7/23/2019 Düsseldorf Barcelona Retour
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 1 2.4.2015
„Düsseldorf-Barcelona retour?“oder „Nichts Genaues weiß man nicht“
Martin Schönherr
Letzteres lässt sich zusammenfassend über Statistiken aussagen. Da Statistiken aber
wirtschaftliche, politische und sonstige Entscheidungen grundlegend beeinflussen wieder einmal
etwas zu diesem Thema. Aus gegebenem Anlass zur Frage der Sicherheit verschiedener
Verkehrsmittel.
Ich habe mich gefragt, ob es Zahlen gibt, die mein persönliches
Sicherheitsempfinden im Verkehr widergeben.
Doch werde ich höchstwahrscheinlich nicht fündig:
Einem der sich im Flugzeug am sichersten beim Start fühlt, weil man dort die Kraft der
Beschleunigung am stärksten spürt und am ehesten ein Vertrauen aufbaut, dass diese Aggregate
die notwendige Geschwindigkeit aufrechterhalten können, um das Ding für die die geplante
Strecke in die Höhe zu saugen, kann man dieses Bauchgefühl mit Statistiken und selbst demgesunden Menschenverstand, den ich prinzipiell auch hätte, nicht austreiben. Das ist im
Wesentlichen meine Flugangst. Die Motoren könnten ausfallen, und das Ding fällt wie in Stein
runter. Erst ein Schulkollege, der einige Zeit Draken-Pilot war, konnte mir dieses Gefühl
relativieren, da bei Ausfall aller Motoren zumindest ein 10% steiler Gleitflug möglich ist, an dessen
Ende eine zwar unsanfte aber doch mögliche Landung steht.
2006, auf dem Weg von Barcelona nach Salzburg mit Sky-Europe, irgendwo über Südfrankreich
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 2 2.4.2015
Trotzdem habe ich immer wieder nach Daten gesucht, die zweifelsfrei beweisen, dass dieses oder
jenes Verkehrsmittel gefährlicher und weniger gefährlich ist. Am Beispiel der vergangenen
Tragödie:
Hätte man nicht auch mit dem Zug fahren können?
Immerhin ist die Bahnfahrzeit Düsseldorf-Barcelona mit knapp 13 Stunden
konkurrenzfähig!?
Wieso begünstigt der Staat die Binnenluftfahrt, investiert gleichzeitig in bessere Bahnen,
möchte eine Verkehrsverlagerung - aber schlussendlich entscheidet doch die Billigkeit des
Tickets!? Auf dem Landweg von Innsbruck nach Amsterdam zahle ich z.B. im günstigsten
Fall (Sparschiene) um die 70€. Ich habe schon von wesentlich günstigeren Flügen gehört.
Auch auf der Relation Düsseldorf-Barcelona retour wird das ähnlich sein.
Ich lande mit diesen Fragen zwangsläufig bei Statistiken über die Sicherheit der Luftfahrt oder
anderer Verkehrsmittel – je nachdem welcher außergewöhnliche Unfall sich im Vorfeld zutrug. Ich
traue diesen Statistiken nur eingeschränkt.
Es gibt leider keine wirklich verlässlichen weltweiten Daten zur
Sicherheit verschiedener Verkehrsträger.
Die bräuchte man nämlich, um wirklich vergleichen zu können. Der Unfall der Germanwings wird
2015 die ganze Statistik Frankreichs, wo er geschah, verzerren; weltweit wird sich das Ganze aber
doch möglicherweise zu den 500 Luftfahrttoten im Jahr abflachen, die gemeinhin kolportiert
werden.
Kürzlich habe ich versucht, mit den alten Daten des Worldmappers1 einen Vergleich herzustellen.
Die dort erhältlichen Daten sind jedoch auch nur Schätzungen. Für die Zeit um 2000 sah es so
aus, dass man sich 3 bis 4 mal so lange in einem fahrenden Eisenbahnzug aufhalten musste, um
bei einem Unfall tödlich verletzt zu werden2, als das im Flugzeug der Fall ist. Eine solche
„Erkenntnis“ ist dann aber doch eher unbefriedigend, wenn man sieht, dass die Personenkilometer
eher geschätzt sind und eigentlich nur die Verunfallten aus offiziell erhobenen Statistiken bekannt
sind, aber die Bezugsgröße eine Vermutung bleibt.
Gerade eben bin ich nun auf einen Artikel des statistischen Bundesamtes (von Frau Dipl.-
Volkswirtin Ingeborg Vorndran, Wiesbaden 2011)3 gestoßen, der sich nach meinem Eindruck sehr
1 http://www.worldmapper.org/textindex/text_transport.html
2 Was sich auch mit den Betrachtungen von Herrn Prof. Walter Krämer TU Dortmund in etwa deckt (Focus Online: Mit
Statistik lügen?)
http://www.focus.de/wissen/technik/erfindungen/aeronautik/tid-14453/flugunfaelle-mit-statistik-luegen_aid_405219.html
3 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/Verkehr/Unfallstatistik122010.pdf?__blob=publicationFile
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 3 2.4.2015
seriös mit der Fragestellung befasst. Er lässt zwar den Zeitbezug außer Acht (der meiner Meinung
nach maßgebend sein sollte, da er den zeitlichen Bereich der Bedrohung durch die jeweilige
Transportart, der sich der Reisende aussetzt, abgrenzt); insgesamt werden aber verschiedene
Betrachtungsweisen erläutert, kommentiert und geben einen Einblick in seriöse Deutung von
Statistiken.
Ich ziehe für meine veränderte Betrachtung den Vergleich der
Verunglückten pro Milliarde Personenkilometer heran.
Mit dieser Tabelle habe ich die Häufigkeiten visulaisiert. Die Zweite Spalte von links zeigt die Ausgangsdaten des
statistischen Bundesamtes.
Diese habe ich nun in Fahrzeiten umgerechnet und versucht Wahrscheinlichkeiten zu
Visualisieren. Kein Trost für Opfer und Hinterbliebene, aber hilfreich für alle, die mit mulmigen
Gefühlen in irgendein Verkehrsmittel einsteigen.
Dieses Diagramm zeigt die Jahre (!) Fahr bzw. Flugzeit nach der eine Person in einem Unfall
verletzt wird. Wie man sieht ist man im Flugzeug, Bahn und Straßenbahn zu diesem Zeitpunkt
längst eines natürlichen Todes gestorben.
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 4 2.4.2015
Dieses Diagramm zeigt die Jahrhunderte Flug-/Fahrzeit bis zum Eintreten des Todes durch das
jeweilige benützte Verkehrsmittel. Wie man sieht, erleben wir das gar nicht. Das einzige was bei
diesem Diagramm getrickst ist, ist die Todesfallwahrscheinlichkeit (Tote pro Verunglückten) des
Flugzeugs, die ich abweichend von den Daten des Betrachtungszeitraums im vorerwähnten Artikel
mit 100% angenommen habe, da das Flugunglück i.d.R. letal ist. Für die Berechnung bedeutet
das, dass ich von den 0,3 Verunglückten pro Milliarde Personenkilometer ebenso 0,3 Todesfälle
angenommen habe.
Ein vergleichendes Ranking der Verkehrsmittel ergibt das:
Blau: Häufigkeit der Unfälle im Verkehrsmittelvergleich (Bezug ist der unfallträchtige PKW)
Rot: Letalität des Unfalls (Bezug ist auch hier der unfallträchtige PKW)
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 5 2.4.2015
Fazit:
Beruhigt steige ich weiterhin in Bahn und Straßenbahn ein. Doch selbst bei der hohen Letalität derFlugzeugunfälle ist die Eintrittswahrscheinlichkeit verschwindend gering im Vergleich zum
Straßenverkehr.
Natürlich hinkt ein solcher Vergleich immer: Die Straßenbahn schneidet sicherheitstechnisch
erstaunlich schlecht ab, weil Innerortsverkehr unfallträchtiger ist. Das Flugzeug ist aber in der Stadt
keine Option. Auch die Bahn ist nur manchmal dort verfügbar. Sinngemäßes gilt im
Interkontinentalverkehr; hier hätte man nur die Wahl zwischen Flugzeug und Schiff (letzteres
wiederum hier nicht erfasst ist)
Was die Interpretation der Statistik aber meiner Meinung nach untermauert ist, dass die Bahn zwar
kaum sicherer als das Flugzeug ist, was die Unfälle anbelangt, dass aber dieÜberlebenswahrscheinlichkeit im Zug deutlich höher ist. Nun kann man zwar noch mehr
volkswirtschaftliche Aufwendungen in den Flugverkehr stecken. Tatsache ist aber, dass von
700km/h auf 0 gefährlicher ist, als von 70km/h auf 0 (jeweils im Durchschnitt). Für diese Erkenntnis
hätte man nun wahrlich die ganze Statistik nicht gebraucht.
Doch die volkswirtschaftlichen Aufwendungen zugunsten der Bahn gehen eher in Richtung
Hochgeschwindigkeitsstrecken. Damit wird sich der offenbar knappe Sicherheitsvorsprung der
Bahn jedenfalls hinsichtlich der Letalität der Ereignisse verschlechtern.
Trug die Nachtzugpolitik der EU indirekt dazu bei, dass vermehrt
Binnenflüge in der EU in Anspruch genommen werden?4
Wir kommen zum Ausgangsfall zurück.
Düsseldorf – Barcelona bzw. umgekehrt
lt. Google-Maps 1386km, 12 Stunden 46 Minuten Fahrzeit PKW, Flugzeug ca. 3 Stunden mit
Flughafenanreise)
lt. ÖBB Fahrplanauskunft 12:35 Minuten (im kürzesten Fall)
Diese kurze Zugfahrzeit wurde erreicht, obwohl das meiste der Strecke davon schon aufHochgeschwindigkeitsabschnitten verläuft und da wohl kürzere Fahrzeiten möglich sein sollten.
Diese Bahnstrecken führen aber über Hauptzentren, wie Paris, und damit mit der Kirche ums Dorf.
Dass es dazwischen auch noch ein prächtiges Bahnnetz gibt, das genutzt werden könnte, gerät in
Vergessenheit.
Dass man den innereuropäischen Verkehr mit Direktzügen im Nachtsprung Großteils zumutbar
abwickeln könnte, ohne weit über die standardmäßigen 100km/h alter Bahnstrecken gehen zu
4 Reißerischere Kombinationen will ich hier nicht anführen, die darf sich der Leser gerne denken.
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Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 6 2.4.2015
müssen, scheint noch (nicht mehr?) keine Option. Eher verschwinden stetig die letzten Reste
dieser Einrichtungen5.
Direkte Nachtzüge die z.B. Düsseldorf – Köln – Metz – Nancy – Dijon – Lyon – Valence – Avignon
–Montpellier – Girona - Barcelona in 16 Stunden schaffen (also in Summe ca. 2 h Aufenthalte und
14 Stunden Fahrzeit mit 100km/h); wo man z.B. um 17h in Düsseldorf einsteigt und 9 Uhr morgens
in Barcelona aussteigt könnte man schon jetzt betreiben – wahrscheinlich zu einem Bruchteil der
Folgekosten, die ein einziges Flugzeugunglück hervorruft.6
Das ging 2010 noch: Man steigt abends in Neapel in den Zug liest bis zum Sonnenuntergang noch etwas Zeitung und ist
am nächsten Morgen in Bozen. Nun fährt der Intercity Notte nur mehr von Rom. In den Sechzigerjahren war es sogar
noch möglich in einem von Deutschland kommenden Direktnachtzug Innsbruck nach Palermo zu fahren.
5 http://www.vcd.org/nachtzuege.html : Die Deutsche Bahn AG (DB AG) schränkt ihre Angebote im Nachtzug-Verkehr
ein. Die Verbindungen nach Kopenhagen werden bereits zum 1. November 2014 eingestellt, zum Fahrplanwechsel dann
die nach Paris und Amsterdam.
6 http://www.nachtzug-bleibt.eu/aktuell/ 2013 verursachten die Nachtzüge der DB ein Defizit von 5,4 Mio. Euro.
Interessant auch das hier aus 2012: Nach der Einstellung des Nachtzugs nach Rom wird nun auch die Verbindung aus
der Schweiz nach Barcelona gekappt. http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/das-ende-der-nachtzuege-in-den-sueden-
1.17872000