3/2006 19. Jahrgang
Österreichische Post AGInfo.Mail Entgelt bezahlt
Entscheiden als ProzessOthmar SutrichBesser entscheiden in Organisationen
Dipl. Soz. wiss. Torsten GrothEntscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau
Prof. Dr. Joachim BauerWoran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet
Mag. Elke Schüttelkopf, MBALauter leichte Entscheidungen?
Dr. Reinhard SprengerWir irren uns voran!
Im Gespräch mit Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«
Entscheiden gilt in der Management-Literatur oft als Synonym für Managen. Das Thema »Besser entscheiden«
findet sich dennoch ganz selten in Weiterbildungskatalogen und schon gar nicht auf den Hitlisten der häufig
nachgefragten Seminare und Workshops. Man fragt sich, wieso das so ist, wenn gleichzeitig Manager und
Mitarbeiter in der Meinung übereinstimmen, dass richtige Entscheidungen für die Erfolgsgeschichten von
Unternehmen verantwortlich sind.
Entscheidungen werden gerne personalisiert. Egal wie aufwändig und vielstufig sie in Unternehmen ablau-
fen, am Ende der Kette steht das »Wort des mächtigen Entscheiders«. Entscheidungsstärke gilt als wichtiges
Kompetenzkriterium für Führungskräfte. Dabei wird suggeriert, es handle sich um eine quasi angeborene
Charaktereigenschaft und nicht um eine erlernbare und entwicklungsfähige Management-Kompetenz.
Führungskräfte müssen in Unternehmen dafür sorgen, dass komplexe Probleme gelöst und entschieden wer-
den. Das bedeutet, Verantwortung für Lösungen zu übernehmen, auf die der Letzt-Entscheider nur bedingt
Einfluss hat. Mit dem Festhalten am Mythos, dass Entscheidungen rein rational zu treffen sind, und der Not-
wendigkeit, Entscheidungen für Vorgesetzte, Mitarbeiter und Aufsichtsorgane als logisch richtig darzu-
stellen, begeben sich Führungskräfte in paradoxe Situationen, die immer wieder als sehr belastend erlebt
werden.
In diesem »«Hernsteiner« laden wir Sie ein, sich mit den Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge auf
eine Spurensuche zu begeben, wie es gelingen kann, individuellen »Entscheidungsfallen« zu entkommen und
wie Sie »Entscheidungsstaus« vermeiden können. Informieren Sie sich, wie Organisationen die »Rentabilität
des Scheiterns« bei Fehlentscheidungen erhöhen und somit Energie für neue Chancen freisetzen können.
Denn eines ist Faktum: »Die Erfolgsgeschichten von heute sind die riskanten Entscheidungen von gestern.«
(Stuart Crainer)
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Dr. Katharina Fischer-Ledenice
Für die Gesamtredaktion:
Mag. Peter Wagner
Entscheiden als Prozess
H e r n s t e i n e r – F a c h z e i t s c h r i f t f ü r M a n a g e m e n t e n t w i c k l u n g
E d i t o r i a l
I n s t i t u t s l e i t u n gDr. Katharina Fischer-Ledenice
T r a i n e r i n / B e r a t e r i nMag. Herta Fischer
Schwerpunktautorin dieser Ausgabe
Thema
Besser entscheiden in OrganisationenOthmar Sutrich
Fünf Hauptthesen, wie Führungskräfte das »mysteriöse Selbstverständliche« einkreisen, beim Schopf packen und zähmen können.
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Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt FassadenbauDipl. Soz. Wiss. Torsten Groth
Ist Entscheiden in den letzten Jahren und Jahrzehnten wirklich schwieriger geworden? Die hier vertretene These lautet: Argumentationen dieser Art unterliegen erstens einem Denkfehler und führen zweitens in die Sackgasse.
10
Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer
Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber bereits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden sein.
14
Entscheidenals Prozess
Wir irren uns voran!Dr. Reinhard Sprenger
Leben ist Leben im Zielkonflikt. Menschliche Handlungsbedingungen sinddurch Widersprüchlichkeiten, Ungereimtheiten und Unsicherheit gekenn-zeichnet. Immerfort müssen wir zwischen Alternativen wählen, die uns beide attraktiv erscheinen oder deren Konsequenzen wir nicht kennen.
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»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«
Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG,im Gespräch über das Entscheidungsverhalten in großen Organisationen,
den Trend weg von Kollegialentscheidungen und die Überbewertung »mangelhafter Kommunikation« bei Problemen mit der Realisierung.
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Lauter leichte Entscheidungen?Mag. Elke Schüttelkopf, MBA
Zur Kernkompetenz von Führungskräften gehört das Entscheiden. Tagaus, tag-ein treffen sie eine Vielzahl an Entscheidungen. Dabei haben sie in verstärktemMaß die zunehmende Dynamik und Komplexität des Wirtschaftslebens zu be-wältigen. Mit der Qualität ihrer Entscheidungen steht und fällt die Organisation.Da lohnt sich die Frage, wie es denn eigentlich den EntscheiderInnen beimEntscheiden geht.
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Hernstein Seminare zum ThemaProfessionelles EntscheidungsmanagementErfolgreich führen mit ZielenWirkungsvolle Lösungen erarbeiten und umsetzen
Übergabe in FamilienunternehmenHernstein Business SuccessorLet´s celebrate 40 yearsHernstein Geschichte
Impressum
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Dies sind allesamt Faktoren, die die Risiken ungleich schwerer ein-
schätzbar und das Entscheiden entsprechend prekärer machen. Wie un-
umkehrbar wir damit in eine neue Ära eingetreten sind, die Führungs-
kräfte und Experten permanent mit ungewohnten und mehrdeutigen
Entscheidungssituationen konfrontiert, scheint mir hingegen über-
haupt nicht angemessen gewürdigt zu werden. Die Anforderungen an
gutes Entscheiden haben sich qualitativ verändert, sie sind schleichend
und flächendeckend stark gestiegen, sie betreffen heute einen viel
größeren Personenkreis und schlagen sich gnadenlos in den Kosten und
fehlenden Erträgen nieder. Fazit: Führungskräfte aller hierarchischen
Ebenen und Experten könnten Stärkung und Rückendeckung beim Ent-
scheiden verdammt gut gebrauchen! Diese Einsicht ist in der Realität
der meisten Organisationen aber noch nicht angekommen. Besser-ent-
scheiden-Lernen steht in keiner der Organisationen, die ich kenne, ex-
plizit auf der Entwicklungsagenda, schon gar nicht mit Top-Priorität.
Und das, obwohl Entscheiden in Organisationen unbestritten die exi-
stenzielle Basisoperation und Kompetenz darstellt, die untrennbar in
alle Vorhaben auf allen hierarchischen Ebenen und Funktionsbereichen
eingebettet ist.
Liegt diese Veränderungsresistenz daran, dass Manager zu verunsicher-
ten, aber nichtsdestotrotz heroischen Duldern geworden sind, die die
Last der Entscheidung individuell auf ihre Schulter nehmen? Ist ihre
Sprachlosigkeit ein instinktiver Schutzschild im Wettbewerb? Oder liegt
es daran, dass diverse Entscheidungstechniken, die in den hochemotio-
nalen Situationen des Entscheidens herzlich wenig helfen, den Blick dar-
auf verstellen, dass Entscheiden gezielt erlernbar ist?
Angesichts der weitreichenden Konsequenzen ist es verständlich und
nur allzu menschlich, dass viele Führungskräfte unbewusst reagieren –
durch Bagatellisieren, Verdrängen, Leugnen und, je nach Persönlich-
keitstyp, durch Apathie, Schicksalsergebenheit, Galgenhumor, Fakten-
klauberei oder Aktionismus. Die Option, das individuelle und kollektive
Risikobewusstsein als Grundlage des Entscheidens in einer Reihe von
Punkten explizit zu steigern, ist sicher gesünder und ökonomischer.
Besser entscheiden in Organisationen
Fünf Hauptthesen, wie Führungskräfte das »mysteriöse Selbstverständliche« einkreisen, beim Schopf packen und zähmen können.
Othmar Sutrich ist systemischer Organisationsberater und Coach in München und Wien.
4
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
»Entscheiden kann man – oder man kann’s nicht.« Diesen Satz hört man
in Management-Kreisen häufig. Ähnliches sagte man vor einigen Jahr-
zehnten auch über das Führen und Managen. Entsprechend naturwüch-
sig fällt das Entscheiden im Organisationsalltag aus und entsprechend
selten gibt es in Organisationen ein explizit geteiltes, kommuniziertes
Wissen darüber, was Entscheiden »eigentlich« ist, wie es abläuft, ob
überhaupt, und wenn ja, wie es individuell und kollektiv verbessert wer-
den kann.1 Ich selber beobachte immer häufiger und erschrockener die
enorme Zunahme an Illusionsgebäuden in Unternehmen, den Verlust
der Fähigkeit, ein gemeinsames »Face Reality« zu betreiben. Wo bleiben
die Zwischenrufer aus dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, die
sich zu sagen trauen, dass der Kaiser nackt ist?
Im folgenden Überblick möchte ich die aktuellen Aspekte dieses kriti-
schen Themas in fünf Punkten so kompakt, kurz und einfach wie mög-
lich umreißen.2
1. Die Ausgangslage: Die Zeit ist reif für einen Bewusstseinswandel.
In den Führungsgremien des Managements herrscht Kontrollverlust: Zu
viele Teilaspekte wirken aufeinander ein, die alle relevant sind und die
man nicht gefahrlos weglassen oder ausblenden kann (siehe Tab. 1).
Tab. 1: Sprunghaft gestiegene Risikolage durch ...
• gestiegene Komplexität unter verschiedensten Aspekten,
• Mehrdeutigkeit und Flüchtigkeit der Daten,
• schnelle Wechsel der Faktenlage und plötzliche Trendbrüche,
• Globalisierung und globale Interdependenz (auch zwischen
Unternehmen),
• gnadenlose Betonung von Leistung und kurzfristigem Gewinn durch
die Börsen,
• Zwang zu Wachstum auf neuen, weniger bekannten und weniger
stabilen Märkten,
• Zwang zur Innovation,
• Technologierisiken,
• mehr Vorschriften und Überprüfungen durch Aufsichtsbehörden,
• höheren Wissenstand/Know-how der Mitarbeiter und
• steigende Erwartungen der Mitarbeiter an ganzheitliche Führung.
1 Das wichtigste Rohmaterial meines Forschungsprojekts zum Thema »Entscheiden« stammt aus vielen Interviews, die ich regelmäßig seit acht Jahren mit erfolgreichen Führungskräften und Beraterkollegen führe.
2 Die vorliegende Fassung wurde erst durch viele Anregungen meiner Sparringpartner möglich. Mein großer Dank geht an Harry Allabauer, Hans-Georg Häusel, Paul Liskutin, Elisabeth Loibl, Wolfgang Looss, Bernd Opp, Ulli Sutrich und Richard Timel.
Leitfragen zu These 1:
• Wie stark – etwa auf einer Skala von 0 bis 100 markiert – ist Ihnen
persönlich im Führungsalltag bewusst und präsent, dass das
Entscheiden Sie mehr denn je als ganze Persönlichkeit fordert und
manchmal auch überfordert (nicht nur bei Personalentschei-
dungen)?
• Wie gut kennen Sie sich selbst in Ihrem Entscheidungsverhalten?
(Reflexe, Stärken, Anfälligkeiten)
• Wie weit scheint in Ihrer Organisation das kollektive, vergemein-
schaftete Bewusstsein entwickelt zu sein, dass ein »Case for Action«
vorhanden ist?
2. Was heißt das eigentlich: Entscheiden?
Beim Entscheiden geht es ans Eingemachte. Nüchtern gefasst: Es ist die
»selbstverständliche« Basisoperation in jeder Organisation, in den mei-
sten Teams – und im Leben jedes einzelnen Menschen.
Voraussetzung und Essenz jeder Entscheidung ist das Eingehen/Nicht-
Eingehen eines Risikobündels. Und ein Risiko eingehen bedeutet, die
Möglichkeit des Scheiterns als Voraussetzung für Ertrag und Erfolg in
Kauf zu nehmen. Das lockt, macht Angst und erfordert Mut, lähmt oder
beflügelt.
Entscheiden als »eine Unterscheidung, die Folgen hat« verbindet Den-
ken und Fühlen, Reden und Planen auf der einen Seite mit Handeln, In-
vestieren, Erfahrungen machen und Erfahrungslernen auf der anderen
Seite. Wie wenig man Entscheidungen in der Hand hat, zeigt sich darin,
dass man oft erst geraume Zeit später anhand von Folgeentscheidun-
gen und verändertem Handeln bemerkt, dass bzw. wann eine wirklich
relevante Entscheidung tatsächlich »gefallen« ist und wie weitreichend
ihre Wirkung ist. Und zur Kenntnis nehmen muss, dass groß herauspo-
saunte Beschlüsse ohne Konsequenz bleiben. Entscheidungen ohne
Umsetzung sind keine Entscheidungen, sondern Absichtserklärungen,
Wunschdenken, Etikettenschwindel, Selbstbetrug und damit Fluchtver-
such vor dem Risiko – mit garantiertem Bumerangeffekt. »Die Erfolgs-
geschichten von heute sind die riskanten Entscheidungen von gestern.«
(Stuart Crainer)
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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
Risiko ist eine Medaille mit zwei Seiten: der Chancen- und der Ge-
fahrenseite.
»No Risk, No Fun« macht plakativ deutlich, dass es für gute Urteilsbil-
dung und gutes Entscheiden essenziell (wenn auch ziemlich schwierig)
ist, möglichst unvoreingenommen Erfolg und Misserfolg, Chance und
Gefahr als Zwillinge zu sehen, den Aspekt des möglichen Scheiterns als
Schatten, Lustgewinn und auch Ansporn auf dem Weg zum Erfolg an-
zuerkennen. In diesem Sinn ist Risiko gut definiert als »die Möglichkeit
des Scheiterns« und Risikobereitschaft als »das bewusste Akzeptieren
und Einlassen auf das, was ich vorher nicht wissen kann. Risikobewusst-
sein heißt, die Angst nicht auszuschließen.« (Harry Allabauer) Je schwie-
riger und erregender eine Entscheidungssituation ist, desto mehr Lust
und Spaß macht sie auch, desto mehr Kreativität löst sie eventuell aus.
Die Funktion des Entscheidens entsprechend wahrzunehmen bedeutet,
Komplexität und Mehrdeutigkeit zu reduzieren, um Orientierung, Klar-
heit, Sicherheit, Entschlossenheit, Handlungsfähigkeit und Zuversicht
zu gewinnen – und zu geben.
Leitfragen zu These 2:
• Wie schätzen Sie spontan Ihre persönliche Risikobereitschaft in der
Spannung zwischen Wahrnehmung der Chance und realer Ein-
schätzung der Gefahr ein?
• Welche sieben Eigenschaftswörter oder Verhaltensmuster charakte-
risieren Ihr Entscheiden am besten? Welche (zum Teil andere) Liste
würden Freunde, Ehepartner oder kritische Kollegen/Konkurrenten
aufstellen?
• Wie gut schätzen Sie die Fähigkeit Ihres Teams und Ihrer Organisa-
tion(-seinheit) ein, den aktuellen Herausforderungen des Geschäfts
mit angemessener Risikobereitschaft zu begegnen? Wie offen und
wie sehr ohne Schwarz-Weiß-Polarisierung läuft der Risiko-Dialog?
3. Gutes Entscheiden ist einfach und produziert positive psychische
und soziale Energie.
Entscheiden passiert instinktiv aus dem Unbewussten oder Vorbewuss-
ten heraus und bleibt in der Regel unbesprochen/sprachlos. Gelingt
eine organisationsweit gepflegte Kommunikation über die Maßstäbe
besseren Entscheidens, ist viel gewonnen.
Die einfache Annäherung an gutes Entscheiden ist jene über eine Be-
wertung hinsichtlich Ergebnis und Nutzen. Ich stelle manchmal zum
Einstieg ins Thema und zur Klärung seiner Relevanz die Frage: »Woran
würden Sie erkennen, dass in Ihrer Organisation gut (besser) entschie-
den wird?«
Tab. 2: Stichworte (gekürzt) von Führungskräften eines weltweit tätigen
Druckmaschinenherstellers:
• bezüglich Risiko: kein böses Erwachen, mehr Risikobereitschaft;
• bezüglich Prozess: optimales Timing, Zeit und Kosten sparen im
Prozess, weniger Korrekturen, nachvollziehbare Entscheidungen,
Projekte konsequenter umsetzen, besseres Endergebnis;
• bezüglich eigener Persönlichkeit: geringere Entscheidungslast,
weniger eigene Zweifel, mehr Mut und Kreativität, geringere
Arbeitsbelastung, glücklicher, gutes Gefühl;
• bezüglich Entscheiden in Teams und Netzwerken: besseres Mitein-
ander (wenn höhere Entscheidungsfreudigkeit), hohes Engagement
und Commitment der Beteiligten, mehr Akzeptanz von Entschei-
dungen;
• bezüglich Organisationsebene: Transparenz, mehr Einfluss auf Halt-
barkeit, Nerven sparen (weniger Verletzung), Arbeitsklima besser (da
stressfreier), Machtspiele geringer, Entscheidung in der kompeten-
ten Ebene, Produktqualität höher, Kundenzufriedenheit größer,
Nachhaltigkeit, finanzielle Lage besser, besseres Erreichen der Unter-
nehmensziele.
• Wirkung durchgängig: mehr Zufriedenheit, mehr Motivation,
weniger Stress, mehr Effizienz und Effektivität. Einhelliges Fazit: »Das
Thema ist sehr relevant für uns. Es sollte mehr beleuchtet werden.«
Nutzen und Attraktivität von besserem Entscheiden sind unmittelbar
spürbar für jeden, der in eine entscheidungsfähige Kultur eintaucht. Es
generiert eine Energiespirale, die auf jeder Ebene der Organisation wirk-
sam wird: Auf personaler Ebene werden sich die Protagonisten durch In-
teresse am »Erkenne dich selbst!« ihrer Entscheidungsmuster bewusst,
was ihnen einen Gewinn an Authentizität, Sicherheit und Selbstver-
trauen ermöglicht. Diese Erstarkung kommt der Leistungsfähigkeit der
ganzen Organisation zugute, indem individuelle Egozentrismen à la
»Einsamer Wolf« an Grundlage und Bedeutung verlieren. Und sie beför-
dert Teams, die sich als erkennbar schlagkräftig, konfliktfähig und
schöpferisch erweisen, weil sie mit der Verschiedenartigkeit der ande-
ren Teammitglieder respektvoll umgehen können, die Vielfalt achten,
schätzen und nutzen.
Diese Grundhaltung stiftet eine (Organisations-)Kultur des Gebens und
Nehmens, der Loyalität und des Vertrauens. Tatsächlich und ohne Be-
schönigung. Individual- und organisationspsychologisch ist diese posi-
tive Energiespirale leicht erklärlich: »Geleugnete Realitäten und nicht
getroffene Entscheidungen blockieren Energie, klug getroffene Ent-
scheidungen geben und verstärken Energie.« (Bernd Opp) Die unver-
stellte Perspektive, der konkreten, aktuellen Aufgabenstellung der Or-
ganisation gerecht zu werden, sich selbstverantwortlich aus
verschiedenen Perspektiven und Optionen eine Meinung zu bilden und
im Team gute Entscheidungen auszuhandeln und zu verantworten,
führt zu einer entscheidungsfreudigen Organisationskultur, die einen
handfesten und nicht leicht imitierbaren Wettbewerbsvorteil verschafft.
Leitfragen zu These 3:
• Woran würden Sie persönlich sowie relevante (Projekt- und
Führungs-)Teams erkennen, dass in Ihrer Organisation gut/besser
entschieden wird?
• In welchem Ausmaß (auf einer Skala von 0 bis100) findet ein offener
und ehrlicher Risiko-Dialog statt? Haben Sie Plattformen für Story-
telling (Jahreskonferenz, Klausuren, Seminare) zu gelungenem/
misslungenem Eingehen von Risiken?
• Wie stark fördert und belohnt Ihre Organisationskultur Autonomie,
d. h. selbstverantwortliches Entscheiden und Handeln?
4. Es gilt, sich einigen Kernthemen des Entscheidens zu stellen.
Meine persönliche Liste der Schwerpunktthemen reicht über die stereo-
type Shortlist von Tugenden wie Konsequenz, Geduld und Authentizität
hinaus. Sie möge Sie zu einem Aktionsprogramm inspirieren, das für Sie
selbst und Ihre Organisation relevant ist.
• Den Fokus auf Entscheiden statt Entscheidung legen. Man muss den
ganzen Entscheidungsprozess verstehen, gestalten, verantworten,
damit sich Entscheidungen in der Umsetzung bewähren, anstatt die
Hammerfallsekunde des Entschlusses isoliert überzubewerten. Und um
den höchsten Wirkungsgrad in der Umsetzung zu erzielen gilt es, dem
»Wie« denselben Stellenwert beizumessen wie dem »Was«.
.
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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
• Wenn Hirn, Herz und Mut gut zusammenspielen, wird daraus viel
mehr als eine simple Addition. Dieser Top-Balance-Akt ist konstitutiv für
ausgewogenes, ganzheitliches Entscheiden und Leadership! »Jene
Führungskräfte, die Mut beweisen und dies mit kognitiver und emotio-
naler Intelligenz verbinden, sind am besten fähig, mit der Komplexität
zurechtzukommen, mit der sich die Organisationen heute konfrontiert
sehen. (...) Diese Erkenntnis (...) wird heute mehr denn je gebraucht.«
Dieser Einschätzung von Dotlich/Cairo/Rhinesmith3, die dafür den Be-
griff »Whole Leadership« prägen, kann ich mich uneingeschränkt an-
schließen. Ihr harsches Urteil »Unsere Leader stützen sich häufig aus-
schließlich auf eine einzige Qualität – Kopf oder Herz oder Mut (Partial
Leadership)« möchte ich differenzieren: Dem »Hirn« als Verortung des
fachlichen Wissens von Führungskräften wird traditionell ein zu hoher
Stellenwert zugestanden. Dem »Herz«, das immer auch die Bedürfnisse
und Möglichkeiten der Menschen mit den Notwendigkeiten des Ge-
schäftes in Einklang zu bringen sucht, wird schon seltener unabding-
bare Relevanz zugestanden, und »Mut« ist als die dritte Bewegkraft
noch über weite Strecken unerforschtes Terrain: »Die Bereitschaft, das
als richtig Erkannte zu tun – unabhängig davon, wie schwierig das ist.«
Damit ist Risikobereitschaft gemeint, die auf Integrität, starken Über-
zeugungen und Werten beruht. Mut heißt auch, der Intuition Raum zu
geben. Und das kann gelernt werden: die schrittweise graduelle Verän-
derung der Einstellung zum Eingehen von Risiken, die Kultivierung der
Intuition! Es lohnt sich und ist notwendige Voraussetzung für jeden
Wandel4.
• Anregungen aus der Neurobiologie aufgreifen. Die jüngsten Erkennt-
nisse aus der Forschung auf diesem Gebiet werfen ein neues Licht auf
die Grenzen und Möglichkeiten des Entscheidens. Die Erkenntnisse über
die »energiesparenden« Programme des limbischen Systems im Gehirn
und im Unbewussten sind faszinierend und belegen die These, dass
nachhaltiger Wandel und Leistungssteigerung nur über Bewusstwer-
dung und geduldiges Üben zu erzielen sind: »Bewusstsein ist die Mon-
tagehalle für das Unterbewusste und die Intuition.« (Hans-Georg Häu-
sel) Bestärkt von diesen Forschungsergebnissen haben wir eine »Matrix
der 4 ökonomischen Zugänge bzw. Normstrategien des Entscheidens«
abgeleitet (Tab. 3).
7
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
3 D o t l i c h / C a i r o / R h i n e s m i t h ( 2 0 0 6 ) : Head, Heart, and Guts Jossey-Bass, San Francisco.4 K l e i n / N a p i e r ( 2 0 0 3 ) : The Courage to Act. Five factors of courage to transform business. Mountain View.
Sutrich Organisationsberatung © 2006
Tab. 3: RISIKO
RISIKO
PROBLEMLAGE(Entscheidungssituation)
bekannt/transparent/klar
undurchsichtig/diffus
(noch) gering
Quadrant 1:• sehr energiesparend – unbewusst • die limbischen Programme
Dominanz-Stimulanz-Balance laufen lassen• nur aussteigen, wenn die Routinen nicht mehr passen
Normstrategie: LAUFEN LASSEN
Quadrant 3:• mit begrenztem Aufwand ...• Raten, Würfeln oder• mit Rundumblick »Driften« • Fähigkeit zum Antizipieren üben• auf den richtigen Moment warten
Normstrategie: AUFMERKSAM KOMMEN LASSEN
hoch oder vermutlich hoch (unbekannt)
Quadrant 2:• unbewusst – intuitiv• je nach persönlicher Risikoneigung (»Spielertyp«)• je nach Erfahrung (Beispiele: Roulette, Poker, Börse)• einfache Heuristiken, Prozeduren, Rituale, Aberglauben
Normstrategie: BE YOURSELF
Quadrant 4:• Bewusstsein aktivieren und fokussieren• Reflexion und Kommunikationskultur verbessern• ausgewogen Hirn, Herz und Mut• offen für alle Risikoaspekte• in beste Entscheidungstechniken investieren• Unterstützung durch Team/Berater organisieren
Normstrategie: INVESTIEREN IN BESSER ENTSCHEIDEN
Die Matrix hilft, zu sortieren und Prioritäten zu setzen: Da »Bewusstsein
energetisch ein sehr teurer Prozess« ist, plädieren wir nicht pauschal
dafür, mehr Aufmerksamkeit und Zeit für das Entscheiden aufzuwen-
den, sondern differenziert vorzugehen. Bei allen Entscheidungen im
Quadranten 4 bin ich überzeugt, dass es sich nachhaltig lohnt, in per-
sönliches und kollektives Lernen und Üben variantenreich zu investieren.
Aus guten wie auch aus schlechten Entscheidungen lernen. Detaillierte
Ausführungen darüber, wie das konkret funktioniert und durch Training
und Beratung unterstützt werden kann, würden den Rahmen dieses
Überblicks sprengen. Gewiss ist: Offen über Fehlentscheidungen zu
reden ist für nachhaltige Leistungssteigerung in Organisationen ge-
nauso weichenstellend wie die Sicherheit, das Selbstvertrauen und die
Routinen, die aus gut gelungenen Entscheidungsprozessen erwachsen.
Noch fehlen selbst nach gelungenen Entscheidungen »Lessons Learned«
im Standardrepertoire; noch ist es kaum denkbar – und undenkbar in
hervorgehobener Führungsrolle – einzugestehen: »Ich kann’s nicht
gut.« Oder: »Ich fürchte, falsch zu entscheiden.« Oder: »Ich habe falsch
entschieden.« Dabei liegt doch in der »Rentabilität des Scheiterns«
(Wolfgang Looss5) die Einladung zum nicht immer bequemen »doppel-
schleifigen Lernen« (Chris Argyris6), was bekanntlich ein notwendiges
Moment aller Veränderungsprozesse ist (Peter Senge7).
Trotz alledem ist es uns aber ab und an vergönnt, Top-Managern zu be-
gegnen, die ihren souveränen Erfolg auf genau diese Lernerfahrungen
zurückführen. Einer dieser Pioniere lässt in Bezug auf Fehlertoleranzkul-
tur, Offenheit und Ehrlichkeit keinen Zweifel offen: »Es ist ein absolutes
No-Go, wenn jemand etwas verschweigt. Lügen nimmt die Möglichkeit,
Fehler zu korrigieren, das ist der zentrale, pragmatische Punkt. Irren ist
okay. (...) Wenn es keine Fehlertoleranz gibt im Sinne von Fehler anneh-
men und daraus lernen, dann wird nichts entschieden. Es ist Chefsache,
das vorzuleben. Wir haben diesbezüglich ein Ritual eingeführt. (...),
einen Regelkreis: Fehler machen, Fehler bekennen, annehmen, Korrek-
turvorschlag, Ausführung, Wirksamkeit überprüfen. Wenn das Teil einer
Unternehmenskultur ist, ist Entscheiden relativ leicht.« 8
Leitfragen zu These 4:
• Was sind die 3 bis 5 Kernthemen, denen Sie persönlich bzw. Ihr
Team/Ihre Organisation(-seinheit) sich stellen könnten, um zu
nachhaltig besseren Entscheidungsprozessen zu kommen?
• Was sind aktuelle riskante Projekte oder latente strategische
Weichenstellungen, in denen Ihnen die bestmögliche Entschei-
dungsqualität zu organisieren sehr am Herzen liegt?
5. Tipps für pragmatische nächste Schritte – nach dem Motto von
Erich Kästner: »Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.«
Angenommen, Sie können sich den realen Nutzen des hier vorgestellten
Modells gut vorstellen: Hier ein paar Tipps für Ansatzpunkte und näch-
ste Schritte.
• Mit der Entscheiden-Brille im Alltag bewusster zu spielen beginnen
kann eine kleine, unaufwendige Übung mit großer Wirkung sein.
Zum Beispiel mit Fragen wie: Gibt es etwas zu entscheiden?
Was, präzise? Für welche Entscheidung ist die Zeit reif, überreif, noch
nicht reif? Was müssen wir tun, um schnell zu einer guten Entschei-
dung zu kommen?
• Organisieren Sie in Ihrem (Führungs-) Team regelmäßig eine kleine
Dialogsequenz, z. B. zum Abschluss Ihrer regelmäßigen Sitzung,
fordern Sie Feedback ein, bieten Sie Feedback an: Wie entscheiden
wir eigentlich? Wie zufrieden/unzufrieden sind wir mit unserer Ent-
scheidungsqualität? (Durch Beispiele aus jüngster Vergangenheit
konkretisiert!) Was entscheiden wir leicht und gut? Was fällt uns
schwer? Was vermeiden wir (weil eine Offenlegung nachteilig sein
könnte)? Wie könnten wir uns das Entscheiden leichter und befriedi-
gender machen?
• »Spezial-Entscheider-Teams« für hochriskante, komplexe Entschei-
dungen schnell entscheidungsfähig zu machen, beginnt mit einer
bewussten Teamzusammensetzung nach ergänzenden Perspektiven
(sachlich und emotional), Risikoneigungen und Entscheidungs-
mustern.
• Wenn Sie wollen, dass Ihre Personalentwicklung bzw. Management-
Qualifizierung geschäftsnäher und effizienter konzipiert ist, haben
Sie zwei Möglichkeiten. Die einfache: spezielle Module zum Thema
8
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
5 W o l f g a n g L o o s s ( 1 9 9 9 ) : Scheitern im Management und das Management des Scheiterns. Hernsteiner 2, Wien.6 C h r i s A r g y r i s ( 1 9 8 2 ) : Reasoning, Learning, and Action: Individual and Organizational. Jossey-Bass, San Franzisko7 P e t e r S e n g e ( 1 9 9 6 ) : The Dance of Change.8 N o r b e r t Z i m m e r m a n n ( 2 0 0 6 ) , persönliche Mitteilung
»Besser entscheiden« für einzelne Zielgruppen, z. B. für Nachwuchs-
führungskräfte oder Experten, anzubieten. Oder die tief greifende:
eine ganz neue Architektur zu konzipieren, in der sichergestellt ist,
dass das Üben von »Besser-Entscheiden« als Basisoperation den roten
Faden quer durch alle Module bildet.
• Der große Hammer: Einen existenziellen Kern-Geschäftsprozess des
Unternehmens einmal anhand der Leitfrage »Wie, nach welchen
Regeln und Mustern, laufen in diesem Kernprozess die Entscheidun-
gen ab?« mit neuen Augen zu analysieren und zu verbessern. Diesen
sehr tief greifenden Schritt werden Sie auf jeden Fall tun (müssen),
wenn die Flop-Rate in den letzten Jahren sehr unangenehm bis
bedrohlich hoch war.
Leitfragen zu These 5:
• Wie kann ich mir selbst mehr gezielte Aufmerksamkeit für mein
Entscheiden im Alltag organisieren und gönnen?
• Was soll durch meine Entscheidungen und Verantwortung ent-
stehen?
• Was wären meine drei wichtigsten Entscheidungen, wenn mir für
meine gegenwärtige Aufgabe nur noch zwei Jahre Zeit blieben?
So wie die längste Reise mit dem ersten Schritt beginnt, beginnt auch
der Weg zum »Besseren Entscheiden« mit der Wahrheit im Sinne des
Märchen von des Kaisers neuen Kleidern – mit der unbestechlichen
Wahrnehmung der Wirklichkeit des Entscheidens in Ihrer Organisation,
wie sie ist, und nicht, wie Sie diese gerne hätten. Das erfordert wenig
mehr als Neugier und den Mut, Fragen zu stellen.
9
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
Der Pentaeder symbolisiert die fünf Elemente eines dynamischen Entscheidungsprozesses.
1. Risiko – der Motor des Entscheidens
2. Prozess – das »Wie«
3. MeinePersönlichkeit als Entscheider (in Rollen)
4. Teams – Perspektivenvielfalt und Umsetzung
5. Organisation – die Stellhebel für Nachhaltigkeit
Sutrich Organisationsberatung © 2006
scheint). Dabei unterliegen die Argumentationen erstens einem Denk-
fehler und führen zweitens in die Sackgasse. Der Denkfehler besteht
darin, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte als einen Verlauf von ein-
fachen (früher), zu komplizierteren (70er und 80er Jahre) bis hin zu
komplexen Verhältnissen (heute) zu rekonstruieren und diese damit als
eine stetige Steigerung der Relationierung von Elementen zu denken.
Ein kurzer Rückblick auf Komplexitätstheorien zeigt jedoch, dass das
Einfache keineswegs einen Gegenbegriff von Komplexität darstellt.1
Komplexität ist vielmehr definiert als prinzipielle Undurchschaubarkeit,
die dann vorliegt, wenn sachlich, zeitlich oder sozial nicht mehr alles mit
allem verknüpft werden kann. Gerade in zeitlicher Hinsicht stellt sich
somit jede Entscheidung als komplex dar, da man beispielsweise nie alle
positiven und negativen Folgen der Entscheidung vorhersehen kann.
Mit dem prinzipiellen Risiko, eine Entscheidung zu treffen, die sich
zukünftig als falsch herausstellt, und zugleich mit dem Risiko, dass sich
die (Entscheidung zur) Nichtentscheidung als noch größerer Fehler her-
ausstellen kann, muss und musste jedes Management umgehen. Kom-
plex waren die Verhältnisse also schon immer, einfach waren sie noch
nie.
In eine Sackgasse führt die Rhetorik von der steigenden Komplexität
durch die Verknüpfung der Diagnose mit immer neuen, andersartigen
Lösungen, die kontrafaktisch in der Lage sein sollen, das Komplexitäts-
problem rational zu bearbeiten. Die »große alte Dame« der Betriebs-
wirtschaftslehre und Entscheidungstheorie – wenn man sie so bezeich-
nen will – bleibt also unangetastet: Es ist die Prämisse, dass
Entscheidungen rational zu treffen sind. Die eingangs beschriebene und
in jedem Unternehmen anzutreffende Stresserfahrung im Management
hat ein Gutteil mit diesem Festhalten am Prinzip rationaler Entschei-
dungsfindung zu tun. Nichts setzt Personen mehr unter Stress, als sie in
Situationen zu bringen, die sie (allein) nicht durchschauen können, und
zugleich von ihnen zu fordern, sie allein müssten die richtigen Lösungen
formulieren bzw. haben die Konsequenzen einer Fehlentscheidung zu
tragen. Gesteigert wird dieses Empfinden noch durch die der Rationa-
lität nachfolgende Prämisse, es gebe einzig richtige Lösungen.
Wer nach Alternativen zu diesem Denken und nach Anregungen für den
Umgang mit komplexen Verhältnissen sucht, muss keineswegs nach al-
lerneuesten Konzepten und Instrumenten Ausschau halten.
Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau
Ist Entscheiden in den letzten Jahren und Jahrzehnten wirklich schwieriger geworden? Die hier vertretene Theselautet: Argumentationen dieser Art unterliegen erstens einem Denkfehler und führen zweitens in die Sackgasse.
Dipl. Soz. wiss. Torsten Groth ist Geschäftsführer des Management Zentrum Witten (MZW).
10
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
Wer heutzutage als Wissenschaftler und Berater Zustimmung unter Ma-
nagern erheischen möchte, bauscht zu Beginn seiner Ausführungen die
Globalisierung zu einer noch nie da gewesenen Herausforderung auf:
Der Markt verändert sich immer schneller, die Vernetzung nimmt stetig
zu, die Erfolge von heute sind die Untergangsgründe von morgen etc.
Kurz gesagt: Er stellt die Diagnose, die Komplexität steigert sich immer
weiter, gar bis ins Unermessliche. Wer diesen Einstieg wählt, beschreibt
einen Zustand, der dem Erleben vieler Entscheider in Unternehmen ent-
spricht. Zu hinterfragen ist jedoch, ob man auf diesem Wege zu einer
angemessenen Problembeschreibung aktueller Herausforderungen
kommt.
Die folgenden Ausführungen gehen in eine andere Richtung. Sie führen
zurück zu vermeintlich alten Überlegungen zur Rationalität von Ent-
scheidungen. Hierbei wird deutlich, dass die heutigen Entscheidungsla-
gen durchaus neu, das Entscheidungsproblem aber prinzipiell gleich ge-
blieben ist. Der Beitrag endet mit einem Aufruf zu einer Achtsamkeit,
die im Bewusstsein agiert, dass jederzeit unerwartete Ereignisse auf-
tauchen könnten, auf die ein Unternehmen antwortfähig sein muss.
Denkfehler und Sackgassen
Wirft man einen Blick in die Management-Ratgeber der letzten 20 Jahre,
so kann man den Eindruck gewinnen, das Entscheiden sei immer
schwieriger geworden. Aus einer ehedem geordneten Welt, in der es
noch einfache Antworten auf die gängigen Probleme des Managements
gab, ist eine komplexe, undurchschaubare Welt voller unvorhersehba-
rer Effekte geworden. Es treten immer neue Probleme auf, die dann
auch einzigartiger neuer Lösungen bedürfen – nicht ganz zufällig derje-
nigen, die der jeweilige Autor auf den Folgeseiten präsentiert. Die dia-
gnostizierte Undurchschaubarkeit und Unvorhersehbarkeit gilt also nur
bedingt, denn zumindest eine Person (der Autor) oder eine Personen-
gruppe (die Beratungsgesellschaft) hat zumindest so weit den Durch-
blick gewinnen können, dass sie entweder bestimmte Instrumente
empfehlen oder bestimmte Manager-Typen einfordern können.
Ratgeber dieser Art sind allseits bekannt und ihre Funktionalität ist
leicht zu durchschauen (Wer sehnt sich nicht nach dem, was verspro-
chen wird: Lösungen zu einem Problem, das einen selbst zu überfordern
1 D i r k B a e c k e r : Organisation als System. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 2003, S. 28.
Die Organisationstheorie, oder zumindest ein Teil von ihr, hat sich schon
seit Langem mit der Rationalität von Entscheidungen auseinanderge-
setzt. Eine der frühesten Forschergruppen, die sich dem Entscheidungs-
problem kritisch genähert hat, war die Carnegie Mellon School um Her-
bert Simon, James March und Kollegen. Schon vor mehr als 50 Jahren
konnte Simon nachweisen, dass die Rationalität keineswegs den Ent-
scheidungen zugrunde liegt. Sowohl sachlich, sozial und zeitlich spricht
einiges dagegen.
Sachlich fehlt es Entscheidern schlicht an Aufmerksamkeitsressourcen,
um wie ein »Economic Man« (der gleichzusetzen ist mit dem »Rational
Man«) zu handeln.2 Auch wenn Entscheider intentional rational zu ent-
scheiden glauben, zeigt sich, dass sie ihre Entscheidungen auf der Basis
eines stark vereinfachten, von der Realität abweichenden Modells tref-
fen. Aufgrund der begrenzten Aufmerksamkeitsressourcen kann man
auch nicht mehr vom Finden optimaler Lösungen sprechen. Entscheider
halten in der Regel nur so lange nach Alternativen Ausschau, bis sie eine
»Satisficing«, also eine befriedigende Lösung gefunden haben.
Sozial, also mit kollektiven Abstimmungsprozessen, erreichen Organi-
sationen nur »halbwegs handhabbare Entscheidungssituationen, indem
sie Pläne dort vermeiden, wo Pläne von Vorhersagen unsicherer künfti-
ger Ereignisse abhängen, und indem sie die Planungen dort in den Mit-
telpunkt stellen, wo die Pläne so gestaltet werden können, dass sie sich
durch bestimmte Kontrollmechanismen selbst bestätigen.«3
In zeitlicher Hinsicht haben March und Kollegen den Ausdruck »Garbage
Can« geprägt.4 Organisationen sind »Mülleimer«, in denen Lösungen
neben Problemen, Gelegenheiten und Teilnehmern liegen. Zufälle, wie
der Zeitpunkt des Einwurfes, bestimmen, was nebeneinander liegt und
dann aufgegriffen und miteinander verknüpft wird. Diese Gemengelage
nennen sie »Organized Anarchy«. Sachliche Erwägungen geben bei die-
ser Gemengelage weniger den Ausschlag. »Was in den Mülleimer rein-
kommt und was – wenn überhaupt – wieder herauskommt, hängt in
weit höherem Maße von den zeitlichen Abfolgen des Einwerfens und
Herausnehmens ab als von sachlich begründeten Notwendigkeiten.«5
Schon vor mehreren Jahrzehnten, denn so alt – vielleicht besser: gereift?
– sind die hier skizzierten Forschungsergebnisse, sprach vieles dafür,
sich vom Ideal rationaler Entscheidungen und Prinzip einzig richtiger Lö-
sungen zu verabschieden. Schon damals konnte empirisch nachgewie-
sen werden, dass man es mit komplexen Entscheidungslagen zu tun hat,
in denen das Management nur mit Not den an sie gerichteten Erwar-
tungen entsprechen konnte. Was ist also hinsichtlich der Entschei-
dungsproblematik neu an der jetzigen Situation? Prinzipiell nichts: Wie
schon immer geht es, so könnte man mit Heinz von Foerster formulie-
ren, um die Entscheidung nicht entscheidbarer Entscheidungen.
Bröckelnde Fassaden
Niklas Luhmann hat in seiner Organisationstheorie die Rationalitätskri-
tik der Carnegie Mellon School weiter zugespitzt und das Entscheiden
als paradox dargestellt. Die »Paradoxie des Entscheidens«6 liegt gerade
darin, dass eine Entscheidung nur dann eine Entscheidung ist, wenn sie
als Wahl prinzipiell wählbarer Alternativen dargestellt wird und zugleich
mitkommuniziert, welche Alternative zu wählen ist. Wenn aber sowieso
klar ist, was zu tun ist, hat man es nicht mehr mit einer Entscheidung zu
tun ... Wenn hingegen alle Alternativen zu entscheiden sind, muss man
Unentscheidbares entscheiden (s. o.). Die Organisation behilft sich hier
mit einem Trick: »Man löst das Paradox, wenn es um Entscheidung geht,
durch Bezeichnung des Entscheiders auf. (...) Die Organisation vergisst
sich gleichsam selbst.«7
Damit kommen wir dem Überforderungssymptom vieler Manager auf
die Spur. Ihnen wird etwas aufgebürdet, mit dem sich Organisationen
auseinandersetzen müssten. Statt der Paradoxie ansichtig zu werden
und beispielsweise auf Fehlerfreundlichkeit zu setzen sowie unterneh-
merisches, also chancen- und risikobehaftetes, scheiternswahrscheinli-
ches Denken zu belohnen, wird von Managern verlangt, sie müssten die
komplexe Problemlage so weit analytisch durchdringen, dass sie die
Auswirkungen der Globalisierung auf ihr Unternehmen beherrschen
können.
11
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
2 H e r b e r t A . S i m o n : A behavioral model of rational choice. Quarterly Journal of Economics 69, 1955, p. 99-118. 3 R i c h a r d M . C y e r t / J a m e s G . M a r c h : Eine verhaltenswissenschaftliche Theorie der Unternehmung (2. Aufl.).
Stuttgart 1995, S. 160.4 M . C o h e n / J a m e s G . M a r c h / J o h a n P . O l s o n : A Garbage Can Model of Organizational Choice. Administrative Science
Quarterly 17, 1972, p. 1-25. 5 T o r s t e n G r o t h / A l e x a n d e r T . N i c o l a i : Das intelligente Management von Mülleimern.
Organisationsentwicklung 21, H. 4, 2002, S. 60.6 N i k l a s L u h m a n n : Organisation und Entscheidung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2000, S. 122-153.7 Niklas Luhmann a. a. O., S. 147.
Damit sind Unternehmen nichts anderes als (kommunikative) Fassa-
denerbauer, die sich immerzu mit dem Problem beschäftigen, nicht
durchscheinen zu lassen, dass alles keineswegs so rational zugeht, wie
man immer vorzugeben versucht, dass keiner genau weiß, wie es wei-
tergeht, dass die großen Innovationen ungeplant und die Umsatzzuge-
winne durch zufällige Konstellationen hervorgerufen wurden. »Organi-
sationen sind«, so Karl Weick, »trotz ihrer scheinbaren Inanspruch-
nahme durch Fakten, Zahlen, Objektivität, Konkretheit und Verant-
wortlichkeit in Wahrheit voll von Subjektivität. Abstraktionen, Rätseln,
Schau, Erfindung und Willkür ... ganz wie wir alle.«8
Mit der Globalisierung und mit der Internet-Ökonomie wird es nun
immer schwieriger, die Fassade rationaler Entscheidungen aufrechtzu-
erhalten. Bruchstellen tun sich auf, denn angesichts vollkommen neuer
Märkte und neuer Marktdynamiken kann nicht mehr verdeckt werden,
dass im Kern der Organisation weit mehr Willkür als Rationalität waltet.
Was ist demnach zu tun? In dem neuen Phänomen (mit dem alten Kom-
plexitätsproblem) steckt die Chance, das Selbstverständnis des Unter-
nehmens grundlegend zu ändern. Anstatt immer weiter Energie in die
Fassadenerneuerung zu stecken, dass heißt zum Beispiel immer weiter
Unmögliches vom Management zu verlangen, das dann wiederum
seine Energie darauf verwendet, sich mithilfe von Expertenberatung, Si-
cherheit versprechenden Studien (»Indien als Zukunftsmarkt«) oder Bu-
siness as usual aus der Schusslinie zu bringen, könnte die eingesparte
Energie darauf verwendet werden, den Herausforderungen der Globali-
sierung mit »Achtsamkeit« (Mindfulness) zu begegnen.
Achtsamkeit9
Es gibt eine Unternehmensform, die es sich schon seit Langem nicht
mehr leisten kann, in den Fassadenbau zu investieren. Dies sind soge-
nannte High Reliability Organizations (HROs). Hierunter versteht man
Organisationen, die Sorge tragen müssen, dass ein Unfall auf alle Fälle
vermieden werden muss (z. B. Atomkraftwerke, Öltanker, Flugzeugträ-
ger oder Notfallmedizin). Im Gegensatz zu »normalen« Unternehmen
haben diese Organisationen keine Gelegenheit, Fehler zu vertuschen.
Stattdessen muss es ihnen gelingen, eine hohe Sensibilität für kleinste
Unregelmäßigkeiten zu entwickeln, damit es gar nicht erst zum Äußer-
sten kommt.
In ihrem Werk »Das Unerwartete managen« haben Weick und Sutcliffe10
diesen Typ Organisation untersucht. Ihre Grundthese lautet, dass in Zei-
ten wachsender Unsicherheiten alle Organisationstypen von den HROs
lernen können. Dies können wir noch weiter zuspitzen. HROs sind Vor-
bilder für Unternehmen, die ihre Energie nicht mehr in den Fassadenbau
stecken. Was sie stattdessen machen, lässt sich anhand von fünf Eigen-
schaften aufzeigen:
1. Konzentration auf Fehler:
Gerade weil nichts passieren darf, wird jede noch so kleine Panne als
Chance gesehen, eine potenzielle Schwachstelle zu erkennen. Fehler
sind »Fenster zum Gesamtsystem«11. Darum werden alle Mitarbeiter
motiviert, jeden noch so kleinen Fehler zu melden. Im Wissen, dass
jeder erkannte Fehler die Sicherheit der Organisation erhöht, muss auch
niemand Sanktionen befürchten.
2. Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen:
Um eine permanente Achtsamkeit gegenüber allen Veränderungen auf-
rechtzuerhalten, konzentrieren sich HROs darauf, Vereinfachungen
komplizierter zu machen. Das Grundprinzip der Organisation wird
damit auf den Kopf gestellt: Nicht das Team erntet Lob und Anerken-
nung, das nach langen Überlegungen eine schnelle Lösung für ein Pro-
blem gefunden hat, sondern das Team, das einfache Lösungen hinter-
fragt. Man könnte auch formulieren, die HROs wissen um die »Paradoxie
des Entscheidens« (s. o.). Weick und Sutcliffe plädieren deshalb dafür,
Leitungs- und Kontrollteams immer aus Mitgliedern verschiedener Ab-
teilungen zu besetzen. Nur so werden blinde Flecken vermieden und
bleibt ein achtsamer Umgang mit dem Unerwarteten gewahrt.
3. Sensibilität für betriebliche Abläufe:
Im Wissen um die Unmöglichkeit, alle Abläufe hierarchisch steuern und
alle Abweichungen in ihren Auswirkungen einschätzen zu können, ver-
trauen Vorgesetzte in HROs weit mehr ihren Untergebenen als in nor-
malen Unternehmen: »In HROs werden Befugnisse beispielsweise in
Richtung Know-how delegiert, wo immer es liegt, und nicht die Hierar-
chie hinauf und herunter in Richtung Dienstalter oder Dienstrang.«12
Man sieht, auch in diesem Falle wird ein Grundprinzip der Organisation
auf den Kopf gestellt. Es geht nicht mehr um die oben erwähnten
12
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
8 K a r l E . W e i c k : Der Prozess des Organisierens. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985, S. 15.9 T o r s t e n G r o t h : Wider die Verdummung durch Substantive. Organisationsentwicklung 23, H. 3, S. 93ff.1 0 K a r l E . W e i c k / K a t h r i n S u t c l i f f e : Das Unerwartete managen. Stuttgart: Klett-Cotta, 2003.1 1 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 70.1 2 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 77.
13
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
Absicherungsstrategien, nicht mehr um die Wahrung von Hierarchie,
sondern darum, die vorhandenen Kompetenzen für die Organisation zu
nutzen.
4. Streben nach Flexibilität:
Das Unerwartete zu managen, führt bei HROs nicht zu dem Reflex, für
alle möglichen Szenarien Pläne zu entwerfen. Diese Pläne würden nur
dazu führen, eine Sicherheit vorzutäuschen, die es nicht geben kann.
Stattdessen investieren HROs in allgemeine Ressourcen, z.B. in die
Fähigkeit, rasch Rückmeldungen von Kompetenzträgern einzuholen,
um so schnelle Lernprozesse herbeizuführen. Wenn man nicht weiß,
was auf das Unternehmen zukommt, hilft nur das Wissen, ein Reper-
toire an schnell generierbaren Lösungen parat zu haben, das situativ an-
zupassen ist. Man kann sich nur wiederholen, auch hier agiert das Un-
ternehmen im Bewusstsein, dass dem Neuen nicht mit vorhandenen
Zuständigkeiten und Entscheidungsroutinen beizukommen ist.
5. Respekt vor fachlichem Wissen:
HROs sind permanent bestrebt, Probleme von dem jeweils fachlich
kompetentesten Mitarbeiter lösen zu lassen. Keine Lösung parat zu
haben, ist kein Makel, fatal wäre es, diesen Umstand vertuschen zu wol-
len: »Es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein, zu erkennen,
wann man die Grenzen des eigenen Wissens erreicht hat und die Hilfe
anderer in Anspruch nehmen sollte.«13
Vor dem Hintergrund der in den meisten Unternehmen stattfindenden
hierarchischen Absicherungsstrategien, Planungs- und Regelungsdich-
ten, mikropolitischen (Blockade-)Spielen, Überforderungen des Mana-
gements etc. wird die Radikalität dieser von Weick und Sutcliffe identi-
fizierten Lösungen sichtbar. Genauso achtsam, wie die HROs das
Unerwartete managen, sollten Unternehmen mit den Herausforderun-
gen der Globalisierung und der Internet-Ökonomie umgehen.
Hervorheben sollte man auch noch, dass in dem Konzept nicht der Ma-
nager achtsam agieren muss, sondern dass die Organisation mit all
ihren Strukturen auf Achtsamkeit getrimmt wird. Dies geht so weit,
dass selbst der einfachste Arbeiter, z.B. ein Helfer auf dem Flugzeugträ-
gerdeck, quasi zum Chef der Organisation wird, nämlich in dem Mo-
ment, wo er spürt (nicht begründet), dass im Landevorgang der Flug-
zeuge »etwas nicht stimmt«. Von Fall zu Fall sind HROs also in der Lage,
die Hierarchie zu drehen, um so die Erfahrungen und Empfindungen
aller Mitarbeiter organisational wirksam werden zu lassen.
HROs zeigen damit, wie eine Musterunterbrechung vollzogen werden
könnte. Jenseits einfacher Management-Moden wird die Denkspirale
zerstört, alles werde komplexer und erfordere quasi automatisch immer
größere Anstrengungen. Wie gesagt, komplex waren die Verhältnisse
schon immer. HROs finden eine Antwort, indem sie etwas machen, was
man als Minus-Management bezeichnen könnte: Sie regen dazu an, all
das wegzulassen, was einzig dem Bau einer rationalen Fassade dient, um
so den Blick frei zu bekommen für die Chancen und Risiken, die früher
hauptsächlich auf der Straße lagen und heute vielleicht in den zahllosen
virtuellen Räumen des World Wide Web oder wo auch immer stecken
könnten.
1 3 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 92.
Bereits jetzt wird deutlich, dass es bei Entscheidungen in wesentlicher
Weise um die Interaktion zwischen Menschen geht, nämlich zwischen
Entscheidern und denen, die von Entscheidungen betroffen sind und die
daran mitwirken sollen, sie zu einem Erfolg werden zu lassen. Zu einem
Erfolg können Entscheidungen nur dann werden, wenn alle Beteiligten
Motivation entwickeln und kooperieren. Erst in den letzten Jahren
stellte sich – im Rahmen neurobiologischer Untersuchungen – heraus,
welchen Grundregeln die menschliche Motivation folgt, welche äuße-
ren Stimuli Motivation hervorrufen können und was beim Menschen die
Ziele motivierten Verhaltens sind2. Das auch für viele Fachleute erstaun-
liche Ergebnis wissenschaftlicher Analysen war: Die Grundmotive, auf
die menschliches Verhalten gerichtet ist, sind Anerkennung und gelin-
gende soziale Beziehung. Dies bedeutet einerseits: Der Mensch ist ein in
seinen zentralen Motivationen auf Kooperation zielendes Wesen, sozu-
sagen ein »Beziehungstier«. Dies ist der Grund, warum wir bereit sind,
Anstrengungen und Mühen auf uns zu nehmen, wenn die Aussicht
besteht, damit – direkt oder indirekt – um uns herum gute soziale Be-
ziehungen aufzubauen und zu erhalten. Andererseits bedeutet dies
aber auch: keine nachhaltige Motivation ohne gelingende Beziehungs-
gestaltung.
Die »eingebettete Entscheidung«: Die Phase davor und danach
Entscheidungen gleichen in gewisser Weise einer Geburt: Der vom Arzt
bzw. von der Ärztin supervidierte und durch dessen bzw. deren Ent-
scheidungen beeinflusste optimale Ablauf der Geburt ist eine notwen-
dige, bei Weitem aber keine hinreichende Bedingung für die Entwick-
lung eines vitalen Kindes. Von mindestens gleichrangiger Bedeutung
sind die Schwangerschaft vor und die Betreuung des Kindes nach der
Geburt. Ähnlich verhält es sich mit dem Schicksal einer Entscheidung:
Die Frage, ob sie letztlich als »gut« oder »erfolgreich« angesehen wird,
entscheidet sich zu 30 Prozent auf dem Weg, der zur Entscheidung hin-
führt, zu 30 Prozent an der getroffenen Entscheidung selbst, und zu 30
Prozent daran, was nach der Entscheidung passiert (die restlichen 10
Prozent gehen auf das Konto von Zufallsfaktoren und Glück).
Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet
Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber bereits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden sein.
Prof. Dr. Joachim Bauer ist Mediziner, Neurobiologe und Psychotherapeut. Er leitet am Uniklinikum Freiburg die Ambulanz derAbteilung Psychosomatische Medizin1.
14
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
Es ist die wichtigste Frage, die sich all denen stellt, die Verantwortung in
Wirtschaft und Gesellschaft tragen: Wie treffe ich »gute« Entscheidun-
gen? Was sind Voraussetzungen und Prediktoren, die Einfluss darauf
haben, dass Entscheidungen sich als »gut« oder »schlecht«, als »richtig«
oder »falsch« erweisen?
Bei Entscheidungen geht es um weit mehr als um die »richtige« Bewer-
tung auf der Basis von »Rational Choice«, eine gute Entscheidung erfor-
dert Komponenten, die über eine rationale Analyse vorhandener Daten
weit hinaus gehen. Fakten, Daten und die Gesetzmäßigkeiten von Ab-
läufen zu kennen, zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen – dies
sind zwar absolut notwendige, bei Weitem aber keine hinreichenden
Voraussetzungen für erfolgreiches Entscheiden. Die Missachtung dieses
Umstandes ist die wichtigste Ursache, wenn Entscheidungen Miss-
erfolge produziert haben. Ich werde an einigen Punkten aufzeigen, was
helfen kann, erfolgreich zu entscheiden.
Mehr als »Rational Choice«: Akteure, Mitspieler und Betroffene
Eine Entscheidung ist mehr als die rationale Schlussfolgerung aus der
Analyse von Daten und Fakten. Mit dem Wort der »Entscheidung« be-
schreiben wir – soweit es Wirtschaft und Gesellschaft betrifft – jene Mo-
mente, in denen die Möglichkeit oder die Notwendigkeit besteht, dem
Ablauf eines Geschehens, welches ansonsten seinen gewohnheitsmäßi-
gen Regeln folgen würde, etwas Gestaltendes hinzuzufügen. Im Zen-
trum des Entscheidungsgeschehens stehen auf der einen Seite mensch-
liche Akteure, die gestalten können bzw. müssen. Auf der anderen Seite
handelt es sich bei dem, was gestaltet wird, um – meist recht komplexe
– Strukturen, in denen wir es wiederum mit Menschen zu tun haben,
nämlich mit jenen, die in diesen Strukturen ihre Arbeit tun. Mitarbeiter
sind nicht nur die von einer Entscheidung Betroffenen, sondern spielen
eine entscheidende (!) Rolle, wenn es darum geht, das, was entschieden
wurde, umzusetzen. Mitarbeiter sind daher, auch wenn sie weisungsge-
bunden sind, immer auch »Mitspieler«. Es zeigt sich immer wieder, dass
sie einen Entscheider – selbst wenn er eine potenziell »gute« Entschei-
dung getroffen hat – durchaus scheitern lassen können. Anders als
immer wieder zu hören ist, bedeutet dies jedoch keineswegs, dass Ent-
scheider keine Spielräume mehr haben oder dass man Mitarbeiter in
Watte packen müsste.
1 Prof. Bauer ist Verfasser viel beachteter Bücher, darunter »Das Gedächtnis des Körpers« (Piper 2004), »Warum ich fühle was du fühlst (Hoffmann und Campe, 2005) und das jüngst erschienene Werk »Prinzip Menschlichkeit« (Hoffmann und Campe, 2006).
2 Eine Zusammenfassung der neueren neurobiologischen Forschung zum Thema Motivation findet sich bei Joachim Bauer: »Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren« (Hoffmann und Campe, 2006).
Der Phase, die zur Entscheidung hinführt, wird meistens mehr Aufmerk-
samkeit geschenkt als der Phase danach, obwohl dies – ich werde dar-
auf zurückkommen – ein gravierender Fehler ist. Vor der Entscheidung
haben Entscheider eine Reihe von Gesichtspunkten zu berücksichtigen
und gegeneinander abzuwägen. Entscheider tragen Verantwortung für
Investoren und deren bereitgestelltes Kapital, eventuell für weitere ma-
terielle Ressourcen, für Kunden und, last but not least, für ihre Mitarbei-
ter, welche die »menschliche Ressource« des Unternehmens bzw. der In-
stitution darstellen. Entscheider werden sich in dieser Phase daher nach
drei Seiten hin abstimmen: Erstens zur Seite der Investoren bzw. der Be-
sitzer hin (in der Regel hat man es mit deren Stellvertretern zu tun, also
mit Vorständen oder Vorgesetzten unterhalb der Vorstandsebene),
zweitens mit gleichrangigen Kollegen oder Mit-Entscheidern (unter
ihnen eventuell solche, die z.B. als Marketingleute die Perspektive des
nicht mit am Tisch sitzenden Kunden bzw. des Absatzmarktes vertre-
ten), und drittens mit nachgeordneten Mitarbeitern. Die Frage, worauf
es in der Phase vor einer Entscheidung ankommt, sei noch einen Mo-
ment aufgeschoben.
Von überragender Bedeutung für Erfolg oder Nichterfolg ist die Phase
nach einer getroffenen Entscheidung. Kurzfristig entscheidend ist jetzt
vor allem, ob die als Erstes Betroffenen – in der Regel die nachgeordne-
ten Mitarbeiter, aber auch gleichrangige Kollegen – die Entscheidung
mittragen, die Notwendigkeiten und die sich bietenden Chancen erken-
nen und sich mit der getroffenen Entscheidung identifizieren. Hier
kommt nun die bereits erwähnte Tatsache zum Tragen, dass Mitarbei-
ter, auch dann, wenn sie weisungsgebunden sind, immer auch »Mit-
spieler« sind. Verweigern sie die Kooperation – eine solche Verweige-
rung wird meistens nicht offen gezeigt –, so steht der Entscheider mit
seiner Entscheidung bald alleine da. Er erlebt nun nicht nur den sich aus
verweigerter Kooperation ergebenden Fehlschlag, sondern bekommt
dazu auch noch die Rolle des Verantwortlichen zugewiesen: Man wird
versuchen, die Ursache des Scheiterns zu verschieben, weg von der ge-
zeigten Sabotage (welche die Ursache des Scheiterns war) hinüber zur
getroffenen Entscheidung (welche im Rahmen einer Umdeutung zur
Ursache erklärt wird). Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass es
nicht damit getan ist, eine optimale Entscheidung getroffen zu haben,
sondern dass gerade nach Entscheidungen besonders intensive Arbeit
zu leisten ist. Nun zeigt sich auch, dass zwischen dem, was Entscheider
im Vorfeld einer Entscheidung tun, und dem, was sich danach abspielt,
ein enger Zusammenhang besteht.
Mitverantwortung einfordern und nachhaltig sicherstellen
Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die
Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und
gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber be-
reits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden
sein. Erste Voraussetzung für kooperatives Verhalten und gemeinsame
Verantwortung ist die Herstellung einer Beziehung, d.h. eines kontinu-
ierlichen Dialogs des Entscheiders mit den bereits genannten Partnern
(Eigner, Kollegen und Mitarbeiter). Wenn Entscheidungen zu einem
Fehlschlag werden, dann häufig deswegen, weil Beziehungsgestaltung
und Dialog nicht gelungen sind. Die drei wichtigsten Komponenten
einer im professionellen Rahmen gestalteten Beziehung3 sind 1. Re-
spekt und gegenseitige Achtung, 2. die Fähigkeit, die Perspektive des
Gesprächspartners zu erkennen, die Motive des anderen zu verstehen
und dieses Verständnis für die andere Seite auch spürbar werden zu las-
sen, und 3. den Mut zu haben, die eigene Perspektive deutlich zu ma-
chen und auszusprechen, was man sich selbst wünscht und von seinem
Gegenüber erwartet.
Im Rahmen des Dialogs, der Entscheidungen vorausgegangen sein
sollte, muss sowohl die Interessenperspektive des Gesprächspartners
zur Sprache kommen (diese wird der Gesprächspartner in der Regel
selbst formulieren) als auch diejenige der jeweils nicht anwesenden an-
deren Parteien (deren Perspektive sollte der Entscheider benennen,
ohne sich dabei auf die Seite einer Partei zu stellen). Der Entscheider
sollte für sich selbst eine möglichst parteiunabhängige Position bean-
spruchen. Er sollte für sich eine Position beschreiben, welche die Inter-
essen des Gesamtunternehmens – und damit die Interessen aller – im
Auge hat. Je mehr für die anderen deutlich wird, dass der Entscheider
die Perspektive seiner verschiedenen Partner kennt und versteht, umso
glaubwürdiger wird er sein, wenn er seine Absicht bekundet, eine Ent-
scheidung zu finden, die allen möglichst weitgehend gerecht werden
möchte, allen aber auch Kompromisse abfordern muss. Bewegt sich die
Situation auf eine zu treffende Entscheidung zu, so kann es sinnvoll sein
(dies ist jedoch keinesfalls zwingend und durchaus nicht immer sinn-
voll), diese den Beteiligten in etwa anzudeuten.
Ist die Entscheidung gefallen, beginnt die entscheidende Phase danach.
Die Entscheidung sollte allen Partnern gegenüber zweiseitig kommuni-
ziert werden, möglichst bevor diese sie aus anderer Quelle erfahren.
15
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
3 Siehe dazu auch »Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren« (2006).
Entscheidend ist jetzt, dass drei Aspekte deutlich werden: 1., dass der
Entscheider selbst von seiner Entscheidung überzeugt ist, dass er sie für
uneingeschränkt richtig hält und ohne Vorbehalte an ihr festhalten
wird; 2., dass die getroffene Entscheidung vor dem Hintergrund der Ver-
antwortung für das Ganze getroffen wurde (je mehr dies tatsächlich zu-
trifft, desto glaubwürdiger wird dies sein); und 3. gegenüber Mitarbei-
tern und Kollegen deren Verantwortung und d.h. die entscheidende
Rolle zu betonen, die sie für den Erfolg tragen. Entscheider sollten zu-
lassen und es ertragen, dass die von ihnen getroffene(n) Entschei-
dung(en) bei Betroffenen kurzfristig ambivalente Gefühle auslösen kön-
nen und dass dies unmittelbar nach einer Entscheidung verbal zum
Ausdruck gebracht wird. Wichtig ist aber – und darauf sollte aufmerk-
sam geachtet werden –, dass die als erste Reaktion verständliche Ambi-
valenz nicht zu einer länger dauernden Einstellung wird und sich nicht
zur stillen Verweigerung entwickelt. Eine getroffene Entscheidung
sollte daher nicht nur einmal, sondern in kürzeren Abständen wieder-
holt kommuniziert werden. Dabei sollte die Mitverantwortung der Part-
ner wiederholt betont und eingefordert werden. Mitarbeiter sollten
spüren, dass Entscheider hier nicht lockerlassen, sondern anhaltende
Verweigerung im Zweifelsfall klar benennen. Im Falle tatsächlich ver-
weigerter Mitverantwortung muss der Entscheider die Verweigerer an-
sprechen, ihnen seinen Eindruck über ihr Verhalten mitteilen und klar-
machen, dass er bei einer weiterhin verweigernden Haltung die
Grundlagen der Zusammenarbeit in Frage gestellt sieht und bereit ist,
ernste Konsequenzen in Betracht zu ziehen.
Tatsächlich ist der erste der drei genannten Aspekte, der manchen banal
erschienen sein mag (»... dass der Entscheider von seiner Entscheidung
überzeugt ist, sie für uneingeschränkt richtig hält und ohne Vorbehalte
an ihr festhalten wird«), mindestens ebenso wichtig wie die beiden an-
deren. Neuere neurobiologische Erkenntnisse konnten bestätigen, was
viele, die in der Praxis stehen, schon lange wissen, zumindest vermutet
haben: Die Gefühle und inneren Einstellungen, die wir ins uns tragen,
teilen sich anderen Menschen – auch dann, wenn wir uns bemühen,
unser Inneres zu verbergen – in erheblichem Umfang mit. Schuld daran
ist das System der Spiegelnervenzellen4: Unser Gehirn ist – ohne dass
wir uns in besonderer Weise darum bemühen müssten – darauf spezia-
lisiert, von anderen Menschen Signale aufzunehmen und auszuwerten,
die sich aus der Mimik, den Blicken, der Stimme und der sonstigen Kör-
persprache ergeben. Diese Signale »verraten« uns – ohne jedes bewuss-
te Nachdenken, ohne absichtsvolles Bemühen, sondern auf intuitive
Weise – vieles von dem, was sich im Inneren unseres Gegenübers ab-
spielt. Doch nicht nur das: Innere Einstellungen und Stimmungen eines
anderen Menschen können auf uns auch abfärben, uns gleichsam »an-
stecken« (wir erleben dies täglich z.B. dann, wenn wir uns durch die
Traurigkeit oder durch die Freude eines anderen Menschen anstecken
lassen).
»Ausstrahlung« ist – nach der Entdeckung der Spiegelnervenzellen –
somit ein jetzt auch objektiv gesichertes Phänomen. Dies heißt: Die Art,
wie Entscheider selbst zu der von ihnen getroffenen Entscheidung ste-
hen, wird von den anderen Beteiligten des Unternehmens nicht nur in-
tuitiv wahrgenommen, die Haltung des Entscheiders kann sich auf Part-
ner, mit denen der Entscheider zu tun hat, auch übertragen. Interne
Konkurrenten werden geneigt sein, wenn sie auf Seiten des Entschei-
ders Unsicherheit und Selbstzweifel angesichts der getroffenen Ent-
scheidung spüren, die Situation für sich auszunützen. Dies gilt auch für
Mitarbeiter, die sich dann, wenn sie sehen, dass der Entscheider selbst
an seiner Entscheidung zweifelt, zur Verweigerung geradezu eingeladen
fühlen (nach der Devise »Soll er doch sehen, wie weit er damit
kommt!«). Ebenso fatal ist jedoch, wenn sich die zweifelnde Haltung des
Entscheiders auf Mitarbeiter direkt überträgt. Wie sollen Mitarbeiter die
ihnen nach einer gefällten Entscheidung zukommende Mitverantwor-
tung übernehmen können, wenn sie spüren, dass der für die Entschei-
dung Verantwortliche selbst nicht an sie glaubt. Damit sind wir – nach-
dem wir bereits die Bedeutung der Vorphase und der Phase nach einer
Entscheidung eingehend analysiert haben – jetzt am Ende doch noch
bei jenem Moment angekommen, an dem der Entscheider seine Ent-
scheidung fällt. Was hier dringend zu empfehlen ist: Nachdem er/sie die
Einbettung seiner/ihrer Entscheidung in das »Davor« und das »Danach«
sorgfältig bedacht hat, sollte er/sie die von ihm/von ihr als richtig er-
kannte Entscheidung klar und ohne weiteres Zögern fällen. Daraufhin
sollte er/sie zu der von ihm/von ihr gefällten Entscheidung stehen und
sollte sie nach außen kraftvoll, unzweideutig und entschlossen vertreten.
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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
4 Eine zusammenfassende Darstellung der Spiegelnervenzellen findet sich bei Joachim Bauer: »Warum ich fühle was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnisder Spiegelneurone« (Hoffmann und Campe, 2005).
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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
verhindert werden. Zudem räumen 64,3 Prozent der Führungskräfte
ein, dass Entscheidungsbefugnisse nicht klar definiert seien und 48,6
Prozent bemängeln, dass Entscheidungsbefugnisse für Einzelpersonen
zu gering sind. In der Praxis stellt demnach die Menge an Mitsprachebe-
rechtigten das gravierendste Problem dar. Die »Trägheit der Masse«
blockiert den Entscheidungsprozess. Ein Meeting folgt dem nächsten,
langwierigen Erörterungen folgt keine Entscheidung. Demnach lässt
sich der Studie eine massive Unzufriedenheit mit der Effizienz von Ent-
scheidungsprozessen entnehmen.
An zweiter Stelle der Problemliste rangieren ernste Zweifel an der Qua-
lität der getroffenen Entscheidungen: 76,4 Prozent sind der Ansicht,
dass Macht und Interessenkonflikte ein Votum für die beste Entschei-
dung verhindern. Das mag auch mit der Grund sein, dass 63 Prozent der
Befragten angeben, dass Entscheidungen nur halbherzig getroffen wer-
den. Zudem beklagen 60 Prozent, dass Innovationen und Verbesserun-
gen zu wenig Augenmerk eingeräumt wird. Mit diesen Ergebnissen ver-
deutlicht die Studie die Unzufriedenheit der ManagerInnen mit der
Effektivität der getroffenen Entscheidungen.
An dritter Stelle der Entscheidungsprobleme steht der Transfer: 72,8
Prozent der befragten Führungskräfte sind der Ansicht, dass Entschei-
dungen nicht oder zu wenig kommuniziert werden. 49,2 Prozent weisen
zudem darauf hin, dass zu viele Entscheidungen sich gegenseitig
blockieren. Das Drama nimmt seinen Lauf: Erst gibt es endlose Diskuss-
ionen mit viel zu vielen Beteiligten, dann tauchen berechtigte Zweifel an
der Qualität der Entscheidung auf und zu guter Letzt stellt man fest,
dass die Entscheidung in der Umsetzungsphase versandet. Der Erfolg
bleibt aus, die Integration der Entscheidung in das Handeln der Organi-
sation entfällt und bringt die Führungskräfte um die Früchte ihrer An-
strengungen. »Was alle Erfolgreichen miteinander verbindet, ist die
Fähigkeit, den Graben zwischen Entschluss und Ausführung äußerst
schmal zu halten«, hat schon Peter Drucker, der Pionier der Managem-
entforschung, festgestellt.
Trotz der Entschlussfreude und Entscheidungskraft, die Führungskräfte
als persönliche Stärken in den Entscheidungsprozess einbringen, stoßen
sie an ihre Grenzen. Die komplexen und dynamischen Entscheidungs-
prozesse vermitteln ein Gefühl mangelnder Effizienz und Effektivität
sowie zu guter Letzt auch mangelnder Ergebnisse und Erfolge.
Lauter leichte Entscheidungen?
Zur Kernkompetenz von Führungskräften gehört das Entscheiden. Tagaus, tagein treffen sie eine Vielzahl anEntscheidungen. Dabei haben sie in verstärktem Maß die zunehmende Dynamik und Komplexität des Wirt-schaftslebens zu bewältigen. Mit der Qualität ihrer Entscheidungen steht und fällt die Organisation. Dalohnt sich die Frage, wie es denn eigentlich den EntscheiderInnen beim Entscheiden geht.
Mag. Elke Schüttelkopf, MBA, ist Trainerin am Hernstein Management Institut mit Spezialgebiet Entscheidungsmanagement sowieGeschäftsführerin von Commpass Consulting.
Entscheiden, stellte der Wirtschaftsökonom und Nobelpreisträger Her-
bert Simon bereits in den siebziger Jahren fest, sei lediglich ein anderes
Wort für Management. Das Entscheiden gehört zur Kernkompetenz von
Führungskräften. Für das Entscheiden erhalten Führungskräfte ihre
hochrangige Position, ihren prestigeträchtigen Status und ihr gutes Ein-
kommen.
Kernkompetenz Entscheidungen
Tag für Tag werden unzählige Entscheidungen getroffen. Die Wirt-
schaftsnachrichten sind voll davon: Strategische Neuausrichtungen, Re-
strukturierungen, Mergers, Relaunches etc. Stets fällt der Fokus auf die
Sache. Nur selten stehen die Führungskräfte im Mittelpunkt. Die Frage,
wie es den EntscheiderInnen beim Entscheiden geht, wird nicht sehr
häufig gestellt.
Umso spannender ist eine deutsche Studie, für die 560 ManagerInnen
der deutschen Wirtschaft zum Thema Entscheidungskraft befragt wur-
den. Die Akademie-Studie »Entweder – oder: Wie entscheidungsfreudig
sind deutsche Manager?« hält fest: Führungskräfte glauben an ihre Ent-
scheidungsstärke. »Keine Frage – deutschen Führungskräften fällt es
leicht, Entscheidungen zu treffen. Zumindest behaupten das 78 Prozent
der 560 befragten Führungskräfte. Bei der Bewertung der eigenen Ent-
scheidungsstärke gibt es kein Zögern oder Zaudern.« An Selbstver-
trauen mangelt es den befragten Führungskräften keineswegs. In der
Studie wird eindeutig festgestellt: »Die Führungskräfte entscheiden
gern, beziehen ihre Mitarbeiter ein und beklagen sich nicht über zu
wenig Entscheidungsspielraum.« Diesen Ergebnissen begegnen die Au-
torInnen der Studie jedoch mit einer Portion Skepsis: »Das klingt fast zu
schön, um wahr zu sein.«
Problemfeld Entscheiden
Mit kritischem Blick wird in der Studie festgehalten: »Sobald die eigene
Person nicht mehr im Fokus steht und sich das Interesse eher allgemei-
nen Strukturen und Prozessen in der deutschen Wirtschaft und im Bu-
siness-Alltag zuwendet, fallen die Antworten pessimistischer aus.«
An der Spitze der Problembereiche steht die Anzahl der an der Entschei-
dung beteiligten Personen: 83,6 Prozent der Führungskräfte kritisieren
einen zu großen Personenkreis beim Entscheidungsprozess. Sie konsta-
tieren, dass Beschlüsse durch die Vielzahl der Beteiligten blockiert bzw.
Entscheidungsroutinen im Wandel
Immer wieder wird die zunehmende Dynamik des Wirtschaftslebens
betont. Doch in wenigen anderen Tätigkeitsbereichen ist dies tagtäglich
so sehr zu spüren wie beim Entscheiden: Die Zeiten der Fünf-Jahres-
Pläne und langer Produktlebenszyklen sind längst passé, nun müssen
strategische Entscheidungen laufend getroffen werden. Es ist ein Leben
im rasanten Wandel. Entscheidungen sind nicht nur öfter und schneller
zu treffen, sondern auch unter zunehmend größerer Unsicherheit. »Das
Entscheiden unter Bedingungen hoher Unsicherheit, das Gestalten von
Situationen, in denen man bei weitem nicht alle Einflussfaktoren
überblickt, bilden den unvermeidlichen Kern heutiger Führungsaufga-
ben«, meint der Organisationstheoretiker Rudolf Wimmer und verdeut-
licht den notwendigen Paradigmenwechsel: »Die Vorstellung, man
könnte Entscheidungsprozesse unter großer Unsicherheit so weit‚ ›ra-
tionalisieren‹, dass wiederum Sicherheit einkehrt, ist schlicht eine Illu-
sion. Angesichts des zunehmenden Risikos unternehmerischen Han-
delns versagt die ökonomische Rationalitätssemantik der vergangenen
Jahrzehnte, die ja stets von Entscheidungen bei vollständiger Infor-
miertheit ausgegangen ist.«
Zur rapide wachsenden Informationsflut im Zeitalter der globalen Wis-
sensgesellschaft kommen weitere gravierende Veränderungen: Im
Zuge von Umstrukturierungen wurde die klassische Hierarchie mit einer
hohen Konzentration von Entscheidungsbefugnissen auf oberster
Ebene von flachen Hierarchien und breiten Entscheidungsprozessen ab-
gelöst. Anstelle weniger EntscheidungsträgerInnen an der hierarchi-
schen Spitze sind nun unzählige Personen aus verschiedenen Prozessen
und Projekten an den Entscheidungsvorgängen beteiligt. Parallel zu den
strukturellen Veränderungen verlaufen auch zentrale Verschiebungen
auf der organisationalen Werteskala. Vor allem der Anspruch auf Em-
powerment und Partizipation beeinflusst die Entscheidungsroutinen im
Unternehmen. Häufig schlägt das Pendel dann so weit vom autoritären
zum kooperativen Entscheidungsstil aus, dass im demokratischen Über-
eifer alle alles entscheiden wollen und müssen.
Innerhalb kürzester Zeit sind die Anforderungen an Entscheidungsträ-
gerInnen rasant gestiegen: Die Häufigkeit von Entscheidungen, die Viel-
zahl an Optionen sind ebenso wie die Vernetztheit, die Vielschichtigkeit
und Langfristigkeit der Auswirkungen massiv angewachsen. Entschei-
den erfolgt nun unter enorm gestiegener Dynamik und Komplexität.
Diesen Entwicklungen wurde bislang nicht adäquat begegnet: Weder in
der schulischen und beruflichen Ausbildung noch in der beruflichen
Weiterbildung wurde diesem Anstieg an Dynamik und Komplexität in
Entscheidungsprozessen so weit Rechnung getragen, dass das metho-
dische Repertoire systematisch erweitert wurde.
Noch immer wird Entscheidungskompetenz fälschlicherweise als Aus-
druck der eigenen Persönlichkeit betrachtet statt als Resultat erlern-
und trainierbarer Arbeitsmethoden und -techniken. Peter Senge, der
»Erfinder« der Lernenden Organisation, weiß jedoch genau um die pro-
duktiven Wirkungen professioneller Entscheidungsinstrumente. Allein
die Methode, Entscheidungen richtig zu kommunizieren und unter fünf
verschiedenen Umgangsweisen die jeweils adäquate zu wählen, bringt
einen enormen Gewinn an Effizienz mit sich: »Führungskräfte, die die-
ses einfache Werkzeug einsetzen, berichten, dass sich ihr Team 20 bis
30 Prozent seiner Zeit und sehr viel Ärger erspart.« Statt sich wie in an-
deren Bereichen neuen Anforderungen durch gezielte Kompetenz-
aneignung zu stellen, wie dies bei Business-Englisch oder EDV-Kenntnis-
sen ganz selbstverständlich passiert, erfolgt hier nicht selten ein Ver-
drängungsverhalten, das die eigene Führungsstärke hemmt und häufig
das Unternehmen ein Vermögen kostet.
Delegationsgegenstand Entscheidungen
Entscheidungen stellen Führungskräfte oft vor eine schwierige und mit-
unter sogar unlösbare Aufgabe. Allein mit einer gehörigen Portion Mut
und Einsatzbereitschaft ist einem komplexen System nicht beizukom-
men. Davon profitieren die großen Consulting-Unternehmen. In »Bera-
ten und verkauft« heben Unternehmensberater das Entscheiden als eine
ihrer wesentlichsten Funktionen heraus. Ein McKinsey-Berater berichtet
im Interview, »dass Unternehmensberatungen zum Teil das Nachden-
ken und das übernehmen, was ich eigentlich als Führungsperson leisten
muss: nämlich zu entscheiden.« Ein Berater der Boston Consulting
Group bestätigt dies und spezifiziert seine Rolle: »Ich sehe mich als Un-
terstützer bei der Entscheidungsfindung unserer Kunden, ähnlich wie
ein Mitarbeiter, aber mit deutlichen Vorteilen im Methodenwissen und
in einer unabhängigen Position.«
Der deutsche Bundesrechnungshof, der sich mit der Definition und
Funktion externer Beratung beschäftigt hat, stellt ebenfalls die Unter-
stützungsleistung bei Entscheidungen in den Mittelpunkt: »Gegenstand
der externen Beratung ist eine entgeltliche Leistung, die dem Ziel dient,
im Hinblick auf konkrete Entscheidungssituationen des Auftraggebers
praxisorientierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln und zu be-
werten, den Entscheidungsträgern zu vermitteln und gegebenenfalls
ihre Umsetzung zu begleiten.«
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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
Die Beobachtungen der befragten Unternehmensberater korrelieren
mit den Ergebnissen der Führungskräfte-Befragung: »Im Unternehmen
gibt es Interessen, beispielsweise die Interessen innerhalb einer Abtei-
lung. Wenn ich unternehmensintern Projekte aufsetze, die abteilungs-
und konzernübergreifend agieren, habe ich eine solche Interessenviel-
falt, dass zwei Dinge passieren: Ich kann das Ergebnis nicht mehr kon-
trollieren und nicht mehr steuern, weil es natürlich schon eine klare Vor-
stellung davon gibt, welches Ergebnis gewünscht ist. Zweitens dauert
der Prozess viel länger. Bis sich in einem Großkonzern unterschiedliche
Betriebsteile, unterschiedliche Abteilungen auf irgendwas verständigt
haben, kann das Jahre dauern.«
In diesen Entscheidungsprozessen, die durch Externe gestaltet werden,
ist vor allem Reduktion wichtig: »Die Welt ist komplex. Alles hängt mit
allem zusammen. Das Ziel, klare Alternativen zu haben, würde ich des-
halb gar nicht gering schätzen. Ich halte es schon für vernünftig zu
sagen: Wir sehen zwei, drei Entwicklungspfade, die man so und so be-
schreiten kann. Bürokratien neigen nämlich dazu, Komplexität immer
komplexer zu machen, so dass am Ende niemand mehr in der Lage ist,
überhaupt Entscheidungsalternativen zu treffen.«
Entscheiden bringt viele Führungskräfte an ihre Grenzen. Das Wissen
über Entscheidungsmethodik und die Kompetenz über das Gestalten
von Entscheidungsprozessen ist bei einer Vielzahl von Organisationen
nur rudimentär ausgebildet. Folglich verzeichnet externe Beratung jähr-
lich zweistellige Umsatzsteigerungsraten. Allein die zehn größten Bera-
tungsunternehmen haben in Deutschland im Jahr 2004 einen Umsatz
von knapp zweieinhalb Milliarden Euro erzielt, hält Thomas Leif, Autor
der kritischen Analyse über die Unternehmensberaterbranche, fest. Das
Delegieren von Entscheidungen hat sich zu einem gigantischen Markt
entwickelt. Die Frage, was die Unternehmen in Deutschland dazu ver-
anlasst, an McKinsey, Berger und die BCG jeweils etwa eine halbe Milli-
arde für ihre Unterstützung bei Entscheidungsprozessen zu sorgen, ist
ebenso kurz wie klar: »An der Spitze steht die Methodenkompetenz.«
Führungskompetenz Entscheidungsmethodik
Techniken und Methoden, die Entscheidungsprozesse erleichtern, be-
schleunigen und für produktivere Prozesse sowie qualitativ bessere Er-
gebnisse sorgen, stehen folglich im Mittelpunkt von Entscheidungsma-
nagement-Seminaren. Die Seminare haben das Ziel, die Methodenkompe-
tenz von ManagerInnen zu optimieren. Denn auch im österreichischen
Management-Alltag sind viel zu viele Personen an viel zu vielen Ent-
scheidungsprozessen beteiligt. Das verringert nicht nur die Effizienz,
sondern minimiert die Handlungsfähigkeit und Reaktionszeit einer Or-
ganisation. Zudem verursachen zu große und unstrukturiert verlau-
fende Entscheidungsteams horrende Kosten: Jedes ineffiziente Meeting
erhöht die Personalkosten und senkt die Produktivität der Organisation.
In Entscheidungsmanagement-Seminaren geht es darum, eine Balance
zwischen Effizienz und Effektivität zu finden. Dafür ist es hilfreich, die
Vielfalt der Entscheidungsstile zu erkennen, sein eigenes Entschei-
dungsspektrum zu erweitern und ein Instrument kennenzulernen, das
den der jeweiligen Entscheidungsthematik angemessenen Entschei-
dungsstil erhebt. Wie viele Personen in welcher Form in den Entschei-
dungsprozess eingebunden werden sollen, lässt sich dabei einfach am
Entscheidungsbaum ermessen.
Zum anderen geht es in Entscheidungsmanagement-Seminaren darum,
die individuelle Balance zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit zu fin-
den. Auch hier ist das Lernziel, mit methodischem Wissen das Tempo
sowie die Qualität von Entscheidungen bewusst zu steuern. Damit ge-
lingt es nicht nur, individuellen Tendenzen zu unüberlegten Schnell-
schüssen oder übermäßigem Perfektionismus gegenzusteuern, son-
dern je nach Entscheidungsgegenstand situationsadäquat das richtige
Maß an Schnelligkeit und Genauigkeit zu finden.
Diese Kompetenz bildet auch ein zentrales Kriterium bei der Hernstein
Potenzial-Analyse. Sibylle Benedikt, zertifizierte Master Person Analysis-
Beraterin beim Hernstein Management Institut, erklärt das dabei reflek-
tierte Verhaltensspektrum wie folgt: »Eine Dimension der beruflich rele-
vanten Verhaltensweisen, die wir näher beleuchten, heißt ›Ab-
sicherung‹. Da sehen wir uns das Entscheidungsverhalten konkret an.
Die Felder spannen einen Bogen von Pol zu Pol.
Auf der einen Seite steht Feld 1. Das bedeutet, die Person ist in ihrem
Entscheidungsverhalten sehr risikoreich und spontan: Sie braucht nicht
lange zu überlegen, geht für schnelle Entscheidungen auch Risiken ein
und kommt rasch zur Handlung. Sie kann getroffene Entscheidungen
auch wieder verändern. Dadurch ist sie flexibel, kann allerdings auch
voreilig wirken. Sie beansprucht großen Entscheidungs- und Hand-
lungsspielraum und braucht für ihre Entscheidung kein stabiles Umfeld,
das Sicherheit vermittelt.
Auf der anderen Seite steht Feld 5: Die Person agiert vorsichtig und ist
bei der Arbeit auf Sorgfalt und Sicherheit bedacht. Sie sichert sich ab,
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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
bevor sie eine Entscheidung trifft, und kalkuliert Risiken sehr genau,
indem sie alle Möglichkeiten analysiert und gegeneinander abwägt. Sie
bevorzugt Entscheidungsprozesse mit genügend Zeit für gründliche
Überlegungen. Sie erhebt Anspruch auf fehlerfreies Arbeiten mit lang-
fristig bindenden Ergebnissen. Sie beansprucht ein Umfeld, das ihr Sta-
bilität und Sicherheit vermittelt. Aufgrund ihrer Vorsicht kann sie zöger-
lich erscheinen. In die Dimension ›Absicherung‹ fließen zwei Aspekte
ein: die Zeit, die eine Person braucht, um eine Entscheidung gut treffen
zu können, und die Info/das Wissen, das sie sich wünscht, um eine Ent-
scheidung gut zu treffen.«
Dieser Aspekt stellt sich in den Potenzial-Analysen als besonders er-
folgskritisch heraus. Michaela Kreitmayer, stellvertretende Leiterin des
Hernstein Management Instituts, erläutert die Ergebnisse aus den Po-
tenzial-Analysen: »Im Abgleich des Persönlichkeits- und Anforderungs-
profils zeigt sich oftmals ein großer Gap beim Punkt ›Absicherung‹. Ent-
scheidungen zu treffen hat viel mit dem Bedürfnis nach Absicherung zu
tun. Es gibt Personen, die kein großes Bedürfnis nach Absicherung
haben und dadurch rasch entscheiden. Andere wiederum, die ein
großes Bedürfnis nach Absicherung zeigen, kalkulieren gerne sehr
genau und entscheiden folglich eher langsam bzw. gar nicht, in dem sie
die Entscheidung hinauszögern oder delegieren.« Daraus ergibt sich fol-
gende Problematik: »Oft passt das Anforderungsprofil nicht mit dem
Persönlichkeitsprofil überein, weil sich die Leute selbst oder deren Vor-
gesetzte meist ein rascheres Entscheidungsverhalten wünschen. Ge-
rade bei Führungskräften ist es eine zentrale Aufgabe, Entscheidungen
zu treffen.«
Diesem Leidensdruck, der sich durch die Kluft zwischen unbewussten
Entscheidungsroutinen und externen Erwartungshaltungen ergibt,
können sich EntscheiderInnen entziehen, indem sie externe Beratungs-
leistungen in Anspruch nehmen. Oder indem sie sich Methoden und
Techniken aneignen, die das eigene Entscheidungsverhalten verbes-
sern. In Spencer Johnsons Management-Geschichte begibt sich ein jun-
ger Manager auf diesen Weg. Auf einer Bergtour findet er seinen Lehrer
und erläutert sein Ziel: Er möchte lernen, wie er die besten Entschei-
dungen treffen könne. Nach einer Weile sagt sein Lehrer: »Vielleicht
musst du nicht immer die besten Entscheidungen treffen. Schon bes-
sere Entscheidungen können die Dinge positiv verändern. Vielleicht
wirst du wie wir alle schließlich feststellen, dass du erfolgreicher sein
wirst, wenn du nur konsequent bessere Entscheidungen triffst als vorher.«
An einem Wochenende in den Bergen lernt der Manager Methoden ken-
nen, mit denen er den Entscheidungsprozess optimieren kann. Er lernt,
systematisch bessere Entscheidungen zu treffen. Damit ist er nicht al-
lein: Vor der Entscheidung, die eigenen Entscheidungskompetenzen sy-
stematisch zu optimieren, steht jede Führungskraft jeden Tag. Doch nur
die mutigsten und entschlusskräftigsten machen sich auch auf den
Weg, um effizientere und effektivere Methoden kennenzulernen. Ihr
Ziel ist es, der Dynamik und Komplexität des gegenwärtigen Berufsle-
bens erfolgreich zu begegnen.
Zitate aus:
Die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft: »Entweder – oder: Wie entschei-
dungsfreudig sind deutsche Manager? Befragung von 560 Führungskräften der Wirt-
schaft«, Überlingen 2005
Spencer Johnson: »Die ›Ja oder Nein‹-Strategie für Manager. Entscheidungen erfolg-
reich treffen«, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2004
Thomas Leif: »Beraten und verkauft. McKinsey & Co. – der große Bluff der Unterneh-
mensberater«, Bertelsmann Verlag, München 2006
Peter M. Senge/Art Kleiner/Brian Smith/Charlotte Roberts/Richard Ross: »Das Field-
book zur Fünften Disziplin«, Stuttgart 1996
Rudolf Wimmer: »Organisation und Beratung«, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidel-
berg 2004
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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
erscheint. Sie wählen nicht zwischen richtig und falsch, sondern immer
zwischen verschiedenen Münzen, die alle eine Vorder- und eine Rück-
seite haben. Also liegt in jeder Entscheidung ein Widerstand, gegen den
Sie anzugehen haben. Derjenige, der diesem Widerstand ausweicht, gilt
als »entscheidungsschwach«. In vielen Unternehmen hat die Präsenta-
tion von Gesinnung und lautstarker Entschlossenheit die Entscheidung
zu ersetzen begonnen. Dort ist das Vermeiden von Fehlern weitaus loh-
nender als eine Entscheidung in der Sache. Zum Beweis ihrer Tatkraft
legen die Topmanager dann Zukunftsprogramme vor.
Entscheiden heißt: auf Optionen verzichten
Die Entscheidung kommuniziert zweierlei: was und dass Sie entschie-
den haben. Festlegung und Verzicht auf eine Option. »Wir machen es
so, aber es wäre auch anders gegangen.« Mit welchem Ergebnis – bes-
ser? schlechter? – können Sie nicht wirklich wissen, weil Sie die Alterna-
tive abgewählt haben und daher ihre Folgen nicht kennen. Konsequent
gedacht können Sie erst nach einer Entscheidung wissen, wie Sie sich
entschieden haben. Das gilt insbesondere – wie manche leidvoll erfah-
ren haben – auch für Karriere-Entscheidungen. Erst nach einer Entschei-
dung wissen Sie, was Sie sich da eingebrockt haben. Deshalb werden die
getroffenen Entscheidungen gerechtfertigt, die Alternativen minimiert
oder schlecht gemacht. Die Psychologie nennt das »postdezisionale Dis-
sonanz-Reduktion«. Von einer Entscheidung kann man daher im stren-
gen Sinne nur sprechen, wenn in einer prinzipiell unentscheidbaren Si-
tuation entschieden werden soll. Wenn in einer Welt voller Alternativen
gleichwertige Argumente für oder gegen ein Handeln sprechen. Der
Rest ist dann Fortune und die berühmte glückliche Hand, ohne die auch
der Fähigste scheitert. Sie können also auch Karten legen oder zum
Astrologen gehen. Und Glück haben. Was vorhersehbar war, weiß man
bekanntlich hinterher am besten. Odo Marquard hat dazu das Nötige
gesagt: »Wir irren uns voran.«
Wiederholt wurde ich von Managern gefragt, wann wir denn »da« wären
(im Sinne von »angekommen«). Dabei wissen wir alle: Es gibt kein »da«.
Einige der geschicktesten Verhaltensweisen langlebiger Unternehmen
(Collins und Porras 1995) sind Experimentierfreude, Herumprobieren
und Irrtum, Opportunismus und Zufall. Was wie brillante Planung aus-
sieht, ist oft das Ergebnis der Devise: »Probieren wir eine Menge aus und
bleiben wir bei dem, was funktioniert. So lange, bis es nicht mehr funk-
tioniert.«
Wir irren uns voran!
Leben ist Leben im Zielkonflikt. Menschliche Handlungsbedingungen sind durch Widersprüchlichkeiten,Ungereimtheiten und Unsicherheit gekennzeichnet. Immerfort müssen wir zwischen Alternativen wählen,die uns beide attraktiv erscheinen oder deren Konsequenzen wir nicht kennen.
Dr. Reinhard Sprenger ist selbstständiger Unternehmensberater in Essen und Autor zahlreicher Management-Bestseller1.
Jede Führungskraft kennt die Dilemmata, aus denen es keinen gesicher-
ten Ausweg gibt: Zentral oder dezentral organisieren? Global oder
lokal? Groß oder klein? Freie Handelsvertreter oder angestellter Außen-
dienst? Langsam und wenig ändern oder rasch und viel? In Deutschland
oder im Ausland produzieren? Diversifizieren oder konzentrieren? Mit-
arbeiterorientiert oder aufgabenorientiert? Konkurrenz oder Koopera-
tion? Fusionieren oder aus eigener Kraft wachsen?
Aber menschliche Handlungsbedingungen sind auch durch Wider-
sprüchlichkeit ausgezeichnet! Ihr Wesen ist Freiheit:
1. Die Umstände sind nie identisch.
2. Es führen immer verschiedene Wege zum Ziel.
3. Es müssen zumeist gleichzeitig mehrere konkurrierende
Ziele verfolgt werden.
Führung lebt in diesen Widersprüchen, weiß, dass beide Alternativen
unverzichtbar sind, muss täglich ein neues Gleichgewicht finden, täg-
lich wählen, welche Alternative sie in dieser Situation vorzieht. Das
nennt man »Entscheidung«. Die Festlegung auf eine Handlungsalterna-
tive mit Blick auf eine unbekannte Zukunft. Wobei ein geflügeltes Wort
von Fritz Ammann, dem ehemaligen CEO von Swatch, zu berücksichti-
gen ist: »Die Zeit, die ein Manager für eine Entscheidung aufwendet,
verhält sich immer umgekehrt proportional zur Größe und Wichtigkeit
der Entscheidung.«
Eine Entscheidung akzeptiert mithin nicht den Lauf der Dinge, den der
Mythos vom (im Doppelsinn:) »entscheidenden« Manager als Strategie
und Zielorientierung tarnt, sondern verschiebt bewusst die Verhaltens-
gewichte zu der bevorzugten Seite. Das tun Sie unter der Bedingung der
Unsicherheit. Gäbe es den Zweifel angesichts von Handlungsalternati-
ven nicht, wären Sie nicht auch im Zweifel mit sich selbst, mit Ihrer Ana-
lysefähigkeit, bräuchten Sie nur den besten Effekt zu berechnen und
wüssten damit schon, was Sie zu tun hätten. Die Lösung des Problems
fiele Ihnen wie eine reife Frucht in die Hände. Das wäre keine Entschei-
dung. Nur wenn es vollkommen unklar ist, wohin die Reise gehen wird,
wenn Sie angesichts der differenten Handlungsmöglichkeiten ernsthaft
im Zweifel sind, dann ist eine Entscheidung fällig. Die kostet Kraft. Denn
die praktische Option für eine Alternative bedeutet zugleich die zu
rechtfertigende Ausgrenzung der anderen, die Ihnen ebenfalls plausibel
1 Unter anderem: »Mythos Motivation«; »Die Entscheidung liegt bei Dir«; »Das Prinzip Selbstverantwortung«, »Vertrauen führt«.
Widersprüchlichkeit und Entscheidungszwang sind also die Existenzvor-
aussetzungen der Führungskraft. Wir entscheiden immer in Situationen
unvollständiger Information. Sonst könnte man auch einen Großrech-
ner zum CEO machen. Führen erfordert unausweichlich Kompromisse
zwischen Alternativen, die beide unverzichtbar sind. Handeln heißt
daher immer Ausschluss von Alternativen: You can’t have the cake and
eat it too. Dann heißt Handeln immer auch: sich schuldig machen. Dafür
bekommt man – je nach Tribünenplatz – Prügel. Aber wer als Führungs-
kraft geliebt werden will, ist ohnehin im Unmöglichen zu Hause.
Führung muss Entscheidungsfähigkeit sichern
Wird diese Unschärfe personalisiert, bezieht der Einzelne die Wider-
sprüchlichkeit auf sich, wird das als Stress erlebt. Gut verstehen kann ich
daher den Ruf vieler Führungskräfte nach Orientierungsgrößen und Ein-
deutigkeiten, nach denen man sich richten könne. Aber dann wird Sol-
len mit Müssen identifiziert. Dann wird die differenzierte Identität des
Einzelnen preisgegeben. Und es zerstört Freiheit und die Existenzvor-
aussetzung der Führung. Ein Programm zur Selbstabschaffung. Ist es
doch die unbestrittene Leistung der Hierarchie, die Entscheidbarkeit
nicht entscheidbarer Situationen zu sichern.
Soll eine Entscheidung auf breite Basis gestellt und nicht gegen Wider-
stände durchgesetzt werden, dann bietet sich die dialogische Ge-
sprächsform an. Das ist intelligent. Das ist langsam. Der Dialog ist mit-
hin kein Allheilmittel. In manchen Situationen ist es ratsam, schnell zu
entscheiden und klar und deutlich anzuweisen. Nicht nur im Turn-
around-Management sind mitunter sehr schnelle Entscheidungen unter
hoher Unsicherheit angezeigt. Die Führungskraft muss wählen, wann
welche Vorgehensweise praktisch ist. Viele Führungskräfte trauen sich
jedoch nicht mehr, schnelle Top-down-Entscheidungen zu fällen. Sie
halten das für unkooperativ. Damit aber entwerten sie den Dialog. Mit-
arbeiter tragen jedoch auch eine situationsgebundene Anweisung mit,
wenn sie im Regelfall dialogisch eingebunden werden und zudem das
haben, was jede funktionierende Kooperation letztlich zusammenhält:
Vertrauen.
Wir brauchen also nicht nur runde Tische, sondern auch eckige Ent-
scheidungen. Besonders in der Krise ist eine von allen respektierte Hier-
archie die letzte Ausfahrt Brooklyn. Wenn sich die Menschen nicht eini-
gen können, muss die Entscheidungsfähigkeit gesichert werden. Das
muss Führung leisten. Davon leben Führungskräfte. Führungskräfte
sind auch in dieser Hinsicht Kooperationsparasiten. Ziel muss es also
sein, eine Gruppe von Mitarbeitern so zusammenzustellen, dass sie das
wieder aus eigener Kraft können. Das beste Mittel, eine Führungskraft
zu messen, ist mithin die Leistung ihrer Mitarbeiter in ihrer Abwesen-
heit. Die beste Führungskraft macht sich überflüssig. Dennoch gilt auch
für diese Aussage: Führen ist immer Führen im Dilemma.
Spät- und Nebenwirkungen
Die grundsätzlich dilemmatische Situation von Führung wird noch kom-
plexer, wenn wir die Spät- und Nebenwirkungen einer Entscheidung be-
trachten. In komplexen Situationen muss davon ausgegangen werden,
dass die Nebenwirkungen (zweite Ordnung) gleich groß oder sogar
größer sind als die beabsichtigte Hauptwirkung (erste Ordnung). Eine
Entscheidung entlastet oft kurzfristig, indem sie langfristig Probleme
schafft. Beispiele dafür gibt es genug: Die griechischen Städte, deren
Häuser oft eine hässlich unverputzte Wand aufweisen, weil erst für ein
voll verputztes Haus die Steuern fällig sind. Die Regierung von Mexico
City, die, um die Luftverschmutzung zu reduzieren, Autos mit geraden
Kennzeichen an geraden Tagen und Autos mit ungeraden Nummern an
ungraden Tagen fahren lässt und dadurch die Zahl der Autozulassungen
binnen Wochen vervielfacht. Die Fluggesellschaft, die im Zuge der Kun-
denorientierung die Abflugpünktlichkeit durch das Ablegen des Fliegers
am Gate misst und damit erreicht, dass die Passagiere oft stundenlang
auf dem Rollfeld warten müssen. Die Bank, die die Neukundengewin-
nung an der Zahl neuer Kontonummern misst und damit eine Num-
merninflation und extremen bürokratischen Aufwand erzeugt. British
Petroleum (BP), das, um die Reisekosten einzudämmen, mit Video-Kon-
ferenzen experimentiert, aber das Steigen der Reisekosten hinnehmen
muss, weil Menschen im Unternehmen, die sich zuvor nicht kannten,
Beziehungen zueinander entwickeln und mehr und mehr beschließen,
sich persönlich zu treffen. Der Vertriebsleiter, der den Verkauf bestimm-
ter Produkte durch Bonussysteme fördern will, und damit erreicht, dass
die anderen Produkte wie Blei im Lager liegen bleiben. Der Verkäufer,
der im November seine Ziele erreicht hat und seitdem jeden weiteren
Umsatz für das Unternehmen verhindert.
Wer misstrauisch beäugt, dass die Mitarbeiter nicht geschlossen hinter
den Unternehmenszielen herrennen, greift zur Brieftasche, um dem En-
thusiasmus nachzuhelfen. Eine typische Reaktion des Managements er-
22
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
ster Ordnung, die zunächst die Komplexität reduziert und später mit
den Folgeproblemen zu kämpfen hat. Er könnte sich auch – und richti-
gerweise – fragen: Warum fehlt es an Leidenschaft? Könnten die Ziele il-
legitim sein? Könnten sie gegen die Interessen der Mitarbeiter laufen?
Müssen sie Nachteile in Kauf nehmen? Erleben die Mitarbeiter ihre Ar-
beit als »sinnlos«?
So wie sich das Verhalten eines Menschen verändert, wenn er beobach-
tet wird, so kann man bei vielen Management-Entscheidungen erleben,
wie die ursprüngliche Ausgangslage so durch den Prozess verändert
wird, dass das ursprüngliche Ziel nicht mehr existiert. Oder aber sich
verändert und neue Veränderungsnotwendigkeiten erzeugt. Das führt
zu allerlei Alibiveranstaltungen, um zu zeigen, dass man die Lage im
Griff hat. Wie ein Autofahrer, der über die Autobahn rast und sich über
die vielen langsamen Fahrer aufregt. Er sieht nicht, dass er das Phäno-
men selbst erzeugt, das er beklagt. Die Manager rufen ihren Mitarbei-
tern »Ändere dich!« zu und sehen nicht, dass sie mit ihrem Verhalten
dazu beitragen, dass sich gar nichts ändert. Vielmehr mit ihrem Druck
Gegendruck erzeugen. Das Management zweiter Ordnung betrachtet
sich selbst als Drückenden, als mitverantwortlich für die Phänomene; es
fragt: »Was ist mein Beitrag?« Wenn ich z.B. Ziele vereinbare und mit
einem Belohnungssystem koppele, grenze ich alle Zieldimensionen aus,
die von der Vereinbarung nicht erfasst werden. Zudem erzeuge ich eine
Abhängigkeit von immer neuen Belohnungen. Diese Ausgrenzungen,
Spät- und Nebenwirkungen sind die »blinden Flecken«. Sie können so
wirkungsmächtig sein, dass sie die angestrebte Hauptwirkung gegenla-
gern und über Rückkopplungen die Ausgangslage sogar erheblich ver-
schärfen.
Da die Nebeneffekte meistens mit zeitlicher Verzögerung auftreten und
sich auch dann oft nicht mehr an den Ort ihres Ursprungs zurückverfol-
gen lassen, ist die Versuchung groß, sie zu bagatellisieren. Vorbeugen-
des, weitsichtiges und mögliche Spätwirkungen berücksichtigendes
Handeln gibt es daher in Unternehmen kaum. Es zählt der kurzfristige
Erfolg. Unterstützung für nur Wahrscheinliches ist schwer zu organisie-
ren. Diese Ignoranz äußert sich z.B. in Sprüchen wie »Was nicht gemes-
sen werden kann, kann nicht gemanagt werden«: Diese reduktionisti-
sche Auffassung von Führung setzt auf kurzfristige Erfolge und
überlässt die Spätwirkungen den Nachgeborenen. In vergleichbarer
Weise lösen Unternehmensberater ein Problem und werden dann er-
neut gerufen, um die Probleme der Problemlösung zu lösen. Sie lösen
Probleme erster Ordnung und bewirtschaften dann anschließend die
aus der Problemlösung entstehenden Probleme zweiter Ordnung.
Wenn also Führung für kurzfristige Erfolge belohnt wird, erzeugt man
mit mechanischer Sicherheit jene Nach-mir-die-Sintflut-Haltung, die
nicht selten von jenen beklagt wird, die sie ausbeuten.
Das Management zweiter Ordnung versteht Unternehmen als kom-
plexe, nichtlineare und dynamische Systeme. Es weiß, dass jede Pro-
blemlösung, jede Reduktion von Komplexität neue Probleme erzeugt,
die Komplexität wieder erhöht, und kalkuliert diese Effekte mit – soweit
es ihm möglich ist. Das kann im Extremfall dazu führen, ein Problem un-
gelöst zu lassen, weil man sich die Nebenwirkungen der bisher verfüg-
baren Lösungen ersparen will. Auch Nichtentscheidung ist dann eine
Entscheidung. Und nicht selten eine intelligente. Denn oft haben wir es
mit einer Situation zu tun, die sich der Analyse entzieht. Nicht etwa, weil
wir über zu wenig Daten verfügen, sondern – wie oben gezeigt – weil
wir keine Hinweise bekommen, welche Argumente überwiegen. Die Re-
aktion auf diese Komplexität ist oft Ärger und Verwirrung. Seien Sie
mutig! Denn da ist er wieder, der Moment der Entscheidung.
23
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
Absolut. Gerade in großen, komplexen Organisationen gibt es ständig
den Ruf nach der klaren Zuordnung von Verantwortung. Festgemacht
wird das an der Frage, wer jeweils für die Entscheidung zuständig ist.
Der Schrei nach klaren Verantwortungen ist also ein Schrei nach klaren
Zuständigkeiten für Entscheidungen. Das ist eine ganz wesentliche Di-
mension für Effektivität und Effizienz, denn lange Entscheidungswege
sind in großen Organisationen ein Grundübel. Und mit einer klaren Ver-
antwortungszuordnung kann man diese Wege stark verkürzen.
Hat sich das in den letzten Jahren wirklich geändert? Es ist immer davon die
Rede, dass sich die klassische Hierarchie aufgeweicht hat, Entscheidungen
mehr nach unten verlagert wurden und es immer mehr Entscheidungen vor
Ort gibt. Mein Eindruck ist, dass viele Mitarbeiter aufgrund der häufigen or-
ganisatorischen Veränderungen sehr verunsichert sind, was sie wirklich ent-
scheiden dürfen und was nicht, und sich daher nach oben absichern.
Das stimmt. Vielleicht bin ich hier ein wenig von der eigenen Unterneh-
menssituation geprägt. Eine wesentliche Zielsetzung bei unseren Ge-
schäftsmodellüberlegungen ist genau das: klare Zuordnung der Funk-
tionen, klare Zuständigkeiten für Entscheidungen möglichst nah bei
demjenigen, der die Leistung am Kunden erbringt. Das ist allerdings
nicht nur eine Frage der Organisation und ihrer Ausrichtung, sondern
auch der Unternehmenskultur. Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben,
dass ihre Entscheidungen – manchmal auch etwas über ihre Kompetenz
hinaus – positiv gewürdigt werden, dann werde ich in meiner Organisa-
tion tendenziell Mitarbeiter haben, die aktiv entscheiden und dafür Ver-
antwortung übernehmen. Wenn sie aber stattdessen nur Vorhaltungen
zu hören bekommen, werden sie das naturgemäß nicht tun. Entschei-
dend ist, was das Management vorlebt.
So gesehen denkt man nicht über das Thema Entscheiden nach, sondern
über klare Prozesse, und diese Klarheit bemisst sich an klaren Verantwor-
tungen, die wiederum am Entscheiden festgemacht werden?
Ja, klare Prozesse und klare Zuständigkeiten in der Organisation sind
eine wesentliche Vorbedingung, um Entscheidungen zu treffen. Das ist
die eine Dimension, das andere ist das Kulturthema: Welche Kultur
haben wir? Ist sie entscheidungsfreudig oder herrscht primär Angst vor
Fehlern, die zu Absicherungsstrategien führt?
»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«
Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG, im Gespräch über dasEntscheidungsverhalten in großen Organisationen, den Trend weg von Kollegialentscheidungen unddie Überbewertung »mangelhafter Kommunikation« bei Problemen mit der Realisierung.
24
Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess
Wann wird man als Manager auf das Thema Entscheiden aufmerksam?
Wenn sich die Leute über schleppende Entscheidungen beklagen oder wenn
eklatante Fehlentscheidungen offensichtlich werden? Wann kommt das
Thema in den Aufmerksamkeitsfokus?
In einem großen Unternehmen ist das Thema Entscheidung überlagert
mit dem Thema Zuständigkeiten und in hohem Maß mit dem Team-
und Projektthema. Viele Entscheidungen, gerade auch strategische Ent-
scheidungen des Top-Managements, werden in Projektaufträge gegos-
sen, an denen dann ein Projektteam arbeitet, und schließlich präsen-
tiert. Die Entscheidung ist hier eigentlich die Abnahme einer Arbeit, die
andere tun. Das ist für mich ein ganz spezieller Aspekt der Organisati-
onsform Projekt. Die Entscheidung – gerade beim Projekt – reduziert
sich eigentlich auf ein Abnehmen. Das Projektergebnis ist also nicht nur
eine Vorarbeit, ein Vorschlag, eine Analyse, auf Basis deren ich als Top-
Management die Entscheidung treffe, sondern Projektergebnisse wer-
den entweder verworfen oder abgenickt.
Ein anderes wichtiges Thema ist, dass es immer wieder Entscheidungen
gibt, die man miteinander treffen muss. Die klassische Situation des Al-
leingeschäftsführers in einem Familienbetrieb, wo das Oberhaupt alles
allein entscheidet und dadurch auch ganz klar ist, wer die Entscheidun-
gen trifft, ist in einem großen Konzern nicht gegeben. Dort gibt es ei-
gentlich immer ein Duett, eine Gruppe, einen Kreis, der die Entschei-
dungen trifft.
Haben diese Teamentscheidungen zugenommen?
Ich habe den Eindruck, dass es bereits eine Gegenbewegung gibt. Wenn
man den Vorstand als Organ nimmt, gibt es nach meiner Beobachtung
immer mehr Konstellationen, wo die Ressortvorstände innerhalb der
Ressortverantwortungen wieder allein entscheiden anstatt alles ins Vor-
standsgremium zu tragen. Insofern ist wichtig, in der Geschäftsord-
nung klar festzuschreiben, was Beschlüsse des Kollegialorgans sind und
was nicht.
D.h. die Gefahr besteht, angesichts der zahlreichen Entscheidungsnotwen-
digkeiten das Kollegialorgan zu überlasten, weshalb wieder genauer darauf
geschaut wird, welche Entscheidungen im eigenen Bereich getroffen werden
können?
Eine weitere Dimension, speziell im gehobenen Management und im
Top-Management, ist das Vordenken im Sinn der Strategie. Die Überle-
gung, welche Entscheidungen ich schon jetzt vorbereiten muss, um
zukünftig im Sinn der strategischen Ausrichtung keine Probleme zu
haben. Das Top-Management muss erkennen, dass das Unterlassen von
Weichenstellungen, das Unterlassen von Entscheidungen im Sinn der
Strategie ein ganz kritisches Misserfolgspotenzial sein kann.
Die Frage »Wie werden hier Entscheidungen getroffen« wird ja kaum jemals
bewusst oder gezielt reflektiert, oder?
Man merkt es interessanterweise oft im Beschwerdemanagement. Eine
Beschwerde zeigt, dass irgendwelche Entscheidungen und damit Hand-
lungen nicht erfolgt sind. Hier genau hinzuschauen, was in der Organi-
sation passiert, welche Entscheidungen wo liegen, aber im Beschwerde-
fall nicht getroffen wurden, ist ein guter Indikator. Ein anderer Indikator
ist das Instrument der Mitarbeiterbefragung. Das berühmte Thema der
Bürokratie steht ja für nichts anderes als lange und intransparente Ent-
scheidungswege: Der Sachbearbeiter, der Spezialist bereitet etwas vor
und hört dann nichts mehr darüber oder das dauert extrem lange. Inso-
fern ist die Mitarbeiterbefragung ein gutes Instrument, um in die eigene
Organisation hineinzuhorchen, wie es um das Entscheidungsverhalten
bestellt ist.
Einerseits sprechen Sie von klaren Prozessen, aber gleichzeitig bauen Orga-
nisationen immer mehr Matrixstrukturen auf.
Damit kämpft jede größere Organisation. Ich kann Ihnen nur meinen
Zugang sagen. Das Wesentliche bei einer Matrix ist, dass ich ein klares
Richtlinien- und Regelwerk habe. Ein Beispiel aus meinem Verantwor-
tungsbereich. Ein Regionaldirektor muss wissen, welche Kompetenzen
er vor Ort für Personalentscheidungen hat. Das muss transparent sein.
Es muss klar sein, dass er innerhalb dieses definierten Regelwerkes und
Ermächtigungsrahmens autonom ist. Verantwortung der Zentrale ist
hier nur, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter, die diese Personalarbeit
in den Einheiten leisten, auch ausreichend dafür qualifiziert sind. Es gibt
also einen klar definierten Rahmen, innerhalb dessen sie autonom sind,
und dann gibt es bestimmte Dinge, die vom zentralen Fachbereich ge-
nehmigt werden müssen. In einer Matrix zu arbeiten, wird dann schwie-
rig, wenn das Regelwerk, die Richtlinien, die Ermächtigungen nicht klar
sind.
Woran machen Sie Entscheidungsqualität fest? Was unterschiedet gute von
weniger guten Entscheidungen?
In diesem Punkt bin ich vielleicht ein wenig von dem Denkmuster ge-
prägt, das man sich als Jurist aneignet. Man hört immer wieder, dass so-
wieso nur aus dem Bauch entschieden wird. Ich glaube, dass es unend-
lich viele Entscheidungen gibt, die einfach im Sinne von Analyse, Logik,
Schlussfolgerung getroffen werden. Damit meine ich Folgendes: Es gibt
Regeln, im Sinne von Normen, und es gibt einen Sachverhalt, der
tatsächlich passiert ist. Ich muss also den Sachverhalt verstehen und ich
muss schauen, was die Regeln im Sinne des Entscheidens vorsehen. Im
Großen und Ganzen macht das ein Richter sein ganzes Leben lang und
im Kleinen macht bei einem Schadensfall der Schadensreferent in einer
Versicherung genau dasselbe. Die inhaltliche Qualität einer Entschei-
dung ist auch messbar im Sinne von richtig oder falsch. Genauso gibt es
in der Produktion viele Handlungen und Entscheidungen, wo man sehr
wohl feststellen kann, was die Ergebnisse sind.
Ein gutes Beispiel ist die Personalentscheidung. Wenn ich die Besetzung
einer Management-Position vornehme, entweder als interne Beförde-
rung oder als Einkauf von außen, dann gibt es – weil wir keine Maschi-
nen sind, sondern Menschen – im Besetzungsprozess nicht richtig oder
falsch. Sondern es gibt einen Blickwinkel, eine Würdigung einer Person.
Wenn ich zwei oder drei Personen draufschauen lasse – das ist unser Sy-
stem – dann bekomme ich mehrere Blickwinkel, über die sich diese Be-
obachter dann austauschen und schließlich gemeinsam eine Entschei-
dung treffen.
Aber wie misst man hier die Qualität der Entscheidung? Man kann ja nicht
feststellen, ob die anderen Bewerber besser gewesen wären, denn diese Op-
tionen hat man mit der Entscheidung abgewählt. Ich kann also nur schauen,
ob die Mitarbeiter zufrieden oder unzufrieden sind, ob die Abteilungsziele er-
reicht werden oder nicht bzw. wie viele der neu eingestellten Manager nach
einer bestimmten Zeit noch da sind.
Ja, ich kann mich in der Analyse auch paralysieren, wenn ich mir im
Nachhinein noch Gedanken mache, ob der, den ich nicht genommen
habe, vielleicht doch der Richtigere gewesen wäre. Aber natürlich ist es
sinnvoll und notwendig, konsequent darauf zu schauen, ob die in Aus-
sicht gestellten Effekte dann auch eintreten. Meine Entscheidungen da-
hingehend zu validieren, was wirklich an Effekten herauskommt, finde
ich gut und wichtig. Auch im Sinne der Qualitätsverbesserung.
Wenn eine Firma neue Manager einstellt und merkt, dass oft danebenge-
hauen wird, dann wäre es doch nahe liegend, sich zu fragen, wie man ei-
gentlich zu seinen Entscheidungen kommt, und sich den Entscheidungspro-
zess genau anzuschauen.
Einverstanden. Aber der Anstoß für genau diese Vorgangsweise ist die
Analyse der Fluktuation! Wenn mir die Neueingestellten immer wieder
abhanden kommen, muss ich mir den Prozess anschauen: Haben wir die
richtigen Anforderungsprofile, die richtigen Beteiligten, worauf schauen
wir bei der Auswahl? Da interessiert mich das Faktum der Fluktuation
und es kann durchaus der Fall sein, dass man durch die Fluktuationsana-
lyse erkennt, dass es neben dem Recruiting-Prozess viele andere rele-
vante Kriterien gibt, warum ein neuer Manager oder ein neuer Verkäu-
fer nicht im Haus bleibt.
25
t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006
Es gibt zwar alle möglichen Methoden, um zu guten Entscheidungen zu
kommen, aber ich habe noch nie einen Manager kennengelernt, der nach
einem Entscheidungsbaum entscheiden würde. Natürlich hat jeder eine be-
stimmte Vorgehensweise im Sinn von Überlegungen, was ist das Ziel, der
Suche nach Informationen, dem Finden von Alternativen. Insofern hat man
schon eine Methode.
Die Entscheidungsfindung ist geprägt von zwei Dimensionen. Einerseits
dem fachlichen Verstehen, der fachlichen Kompetenz: Wie sehr bin ich
in der Lage, den konkreten Sachverhalt mit meiner Expertise, mit mei-
nem Wissen zu begreifen? Andererseits Persönlichkeitsdimensionen.
Wie risikofreudig bin ich, wie absicherungsgeprägt bin ich, wie mutig?
Diese Dimension halte ich für wenig beeinflussbar. Ich kann nur darauf
hinwirken, eine Kultur zu schaffen, in der zu selbstständigem Entschei-
den ermutigt wird,
Wie schätzt man konkret das mit der Entscheidung verbundene Risiko ein?
Wesentlich ist die Fachkompetenz, kombiniert mit einem Erfahrungs-
schatz bisher getroffener Entscheidungen und der Bereitschaft, hinzu-
sehen, was aus diesen Entscheidungen geworden ist.
Manager treffen zwar ständig Entscheidungen, aber bei vielen Entscheidun-
gen scheint dann wenig oder gar nichts zu passieren, zumal manche Mana-
ger die Realisierung einer Entscheidung magischerweise mit der Verkündi-
gung derselben gleichzusetzen scheinen.
Das ist ein weiteres großes Thema der Organisation, das man mit
Führungsinstrumenten unterstützen kann. Das am besten geeignete ist
die Zielvereinbarung. Wenn ich gewisse Dinge entscheide, z.B. einen
Schwerpunkt im Lebensversicherungsbereich zu setzen, muss ich das
klarerweise operativ in einen Management-Plan pro Bundesland über-
setzen und es dann in der Zielvereinbarung des Regionalchefs mit kon-
kreten Ziffern hinterlegen.
Wenn man den Job schon länger macht, weiß man sehr wohl, auf wen
man sich bei der Realisierung von Entscheidungen verlassen kann und
bei wem man nachhaken muss, ob es wirklich passiert. Ich finde es wich-
tig, Vertrauen zu schenken, aber es auch klar anzusprechen, wenn Ver-
trauen missbraucht wird. Denn wenn ich das nicht tue, sind die Mitar-
beiter irritiert und denken sich: ›Ich mache, aber dem anderen, der nicht
macht, passiert auch nichts. Es ist also scheinbar egal.‹ Das ist eine ganz
kritische Situation. Wenn es solche Doppelbotschaften gibt, ist die ein-
zige Handhabe, das anzusprechen. Das ist leicht gesagt, aber schwierig
ist es in jeder Hierarchieebene. Ob das der Unterreferent gegenüber
dem Oberreferenten anspricht oder das Vorstandsmitglied gegenüber
dem Vorstandsvorsitzenden, das Phänomen gibt es in jeder Ebene. In
manchen Kulturen braucht es dazu mehr Courage, in anderen weniger.
Der Vorstand hat bei seinen Entscheidungen in aller Regel einen anderen Er-
kenntnisstand als die Mitarbeiter an der Basis. Wenn dann die Entscheidung
kommuniziert wird, stößt man häufig auf Unverständnis, vielleicht auch
deswegen, weil dieser Entscheidungshintergrund meist nicht mitkommuni-
ziert wird.
Kommunikation ist wichtig, aber mit dem Thema Kommunikation wird
auch viel Schindluder getrieben. Entscheidungen, die nicht funktionie-
ren, werden häufig auf die falsche oder mangelhafte Kommunikation
reduziert, und das stimmt schlicht und einfach nicht.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich ist es bei Entscheidun-
gen, die Mitarbeiter betreffen, wichtig, nicht nur die Entscheidung zu
kommunizieren, sondern auch das Warum zu erklären. Aber in einem
Punkt müssen Sie realistisch bleiben: Dieses Warum werden manche
verstehen und nehmen können und manche nicht. Bei manchen Ent-
scheidungen gibt es einfach diametral andere Interessen. Das entbindet
mich allerdings nicht der Verantwortung, meine Entscheidung im Sinne
des Warum zu begründen.
Bei Veränderungen, die uns nicht ganz geheuer sind, fallen wir leicht in
einfache Muster zurück: Etwas ist gut oder schlecht, richtig oder falsch.
Diese Verkürzungen erlebt man immer wieder, nur sind die Dinge –
etwa bei Geschäftsmodellen – leider nicht so einfach, sondern komplex.
Diese Komplexität, die Varianten, die Optionen zu thematisieren und zu
erklären, ist die große Herausforderung: Wie ist es zur Entscheidung ge-
kommen? Was war der Ausgangspunkt? Wie ist der Entscheidungspro-
zess abgelaufen? Wer war beteiligt? Welche Alternativen gab es und
warum haben wir letztlich so entschieden? Wenn man darstellt, wie es
zu der Entscheidung gekommen ist – bis hin zur Darstellung der mögli-
chen Alternativen, die man dann verworfen hat – schafft man Transpa-
renz und Vertrauen. Aber selbst dann werden nicht alle mit der Ent-
scheidung glücklich sein.
Wer kommuniziert diesen Hintergrund schon?
Es kommt immer darauf an, welche Auswirkungen eine Entscheidung
auf die Organisation und auf die Mitarbeiter hat. Bei einschneidenden
Veränderungen, wo es viele Betroffene gibt, bin ich sehr dafür, dass das
gemacht wird. Denn wenn ich mich dem stelle, bekomme ich das dop-
pelt und dreifach zurück.
Herr Dr. Fiala, vielen Dank für das Gespräch.
26
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Drittens erkunden Sie, wie Sie die Nachhaltigkeit Ihrer Entscheidungen
gezielt stärken: Sie lernen, durch bewussten Umgang mit Entscheidun-
gen die Akzeptanz für Ihre Entscheidung abzusichern, durch Kenntnis
der Entscheidungsgrundsätze die langfristige Tragfähigkeit und Ihre
Umsetzungsstärke auszubauen.
Lernziele
• Eigene und fremde Entscheidungsmuster analysieren
• Den eigenen Entscheidungsspielraum erkennen und nutzen
• Den optimalen Entscheidungsstil finden
• Effektive Entscheidungsmethoden kennenlernen
• Rationale und intuitive Entscheidungstechniken üben
• Eigene Entscheidungsprozesse und Teamentscheidungen gestalten
• (Unpopuläre) Entscheidungen treffen und kommunizieren
• Einen differenzierten Umgang mit Entscheidungen trainieren
• Kritische Entscheidungssituationen bewältigen
Methode
• Pointierte Fach-Inputs
• Strukturierte Übungen zu den eigenen Themen
• Fallanalysen konkreter und schwieriger Fälle
• Fallberatung für Methodenübungen in Kleingruppen
• Praxisnahe Rollenspiele
• Planspiele und Plenumsdiskussionen
• Aufstellungen
Trainerin
Mag. Elke Schüttelkopf, MBA
Nächster Termin
11. 04. 2007 – 13. 04. 2007
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Erfolgreich führen mit Zielen
Die Motivation Ihrer Mitarbeiter setzt klare Ziele voraus. Sie sollen herausfordernd und messbar sein. Vor allem aber eines: akzeptiert.
30
H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006
Manager messen ihren Erfolg an der Erreichung von Zielen wie Gewinn,
Marktanteilen oder Wachstum. In der konkreten Zielvereinbarung wer-
den Ziele als Bilder der Zukunft entwickelt. Das Führen anhand von Zie-
len erhöht die Selbstkompetenz (Empowerment) der Mitarbeiter und
schafft Handlungsspielräume.
Ihr Nutzen
Sie setzen sich damit auseinander, wie Sie Ihre Mitarbeiter fordern und
fördern und wie Sie gemeinsam definierte Aufgabenbereiche, Kompe-
tenzen und Verantwortung erfolgreich delegieren. Sie lernen Möglich-
keiten kennen, die Leistungsreserven und Selbstverantwortung Ihrer
Mitarbeiter gezielt zu aktivieren, und arbeiten an verschiedenen Methoden.
Zielgruppe
Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte, die die Möglichkeiten
der Gestaltung und des Einsatzes von motivierenden Zielsystemen und
Empowerment kennenlernen, anwenden bzw. vertiefen möchten.
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Mit Empowerment (Selbstkompetenz) geführte Mitarbeiter gestalten
ihre Aufgabenbereiche selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Sie
nehmen ihre Ressourcen wahr und nutzen sie effektiv. Dieses wachs-
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ter punktgenau entwickeln und fördern. Sie trainieren das Vereinbaren
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bewerten und konstruktives Feedback geben. Sie fokussieren dabei auf
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anwenden lernen
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Informationsaustausches als Grundlage für verantwortungsvolles
Handeln der Mitarbeiter
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erkennen
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Methode
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Führungspraxis
Trainer
Mag. Matthias Prammer
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Nächster Termin
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H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006
Von Führungskräften wird erwartet, dass sie Entscheidungen treffen
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Führungskräfte kennen die kritischen Erfolgsfaktoren und Interven-
tionstechniken, die für wirkungsvolle Lösungen und deren nachhaltige
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wirklich wichtigen Informationen auf den Tisch zu bekommen und alle
für den nachhaltigen Erfolg der Entscheidung relevanten Personen und
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der Mitarbeiter bauen und die Motivation der Mitarbeiter bei der Um-
setzung von Zielen steigern wollen.
Inhalt
Im Seminar kommen lösungsorientierte Interventionstechniken zum
Einsatz, die das Gegenüber in wertschätzender Weise mit einbeziehen
und somit zu mehr Commitment in der Umsetzung führen. Zirkuläres
Fragen, hypothetisches Fragen, Skalierungsfragen, lösungsorientierte
Fragen, Reframing sowie die fragende Gesprächsführungstechnik sind
Beispiele aus dem Repertoire, mit denen heikle Entscheidungssituatio-
nen gut bewältigt werden können. Je nach Bedarf werden unterschied-
liche Schwerpunkte bearbeitet, z.B. wie Beiträge von Mitarbeitern von
Ihnen aktiv eingefordert, abgeholt und für die Lösung genützt werden
können und wie sich dies auf den Einsatz des Mitarbeiters bei der Um-
setzung und auf die Erfolgsaussichten der Entscheidung auswirkt. Oder
wie z.B. die Schlichtung von Konflikten zwischen zwei Teammitgliedern
gelingt und worauf beim Führen von Kritikgesprächen zu achten ist, um
nicht die Motivation des Mitarbeiters für die Sache an sich zu beein-
trächtigen, ihn aber tatsächlich zu einer Veränderung im Handeln zu be-
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Sie arbeiten an eingebrachten Praxisfällen sowie in spezifischen Rollen-
settings, reflektieren Ihre Erfahrungen und Ihren persönlichen Zugang
zum Thema und profitieren vom Erfahrungsaustausch mit den anderen
Teilnehmern.
Lernziele
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Trainer
Mag. Günter Rothbauer
Nächster Termin
16. 04. 2007 – 17. 04. 2007
Anmeldung und nähere Informationen
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Edith Radakovits, T: +43/1/514 50-6611;
E-Mail: [email protected]; www.hernstein.at
Übergabe in FamilienunternehmenMag. Herta Fischer ist Trainerin am Hernstein International Management Institute und Lehrgangsleiterin des Hernstein Business Successor.
Ein gemeinsames Modul für ÜbergeberInnen und ÜbernehmerInnen im Rahmen des Lehrgangs Hernstein Business Successor
32
H e r n s t e i n I n s t i t u t Lehrgang Hernsteiner 3/2006
Der Übergang von einer Generation auf die nächste stellt für Familien-
unternehmen einen äußerst heiklen Entscheidungsprozess dar, in man-
chen Fällen sogar eine existenzbedrohende Phase der Unternehmens-
geschichte. In Österreich sind jährlich etwa 5.000 Unternehmen
gefordert, diese Herausforderung zu meistern. Weniger als 20 Prozent
der Familienunternehmen gehen dabei planvoll und systematisch vor.
Als wichtige Gründe1 für das Scheitern von Übergabeprozessen gelten
nach wie vor:
• mangelnde Planung
• Nichtinanspruchnahme von externen Beratern
• mangelnde Expertise der Nachfolger hinsichtlich einschlägiger
Berufserfahrung bzw. unternehmerischer Erfahrung
Obwohl sich etwa 90 Prozent der EigentümerInnen eine Weitergabe des
Unternehmens innerhalb der Familie wünschen, ist das Thema Über-
gabe in vielen Unternehmerfamilien tabuisiert. Darüber wird nicht bis
wenig gesprochen.
Hernstein Business Successor
Hernstein bietet mit dem »Hernstein Business Successor« einen speziel-
len Lehrgang für NachfolgerInnen in Familienunternehmen an. In die-
sem Programm arbeiten die zukünftigen UnternehmerInnen nicht nur
am betriebswirtschaftlichen Know-how zur Unternehmenssteuerung
und der Weiterentwicklung der persönlichen Führungskompetenzen,
sondern sie setzen sich intensiv mit den Besonderheiten von Familien-
unternehmen auseinander. Und das natürlich nicht in einer abstrakten
oder rein theoretischen Form, sondern durch einen sehr konkreten und
praktischen Zugang, indem jeder die eigene Situation im spezifischen
Kontext seines Familienunternehmens beleuchtet, persönliche Hand-
lungsoptionen erarbeitet und für das Unternehmen Finanz-, Strategie-
und Marketing-Optionen erarbeitet und bewertet. Was heißt es für
mich, in meinen unterschiedlichen Rollen (als Tochter/Schwiegersohn/
Bruder/Vertriebsleiter/Prokurist/ ...) die Gesamtverantwortung für die
Firma zu übernehmen? Welche Potenziale bringe ich dafür mit? Welche
Kompetenzen gilt es für mich noch auszubauen? Wie möchte ich kon-
kret vorgehen? Welche Stolpersteine sollte ich beachten und auf welche
Erfolgsfaktoren möchte ich mich konzentrieren? An solchen und vielen
weiteren Fragen zur Unternehmenspositionierung arbeiten die Teilneh-
merInnen im Laufe von acht Modulen.
Generationswechsel in Familienunternehmen
Für die Lehrgangsgruppe, die im Juli dieses Jahres den »Hernstein Busi-
ness Successor« beendet hat, war das Thema des Generationswechsels
sehr zentral. Auf Wunsch der TeilnehmerInnen wurde zusätzlich zum
Lehrgangsmodul »Übergabe in Familienunternehmen« ein gemeinsa-
mer Tag mit den ÜbergeberInnen durchgeführt. Die TeilnehmerInnen
wollten die Chancen des Lehrgangssettings nutzen, um das heikle
Thema des Übergabeprozesses in einem professionellen Rahmen zu be-
sprechen. Auch für die Übergebergeneration bot sich die Möglichkeit,
sich mit Personen auszutauschen, die in der Situation sind, sich aus dem
operativen Geschäftsleben zurückzuziehen und den Platz für die näch-
ste Generation frei zu machen.
Von einigen TeilnehmerInnen wurde an diesem »Übergabetag« die
Übergabethematik überhaupt erst fundiert zur Sprache gebracht. Es
wurde darüber zwar schon auch vorher gesprochen – oft »zwischen Tür
und Angel« – so richtig Zeit genommen hatte man sich aber nicht. Die
TeilnehmerInnen schätzten es, nach einem strukturierten Vorgehen ge-
meinsam ein Übergabekonzept zu erarbeiten. In einer angenehmen At-
mosphäre, fernab vom betrieblichen Alltag, konnten die gegenseitigen
Erwartungen und Vorstellungen abgeklärt werden. Und bei einigen war
die Überraschung sehr groß, dass die Vorstellungen der anderen Gene-
ration sich genau mit dem deckten, wie sie selbst sich den Übergabe-
prozess und die Unternehmensstrukturen nach dem Generationswech-
sel vorstellten. Man hatte nur nie wirklich darüber gesprochen.
1 vgl. KMU Forschung Austria: Unternehmensnachfolge aus wirtschaftlicherSicht, Forschungsbericht, 2004, und R. Schauer/N. Kailer/B. Feldbauer-Durstmüller(Hrsg.): Mittelständische Unternehmen. Probleme der Unternehmensnachfolge,Trauner Verlag, 2005
Hernstein Business Successor
Vorbereitung auf eine leitende Funktion im Familienunternehmen
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H e r n s t e i n I n s t i t u t Lehrgang Hernsteiner 3/2006
Nächster Lehrgangsstart: 26. März 2007
Nummer 0321
Block I von Montag 26. März 2007 10.00 Uhr
bis Mittwoch 28. März 2007 17.00 Uhr
Block II von Mittwoch 2. Mai 2007 10.00 Uhr
bis Samstag 5. Mai 2007 17.00 Uhr
Block III von Dienstag 29. Mai 2007 10.00 Uhr
bis Donnerstag 31. Mai 2007 17.00 Uhr
Block IV von Mittwoch 27. Juni 2007 10.00 Uhr
bis Samstag 30. Juni 2007 17.00 Uhr
Block V von Donnerstag 30. August 2007 10.00 Uhr
bis Samstag 1. September 2007 13.00 Uhr
Block VI von Montag 1. Oktober 2007 10.00 Uhr
bis Mittwoch 3. Oktober 2007 17.00 Uhr
Block VII von Mittwoch 14. November 2007 10.00 Uhr
bis Freitag 16. November 2007 17.00 Uhr
Block VIII von Montag 17. Dezember 2007 10.00 Uhr
bis Dienstag 18. Dezember 2007 17.00 Uhr
Details
Lehrgangsbeitrag: € 11.400,– exkl. USt.
Dauer: 24,5 Tage in 8 Blöcken
Aufenthaltskosten: € 2.260,50 inkl. USt. pro Teilnehmer
Ort: Seminarhotel Schloss Hernstein
Maximal 16 Teilnehmer bei 2 Trainern
Anmeldeschluss
26. Februar 2007
Frühbucherbonus
Bei einer Fixanmeldung bis 29. Dezember 2006 erhalten Sie einen
Frühbucherbonus von 3 % des Lehrgangsbeitrags.
Kontakt
Mag. Michaela Frischauf
T: +43/1/514 50-6627
Let´s celebrate 40 yearsMag. Daniela Kaser, MAS, Leiterin Marketing & Public Relations, Hernstein International Management Institute
Das Hernstein Institut feierte am 15. September 2006 im Schloss Hernstein sein 40-jähriges Bestehen. Ein würdiges Alter für das Top-Management-Institut, das mehr als 100.000 Führungskräfte in ihrer Entwicklung begleitete.
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H e r n s t e i n I n s t i t u t 40 Jahre Hernstein Hernsteiner 3/2006
»Das Hernstein Institut hat sich als eines der führenden Weiterbildungs-
institute für SpitzenmanagerInnen bewährt«, erklärte Brigitte Jank, Prä-
sidentin der Wirtschaftskammer Wien in ihrer Festrede.
Gegründet unter dem Präsidenten der Wiener Handelskammer Rudolf
Sallinger, widmete sich das Hernstein Institut von Beginn an der Ent-
wicklung von Führungskräften. Im Jahr 1966 fand das erste Unterneh-
mensplanspiel statt. Bereits 1967 experimentierten österreichische Ma-
nager und Führungskräfte mit gruppendynamischen Seminaren zum
Thema »Führung und Management«. Ziel war es, durch Selbsterfahrung
die Möglichkeit und Grenzen von Führungsarbeit zu entdecken und aus-
zuloten.
Entwicklungsbedürfnisse von Führungskräften
Seit seiner Gründung begleitet Hernstein Manager und Führungskräfte,
die neben Fachwissen und Management-Techniken auch soziale Kom-
petenzen entwickeln wollen. Anfang der 70er Jahre wurde die bis heute
gültige Hernstein-Philosophie entwickelt, bei der das Verstehen von Ge-
samtzusammenhängen im Vordergrund stand.
»Im Mittelpunkt des in 40 Jahren entwickelten Hernstein Lernansatzes
stehen die Entwicklungsbedürfnisse von Führungskräften, die wir mit
dem aktuellen Wissen über Management, einem systemischen Organi-
sationsverständnis und einer erlebnisorientierten Didaktik kombinie-
ren«, erklärte Hernstein-Kurator Helmut Klomfar den Erfolg von Hern-
stein. Vermittelt wird der Hernstein Lernansatz durch ein mehr als
100-köpfiges TrainerInnen- und BeraterInnenteam.
Leadership – heute und morgen
In einer erfrischenden Podiumsdiskussion hoben die drei Hernstein-
Kunden Jürgen Niemann, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn AG,
Markus Pöltenstein, Geschäftsführer der Heintel Medizintechnik GmbH
und Norbert Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Berndorf AG,
die wesentlichen Merkmale von Hernstein hervor: die Praxisnähe im
Training, die Stärkung der »Personal Skills« und die nachhaltigen Trai-
ningseffekte.
Seit 40 Jahren wird das Leistungsspektrum von Hernstein an die Bedürf-
nisse der unterschiedlichen Managementebenen angepasst. Leadership
im 21. Jahrhundert verlangt neue Kompetenzen.
»Auf Unternehmen warten im Zeitalter der Globalisierung eine Reihe
von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Neue Märkte in China
und Indien, neue Technologien, interkulturelle Kommunikation und
Shareholder-Value-Denken führen zu Veränderungen in Wirtschaft und
Gesellschaft und verlangen von Führungskräften neue Kompetenzen«,
erläuterte Hernstein-Leiterin Dr. Katharina Fischer-Ledenice beim Ge-
burtstagsjubiläum.
Die Kompetenzprofile werden immer anspruchsvoller. Führungskräfte
müssen verstärkt in globalen Zusammenhängen denken, sich in inter-
kulturellen Teams bewähren und zunehmend ihre Führungsaufgaben
auf Distanz umsetzen.
»ManagerInnen von morgen benötigen in Zukunft ein hohes Maß an Re-
flexionsbereitschaft und Dialogfähigkeit, sie müssen sich ihrer Rolle und
somit ihrer Verantwortung klar sein. Gleichzeitig sollen sie Sinnstifter
im Unternehmen sein«, resümierte Fischer-Ledenice bei der Festveran-
staltung.
Kommentar:
Univ.Prof. em. Dr. Hellmut Geißner (Hernstein-Trainer bis 2003: em. Pro-
fessor für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung an der Universität
Koblenz-Landau)
Es ist nützlich, Strukturen zu erkennen, Wissen zu mehren, Verhalten zu
trainieren, soziale Kompetenz zu steigern – was jedoch taugen alle
unternehmerische Nützlichkeiten ohne eine fundierende
sozial-verantwortliche Haltung?
Mit diesem Konzept wurde das Hernstein International Management In-
stitute 1966 gegründet, in den letzten 40 Jahren haben es an die
100.000 Führungskräfte in Hernstein erlebt – es ist die Stütze ihres be-
ruflichen Erfolgs.
Deshalb wurde dieses Konzept jetzt gemeinsam gefeiert in einem
großen Fest im Schloss als Zwischenstation, zum Bestaunen der zurück-
gelegten Wege und zum Atemholen für die kommenden Aufgaben.
Fotos: Karl Schöndorfer
Hernstein Geschichte 1966 – 2006
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H e r n s t e i n I n s t i t u t 40 Jahre Hernstein Hernsteiner 3/2006
2006
Hernstein-Symposium »Leadership Macht
Sinn«
2005
Die Potenzialanalyse wird als Neuprodukt
eingeführt.
2003
Die innerbetrieblichen Seminare wachsen
und werden zu einem wichtigen Stand-
bein.
2001
Der Hernstein Management Report, eine
regelmäßige Studie zu Trends in der Per-
sonal- und Organisationsentwicklung,
wird ins Leben gerufen.
2000
Einführung der neuen Produktreihe
Hernstein Manager UPdate
1999
Einführung der neuen Produktreihe Hern-
stein Braintrust Personalentwicklung
1998
Übergabe der Institutsleitung von Frau
Dkfm. Helga Stattler an Frau Dr. Katharina
Fischer-Ledenice
ThinkSite-Symposium »Virduality – Raum
und Arbeit«
1997
Top Management-Gespräch mit Hirotaka
Takeuchi: »Wissensmanagement«
ThinkSite-Symposium »Geld und Finanz-
märkte«
1996
Start der Hernstein ThinkSite, einem
Forum für die Auseinandersetzung mit
brennenden wirtschafts- und gesell-
schaftspolitischen Fragen
Top-Management-Gespräch mit Nicholas
Negroponte zur Zukunft der Informa-
tionsgesellschaft
ThinkSite-Symposium »Zukunft der Ar-
beit«
1994
Das Seminarzentrum Schloss Hernstein
wird durch einen Zubau erweitert. Die
Räume im Schloss werden für den Semi-
narbetrieb umgebaut.
1987
Gurus aus aller Welt kommen nach Hern-
stein: Fritjof Capra, Peter Gorb, Wally
Olins, Heinz von Foerster, Fred Massarik,
Peter Senge, Marvin Weisbord. Neue Lehr-
gänge und Curricula werden entwickelt
und erstmals auch Coaching angeboten.
1986
Peter Drucker fordert als Gastreferent
beim 20-jährigen Jubiläum von Hernstein
mehr Innovationsgeist und Unternehmer-
tum in der Gesellschaft. Experten aus den
USA und Europa zeigen mögliche Wege
zur Jahrtausendwende auf.
1980
Auch im zweiten Jahrzehnt arbeitet Hern-
stein mit Spitzenreferenten: Daniel Bell,
Ota Sik, Igor Ansoff, Vance Packard, Paul
Watzlawick, Joseph Weizenbaum, John El-
kins, Frederic Vester.
1976
Zur Festveranstaltung »10 Jahre Hern-
stein« kommt Prof. John K. Galbraith aus
Harvard.
1973
Hernstein bietet neben Seminaren auch
innerbetriebliche Trainings an.
1971
Japans Erfolgen auf der Spur ist das Ziel
der ersten Studienreise von Hernstein.
1969
Das erste vierwöchige Hernstein Manager
Training startet.
1967
Prof. Dr. Traugott Lindner führt mit einem
Trainerteam das erste gruppendynami-
sche Seminar in Hernstein durch und legt
damit den Grundstein für die konzeptio-
nelle Ausrichtung von Hernstein und für
den Schwerpunkt im Verhaltenstraining.
Weltbekannte Persönlichkeiten werden
nach Hernstein geholt: Der Motivforscher
Ernest Dichter, der Bürokratiekritiker
Northcote Parkinson, der Motivationsex-
perte Frederik Herzberg und der Konsu-
merismus-Papst Ralph Nader.
1966
Am 15. Februar beginnt das erste Semi-
nar, ein Unternehmensplanspiel.
Bis Jahresende werden 28 Arbeitstagun-
gen durchgeführt.
ImpressumHernsteinerFachzeitschrift für
Managemententwicklung
Herausgeber, Medieninhaber und RedaktionHernstein International Management Institute
der Wirtschaftskammer Wien
Stubenring 8–10, A-1010 Wien
T + 43/1/514 50-6600
F + 43/1/514 50-6617
www.hernstein.at
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Copyright©2006 alle Rechte bei
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Wien
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Redaktion und AnzeigenakquisitionMag. Peter Wagner
Bäckerstraße 14/13
1010 Wien
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E-Mail: [email protected]
LektoratElisabeth Schöberl, Wien
HerstellerHolzhausen, Wien
PapierBilderdruck, matt
Grundlegende RichtungInformation über
Managemententwicklung
Offenlegung der Eigentums-verhältnisse nach dem MediengesetzHernstein International Management Institute
der Wirtschaftskammer Wien
Stubenring 8–10, A-1010 Wien
Der »Hernsteiner – Fachzeitschrift für
Managemententwicklung«
erscheint 3 x pro Jahr.
Der Inhalt der Beiträge gibt die Meinung
der Autoren wieder, deckt sich aber
nicht unbedingt mit der Meinung
des Herausgebers.
Um die Einheitlichkeit des Textes zu erhöhen
und um die Lesbarkeit zu erleichtern, wurde
in den meisten Fällen auf die explizite Nennung
der weiblichen Endung verzichtet.
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