Die Rolle der Onlinekommunikation bei der
Herstellung von Vertrauen
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
Göttingen, 12.01.2010
Online und Vertrauen Seite 2 von 18
Themen des Vortrags
( DFG-gefördertes Projekt im Rahmen des SPP 1409 „Wissenschaft und Öffentlichkeit“)
• Vertrauen – soziologische Grundlagen
• Vertrauen in Personen und Vertrauen in Öffentlichkeiten
• Fazit und Ausblick
Die Rolle der Onlinekommunikation bei der
Herstellung von Vertrauen in medizinisches Wissen
Online und Vertrauen Seite 3 von 18
Vertrauen
• Zentrales Merkmal aus soziologischer Sicht: Vertrauen ist Mechanismus zur Kontingenzreduktion
• Vertrauen stellt also Handlungsfähigkeit unter Bedingungen von Informationsvielfalt und Unsicherheit her
• „Vertrauen ersetzt fehlende Information und ermöglicht damit die Vorwegnahme von Zukunft“ (Kohring 2001, S. 54)
http://www.flickr.com/photos/pilot_michael/3735156872/
Online und Vertrauen Seite 4 von 18
Vertrauen
• Vertrauensrelevante Aspekte der Onlinekommunikation (ähnlich auch Thiedeke 2007)
1. Vertrauen in soziotechnische Systeme
• Funktioniert das Internet als komplexes technisches System tatsächlich zuverlässig, sicher und problemlos? Sind meine Daten beim Online-Banking oder bei Google sicher? Komme ich wirklich auf die Internetseite der Uni Göttingen, wenn ich „www.uni-goettingen.de“ eingebe, oder werde ich auf eine andere Seite umgeleitet?
Im Folgenden nicht näher behandelt
2. Vertrauen in Personen
3. Vertrauen in Informationen
Online und Vertrauen Seite 5 von 18
Vertrauen in Personen (1)
• Internet ermöglicht als Medium der interpersonalen und gruppenbezogenen Kommunikation den Austausch zwischen Personen
• Aufgrund der Spezifika der technischen Vermittlung sind in vielen Fällen Kommunikationspartner nur textlich und/oder grafisch repräsentiert
Online und Vertrauen Seite 6 von 18
Vertrauen in Personen (2)
• Pseudonymität ist nicht per se problematisch; bei wiederholter Interaktion können sich stabile kommunikative Erwartungen auch gegenüber einer „virtuellen Identität“ aufbauen, die wiederum Grundlage für Vertrauen sein können
• Vertrauensprobleme entstehen allerdings in zweierlei Hinsicht:• Verbirgt sich hinter dem Kommunikationspartner tatsächlich die Person, die ich
annehme? Problem der Kopplung von „realer“ und „virtueller“ Identität
• Ist diese Person vertrauenswürdig? Problem der Einschätzung von unbekannten Personen
Online und Vertrauen Seite 7 von 18
Fake oder Echt?
Online und Vertrauen Seite 8 von 18
Vertrauensbildung durch soziale Positionierung
Online und Vertrauen Seite 9 von 18
Vertrauensbildung durch Bewertung
Online und Vertrauen Seite 10 von 18
Vertrauen in Informationen
• Aufgrund der rapiden Zunahme von Informationen, auch und gerade in Bezug auf komplexe Wissensbestände, sind Nutzer in der Regel überfordert, die Wahrheit oder Glaubwürdigkeit verfügbarer Informationen durch „Rück-Recherchen“ zu überprüfen
• Vertrauenswürdigkeit von Informationen oder Wissensbeständen wird stattdessen indirekt über die Vertrauenswürdigkeit der Vermittlungsinstanz bewertet
• Dadurch ist Vertrauen in Informationen unlösbar mit dem Vertrauen in die jeweiligen Selektionsmechanismen der Vermittlungsinstanz bzw. Kommunikationsarena verknüpft
• Kommunikationsarena meint hier eine spezifische Konstellation von Akteuren (Kommunikator und Publikum) sowie Relevanzkriterien für die Selektion und Präsentation von Informationen
Online und Vertrauen Seite 11 von 18
Etablierte Arenen
http://www.flickr.com/photos/usarmyafrica/4077018383/
http://www.flickr.com/photos/gsfc/3726614425/
Massenmediale Öffentlichkeit
• Profession der Journalisten filtert und verteilt gesellschaftlich relevante Themen für ein disperses Publikum
• Vertrauen entsteht, wenn und weil Kriterien für die Selektion und Aufbereitung von Informationen etabliert und institutionalisiert sind (Nachrichten-faktoren; journalistische Formate und Genres)
Expertenöffentlichkeiten
• Disziplinenspezifische Publikationskanäle (Journale, Proceedings, …) besitzen je eigene Standards der Selektion und Aufbereitung für Publikum der „(academic) peers“
• Vertrauen entsteht, wenn und weil Aussagen über Wirklichkeit mit Hilfe intersubjektiv überprüfbarer Verfahren erzeugt und diskutiert werden
Online und Vertrauen Seite 12 von 18
Arenen der Onlinekommunikation
http://www.flickr.com/photos/usarmyafrica/4077018383/
http://www.flickr.com/photos/santheo/3244627450/
Kollaborative Öffentlichkeit
• Nutzer handeln gemeinsam Wissensbestände aus, wobei Beiträge von Experten nicht per se privilegiert sind (vgl. Wikipedia)
• Vertrauen entsteht, wenn und weil die Veränderung der Wissensbestände transparent ist und Beteiligung prinzipiell jedem offen steht
Persönliche Öffentlichkeit
• Nutzer wählen Informationen nach Kriterien der persönlichen Relevanz und bereiten sie für überschaubares Publikum (meist existierende Beziehungen) auf
• Vertrauen entsteht, wenn und weil Authentizität der Darstellung erkennbar ist
Online und Vertrauen Seite 13 von 18
Massenmediale Öffentlichkeit
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,635367,00.html
Online und Vertrauen Seite 14 von 18
Expertenöffentlichkeit
http://www.stmelf.bayern.de/markt/informationen/35732/
Online und Vertrauen Seite 15 von 18
Kollaborative Öffentlichkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstk%C3%A4se
Online und Vertrauen Seite 16 von 18
Persönliche Öffentlichkeit
http://ennish.com/2009/12/analogkaese-und-zuckerbomben/
Online und Vertrauen Seite 17 von 18
Persönliche Öffentlichkeit
Online und Vertrauen Seite 18 von 18
Fazit
1. Vertrauen ist zentraler Mechanismus zur Organisation des sozialen Lebens in modernen Gesellschaften (Kontingenzreduktion), der durch Onlinekommunikation neue Facetten erhält
2. In Bezug auf das Vertrauen in Personen stellen sich insbesondere die Probleme der Kopplung von ‚realer‘ und ‚virtueller‘ Identität sowie der Einschätzung von bislang unbekannten Personen
3. Mechanismen der Vertrauensbildung sind u.a. die Sichtbar-Machung von sozialen Positionen und von Bewertungen durch andere
4. Problem des Vertrauens in Informationen wird insbesondere über die Verlagerung des Vertrauens in Kommunikationsarenen gelöst
5. Onlinekommunikation unterstützt verschiedene Arenen, d.h. spezifische Konstellationen von Akteuren und Selektionsprinzipien
6. Unter welchen Umständen welche Personen welchen Arenen vertrauen, ist bislang jedoch noch nicht ausreichend erforscht
Online und Vertrauen Seite 19 von 18
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
www.hans-bredow-institut.de
www.schmidtmitdete.de
Online und Vertrauen Seite 20 von 18
Weiterführende Literatur
– Kohring, Matthias (2001): Vertrauen in Medien – Vertrauen in Technologie. Arbeitsbericht. Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg. [Online-Dokument] http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2004/1886/pdf/AB196.pdf.
– Kohring, Matthias (2004): Vertrauen in Journalismus. Theorie und Empirie. Konstanz: UVK. – Moellering, Guido (2006): Trust: Reason, Routine, Reflexivity. Oxford.– Schmidt, Jan (2009): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0.
Konstanz.– Thiedeke, Udo (2007): Trust, but test. Das Vertrauen in virtuellen Gemeinschaften. Konstanz.