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Düsseldorf Barcelona Retour

Date post: 19-Feb-2018
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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 1 2.4.2015 „Düsseldorf-Barcelona retour?“ oder „Nichts Genaues weiß man nicht“ Martin Schönherr Letzteres lässt sich zusammenfassend über Statistiken aussagen. Da Statistiken aber wirtschaftliche, politische und sonstige Entscheidungen grundlegend beeinflussen wieder einmal etwas zu diesem Thema. Aus gegebenem Anlass zur Frage der Sicherheit verschiedener Verkehrsmittel. Ich habe mich gefragt, ob es Zahlen gibt, die mein persönliches Sicherheitsempfinden im Verkehr widergeben. Doch werde ich höchstwahrscheinlich nicht fündig: Einem der sich im Flugzeug am sichersten beim Start fühlt, weil man dort die Kraft der Beschleunigung am stärksten spürt und am ehesten ein Vertrauen aufbaut, dass diese Aggregate die notwendige Geschwindigkeit aufrechterhalten können, um das Ding für die die geplante Strecke in die Höhe zu saugen, kann man dieses Bauchgefühl mit Statistiken und selbst dem gesunden Menschenverstand, den ich prinzipiell auch hätte, nicht austreiben. Das ist im Wesentlichen meine Flugangst. Die Motoren könnten ausfallen, und das Ding fällt wie in Stein runter. Erst ein Schulkollege, der einige Zeit Draken-Pilot war, konnte mir dieses Gefühl relativieren, da bei Ausfall aller Motoren zumindest ein 10% steiler Gleitflug möglich ist, an dessen Ende eine zwar unsanfte aber doch mögliche Landung steht. 2006, auf dem Weg von Barcelona nach Salzburg mit Sky-Europe, irgendwo über Südfrankreich
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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 1 2.4.2015

„Düsseldorf-Barcelona retour?“oder „Nichts Genaues weiß man nicht“

Martin Schönherr

Letzteres lässt sich zusammenfassend über Statistiken aussagen. Da Statistiken aber

wirtschaftliche, politische und sonstige Entscheidungen grundlegend beeinflussen wieder einmal

etwas zu diesem Thema. Aus gegebenem Anlass zur Frage der Sicherheit verschiedener

Verkehrsmittel.

Ich habe mich gefragt, ob es Zahlen gibt, die mein persönliches

Sicherheitsempfinden im Verkehr widergeben. 

Doch werde ich höchstwahrscheinlich nicht fündig:

Einem der sich im Flugzeug am sichersten beim Start fühlt, weil man dort die Kraft der

Beschleunigung am stärksten spürt und am ehesten ein Vertrauen aufbaut, dass diese Aggregate

die notwendige Geschwindigkeit aufrechterhalten können, um das Ding für die die geplante

Strecke in die Höhe zu saugen, kann man dieses Bauchgefühl mit Statistiken und selbst demgesunden Menschenverstand, den ich prinzipiell auch hätte, nicht austreiben. Das ist im

Wesentlichen meine Flugangst. Die Motoren könnten ausfallen, und das Ding fällt wie in Stein

runter. Erst ein Schulkollege, der einige Zeit Draken-Pilot war, konnte mir dieses Gefühl

relativieren, da bei Ausfall aller Motoren zumindest ein 10% steiler Gleitflug möglich ist, an dessen

Ende eine zwar unsanfte aber doch mögliche Landung steht.

2006, auf dem Weg von Barcelona nach Salzburg mit Sky-Europe, irgendwo über Südfrankreich

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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 2 2.4.2015

Trotzdem habe ich immer wieder nach Daten gesucht, die zweifelsfrei beweisen, dass dieses oder

 jenes Verkehrsmittel gefährlicher und weniger gefährlich ist. Am Beispiel der vergangenen

Tragödie:

  Hätte man nicht auch mit dem Zug fahren können?

  Immerhin ist die Bahnfahrzeit Düsseldorf-Barcelona mit knapp 13 Stunden

konkurrenzfähig!?

  Wieso begünstigt der Staat die Binnenluftfahrt, investiert gleichzeitig in bessere Bahnen,

möchte eine Verkehrsverlagerung - aber schlussendlich entscheidet doch die Billigkeit des

Tickets!? Auf dem Landweg von Innsbruck nach Amsterdam zahle ich z.B. im günstigsten

Fall (Sparschiene) um die 70€. Ich habe schon von wesentlich günstigeren Flügen gehört.

 Auch auf der Relation Düsseldorf-Barcelona retour wird das ähnlich sein.

Ich lande mit diesen Fragen zwangsläufig bei Statistiken über die Sicherheit der Luftfahrt oder

anderer Verkehrsmittel – je nachdem welcher außergewöhnliche Unfall sich im Vorfeld zutrug. Ich

traue diesen Statistiken nur eingeschränkt.

Es gibt leider keine wirklich verlässlichen weltweiten Daten zur

Sicherheit verschiedener Verkehrsträger.

Die bräuchte man nämlich, um wirklich vergleichen zu können. Der Unfall der Germanwings wird

2015 die ganze Statistik Frankreichs, wo er geschah, verzerren; weltweit wird sich das Ganze aber

doch möglicherweise zu den 500 Luftfahrttoten im Jahr abflachen, die gemeinhin kolportiert

werden.

Kürzlich habe ich versucht, mit den alten Daten des Worldmappers1 einen Vergleich herzustellen.

Die dort erhältlichen Daten sind jedoch auch nur Schätzungen. Für die Zeit um 2000 sah es so

aus, dass man sich 3 bis 4 mal so lange in einem fahrenden Eisenbahnzug aufhalten musste, um

bei einem Unfall tödlich verletzt zu werden2, als das im Flugzeug der Fall ist. Eine solche

„Erkenntnis“ ist dann aber doch eher unbefriedigend, wenn man sieht, dass die Personenkilometer

eher geschätzt sind und eigentlich nur die Verunfallten aus offiziell erhobenen Statistiken bekannt

sind, aber die Bezugsgröße eine Vermutung bleibt.

Gerade eben bin ich nun auf einen Artikel des statistischen Bundesamtes (von Frau Dipl.-

Volkswirtin Ingeborg Vorndran, Wiesbaden 2011)3 gestoßen, der sich nach meinem Eindruck sehr

1 http://www.worldmapper.org/textindex/text_transport.html 

2 Was sich auch mit den Betrachtungen von Herrn Prof. Walter Krämer TU Dortmund in etwa deckt (Focus Online: Mit

Statistik lügen?)

http://www.focus.de/wissen/technik/erfindungen/aeronautik/tid-14453/flugunfaelle-mit-statistik-luegen_aid_405219.html 

3 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/Verkehr/Unfallstatistik122010.pdf?__blob=publicationFile 

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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 3 2.4.2015

seriös mit der Fragestellung befasst. Er lässt zwar den Zeitbezug außer Acht (der meiner Meinung

nach maßgebend sein sollte, da er den zeitlichen Bereich der Bedrohung durch die jeweilige

Transportart, der sich der Reisende aussetzt, abgrenzt); insgesamt werden aber verschiedene

Betrachtungsweisen erläutert, kommentiert und geben einen Einblick in seriöse Deutung von

Statistiken.

Ich ziehe für meine veränderte Betrachtung den Vergleich der

Verunglückten pro Milliarde Personenkilometer heran.

Mit dieser Tabelle habe ich die Häufigkeiten visulaisiert. Die Zweite Spalte von links zeigt die Ausgangsdaten des

statistischen Bundesamtes.

Diese habe ich nun in Fahrzeiten umgerechnet und versucht Wahrscheinlichkeiten zu

Visualisieren. Kein Trost für Opfer und Hinterbliebene, aber hilfreich für alle, die mit mulmigen

Gefühlen in irgendein Verkehrsmittel einsteigen.

Dieses Diagramm zeigt die Jahre (!) Fahr bzw. Flugzeit nach der eine Person in einem Unfall

verletzt wird. Wie man sieht ist man im Flugzeug, Bahn und Straßenbahn zu diesem Zeitpunkt

längst eines natürlichen Todes gestorben.

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Dieses Diagramm zeigt die Jahrhunderte Flug-/Fahrzeit bis zum Eintreten des Todes durch das

 jeweilige benützte Verkehrsmittel. Wie man sieht, erleben wir das gar nicht. Das einzige was bei

diesem Diagramm getrickst ist, ist die Todesfallwahrscheinlichkeit (Tote pro Verunglückten) des

Flugzeugs, die ich abweichend von den Daten des Betrachtungszeitraums im vorerwähnten Artikel

mit 100% angenommen habe, da das Flugunglück i.d.R. letal ist. Für die Berechnung bedeutet

das, dass ich von den 0,3 Verunglückten pro Milliarde Personenkilometer ebenso 0,3 Todesfälle

angenommen habe.

Ein vergleichendes Ranking der Verkehrsmittel ergibt das:

Blau: Häufigkeit der Unfälle im Verkehrsmittelvergleich (Bezug ist der unfallträchtige PKW)

Rot: Letalität des Unfalls (Bezug ist auch hier der unfallträchtige PKW)

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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 5 2.4.2015

Fazit:

Beruhigt steige ich weiterhin in Bahn und Straßenbahn ein. Doch selbst bei der hohen Letalität derFlugzeugunfälle ist die Eintrittswahrscheinlichkeit verschwindend gering im Vergleich zum

Straßenverkehr.

Natürlich hinkt ein solcher Vergleich immer: Die Straßenbahn schneidet sicherheitstechnisch

erstaunlich schlecht ab, weil Innerortsverkehr unfallträchtiger ist. Das Flugzeug ist aber in der Stadt

keine Option. Auch die Bahn ist nur manchmal dort verfügbar. Sinngemäßes gilt im

Interkontinentalverkehr; hier hätte man nur die Wahl zwischen Flugzeug und Schiff (letzteres

wiederum hier nicht erfasst ist)

Was die Interpretation der Statistik aber meiner Meinung nach untermauert ist, dass die Bahn zwar

kaum sicherer als das Flugzeug ist, was die Unfälle anbelangt, dass aber dieÜberlebenswahrscheinlichkeit im Zug deutlich höher ist. Nun kann man zwar noch mehr

volkswirtschaftliche Aufwendungen in den Flugverkehr stecken. Tatsache ist aber, dass von

700km/h auf 0 gefährlicher ist, als von 70km/h auf 0 (jeweils im Durchschnitt). Für diese Erkenntnis

hätte man nun wahrlich die ganze Statistik nicht gebraucht.

Doch die volkswirtschaftlichen Aufwendungen zugunsten der Bahn gehen eher in Richtung

Hochgeschwindigkeitsstrecken. Damit wird sich der offenbar knappe Sicherheitsvorsprung der

Bahn jedenfalls hinsichtlich der Letalität der Ereignisse verschlechtern.

Trug die Nachtzugpolitik der EU indirekt dazu bei, dass vermehrt

Binnenflüge in der EU in Anspruch genommen werden?4 

Wir kommen zum Ausgangsfall zurück.

Düsseldorf – Barcelona bzw. umgekehrt

lt. Google-Maps 1386km, 12 Stunden 46 Minuten Fahrzeit PKW, Flugzeug ca. 3 Stunden mit

Flughafenanreise)

lt. ÖBB Fahrplanauskunft 12:35 Minuten (im kürzesten Fall)

Diese kurze Zugfahrzeit wurde erreicht, obwohl das meiste der Strecke davon schon aufHochgeschwindigkeitsabschnitten verläuft und da wohl kürzere Fahrzeiten möglich sein sollten.

Diese Bahnstrecken führen aber über Hauptzentren, wie Paris, und damit mit der Kirche ums Dorf.

Dass es dazwischen auch noch ein prächtiges Bahnnetz gibt, das genutzt werden könnte, gerät in

Vergessenheit.

Dass man den innereuropäischen Verkehr mit Direktzügen im Nachtsprung Großteils zumutbar

abwickeln könnte, ohne weit über die standardmäßigen 100km/h alter Bahnstrecken gehen zu

4 Reißerischere Kombinationen will ich hier nicht anführen, die darf sich der Leser gerne denken.

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 Planung richtig herum, DI Martin Schönherr 6 2.4.2015

müssen, scheint noch (nicht mehr?) keine Option. Eher verschwinden stetig die letzten Reste

dieser Einrichtungen5.

Direkte Nachtzüge die z.B. Düsseldorf – Köln – Metz – Nancy – Dijon – Lyon – Valence – Avignon

 –Montpellier – Girona - Barcelona in 16 Stunden schaffen (also in Summe ca. 2 h Aufenthalte und

14 Stunden Fahrzeit mit 100km/h); wo man z.B. um 17h in Düsseldorf einsteigt und 9 Uhr morgens

in Barcelona aussteigt könnte man schon jetzt betreiben – wahrscheinlich zu einem Bruchteil der

Folgekosten, die ein einziges Flugzeugunglück hervorruft.6 

Das ging 2010 noch: Man steigt abends in Neapel in den Zug liest bis zum Sonnenuntergang noch etwas Zeitung und ist

am nächsten Morgen in Bozen. Nun fährt der Intercity Notte nur mehr von Rom. In den Sechzigerjahren war es sogar

noch möglich in einem von Deutschland kommenden Direktnachtzug Innsbruck nach Palermo zu fahren.

5 http://www.vcd.org/nachtzuege.html : Die Deutsche Bahn AG (DB AG) schränkt ihre Angebote im Nachtzug-Verkehr

ein. Die Verbindungen nach Kopenhagen werden bereits zum 1. November 2014 eingestellt, zum Fahrplanwechsel dann

die nach Paris und Amsterdam.

6   http://www.nachtzug-bleibt.eu/aktuell/  2013 verursachten die Nachtzüge der DB ein Defizit von 5,4 Mio. Euro.

Interessant auch das hier aus 2012: Nach der Einstellung des Nachtzugs nach Rom wird nun auch die Verbindung aus

der Schweiz nach Barcelona gekappt. http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/das-ende-der-nachtzuege-in-den-sueden-

1.17872000 


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