+ All Categories
Home > Documents > Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Date post: 27-Jan-2017
Category:
Upload: duongquynh
View: 225 times
Download: 7 times
Share this document with a friend
45
Erläuterungen Prokops Kriegsgeschichte wird nach der fortlaufenden Zählung des Gesamtwerkes (Buch I mit VIII) zitiert, von dem die „Perserkriege" die Bücher I und II, der „Vandalen- krieg" und die anschließenden Kriegsereignisse in Afrika die Bücher III und IV umfassen. Zur Ergänzung der folgenden Ausführungen sei auch auf Angaben in den beiden bereite bei Ernst Heimeran München 1961 bzw. 1966 erschienenen Bände meiner Prokopausgabe „Anekdota" und „Gotenkrie- ge" verwiesen. BUCH m 1. K a p i t e l 1 Der einleitende Satz schließt unmittelbar an II 30/48 an, ein deutlicher Hinweis, daß die Bemerkungen über den gestürzten praefectus praetorio Johannes den Kappadoker (II 30/49-54) vom Verfasser erst nachträglich eingefügt wurden. Mit der Wendung „Einbruch des Vandalenheeres ins römi- sche Land" bekundet Prokop seine Grundeineteilung gegen- über den neuen Reichsinsassen : Ebenso wie die Goten Theodorichs sind sie nur Eroberer, die kein Heimatrecht, zum mindesten keinen Herrschaftsanspruch auf römischem Boden genießen, daher auch bei gegebener Gelegenheit wieder verjagt oder unterworfen werden können. Ihr Land bleibt de iure Reichsbesitz. 2 Kaiser Theodosius I. (379-395) vereinigte nach dem Sieg über den Gegenkaiser Eugenius (6.9.394 am Flusse Frigidus) das ganze Imperium noch einmal unter seinem Szepter. Als tapferer Soldat und Verteidiger des schwer bedrohten Rei- ches, als frommer Christ und Begründer einer Dynastie lebte er in gutem Andenken weiter. Nach seinem letzten Willen wurde das Imperium unter seine bereits 383 bzw. 393 zu Mitregenten (Augusti) erhobenen Söhne Arcadius (395-408) und Honorius (395-423) geteilt, die es aber gemeinsam ver- walten sollten - ein ost- oder weströmisches Reich als selb- ständiges Staatsgebilde hat es ja de iure nie gegeben. Die Brought to you by | Indiana Authenticated | 1 Download Date | 7
Transcript
Page 1: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E r l ä u t e r u n g e n

Prokops Kriegsgeschichte wird nach der fortlaufenden Zählung des Gesamtwerkes (Buch I mit VIII ) zitiert, von dem die „Perserkriege" die Bücher I und I I , der „Vandalen-krieg" und die anschließenden Kriegsereignisse in Afr ika die Bücher I I I und IV umfassen. Zur Ergänzung der folgenden Ausführungen sei auch auf Angaben in den beiden bereite bei Erns t Heimeran München 1961 bzw. 1966 erschienenen Bände meiner Prokopausgabe „Anekdota" und „Gotenkrie-ge" verwiesen.

B U C H m 1. K a p i t e l

1 Der einleitende Satz schließt unmittelbar an I I 30/48 an, ein deutlicher Hinweis, daß die Bemerkungen über den gestürzten praefectus praetorio Johannes den Kappadoker (II 30/49-54) vom Verfasser erst nachträglich eingefügt wurden.

Mit der Wendung „Einbruch des Vandalenheeres ins römi-sche L a n d " bekundet Prokop seine Grundeineteilung gegen-über den neuen Reichsinsassen : Ebenso wie die Goten Theodorichs sind sie nur Eroberer, die kein Heimatrecht , zum mindesten keinen Herrschaftsanspruch auf römischem Boden genießen, daher auch bei gegebener Gelegenheit wieder ver jagt oder unterworfen werden können. Ihr Land bleibt de iure Reichsbesitz.

2 Kaiser Theodosius I . (379-395) vereinigte nach dem Sieg über den Gegenkaiser Eugenius (6.9.394 am Flusse Frigidus) das ganze Imperium noch einmal unter seinem Szepter. Als tapferer Soldat und Verteidiger des schwer bedrohten Rei-ches, als frommer Christ und Begründer einer Dynastie lebte er in gutem Andenken weiter. Nach seinem letzten Willen wurde das Imperium unter seine bereits 383 bzw. 393 zu Mitregenten (Augusti) erhobenen Söhne Arcadius (395-408) und Honorius (395-423) geteilt, die es aber gemeinsam ver-walten sollten - ein ost- oder weströmisches Reich als selb-ständiges Staatsgebilde hat es ja de iure nie gegeben. Die

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 2: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L A V Τ E R U Χ Γ. E X 387

Trennungslinie zwischen beiden Herrschaftsbereichen lief vom Donauknie bei Sirmium ziemlich genau südwärts zur Grenze zwischen Tripolitanien und der Cyrenaica.

Die Teilung des Reiches in mehrere kaiserliche Regierungs-bezirke greift schon weit zurück, erfuhr aber erst durch Dio-kletian (284-305), der je zwei Augusti und Caesares bestellte, ein gewisses System. Konstant in I . (306-337) hinterließ vier mit Herrechaftsaufgaben ausgestattete Nachfolger, die aber bis auf einen - Constantius I I . (337-361) - gewaltsam ende-ten. Die neue Reichshauptstadt („das neue Rom") wurde am 11. 5. 330 eingeweiht und erhielt den Namen Konstant i -nopolie.

Prokop hält somit an der ptolemäischen Erdscheibe fest, die durch das von Gadeira (Cadiz) bis zur Mäotissee (Asow-sches Meer) reichende „Mittelmeer" in zwei Kontinente , Asien und Europa, geteilt wird ; Afrika wird nicht als Erdtei l gezählt.

Der folgende nach Art der Periploi angelegte Überblick über das Römerreich soll dem antiken Leser die Landkar te ersetzen. Vgl. auch die ersten Kapitel des Buches V I I I der Kriege! Die von Prokop an unserer Stelle benützte Vorlage gibt ziemlich genaue und brauchbare Längenangaben, scheint aber nicht die gleiche wie V I I I 2ff. ; denn V i l i 5/33 nimmt unser Autor die Entfernung von Chalkedon zur Pha-sismündung mit „52 starken Tagesreisen" an, während hier ( I I I 1/11) nur von 40 Tagesreisen - freilich mi t der unge-wöhnlichen Länge von 210 Stadien - die Rede ist.

Septon-Septem entspricht dem heutigen Ceuta. Wichtiger Außenposten des Vandalen-, später des Byzantinerreiches.

Die Straße von Gibraltar ist 14,6 km breit, was Prokops Angabe in etwa entspricht.

Seetos und Abydos liegen am Eingang des Helleepontos • Iff Dardanellen. Die „dunklen Felsen" sind die bereits aus der Argonautensage bekannten Symplegaden (die Zusam-menschlagenden) im Bosporoe. Dessen Breite schwankt zwischen 650 und 3350 m.

Dry us = Hydran t um, heißt heute Otranto. Auch V I I I 5/32 vermag Prokop mit Rückeicht auf die

von Barbaren beherrschten und daher unzugänglichen Gebiete im Norden des Schwarzen Meeres keine genaue An-gabe über die Gesamtlänge der Küste zu geben.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 3: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

388 PROKOP

il Unser Verfasser arbeitet mit einer veralteten Karte, wahr-scheinlich noch aus dem 4. Jahrhundert, die Britannien als Provinz einbezieht (18) und mit leiser Wehmut als Darstel-lung des „früheren Römerreiches" (13) bezeichnet wird. Im übrigen verrät die Betonung der Küstenlängen ein durchaus maritimes Denken, dem der Historiker auch sonst huldigt.

18 Ebusa, heute Ibiza. Östlich davon Mallorca und Menorca. Mit der Erwähnung dieser Inseln, dem Hinweis auf die Festung Septon (6) und sie „neunzig Tagesreisen" (14) zwischen Gadeira und Tripolis wird'die Ausdehnung des Van-dalenreiches dem byzantinischen Leser präludierend ange-deutet.

2. K a p i t e l

1 Mit der Regierung des Honorius (395-423) begann die Auf-lösung des Westreiches: Spanien und Gallien wurden zum großen Teil von Westgoten, Sueben, Vandalen und anderen Völkern besetzt, Britannien machte sich selbständig, Italien erlebte den Durchmarsch der Westgoten unter Alarich.

2 In den folgenden Ausführungen stützt sich Prokop auf den um 470 schreibenden Historiker Priskos.

Die „gotischen" Stämme werden in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für Rom aufgezählt. Sie sind sämtlich Ostger-manen mit der Urheimat Skandinavien (Südschweden). Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts teilten sich nach Überquerung der Pripjetsümpfe die bis dahin noch ver-einigten Goten in Ost- und Westgoten (östlich bzw. westlich des Dnjepr). Weiter westlich gegen Ungarn zu siedelten die asdingiechen Vandalen, während die silingischen Vandalen das heutige Schlesien, die Gepiden den Karpathenraum be-wohnten. Um 200 erreichten die Goten bereits den Unterlauf der Donau. Dort saßen schon vor der Zeitwende die Sauro-maten oder Sarmaten, ein nichtgermanisches (skvthisches) Volk, das in der Völkerwanderung während des 4. Jahr-hunderts in die Theißebene abgedrängt wurde und dort ver-schwand. Die Antike verwechselt sie gern mit den Goten, ebenso wie auch die im nördlichen Mösien seßhaften. namens -ähnlichen Geten und die von Herodot IV 20 erwähnten Malenchlainen (Schwarzmäntler). Diese saßen vor den Goten in den Pripjetsümpfen.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 4: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

ERLÄtTER l'N'GE.V 389

Die summarische Beschreibung scheint einer Vorlage Pro- 3 kops zu entstammen, stützt sich wohl aber auch auf eigene Beobachtung.

Nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches (453) dehn- β ton sich die Gepiden von Dakien aus bis in den Raum südlich und westlich des heutigen Belgrad. 567 erlagen sie den Lango-barden.

Die Westgoten, seit Konstantin I . mit den Römern ver- 7 bündet und durch Bischof Ulfila in der Mehrzahl christiani-siert (Arianer), wichen 376 dem hunnischen Druck und suchten zum großen Teil Aufnahme in Thrakien. Trotz ihres gewaltigen Sieges bei Adrianopel über Kaiser Valens (378) nochmals zur Ruhe gezwungen, begannen sie nach dem Tode des Theodosius I . (395) unter Führung Alarichs erneut ihre Züge, stießen, indem sie den Gegensatz zwischen dem Ost-und Westreich ausnützten, bis in die Peloponnes vor und bedrängten seit 401 vom Isonzo her Italien. Der Tod Stilichos (408) gab ihnen den Weg nach R o m frei.

Die Übersiedlung der kaiserl. Regierung aus dem gefähr- 8 deten Rom in das seitdem zur Residenzstadt ausgebaute Ravenna geschah 401/2. Honorius erscheint wie auch sonstige Vertreter der theodosianischen Dynastie als schwache Per-sönlichkeit, doch nicht ohne „passive Zähigkeit".

Die Westgoten hielten sich von 408 bis 412 in Italien auf l l und richteten bedeutenden Schaden an, doch sind Prokops Angaben, die wahrscheinlich auf lokalrömische Tradition zu-rückgehen, erheblich übertrieben. Die Menschenarmut Italiens (12) geht eher auf Auswirkungen des Gotenkriegs (535-555) zurück.

Nachdem Alarich vergeblich ein Abkommen mit der 13 kaiserl. Regierung in Ravenna erstrebt hatte, nahm er — gelegentlich der 3. ( ! ) Belagerung - R o m am 24. August 410 und gab die Stadt dreitägiger, nicht allzu harter Plünderung preis. Die erste Belagerung erfolgte Winter 408/9; gelegent-lich der zweiten Belagerung (November 409) zwang Alarich den Senat, in der Person des Stadtpräfekten Attalus einen Gegenkaiser einzusetzen, der ihm die Erfüllung seiner For-derungen gewährleisten sollte. An dessen Weigerung, die Westgoten in die reiche Kornprovinz Afrika einzuweisen, zerbrach die Freundschaft zwischen ihm und Alarich, der ..seinen" Kaiser Mitte 410 absetzte und sich gegenüber Rom selbst Recht schuf.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 5: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

390 P R O K O P

U Die folgende Schilderung von der Einnahme Roms ver-mengt die drei Belagerungen in eine und bietet Widerspre-chendes und Anekdotenhaftes, verdient aber insoweit Glau-ben, daß bei der Eroberung der Stadt Verrat mit im Spiele war. Der Fall der seit 800 Jahren von keinem Feinde mehr betretenen Reichshaupte tad t hinterließ bei den Zeitgenossen tiefen Eindruck und erschütterte das Selbstbewußtsein der Römer.

24 Wahrscheinlich unter Einwirkung lokaler Traditionen übertreibt Prokop die Menschenverluste und angerichteten Sachschäden. Die Goten schonten iin allgemeinen die Ein-wohner sowie auch die Hauptkirchen und verließen bereits nach dreitägiger Plünderung die Stadt, wobei sie freilich Galla Placidia, die Tochter Theodosius' I . und Schwester des regierenden Kaisers Honorius, als Beute mitführten.

28 Attalus' Bestellung zum Kaiser erfolgte gelegentlich der 2. Belagerung Roms (November 409). Seine und Alarichs 30fF. wiedergegebenen Unternehmungen sind dementsprechend vor die 3. Belagerung und die Einnahme Roms, also in die 1. Jahreshälfte 410, zu verlegen - wiederum ein Beispiel für Prokope Sorglosigkeit bei Auswertung seiner schriftlichen Vorlagen.

29 Das Urteil über Attalus ist zu hart. Als nationalbewußter Römer wollte er retten, was zu retten war; er führte daher weiterhin Unterhandlungen mit Honorius und sandte ledig-lich ein symbolisches Kommando nach Afrika, das keinesfalls imstande war, die Provinz für Alarich zu gewinnen.

31 Die durch Abkommandierungen gereizten Truppen in Britannien riefen 407 einen Soldaten Flavius Claudius Con-stantinus zum Kaiser aus, der bald nach Gallien übersetzt« und im Kampf gegen die rechtmäßige kaiserliche Regierung sowie gegen die eingedrungenen Germanenstämme sich dieses Gebietes, dazu Spaniens bemächtigte. 409 griff er sogar nach Norditalien über, angeblich um Honorius gegen seine Be-dränger zu stützen, in Wirklichkeit aber um auch die rest-lichen Teile des Westreiches zu gewinnen. Schon zwei Jahre später fand er in Gallien von Henkershand den Tod, ebenso sein jüngerer Sohn, der „nobilissimue" Julianus. Sein älterer Sohn, der „Caesar" Constane, war zuvor schon ermordet worden.

32 Belagert von Alarich und Attalus, bedroht von Constanti -nus, außerdem seiner geringen Streitkräfte nicht mehr sicher,

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 6: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ Κ L A Γ Τ E R I N G Κ Χ 39 i

gedachte Honorius um die Jahreswende 409/410 schon aus Ravenna nach Byzanz zu entfliehen, als von dort ein kleines kaiserliches Heer eintraf und zusammen mit dem Treue-bekenntnis Afrikas den Umschwung herbeiführte.

Kaiser Arcadiug starb 1.5.408 und hinterließ außer drei S3 Töchtern den erst siebenjährigen, bereits am 10.1.402 zum Augustus erhobenen Theodosius (II.).

Wegen Verpflegungsschwierigkeiten rückte Alarich von 37 Rom nach Unteritalien, um von Bhegium aus nach Sizilien und weiter nach Afrika überzusetzen, verlor aber durch Sturm die Flotte und starb (Ende 410) auf dem Rückweg bei Cosenza. Von seiner Beisetzung im Flusse Busento berichtet ausführlich Jordanes Crética 158. Die Goten wählten nun seinen Schwager Athaulf zum König, der sie 412 nach Gallien führte und für ihre dauernde Ansiedelung sorgte.

Britanniens Zusammenhang mit dem Reich wurde seit Be- 38 ginn des 5. Jahrhunderts durch verschiedene Usurpationen sowie durch den Giermaneneinbruch in Gallien mehr und mehr gelockert. Seit 428 begannen sich Angelsachsen auf der Insel anzusiedeln, worauf die letzten römischen Truppen um 442 das nie so ganz in die Tiefe romanisierte Land räumten. Die einheimische Bevölkerung setzte den Kampf gegen die Eindringlinge noch lange fort.

Die Ansiedlung der Ostgoten als römische Föderaten 30 erfolgte nach dem Zerfall des Hunnenreichee (453/4) durch Kaiser Marcianus (450-457) im mittleren und südlichen Pan-nonien. Nach dessen Tod zwangen sie den Nachfolger Leo (457—474) zur Zahlung von Jahrgeldern und ertrotzten .schließlich, nachdem die Amaler sie 472 aus ihrem bisherigen Wohnraum in südlicher Richtung herausgeführt hatten, neue Sitze in Mazedonien. Hier wurde 474 Theodorich Herrscher über die Ostgoten, ein gefährlicher Nachbar für Byzanz, der erst 488 zum Abzug gegen Italien veranlaßt werden konnte.

3. K a p i t e l

Die Vandalen saßen nicht, wie Prokop annimmt, am 1 Asowischen Meer (wo die Alanen bis zum Einbruch der Hun-nen 375 siedelten), sondern in Pannonien und zwar seit 335 als heerespflichtige Untertanen der Römer. Bevölkerungs-zunahme und Ernährungsschwierigkeiten, dazu sicher auch hunnischer und gotischer Druck brachten sie um 400 in Be-

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 7: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

392 P R O K O P

wegung. Nach kürzerem Aufenthalt in Norikum und Rät ien setzen sie, den Überfall Radagais ' auf Oberitalien nutzend (405), den Marsch donauaufwärts bis an den Rhein fort und erzwangen nach har tem Kampf mit dem fränkischen Grenz-schutz, wobei auch ihr König tíodigisil fiel, den Übergang bei Mainz (406). Über Belgien, der atlantischen Küste entlang, stießen sie raubend bis zu den Pyrenäen vor und brachen (409) über Pamplona in Spanien ein. Das Land wurde durchs Los verteilt : die Sueben und ein Teil der Vandalen (Asdingen) bekamen den Nordwesten, die Alanen Lusitanien, die rest-lichen Vandalen (Silingen) Südspanien (Baetica und Cartha-giniensis). Eine von der Regierung vertraglich geregelte, endgültige Landabtre tung an die Eroberer erfolgte n ich t ; das Gesetz, das die allgemein übliche 30-jährige Verjährungs-frist aufhebt , läßt. die Landnahme nur als eine vorübergehende Einquart ierung erscheinen, die (nach Gesetz vom 6. 2. 398, Cod. Theod. V I I 8/5) den Einlagerern ein Drittel von Haus und Hof einräumt.

Am 25. 8. 423 s tarb Honorius im 39. Lebensjahre an Was-sersucht. Flavius Constantius, einfacher Herkunf t aus Nisch. erwarb sich als magister utriusque militiae große Verdienste um die Ordnung der zerrütteten Verhältnisse des Westens (seit 410). erhielt daher die kluge und energische Galla Placidia, die in erster Ehe mit dem Westgotenkönig Athaulf verbunden gewesen war (413/415). am 1. 1. 417 zur Gemahlin und wurde a m 8. 2. 421 zum Mitregenten erhoben, s tarb aber schon - an Rippenfellentzündung - am 2. 9. 421. Der Ehe mit Galla Placidia entsproß sein einziger Sohn, der spätere Kaiser Valentinianus I I I . (424—455), geboren am 2. 7. 419.

Wegen „unziemlicher Annäherung" ihres Bruders Hono-rius kam es nach 421 zwischen Galla Placidia und diesem zum Bruch, worauf sie der Augustawürde entkleidet und nach Rom verbannt wurde. Von hier floh sie mit ihren Kindern (Anfang 423) zu Theodosius I I . nach Byzanz. In Italien aber bestellte der Senat nach Honorius' Tod den tüchtigen Juri-sten und Vorsteher des Notarkollegiums Johannes zum Kaiser (Dez. 423).

Johannes fand nicht die Anerkennung Ostroms, wo der fünf jähr ige Valentinian I I I . am 23. 10. 424 zum Kaiser erhoben, mit der zweijährigen Prinzessin Licinia Eudocia, der Tochter Theodosius' II . , vermählt und unter Obhut seiner Mutter mit einem Heer nach Ravenna zurückgesandt wurde.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 8: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Λ V 'Γ Κ Κ Γ X G E Χ 393

Johannes, der sein Machtgebiet nicht über Italien hatte aus-dehnen können, wurde besiegt und nach knapp 1 Vi (nicht 5) .Jahren Regierung auf Placidias Befehl gefoltert und ent-hauptet. (Mitte 525).

Die Charakterzeichnung des Johannes und Valentinian lo verrät eine senatsfreundliche Quelle, dürfte aber der Wirk-lichkeit in einigem entsprechen.

Die Kaiserinwitwe und ihre Töchter Eudocia und Placidia 13 fielen bei der Plünderung Roms 455 in die Hand Geiserichs, der Eudocia mit seinem Sohn und Nachfolger Hunerich ver-mählte.

Seit Stilicho gewannen die Heermeister neben dem immer 14 schwächer werdenden Kaisertum zunehmende Bedeutung, nur waren flies infolge des herrschenden Antigermanismus unter Placidia und Valentinian nicht mehr Giermanen, son-dern die („letzten") Römer Flavius Aetius aus Durostorum (Silistria). der mit den Hunnen befreundete Machthaber in Pannonien und Gallien, und Bonifatius, der dem Kaiserhaus ergebene Beherrscher der Kornprovinz Afrika.

Die Ernennung des Bonifatius durch Placidia geht auf das ie Jahr 422 zurück und wurde 425 bestätigt; wahrscheinlich wegen Spannungen mit der kath. Kirche ließ ihn der patricius und magister utriusque militiae Felix 427 zur Rechenschafts-rtblage nach Ravenna entbieten.

Die Intrige erscheint entsprechend ihrer Anlage wenig 18 ff glaubwürdig.

427 wurde Bonifatius der Krieg erklärt. Das erste kaiser- 22 liehe Heer besiegte er, gegenüber dem zweiten - stärkeren -Heer rief er die Vandalen zur Hilfe.

Der Tod des Königs Gunderich (Anfang 428) verzögerte die 23 Hilfeleistung der Vandalen, die nach einem entscheidenden Sieg über den römischen Feldherrn Castinus (422) ihr Macht-fiebiet in Südspanien gegen die See hin bedeutend ausgeweitet und durch Eroberung verschiedener Küstenstädte auch eine Flotte gewonnen hatten. An Gunderichs Stelle wählte die vandalieche Volksversammlung unter Übergehung der da-mals noch unmündigen Kinder des Verstorbenen dessen Bru-der (den unehelichen Sohn Godegisils von einer Sklavin) Geiserich zum König. Ein Doppelkönigtum, wie es Prokop offensichtlich unrichtiger Auswertung seiner Vorlage darstellt, in offensichtlich unrichtiger Auswertung seiner Vorlage dar-stellt, hat es nicht gegeben.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 9: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

394 PROKOP

Der Vertrag, der zwei Drittel des Landes und zwar zu gleichen Teilen für Geieerich und seinen regierenden Bruder vorsieht, ist meiner Aneicht nach aus der Vermengung zweier Verträge entstanden, von denen der erste mit Gunderich, der zweite mit dessen Nachfolger Geiserich abgeschlossen, jeweils das Barbaren gegenüber übliche „Föderatendrittel" ent-hielt.

26 Die Zahl der eindringenden Vandalen - zu denen in der Folgezeit sicher noch viele Nachzügler kamen - betrug etwa 80000 Köpfe, darunter 16000 bis 20000 Krieger.

30 Der Vormarsch der Vandalen erfolgte - begleitet von der Flotte - von Ceuta aus der afrikanischen Nordküste entlang nach Osten und brachte schwere Bedrängnisse für die Ein-wohner. Vor allem die kath. Geistlichkeit bekam das Arianer-tum der Vandalen zu spüren, doch sahen gewisse bisher religiös und sozial unterdrückte Bevölkerungsgruppen in den Barbaren auch ihre Befreier.

Die Einnahme der meisten Städte geschah mühelos, ledig-lich Cirta vermochte sich zu halten, und ebenso widerstand auch Karthago einem tjberrumpelungsversuch der Vandalen, worauf diese über Utica nach Hippo Regius lunkehrten und die Stadt belagerten. Nach 14 Monaten, während der Augu-stinus stirbt (28. 8. 430), ziehen sie zwar unverrichteter Dinge ab, doch wird Hippo von den Römern freiwillig geräumt und dient in der Folgezeit Geiserich als einstweilige Residenz.

35 Aspars Entsatzversuch, der erste seiner Art, mit dem die byzantinische Regierung die gefährdete römische Seeherr-schaft im Mittelmeer wiederherzustellen versuchte, fällt in die Jahre 431/2 und zwang wahrscheinlich die Vandalen. die Belagerung von Hippo aufzugeben, war aber trotz west-römischer Hilfe nicht nachdrücklich genug; lähmend wirkte vor allem der offene Krieg zwischen Aetius und Bonifatius. Auf Placidias Ruf kehrte letzterer 432 als Oberkommandie-render nach Italien zurück, besiegte Aetius bei Rimini. starb aber kurz darauf. Nunmehr übernahm Aetius für mehr als zwanzig Jahre die Macht im Westreich (433-454) und gab da-mit der Regierung in Ravenna auch den Vandalen gegenüber einige Handlungsfreiheit : Am 11.2 .435 konnte der kaiserliche Bevollmächtigte Trigetius zu Hippo mit Geiserich einen Ver-trag abschließen, wonach die Römer den Vandalen als Föde-raten in etwa die Provinzen Mauretania Sitifensis und Numidia sowie die Nordwestecke der Proconsularis abtraten.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 10: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Ä U T E R U N G E N 305

die Vandalen hingegen die restlichen von ihnen besetzten Teile Afrikas den früheren Herrn zurückgaben.

4. K a p i t e l

Das omen imperii des Marcianus (450-457). mehrfach und 2 ff auch in Verbindung mit anderen Prodigien überliefert, ist wohl Priskos als Quelle entnommen und zeugt für Prokops Interesse und Glauben an Vorzeichen. Eng verbunden dami t ist sein fatalistisches Bekenntnis (9).

Geiserich dür f t e im Vertrag von 435 jährliche Getreide- 13 lieferungen nach R o m zugesagt haben, ob als Tribut , ist fraglich.

Mit Recht betont Prokop Geiserichs zielbewußtes Bemü-hen, seine Stellung auszubauen und sich dabei jeder günstigen Gelegenheit zu bedienen. E twas verwunderlich daher, daß er von Geiseriche Überfall auf Kar thago (19. 10. 439), wozu ihn römische Schwierigkeiten in Gallien und Spanien veranlaßt haben dürf ten, keine Silbe erwähnt . Die Bedeutung des Ereig-nisses erhellt daraus, daß Geiserich seit der Einnahme Kar-thagos seine Königsära zählte und sich in jeder Hinsicht als souveräner Herrscher fühlte ; zugleich begann die Enteignung des Großgrundbesitzes und die systematische Bedrückimg fier ka th . Kirche. Mit der in der afrikanischen Haup t s t ad t erbeuteten Flot te aber setzten die unmittelbaren Angriffe auf Italien und seine Inseln ein, so daß sich Kaiser Valentinian nach vergeblicher Hilfeleistung Ostroms 442 zu einem neuen Vertrag mit Geiserich genötigt sah : Nur Mauretania Sitifensis und Caesarieneis sowie Numidia C irtene is und Tripoli tema blieben beim Reich, während die Proconsularis und Byza-eena als die reichsten Gebiete dem nunmehr völlig souveränen Vandalenstaat zufielen. Ravenna und Kar thago verstanden sich in der Folgezeit zu engerer Zusammenarbeit und unter-strichen dies 445 durch die Verlobung der Kaisertochter Eu-docia mit dem zunächst als Geisel gestellten Kronprinzen Hunerich.

Galla Placidia s ta rb am 27. 11. 450; ihr Sohn Valentinian 16 I I I . erlag der Rache der Gefolgsleute des von ihm 454 besei-tigten Aetius am 16. 3. 455.

Der Usurpator Magnus Maximus (383-388) wurde von 16 Theodosius I . 388 bei Pötovio besiegt und fand a m 28. Au-gust des Jahres den Tod.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 11: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

396 P R O K O P

17 ff Die anschließende Skandalgeschichte dürfte, obwohl mehr-fach überliefert, unhistorisch sein. Der sehr reiche Aristokrat Petronius Maximus. der im Dienste Valentinians I I I . höchste Ämter bekleidet hatte, stand offenbar in enger Verbindung mit Aetius und benutzte dessen Ermordung, um sieh mittels Geldspenden die Unterstützung der Truppen zu erkaufen ( 1 7 . 3 . 4 5 5 ) .

24 Bei der erwähnten Schlacht handelt es sich um die sog. Völkerschlacht auf den Katalaunischen Gefilden (Mitte 451).

27 Nachdem Aetius durch den Konflikt mit den Hunnen in seiner Machtstellung erheblich erschüttert worden war, gleich -wohl aber das Westreich durch Vermählung seines Sohnes Gaudentius mit einer Tochter Valentinians an sich ziehen wollte, suchte sich dieser des lästigen Patricius ( = Major -domus) zu entledigen (21. 9. 454). Geiserich, der Ähnliches für seinen Sohn Hunerich erstrebte, wirkte vielleicht im Hintergrund dabei mit.

29 Hier irrt Prokop: Der Angriff Attilas auf Aquileja erfolgte 452, also zwei Jahre vor Aetius' Tod. Wiederum läßt es sich unser Autor nicht entgehen, das Vorzeichen mit den Störchen anzuführen und damit sein Interesse für omina zu bekunden.

38 Die Ermordung Valentinians und die Vermählung Eudo-cias, der Verlobten seines Sohnes Hunerich, mit Maximus' Sohn Palladius veranlaßten Geiserich zum sofortigen Ein-greifen. Ein Hilferuf der Witwe Valentinians war nicht mehr nötig.

5. K a p i t e l ι Neben Beutelust war für Geiserich auch der Wunsch be-

stimmend, seinen Einfluß in Rom zu erhalten und vielleicht sogar Erbansprüche zugunsten seines Sohnes Hunerich anzu-melden. Rom wurde widerstandslos am 2. 6. 455 von den Vandalen eingenommen, nachdem schon zwei Tage zuvor Maximus von einer wütenden Menge buchstäblich zerrissen worden war.

3 Die Plünderung Roms, viel schwerer als 410, dauerte bis zum 16. 6. 455 und beraubte die Stadt ihrer sämtlichen Kostbarkeiten, darunter auch des jüdischen Tempelschatzes. Auf Bitten Papst Leos I. , der - ebenso wie 452 Attila - Geise-rich mutig entgegentrat, wurden Mord- und sonstige Gewalt-taten vermieden. Bemerkenswerterweise nahm Geiserich auch Facharbeiter mit nach Karthago.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 12: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Ä U T E R U N G E N " 397

Olybrius kam 472 - unterstützt von Geiserich - aus Byzanz 4 nach Italien und bestieg nach Ermordung seines Vorgängers Anthemius (11.7.472) den weströmischen Kaiserthron, (¡estorben am 2. 11. 472.

Aspar. Sohn des Alanen Ardubar, begegnet bereits 425 als 7 tüchtiger Soldat bei der Rückführung Valentinians I I I . nach Italien, unterstützt 432 die Römer in Afrika gegen Geiserich und wirkt maßgeblich als Heermeister mit bei der Erhebung Leos I. zum Kaiser; dieser entledigt sich 471 durch Mord sei-nes unbequemen Majordomus, der seinen Sohn Patricius bereits zum Casar und Thronfolger ha t te erheben lassen.

Die Krit ik an dem sonst gelobten und bewunderten Gleise- 9 rieh beweist Prokops Bemühen um Objektivität .

Theodoro8 = Theodorich war Geiserichs Zweitältester Sohn, ll ff Sein ältester Sohn Honorichos=Hunerich folgte, selbst schon bejahrt , dem Vater in der Regierung (477—484). I m Gegensatz zu anderen germanischen Reichen besaß der Vandalenherr-scher - rex Vandalorum et Alanorum lautet sein offizieller Titel - eine sehr starke, durch Geiserich nach der erfolgreich niedergeworfenen Adelsrevolte von 442 noch weiter befestigte Stellung. Die Thronfolgeordnung von 476/7 erklärte das Königtum als Erbe der Haedingensippe, deren jeweils ältestes Mitglied - ohne Mitwirkung des Volkes - die Krone erben sollte. Der Vandalenkönig urkundete nach seinen Regierungs-jahren und nahm mit der völligen Unabhängigkeit vom Rö-merreich auch das Münzrecht für sich in Anspruch. Er besaß den militärischen Oberbefehl, Gerichts- und Kirchenhoheit sowie das Gesetzgebung»-, Verordnungs- und Steuerrecht·. Große Landgebiete - ehedem römische Latifundien - waren sein unmittelbarer Besitz.

Dem König unterstand ein ausgedehnter Geburts- und Dienstadel von Vandalen und Alanen, der nach germani-schem und römischem Recht hierarchisch geordnet, die ver-schiedensten öffentlichen Aufgaben wahrnahm. Dieser besaß steuerfreien, durch Kolonen und Sklaven bewirtschafteten Grundbesitz (die sog. Vandalenlose), ebenso wie die nächst-niedere Schicht der Gemeinfreien, welche vornehmlich Kriegsdienste leisteten. Die ursprünglich strenge Trennung gegenüber der einheimischen römischen Bevölkerung wurde schon frühzeitig durchbrochen, so daß die Romanisierung in den letzten Jahren des Vandalenreiches sowohl auf völki-schem wie kulturellem Gebiet starke Fortschrit te machte.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 13: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

398 ΐ ' κ υ κ ο ρ

Von Anfang an war das Staatswesen durch das zahlen-mäßige Mißverhältnis zwischen Fremden (höchstens 100000) und Einheimischen, außerdem durch die zeitenweise mi t gro-ßer Schärfe ausgetragenen Gegensätze zwischen arianischem und orthodox-katholischem Christentum belastet. Das führ te zur Einrichtung eines ausgebildeten Überwachungseystems und gab dem Reich das Ansehen eines Polizeistaates. Mili-tärisch waren die Vandalen weder zu Land noch zu See beson-ders stark, doch lieh ihnen die Beweglichkeit ihrer Reiterei und die Vielzahl ihrer meist kleineren Schiffe gegenüber schwerfällig operierenden Gegnern eine beachtliche Über-legenheit.

Die einheimische Bevölkerung war gegenüber der herr-schenden Germanenschicht minderen Rechts und wegen ihres Glaubens Bedrückungen ausgesetzt, sie t rug vor allem die Steuerlast, die aber geringer war als in Just inians Herr-schaftsbereich. Wirtschaft und Handel entwickelten sich nach vorübergehenden Erschütterungen in den herkömm-lichen Bahnen weiter, während in Kunst und Literatur ein deutlicher Abstieg zu erkennen ist.

Sehr bedenklich wirkte sich im Vandalenreich das ver-s tärkte Vordringen der berberisch-maurusischen Wüsten-bevölkerung aus, die in langwierigen Kämpfen ausgedehnte Grenzgebiete besetzte und sich selbst nach Friedensschlüssen als unsicherer Nachbar erwies; auch zum Militärdienst konn-te sie nur mi t Vorsicht herangezogen werden. In den letzten Jahren ihres Reiches dürf te sich die Herrschaft der Vandalen lediglich auf Tunesien, Ostnumidien und einige Grenzstreifen und Küstenpunkte sowie auf Inseln des westlichen Mittel -meerbeckens beschränkt haben.

22 Unmittelbar nach der Plünderung Roms benützte Geiserich die Gelegenheit, da das weströmische Reich ohne Kaiser und der Vertrag von 442 offensichtlich gegenstandslos gewor-den war, um sich der restlichen römischen Gebiete westlich der Großen Syrte zu bemächtigen und die Eroberung der großen italischen Inseln wenigstens einzuleiten. Der tüchtige Kaiser Maiorinus (457-461) versuchte zwar, von Sizilien und Spanien aus das Vandalenreich in die Zange zu nehmen, wurde aber durch Verrat und gewaltsamen Tod an größeren Erfolgen gehindert, worauf Greiserich seine Angriffe auf die feindlichen Küstengebiete erneuerte und nun auch Ostrom in den Krieg einbezog. Ziel seiner Unternehmungen, die in

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 14: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Ä U T E R U N G E N 399

den betroffenen Teilen tiefen Eindruck und schmerzliche Erinnerungen zurückließen, war es vor allem, mit Kaiser und Reich zu einem festen Abkommen zu gelangen, das ihm Souveränität und Besitzstand garantierte.

β. K a p i t e l

Leo I . entechloß sich 467 - unter gleichzeitiger Bestellung l seines Schützlings Anthemius zum Herrscher des Westens - , durch konzentrischen Großangriff der dauernden Bedrohung Westroms durch die Vandalen ein Ende zu setzen und die ausschließliche Seeherrschaft im Mittelmeer dem Reich zurückzugewinnen. Geiserich antwortete mit erneuten Über-fällen sowie diplomatischen Verhandlungen mit Sueben, West- und Ostgoten.

Der von Sardinien und Sizilien (Marcellianus) sowie von 7 ff Tripolis her (Heraclius) unterstützte Angriff der „großen" Flot te (Basiliscus) auf Kar thago - sie landete bei K a p Bon -erinnert in seiner Anlage an das spätere Unternehmen Beiisars und bot gute Voraussetzungen für einen entscheidenden Erfolg. Rücksicht auf den im Anmarsch befindlichen Herac-lius, Unkenntnis der Windverhältnisse sowie eigene Unsicher-heit ließen indessen Basiliscus gegenüber Geiserich zögern, der seine zahlenmäßig weit unterlegenen Strei tkräfte konzen-triert und alles auf eine Karte , den Überraschungsangriff, gesetzt ha t te . Was über Verrat und Bestechung des römischen Oberbefehlshabers von Prokop vorgebracht wird, scheint bösartige Nachrede.

Beiisar und seine Leute haben bei ihrem Vandalenzug die damals gemachten Erfahrungen sich sehr zunutze gemacht.

Gegen Septemberanfang wehen regelmäßig starke Winde 17 vom Lande her.

Der Sieg der Vandalen gab Aspar, der für ein gutes Verhält- 27 nis zu Geiserich eingetreten war, neuen Auftrieb, so daß Kaiser Leo dessen Sohn Patricius zum Cäsar erhob (468) und mit seiner Tochter Leontia vermählte (470). Die Abneigung gegen einen arianischen Thronfolger, dazu noch einen Ger-manen, weckte indessen eine scharfe Reaktion und führ te zur Ermordung Aspars und seines Sohnes Ardabur (471), wäh-rend Patricius die Cäaarwürde verlor und von Leontia ge-schieden wurde. Innere Unruhen, gefördert durch religiöse und völkische Gegensätze, dauerten noch länger fort und

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 15: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

400 P R O K O P

b r a c h t e n nach Leos Tod (474) vorübergehend auch Basiliusens (475/6) zur Regierung. U n m i t t e l b a r mi t Aspar scheint dieser n ich t konspir ier t zu h a b e n .

7. K a p i t e l

ι N a c h d e m Mil l ingen des Großangr i f f s auf das Vandalen-reich e r f u h r An themius ' Ste l lung solche Schwächung , d a ß sein Schwiegervater , der be rüch t ig t e Pa t r i c ius und Heer -meis ter Ric imer , ihn n a c h längerer Belagerung in R o m besei t igen (Mitte 472) u n d a n seine Stelle den schon lange von (Jeiserich gewünschten u n d auch von der Regierung in By-zanz u n t e r s t ü t z t e n Olybr ius se tzen k o n n t e . N a c h d e m Rici-m e r a m 19. 8. 472 e inem B l u t s t u r z erlegen war . s t a r b Olybr ius a m 2. 11. 472 eines na tü r l i chen Todes .

2 Zeno war wegen seiner i saur ischen H e r k u n f t und seiner religiösen H a l t u n g bei g roßen Tei len des Volkes sehr unbe-l iebt , so d a ß Leo I . als seinen Nachfo lge r Zenos und Ar iadnes sechs jähr igen Sohn, seinen E n k e l Leo I I . , bestel l te , de r aber schon wenige Tage n a c h se inem R e g i e r u n g s a n t r i t t (9. 2. 474) seinen V a t e r Zeno z u m A u g u s t u s e rhob . H e r b s t 474 s t a r b der junge Her rscher , be re i t s a m 9. 1. 475 m u ß t e Leo vor Basil iscus in seine isaur ische H e i m a t entf l iehen, aus de r er e rs t Avigust 476 nach Byzanz z u r ü c k k e h r e n k o n n t e .

4 ff Der e twas summar i sche , m i t allerlei anekdo t i schem und enkomias t i schem Beiwerk a u s g e s t a t t e t e Ber icht über Kaiser Maior inus gehör t chronologisch vor den Großangriff der B y z a n t i n e r (468) und scheint hier nu r e ingefügt , u m die d ü r r e n , chronikar t igen A u s f ü h r u n g e n e twas aufzulockern u n d d e m Leser ein neues omen (9. 10) zu ve rmi t t e ln . Der Ver lus t seiner in Car t agena berei tgestel l ten Transpor t f lo t t e von 300 Schiffen a n die Vanda len zwang den Herrscher 461 seinen Angriff auf Af r ika abzub rechen und nach I ta l ien zu rückzukehren , wo ihn Ric imer e r m o r d e n ließ. P r o k o p s Er-zäh lung widerspr ich t m e h r f a c h der h is tor ischen W a h r h e i t .

15 Die le tz ten wes t römischen K a i s e r : Glycerius 473/4, Iu l ius Nepos 474/5 (als Her r scher D a l m a t i e n s 480 e rmorde t ) , R o m u -lus „ A u g u s t u l u s " 475/6 (23. 8. 476 abgese tz t ) .

18 Basil iscus b r ach t e vor al lem d u r c h monophys i t en f reund l i che Pol i t ik (sowie d u r c h „Greiz") die H a u p t s t a d t und die or tho-doxen Prov inzen gegen sich auf . Auch nach Zenos R ü c k k e h r l i t t de r Os ten an schweren inneren U n r u h e n .

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 16: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

ERLÂl'TERl'XGEX 401

Der im Sommer 474 mit dem eben erst zur Regierung ge- 29 Uingten Kaiser Zeno abgeschlossene Vertrag garantierte den Vandalen ihren gesamten bisherigen Besitzstand (Afrika westlich der Großen Syrte, ferner die Mittelmeerinseln west-lich von Italien) sowie „ewigen Frieden", während diese die ungestörte Abhaltung des kathol . Gottesdienstes und die Rückgabe bzw. den Freikauf aller römischen Gefangenen zusagten.

Mit unbeirrbarer Folgerichtigkeit, har t und maßvoll zu- 30 gleich, nötigte Greiserich (gest. 477) den Römern die Aner-kennung vollständiger Souveränität ab imd errang damit als germanischer Herrscher eine einzigartige Stellung inmitten der ausgehenden antiken Welt. In diesem Punkte ha t er, eine der bedeutendsten Gestalten der Völkerwanderung, sogar den Ostgoten Theodorich übertroffen. Er vereinigte Feld-herrntum, Diplomatie - und Glück, so daß ihm auch die Römer (siehe Prokop!) höchste Anerkennung nicht versagen konnten. Verständlich, daß der Groll der gedemütigten orthodoxen Kirche in Afrika und der enteigneten Feudal-herrn ihn verfolgte und das in Einhal tung seiner Verpflich-tungen gegenüber „Barba ren" niemals vorbildliche Imperium Romanum ihn als den gewalttätigen Zerstörer der Reichs-einheit betrachtete, doch ha t der Vorwurf des „Vandalismus" ihm und seinen Nachfolgern gegenüber keine Berechtigung: (ìeiserichs Vorgehen hielt sich einerseits in den - zweifellos harten - Formen der damaligen Kriegführung, er schuf ande-rerseits nach langen Wirren im Zentrum des Mittelmeeres wieder friedliche und gefestigte Zustände. Just inians Rück-eroberungspolitik hat , wie Prokop noch berichten wird, hier verhängnisvoll gewirkt.

8. K a p i t e l Hunerich, bei Regierungsantri t t schon über 50 Jah re alt, l

herrschte vom 25. 1. 477 bis 22. 12. 484 und ha t te von seinem großen Vorgänger ein schweres Erbe zu übernehmen: Be-kämpfung der wieder in Erscheinung tretenden Adelsoppo-sition, Zurückweisung der unruhigen Maurusier und strenge Überwachimg der in Greiserichs letzten Jahren ziemlich frei gewordenen orthodoxen Kirche, deren Episkopat die har te Hand zu spüren bekam. Die genannten inneren Schwierigkei-ten sowie die Einsicht in seine bemessenen Machtmittel ließen Hunerich auf außenpolitische Unternehmen verzichten.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 17: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

402 P R O K O P

Prokop beschäftigt sich vor allem mit der religiösen Seite seiner Regierung, über die ihm in Bvzanz wie in Afrika offensichtlich sehr ungünstige Nachrichten zukamen.

β Gunthamund (22. 12. 484 - 3. 10. 496) hat . wie Prokops äußeret knapper Bericht andeutet , den Zeitgenossen und Geschichtsschreibern nur wenig Stoff gegeben: Die summa-rische Behauptimg, er habe die Verfolgung der Katholiken verstärkt , findet in der sonstigen Überlieferung keine Stütze ; der Gegensatz zu den Katholiken nahm eher ab, zumal die Glaubensformel (Henotikon) Zenos (482) einen starken Bruch zwischen östlichem und westlichem Christentum herbeiführte und Konspirationen zwischen Ostrom und Afrika erschwerte. Verlustreiche Kämpfe mit den Maurusiern, fernerhin das Aufkommen des Ostgotenreiches in Italien, dem die Vandalen 491 Sizilien überließen, brachte eine weitere Schwächung ihres Staates.

» Das Lebensbild Thrasanmnds (3. 10. 496 - 7. 6. 523), des Bruders Gunthamunds, ist von Prokop als einem jüngeren Zeitgenossen deutlicher gezeichnet und im wesentlichen getroffen; der ausführliche Bericht über den Feldzug gegen Maurusier verrät freilich stark katholische Tendenz, soll offensichtlich aber auch den Leser mit seinem schmückenden Beiwerk interessieren. Unter dem Druck der Verhältnisse sucht Thrasamund Anlehnung an das Ostgotenreich Theodo-richs. der ihm 500 seine verwitwete Schwester Amalfrida mit stattlicher Mitgift (Westteil Siziliens und 6000 Gefolgsleute) zur Gemahlin gibt, sowie an den oströmischen Kaiser Ana-stasius (491-518). Indem der König jedoch ein engeres Bünd-nis mit den Ostgoten ausschlägt, zugleich aber in Gegensatz zu Anastasius' Nachfolger Just inus (518-527) gerät, bereitet, er das Schicksal seines Reiches vor.

9. K a p i t e l ι Hilderich (7. 6. 523 - 15. 6. 530). Sohn Hunerichs und der

Eudocia, also Halbrömer, offensichtlich wenig willensstark und bei seinem Regierungsantritt schon ziemlich bejahrt, brach mi t der katholikenfeindlichen Politik seines Vorgän-gers und suchte Anlehnung an Byzanz. Die Beseitigung (526) der Königinwitwe Amalafrida und ihrer Gefolgsmänner ver-t ief te noch den Gegensatz zum Ostgotenreich. Damit bahnte sich im Vandalenetaat eine Entwicklung an. wie wir sie wenige Jahre später unter Amalasuntha und Theodahad in

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 18: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

ERLÄUTERUNGEN 403

Italien festeteilen können: Ebenso wie dort unter YVittigis regte sich auch in Afrika sehr rasch die Opposition gegen gegen die schleichende römische Unterhöhlung und führ te zum Sturze Hilderichs durch den Anführer der „nat ionalen" Kräf te , Gelimer. Just inian war dadurch, wie später in I tal ien, genötigt, seinen diplomatisch angebahnten Weg mit kriege-rischen Mitteln weiterzugehen und zu vollenden.

Prokop scheint die Politik Ostroms wohl in ihrer Hinter- 8 hältigkeit durchschaut zu haben, hütete sich aber - da er sie, wenigstens anfänglich, durchaus billigte - in aller Deutlich-keit aufzudecken. Die im folgenden angeführten diplomati-schen Schreiben gehen auf Originaldokumente zurück, die unser Geschichtsschreiber nur umstilisierte, und lassen das Vorgehen der kaiserlichen Regierung erkennen: Ohne einen Rechtstitel zu besitzen, maßte sie sich die Entscheidung in rein innenpolitischen Angelegenheiten an und machte sich zum Garanten der Erbfolgeordnung Geiserichs. Sie wollte damit , wie auch die ersten Erklärungen Beiisars auf afrikanischem Boden erkennen lassen, Zwietracht zwischen den „Tyrannen" Gelimer und der romfreundlichen Vandalengruppe u m Hil-derich säen und damit die Widerstandskraft des Staates lahmen.

10. K a p i t e l

Anfang 532 gelang es Justinian, den sog. Nika-Aufstand 1 niederzuwerfen; Mitte des gleichen Jahres folgte der Frie-rt ensschluß mit Persien.

Praefectus praetorio ist der von Prokop mehrfach har t S gescholtene Johannes der Kappadoker, der aber als Finanz -mann Bedeutendes leistete und als erprobter und eben erst nach dem Nika-Aufstand zurückberufener Helfer sich gegen-über Jus t in ian manche Freiheit herausnehmen durf te . I m übrigen verrät unser Geschichtsschreiber mehrach, wie sehr er „Freimut vor Königsthronen" zu schätzen weiß.

Der klare Aufbau und der sachliche Gehalt der Rede lassen 8 ff mit Sicherheit annehmen, daß es sich um Ausführungen des praefectus praetorio handelt , die Prokop für sein Werk ledig-lich umstilisierte ; den Wortlaut konnte er durch Ohrenzeu-gen oder aus Sitzimgsprotokollen erfahren. I n seinem Innern dürf te der Autor - zumal in der Rückschau - dem Finanz-mann recht gegeben haben.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 19: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

404 PROKOP

18 Das Auftreten des Priesters bezeichnet deutlich den Kon-trapunkt zu den Worten des Staatsmanns und hebt die ideel-len Gesichtspunkte des Unternehmens hervor. Dieses scheint Justinian übrigens schon längst eingefädelt zu haben : Während Byzanz die Feindschaft zwischen Vandalen und Ostgoten wach erhielt und letztere hoffierte, wurden die Außenposten des Vandalenreiches Sardinien und Tripolitanien durch Auf-stände entfremdet und das Westgotenreich, wie das spätere Verhalten des dortigen Königs Theudis ( I I I 24/7ff.) beweist, zum Stillhalten verpflichtet. Hinzu kommt die schon erwähn-te Stärkung der inneren Opposition gegen (ielimer. Daß Pro-kop von all dieser ihm wohlbekannten .,Vorarbeit" Justi-nians schweigt bzw. sie nur aus großenteils kommentarlos gebotenen Fakten erschließen läßt, mag auch darin seinen Grund haben, daß er Belisare Waffentaten, deren Preis ja vorzüglich sein Werk dient, nicht verdunkeln lassen will.

28 ff Godas' Brief paßt mit seinem Hinweis auf die Grausamkeit Gelimers gegen Verwandte und Untertanen vorzüglich zu Justinians Propaganda und dürfte bestellte Arbeit gewesen sein. Im übrigen inuß es sehr verwundern, daß der Empörer auf der abgelegenen Insel Sardinien wesentlich früher als Gelimer, der davon angeblich völlig überrascht wurde ( I I I 14/10), vom Unternehmen Beiisars wußte und seine eigenen Pläne darauf abstimmte.

11. K a p i t e l

2 ff Die Aufzählung der Feldherrn und Kontingente, wenn auch nicht vollständig, stützt sich auf genaue Kenntnis des Ver-fassers und macht einen zuverlässigen Eindruck. Zum Ab-schluß der Liste wird Beiisar in seiner ganzen Machtfülle (18ff.) vorgestellt und soll sich dem Leser als Urheber der kommenden Erfolge einprägen, während Justinian (25ff. ). wenn auch etwas verhüllt, sich als der große Unglücksbringer ankündigt.

23 Tzazons Expedition nach Sardinien stellt sich, soweit wir den Berichten über den Vandalenkrieg entnehmen können, als Hauptfehler Gelimers dar. Im Gegensatz zu Geiserichs Vorgehen 468 verzettelte er seine Streitmacht und entblößte seine Hauptstadt, gegen die sich dann Beiisars Hauptangriff richtete. Im übrigen verschwinden die 120 „besten Schiffe", die Tzazon und seine 5 000 Mann nach Sardinien brachten, aus

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 20: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E Κ L A Γ Τ E R I" X G E Ν 405

Prokops weiterem Kriegsbericht, so daß man fast an groß-angelegten Verrat denken möchte, der auch den Rest der vandalischen Flot te im Augenblick höchster Gefahr am Einsatz hinderte.

Eine Möglichkeit : Könnte die Rückeroberung Sardiniens vielleicht dem Zweck gedient haben, die Ostgoten vom un-mittelbaren Eingreifen in den Krieg abzuhalten ?

Wiederum wird ein großes Unternehmen mit einem Vor- 2β ff zeichen eingeleitet, dessen nur unter gewissen Schwierigkeiten feststellbare Erfül lung mir Prokops enges Verhältnis zu der-artigen Gegenständen beweist. Stotzas wiegelt nach Beiisars Abreise aus Kar thago (IV 15/1) die römischen Truppen in Afrika gegen den Kaiser auf und bleibt für mehrere J a h r e eine Bedrohung der dortigen Ordnung, bis er im Kampfe fällt (IV 24/9ff.).

12. K a p i t e l

Die Flotte fuhr Jun i 533 von Byzanz ab. Nachdrücklich l wird das Ereignis mit der Person des Kaisers verbunden, unmittelbar danach aber Beiisar und seine Gemahlin sowie tier Verfasser des Werkes herausgestellt.

Die feierliche Taufe eines Soldaten - nach an. 1/16 dürf te 2 es Antoninas späterer Liebhaber( ' ) Theodosios gewesen sein - sollte wohl den missionarischen Zweck des gegen die „arianischen" Vandalen gerichteten Unternehmens betonen.

Für den hochwichtigen Augenblick der Abfahrt der Ar- 3 mada hat sich Prokop bewußt sein eindrucksvollstes Traum -geeicht aufgespart , das Beiisar und seine Offiziere als Frie-densmänner und Glücksbringer darstellt und den Verfasser selbst in engste Verbindung mit ihnen bringt.

Im folgenden spricht Prokops Feldtagebuch, doch wird der eff sonst vielleicht in dürre Aufzählung der Wegstationen ab-gleitende Bericht 11-21 durch eine erbauliche Rede Beiisars unterbrochen, deren propagandistischer Zweck mit Händen zu greifen is t : Gott ist auf Seiten der Römer, und der Ober-feldherr der Garant , daß nicht Ungerechtigkeit und Zügel-losigkeit der Truppe den himmlischen Schutz rauben und ihre „friedliche" Absichten durchkreuzen. Das Bild Beiisars wird „aufgebaut" .

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 21: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

406 PKOKO 1'

13. K a p i t e l ff Die Fahr t vollzog sich der Nordküste der Propontis ent-

lang und weiter durch die Dardanellen, wo die schmale Fahr-bahn und die Strömung besondere Schwierigkeiten boten. Vor der Überquerung des Ionischen Meeres sammelte sich die Flot te an der Südwestecke der Peloponnes, in Methone.

ff Bei dem gesundheitsschädlichen Reiseproviant handelt es sich um schlecht zubereiteten Zwieback. Gerne ergreift Pro-kop die Gelegenheit, durch scharfen Angriff auf Johannes d. K . den alten Gegensatz zwischen diesem und Beiisar her-vorzukehren (wobei natürlich auch Just inian seinen Teil abbekommt) und den Feldherrn als den wahrhaft fürsorg-lichen Vater seiner Leute hinzustellen.

ff Die Flot te nahm von Methone aus zunächst den Weg nördlich der Küste entlang zur Insel Zakynthos und dann rein westlich in Richtung auf den Ätna, die gleiche Route also, welche die Athener schon 415 v. Chr. wählten. Das Unternehmen war, wie wir aus vielen Einzelheiten entneh-men dürfen, in seinem Ablauf genau berechnet und vorbe-reitet. Prokop selbst befand sich während der Überfahrt ver-mutlich mit Beiisar und seiner Gemahlin an Bord des gleichen Schiffes. Wie uns die Anekdote verraten, fühlte er gegen An-tonina tiefen Haß, hütete sich aber wohl, diesen (1er mäch-tigen Freundin Theodoras öffentlich zu zeigen; im Gegenteil n immt er manche Gelegenheit wahr, ihre Klugheit und Ent-schlossenheit rühmend zu erwähnen und damit - neben einem gewissen Tribut an Beiisar - seine Objektivität zu erweisen.

14. K a p i t e l ι Von Beiisars „Unwissenheit" in der vorliegenden Form

zu sprechen, klingt reichlich seltsam. Durch Spitzel und zahl-reiche Parteigänger wußte Byzanz genau um die Verhältnisse im Vandalenetaat und hat te , wie schon erwähnt, das Unter-nehmen diplomatisch wie militärisch mit aller Sorgfalt vor-bereitet. Wenn Beiisar sich unsicher fühlte, so vor allem aus Sorge vor unvorhergesehenen Hemmnissen, z.B. Truppen-meuterei, Verpflegungsschwierigkeiten. Prokops Darstellung verfolgt das doppelte Ziel, Beiisars Leistung und Wagemut sowie das eigene Verdienst als Kundschafter herauszuheben. I m übrigen ist Prokops „zufälliges" Zusammentreffen mit

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 22: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ Κ J . A l i ' Κ H Γ . V (i Κ.V 407

einem ihm wohlbekannten Schiñsherm k a u m g laubwürdig ; vermutlich befand sich in Syrakus eine gut a rbe i tende kaiser-liche Spionagezentrale. mit der unser Geschichtsschreiber zusammenarbei te te .

Die Landung bei Caputvada , heute Ras K a b o u d i a a n der 17 Ostküste von Tunesien, erfolgte am 31. August 533, a n einem sehr geeigneten und sicher schon lange ins Auge ge faâ ten Platz , den auch ein späteres römisches Heer un te r J o h a n n e s Troglita (Corippus, Johanneis I 369) benutz te .

Der Feldzugsbericht, dem unmit te lbaren Erleben en tnom-men, gewinnt in diesem und den folgenden Kapi te ln beson-dere In tens i tä t und auch menschliche Wärme .

15. K a p i t e l Die für und gegen die Landung sprechenden Gesichts-

punkte werden in zwei ausführl ichen Reden zusammen-gefaßt und diese den Vertretern von Heeresverwal tung (Archelaus) und Oberkommando (Beiisar) in den Mund gelegt. Wenn wir das - geringfügige - rhetorische Beiwerk abziehen, so en tha l ten die Ausführungen gutes, historisches Material, das Prokop wahrscheinlich als Zuhörer oder Pro-tokollführer in seinem Tagebuch festhielt . Sichtlich lag ihm daran. Beiisars Aufgeschlossenheit jedem Ratsch lag gegen-über und den Erns t seiner Überlegungen deutl ich zu machen . Dan konnte ihn späterhin gegen verleumderische Unters te l -lungen schützen.

Das günstige Vorzeichen bei der Landung unters t re icht 34 erneut das „himmlische Einvers tändnis" mit Beiisars Unte r -nehmen sowie das enge Verhältnis Prokops zu seinem Her rn .

16. K a p i t e l Die Tatsache von Plünderungen benütz t Prokop, eine l ff

weitere Rede Beiisars einzufügen, die mi t moralischen Sentenzen durchflochten, seine schonende Kr iegsführung beweisen unti die Schuld an allenfallsigen Übergriffen anderen zuschieben soll. Das Bild Beiisars als des Wahrers innermili-tärischer Disziplin ( I I I 12/6ÉF.) wird je tz t d u r c h das des Beschützers und Befreiers der römischen Zivilbevölkerung ergänzt.

Die Schilderung von Syllektos und seiner E i n n a h m e ver rä t 9 ff einen Mann von scharfer Beobachtungsgabe.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 23: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

408 P R O K O V

12 Das Verhalten des vandalischen Oberpostmeisters läßt ahnen, wie weit Verrat bereits das Nachrichtenwesen des Staates durchsetzte und lahmte. Auffallend, daß Prokop seinen Namen nicht nennt.

13 ff Das Manifest - aus einein Originaltext der Heereskanzlei zusammengezogen - liegt genau in der Linie der bisherigen kaiserlichen Propaganda: Ohne zu klären, was er mit dem Vandalenreich plane, versucht Justinian einen Keil zwischen Gelimers und Hilderichs Anhang zu treiben. Hoffte der Kaiser tatsächlich. Hilderich zu befreien und aus dessen Hand das Land übereignet zu erhalten, wie es später in Italien auch bei Theodahad geplant war ?

17. K a p i t e l

ι Johannes, offensichtlich ein besonders kühner und kluger Offizier und enger Vertrauter Beiisars, erhielt später die ver-antwortungsvolle Aufgabe. Gelimer auf seiner Flucht ins Maurusierland zu verfolgen, wurde dabei aber durch tien unglücklichen Pfeilschuß eines Betrunkenen getötet ( IV 4/18). Der Feldherr ehrte seinen 1. Stabsoffizier durch Schmuck des Grabes.

4 Der Text läßt vermuten, daß Beiisar über Aufenthaltsort und Bewegungen Gelimers fortlaufend Meldungen erhielt. Dieser selbst dürfte durch die Ankunft der Römer kaum in dem Maße überrascht worden sein, wie es Prokop glauben ma-chen möchte ( I I I 14/10); in Erwartung des Kommenden wird er sich auf seinen Landsitz Hermione zurückgezogen haben, um dort abseits der schwer zu verteidigenden Haupt-stadt die Vandalen zu sammeln und sein Heer vielleicht noch durch Maurusier zu verstärken. Im Kap. 18 hören wir weiterhin von einem durchdachten Operationsplan der Van-dalen. der längere Vorbereitungen voraussetzt.

β Beiisars Feldherrnbild wird im Sinne der Rede I I I 16/2ff. weiter aufgebaut.

7 In den eindrucksvollen „Wir-Bericht" klingt irgendwie Xenophons Anabasis mit ihren Marschschilderungen hinein. E s kommt auch zum Aufenthalt in einem „Paradeisos" des Königs, dessen Üppigkeit übrigens in einem eindrucksvollen Gegensatz zur bänglichen Kriegslage steht.

11 Gelimers Maßnahmen verraten Entschlossenheit und ge-wisses strategisches Denken, doch bleibt das Fehlen jedes

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 24: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ Κ LAI i Κ Κ υ .Ν ( i Κ λ 409

Flotteneinsatzes auf Seiten der Vandalen rätselhaft . Die Tatsache, daß Beiisar seine Schiffe etwa 40 km von Kar thago entfernt ankern ließ (16), mag vielleicht mit der Furcht vor einer in der Haup t s t ad t verborgenen Kriegsmarine zusam-menhängen; von irgendwelchem Widerstand zur See hören wir späterhin aber nichts.

18. K a p i t e l

Aus Prokops Worten klingt keine eben hohe Meinung von 2 IT Beiisars Feldherrnkunst , dem nach Ansicht unseres Ge-schichtsschreibers die Verbindung mit der Vorausabteilung sowie mit dem hunnischen Flankenschutz verloren ging und nur der zufällige Tod des Ammatas und der Sieg der hunni-schen Reiterei Schlimmstes ersparten.

Die Kämpfe spielten a m 10. Meilenstein (Decimum) südlich Karthago, wo die Straße einen Engpaß durchquert , und auf den Salzflächen westlich der Stadt .

19. K a p i t e l

Prokop, der den Gang der Ereignisse offenbar in Beiisars Nähe erlebte, vermag wohl einzelne Etappen des Geschehens wirkungsvoll festzuhalten, jedoch den Zusammenhang der Dinge in einwandfreier Weise nicht herzustellen. Es scheint, daß Beiisar und der Kern der römischen Strei tmacht sich in ziemlicher Verwirrung befanden und größere Unternehmun-gen erst ausführten, als Gelimer und die Vandalen bereits ihre Sache aufgegeben ha t ten . Was deren Handeln letztlich be-stimmte, weiß oder sagt Prokop nicht, es war aber wohl die Überzeugung, Kar thago, das entfestigt und auf keine Bela-gerung vorbereitet war und auch über keine Kriegsflotte ver-fügte, nicht verteidigen zu können; dazu ha t ten die rasch aufgebotenen Vandalen es an Disziplin und entschiedenem Widerstandswillen fehlen lassen und als Nahkämpfer (mit Schwert und Lanze) gegen die Bogentechnik der Hunnen den kürzeren gezogen. Ähnlich wie später Wittigis vor R o m wollte die vandalische Führung nunmehr Zeit gewinnen und ver-s tärkt durch weitere Stammesgenossen, durch Maurusier und die aus Sardinien zurückberufenen Truppen des Tzazon zum Gegenschlag gegen die H a u p t s t a d t ausholen.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 25: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

410 I' Κ I) Κ O I'

20. u. 21. K a p i t e l

In spannender, flüssiger Erzählung schildert Prokop aus unmittelbarer Anschauung die wichtigsten Etappen bis zur Einnahme Karthagos. Höhepunkt ist Beiisars „Königsmahl" im Palast (21/1-7), durchweht vom Gefühl dos Triumphes. Nachdrücklich wird anschließend (21/8ff.) das disziplinierte Verhalten der römischen Truppen und Beiisars Sorge um dir friedliche Rückgliederung des altrömischen Gebietes hervor-gehoben und das große Geschehen mit einem Kinderorakel (14ff.) und einem sicher aus geistlicher Quelle geschöpften Traumgeeicht (17ff.) abgeschlossen. Der hl. Cyprianus, 24'J 257 Bischof von Karthago, der erste große Kirchenmann Afrikas, wurde am 14.9.257 als Märtyrer hingerichtet. An seinem Todestag wehen die sog. Kyprianen, die 468 der by-zantinischen Flotte verhängnisvoll geworden waren, dieses Mal aber wohl in Rechnung gesetzt wurden.

Die Schlacht von Decimum (23) fiel auf den Vortag des Cyprianusfestes, auf den 13. 9. 533. Zwei Tage später, am 15. 9. 533, zog Beiisar in Kar thago ein. Bereits a m 21. 11. 533 bezeichnete sich Jus t in ian in der Einleitung zu den Insti-tut ionen siegesstolz als Alanicns, Vandalicus und Africanus.

22. K a p i t e l

Prokope waches Gefühl für die Macht des Schicksals und dir Unbeständigkeit aller menschlichen Dinge wurde von dem überraschend schnellen Zusammenbruch ties Vandalenreiches zutiefst ergriffen; hier kam ihm die sicher in Karthago ge-hörte Geschichte von einem Besuch vandalischer Gesandter bei ihren nach Afrika ausgewanderten Stammesbrüdern und dem König Geiserich sehr gelegen, das Schicksal des ganzen Volkes im Zusammenhang mit dem göttlichen Strafgericht zu sehen und die zwei vorauserwähnten Prophezeiungen durch eine drit te zu stützen. Historischen Hintergrund hat die Erzählung nur insoweit, als sicher bei Abwanderung der Vandalen aus dem pannonischen R a u m Reste zurückblieben. Diese mögen auch weiterhin Verbindung mit den Auswande-rern gehalten haben, bis sie dann im hunnischen Großreich Attila« untergingen.

16 ff Der Angriff auf Zakynthos und die an der Südspitze der Peloponnes gelegene Stadt Tainaron dürf te in den Jahren

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 26: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R I. A I' Τ ERINGE Χ 411

468/473 anzusetzen sein ; Prokop hörte wahrscheinlich davon während der Überfahrt von Byzanz nach Karthago.

23. K a p i t e l Die Vandalen nahmen trotz ihrer Kämpfe mit den Mauru- l

siern diese bei früheren Gelegenheiten vielfach als Hilfetrup-pen in ihre Dienste. Nunmehr ging es Gelimer darum, das römische Expedit ionskorps in Kar thago einzuschließen und in Lebensmittelschwierigkeiten zu bringen, zugleich aber auch Zeit bis zur Rückkehr Tzazons aus Sardinien zu gewinnen. Trotz Prokops ironisierender Darstellung stellte die Abriege-lung der Haup t s t ad t keine geringe Belästigung dar .

Prokop ha t den lebensnahen Bericht wohl unmit te lbar 6 ff aus dem Munde des Diogenes, dem er als engen Vertrauten Beiisars (wie auch dessen Herrn) dieses Denkmal setzen wollte. Zugleich soll die Erzählung die Kampfpause vor Kar-thago überbrücken.

24. K a p i t e l Die Angaben über Tzazons Brief (3ff.) und die vandalischen

Verhandlungen mi t dem Westgotenkönig Theudis (7ff.) konnte Prokop dem Aktenmaterial seiner Feldkanzlei ent-nehmen. Leider macht er die Zusammenhänge der Ereignisse nicht deutlich genug, wodurch die treibenden Krä f t e im Hintergrund bleiben. Gelimer (7) wußte jedenfalls so recht-zeitig um den drohenden Angriff der kaiserlichen Flotte, daß es sich für ihn noch lohnte, um westgotische Hilfe nachzu-suchen; doch war ihm die - von unserem Autor wohlweislich verschwiegene - byzantinische Diplomatie bei Theudis zuvor-gekommen.

25. K a p i t e l Der Sammelplatz Bulla Regia westlich von Karthago zeigt, 1

daß Gelimer von dieser Seite her, von Westgoten und Mau-rusiern sowie dem auf der Rückfahr t westlich ausbiegenden Tzazon sich Hilfe erwartete.

Das Verhalten der Maurusierscheichs ha t vermutlich seinen 3 Grund in einer vorausgehenden systematischen Bearbeitung durch römische Agenten, die ihnen handfeste Versprechungen machten : Bestätigung ihrer Würden und Geldzahlungen.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 27: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

412 P R O K O P

io Die B e n ü t z u n g e ines K a u f f a h r t e i s c h i f f « « beweis t , wie s e h r d ie V a n d a l e n s c h o n v o n d e r See a b g e s c h n i t t e n w a r e n ,

i l ff Ge l imers Brief ist P r o k o p s E i g e n s c h ö p f u n g u n d g a n z auf d e n b e k a n n t e n T e n o r abges te l l t : Sch i cksa l swa l t en u n d Zorn des H i m m e l s . I m üb r igen e n t h ä l t e r (14, 15) e ine g u t e Z u s a m -m e n s t e l l u n g de r V e r l u s t e des V a n d a l e n r e i c h e s . d a r u n t e r d e n d e r P f e r d e u n d Sch i f f swer f t en , w o m i t zwei Z e n t r e n d e s Ver-r a t e s ü b e r r a s c h e n d be l euch t e t w e r d e n ; d e m V e r r a t des Ober -p o s t m e i s t e r s d ü r f t e e in so lcher d e s B e f e h l s h a b e r de r Mar ine -a n l a g e n e n t s p r o c h e n h a b e n , w a s a b e r P r o k o p a u s g u t e n G r ü n -d e n v e r s c h w e i g t .

22 D ie m i t r h e t o r i s c h e m Geschick a u f g e b a u t e R ü h r s z e n e sch l i eß t w i r k u n g s v o l l d a s 1. B u c h des V a n d a l e n k r i e g s . S c h w i n g t n i c h t vie l le icht d a b e i e t w a s sch lech tes Gewissen unse res Gesch ich t s sch re ibe r s mi t ?

B U C H IV 1. K a p i t e l

ι P r o k o p b e g i n n t d a s 2. B u c h d e r V a n d a l e n k r i e g e mi t e i n e m d e u t l i c h e n E i n s c h n i t t in d e n m i l i t ä r i s c h e n O p e r a t i o n e n , d e m v a n d a l i s c h e n G e g e n s t o ß , d e n Gel imer n a c h d e n N iede r l agen d e s S p ä t s o m m e r s 533 s o f o r t ins Auge g e f a ß t h a t t e . Bei s e i n e m U n t e r n e h m e n d ü r f t e de r K ö n i g auf gewisse Hi l fe a u s de r H a u p t s t a d t u n d a u s d e m r ö m i s c h e n H e e r e se lbs t ge rechne t h a b e n , j eden fa l l s w a r Bei i sa r z u n ä c h s t g e z w u n g e n , seine e igene S t e l l ung zu fes t igen . Die Lage e r i n n e r t e t w a s a n den „ K a m p f u m R o m " (536/7), n u r w a r e n d i e V a n d a l e n zahlen-m ä ß i g wesen t l i ch s c h w ä c h e r als d ie O s t g o t e n u n d v e r f ü g t e n ü b e r ke inen R ü c k e n s c h u t z d u r c h e in g e r m a n i s c h e s N a c h b a r -vo lk ode r be fes t ig t e S t ü t z p u n k t e . Viel le icht d e u t e t d ie Ta t -sache , d a ß sie v o r de r E n t s c h e i d u n g s s c h l a c h t bei T r i k a m a r o n ihre F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n u n d w e r t v o l l s t e n Habse l i gke i t en (2/8) in ein u n b e f e s t i g t e s L a g e r z u s a m m e n g e h o l t h a t t e n , auf d e n V e r s u c h , sich e r n e u t auf d ie W a n d e r u n g zu begeben und so d e m r ö m i s c h e n Zugriff zu e n t z i e h e n ?

β B e z e i c h n e n d f ü r P r o k o p s B e r i c h t e r s t a t t u n g ist d e r Hin-weis auf P e t r u s a l s d e n U r h e b e r de r Schwie r igke i t en m i t den h u n n i s c h e n F ö d e r a t e n . Dieser w a r , o b w o h l ebenfa l l s Dorv-p h o r d e s Ka i se r s , m i t Bei isar ve r f e inde t u n d v e r k l a g t e ihn bei J u s t i n i a n (an. 4/4).

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 28: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R LA l* Τ ER Γ X(i E X 413

Beiisars Rede, in ihren allgemeinen Gedanken eine Eigen- 13 ff sehôpfung Prokops, leitet die kommende Entscheidungs-schlacht entsprechend ein und findet ihr Gegenstück (2/9ff. bzw. 2/24ff.) in den ebenfalls a m Schreibtisch ver faß ten An-sprachen Gelimers und Tzazons.

2. K a p i t e l

Johannes , der siegreiche Führe r von Decimum, erhielt ι d iesmal das wichtigste K o m m a n d o , d a sowohl Römer wie Vandalen den Entsche idungskampf als Rei terschlacht füh ren woll ten. Tr ikamaron ist e twa 30-40 k m westlich von K a r t h a -go in den dort igen Ebenen zu suchen.

Die Ha l tung der Massageten oder H u n n e n war nach der 3 schweren Niederlage, die sie infolge ihrer überlegenen K a m p -fesweise der Reiterei G ibamunds ( I I I 18/12ff.) be igebracht h a t t e n , von ausschlaggebender Bedeu tung für die Vandalen .

Bei d e m von P r o k o p wirkungsvoll und un te r g laubwürdi- 5 ff ger Darstel lung der Begle i tumstände eingefügten Vorzeichen handel t es sich u m das sog. St . Elmsfeuer , eine Ar t von elektrischer Gl immlichtent ladung. Die e rwähnte Wieder-holung findet sich meines Wissens in den Gotenkriegen n ich t , wurde dor t vielleicht bei der schrif t l ichen Abfassung ver-gessen, was dieselbe h in ter die der Vandalenkriege rücken würde.

Die folgenden Reden Gelimers und Tzazons und die im 8 ff 1. Kapi te l voraufgehende Ansprache Beiisars lassen R u b i n (RE Ar t . P R O K O P , Sonderdruck Spal te 143) mi t R e c h t bedauern, „wieviel Wicht iges zugunsten dieser St i lübungen un te rd rück t worden sein m a g " (und vielleicht auch aus sehr persönlichen Gründen gern un te rd rück t wurde), alles u m im ant iken Sinne „schön" zu schreiben und dem Ohre und e inem bes t immten Formens inn zu gefallen. Die an t ike Geschichts-schreibung konn te sich dieser Fesseln nie entwinden und hul-digte bis zu ihrem Vergehen einem gewissen künst ler ischen und neben diesem einhergehenden romanha f t en Zug. Dem-gegenüber scheint sich die Geschichtsschreibung der Gegen-wart auf den Bahnen des perfektionist ischen Real i smus zu bewegen, dessen Gefahren erst eine spätere Zeit deut l icher fassen wird.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 29: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

414 Ρ Κ Ο Κ O i'

3. K a p i t e l

1 Die Vandalen wollten offensichtlich das römische Heer noch im Aufmarsch treffen und dessen geordnetem Angriff zuvorkommen. Aus diesem Grund läßt Beiisar sein Fußvolk auch zurück (6), um noch rechtzeitig persönlich zur Stelle zu sein.

2 Die Vandalen lagerten sich in der Nähe des „immerfließen-den" Rinnsals - wahrscheinlich eines Nebenflusses des bei Karthago mündenden Bagradas - , um vor allem Wasser für Mensch und Tier und die nötigen Pferdeweiden zu haben. Ähnlich der Ort Regata südlich von Rom. wo Wittigis durch die GotenVersammlung zum König gewählt wurde (V 11/1).

3 Abgesehen von den Angaben über die Aufstellung beider Heere bietet Prokops Bericht leider kein klares Bild vom Ablauf der Schlacht; wahrscheinlich war er beim Reiter-kampf selbst nicht zugegen und mußte sich auf mündliche Angaben verlassen, die er dann zur Wiedergabe eindrucks-voller Einzelheiten verdichtete. E r wollte vermutlich auch J o -hannes' Verdienst um den Sieg verkürzen, um so die Leistung des reichlich spät in das Geschehen eingreifenden Belisar bes-ser herauszuheben. Die Bemerkungen 17 „während sich die Römer nicht imstande fühlten, den Kampf dort fortzusetzen" und 20, wo Gelimer „wortlos" vor Beiisars Anmarsch die Flucht ergreift, deuten in dieser Richtung.

14 Die Tatsache, daß die - im ganzen wohl nur berittenen -Vandalenkrieger ausschließlich das Schwert (und nicht die Stoßlanze) führten, läßt sich am besten damit erklären, daß sie die Entscheidung im Nahkampf suchten und die römi-schen Bogenschützen möglichst ausschalten wollten. Über-dies durften die Vandalen mit dem Überlaufen des kainpf-entscheidenden Hunnenkontingents rechnen (7).

24 Dem Schweigen über Gelimers Verhalten und den knappen, reichlich rhetorischen Angaben über die Einnahme des Lagers steht eine längere Betrachtung über Reichtum und Raublust der Vandalen gegenüber und soll wohl darüber hinwegsehen lassen, daß Beiisars Truppen den Händen des Feldherrn ent-glitten waren und nur die Auflösung des feindlichen Heeres eine römische Katastrophe verhinderte.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 30: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Ä l T E R U X G E N 415

4. Kap i t e l

Die eindrucksvolle Art, in der Prokop die Vorgänge un- l mittelbar nach der Schlacht schildert, läßt die persönliche Anwesenheit des Verfassers annehmen. Ohne die Größe der allgemeinen Disziplinlosigkeit zu vertuschen, versucht er, Beiisar insofern zu schonen, als er den Soldaten (etwas über-raschend!) ihre Armut zugute hält und mit Tagesanbruch den Feldherrn wieder zum Herrn der Lage werden läßt.

Die Flucht Gelimers nach Numidien entsprang wohl der 0 ff Absicht, entweder den Krieg mit numidischer Hilfe fortzu-setzen oder - noch wahrscheinlicher - zu Schiff über das Meer zu entkommen. In diesem Zusammenhang muß man die Tatsachen sehen, daß sich in Hippo nicht nur zahlreiche Vandalen vornehmer Abkunft (32) aufhielten, sondern auch der kgl. Kronschatz zum Abtransport bereitlag (33. £f.); außerdem war kurz zuvor unweit von Hippo, an der Grenze von Mauretanien und Numidien (III 25/21), Tzazons Flotte an Land gegangen und mußte dort noch zur Verfügung ste-hen. Beiisars nachdrückliche Verfolgung gewinnt unter diesen Aspekten ihre einleuchtende Begründung.

5. Kap i t e l

Die Einnahme der restlichen, bisher den Vandalen unter- l tänigen Gebiete vollzog sich nach Prokops Darstellung ohne besondere Schwierigkeiten, so daß an den genannten Punk-ten kaum größere Besatzungen gelegen haben dürften.

Am vordringlichsten erschien Beiisar offensichtlich die 2 ff Expedition gegen Sardinien und Korsika - dort galt es den Ostgoten zuvorzukommen - sowie nach Septem-Ceuta, wo sich, wenn man Isisdors von Sevilla Chronica 42 glauben darf, sich die Westgoten schon festgesetzt hatten, vielleicht von Gelimer mit diesem Stützpunkt beschenkt, damit sie ihm Hilfe und Zuflucht gewährten. Die über Apollinarius gele-gentlich seines Einsatzes gegen die Balearen gemachten An-gaben (7ff.) bestätigen erneut, wie weit Verrat und innere Aushöhlung des Vandalenreiches bereite unter König Hilde -rieh durch Byzanz vorangetrieben worden war.

Die Einnahme von Caesarea in Mauretanien (5), die durch io Fußvolk geschah, sowie die Sicherung Tripolitaniens bedurf-ten keiner besonderen Eile.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 31: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

416 PROKOP

1 Nach Sicherung des gesamten vandalischen Besitzes und der byzantinischen Seeherrschaft im westlichen Mittelmee-r konnte Beiisar die Maske gegen das Ostgotenreich fallen lassen und den Versuch unternehmen, den Fuß auf Sizilien zu setzen. Die Westecke der Insel mit Li lybäum war anläßlich der schon erwähnten Vermählung von Theodorichs Schwester Amalafr ida mit König Thrasamund als Mitgift an das Van-dalenreich gekommen (um 500), in der Folgezeit aber, wahr-scheinlich seit dem Bruch mit dem Vandalenreich (526). ans Ostgotenreich zurückgelangt. Möglicherweise kann Lilybäum auch erst von Gelimer unter dem Druck der Verhältnisse den Ostgoten zurückgegeben oder von Just inian als Entschädi-gimg diesen heimlich zugesichert worden sein - alle diese Fragen läßt Prokop ungelöst und begnügt sich, ohne nähere Erklärung oder Eingehen auf die kaiserliche Geheimdiplo-matie, 12ff. zwei entscheidende Briefe in der üblichen Um-Stilisierung darzubieten.

6. K a p i t e l ff Der Abschnitt enthält einen sachkundigen, obschon etwas

typisierenden und allzu antithetisch aufgebauten Vergleich zwischen vandalischer und maurusischer Lebensweise, zu dem sich Prokop - in Anlehnung an ethnographische Litera-tur - den Stoff aus eigener Anschauung geholt haben dürfte. Zweifellos hat die üppige und erschlaffende Umgebung die Leistungsfähigkeit der Vandalen ungünstig beeinflußt.

ff Ich möchte die anschließende Part ie einen lyrischen Exkurs nennen und den Wahrheitsgehalt gering anschlagen. Wahrscheinlich u m die Spannung bis zur Gefangennahme des Königs wachzuhalten, ha t Prokop geringfügige Anhalts-punkte seiner Vorlage zu einem effektvollen Briefdialog und einer rührseligen Geschichte aufgeschwellt, die im nächsten Kapitel (7/3-5) durch eine zweite Anekdote ähnlicher Art ergänzt wird. Das starke Echo im modernen Schrifttum beweist, daß dem Verfasser dichterische Fähigkeiten nicht abzusprechen sind.

7. K a p i t e l ff Hier nimmt Prokop den Sachbericht wieder auf. Gestützt

auf die ihm vorliegende Korrespondenz (10) zwischen Pharas und Gelimer, erzählt er vom weiteren Vorgehen Beiisars, das

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 32: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ ΚLÄUTERUNGEN 417

ilarauf abzielte, möglichst rasch die letzten Widerstände im Lande zu beseitigen und, nachdem Afrika inzwischen eine Zivil- und Militärverwaltung erhalten hatte, nach Byzanz zurückzukehren. Gelimer hoffte wohl zunächst auf Hilfe von außen (Maurusier, Westgoten ?), mußte sich aber April 534 völlig verlassen fühlen; mit einer ehrenvollen Kapitulation kam er Beiisars Wünschen entgegen.

Prokop war allem Vermuten nach Zeuge von Gelimers 1« ff auffallendem Verhalten, das sicher in tiefer Resignation des Herr schere seinen Grund hatte, den Geschichtsschreiber aber bestimmt haben mag, seinen Helden in Anlehnung an eigenes Denken zum gefühlsbetonten Skeptiker schlechthin zu machen. In Wirklichkeit spricht des Königs Handlungsweise von Tatkraft und Folgerichtigkeit, ließ freilich zuweilen poli-tische Klugheit und richtige Abschätzung der Macht verhält-nisse vermissen. Auf jeden Fall übernahm er einen anfällig gewordenen und von Verrat durchsetzten Staat, der allen Bemühungen zum Trotz eine Schicksalswendung nicht mehr gestattete.

Indem der Autor die Zahl der Kampftruppen auf 5000 18 ff Mann reduziert, von „blühender Verfassimg" des Vandalen-reiches spricht und die Römer als „Angreifer ohne Anker-platz" bezeichnet, erfüllt er seine Pflicht als Lobredner Beii-sars, den er zu weltgeschichtlicher Höhe erhebt - wie weit davon entfernt ist sein Schlußwort über Afrika: „Doch war das Land infolge der vorausgehenden Kriege und Aufstände weithin entvölkert und blieb es" (VIII 17/22)!

8. K a p i t e l Der Verdacht der Usurpation, auch 540 (IV 30/i ) nach der l

Einnahme von Ravenna gegen Beiisar ausgesprochen, zwingt ihn zweimal, ein noch unbefriedetes Land hinter sich zu las-sen; in unserem Falle dauert es ein Jahrzehnt, bis Ruhe in Afrika einkehrt, während in Italien der letzte Widerstand der Ostgoten erst gebrochen wird, als bereits der Einfall der Lan-gobarden (568) droht. Beiisar hat trotz mancher Versuchun-gen die Treue gegen Justinian nicht gebrochen, ja in einer fast überraschenden Geduld schwere Demütigungen hingenom-men (an. 4/13ff.) und darüber Prokops harten Tadel erfahren.

Die folgenden Ausführungen, nicht ohne gewisse Kritik an 3 ff Justinians „Unaufrichtigkeit", dürften sich auf Material aus Prokops Kanzlei stützen, sind aber, was Inhalt und Absender

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 33: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

418 ρκυκορ

der verleumderischen Schreiben anlangt, bemerkenswert unbestimmt gehalten. Jedenfalls wird Beliear von dem Vor-wurf gereinigt, eine halb erledigte Friedensarbeit im Stiche gelassen zu haben.

10 if Eigene Beobachtungen und Nachrichten aus dem Mund römischer Provinzialen liefern unserem Geschichtsschreiber ein natürlich römisch gefärbtes, aber doch ziemlich wirklich-keitsgetreues Maurusierbild, das sich bei Corippus wieder-findet. Erneut leitet eine Prophezeiung die drohenden Aus-einandersetzungen mit den Maurusiern ein, in diesem Falle besonders bemerkenswert, da sie uns die römische Expedition als längst vor ihrem Eintreffen in Afrika bekannt erscheinen läßt.

20 ff Mit Beiisars Abgang und der nun beginnenden unmittel-baren kaiserlichen Verwaltung der Schwäche (21) und Hab-gier (25) beginnen für Prokop Afrikas Leiden, denen der Feld-herr nur durch Zurücklaesung der meisten Haustruppen unter dem Befehl seines früheren domesticus Solomon (23) -bei ihm bleibt zunächst auch unser Historiker - etwas zu wehren vermag, sein letztes Geschenk an das unglückliche Land. Die kaiserliche Hilfe in Form eines weiteren Heeres (25) wird nur kurz angedeutet.

25 Justinian traf April 534 (Cod. lust . I 27/12) in Anlehnung an die früheren Verhältnisse eine Neuordnung des zurück-gewonnenen Vandalengebietes, dessen Zivilverwaltung ein praefectus praetorio mit dem Sitz in Karthago erhielt. In Afrika entstanden die Provinzen Proconsularis, Byzacena, Tripolitana, Numidia sowie Mauretania prima und secunda einschl. der Balearen; dazu kamen als siebter Verwaltungs-bereich Sardinien und Corsika. Die militärischen Aufgaben im Bereich der Praefektur Afrika wurden einem magister militum Africae übertragen, deren erster Solomon war und -zur kräftigeren Wahrnehmung der Staatsgewalt - ab 1. 1. 535 auch die Zivilgewalt übernahm (Nov. Iust. 6/37, 66/1). Die kath. Kirche, geeint unter dem Bischof von Karthago, emp-fing ihre alten Rechte und Besitzungen zurück, während Häretiker und Ungläubige in ihren bürgerlichen Rechten starke Einschränkungen erfuhren. Ebenso fielen die in der Vandalenzeit ihren Besitzern entfremdeten Güter deren Erben zu. Damit war neben der Maurusiergefahr der Grund zu vielem Unglück gelegt.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 34: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ Η I. Α Γ Τ E Ite Ν CE.Ν" 419

9. K a p i t e l

Mit Beiisars Triumph erreicht sein Vandalensieg den glänz- ι vollen äußeren Abschluß, doch darf er nicht „nach altem Brauch" einen Wagen benutzen, sondern muß sich gleichzei-tig mit Gelimer vor dem Kaiser demütigen (12), was Prokop nicht ohne gewisse Spitze berichtet.

Mit der Wendung „etwa 600 J a h r e " geht Prokop in die 2 Zeit der römischen Republik zurück, nach deren Ende im wesentlichen nur noch die Kaiser als Triumphatoren auftra-ten, unter ihnen Titus und Trajan, deren Siegesdenkmale unser Geschichtsschreiber in Rom sah (auf dem Titusbogen auch die Judenbeute, die im folgenden wieder eine Rolle spielt). Beiisars Triumphzug, nach langen Jahren wieder der erste, dürfte gewaltigen Eindruck hinterlassen haben und wurde auch auf einem Mosaikbild am Bronzetor des Kaiser -palaetes in Byzanz festgehalten, wo sich Prokop, der selbst dem Festakte nicht beiwohnte, näher unterrichten konnte.

Der Geschichtsschreiber stand als gebürtiger Palästinenser β ff dem Judentum mit lebhaftem Interesse, wenn auch miß-trauisch gegenüber und teilte Justinians abergläubische Furcht vor den heiligen Tempelgeräten, die nach ihrer Rück-kehr in Jerusalem verschollen sind.

Gelimers Verhalten und Ausspruch sind allem Anschein l l nach historisch und decken sich mit seinem Betragen in Kar-thago (7/15) sowie manchen sonstigen Andeutungen: Neben tiefer Resignation eignen ihm Klarheit des Denkens und Festigkeit im Dulden ; aus letztgenannter Eigenschaft erklärt sich auch sein unbedingtes Festhalten am Arianer-tum.

Es handelte sich dabei um den 2. Triumphzug Beiisars an- 15 läßlich des Konsulatsantrittes am 1 . 1 . 535. Auch diesmal blieb ihm der Triumphwagen versagt .

10. K a p i t e l

Prokop erhält die Hiobsbotschaft in Karthago und schil- 3 ff dert auch des weiteren von dieser Sicht aus. Mit seinem Be-richt über den Untergang des Aigan und Rufinus lockert er nicht nur die Darstellung auf, sondern setzt auch engsten Freunden Beiisars und eigenen Waffengefährten ein ehrendes Denkmal.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 35: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

420 P R O K O P

12 ff Der Einschub über die Vorgeschichte der Maurusier, deren Bekämpfung fast den Rest des Buches füllt, hat hier seinen guten Platz ; leider bedient sich Prokop einer jener pseudo-wissenschaftlichen Quellen, die historische, biblische und mythographieche Elemente miteinander vermengen und als Beweismaterial angebliche Inschriften (22) beiziehen. Mit den später von See her eingedrungenen Phönikern (Semiten) haben die hamitischen Maurusier völkisch nichts zu tun.

28 Das Vordringen der Steppen- und Wüstenbewohner - viel-leicht mitverursacht durch zunehmende Dürre - gegen den fruchtbaren Küstensaum läßt sich seit dem dritten Jahrhun-dert in ganz Nordafrika beobachten und wurde nur durch den Einbruch der Vandalen vorübergehend gehemmt. Unter Gei-serichs schwächeren Nachfolgern bilden sich, mehr und mehr ins Kulturgebiet vorfühlend, ganz oder halb selbständige Maurusierherrschaften, so in Mitteltunesien das Königtum des Antalag. 528/9 erobern sie Ruspe und bringen Oamars Vandalenheer eine schwere Niederlage bei. die zum Thron-wechsel Hilderich/Gelimer führte. Auch die Römer konnten letztlich die Maurusier nicht zum Stehen bringen.

11. K a p i t e l 2 ff Die „Proklamation" Solomons an die Maurusier fußt auf

einem historischen, vielleicht von Prokop selbst verfaßten Schriftstück und gibt in rhetorischer Umstilisierung folgende Kerngedanken wieder: Der Kaiser hat gegen Geiseln Verträge mit den Barbaren geschlossen und bietet nun vor dem Waffengang „großmütig" Verzeihung. Weder Solomons Brief noch die Antwort der Maurusier gibt eindeutig den Grund für den Ausbruch der Feindseligkeiten an, so daß wir vermuten dürfen, Prokop sei es darum zu tun. die Schuld von Solomon abzuwälzen.

is Die Maurusier stehen etwa 4 -5 Tagesmärsche südlich von Karthago beim Übergang des Berglandes in ebenes Gelände, so daß ihnen notfalls der Rückzug in unzugängliche Höhen offen bleibt ; in Erinnerung an erfolgreiche Kämpfe mit den Vandalen nehmen sie dadurch vor allem der feindlichen Rei-terei die Möglichkeit zu längerer Verfolgung.

17 ff Die Schilderung gemahnt an den Bericht I I I 8/24 ff. und ist von Prokop, welcher der Schlacht bei Mammes kaum beiwohnte, wohl mehr auf allgemeine Erfahrungstatsachen aufgebaut.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 36: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

ER LA Γ TER Γ ΧΟ Ε Χ 421

Die Rede Solomons ist (wie auch die der maurusischen 23 ff Häuptlinge) Eigenschöpfung Prokops und soll neben den Erfolgschancen vor allem den Sprecher als den „Mann Beii-sa rs" und „Vollstrecker seines Willens" herausstellen.

Die Zahl der Getöteten und die Größe der Beute sind 55 zweifellos übertrieben; der Gang der Ereignisse läßt erken-nen, daß Solomon nur einen bemessenen Erfolg davontrug.

12. K a p i t e l

Der Kriegsschauplatz verlagert sich von der ersten Kampf- 2 s ta t te aus gesehen westlich gegen das Bergland zu. Gut unterrichtet , aber mit gewissem Abstand von den Dingen beschreibt Prokop das für das Vorgehen der Römer entschei-dende Gelände.

Auch bei dieser 2. Unternehmung in Byzacium liegt nach 10 ff Darstellung unseres Geschichtsschreibers fast die gesamte Leistung bei Solomon, der Theodorue lediglich als nachgeord-neten Helfer beim Umgehungsmanöver einsetzt; dabei ist dieser offenbar ein sehr tüchtiger Soldat, dem Belisar später-hin nach Solomons und Prokops Flucht aus Kar thago (IV 14/38) den Schutz der Haupts tad t anvertraut .

Der Schlachtbericht gibt wohl die wesentlichen Momente 20 ff wieder, verrät aber in seiner etwas rhetorisch ausmalenden Form, daß Prokop nicht aus erster Quelle schöpft ; die „billi-gen" Maurusiersklaven (27) aber hat er sicher selbst gesehen.

Durch den Hinweis auf das Orakel vom „bartlosen Sieger" 28 wird Solomons Schicksal mit Beiisar verknüpft und beider Leistung zu einer Einheit zusammengefaßt.

Der römische Sieg, eindrucksvoller als der erste, drängte 29 zwar die Maurusier nach Westen ab, vermochte aber, wie die Flucht der Häuptlinge beweist, keine endgültige Entschei-dung herbeizuführen. Die mit Leichen gefüllte Bergschlucht (24), die Behauptimg, daß 50000 Maurusier, hingegen kein einziger Römer gefallen seien, sowie der Widerspruch zwi-schen „Myriaden von Feinden" (13) und „ihrer geringen Zahl" (29) stimmen den Leser einigermaßen bedenklich.

Für seine beiden Erfolge wurde Solomon zum patricius ernannt ( C I L V I I I 1863).

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 37: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

422 P R O K O P

13. K a p i t e l

l Dae Auraeiongebirge, 13 Tagereisen von Kar thago entfernt in Numidien gelegen, entspricht heute dem Djebel Aurèe und ha t einen größeren Umfang als angegeben.

2 ff Das Heldenstück des Althias - zur Belebung der Erzählung und als Cäsur zwischen den 2. und 3. Kriegszug Solomons eingefügt - ist ein Musterstück plastischer Erzählungskunst Prokops; den Inhalt darf man freilich nicht wörtlich als Wahrheit hinnehmen.

18 Mit der Bemerkung „Und das entsprach den Tatsachen" versucht der Autor die Notwendigkeit von Solomons Feldzug zu rechtfertigen, der angesichts der Hetzereien maurusischer Häuptl inge (19) und ihres späteren Versagens (35) offenbar als unnötig angezweifelt wurde.

2β Nach Eroberung des Aurasiongebirges schützte Just inian dieses durch einen Kranz von Sperrforts und neubefestigten Städten, darunter auch Tamugades, und legte Besatzungen dorthin (aed. VI 7/8).

28 Der Hinweis auf Ortaiae zeigt uns, wie sich Prokop Nach-richten aus zweiter Hand beschaffte. Von dem genannten Maurueierscheich scheinen seine Angaben über das Aurasion-gebirge und die angrenzenden Gebiete zu s tammen, die er von Kar thago aus kaum betreten ha t .

39 Der ergebnislose Feldzug - sehr schonend für Solomon dar-gestellt - fällt in das Ende des Jahres 535. Über die Einzel-heiten des Unternehmens und über die Vorbereitungen gegen Sardinien ha t sich Prokop von seinem Amtssitz Kar thago aus gut unterr ichtet .

14. K a p i t e l

1 Der Gotenkrieg wurde Mitte 535 mit byzantinischen An-griffen in Illyrien und der anschließenden Landimg Beiisars in Sizilien eröffnet. Am 31. 12. 535 schloß die Eroberung der Insel mit dem Einzug des Feldherrn in Syrakus (V 5/19); dort bereitete er für das kommende Früh jahr den Feldzug gegen Italien vor.

2 Nach dem Wortlaut der Stelle zu schließen, begann Prokop die Niederschrift der Vandalen- vor jener der Gotenkriege; den Anfang machte er wahrscheinlich mit den Perserkriegen, so daß die Reihenfolge der Bücher vom Kriege dem Zeitpunkt

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 38: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

ERLÄUTERUNGEN 423

ihrer Ents tehung entspricht und I I , IV und VII nur noch gewisse Nachträge erhielten.

Wieder leitet ein Vorzeichen große Ereignisse ein, diesmal 5 ein unheilvolles wie die Verdunklung der Gestirne, das für Byzanz große Rückschläge ankündigt und in engen Zusam-menhang mit Just iniane 10. Regierungsjahr gebracht, auf den Kaiser als den Urheber aller Übel hinweist. Die Nähe zu den Anekdota ist deutlich zu spüren.

Das Osterfest 535 fiel auf den 23. März. 7 Ausführlich und mi t besonderer Sachkunde setzt Prokop 8 ff

die Hauptgründe der Militärrevolte in Afrika auseinander, die letztlich alle in Jus t in ians - des „bösen Geistes" (16) -Regierung liegen: 1. Beschlagnahme der Vandalengüter zu-gunsten der Staatskasse, 2. Intoleranz gegen die arianischen Soldaten, 3. mißglückter Abtransport vandalischer Krieger in den Osten.

Die Schilderung des Folgenden verrät genaueste Sach- 21 ff kenntnis. Dabei erscheint Solomon als klug, t a tkräf t ig und loyal und sein Helfer Prokop so eng mi t ihm verbunden, daß dies eine gemeinsame Flucht rechtfert igt . Auf dem Kappa-doker Theodoros, der sich im weiteren Verlauf durchaus be-währt , aber Beiisars Kreis nicht zugehört, bleibt der Schatten eines Verräters liegen (33).

Misua, damals bedeutender Übergangshafen nach Italien, 40 liegt südwestlich dee Promuntur ium Mercurii (Cap Bon) an der Stelle des heutigen Dorfes el Daud.

Martinus und Valerianus gehörten zum engeren Stab Beli-sars und sollten offenbar die Truppen außerhalb Kar thagos auch vor einem Zusammengehen mit Theodoros bewahren. Beide Truppenführer zeichneten sich später in Italien aus.

15. K a p i t e l

Eine Plünderung von „ganz Kar thago" dür f te kaum s ta t t - l gefunden haben. Bemerkenswert, daß sich die Meuterer auf dem alten Lagerplatz Bulla Regia westlich der Haup t s t ad t sammelten, wo vielleicht die Reste der Vandalen lagerten und sich auch eine größere Zahl von Vandalengütern befand.

Der Tod des Josephius, vermutlich eines Unterbeamten 7 Prokops, zeigt die besondere Erbi t terung, die unter den Sol-daten gegen Beiisar und seine Helfer bestand und auch unseren Geschichtsschreiber nicht geschont hät te .

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 39: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

424 P R O K O P

12 Der Fluß Β agrada« mündet von Westen her kommend bei Karthago. An ihm liegt halbwegs zwischen der Hauptstadt und Hippo Regius die mansio Membresa.

ff Belisars Rede und Stotzae Gegenrede bieten keine neuen Gesichtepunkte und dienen offensichtlich dem Zweck, den knappen Tatsachenbericht aufzuschwellen und Beiisars Loyalität zu unterstreichen. Von einem größeren Erfolg der kaiserlichen Truppen kann nicht die Rede sein, da es nicht ge-lang, die Meuterer von ihrem Rückzugsziel Numidien abzu-schneiden und ihre Verbände zu zerschlagen.

(8 Beiisar vermag nach seiner Rückkehr den Aufruhr in Sizi-lien zu dämpfen und mit dem römischen Heer nach Italien überzusetzen (V 8/1). Zur Hilfe und Überwachung des Theo-doros ließ er seinen Schwiegersohn Ildiger in Afrika zurück,

ff Die weitere Entwicklung bestätigt den zweifelhaften Wert des Erfolges von Membresa. Wirkungsvoll leitet die knappe Rede Stotzas' - Prokop verrät ihm gegenüber einige Sym-pathie - den Umschwung ein, der mit dem Tod der kaiser-lichen Befehlshaber endet. Seinen toten Kriegskameraden setzt der Verfasser durch namentliche Aufzählung ein ehren-des Denkmal.

16. K a p i t e l

1 Germanue, der Neffe, wahrscheinlich aber ein jüngerer Vetter Justinians von einer Vaterschwester her, genießt als tüchtiger Soldat und aufrechter Mann Prokops besonderes Wohlwollen, dessen Tod. dicht vor seinem späteren Eingrei-fen in Italien, er tief bedauert (V I I 40/9). Indem Justinian 536 einen kaiserlichen Prinzen und seinen ersten magister militum praeeentalis - ähnlich wie wenige Jahre nachher ins bedrohte Antiocheia ( I I 6/10) - nach Afrika entsendet, unter-streicht er die große Bedeutung, die er den dortigen Unruhen beimißt.

3 Mit dem Hinweis auf die Stammrollen läßt Prokop einen Blick in die ihm wohlvertrauten Militärbüros tun.

ff Die Proklamation des Germanus an die Truppen bewegt sich geschickt zwischen Entschuldigung und Anklage und ist in einer Tonlage gehalten, die den Prinzen in keinerlei Kon-flikt mit dem Kaiser bringen kann. Nur die Anspielung auf die armseligen Verhältnisse der Soldaten (13) erinnert über-raschend an die Anekdota (6/2), wo die bescheidene Herkunft

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 40: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E R L Ä U T E R U N G E N 425

der Kaiserfamilie in ähnlichen Worten beschrieben wird. Trotz aller Rhetorik besitzt die Rede einigen geschichtlichen (behalt : Reuige Empörer dürfen mit Straflosigkeit rechnen, heimliche Gegner die kaiserliche Truppe verlassen.

(7. K a p i t e l

Eine sachliche, klare, von Prokop nur gekürzte amtliche l ff Relation, die sich wohltuend von mancher übersteigerten Schilderung der Ruhmes ta ten Beiisars abhebt . Dabei wird Germanus nachdrücklich in die Mitte des Geschehens gestellt, wo er Ruhe und Festigkeit ausstrahlt .

Der Ort Scalae Vete res (Alte Treppen) liegt in Numidien. 8 Die Nachrichten über die Vorgänge im Heer des Stotzas 14

.setzen bei ihrer Genauigkeit Gefangenenverhöre und dergl. voraus.

Germanus steht den gleichen disziplinaren Schwierigkeiten 30 gegenüber wie Beiisar nach der Schlacht bei Trikamaron.

Die zweite Niederlage Stotzas' - Mitte 537 - , obwohl ent- 34 scheidender als die erste, wird nur kurz angedeutet ; offenbar will Prokop den Leser nicht ermüden, sondern zur anderen Großtat des Germanus, der Unterdrückung der Erhebung des Maximinus, hinüberführen, womit dann die Tätigkeit des Prinzen in Afrika endet . Mit Prokops Weggang aus Kar thago beobachten wir, daß ihn die Abhängigkeit von Mittelquellen dazu zwingt, sich auf „Hauptereignisse" zu beschränken und die „verbindenden" Texte knapp zu halten.

18. K a p i t e l

Die Verschwörung des Maximinus fällt in das J a h r 538. l Die Persönlichkeit des Asklepiades verdient unsere beson- 3

(lere Aufmerksamkei t ; als Landsmann aus Paläst ina scheint er Prokop näher gestanden und ihm vielleicht die nötigen Angaben geliefert zu haben. Maximinus hingegen wird als Doryphor des Kappadokers Theodoros sogleich in ein ungün-stiges Licht gerückt und durch die eingehende Behandlung des Bucellarierschwurs (6) als bes. verwerflicher Mensch gekennzeichnet. Der Begriff der Gefolgschaftstreue scheint durch die Germanen Eingang in das spätrömische Heerwesen gefunden zu haben ; Prokop rühmt diese Bindung an verschie-denen Stellen, nicht zuletzt, wenn er von der Treue des Van-

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 41: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

426 P R O K O P

dalen spricht, die für Stotzas bei Membresa fallen (IV 15/45) oder ihn zu den Maurusiern begleiten (IV 17/35).

19. K a p i t e l

ι ff In knapper, nur auf Personen und Fakten eingehender Form faßt Prokop Solomons Wirken - praefectus praetorio und magister militum in einer Person - nach seiner Rückkehr (539) zusammen: Austausch der leitenden Befehlehaber, die durch ergebene Helfer Solomons ersetzt werden, Säuberung des Heeres von verdächtigen Elementen und Abtransport der letzten Vandalen. Befestigung der Städte und Sicherung des öffentlichen Lebens.

5 Solomon nimmt die im Winter 535/6 abgebrochene Unter-nehmung gegen das Aurasiongebirge wieder auf (IV 13/39) und versucht die Maurusier westwärts über die Mauretania Sitifensis hinaus zu verdrängen.

7 Die Stadt Bagais in Numidien. nördlich des Aurasiongebir-ges gelegen, war bis ins 5. Jahrhunder t hinein bewohnt, dann aber wegen der Maurusierangriffe von der Bevölkerung ver-lassen worden. Sie wurde erst von den Byzantinern wieder besiedelt und mit einem Kastell ausgestattet, von dem heute noch beträchtliche Ruinen stehen. Der Ort heißt jetzt Ksar Baghai.

9 Die Angabe, daß Solomon nach seinem Eintreffen Näheres über Gontharis ' Schicksal erfuhr, läßt einen Bericht aus des-sen Kanzlei als Quelle vermuten.

io Der Fluß Abigas, jetzt Wed Bu Duda, strömt etwa \'2 km westlich von Ksar Baghai vorbei. Nach der reichen Wasser-schüt tung zu schließen, spielte das Kriegsgeschehen wohl im Früh jahr (540).

17 Die überraschende Kürze, mit der Solomons „glänzender Sieg" abgetan wird, sowie der nüchterne Ton der Erzählweise deuten darauf hin, daß unser Autor dem Ende zudrängt und sein Material ziemlich rafft .

20 Tamugade, jetzt Timgad, wichtiger Straßenknotenpunkt an der Verbindungslinie zwischen Tebeste und Lambesis, war ebenso wie Bagais im 5. Jahrhunder t vor den Maurusiern geräumt worden und erhielt in der Folgezeit neue Besiedelung und Befestigung (aed. VI 7/8)

23 ff Bei aller Knapphei t des sonstigen Berichtes läßt es sich der

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 42: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

E K L Ä U T E R l X G E . N 427

Verfasser nicht nehmen, die „ne t te" Geschichte von der Ein-nahme Zerbules ausführlich zu erzählen.

20. K a p i t e l

Mit sichtlichem Behagen setzt der Geschichtsschreiber 1 ff seine auf spannende Begebenheiten abgestellte Darstellung fort und hebt dabei gerne die Heldentaten zweier Partei-gänger des Beiisar, des Rufinus und Leontius (19), und die Leistung eines ihm sicher wohlbekannten Zahlmeister Gezon (12-16) heraus. Solomon selbst empfängt sein Lob, indem ihm die haushälterische Verwaltung des Trinkwaesers bestätigt und eine aufmunternde Rede in den Mund gelegt wird. Die Gesamtwürdigung schließlich (35) stellt ihn als Friedensbrin-ger und Vollstrecker von Beiisars Willen dar. Tatsächlich erreichte unter ihm (540) durch Hinzueroberung der bisher von Maurusiern beherrschten Mauretania Sitifensis (prima) der römische Besitzstand in Afrika seine größte Ausdehnung. Kaisareia und Septem blieben freilich bis zum Ende der by-zantinischen Herrschaft nur vom Meer aus erreichbare Stütz-punkte.

21. K a p i t e l

Nach einer Pause von drei Jahren setzt Prokop mit seinem Bericht wieder ein (543/4), in deutlich veränderter St immung : Afrikas Glück ist zu Ende, seitdem Solomons Neffen Cyrus und Sergius zur Unterstützung ihres Onkels mit der Sta t t -halterschaft (Dukat) über die Pentapolis ( = Cyrenaica mit der Haup t s t ad t Cyrene) bzw. Tripolis (Haupts tad t Leptis Magna) bet raut sind. Kein Wunder, denn sie sind ja die Krea-turen Justinians, Sergius überdies mit der Nichte Antoninas, der Gemahlin Beiisars, versprochen, „weshalb ihn die Kaise-rin nicht zur Rechenschaft ziehen oder seines Amtes ent-setzen wollte, obechon sie ganz genau sah, daß er Libyen ruinierte." Dieser an. 5/33 erhobene Vorwurf läßt uns die Hintergründe von Prokops Groll gegen den „weichlichen, unkriegerischen, unreifen, mißgünstigen, schwelgerischen und aufgeblasenen Kerl" (so im Auszug an. 5/32) deutlich erken-nen : Er sieht mit Sergius die kaiserliche Intrige zerstörend in den engeren Kreis um Beiisar eindringen. Das verändert auch seine Einstellung zu Solomon selbst (17).

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 43: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

428 P R O K O P

Die Unruhe in Tripolis bestand wohl schon vor dem Ein-treffen des Sergius und ha t te ihren Grund in der kaiserlichen Finanzpolitik und im Vorgehen der Römer in Byzacena und Numidien, von dem sich die Maurusier in Tripolis nichts Gutes versahen ; mit ihnen hat te offenbar weder Pudent ius gelegentlich seiner Empörung gegen die Vandalen (III 10/22) noch Beiisar späterhin ein Abkommen geschlossen.

Sergius scheint unter dem Einfluß des Pudentius gestanden zu haben, der eine Gewaltentscheidung gegen die Maurusier suchte. An. 5/28 gibt Prokop dem Sergius eindeutig die Schuld am Mord, während er hier (4) vorsichtigerweise von den Leuathen als mutmaßlichen Anstiftern spricht. Die engen Berührungen mit dem Berichte der Anekdota deuten auf die zeitliche Nähe ihres Entstehens mit dem der Kriege und auf eine Fülle widersprechender Nachrichten hin, deren Prokop sich jeweils im Rahmen des politisch Tragbaren bedient.

Der Krieg verlagerte sich nach Byzacene, wo Solomon 250 k m südöstlich von Karthago bei Cillium (Frühjahr 544) den Tod fand - ein Opfer seiner Habsucht, wie ihn jetzt Pro-kop darstellt (24).

22. K a p i t e l

Auffallend ist die scharfe, auch den Kaiser unmittelbar treffende Kri t ik an Sergius, die sich ebenso wie die Bemer-kung über Johannes Sisiniolu ganz nahe mit an. 5/31 berührt und von einer bemerkenswerten Selbstsicherheit unseres Ver-fassers zeugt. Was er selbst nicht mehr sagen kann, legt er in einem fingierten, jedenfalls sehr s tark umstilisierten Brief des Antalas an Jus t in ian nieder (7-10).

Der Angriff auf Just inian gilt nicht so sehr seiner Person als der heimlichen Beschützerin des Sergius, der Kaiserin Theodora (an. 5/33), mit der sich aber Prokop - wie mit allen hochmögenden Frauen der Hofgesellschaft - wohl hütet , in aller Öffentlichkeit anzubinden.

An. 5/34 ergänzt die Geschichte des jungen Solomon dahin, daß dieser, eben erst von Pegasius gerettet, seinen Helfer aus Zorn über gewisse Vorhalte niedergemacht habe, jedoch vom Kaiser - offensichtlich wider besseres Wissen - von der An-klage des Mordes freigesprochen worden sei.

Die Stadt Laribus liegt südlich von Caput Vada an der Westküste der Kleinen Syrte.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 44: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

Κ R L λ υ Τ E R υ X G E Χ 429

23. K a p i t e l Die sehr lebhafte, auf gute Quellen sich gründende Dar-

si ollung schildert am Beispiel der Stadt Hadrumetum die verworrenen Verhältnisse in Afrika, die gleichzeitig mit den schweren Rückschlägen in Italien und an der persischen Front , beinahe zum Zusammenbruch des kaiserlichen Regi-ments führten. Unüberhörbar wird das Thema von der En t -völkerung dee Landes durch Mord und Auswanderung (27-29) angesprochen und damit ein weiterer Beweis für Just inians verhängnisvolle, reichszerstörerische Politik beigetragen. Prokop bezeichnet ihn an. 18/1 unter Hinweis auf sein Wir-ken in Afrika als „einen Dämon in Menschengestalt".

24. K a p i t e l

Mit deutlich spürbarem Hohn wird der neue Versuch J u - l ff stimane, die Dinge in Afrika zu meistern, vor Augen geführt : Areobindus, ein wohl vornehmer, mit dem Kaiserhaus ver-bundener Mann, aber schlapp und kriegsunerfahren ; die Be-fehlsverhältnisse ungeklärt ; die einzelnen Unterfeldherrn ihrer Aufgabe nicht gewachsen; die Truppenzahl und der Nachschub zu gering.

Sergius stand sonach westlich, Areobindus südlich von 5 Karthago ; man wollte offenbar Sergius nicht mehr gegen die aufständischen Leuathen verwenden.

Sicca Veneria entspricht dem heutigen Orte el Kef, 100 k m β südlich von Karthago.

An dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Sergius 7 und Johannes zerbricht nach Prokops Darstellung die römi-sche Kriegführung in Afrika. E r verspürt übrigens wenig Lust, den Dingen genauer nachzugehen, und n immt dafür die Gelegenheit wahr, durch seinen Bericht über den merkwür-digen Lebensausgang der beiden Urfeinde Stotzas und Johan-nes (9ff.) den Leser in Bann zu halten. Eine größere Entschei-dung scheint damals nicht gefallen zu sein.

Erst durch offensichtlichen Mißerfolg belehrt, entschließt 18 sich der Kaiser, die Befehlsverhältnisse neu zu regeln und 545/6 Sergius nach Italien zu versetzen, wo er weiterhin keine bedeutende Rolle mehr spielt (VII 27/2).

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM

Page 45: Werke, 4, Vandalenkriege (Griechisch-deutsch) || Erläuterungen

430 ρ κ ο κ ο ι>

25.-28. K a p i t e l

Prokop scheint, was den Ausgang des Areobindus und die Tyrannie des Gontharis anlangt, einen vorzüglichen. Einzel-heiten und Hintergründe genau durchleuchtenden Bericht besessen zu haben, den er nun dazu benützt, sein Werk mit spannenden Schilderungen abzuschließen. Besonders die In-dividuali täten der handelnden Personen, der rohe Haudogen Gontharis, der schwächliche Höfling Areobindus und der ehrgeizig-stolze Artabanes. werden dabei lebensvoll heraus-gearbeitet.

Die Empörimg des magister militum vacans und dux Xu -midiae Gontharis erfolgte etwa März 546; er verfolgte dabei das Ziel, Areobindus zu beseitigen und durch Vermählung mit dessen Witwe Preiecta sich dem Kaiserhaus zu verbin-den, das seinerseits ihn als Nebenherrscher in Afrika aner-kennen sollte. Bis zur Entscheidung hoffte er sich der Hilfe der Maurueier bedienen zu können. Seine Ermordung (Mai 546) führ te vorübergehend Artabanes als magister militum an die Spitze Afrikas; Ende 546 berief ihn Justinian nach Byzanz und stat tete ihn mit höchsten Ehren aus (VII 31/10). verweigerte ihm aber die Hand der Preiekta (VII 31/14), was Artabanes zur Verschwörung veranlaßte (VII 32/5ff.). Nach milder Bestrafung nimmt er späterhin als magister militum am Gotenkrieg erfolgreich teil (VII 39/8, VII I 24/1).

Prokop beobachtet die Entwicklung in Afrika mit tiefem Schmerz und läßt seine Gefühle in den Worten des Gregorius (27/11-18) ausströmen, vor allem 27/14, wo er den unrühm-lichen Verlust von Beiisars großem Erbe beklagt.

Der Abschnitt 28/42-52 macht in seiner flüchtigen Form den Eindruck eines Nachtrages. Genauere Mitteilungen scheint unser Verfasser nicht mehr in die Hand bekommen zu haben (vgl. auch den recht dürftigen Hinweis auf Afrika VIII 17/20-22!); vielleicht war ihm Afrika sogar etwas verleidet, seitdem Artabanes' Nachfolger Johannes Troglita (so ge-nannt nach seiner Heimat in Mazedonien) als neuernannter (Herbst 546) magister militum Africae Siege über Maurusier errang und wider Erwarten unseres Geschichtschreibers die afrikanische Misere doch noch zu einem guten Ende führte. Die Wondung „er schlug sie wider Erwarten in die Flucht" (28/51) und die Schlußbemerkung (28/52), alles eher denn ein Jubelruf , weisen sehr in dieser Richtung.

Brought to you by | Indiana University BloomingtonAuthenticated | 129.79.13.20

Download Date | 7/1/14 8:14 PM


Recommended