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Zäher Stoff für LEICHTE TRÄUME - kocmo.de · gra- oder Campagnolos Chorus-Komponen-ten den...

Date post: 21-Apr-2019
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TITANRENNER 89 PRAXISTEST 88 LEICHTE TRÄUME Rennrahmen aus Titan haben einen ganz beson- deren Ruf: unzerstörbar, immer aktuell, da keinen Material-Moden unterwor- fen – und unerschwing- lich. Dass Letzteres nicht der Fall sein muss, zeigen drei Renner aus dem Edel- stoff. Text und Fotos: Marco Felgenhauer Titan ist edel, Titan ist haltbar und vor allem eines – viel zu teuer. Dass Letzteres nicht zwangsläufig der Fall ist, zeigen unsere drei silbrig glänzenden Testräder, von denen kei- nes die 3 500-Euro-Marke knackt. Absolute Hingucker sind die Titanrenner von Kocmo, Rewel und Red Bull allemal und mit unspek- takulärer, aber äußerst funktioneller Ausstat- tung sicherlich eine Investition in minde- stens zehn Jahre Freude am Radsport. Man könnte unsere drei Testräder gut und gerne als Einsteiger-Modelle bezeichnen, womit natürlich nicht Radsport-Anfänger ge- meint sind. Vielmehr markieren die relativ günstigen Titanrenner mit Shimanos Ulte- gra- oder Campagnolos Chorus-Komponen- ten den Aufstieg in den Kreis der Titanen. Neben den Neueinsteigern, die sich einfach mal ein richtig teures Rad leisten wollen, tummeln sich in der Titan-Interessenge- meinschaft viele, die schon High-End-Ren- ner aus anderen Werkstoffen gefahren sind und davon irgendwann enttäuscht wurden. Wer einmal Probleme mit teuren Materialien hatte, landet irgendwann fast automatisch bei Titan. Von Abwanderungen in die ande- re Richtung hört man dagegen selten. Es ist schon erstaunlich, mit welch geringen Mitteln man ein an sich schlichtes Titanrad zum absoluten Blickmagneten tunen kann. Der Rose-Renner setzt auf die Kontrast- wirkung von Schwarz und „Titan-Natur“; Kocmo geht in die komplett andere Richtung und wertet seinen Renner, bei dem komplett auf Carbon-Komponenten verzichtet wurde, mit weißen Anbauteilen auf. Bei Rewel schafft man mit Teilen wie der Titan-Stütze eine zeitlose, edle Optik. Die Geometrien unserer Testräder reichen von spritzig und wendig wie beim Kocmo bis zum guten Geradeauslauf des Rewel, was zum Teil auf die verbauten Gabeln zurückzu- führen ist. Ebenso variieren die Sitzposi- tionen von sportlich gestreckt auf dem Koc- mo bis zu einer wohl für lange Touren ge- dachten, aufrechten Position auf dem Rewel. Das Red Bull bildet dabei den Kompromiss aus beiden Extremen und könnte somit als der beste Allrounder gewertet werden. Wem die Räder in Ausstattung und Optik nicht zusagen, hat bei allen drei Modellen die Möglichkeit, durch andere Farbwahl oder an- dere Anbauteile dem Ganzen eine individu- elle Note zu geben. Beim Rose-Versand hat man neben den drei Standard-Titanen die Möglichkeit, sich seinen Edelmetall-Renner komplett selbst aufzubauen. Bei den beiden kleinen Schmieden Kocmo und Rewel geht man sogar noch einen Schritt weiter. Neben den elf (!) beziehungsweise sechs lieferbaren Standardgrößen kann man sich seinen Rah- men auch komplett nach Kundenwunsch bauen lassen. Beim deutschen Hersteller gibt es dabei sogar die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, welche Rohre verwendet wer- den. So ist zwischen der schlanken Form des hier vorgestellten „Classic“ bis hin zur wuch- tigen Aero-Optik alles möglich. Der Aufbau des Renners liegt dann komplett in Kunden- hand, da die zwei kleinen Firmen bestenfalls ehemalige Testräder fertig aufgebaut verkau- fen. Preislich liegen diese Maßrahmen dann, wenn überhaupt, nur gering über den Stan- dardmodellen. Die hohen Grundpreise für die rohen Rah- men haben vielerlei Gründe. An der vielbe- schworenen Knappheit des Grundstoffs Ti- tanerz liegt es jedenfalls nicht, denn das ist in rauen Mengen auf dieser Erde vorhanden. Das Problem besteht eher in der aufwendi- gen Gewinnung des reinen Titans aus Titan- oxid. Letzteres ist billig genug, um in Wand- farbe oder Zahnpasta als weißes Färbemittel zu dienen. Als reines Titan ist das Metall dann so teuer, dass es trotz seiner überragen- den Eigenschaften in der breiten techni- schen Anwendung gegen Aluminium und Stahl keine Chance hat. Die Eigenschaften des Materials hat eigent- lich fast jeder Radsportler parat: Reines Titan ist sehr zäh, soll heißen, es hat eine ähnliche Festigkeit gegenüber statischen und dyna- mischen Belastungen wie Stahl. Dabei be- sitzt es nur 40 % der Dichte von Stahl, ist also bei gleichem Volumen erheblich leichter. Al- lerdings müssen aufgrund der geringeren Härte größere Rohdurchmesser verbaut wer- den als bei Stahl, da sich die Fahrradrahmen sonst weich und schwammig anfühlen wür- den, was einen kleinen Teil des Gewichts- vorteils wieder aufbraucht. Reines Titan fin- det übrigens keine Anwendung im Rahmen- bau, sondern die wesentlich härteren Titanle- gierungen mit Aluminium und Vanadium. Die zuvor genannten Komforteigenschaften von Titan, die dann auch gerne mal als Weichheit des Rahmens interpretiert wer- den, sind also keineswegs selbstverständlich, sondern können durch die Wahl von dünnen Rohrdurchmessern „eingebaut“ werden. Bei unseren drei Testrädern ist diese Aufgabe je- denfalls vorbildlich gelöst: Große, zum Teil ovale Rohrdurchmesser am vorderen Rah- mendreieck sorgen für Steifigkeit, die dün- nen Sitzstreben bei Kocmo und Rewel dämp- fen leichte Schläge spürbar, ebenso wi<e die Gabel am Kocmo. Beim Red Bull setzt man dagegen rundum auf Steifigkeit. Der einge- klebte Carbon-Hinterbau ist ebenso starr wie die Gabel aus dem gleichem Material. Die richtige Verarbeitung der Rohre spielt eine mindestens ebenso große Rolle wie das Material selbst. Da Titan noch nicht lange im großen Stil in der Technik eingesetzt wird, ist das Know-How der Verarbeitung nur weni- gen Spezialisten bekannt. So werden Titan- rahmen meist in den USA oder in Russland gefertigt, wo genügend Erfahrungen mit dem edlen Metall aus der Flugzeug- und Rüstungsindustrie vorhanden sind. In zeit- und kostenintensiver Arbeit müssen die Rohre bis auf wenige 100stel Millimeter genau angepasst werden, damit man sie spä- ter mit möglichst feinen Schweißnähten ver- binden kann. Wer diese filigranen Kunstwer- ke an den Rohrübergängen oder den Zugan- schlägen betrachtet, kann sich gut vorstellen, welche Erfahrung und Präzision hinter die- ser Arbeit steckt. Dass das Ganze dann zu- dem noch in Unterdruckkammern oder un- ter Schutzgas erfolgen muss, macht den Pro- duktionsaufwand nicht gerade geringer. Das ist notwendig, da das Leichtmetall bei hohen Temperaturen sehr reaktionsfreudig gegenüber diversen Gasen wird. Käme das heiße Titan etwa mit dem Luftsauerstoff in Kontakt, würde das Material enorm versprö- den; der Rahmen könnte an den Schweiß- nähten leicht brechen. Bei normalen Tempe- raturen ist Titan dagegen äußerst korrosi- onsarm, da es sich ähnlich dem Aluminium sofort mit einer dünnen Schutzschicht aus Titanoxid überzieht und somit nicht mehr in Kontakt mit schädlichen Stoffen kommt. Als Normaltemperatur gilt übrigens alles bis zu 300°C. Bevor man also Angst haben müsste, der teure Titanrahmen könnte sich dem- nächst wieder in Färbemittel für Zahnpasta zurückverwandeln, wären zunächst einmal alle Anbauteile aus Kunststoff geschmolzen. Selbst gegen die Säuren im sauren Regen ist der Rahmen ideal geschützt, wodurch man auf eine schützende Lackschicht komplett verzichten kann. Gut, wenn die Beschriftung dann per Sandstrahlung „eingraviert“ wird wie bei Red Bull oder Rewel. Der aufgekleb- te Schriftzug des Kocmo wird dagegen auf- grund des fehlenden Klarlacks wohl nicht lange halten. Hässliche Kratzer, wie es sie vor allem in der Klarlackschicht bei Carbon- Rahmen häufig gibt, sind daher bei Titan- rahmen kaum anzutreffen. Sollte nach eini- gen Jahren die Metalloberfläche tatsächlich etwas matter werden, lässt sie sich einfach aufpolieren. Lässt man sich nun diesen Her- stellungsprozess noch einmal durch den Kopf gehen und rechnet zudem die Jahre mit ein, in denen man mit diesen Rahmen viel Spaß auf den Landstraßen dieser Welt haben kann, wird die Frage nach dem Preis immer unwichtiger. Man erwirbt schließlich einen Rahmen, der vielleicht nicht länger hält als ein gut gemachter Stahlrahmen, jedoch selbst nach zehn Jahren, wenn der Lack bei vielen Rennern schon ab ist, noch immer silbrig-matt glänzt wie am ersten Tag. Zäher Stoff für LEICHTE TRÄUME
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TITANRENNER

89

PRAXISTEST

88

LEICHTE TRÄUMERennrahmen aus Titan

haben einen ganz beson-

deren Ruf: unzerstörbar,

immer aktuell, da keinen

Material-Moden unterwor-

fen – und unerschwing-

lich. Dass Letzteres nicht

der Fall sein muss, zeigen

drei Renner aus dem Edel-

stoff. Text und Fotos: Marco Felgenhauer

Titan ist edel, Titan ist haltbar und vor allemeines – viel zu teuer. Dass Letzteres nichtzwangsläufig der Fall ist, zeigen unsere dreisilbrig glänzenden Testräder, von denen kei-nes die 3 500-Euro-Marke knackt. AbsoluteHingucker sind die Titanrenner von Kocmo,Rewel und Red Bull allemal und mit unspek-takulärer, aber äußerst funktioneller Ausstat-tung sicherlich eine Investition in minde-stens zehn Jahre Freude am Radsport.

Man könnte unsere drei Testräder gut undgerne als Einsteiger-Modelle bezeichnen,womit natürlich nicht Radsport-Anfänger ge-meint sind. Vielmehr markieren die relativgünstigen Titanrenner mit Shimanos Ulte-gra- oder Campagnolos Chorus-Komponen-ten den Aufstieg in den Kreis der Titanen.Neben den Neueinsteigern, die sich einfachmal ein richtig teures Rad leisten wollen,tummeln sich in der Titan-Interessenge-meinschaft viele, die schon High-End-Ren-

ner aus anderen Werkstoffen gefahren sindund davon irgendwann enttäuscht wurden.Wer einmal Probleme mit teuren Materialienhatte, landet irgendwann fast automatischbei Titan. Von Abwanderungen in die ande-re Richtung hört man dagegen selten.

Es ist schon erstaunlich, mit welch geringenMitteln man ein an sich schlichtes Titanradzum absoluten Blickmagneten tunen kann.Der Rose-Renner setzt auf die Kontrast-wirkung von Schwarz und „Titan-Natur“;Kocmo geht in die komplett andere Richtungund wertet seinen Renner, bei dem komplettauf Carbon-Komponenten verzichtet wurde,mit weißen Anbauteilen auf. Bei Rewelschafft man mit Teilen wie der Titan-Stützeeine zeitlose, edle Optik.

Die Geometrien unserer Testräder reichenvon spritzig und wendig wie beim Kocmo biszum guten Geradeauslauf des Rewel, was

zum Teil auf die verbauten Gabeln zurückzu-führen ist. Ebenso variieren die Sitzposi-tionen von sportlich gestreckt auf dem Koc-mo bis zu einer wohl für lange Touren ge-dachten, aufrechten Position auf dem Rewel.Das Red Bull bildet dabei den Kompromissaus beiden Extremen und könnte somit alsder beste Allrounder gewertet werden.

Wem die Räder in Ausstattung und Optiknicht zusagen, hat bei allen drei Modellen dieMöglichkeit, durch andere Farbwahl oder an-dere Anbauteile dem Ganzen eine individu-elle Note zu geben. Beim Rose-Versand hatman neben den drei Standard-Titanen dieMöglichkeit, sich seinen Edelmetall-Rennerkomplett selbst aufzubauen. Bei den beidenkleinen Schmieden Kocmo und Rewel gehtman sogar noch einen Schritt weiter. Nebenden elf (!) beziehungsweise sechs lieferbarenStandardgrößen kann man sich seinen Rah-men auch komplett nach Kundenwunsch

bauen lassen. Beim deutschen Herstellergibt es dabei sogar die Möglichkeit, selbst zubestimmen, welche Rohre verwendet wer-den. So ist zwischen der schlanken Form deshier vorgestellten „Classic“ bis hin zur wuch-tigen Aero-Optik alles möglich. Der Aufbaudes Renners liegt dann komplett in Kunden-hand, da die zwei kleinen Firmen bestenfallsehemalige Testräder fertig aufgebaut verkau-fen. Preislich liegen diese Maßrahmen dann,wenn überhaupt, nur gering über den Stan-dardmodellen.

Die hohen Grundpreise für die rohen Rah-men haben vielerlei Gründe. An der vielbe-schworenen Knappheit des Grundstoffs Ti-tanerz liegt es jedenfalls nicht, denn das ist inrauen Mengen auf dieser Erde vorhanden.Das Problem besteht eher in der aufwendi-gen Gewinnung des reinen Titans aus Titan-oxid. Letzteres ist billig genug, um in Wand-farbe oder Zahnpasta als weißes Färbemittelzu dienen. Als reines Titan ist das Metalldann so teuer, dass es trotz seiner überragen-den Eigenschaften in der breiten techni-schen Anwendung gegen Aluminium undStahl keine Chance hat. Die Eigenschaften des Materials hat eigent-

lich fast jeder Radsportler parat: Reines Titanist sehr zäh, soll heißen, es hat eine ähnlicheFestigkeit gegenüber statischen und dyna-mischen Belastungen wie Stahl. Dabei be-sitzt es nur 40 % der Dichte von Stahl, ist alsobei gleichem Volumen erheblich leichter. Al-lerdings müssen aufgrund der geringerenHärte größere Rohdurchmesser verbaut wer-den als bei Stahl, da sich die Fahrradrahmensonst weich und schwammig anfühlen wür-den, was einen kleinen Teil des Gewichts-vorteils wieder aufbraucht. Reines Titan fin-det übrigens keine Anwendung im Rahmen-bau, sondern die wesentlich härteren Titanle-gierungen mit Aluminium und Vanadium.

Die zuvor genannten Komforteigenschaftenvon Titan, die dann auch gerne mal alsWeichheit des Rahmens interpretiert wer-den, sind also keineswegs selbstverständlich,sondern können durch die Wahl von dünnenRohrdurchmessern „eingebaut“ werden. Beiunseren drei Testrädern ist diese Aufgabe je-denfalls vorbildlich gelöst: Große, zum Teilovale Rohrdurchmesser am vorderen Rah-mendreieck sorgen für Steifigkeit, die dün-nen Sitzstreben bei Kocmo und Rewel dämp-fen leichte Schläge spürbar, ebenso wi<e die

Gabel am Kocmo. Beim Red Bull setzt mandagegen rundum auf Steifigkeit. Der einge-klebte Carbon-Hinterbau ist ebenso starr wiedie Gabel aus dem gleichem Material.

Die richtige Verarbeitung der Rohre spielteine mindestens ebenso große Rolle wie dasMaterial selbst. Da Titan noch nicht lange imgroßen Stil in der Technik eingesetzt wird, istdas Know-How der Verarbeitung nur weni-gen Spezialisten bekannt. So werden Titan-rahmen meist in den USA oder in Russlandgefertigt, wo genügend Erfahrungen mitdem edlen Metall aus der Flugzeug- undRüstungsindustrie vorhanden sind. In zeit-und kostenintensiver Arbeit müssen dieRohre bis auf wenige 100stel Millimetergenau angepasst werden, damit man sie spä-ter mit möglichst feinen Schweißnähten ver-binden kann. Wer diese filigranen Kunstwer-ke an den Rohrübergängen oder den Zugan-schlägen betrachtet, kann sich gut vorstellen,

welche Erfahrung und Präzision hinter die-ser Arbeit steckt. Dass das Ganze dann zu-dem noch in Unterdruckkammern oder un-ter Schutzgas erfolgen muss, macht den Pro-duktionsaufwand nicht gerade geringer.

Das ist notwendig, da das Leichtmetall beihohen Temperaturen sehr reaktionsfreudiggegenüber diversen Gasen wird. Käme dasheiße Titan etwa mit dem Luftsauerstoff inKontakt, würde das Material enorm versprö-den; der Rahmen könnte an den Schweiß-nähten leicht brechen. Bei normalen Tempe-raturen ist Titan dagegen äußerst korrosi-onsarm, da es sich ähnlich dem Aluminiumsofort mit einer dünnen Schutzschicht ausTitanoxid überzieht und somit nicht mehr inKontakt mit schädlichen Stoffen kommt. AlsNormaltemperatur gilt übrigens alles bis zu300°C. Bevor man also Angst haben müsste,der teure Titanrahmen könnte sich dem-nächst wieder in Färbemittel für Zahnpastazurückverwandeln, wären zunächst einmalalle Anbauteile aus Kunststoff geschmolzen.Selbst gegen die Säuren im sauren Regen istder Rahmen ideal geschützt, wodurch manauf eine schützende Lackschicht komplettverzichten kann. Gut, wenn die Beschriftung

dann per Sandstrahlung „eingraviert“ wirdwie bei Red Bull oder Rewel. Der aufgekleb-te Schriftzug des Kocmo wird dagegen auf-grund des fehlenden Klarlacks wohl nichtlange halten. Hässliche Kratzer, wie es sie vorallem in der Klarlackschicht bei Carbon-Rahmen häufig gibt, sind daher bei Titan-rahmen kaum anzutreffen. Sollte nach eini-gen Jahren die Metalloberfläche tatsächlichetwas matter werden, lässt sie sich einfachaufpolieren. Lässt man sich nun diesen Her-stellungsprozess noch einmal durch denKopf gehen und rechnet zudem die Jahre mitein, in denen man mit diesen Rahmen vielSpaß auf den Landstraßen dieser Welt habenkann, wird die Frage nach dem Preis immerunwichtiger. Man erwirbt schließlich einenRahmen, der vielleicht nicht länger hält alsein gut gemachter Stahlrahmen, jedochselbst nach zehn Jahren, wenn der Lack beivielen Rennern schon ab ist, noch immersilbrig-matt glänzt wie am ersten Tag. �

Zäher Stoff für LEICHTE TRÄUME

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PRAXISTEST TITANRENNER

Von der kleinen deutschen Rahmen-schmiede Kocmo werden bisher noch nichtviele etwas gehört haben. Die StahnsdorferFirma hat sich ganz auf die Produktionhochwertiger Titanrahmen sowie Ritzelund Kurbelgarnituren aus dem silbergrau-en Metall spezialisiert. Nebst den vier Stan-dard-Modellen Classic, Aero, OV und BlackLine – Letzterer mit Carbon-Hinterbau –werden auch Custom-Rahmen angeboten,die bis hin zur Auswahl der Rohre komplettnach Kundenwunsch gebaut werden. Zuunserem Test haben wir einen KocmoClassic erhalten, die leichteste Variante ausder Kocmo-Familie.

Man will ja nicht schon bei der optischenBewertung Partei ergreifen, aber das Ge-samtkunstwerk Kocmo Classic ist der wohlschönste Renner im Test. Sattel, Lenker-band und Reifen strahlen in hellem Weiß

mit den Titanrohren um die Wette, wobeider schwarz-weiße Schwalbe Stelvio an dieWeißwandreifen klassischer Autos erin-nert. Da verzeiht man auch die empfindli-che Beschriftung, die nur aufgeklebt ist,aber farblich perfekt ins Bild passt. Leiderweiß der erfahrene Rennradfahrer schonbeim Auspacken, dass es mit der weißenHerrlichkeit dieser Teile spätestens nachder ersten Regenfahrt vorbei sein wird. Mitder USE-Titansattelstütze hat man dazunoch Sinn für Leichtbau bewiesen. Ledig-lich ein titanfarbener Vorbau würde diesesRad optisch noch aufwerten können.

Vielleicht wollte man aber nicht zu viel vonder aus eigener Produktion stammendenTitangabel ablenken, deren schlanke, gera-de Form wie eine Mischung aus Klassikund Moderne wirkt. Zudem kommt dasKocmo dank dieser Gabel komplett ohne

Carbon-Teile aus, was in dieser Preisklasseheutzutage schon eine Seltenheit ist.

Im Fahrbetrieb sorgt das schöne Teil dannfür eine gehörige Portion Komfort, da Titanin so dünner Form doch einige gröbereSchläge zu dämpfen vermag. Leider machtsich dieser Effekt beim Bremsen ziemlichunangenehm durch leichtes Verbiegennach hinten bemerkbar. Für lange Abfahr-ten scheint diese Gabel jedenfalls nicht ge-macht zu sein.

Das Kocmo ist mit seiner gestrecktenSitzposition und dem äußerst agilen Hand-ling sowieso eher auf flachem Gelände undengen Kurven zu Hause. Kurze, harte An-tritte vertragen die steifen Citec-3000-Lauf-räder genauso gut wie der Rahmen, derselbst im Wiegetritt kaum Verwindungzeigt. Für Highspeed müssten die Felgenjedoch etwas aerodynamischer sein. DerSchwalbe Stelvio würde solche Geschwin-digkeiten jedenfalls gut wegstecken mitseinen exzellenten Rolleigenschaften aufder Geraden und gutem Grip in den Kur-ven. Die Wahl der Ultegra-Gruppe kannFans superedlen Materials vielleicht nichtüberzeugen, doch nur so lässt sich einTitanrenner realisieren, der unter 3 000Euro zu haben ist. Zur Erinnerung: Beimanchem US-Hersteller kostet der nackteRahmen so viel. �

Fazit: Das Kocmo Classic ist etwas für

sportliche Fahrer, die gerne flach sitzen

und dabei das Rad um enge Kurven scheu-

chen. Man könnte es sich auch gut im

lebendigen Stadtverkehr vorstellen, wo es

neben zahlreichen Sprintmöglichkeiten

auch genügend Publikum gibt, das den

Schönling bestaunen kann.

Rahmen Kocmo Classic

Gabel Kocmo Titangabel 28" Road

Vorbau Ritchey WCS OS

Steuersatz Ritchey WCS

Lenker Ritchey WCS OS

Schaltbremshebel Shimano Ultegra

Sattelstütze USE Alien Cyclops Titan

Sattel BBB „CompDesign“ BSD-09

Bremsen Shimano Ultegra

Laufräder Citec 3000 R

Schaltwerk Shimano Ultegra

Umwerfer Shimano Ultegra

Tretlager Shimano Ultegra

Kurbelsatz Shimano Ultegra

Reifen Schwalbe Stelvio Faltreifen

Größen 49-59 (1-cm-Schritte)

Gewicht Rahmen 1388 g, Komplettrad (o. P.) 8,27 kg

KOCMO CLASSIC

TECHNISCHE DATEN

Kocmo hat auch Titanritzel im Angebot, die beiunserem günstigen „Classic“ jedoch nicht zumEinsatz kommen.

Ungewöhnlich und nicht ganz überzeugend ist dieTitangabel, die bei Speed und beim Bremsen einunangenehmes Eigenleben entwickelt.

Mit Sattel, Lenkerband und Dekor in Weiß ist das Kocmo inSachen Optik ausgesprochen gut gelungen.

Typisch Titan: Fein geschuppte, gleichmäßigeSchweißnähte zeugen von hoher Verarbeitungs-qualität, ohne die es bei dem Material nicht geht.

PREIS: 2999,- €

MESSWERTEWiegetrittsteifigkeit (Auslenkung Tretlager):7,0 mm Auslenkung bei 800 N Prüfkraft

Spursteifigkeit (Torsion Längsachse):7,24 mm Auslenkung bei 52 N Prüfkraft

gemessen nach EFBe-Prüfstandards


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