Einführung in die AstrophysikUniversität Augsburg
Sommersemester 2006
Teil 3:
Die großräumige Struktur des Universums
CMB perfekter Schwarzkörper
CMB nach COBECosmic BAckground Explorer: FIRASInstrument Ergebnisse: T=2.725 Klinks oben: ohne Kontrastverstärkung der minimalen Fluktuationenrechts oben: Restkontrast 400fach verstärkt: ±0.00335 K Dipol > Sonnensystem bewegt sich mit 369 km/s relativ zum CMBlinks unten: Dipol abgezogen, Restkontrast 2000fach verstärkt; Milchstraßenemissionrechts unten: auch das abgezogen (durch Beobachtungen in anderen Bereichen), und 30,000fach verstärkt
Fluktuationen des kosmischen MikrowellenHintergrundes
CMB: Inhomogenitäten bei z = 1200● CMBPhotonen haben bei z ~ 1200 zum letzten Mal mit
Materie wechselgewirkt
● reflektieren daher Dichtefluktuationen zu dieser Zeit> Anisotropien im Mikrowellenhintergrund
● hängen von praktisch allen kosmologischen Parametern ab> umgekehrt Bestimmung aus Messung der Anisotropien (Amplituden, Skalen) möglich
primäre Anisotropien:● Inhomogenitäten im Gravitationspotential: CMBPhotonen
werden unterschiedlich "ermüden" (SachsWolfeEffekt)● höhere DMDichte > höhere Baryonendichte > höheres T >
auch der CMBPhotonen● unterschiedliche Pekuliargeschwindigkeiten aufgrund
Dichteschwankungen > DopplerEffekt
CMB Anisotropien
Sekundäre Anisotropien:
● ThomsonStreuung der CMBPhotonen an Elektronen, die durch ReIonisation zwischen z=1000 und ~6 freigesetzt wurden > Glättung der Anisotropien
● gravitative Lichtablenkung der CMBPhotonen durch Gravitationspotentiale im Vordergrund
Beschreibung durch Leistungsspektrum (hier: 2dimensional) l(l+1)Cl = Amplitude auf Winkelskala 180o/l(l=1: Dipol, l=2:Quadrupol etc)
Fluktuationen
Bilder zeigen SchwankungsAmplitude mit Skalen, die so groß sind, dass sie 2 bzw. 16mal in einen Großkreis passen
CMB Anisotropien● charakteristische Längenskala ist Horizont (bei trec in kausalem
Zusammenhang stehende Gebiete) bei zrec; entsprechender Winkel ist typischerweise 1.8o (mit leichter Abhängigkeit von kosmologischen Parametern)
● auf größeren Skalen dominiert SachsWolfeEffekt und Amplitude der Fluktuationen > Amplitude von P(k) (PowerSpektrum)
● Skalen unter Horizont spiegeln phys. Effekt wieder
● Photonen (Druck nach außen) und Baryonen (grav. Anziehung nach innen) in PotentialTöpfen bilden Flüssigkeit, die Oszillationen (Wellen) zeigen kann; mit Schallgeschwindigkeit (da Photonen Energiedichte dominieren)
● größte Wellenlänge oder ~ 1o
> l ~ 200
cs=c/3
max~trec cs=rH trec/3
BOOMERANGErgebnis
● erstes Maximum bei l=197±6 und mit Amplitude T200
= (69±8) µK● zweites Maximum flacher als erwartet >
Universum ist flach● Baryonendichte und DMDichte relativ hoch
h=0.71±0.08=0.620=0.40
b h2=0.022h=0.65 t0=13.7Gyr
CMB Powerspektrum● Oszillationen erzeugen durch DopplerEffekt und
adiabatische Kompression (> T) Fluktuationen, die in Cl sichtbar werden (akustische oder DopplerPeaks) bei l1 ~ 200 und Vielfachem von 2l1+1
● genaue Vermessung und Modellierung erlaubt Bestimmung der kosmologischen Parameter
Einfluss der kosmologischen Parameter
Änderung der Baryonendichte Änderung der HubbleKonstanten
Einfluss der kosmologischen Parameter
(M. Bartelmann)
CMB nach WMAP
Wilkinson Microwave Anisotropy Probe
deutlich bessere räumliche AuflösungAnalyse der Skalen und Stärke der Anisotropien (FourierSpektrum)
WMAP Power Spektrum
Probleme
● Natur der Dunklen (nichtbaryonischen) Materie● Größe der kosmologischen Konstante● warum ist das Universum so genau "flach"?
● Horizont im sehr frühen Universum (20 heute; mitbewegt) sehr klein, aber CMBTemperatur isotrop; wie konnte Information ausgetauscht werden?
1−tot z=F⋅[1−tot ,0]≤1 F= H0
aH a 2
z≫zeq F=1
r ,0 1z2z~1010F~10−15 ∣tot−1∣≤10−15 z=1010
Inflation● Lösung von "flatness" und HorizonProblem (und k~1):
Inflation
● bei 1014 GeV (und darüber) Vakuumenergie sehr viel größer als heute, dominiert Expansion
● daher exponentielles Wachstum von a(t), bis Vakuumenergie in Materie geht (Phasenübergang), danach FriedmannExpansion
● in dieser Phase kann Horizont beliebig groß werden, bzw. ein ursprünglich sehr kleines, im kausalen Kontakt stehendes Gebiet expandiert so stark, dass es heutigem Universum entspricht (z.B. L ~ 1024 cm nach 1032 s schon 1016 cm und bis heute durch FriedmannExpansion 1041 cm)
● glättet auch alle Krümmung, weil in inflationärer Phase
a/a≈/3at=Cexp /3t
=
3H2=1
Inflation
Inhomogenitäten im Universum
● Universum homogen und isotrop auf großen Skalen● wann aber nicht mehr?● Beobachtungen von Galaxien in großen
Entfernungen:
keine Anzeichen für Strukturen auf Skalen jenseits von ca. 100h1 Mpc!
(2dFSurvey; 100.000 Galaxien)
Sehr große Strukturen
The Great Wall:eine Struktur bei cz ~ 6000 km/s;erstreckt sich in Rektaszension über 7h!
Im Universum mit einem HubbleRadius von R
H = c/H
0 = 3000/h Mpc
gibt es (15)3 unabhängige Volumen mit linearer Ausdehnung von 200/h Mpc
Inhomogenitäten auf kleineren Skalen:1. projizierte und 3dimensionale Galaxienverteilung2. Existenz von Galaxienhaufen3. Superhaufen, Great Wall, Voids4. Anisotropie der kosmischen HintergrundStrahlung
Größe der Inhomogenitäten
● CMB: T/T ≈105 (bei z ≈ 3000 1000)● Galaxienhaufen heute: innerhalb (1.5 Mpc)3 ca. 200
mal mehr Masse als bei mittlerer Dichte
> Dichtefluktuationen wachsen im Laufe der Zeit an.
:=r , t−t
theißt Dichtekontrast (Überdichte relativ zur Durchschnittsdichte zum Zeitpunkt t)
● Beachte: ≥1, da ≥0; außerdem (z=1000) ≪1 (CMBAnisotropien klein)
● Gravitation der mittleren Dichte kontrolliert HubbleExpansion● Fluktuation erzeugt zusätzliches Feld
(schwach; NewtonTheorie) :=r , t−t
Entwicklung der Dichtefluktuationen
● PoissonGleichung: ● erlaubt getrennte Behandlung von Fluktuationen● überdichtes Gebiet
> stärkeres Gravitationspotential > Expansion langsamer als im mittleren Universum
● deswegen nimmt auch mittleres im überdichten Gebiet langsamer ab
● also steigt Dichekontrast sogar noch an> Instabilität
∇2=4G
t=1z30=a−3t0
Fragen zu Dichtefluktuationen:
● Welcher Art sind sie bei hohen Rotverschiebungen?● Woher stammen sie?● Wie entwickeln sie sich?● Hängt die Entwicklung mit dem kosmologischen
Modell zusammen? Wenn ja, wie?● Kann man die Entwicklung beobachten?
Lineare StörungsTheorie
∂∂ t
∇⋅v=0
∂v∂ t
v⋅∇v=−∇ P
−∇
Kontinuitätsgleichung; Geschwindigkeit
EulerGleichunghier: P=0 (Staub) angenommen
zusammen mit PoissonGleichung: Lösungen suchen
eine bekannte ist (HubbleExpansion; homogen; FriedmannGleichung erfüllt)
vr , t=H tr
vr , t=aaru ra , tZerlegung des Geschwindigkeitsfelds:
wobei u(x,t) die Pekuliargeschwindigkeit heißt
v
Lineare StörungsTheorieHomogener Fall: =0 u=0
Linearisierung in Dichtekontrast und Pekuliargeschwindigkeit:nur erste Ordnung > man erhält eine Differentialgleichung zweiter Ordnung:
∂2
∂ t2
2 aa
∂∂ t
=4G
Lösung fakorisiert: x , t=Dt x D2 aa
D=4GtD
2 Lösungen; betrachte nur anwachsende und normiere so, dass
x , t=Dt0x
>
● räumliche Form der Störungen eingefroren; nur Amplitude wächst●
0(x) wäre heutige Fluktuation (wenn lineare Theorie immer gälte)
● tatsächlich nur zu Beginn der Strukturbildung verwendbar
DichteFluktuationen im Einsteinde SitterUniversum
charakterisiert durch: 0=1 =0
Entwicklung Skalenfaktor: at=t / t02 /3 a
a = 23t
oder
daher t=a−3cr= tt0
−2 3H02
8G
da t0 H0=2/3 folgt D43t
D−2
3t2 D=0
Ansatz D∝tq liefert qq−143
q−23=0
mit den Lösungen q=2/3 und q=1 (zeitlich abnehmende Fluktuationen)
also: Dt= tt0
2 /3
=at wichtig: zeitliches Anwachsen derStörungen hängt von a(t) ab!
Entwicklung in allgemeineren Kosmologien
Im EdSUniversum wachsendie Fluktuationen am langsamsten> aus Messung der Strukturen als Funktion von z kann Kosmologie bestimmt werden
Messung der Eigenschaften der Dichtefluktuationen:1. Korrelationsfunktionen2. Leistungsspektrum P(k): Grad der Struktur als Funktion der Längenskala L = 1/k (FourierTransformierte von 1.)
PowerSpektrum der DichteFluktuationenP(k) im frühen Universum: keine bevorzugte Skala, daher Annahme, dass P k∝kn HarrisonZeldovichSpektrum: n=1
zum (Start)Zeitpunkt ti: P k , ti=Ak
wobei Amplitude A aus Beobachtung spezifiziert werden muss
anwachsen ist nichttrivial (nur bedingt durch lineare Theorie beschreibbar) und von Natur der Dunklen Materie abhängig:
● kalte DM: bei teq thermisches v ≪ c● heiße DM: bei teq war v ~ c● DM schwach wechselwirkend, dann CDM, falls:
mc2≫kBT teq≈kB2.73 K 1zeq=kB 2.73 K 239000 h2≈60 h2 eV
Komplikationen, Variationen● lineare Newtonsche Störungstheorie:
● Abweichungen, falls DM aus relativistischen Teilchen besteht, da diese dann Potentialtopf einer Störung verlassen können, und diese also auflösen > keine kleinskaligen Fluktuationen
● im ganz frühen Universum dominiert Strahlung > anderes Verhalten
● es gibt immer einen Horizont der mitbewegten Ausdehnung, d.h. größte Skalen L sind begrenzt durch Horizontgröße
● daher in HDM: zuerst großskalige Strukturen > Widerspruch zu Beobachtungen wir sehen Galaxien, Quasare schon bei z ~ 5
● Störungen mit L sind zu sehr frühem Zeitpunkt größer als Horizont; erst wenn L < rH,com(z), können sie wachsen ("sie treten in den Horizont ein")
x , t=Dt0x
Nichtlineare Strukturbildung
● sphärischer Kollaps noch analytisch behandelbar– beachte: Massenelemente stürzen bis auf Punkt
zusammen– tatsächlich werden irgendwann kleinskalige Streu
Effekte wirksam werden ("Druck") > Virialisierung und Ende des Kollaps; violent relaxationmittlere Dichte berechenbar:(typische Überdichte von GalaxienhaufenKernen!)
● [erlaubt auch näherungsweise Berechnung der Anzahldichte von DMStrukturen (Halos) als Funktion ihrer Masse und der Rotverschiebung; „PressSchechterTheorie“]
⟨⟩=1virtcoll≈1780−0.6coll
numerische Simulationen● Aufteilung der Materie auf "Teilchen" mit typischen
Massen von 1012 M⊙ (auflösungsbegrenzt!)
Zahl heute bis 5123 und darüber...
● Volumen: Würfel der mitbewegten Kantenlänge L > 200 h1 Mpc
● Randbedingungen (Gravitation von außerhalb Würfel) explizit gesetzt oder periodisch oder von Simulationen mit noch größerem L
● gesamte Gravitationskraft aller Teilchen auf das jeweils betrachtete („Nbody“)
● Simulationen betrachten zunächst nur die gravitative, also vor allem die Dunkle Materie!
Beispiele numerischer Ergebnisse
VIRGO Collaboration 1996
● 2563 Teilchen; L = 240 h1 Mpc●
0 und
:
CDM: 0.3/0.7SCDM: 1.0/0.0 (P(k))CDM: 1.0/0.0 (P'(k))OCDM: 0.3/0.0
● jeweils auf heutige Beobachtung (z=0) normiert
Strukturentstehung
Simulation der Struktur der Dunklen Materie
in einem Würfel mit (heutiger) Kantenlänge 43 Mpc. Im Würfel ist immer dieselbe Masse, aufgeteilt in 2 Mill. Teilchen. Seine Größe wäre zu Beginn der Simulation (z=30; Alter 130 Mill.J.) nur 1/(z+1)=1/31 der heutigen Größe
(National Center for Supercomputer Applications, University of Chicago, Andrey Kravtsov)
(Filme zu finden unter http://cosmicweb.uchicago.edu/images/mov/s02_0.gif)
MilleniumSimulation
Springel, White u.a., MPI f. Astrophysik, 2004/2005
● größte Zahl von Massenelementen (Teilchen): über 10 Milliarden
● ein Element hat ca. 109 M⊙
● größte Auflösung: sogar Zwerggalaxien wie LMC können aufgelöst werden
● dazu Modell der Galaxienentstehung (Entwicklung der Baryonen = des Gases)
● mehrere Monate Rechenzeit auf einem IBM Regatta Superrechner (Rechenzentrum Garching); 1 Terabyte Speicher, 20 TB Daten produziert
● von z=127 (Universum war um Faktor (1+z) kleiner) bis 0, in 11.000 Zeitschritten
(Film zu finden unter
http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/data_vis/millennium_sim_640x480.avi)
Großräumige Struktur
haben die Strukturen der Simulationen irgendetwas mit der Wirklichkeit zu tun?
Simulation <> Beobachtung● wichtig: Annahme, dass leuchtende mit gravitativer (also vor
allem Dunkler Materie) korreliert
● Identifizieren von Halos Dunkler Materie > Statistik, Korrelationen
● Dichteprofil von DM Halos (Navarro, Frenk, White Profil):
● Anzahldichte von Galaxienhaufen als Funktion von z stimmt mit Beobachtung überein
● auch HaloMassenspektrum
● allerdings Probleme sobald kleinere Skalen (z.B. Zwerggalaxien oder Zentren von Haufen) betrachtet werden.
r=s
r /rs1r /rs2
c≡r200 /rs c∝M−1/91z−1
CfARedshift Survey: Struktur
Center for Astrophysics, Smithsonian Astrophysical Observatory (Harvard, Cambridge, Mass.)Autoren: Geller, Huchra, ...
erstes Ergebnis (1985):
Rotverschiebung bis 200Mpc
großräumige Struktur
„Pancakes“ and „Voids“
CfARedshift Survey: The Great Wall
1989: Entdeckung des „Great Wall“Ausdehnung ca. 200x100x10 Mpc
Verteilung der Galaxien auf großen Skalen
2dF-Survey: ● 250.000 Galaxien bis z=0.2 in einer Scheibe von 2 Grad Dicke ● Filament/Waben-Struktur wie in Simulationen● jenseits von 100 Mpc keine weitere Struktur (homogen, isotrop)
Great Wall und
Finger of God
Sloan Great Wall
400 Mpc/h
CfARedshift Survey: „der Puck“
Blick von „oben“:
radial: v bis 12000 km/s
Zentrum: unser Lokaler Supercluster
darüber: The Great Wall
darunter: PiscesPerseus Supercluster
Zusammenfassung● Der CMB weist auf kleinste primordiale Fluktuationen hin
● im Rahmen der linearen Störungstheorie kann man deren gravitatives Wachsen verstehen
● nichtlineare und vor allem numerische Betrachtung zeigt das Wachsen dieser Störungen bis zum heutigen Tag
● Dunkle und baryonische Materie scheinen weitgehend und gut zu korrelieren
● das Anwachsen der Dichtefluktuationen hängt vom kosmologischen Modell ab
● eine ΛCDMKosmologie bringt gute Übereinstimmung mit Galaxienkatalogen > Kalte Dunkle Materie
● großräumige Verteilung der Materie gut verstanden
Nachschlag: Gas und Dunkle Materie
(Film – 112 MB! - zu finden unterhttp://www.mpa-garching.mpg.de/galform/data_vis/S2_960x640.avi)