zugleich sinkt jedoch der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich, und zwar von 21,4 Prozent 1998 auf 19 Prozent 2008.
Während in der Öffentlichkeit, den Medien und in der Politik alle Jahre wieder debattiert und gefordert wird, die „kostbaren Lebenserfahrungen“ der älteren Generation gesellschaftlich zu nutzen, scheint die deutsche TELE-
FONSEELSORGE das bereits optimal verwirklicht zu haben. „Und das ist auch gut so“, wie es in Berlin oft heißt.//
ENDNOTEN:
1 Statistische Daten dieser Studie stammen, soweit nicht anders angegeben, aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, dem statistischen Bundesamt der Telefonatseelsorge und eigenen Berechnungen.
2 Zitiert mit freundlicher Genehmigung (28/07/2010) der Samaritans, England.
LITERATUREMPfEHLUNg
→ freudenberg, B. (2008) Ein Ruf aus der Einsamkeit: Möglichkeiten und grenzen der Begegnung in der Telefonseelsorge, Saarbrücken.
→ O. V. (1963) Selbstmord, Krankheit zum Tode, in: Der Spiegel Nr. 5, S. 32-44.
→ Rübenach, S. P. (2007) Todesursache Suizid, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik, gesundheitswesen 10, S. 960-971.
Der Autor Dr. fRANZ-jOSEf HücKER lebt und arbeitet als
Wirtschaftspädagoge, Psychotherapeut (eCP) und Jour-
nalist in Berlin. überdies entwickelt er Kommunikations-
software für das Internet und ist Autor zahlreicher
Publikationen. Darunter das Buch „Metaphern – die
zauberkraft des NLP“, welches 2009 aktualisiert und
erweitert im Berliner Akazien Verlag erschienen ist.
LITERATUR
Achterberg, P. et al. (2006), Robert Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Berlin.
Belzner, R. (2010): Die Telefonseelsorge und die Medien, in: Auf Draht Nr. 73, S. 7.
Brown, S. et al. (2003): Providing social support may be more beneficial than receiving it: results from a prospective study of mortality, in: Psychological Science 14(4), S. 320-327.
Friese, B. (2005): 25 Jahre Nummer gegen Kummer, Wuppertal; vgl. dazu auch Hurrelmann, K. et al. (2007): Nummer gegen Kummer 2007. Eine Studie zum Kinder- und Jugendtelefon und zum Elterntelefon in Deutschland, Wuppertal.
Höfle, N. (2010): Telefonseelsorge Stuttgart. Seelsorge: 700 000 Anrufe in 50 Jahren, in: Stuttgarter Zeitung vom 03.04.2010, S. 22.
Hücker, F.-J. (1997): Die Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie, in: Psychotherapie Forum, Supplement 5(4), S. 264-271.Rahmenordnung (1986) für die Aus- und Fortbildung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Telefonseelsorge und Offene Tür, Bonn.
Schulz, H. et al. (2008), Robert Koch-Institut (Hrsg.): Psychotherapeutische Versorgung. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Berlin.
Spitzer, M. (2006): Geben ist seliger denn Nehmen (p < 0,05). Ehrenamt und Gesundheit, in: Nervenheilkunde 25(12), S. 994-996.Telefonseelsorge (2006): Aus Worten können Wege werden, Berlin, Bonn.
Weber, T. (2006): Handbuch Telefonseelsorge, Göttingen.
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Zimmermann, R.-B., Bergold, J. (2003): Wissenschaftliche Begleitforschung des Berliner Krisendienstes (Band 2), Berlin.
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32 Fachjournalist No .3 2010
2
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2 Ulrike Langer als Keynote-Speakerin zur Zukunft des journalismus
3 Ausgezeichnet mit dem Deutschen fachjournalisten-Preis 2010: Dr. Mercedes Bunz (re.) zusammen mit Laudator Holm friebe (li.)
4 Im Dialog mit dem Podium: Hier Silke Liebig-Braunholz, freie journalistin und Präsidiumsmitglied des DfjV
1 Prof. Dr. Siegfried quandt, Präsident des DfjV, bei seiner Eröffnungsrede
fotos: Samantha Dietmar
5 Panel 1: Wandel des journalismus – was leistet das Netz? Von links: Daniel fiene, jörg Sadrozinski, Prof. Dr. guntram Platter, Dr. christian Stöcker, Anton Simons
6 gab wissenswerte und praxisorientierte Tipps zur Selbstvermarktung und Verhandlung von Honoraren: cordula Nussbaum, journalistin, Trainerin und coach
7 Deutscher fachjournalisten-Kongress 2010: Eine Keynote, zwei Praxisforen, drei Paneldiskussionen, ein Mediengespräch
33Fachjournalist No .1 2011
Bereits zum fünften Mal wurde am 29. Oktober 2010 in Berlin der Deutsche Fachjournalisten-Kongress aus-gerichtet. Mehr als 200 Gäste nahmen an der diesjährigen Veranstaltung teil.
Insbesondere um den Bedürfnissen der zunehmenden Anzahl an freien Journalistinnen und Journalisten gerecht zu werden, waren 2010 erstmals zwei Praxisforen zu den Themen „Web 2.0 verstehen und beherrschen“ und „Honorare richtig verhandeln“ als Programmpunkte integriert. Aktuellen Fragestellungen im Journalismus und der Medienbranche widmeten sich zudem drei
5 6
Paneldiskussionen: „Wandel des Journalismus – Was leistet das Netz?“, „Fachjournalismus heute“, und „Qualitätsjournalismus in Krisenzeiten“. Im diesjährigen Mediengespräch wurde schließlich das Thema „Medien-steuerung durch die Bundesregierung“ diskutiert, wäh-rend die freie Medienjournalistin ULRIKE LANGER in ihrer einleitenden Keynote mit sieben Thesen und For-derungen die Zukunft des Journalismus in den Fokus nahm. Zu den Referentinnen und Referenten zählten in diesem Jahr DANIEL FIENE (Redakteur und Moderator ANTENNE DÜSSELDORF), LORENZ MAROLDT (Chef-redakteur DER TAGESSPIEGEL), DR. RICHARD MENG (Sprecher und Staatssekretär des Senats von Berlin), CORDULA NUSSBAUM (Journalistin, Trainerin, Coach), INES POHL (Chefredakteurin TAZ), JÖRG SADROZINSKI
(Redaktionsleiter TAGESSCHAU.DE), DR. CHRISTIAN
STÖCKER (stellvertretender Ressortleiter Netzwelt von SPIEGEL ONLINE), PROF. DR. SIEGFRIED QUANDT (Präsident des DFJV) u.v.m.
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IMPRESSUM
herausgeberProf. Dr. Siegfried Quandt (Präsident des DFJV)
DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG
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Technikjournalismus an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg
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Wolfgang Goede, M. A., Wissenschaftsredakteur der Zeitschrift P. M. . Dr. Gabriele
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Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg . Werner Starz,
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Ein Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltung war die Vergabe des Deutschen Fachjournalisten-Preises. Mit dem Preis zeichnet der Deutsche Fachjournalisten-Verband Journalistinnen und Journalisten für ihre kompetente Vermittlung komplexer Themen und ihre besonderen Verdienste um den Qualitätsjournalismus in Deutschland aus.
DR. MERcEDES BUNZ ERHäLT DEUTScHEN fAcHjOURNALISTEN-PREIS
Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Frau DR. MERCEDES
BUNZ. Laudator HOLM FRIEBE, geschäftsführender Redakteur des grimmeprämierten Weblogs Riesenma-schine und der Zentralen Intelligenz Agentur, sagte in seiner Rede, der Name MERCEDES BUNZ stehe „in gut informierten Kreisen als Markenzeichen für Zukunfts-Zugewandheit und ein emphatisches Bekenntnis zum technologischen Fortschritt“. MERCEDES BUNZ habe versucht, auf die zentralen Fragen zu elektronischen Lebensaspekten des 21. Jahrhunderts Antworten zu finden, „als andere sie noch nicht einmal als Problem auf dem Schirm hatten“. „Gerade weil MERCEDES BUNZ den Journalismus liebt, versucht sie, ihm hier und da die Spo-ren zu geben und die Gerte zu verpassen, damit er auch ja den Sprung über den Graben der Transformation schafft und unbeschadet in einem neuen Zeitalter landet.“
DR. MERCEDES BUNZ arbeitet aktuell als „rechte Hand“ von ALAN RUSBRIDGER beim Londoner GUARDIAN. Zuvor war sie unter anderem Chefredakteurin von TAGESSPIEGEL ONLINE und Mitgründerin des Monats-magazins DE:BUG.
2011: SEcHSTER DEUTScHER fAcHjOURNALISTEN-KONgRESS
Auch im Jahr 2011 wird der dann sechste Deutsche Fachjournalisten-Kongress stattfinden. Wir freuen uns, Sie hierzu im kommenden Herbst begrüßen zu dürfen. Den genauen Termin werden wir Ihnen im Frühjahr mitteilen.
35Fachjournalist No .1 2011
fAcHKOMPETENZ BRAUcHT SAcHKOMPETENZ – PROBLEMATIScHE TRENNUNgEN EINE SYSTEMATIScHE ANMERKUNg VON PROf. DR. SIEgfRIED qUANDT
KOSTENLOSE DfjV-jOURNALISTENcARD
Zentrale Kategorien des Journalismus und der Journalistik sollten einigermaßen klar sein – nicht zuletzt für die Aus- und Fortbildung. Das sind sie aber zumindest an einer grundlegenden Stelle nicht, und zwar in Bezug auf die Vorstellung der Grundkompetenzen.
Gefordert wird von der Journalistik seit und mit SIEGFRIED WEISCHENBERG eine „Sach-, Fach- und Vermittlungskompetenz“ der Journalistinnen und Jour-nalisten. Das Problem ist hier die Trennung zwischen Sach- und Fachkompetenz. Welcher Fachmann, welche Fach-frau könnte zum Beispiel in den Bereichen Wirtschafts-, Medizin- oder Sportjournalismus die Sachkompetenz vernachlässigen, den Inhalt des journalistischen Produkts einfach aus anderen Quellen übernehmen? Seine bzw. ihre besondere journalistische Sachkompetenz ist zentraler Bestandteil der Fachkompetenz! Die Kategorie „Fach“ oder „fachlich“ enthält die Inhaltskompetenz, ist geradezu
ihr Proprium. Allerdings sind es Inhaltsvorstellungen in journalistischer Perspektive. Die müssen immer fundiert und aktuell sein, das heißt gut begründet und auf gegenwärtige gesellschaftliche Fragen bezogen.
Für die journalistische und fachjournalistische Ausbil-dung heißt das, dass sie von vornherein und ständig Sachkompetenz im Horizont der gegenwärtigen Medien- und Gesellschaftslage aufbauen muss. Also nicht erst – viele Jahre lang – journalismusfernes Sachstudium durchziehen und dann eine journalistische Schnellausbildung für die Vermittlungskompetenz folgen lassen. Nicht in dieser Weise konsekutiv, sondern in der oben skizzierten integrativ müsste eine Ausbildung sein. Sonst stört die sachgebietsimmanente interne Kommunikationskultur die Entwicklung einer sach-, medien- und zielgruppenadäquaten journalistischen Perspektive und Arbeitsweise.
Seit dem 15. Dezember 2010 können Mitglieder des DFJV die neue, exklusiv gebrandete DFJV-JournalistenCard (VISA) beziehen, die in Kooperation mit der Deutschen Kreditbank AG (DKB AG) angeboten wird. Ohne Abschluss- und Jahresgebühren kann diese in Verbindung mit der Eröffnung eines kostenlosen Girokontos bean-tragt werden. Ein wesentliches Leistungsmerkmal der neuen JournalistenCard besteht darin, weltweit an allen Geldautomaten kostenlos Bargeld abheben zu können. Nähere Informationen zur DFJV-JournalistenCard er-halten Sie auch auf www.journalistencard.de.
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2010, 2., völlig überarb. Aufl.304 Seiten, 20 s/w Abb.,broschiertISBN 978-3-86764-139-5€ (D) 29,90 Praktischer Journalismus 58
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Siegfried Quandt, Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg.)
Fachjournalismus
Wolfgang Lanzenberger, Michael Müller
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2011, 240 Seiten15 s/w Abb., broschiertISBN 978-3-86764-116-6€ (D) 29,90 Praktischer Journalismus 84
2010, 2., völlig überarb. Aufl.572 Seiten, gebundenISBN 978-3-86764-095-4€ (D) 49,90 Handbuch Journalismus
Anton Simons
Journalismus 2.0Ernst Fricke
Recht für Journalisten
DFJV-12-10.qxp 06.12.2010 12:27 Seite 1