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Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || DIE EXCERPTA VALESIANA

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ANMERKUNGEN 1213 vereinigte. Gleichwohl kam es nicht mehr zu einem bedeut- sameren Eingreifen der Franken in Italien. Die Goten hielten sich nördlich des Po noch einige Zeit in Brescia und Verona. Um 562 war jeder Widerstand gebrochen, und der letzte Gotenführer Vidin mußte, nachdem ihm der fränkische Her- zog Amin vergeblich zu Hilfe gekommen war, den Weg in die Gefangenschaft nachByzanz antreten. 562 bis 568 währte die ungestörte Römerherrschaft in Italien, dann erschienen die Langobarden und zerbrachen für mehr als ein Jahr- tausend die Einheit Italiens. Die Excerpta Valesiana Unter den Excerpta Valesiana faßt man zwei bruchstück- weise überlieferte Schriften zusammen, deren Verfasser un- bekannt sind. Heinrich Valois (Valesius) hat sie am Ende sei- ner Ausgabe des Ammianus Marcellinus (Paris 1636) als erster veröffentlicht und so mit seinem Namen dauernd ver- bunden. Beide Fragmente stehen gesondert für sich: Das erste enthält excerptartige, sehr wertvolle Angaben über die römischen Kaiser von 305 bis 337, während das zweite, uns interessierende Fragment die Ereignisse von der Erhebung des Kaisers Nepos (474) bis zum Tode des Ostgotenkönigs Theodorich (526) unter besonderer Berücksichtigung Italiens behandelt. Wir dürfen für das letztere Fragment zwei Ver- fasser annehmen, wenig gebildete Männer aus Oberitalien, von denen der erste an Hand guter Quellen, wie der Raven- natischen Fasten und der Vita Sancti Severini des Eugippius, die Vorgänge bis 518 schildert und sich, obwohl katholischer Christ, als Bewunderer des arianischen Germanenkönigs zeigt. Der Berichterstatter über den Zeitraum 518 bis 526 hingegen ist ein abergläubischer Hasser alles Nichtkatholi- schen, der vielleicht ein Menschenalter nach seinem Vorgän- ger schreibt, als das Ostgotenreich schon der Geschichte an- gehörte. Größere Zusammenhänge vermag keiner der beiden Verfasser zu sehen. Die folgende Übersetzung gründet sich auf die Ausgabe der Excerpta Valesiana von Jacques Moreau, Bibliotheca Teubneriana 1961. Brought to you by | pr Unauthenticated | Download Date | 6/
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Page 1: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || DIE EXCERPTA VALESIANA

A N M E R K U N G E N 1213

vereinigte. Gleichwohl kam es nicht mehr zu einem bedeut-sameren Eingreifen der Franken in Italien. Die Goten hielten sich nördlich des Po noch einige Zeit in Brescia und Verona. Um 562 war jeder Widerstand gebrochen, und der letzte Gotenführer Vidin mußte, nachdem ihm der fränkische Her-zog Amin vergeblich zu Hilfe gekommen war, den Weg in die Gefangenschaft nachByzanz antreten. 562 bis 568 währte die ungestörte Römerherrschaft in Italien, dann erschienen die Langobarden und zerbrachen für mehr als ein Jahr-tausend die Einheit Italiens.

D i e E x c e r p t a V a l e s i a n a

Unter den Excerpta Valesiana faßt man zwei bruchstück-weise überlieferte Schriften zusammen, deren Verfasser un-bekannt sind. Heinrich Valois (Valesius) ha t sie am Ende sei-ner Ausgabe des Ammianus Marcellinus (Paris 1636) als erster veröffentlicht und so mit seinem Namen dauernd ver-bunden. Beide Fragmente stehen gesondert für sich: Das erste enthält excerptartige, sehr wertvolle Angaben über die römischen Kaiser von 305 bis 337, während das zweite, uns interessierende Fragment die Ereignisse von der Erhebung des Kaisers Nepos (474) bis zum Tode des Ostgotenkönigs Theodorich (526) unter besonderer Berücksichtigung Italiens behandelt. Wir dürfen für das letztere Fragment zwei Ver-fasser annehmen, wenig gebildete Männer aus Oberitalien, von denen der erste an Hand guter Quellen, wie der Raven-natischen Fasten und der Vita Sancti Severini des Eugippius, die Vorgänge bis 518 schildert und sich, obwohl katholischer Christ, als Bewunderer des arianischen Germanenkönigs zeigt. Der Berichterstatter über den Zeitraum 518 bis 526 hingegen ist ein abergläubischer Hasser alles Nichtkatholi-schen, der vielleicht ein Menschenalter nach seinem Vorgän-ger schreibt, als das Ostgotenreich schon der Geschichte an-gehörte. Größere Zusammenhänge vermag keiner der beiden Verfasser zu sehen.

Die folgende Übersetzung gründet sich auf die Ausgabe der Excerpta Valesiana von Jacques Moreau, Bibliotheca Teubneriana 1961.

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E x c e r p t o r u m V a l e s i a n o r u m

P a r s P o s t e r i o r : T h e o d e r i c i a n a

36 Igitur imperante Zenone Augusto Constantinopoli super -veniens Nepos patricius ad Por tum urbis Romae deposuit de imperio Glycerium et faetus est episcopus et Nepos faetus imperator Romae. mox veniens Ravennam: quem perse -quens Orestes patricius cum exercitu, metuens Nepos adven-tum Orestis, ascendens navem fugam peti t ad Salonam et ibi mansit per annos quinqué: postea vero a suis occiditur. mox eo egresso faetus est imperator Augustulus. Augustulus im-peravit annos X .

37 Augustulus, qui ante regnum Romulus a parentibus vocabatur, a pat re Oreste patricio faetus est imperator. superveniens autem Odoacar cum gente Scirorum occidit Orestem patricium in Placentia et f ra t rem eius Paulum ad Pineta <m> foris Classem Ravennae.

38 Ingrediens autem Ravennam deposuit Augustulum de regno, cuius infantiam misertus concessit ei sanguinem, et quia pulcher erat, etiam donans ei redi tum sex milia solidos misit eum intra Campaniam cum parentibus suis libere vivere, enim pater eius Orestes Pannonius, qui eo tempore, quando Attila ad I tal iam venit, se illi iunxit et eius notarius faetus fuerat . unde profecit et usque ad patriciatus dignita-tem perve<ne>rat.

39 Ergo postquam faetus est imperator Zeno a filio suo Leone, qui natus fuerat de filia Leonis Ariagne nomine, régnât cum filio suo anno uno et merito Leonis regnum re-mansit apud Zenonem. Zeno vero cum filio iam regnans anno uno, imperavit annos XIIII ,nobil issimus Isauriae, qui dignus esset filiam imperatorie accipere, exer<ci>tus in arma.

40 Perhibent de eo, quia patellas in genucula non habuisset, sed mobiles fuissent, u t etiam cursum velocissimi™ ultra

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A u s z u g a u s d e r C h r o n i k d e s A n o n y m u s V a l e s i a n u s

( Z e i t g e s c h i c h t e O d o a k a r s u n d T h e o d o r i c h s )

Während also Kaiser Zeno über Konstantinopel regierte, kam der Patricius Nepos zum Hafen der Stadt Rom, setzte den Glycerius ab, den man zum Bischof machte, und wurde selber Kaiser von Rom. Hierauf begab er sich nach Ravenna. Ihn griff der Patricius Orestes mit einem Heere an. Nepos, dem vor seiner Ankunf t bangte, bestieg ein Schiff, floh nach Salona und weilte dort noch fünf Jahre ; dann ermordeten ihn seine eigenen Leute. Nach seiner Flucht wurde Augustulus Kaiser, der noch zehn ( ?) Jahre herrschte.

Augustulus - seine El tern nannten ihn vor dem Regierungs-ant r i t t Romulus - wurde durch seinen Vater, den Patricius Orestes, zum Kaiser erhoben. Doch da kam Odoakar mit dem Volke der Skiren heran und tötete den Patricius Orestes in Placentia und dessen Bruder Paulus in Pineta vor Classis bei Ravenna.

Sodann betrat er Ravenna und setzte Augustulus ab, doch erbarmte er sich seiner Jugend und schenkte ihm das Leben, und da er schön war, gab er ihm auch noch 6000 Solidi Ein-künf te und schickte ihn nach Kampanien, damit er dort zu-sammen mit seinen Angehörigen in Freiheit lebe. Denn sein Vater Orestes, ein Pannonier, der sich damals, als Attila nach Italien kam, ihm anschloß, war zu dessen Notarius (Sekretär) bestellt worden. Von dort nahm er seinen Aufstieg und ge-langte schließlich bis zur Würde des Patriziats.

Nachdem also Zeno von seinem Sohne Leo, den ihm Leos Tochter namens Ariadne geschenkt hat te , zum Kaiser ge-macht worden war, regierte er mit seinem Sohne zusammen ein Jahr , und es war Leos Verdienst, daß er Kaiser blieb. Zeno aber, der mit seinem Sohne ein J a h r herrscht«, führte die Regierung vierzehn Jahre . E r war der vornehmste Mann Isauriens und würdig, eine Kaisertochter zu empfangen; er besaß außerdem Übung in den Waffen.

Man berichtet von ihm, daß er keine Kniescheiben gehabt habe, die Kniee seien vielmehr beweglich gewesen, so daß er

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1216 EXCERPTA VALE SI AN A

modum hominum haberet, in re publica omnino providen-tissimus, favens genti suae.

41 Huic insidiabatur Basiliscus, ipse primus senator: quo cognito Zeno cum aliquantis divitiis petiit Isauriam. at ubi ille egressus est, mox Basiliscus, qui ei, ut dictum est, insi-diabatur, arripuit imperium.

42 Basiliscus imperavit annos I I . Zeno confortane Isauros intra provinciam, deinde misit ad civitatem Novam, ubi erat Theodericus, dux Gothorum, filius Walamerici, et eum invitavit in solacium sibi adversus Basiliscum, obiectans mili-tem, post biennium veniens, obsidens civitatem Constanti-nopolim.

43 Sed quia senatus et populus Zenonem metuentes, ne quid mali pateretur civitas, relicto Basilisco, se illi omnes dederunt aperta civitate. Basiliscus fugiens ad ecclesiam in-tra baptisterium cum uxore et filiis ingreditur. cui Zeno dato sacramento securum esse de sanguine, exiens, inclausus cum uxore et filiis intra cisternam siccam, ibidem frigore defece-runt.

44 Zeno recordatus est amorem senatus et populi, muni-ficus omnibus se ostendit, ita ut omnes ei gratias agerent. senatum Romanum et populum tuitus est, ut etiam ei imagines per diversa loca in urbe Roma levarentur. cuius tem-pora pacifica fuerunt.

45 Odoacar vero, cuius supra fecimus mentionem, mox de-posito Augustulo de imperio, factus est rex mansitque in regno annos X I I I . cuius pater Edico dictus, de quo ita in-venitur in libris vitae beati Severini monachi intra Pan-noniam, qui eum admonuit et praedixit regnum eius futurum.

46 I ta repperis ad locum : quidam barbari cum ad, Itáliam per-gerent, promerendae benedictionis ad eum intuitu deverterunt.

Inter quos et Odoacar, qui postea regnavit Italiae, vilissimo habitu iuvenis statura procerus advenerat, qui dum se, ne

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über alles menschliche Maß hinaus auch äußerst behend war. In der Leitung des Staates war er ungemein fürsorglich, ein Gönner seines Stammes.

Gegen ihn arbeitete heimlich Basiliscus, er selbst der vor-nehmste Senator. Als Zeno davon erfuhr, eilte er mit einigen Schätzen nach Isaurien. Sobald er aber geflohen war, riß Ba-siliscus, der wie gesagt heimlich gegen ihn arbeitete, die Herr-schaft an sich.

Basiliscus regierte nur zwei Jahre . Indessen stärkte Zeno die Isaurier in ihrem Gebiet, schickte hierauf zur Stadt Nova, wo sich der Gotenführer Theodorich, der Sohn Walamirs, auf-hielt, und forderte ihn zur Hilfeleistung gegen Basiliscus auf. E r ließ Soldaten ins Feld rücken, erschien nach zwei Jahren selbst und belagerte die Stadt Konstantinopel.

Doch da Senat und Volk vor Zeno bangten, es möge der Stadt schlimm ergehen, so verließen sie Basiliscus, öffneten die Tore und ergaben sich ihm insgesamt. Basiliscus floh in eine Kirche und suchte mit seiner Gemahlin und seinen Söh-nen im Taufraum Schutz. Zeno gab ihm die eidliche Zusiche-rung, daß er sein Leben schonen wolle, doch als Basiliscus den Raum verließ, wurde er mit seiner Gemahlin und seinen Söhnen in eine trockene Zisterne eingeschlossen, wo sie er-froren.

Eingedenk der von Senat und Volk bewiesenen Zuneigung, zeigte sich Zeno allen gegenüber freigebig, so daß ihm jeder dankte. Er nahm sich um den römischen Senat und das Volk in einer Weise an, daß ihm an verschiedenen Plätzen der Stadt Rom sogar Standbilder errichtet wurden. Seine Zeiten waren friedlich.

Der oben erwähnte Odoakar aber wurde nach Absetzung des Augustulus König und regierte dreizehn Jahre . Sein Va-ter hieß Edico. Von Odoakar aber stehen in den Büchern über das Leben des seligen Severinus, des pannonischen Mönches, der ihm Mahnungen erteilte und sein künftiges Königtum voraussagte, folgende Worte :

An der Stelle (Vita Sancti Severini VI/6 und VII) findest du also geschrieben: „Als einige Barbaren nach Italien zogen, kehrten sie bei Severinus ein, um ihn zu sehen und seinen Segen zu empfangen. Mit ihnen war auch Odoakar, der spä-tere König von Italien, gekommen; damals t rug er einfachste Kleidung und war noch ein junger Mann von hohem Wüchse.

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1218 EXCERPTA VALE SIANA

humillimae tectum cellulae eius suo vertice contingeret, in-clinasset, a viro dei gloriosum se fore cognovit, cui etiam ,vale' dicenti, vade, inquit, ad Italiam, vade vilissimis nunc pellibus cooper tus, sed multis cito plurima largiturus'.

47 Inter im u t dei famulus ei praedixerat, mox in I tal iam in-gressus est, regnum accepit. eodem tempore Odoacar rex memor factus, quodav i ro sancto praedictum audierat, s tat im familiariter littéral ad eum dirigerle, sì qua sperando ducerei, dabat suppliciter optionem. ergo vir dei tantis itaque eius adloquiis per litteras invitatus, Ambrosium quondam exulantem rogai absolví, cuius Odoacar gratulabundus paruit imperatis.

48 Igitur Odoacar rex gessit bellum adversus Rugos, quos in secundo vicit, et funditus delevit. nam dum ipse esset bonae voluntatis et Arrianae sectae favorem praeberet, quodam tempore dum memoratum regem multi nobiles coram sancto viro humana, ut fieri solet, adulatione laudarent, interrogai quem regem tantis praeconiis praetulissent. respondentibus ,Odoa-crem', ,Odoacar, inquit, integer [qui dixit eis] inter tredecim et quattuordecim' annos videlicet integri eius regni signifìcans.

49 Zeno itaque recompensans beneficile Theodericum, quem fecit patricium et consulem, donans ei mul tum et mittens eum ad Italiam. cui Theodericus pactuatus est, ut , si victus fuisset Odoacar, pro merito laborum suorum loco eius, dum adveniret, t an tum praeregnaret. ergo superveniente Theo-derico patricio de civitate Nova cum gente Gothica, missus ab imperatore Zenone de part ibus Orientis ad defendendam sibi I taliam.

50 Cui occurrit venienti Odoacar ad fluvium Sontium, et ibi pugnane cum eodem, victus fugit et abiit in Veronam et

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Während er sich, um nicht mit seinem Scheitel das ganz nied-rige Dach der Klause zu berühren, niedergebeugt hatte , hörte er von dem Gottesmanne, daß er einmal zu R u h m gelangen werde. Und beim Abschied sprach er zu ihm: „Zieh nach Italien, zieh hin ! Je tz t bist du zwar noch in ärmlichste Felle gehüllt, doch bald wirst du viele mit reichsten Gaben be-schenken."

Indessen kam er dann, wie ihm der Knecht Gottes voraus-gesagt hat te , nach Italien und empfing die Königswürde. Zur gleichen Zeit erinnerte sich der König Odoakar an die Pro-phezeiung, die er von dem heiligen Manne erhalten hat te . Er richtete daher sogleich ein freundliches Schreiben an ihn und versprach ihm voll Ergebenheit die Erfüllung etwaiger Wünsche. Auf dieses so großmütige schriftliche Angebot hin ba t nun der Gottesmann u m die Begnadigung eines gewissen Ambrosius, der verbannt war. Gerne willfahrte Odoakar sei-nem Ersuchen (vgl. Vita S. Severini XXXII /1 ) .

Nun führ te König Odoakar Krieg mit den Rugiern, die er beim zweiten Male besiegte und völlig vernichtete (vgl. Vita S. Severini XXXXIV/4) . E r selbst war der arianischen Sekte sehr zugetan. Als nun einst zahlreiche vornehme Männer in Gegenwart des heiligen Mannes den erwähnten König mit Schmeichelworten, wie es nun einmal Menschensitte ist, prie-sen, da fragte er sie, welchen König sie denn mit so hohen Lobsprüchen ausgezeichnet hät ten . Sie erwiderten: „Odoa-kar" . Darauf sprach er zu ihnen: „Odoakar wird nur drei-zehn oder vierzehn Jah re vom Leide verschont bleiben", wo-bei er den (sicheren) Bestand seines Königtums meinte (vgl. Vita S. Severini XXXII /2 ) .

Zeno dankte Theodorich durch Gnadenbeweise : Er machte ihn zum Patricius und Konsul, zeichnete ihn durch viele Ge-schenke aus und sandte ihn schließlich nach Italien. Theodo-rich traf mit ihm ein Abkommen, wonach er im Falle eines Sieges über Odoakar zum Lohn für seine Mühen bis zur An-kunf t des Kaisers an dessen Stelle die Herrschaft führen solle. So rückte also der Patricius Theodorich von der Stadt Nova mit dem Gotenvolke heran ; Kaiser Zeno ha t te ihn aus den östlichen Gebieten gehen heißen, um die Verteidigung Italiens fü r ihn zu übernehmen.

I hm t r a t bei seinem Eintreffen Odoakar am Flusse Sontius entgegen, wurde jedoch dort im Kampfe mit ihm besiegt und

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1220 E X C E R P T A V A L E S I A N A

fixit fossatum in campo minore Veronense V kalendas Octo-bres. ibique persecutus est eum Theodericus et pugna facta ceciderunt populi ab utraque parte ; tamen superatile Odoa-car fugit Ravennam pridie kalendas Octobres.

51 Et perambulavit Theodericus patricius Mediolanum, et tradiderunt se illi maxima pars exercitus Odoacris, nec non et Tufa magister militum, quem ordinaverat Odoacar. cum optimatibus suis kal. Aprii, eo anno missus est Tufa magister militum a Theoderico contra Odoacrem Ravennam.

52 Veniens Faventiam Tufa obsedit Odoacrem cum exercitu, cum quo directus fuerat ; et exiit Odoacar de Ravenna et ve-nit Faventiam, et Tufa tradidit Odoacri comités patricii Theoderici et missi sunt in ferrum et adducti Ravennam.

53 Fausto et Longino, his consulibus Odoacar rex exiit de Cremona et ambulavit Mediolanum. time vénérant Wisi-gothae in adiutorium Theoderici et facta est pugna super fluvium Adduam, et ceciderunt populi ab utraque parte, et occisus est Pierius comes domesticorum II I idus Augustas, et fugit Odoacar Ravennam, et mox subsecutus est eum patri-cius Theodericus veniens in Pinetam et fixit fossatum, obsi-dens Odoacrem clausum per triennium Ravennae, et fat-timi est usque ad sex solidos modius tritici, et mittens lega-tionem Theodericus, Festum, caput senatus, ad Zenonem imperatorem et ab eodem sperane vestem se induere regiam.

54 Olybrio v. c. cons, hoc consule exiit Odoacar rex de Ra-venna nocte, cum Herulis ingressus in Pinetam, in fossatum patricii Theoderici, et ceciderunt ab utraque parte exercitus, et fugiens Levila magister militum Odoacris occisus est in fluvio Bedente : et victus Odoacar fugit Ravennam id. lui.

55 Igitur coactus Odoacar dedit fìlium suum Thelanem ob-sidem Theoderico, accepta fide securum se esse de sanguine.

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E X C E R P T A V A L E S I A N A 1221

mußte fliehen. Odoakar aber zog nach Verona ab, wo er am 27. September auf dem kleineren Veronensischen Feld "eine Befestigung mit Graben anlegen ließ. Dorthin folgte ihm Theodorich nach, es kam zur Schlacht, und auf beiden Seiten wurde viel Volk getötet. Dennoch wurde Odoakar besiegt und mußte am 30. September nach Ravenna fliehen.

Der Patricius Theodorieh zog nun durch Mailand, und der Großteil von Odoakars Heer ergab sich ihm, dazu auch der magister militum Tufa, den Odoakar dazu bestellt hatte. Mit seinen Vornehmen zusammen wurde der magister militum Tufa am 1. April von Theodorich gegen Odoakar nach Ra-venna entsandt.

Tufa kam nach Faventia und belagerte Odoakar mit dem Heere, mit dem man ihn abgeschickt hatte. Darauf verließ Odoakar Ravenna und kam nach Faventia, worauf ihm Tufa die Begleiter des Patricius Theodorich auslieferte. In Eisen wurden diese nach Ravenna gebracht.

Unter den Konsuln Faustus und Longinus zog König Odoakar von Cremona aus und nahm seinen Weg nach Mai-land. Da kamen die Westgoten dem Theodorich zur Hilfe; bei der nun folgenden Schleicht jenseits des Flusses Addua wurde auf beiden Seiten viel Volk getötet und auch der comes domesticorum (Befehlshaber der Leibgarde) Pierius fand am 11. August den Tod. Odoakar mußte nach Ravenna fliehen, worauf ihm alsbald der Patricius Theodorich nachsetzte. Nach seiner Ankunft in Pineta ließ er eine Befestigung mit Graben anlegen und belagerte Odoakar, der drei Jahre in Ravenna eingeschlossen war. Der Preis für einen Scheffel Weizen aber stieg auf 6 Solidi (Goldstücke). Nun schickte Theodorich Faustus, das Haupt des Senates, als Gesandt-schaft zu Kaiser Zeno, da er damit rechnete, von ihm mit dem königlichen Ornat bekleidet zu werden.

Unter dem Konsul sine collega Olybrius rückte König Odoakar nachts aus Ravenna heraus und drang mit seinen Herulern in Pineta und die Befestigung des Patricius Theo-dorich ein. Auf beiden Seiten fanden viele den Tod. Und Le-vila, der magister militum des Odoakar, mußte fliehen und endete im Flusse Bedentis. Darauf flüchtete sich Odoakar besiegt nach Ravenna, am 15. Juli.

Nun sah er sich gezwungen, seinen Sohn Thela als Geisel zu stellen, worauf ihm Theodorich zusicherte, sein Leben

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1222 E X C E R P T A V A L E S I A N A

sic ingress us est Theodericus: et post aliquot dies, dum ei Odoaear insidiaretur, detectus ante ab eo praeventus in pa-latio, manu sua Theodericus eum in Lauretum pervenientem gladio interemit.

56 Cuius exercitus in eadem die iussu Theoderici omnes inter -fecti sunt, quivis ubi potuit reperiri, cum omni stirpe sua.

57 Et moritur Constantinopoli Zeno imperator, et factus est imperator Anastasius. Theodericus enim, qui in legationem direxerat Faustum Nigrum ad Zenonem, at ubi cognita morte eius antequam legatio reverteretur, ut ingressus est Raven-nani et occidit Odoacrem, Gothi sibi conflrmaverunt Theo-dericum regem non exspectantes iussionem novi principis.

58 Vir enim bellicosissimus fortis, cuius pater Walamir dictus rex Gothorum, naturalis tarnen eius fuit, mater Ereriliva dicta Gothica catholica quidem erat, quae in baptismo Eu-sebia dicta.

59 Ergo praeclarus et bonae voluntatis in omnibus, qui regnavit annos XXXIII. cuius temporibus felicitas est se-cuta Italiam per annos triginta ita, ut etiam pax pergentibus esset.

60 Nihil etiam perperam gessit. sic gubernavit duas gentes in uno, Romanorum et Gothorum, dum ipse quidem Arrianae sectae esset, tarnen nihil contra religionem catholicam temp-tane, ut etiam a Romanis Traianus vel Valentinianus, quorum tempora sectatus est, appellaretur et a Gothis secundum edictum suum, quo ius constituit, rex fortissimus in omnibus iudicaretur. militiam Romanis sicut sub principes esse prae-cipit. dona et annonas largitus, exhibens ludos circensium et amphitheatrum, quamquam aerarium publicum ex toto faeneum invenisset, suo labore recuperavit et opulentum fecit.

61 Hic dum inlitteratus esset, tantae sapientiae fuit, ut ali-qua, quae locutus est, in vulgo usque nunc pro sententia habeantur: unde nos non piget aliqua de multis eius in com-memoratione posuisse. dixit : 'aurum et daemonem qui habet,

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E X C E R P T A V A L E SI A N A 1223

schonen zu wollen. So konnte Theodorich einziehen. Doch einige Tage darauf entdeckte er noch rechtzeitig die gegen ihn geplanten Anschläge Odoakars und kam ihm im Kaiser-palast zuvor : Eigenhändig stieß ihn Theodorich, wie er in das Lauretum kam, rasch mi t seinem Schwerte nieder.

Am gleichen Tage noch wurden auf Theodorichs Befehl die Leute des Odoakar, wo man sie finden konnte, bis auf den letzten Mann, dazu auch seine ganze eigene Sippe umgebracht.

I n Konstantinopel aber starb Kaiser Zeno, und Anastasius wurde sein Nachfolger. Theodorich ha t te nämlich Faustus Niger als Gesandten an Zeno geschickt. Doch ehe noch die Gesandtschaft zurückgekehrt war, erhoben ihn die Goten, sobald sie von Zenos Tod hörten, auf den Einmarsch in Ra-venna und die Ermordung Odoakars hin zu ihrem König und warteten keinen Befehl des neuen Herrschers ab.

Er war ja ein sehr kriegerischer, tapferer Mann, freilich nur der natürliche Sohn des Gotenkönigs Walamir. Seine Mutter, eine Gotin namens Ereriliva, war Katholikin und ha t te in der Taufe den Namen Eusebia erhalten.

So war er denn in seiner dreiunddreißigjährigen Regierung hochberühmt und von rechtem Wollen in allen Dingen. Zu seinen Zeiten erfreute sich Italien dreißig Jahre lang des Wohlergehens in einer Weise, daß sogar fortdauernder Friede herrschte.

E r ließ sich auch kein Vergehen zuschulden kommen. So regierte er gemeinsam die Völker der Römer und Goten. Ob-schon er selbst der arianischen Sekte zugehörte, unternahm er doch nichts gegen die katholische Religion, so daß er auch von den Römern Tra jan und Valentinian, deren Zeiten er es gleichtat, genannt wurde und bei den Goten wegen seines Edikts, in dem er das Recht festsetzte, für den allertapfer-sten König galt. Den Kriegsdienst ließ er bei den Römern wie unter den Kaisern bestehen. Er machte Geschenke und Spen-den, ließ im Zirkus und Theater Spiele aufführen und füllte den Staatsschatz, obschon er ihn gänzlich erschöpft vorgefun-den hatte, dank seiner Ta tk ra f t wieder auf und bereicherte ihn.

Er war zwar ohne Bildung, besaß aber doch so viel Ver-stand, daß bis auf den heutigen Tag im Volk noch Redewen-dungen von ihm umgehen, aus deren großer Zahl wir gerne einige erwähnt haben wollen. So sagt er: „Wer Gold und

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1224 E X C E R P T A V A L E SI ANA

non eum potest abscondere'. item : 'Romanus miser imitatur Gothum et futilis Gothus imitatur Romanum'.

62 Quidam defunctus est et reliquit uxorem et parvulum filium nescientem matrem. ab aliquo sublatus est filius eius parvulus et ductus in aliam provinciam et educatus. factus iuvenis quoquo modo revertitur ad matrem. mater enim iam spoponderat virum. cum [enim] vidisset mater, amplectit filium, benedicens deum se filium revidisse. et fecit cum ea dies triginta. et ecce veniens sponsus matris videns iuvenem interrogavit quis esset, quae respondit esse suum filium. at ubi comperit esse filium eius coepit repetere arras et dicere: ,aut nega filium tuum esse, aut vero abscedo hinc'. mulier compellitur a sponso et coepit negare filium, quem ipsa ante confessa est et dicere: ,vade, iuvenis, de domo mea, quia peregrinimi te suscepi.' ille enim dicebat regressum se ad matrem in domnum patrie sui. quid multa ? dum haec agun-tur, filius rogavit regem adversus matrem, quam rex iussit in conspectu suo sisti, cui et dixit: ,mulier, filius tuus adversus te rogat. quid dicis ? est filius tuus, annon ?' quae dixit: ,ηοη est meus filius, sed peregrinimi eum suscepi'. et dum per or-dinem omnia filius mulier is intimasset in auribus regis, dicit mulieri denuo: ,est filius tuus, annon ?' quae dixit: ,ηοη est filius meus', dicit ei rex: ,et quae est facultas tua, mulier?' quae respondit: ,usque ad mille solidos.' et dum aliud se rex non esse futurum sub iusiurandum pollicitus est nisi ipsum, alium norì<acciperet maritum, tunc confusa est mulier et con-fessa est suum esse filium. sunt eius et multa alia.

63 Postea vero accepta uxore de Francis nomine Augofiada. nam uxorem habuit ante regnum, de qua susceperat filias: unam dedit nomine Areaagni Alarico regi Wisigotharum in

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einen bösen Geist besitzt, kann es nicht verbergen!" und ebenso: „Ein schlechter Römer ahmt einen Goten und ein minderwertiger Gote einen Römer nach."

Es starb einmal ein Mann und hinterließ eine Frau und einen kleinen Sohn, der noch nichts von seiner Mutter wußte. Da nahm sich einer des unmündigen Sohnes an, brachte ihn in ein anderes Land und zog ihn dort auf. Zum Jüngling herangewachsen, kehrte er irgendwie zu seiner Mutter zu-rück, die sich schon einem Manne verlobt hat te . Als die Mut-ter ihren Sohn erblickte, schloß sie ihn in die Arme und dankte Gott , daß sie ihn wieder sehen durfte. Dreißig Tage verbrachte sie mit ihm. Und siehe, da kam der Verlobte der Mutter, sah den jungen Mann und fragte, wer er sei. Die Frau antwortete, es sei ihr Sohn. Sobald aber der Mann erfuhr, daß es der Sohn der Frau sei, begann er Fluch auf Fluch zu set-zen und sagte : „Verleugne ihn entweder als deinen Sohn oder ich verlasse dich!" Die Frau ließ sich von ihrem Verlobten bestimmen und begann ihren Sohn zu verleugnen, den sie doch selbst zuvor anerkannt hat te , und sprach: „Geh, junger Mann, aus meinem Hause; denn ich habe in dir einen Frem-den aufgenommen!" Jener behauptete nämlich, er sei zu sei-ner Mutter in das Haus seines Vaters zurückgekehrt. Wozu langer Worte Î Währenddessen erbat der Sohn die Hilfe des Königs gegen seine Mutter. Und der König ließ sie vor sich kommen und sprach zu ihr: „Weib, dein Sohn klagt gegen dich. Was hast du dazu zu sagen ? I s t es dein Sohn oder n i c h t ? " Die Frau erwiderte: „Es ist nicht mein Sohn, ich habe vielmehr einen Fremdling aufgenommen." Als nun der Sohn der Frau dem König alles der Reihe nach berichtet hat te , fragte er die F rau von neuem: „Is t es dein Sohn oder n i c h t ? " Sie aber erklärte dem König: „Es ist nicht mein Sohn." Nun sagte der König zu ihr: „Und wie groß ist dein Vermögen, Frau ?" Sie entgegnete: „An die tausend Solidi." Da schwor der Herrscher einen Eid und erklärte, es werde nur den einen Weg geben, daß sie ihn und keinen andern zum Gatten nehme. Dies erschütterte die Frau so tief, daß sie ihn als ihren Sohn anerkannte. Es gibt aber auch noch viele andere Geschichten von Theodorich.

Später vermählte er sich mit einer Fränkin namens Augo-flada. Denn bevor er König wurde, ha t t e er eine Frau, die ihm nur Töchter geschenkt ha t t e ; eine davon, Areaagni mit Na-

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Gallias et aliam filiam suam Theodegotham Sigismundo filio Gundebadi regis.

64 Facta pace cum Anastasio imperatore per Festum de praesumptione regni, et omnia ornamenta palatii, quae Odoacar Constantinopolim transmiserat, remitt i t .

65 Eodem tempore contentio orta est in urbe Roma inter Symmachum et Laurentium : consacrati enim fuerant ambo, ordinante deo, qui et dignus fuit , superávit : Symmachus. post factam pacem in urbis ecclesia ambulavit rex Theoderi-cus Romam et occurrit beato Petro devotissimus ac si catholi-cus. cui papa Symmachus et cunctus senatus vel populus Romanus cum omni gaudio extra urbem occurrentes.

66 Deinde venions ingressus urbem, venit ad senatum et ad Palmam populo adlocutus se omnia, deo iuvante, quod retro principes Romani ordinaverunt, inviolabiliter servaturum promitt i t .

67 Per tricennalem tr iumphans populo ingressus palatium, exhibons Romanis ludos circensium. donavit populo Ro-mano et pauperibus annonas singulis annis, centum viginti milia modios et ad restaurationem palatii seu ad recupera-tionem moeniae civitatis singulis annis libras ducentas de arca vinaria dari praecepit.

68 I t em Amalafrigdam germanam suam in matrimonium tra-dens regi Wandalorum Trasimimdo. Liberium praefectum praetorii, quem fecerat in initio regni sui, fecit patricium et dedit ei successorem. successit in administratione prae-fecturae itaque Theodoras filius Basili. Odoin comes eius insidiabatur ei.

69 Dum haec cognovisset, in palatio, quod appellatur Ses-sorium, caput eius amputar i praecepit. verba enim pro-missionis eius, quae populo fuerat adlocutus, rogante po-pulo in tabula aenea iussit scribi et in publico poni.

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men, gab er dem Westgotenkönig Alarich in Gallien, seine andere Tochter Theodegotha dem Siegismund, dem Sohne des Königs Gundobad.

Nachdem er sich durch Vermittlung des Festus mit Kaiser Anastasius wegen der Annahme der Königswürde friedlich geeinigt hat te , schickte ihm dieser alle Abzeichen des Herr-schertums zurück, die Odoakar nach Konstantinopel über-sandt hat te .

Zur gleichen Zeit ents tand in der Stadt Rom zwischen Sym-machus und Laurentius ein Streit ; denn beide ha t ten die Weihe empfangen. Durch Gottes Batschluß siegte Symma-chus, der auch würdig war. Nachdem der kirchliche Friede wieder hergestellt war, begab sich König Theodorich nach Rom und begegnete dem hl. Petrus in aller Demut , wie wenn er ein Katholik wäre. I h m zogen Paps t Symmachus und der ganze Senat und alles Volk von Rom unter Freudenbezeu-gungen jeder Art bis vor die Stadt entgegen.

Nach seiner Ankunf t betrat er die Stadt und s ta t te te dem Senat einen Besuch ab. Dann richtete er an der Palma Worte ans Volk und versprach, er wolle alle früheren Anordnungen der römischen Kaiser unverändert bestehen lassen.

U m seine Tricennalien (dreißigjähriges Regierungsjubi-läum) vor dem Volk zu feiern, nahm er Wohnung im Kaiser-palast und gab den Römern Zirkusspiele. Dem römischen Volk und den Armen wies er jährlich an Spenden 120000 Scheffel Weizen zu; außerdem gewährte er zur Wiederher-stellung des Kaiserpalastes und zur Erneuerung der Stadt-mauern jährlich 200 P fund Gold aus der Weinkasse.

E r gab auch Amalafrigda, seine leibliche Schwester, dem Vandalenkönig Thrasamund zur Gemahlin. Den praefectus praetorio Liberius, den er am Beginn seiner Regierimg zu die-ser Würde berufen hat te , erhob er zum Patricius und gab ihm in der Verwaltung der Präfektur einen Nachfolger, Theodorus, den Sohn des Basilius. Odoin aber, ein comes (Begleiter) des Theodorich, plante einen Anschlag gegen ihn.

Doch der König erfuhr davon und ließ ihn im sog. Sesso-riumpalaste enthaupten. Auf Bit ten des Volkes ordnete er an, daß seine Zusagen, die er bei der Ansprache an das Volk ge-macht hat te , auf eine eherne Tafel geschrieben und öffent-lich aufgestellt werden sollten.

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70 Deinde sexto mense revertens Ravennam, aliam germa-nam suam Amalabirgam tradens in matrimonium Hermini-fredo regi Turingorum : et sic sibi per circuitum plaeavit om-nes gentes, erat enim amator fabricarum et restaurator civi-t a tum.

71 Hie aquae ductum Ravennae restaura vit, quem princeps Traianus fecerat, et post multa tempora aquam introduxit . palatium usque ad perfectum fecit, quem non dedicavit. portica circa palatium perfecit. item Veronae thermas et palat ium fecit et a porta usque ad palat ium porticum ad-didit. aquae ductum, quod mul ta tempora destructum fuerat , renovavit et aquam intromisit. Muros alios novos circuit ci-vitatem. item Ticini palatium thermas amphi theatrum et alios muros civitatis fecit.

72 Sed et per alias civitates mul ta beneficia praestitit . sic enim oblectavit vicinas gentes, u t se illi sub foedus darent, aliae gentes sibi eum regem sperantes. negotiantes vero de diversis provinciis ad ipsum concurrebant ; tantae enim dis-ciplinae fuit , u t , si quis voluit in agrum suum argentum vel aurum dimittere, ac si intra muros civitatis esset, ita exis-timaretur.

73 E t hoc per to tam Italiani tan to modo augurium habebat , u t nulli civitati por tam faceret; nec in civitate portae clau-debantur : quivis quod opus habebat faciebat, qua hora vellet, ac si in die. sexaginta modios tritici in solidum ipsius tempore emerunt et vinum triginta amphoras in solidum.

74 Eodem itaque tempore habebat Anastasius imperator tres nepotes, id est Pompeium, Probum et Hypa t ium: cogitans, quem de ipsis faceret post se imperatorem, quodam die ius-sit eos secum prendere et intra palat ium post prandium meridiari et singula lecta eis sterni, et in uno lecto iussit ad caput regium poni et quis de ipsis in eodem lecto elegisset dormire, in hoc se debere cognoscere, cui regnum postea tra-deret. unus quidem in uno lecto se iactavit, duo enim in

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Darauf kehrte er im sechsten Monate nach Ravenna zu-rück und vermählte seine Tochter Amalabirga mit dem Thü-ringerkönig Herminifred. Auf diese Art gewann er ringsum die Zuneignung aller Völker. E r war nämlich ein großer Bau-herr und Erneuerer der Städte.

So setzte er die von Kaiser Tra jan angelegte Wasserleitung von Ravenna wieder instand und führ te nach langen Zeiten wieder Wasser in die Stadt . Den Palast konnte er fertigstellen, aber nicht mehr einweihen. Die Säulenhallen um den Palast wurden von ihm vollendet. Ebenso erbaute er in Verona Bäder und einen Palast und ließ vom Tore bis dorthin eine Säulenhalle aufführen. Die seit langem verfallene Wasser-leitung wurde durch ihn erneuert und mit Wasser versehen. Die Stadt selbst erhielt eine neue Ringmauer. Auch in Tici-num ließ er einen Palast , Bäder, ein Amphitheater und neue Stadtmauern errichten.

I n gleicher Weise erwies Theodorich auch anderen Städten viele Wohltaten. Er gewann die Nachbarvölker in einem Maße für sich, daß sie seine Oberhoheit anerkannten, andere Völker wieder ihn sich als König wünschten. Geschäftsleute aus allen möglichen Ländern fanden sich bei ihm zusammen. Denn seine Ordnimg war so streng, daß jeder, der auf seinem Landbesitz Gold oder Silber niederlegen wollte, dies für eben-so sicher hielt, als wäre es innerhalb der Stadtmauern.

Auch daran hielt er in ganz Italien als Grundsatz fest, daß er keiner Stadt Tore machen ließ; es wurden aber auch in keiner Stadt etwa schon vorhandene Tore geschlossen. Jeder-mann ging vielmehr zu beliebiger Stunde seiner Arbeit nach, wie am Tage. Damals konnte man sechzig Scheffel Weizen und ebenso dreißig Amphoren Wein für ein Goldstück kaufen.

Zur gleichen Zeit ha t t e Kaiser Anastasius drei Neffen, Pompejus, Probus und Hypatius. Indem er nun bedachte, wen von ihnen er zu seinem Nachfolger machen solle, ließ er sie eines Tages bei sich speisen und nach dem Mahle im Pa-laste Mittagsruhe halten ; fü r jeden aber befahl er ein eigenes Lager zu richten und an die Kopfseite eines der Betten ein Zeichen fü r das Kaisertum hinzulegen. Wenn nun einer von den Neffen eben dieses Bet t zum Ruhelager wählte, so mußte Anastasius daran erkennen, wem er später das Kaisertum übertragen solle. Nun legte sich einer auf ein einzelnes Lager, während zwei in brüderlicher Liebe auf einem anderen ge-

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alio amore fraterno se conlocaverunt. et ita contigit, ut in ilio lecto, ubi regium positum erat, nullus eorum dormirei.

75 Dum haec vidisset, coepit cogitare intra se et discens eo, quod nullus eorum regnaret, coepit orare deum, ut illi re-velatio fieret, ut scire posset, dum adviveret, qui post occa-sum eius regnum susciperet. haec eodem cogitante et orante cum ieiunio, quadam nocte vidit hominem qui ita eum ad-monuit : ,crastino qui tibi primus intra cubiculum nuntiatus fuerit, ipse accipiet post te regnum tuum.'

76 Ita factum est, ut Iustinus, qui comes erat excubitorum, dum advenisset, ubi directus fuerat ab imperatore, renun-tiaretur ipse ei [nuntiatus est] primus per praepositum cu-biculi. cumque haec cognovisset, coepit gratias deo referre, qui ei dignatus est revelare successorem.

77 Cumque haec apud se tacite habuisset, quadam die pro-cedens imperator, dum festinus Iustinus vellet a latere imperatorie transiré, obsequium ordinare, nolens calcavit chlamydem imperatorie.

78 Cui imperator hoc tantum dixit: ,quid festinas?' nam in ultima vita regni sui temptans eum diabolus, volens sectam Eunomianam sequi: quem populus fidelis repressit, ita ut ei in ecclesia clamaretur: ,in Trinitatem lanceolam non mit-tis.' non post multum temporis in lecto suo intra urbem Con-stantinopolim morbo tentus extremam clausit diem.

79 Igitur rex Theodericus inlitteratus erat et sic obtuso sensu, ut in decern annos regni sui quattuor litteras subscriptionis edicti sui discere nullatenus potuisset. de qua re laminam auream iussit interrasilem fieri quattuor litteras ,legi' haben-tem; unde si subscribere voluisset, posita lamina super char-tern per eam pennam ducebat, ut subscriptio eius tantum videretur.

80 Ergo Theodericus dato consulatu Eutharico Roma« et Ravennae triumphavit. qui Eutharicus nimis asper fuit et contra fidem catholicam inimicus.

81 Post haec Theoderico Veronae consistente propter metum gentium facta est lis inter Christianos etludaeos Ravennates.

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meinsam Platz nahmen. So geschah es, daß auf dem Lager, wo das kaiserliche Abzeichen lag, keiner der drei ruhte.

Als Anastasius dies sah, begann er bei sich nachzudenken, und angesichts der Tatsache, daß keiner von den Neffen zur Herrschaft gelangen werde, Gott zu bitten, er möge ihn doch noch zu Lebzeiten wissen lassen, wer nach seinem Tode das Kaisertum erhalte. Während er dies nun bedachte und unter Fasten betete, erblickte er des Nachts einmal einen Mann, der ihm folgende Belehrung erteilte : „Wer am morgigen Tage als erster dir in deinem Gemach gemeldet wird, der wird die Herrschaft nach dir übernehmen."

So kam es, daß Justinus, ein Offizier der Leibgarde, nach Antritt einer Stelle, die ihm vom Kaiser übertragen worden war, als erster durch den praepositus cubiculi (Leiter des Schlafgemachs) angemeldet wurde. Als Anastasius dies ver-nahm, begann er Gott zu danken, daß er ihm in seiner Gnade den Nachfolger kundgetan habe.

Sein Wissen behielt Anastasius in aller Stille bei sich. Als nun eines Tages der Kaiser in der Öffentlichkeit erschien und Justinus, um das Gefolge zu ordnen, eilends an seiner Seite vorbeigehen wollte, trat er ihm unabsichtlich auf den Mantel.

Der Herrscher aber sprach nur dies zu ihm: „Warum eilst du so ?" Am Ende seiner Regierungszeit versuchte ihn der Teufel; denn er wollte sich der eunomianischen Sekte an-schließen. Das gläubige Volk aber trat ihm entgegen und rief ihm in der Kirche zu : „Du wirfst doch keine Lanze auf die Drei-einigkeit !" Nicht lange danach streckte ihn eine Krankheit in der Stadt Konstantinopel aufs Lager und beendete sein Leben.

König Theodorich war so ungebildet und so stumpfen Sin-nes, daß er in zehn Jahren seiner Regierung die vier Buch-staben, die er zur Unterschrift eines Ediktes benötigte, keines-wegs zu erlernen vermochte. Er ließ sich daher eine Schablone aus Gold anfertigen, welche die vier Buchstaben „legi" ent-hielt. Wollte er nun unterschreiben, legte er die Schablone aufs Papier, zog sie mit der Feder nach und so erschien nur seine Unterschrift.

Theodorich verlieh das Konsulat an Eutharich und veran-staltete in Rom und Ravenna Triumphzüge. Dieser Eutharich war ein gar harter Mann und dem katholischen Glauben feind.

Als sich späterhin Theodorich aus Sorge vor Barbaren Völ-kern zu Verona aufhielt, brach ein Zwist zwischen den Chri-

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1232 EXCERPTA VALE SIANA

quare Iudaei baptizatos nolentes, dum ludunt frequenter oblatum in aquam fluminis iactaverunt. dehinc accensus est populus non observantes ñeque regi ñeque Eutharico au t Petro, qui tunc episcopus erat , consurgentes ad synagogas, mox eas incenderunt. quod et Romae in re eadem similiter contigit.

82 Mox Iudaei currentes Veronam, ubi rex erat, agente Tri-wane praeposito cubiculi, et ipse haereticus favens Iudaeis, insinuans regi factum ad versus Christianos. qui mox iussit propter praesumptionem incendii, u t omnis populus Ro-manus et Ravennas synagogas, quae incendio concrema-verunt, data pecunia restaurarent ; qui vero non habuissent unde darent f rustat i per publicum sub voce praeconia du-cerentur. da ta praecepta ad Euthar icum Cilligam et Pe t rum episcopum secundum hunc tenorem [praecepit] et ita ad-impletum [est].

83 E x eo enim [tempore] invenit diabolus locum, quem ad modum hominem bene rem publicam sine querela guber-nantem subriperet. nam mox iussit Ad Fonticlos in proastio civitatis Veronensis oratorium sancti Stephani, id est al-tarium subvertí, item u t nullus Romanus armis usque ad cultellum uteretur, vetuit .

84 I tem mulier pauper de gente Gothica iacens sub porticu non longe a palatio Ravennati , quat tuor generavit dracones : duo de occidente in orientem ferri in nubibus a populo visi sunt et in mare praecipitati sunt, duo portat i sunt unum caput habentes. stella cum facula apparuit , quae dicitur co-mes, pendens per dies quindecim. terrae motus frequenter fuerunt.

85 Post haec coepit adversus Romanos rex subinde fremere inventa occasione. Cyprianus, qui tunc referendarius erat , postea comes sacrarum et magister, actus cupiditate in-sinuans de Albino patricio, eo quod litteras adversus regnum eius imperatori Iustino misisset : quod factum dum evocatus negaret, tunc Boethius patricius, qui magister officiorum erat, in eonspectu regis dixi t : ,falsa est insinuatio Cypriani,

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sten und den Juden der Stadt Ravenna aus. Denn die Juden, die gegen ihren Willen getauft worden waren, warfen öfters zum Hohn (der Christen) geweihtes Brot in das Wasser des Flusses. Das Volk, darüber erbittert , erhob sich, ohne auf den König oder Eutharich oder den damaligen Bischof Petrus zu achten, gegen die Synagogen und steckte sie in Brand. In gleicher Sache kam es auch in Rom zu ähnlichen Vorfällen.

Die Juden eilten daraufhin nach Verona, wo der König sich aufhielt . Der Oberstkämmerer Triwa, selbst ein Häreti-ker und den Juden zugetan, t rug dem König den Vorfall in einem den Christen abträglichen Sinne vor. Sogleich befahl dieser, daß das gesamte Volk von Rom und Ravenna wegen seiner böswilligen Brandst i f tung die in Asche gelegten Syna-gogen auf eigene Kosten wieder aufbauen müsse; wer mittel-los sei, solle unter Heroldsruf öffentlich ausgepeitscht werden. In diesem Sinne wurde der Befehl an Eutharich Cilliga und Petrus erteilt und entsprechend ausgeführt.

Seit dieser Zeit fand der Teufel einen Weg, um den Mann, der so hervorragend und ohne Klage den Staat leitete, zu Fall zu bringen. Denn der König befahl, daß die Kirche des hl. Stephanus beim Brunnen (Ad Fonticlos) in der Vorstadt von Verona, d. h. der dortige Altar niedergerissen werde. Ebenso verbot er allen Römern, abgesehen von einem kleinen Messer, Waffen zu tragen.

Ein armes Gotenweib bekam in der Säulenhalle nicht weit vom Palaste in Ravenna Wehen und brachte vier Drachen zur Welt. Während zwei von ihnen, wie das Volk sah, von West nach Ost in den Wolken davonflogen und dann ins Was-ser stürzten, ha t ten die beiden anderen, die man wegschaffte, nur einen Kopf. Ein Stern mit Feuerschweif, ein sogenannter Komet, hing fünfzehn Tage lang am Himmel. Dazu erfolgten häufige Erdbeben.

Bald darauf fand der König Anlaß, die Römer seinen Zorn fühlen zu lassen. Cyprianus, damals Referendarius, spä-ter comes sacrarum und magister, beschuldigte aus Mißgunst den Patricius Albinus, er habe ein gegen Theodorichs Kö-nigtum gerichtetes Schreiben an Kaiser Justinus gesandt. Albinus, zur Rechenschaft gezogen, leugnete seine Schuld. Da erklärte der Patricius Boethius, damals magister officio-rum, dem König ins Gesicht: „Die von Cyprianus erhobene Beschuldigung ist falsch ! Doch wenn Albinus ein Verbrechen

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1234 EXCERPTA VALE SI ANA

sed si Albinus fecit, et ego et cunctus senatus uno Consilio fecimus; falsum est, domine rex'.

86 Tunc Cyprianus haesitans non solum adversus Albinum sed et adversus Boethium, eius defensorem, deducit falsos testes [adversus Albinum]. sed rex dolum Romanis tendebat et quaerebat quem ad modum eos interficeret : plus credidit falsis testibus quam senatoribus.

87 Tunc Albinus et Boethius ducti in custodiam ad bap-tisterium ecclesiae. rex vero vocavit Eusebium, praefectum urbis, Ticinum et inaudito Boethio protulit in eum senten-tiam. quem mox in agro Calventiano, ubi in custodia habe-batur, misere fecit occidi. qui accepta chorda in fronte diutissime tortus, ita ut oculi eius creparent, sic sub tormenta ad ultimum cum fuste occiditur.

88 Rediens igitur rex Ravennani, tractans non ut dei amicus, sed legi eius inimicus, immemor factus omnis eius beneficii et gratiae, quam ei dederat, confidens in brachio suo, item credens quod eum pertimesceret Iustinus imperator, mit-tens et evocans Ravennam Iohannem sedia apostolicae prae-sulem et dicit ad eum : .ambula Constantinopolim ad Iustinum imperatorem, et die ei inter alia, ut reconciliatos [hereticos nequaquam] in catholica restituât religione.'

89 Cui papa Iohannes ita respondit: ,quod facturus es, rex, facito citius: ecce in conspectu tuo adsto. hoc tibi ego non promitto me facturum, nec illi dicturus sum. nam in aliis causis, quibus mihi iniunxeris, obtinere ab eodem, annuente deo, potero.'

90 Iubet ergo rex iratus navem fabricari et superimpositum eum cum aliis episcopis, id est Ecclesium Ravennatem et Eusebium Fanestrem et Sabinum Campanum et alios duos, simul et senatores Theodorum, Importunum, Agapitum et alium Agapitum. sed deus, qui fideles cultores suos non deserit, cum prosperitate perduxit.

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E X C E R P T A V A L E STANA 1235

beging, so sind ich und der ganze Senat Mittäter. Es ist eine Lüge, Herr König!"

Cyprianus schwankte, dann führ te er nicht nur gegen Albi-nus, sondern auch gegen Boethius, seinen Verteidiger, falsche Zeugen ins Feld. Der König jedoch sann auf Ränke gegen die Römer und suchte, wie er sie töten könne. Er glaubte falschen Zeugen mehr als Senatoren.

Albinus und Boethius wurden nun in das Gefängnis bei der Taufkapelle eingesperrt. Der König aber hieß den Stadt-präfekten Eusebius nach Ticinum kommen und fällte ohne Verhör gegen Boethius das Urteil. Dann schickte er zum ager Calventianus, wo Boethius gefangengehalten wurde, und ließ ihn elendiglich hinrichten. Man legte ihm einen Strick u m die St ime und quälte ihn sehr lange, bis daß ihm die Augen aus dem Kopfe t raten. Schließlich wurde er unter Foltern mit einem Knüppel totgeschlagen.

Der König kehrte hierauf wieder nach Ravenna zurück. Er handelte aber nicht wie ein Freund Gottes, sondern wie ein Feind seines Gesetzes. Ohne an alle die Wohltaten und Gna-den zu denken, die er von ihm empfangen hat te , vertraute er auf die Stärke seines Armes und glaubte, daß Kaiser Justinus ihn fürchten müsse. E r schickte also eine Gesandtschaft und entbot zu diesem Zweck Johannes, den Inhaber des päpst-lichen Stuhls, zu sich nach Ravenna, wo er ihm erklärte: „Geh nach Konstantinopel zu Kaiser Just inus und sage ihm unter anderem, daß er die zum katholischen Glauben zurück-geführten Häretiker wieder herausgebe!"

Ihm erwiderte Paps t Johannes folgendermaßen: „Was du tun willst, König, das tue schnell ! Siehe, ich stehe vor deinem Angesicht. Ich werde darin, wie ich ausdrücklich erkläre, deinem Willen nicht nachkommen, und dem Kaiser deinen Auftrag nicht ausrichten. In anderen Dingen, deren Erledi-gung du mir aufträgst , werde ich hingegen mit Gottes Hilfe sicher etwas beim Kaiser erreichen können."

In seinem Zorn befahl also der König, ein Schiff bereitzu-machen und Johannes zusammen mit anderen Bischöfen darauf zu setzen, mit Ecclesius von Ravenna, Eusebius von Fanum, Sabinus von Kampanien und zwei weiteren, dazu auch noch die Senatoren Theodoras, Importunus und zwei namens Agapitus. Gott aber, der seine treuen Diener nicht im Stiche läßt, führ te sie gut ans Ziel.

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1236 E X C E R P T A V A L E S I A N A

91 Cui Iustinus imperator venienti ita occurrit ac si beato Petro : cui data legatione, omnia repromisit facturum praeter reconciliatos, qui se fidei catholicae dederunt, Arrianis resti-tuì nullatenus posse.

92 Sed dum haec aguntur Symmachus, caput senatus, cuius Boethius filiam habuit uxorem deducitur de Roma Raven-nani. metuens vero rex ne dolore generi aliquid ad versus regnum eius tractaret, obiecto crimine iussit interfici.

93 Revertens igitur Iohannes papa a Iustino. quem Theo-dericus cum dolo suscepit et in offensa sua eum esse iubet. qui post paucos dies defunctus est. ergo euntes populi ante corpusculum eius. subito unus de turba adeptus daemonio cecidit et dum pervenisset cum lectulo, ubi latus erat, usque ad hominem, subito sanus surrexit et praecedebat in exse-quias. quod videntes populi et senatores coeperunt reliquias de veste eius tollere, sic cum summo gaudio populi deductum est corpus eius foris civitatem.

94 Igitur Symmachus scholasticus Iudaeus, iubente non rege, sed tyranno, dictavit praecepta die quarta feria, séptimo kalend. Septembr., indictione quarta, Olybrio consule, ut die dominico adveniente Arriani basilicas catholicas invaderent.

95 Sed qui non patitur fideles cultores suos ab alienigenis opprimi, mox intulit in eum sententiam Arrii, auctoris reli-gionis eius: fluxum ventris incurrit et dum intra triduum evacuatus fuisset, eodem die, quo se gaudebat ecclesias in-vadere, simul regnum et animam amisit.

96 Ergo antequam exhalaret, nepotem suum Athalaricum in regnum constituit. se autem vivo fecit sibi monumentum ex lapide quadrato, mirae magnitudinis opus, et saxum ingens, quod superponeret, inquisivit.

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EXCERPTA VALE SIANA 1237

Dem Papste begegnete nach seiner Ankunft Kaiser Justinus so, als wenn es der hl. Petrus selbst wäre. Nachdem die Bot-schaft überbracht war, versprach der Kaiser, alles tun zu wollen, lediglich die „Rückgeführten", die sich dem katho-lischen Glauben angeschlossen hätten, dürften auf keinen Fall den Arianern zurückgegeben werden.

Indessen wurde Symmachus, das Haupt des Senates, des-sen Tochter die Gemahlin des Boethius war, von Rom nach Ravenna gebracht. Der König fürchtete, dieser möchte aus Schmerz über den Verlust seines Schwiegersohnes etwas gegen sein Königtum unternehmen; er ließ daher Anklage gegen ihn erheben und ihn sodann hinrichten.

Als Papst Johannes von Kaiser Justinus zurückkehrte, nahm ihn Theodorich mit versteckter Feindseligkeit auf und ließ ihn seine Ungnade fühlen. Schon nach weniger Tagen starb er. Als nun das Volk seiner Leiche das Geleite gab, wurde plötzlich einer aus der Menge von einem bösen Geiste ergriffen, so daß er zu Boden stürzte. Sowie man aber mit der Bahre, auf welcher der Leichnam ruhte, bis zu dem Manne gelangte, erhob er sich auf der Stelle, war gesund und ging dem Leichenzuge voran. Das Volk und die Senatoren, die dies sahen, begannen Teile der Kleidung als Reliquien an sich zu nehmen. So wurde unter höchster Verzückung der Bevölkerung die Leiche vor die Stadt gebracht.

Der Scholasticus Symmachus, ein Jude, erließ auf Befehl eines nicht gesetzlichen, sondern tyrannischen Königs am 4. Wochentag, dem 26. August, in der 4. Indiktion, unter dem Konsulat des Olybrius, die Anordnung, daß am folgen-den Sonntag die Arianer die katholischen Kirchen in Besitz nehmen sollten.

Doch Er, der seine getreuen Diener nicht von Fremdlingen unterdrücken läßt, verhängte über den Herrscher das Gericht des Arius, des Gründers seiner Religion : Er wurde von der Ruhr befallen und nachdem die Entleerungen drei Tage gedauert hat -ten, verlor er gerade an dem Tage, da er sich gefreut hatte, die Kirchen in Besitz zu nehmen, gleichzeitig Königtum undLeben.

Bevor er nun seine Seele aushauchte, bestellte er seinen Enkel Athalarich zum König. Für sich aber ließ er noch zu Lebzeiten ein Grabmal, ein Werk von bewundernswerter Größe, aus Quadersteinen errichten und als Bekrönung dar-auf einen ungeheuren Block setzen.

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A n m e r k u n g e n zu d e n E x c e r p t a V a l e s i a n a

36 Kaiser Zeno regierte 474-475 und 476-491. Glycerius, ur-sprünglich comes domesticorum, war Anfang März 473 nach dem Tode das Kaisers Olybrius (2. 11. 472) auf Betreiben des allmächtigen Patricius Gundobad, eines Burgunders, durch die Truppen in Ravenna zum Kaiser des Westens ausgerufen worden, fand aber nicht die Anerkennung des Kaisers in Byzanz. Leo I. (457-474) entsandte vielmehr gegen ihn als Thronprätendenten den magister militum Dalmatiae Nepos, der von seinem Onkel Marcellinus her dort eine beträchtliche Hausmacht besaß und sich ziemlich unabhängig fühlte. Früh-jahr 474 zwang Nepos nach einer Landung vor Rom Glyce-rius zu kampfloser Abdankung. Als Bischof wohnte dieser weiterhin in Salona, während Nepos Jun i 474 in Ravenna durch einen Beauftragten des byzantinischen Hofes den Pur-pur erhielt. Rückschläge bei seinen Versuchen, der kaiser-lichen Gewalt wieder größeren Einfluß in Gallien zu ver-schaffen und die letzten römischen Widerstandsnester in der Auvergne gegen die Westgoten zu behaupten, führ ten zur Empörung des Patricius und magister militum Orestes in Ra-venna und zwangen Orestes am 28. 8. 475 zur Flucht aus Rom. Bis Mai 480 behauptete sich Julius Nepos in Dalmatien, dann fiel er einer Empörung zum Opfer. 481 vereinigte Odoa-kar sein Gebiet mit Italien. U m seine Stellung zu stärken, bestellte der Patricius Orestes am 31. Oktober 475 seinen jugendlichen Sohn Romulus zum Augustus, doch endete des-sen Herrschaft schon nach knapp 10 Monaten am 23. August 476. Unser Text spricht fälschlicherweise von 10 Jahren.

37 Gegenüber dem Versuch des Orestes, den großenteils bar-barischen Truppen eine entsprechende Entschädigung zu ver-sagen und so das wirtschaftlich geschwächte Italien zu scho-nen, erhoben sich die Soldaten unter Führung Odoakars, eines Sohnes des letzten - im Kampf mit den Ostgoten ( !) ge-fallenen - Skirenkönigs Edeco, und machten Odoakar zu ih-rem Volkskönig (23. August 476). Der Patricius Orestes, der in Pavia Widerstand versuchte, wurde besiegt und am 28. Au-gust - offenbar auf der Flucht in Richtung Ravenna - ge-

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A N M E R K U N G E N 1239

töte t ; sein Bruder Paulus teilte sein Schicksal am 4. Septem-ber 476, möglicherweise nach vergeblichem Widerstand vor Ravenna.

Die schonende Behandlung des abgesetzten Kaisers ent- 38 spricht der im ganzen maßvollen Wesensart Odoakars, aber auch seiner Rücksichtnahme auf die einflußreichen Kreise der Senatoren und Großgrundbesitzer, denen Augustulus -siehe seinen Aufenthaltsort Kampanien! - angehörte und deren Unters tützung Odoakar zeit seiner Regierung suchte. Über die weiteren Schicksale des Augustulus liegen keine Nachrichten vor.

Attila erschien 452 in Italien und plünderte die Poebene, 453 starb er.

Zeno, der Führer der isaurischen Gruppe am Hofe in By- 39-40 zanz, heiratete 466 die ältere Kaisertochter Ariadne und ver-schaffte nach dem Sturz der von Aspar geführten germani-schen Partei (471) seinem kleinen Sohne Leo I I . (17. 11. 473 zum Augustus erhoben) die Nachfolge. Bei dessen Regie-rungsantr i t t (18. 1. 474) übernahm der Vater als Mitkaiser (seit 9. 2. 474) die Staatsleitung und wurde nach dem früh-zeitigen Tode seines Sohnes (November 474) Alleinherrscher.

Das von Zeno entworfene Bild scheint etwas zu günstig; jedenfalls erfreuten sich die Isaurier als ein halbbarbarischer Volksstamm Kleinasiens geringer Beliebtheit, so daß Zeno bereits 9. 1. 475 vor einer Verschwörung in sein Stammes-gebiet ausweichen mußte . Vielleicht steckt hinter dem Be-richt, er habe keine Kniescheiben besessen, irgend ein Witz über den unbeliebten Kaiser. Sein Nachfolger wurde - be-günstigt von einer mehr „griechisch-nationalen" Richtung und seiner Schwester, der Kaiserinwitwe Verina - der Schwa-ger Leos I., Basiliscus. Dessen Regierung scheiterte bereits nach eineinhalb Jahren (August 476) an seiner persönlichen Unzulänglichkeit und monophysitischen Parteinahme, wor-auf Zeno zurückkehrte.

Uber die Art der damals von Theodorich geleisteten Hilfe, 42 der sich in Sistowo an der Donau ( = Novae) aufhielt , sind wir nicht unterrichtet . Zweifellos maß Zeno seiner Unter-stützung große Bedeutung bei, da er Theodorich zum Patri-cius und zweiten magister militum praesentalis ernannte (als römischer Amtsträger hieß er jetzt Flavius Theodoricus) und sein Volk in den Wohnsitzen von Mösien als Föderaten be-

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stätigte. Das Verhältnis wurde indessen schon bald ernstlich getrübt und blieb bis zum Abzug Theodorichs in den Westen schwankend.

43 Basiliscus' Stellung, von Anfang an durch den Gegensatz zur orthodoxen Kirche schwierig, wurde durch die Tätigkeit seiner religiösen Gegner sowie durch eine Feuersbrunst in Byzanz schließlich derart geschwächt, daß alle Truppen ihn verließen und die Haupts tad t vor dem aus Isaurien anrücken-den Zeno ohne Schwertstreich kapitulierte. Der Kaiser und seine Familie flüchteten sich in die Sophienkirche, wurden aber von dort nach Kappadokien gebracht und dem Hunger-tod überliefert.

44 Die Regierung Zenos war durchaus nicht friedlich, viel-mehr erfüllt von Kämpfen teils mit ostgotischen „Föderaten", teils mit isaurischen Thronprätendenten ; dazu wurden durch den Erlaß einer religiösen Einigungsformel (Henotikon), welche Orthodoxe und Monophysiten versöhnen sollte, die Gegensätze im Reich nur verschärft . Der Papst brach mit dem Patriarchen von Byzanz und fand dabei die Hilfe Odoakars.

45 Eugippius, der Genosse des 482 nach jahrelanger Wirksam-keit in Ufernoricum verstorbenen heiligmäßigen Asketen Se-verinus, verfaßte 511 ein Lebensbild seines Meisters, das uns auch wichtige Einblicke in die Auflösung der Römerherr-schaft nördlich der Alpen gibt.

46 Die Klause lag bei der Stadt Favianis, jetzt wohl Mautern an der Krems. Dort war die Leiche des Heiligen bis zu seiner Überführung nach Italien (Castellum Lucullanum bei Neapel) beigesetzt.

48 Gegenüber Ufernorikum (Passau-Wien) saßen auf dem linken Donauufer die Rugier, ein ostgermanischer Stamm. Das von diesem schwer heimgesuchte Grenzgebiet zu schüt-zen, unternahm Odoakar 487 einen Feldzug und machte dem Reiche der Rugier, deren König Felethus mit seiner Frau Giso gefangen nach Ravenna gebracht wurde, in einer Schlacht an der Donau (Nov./Dez.) ein Ende. I m Jahre darauf versuchte der entflohene Königssohn Frederich sein väterliches Reich zurückzugewinnen, wurde aber durch ein starkes Heer Odo-akars - unter Führung von dessen Bruder H u n u l f - g e n ö t i g t , mit einem Teil seines Volkes zum Ostgotenkönig nach Sistowo (Bulgarien) zu fliehen; dort t ra t er mit Theodorich in ver-

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wandtschaftliche Beziehungen. Odoakars erfolgreiches Aus-greifen gegen die mittlere Donau rief Kaiser Zeno auf den Plan. Lange schon gegen Odoakar verstimmt, gewann er des-sen persönlichen Gegner Theodorich zum Angriff auf Italien (489). Vor dieser Gefahr ließ Odoakar bereits 488 Ufernori-kum von der römischen Bevölkerung räumen und diese nach Italien zurückführen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Leiche des hl. Severinus weggebracht.

Nachdem Theodorich bereits 47 6 den Rang eines Patricius 49 erhalten hat te , t r a t er am 1.1.484 in Byzanz sein Konsulat an.

Der zwischen Theodorich und Zeno abgeschlossene Ver-trag scheint über die weitere Stellung des Ostgotenkönigs im Falle eines Sieges nur unbest immte Zusagen enthalten und die endgültige Entscheidung dem Kaiser vorbehalten zu ha-ben. Offenbar rechnete Zeno mit beiderseitiger Schwächung der Germanenkönige. „Zeno kam seinen Forderungen ent-gegen, er gestand ihm Italien zu, und indem er ihm Senat und Volk von Rom anempfahl, ließ er ihn ziehen." (Paulus Dia-conus, Hist . Rom. XV 14).

Die Gesamtzahl der abziehenden Ostgotenkrieger, denen sich auch andere Germanenverbände - so Rugier unter Fre-derich - anschlössen, dürf te entgegen allen anderen Angaben kaum 15000 überstiegen haben, zu denen noch ein Mehr-faches an Troß kam. Die Ostgoten rückten von Sistowo aus der Donau aufwärts bis Belgrad, erzwangen sich den Weg durch das Gepidenland und nahmen im Räume von Sirmium an der Save Winterquartiere (488/9).

Auf der Heerstraße von Laibach kommend, erreichte Theo- 50 dorich etwa August 489 die Nordostecke Italiens, wo ihm Odoakar an günstiger Stelle den Übergang über den Isonzo zu verwehren suchte. Der Verzicht auf Offensivmaßnahmen beweist dessen zahlenmäßige Unterlegenheit. Nach einer Nie-derlage am 28. 8. 489 mußte er sich auf den zweiten nord-italienischen Sperriegel, die Etschlinie, zurückziehen. Nach har tem Kampf um Verona (Dietrich von Bern = D. v.Verona) am 28. 9. 489 erneut geschlagen, wich Odoakar in das unein-nehmbare Ravenna aus.

Tufas Rolle beweist, daß Odoakars Mißerfolge durch Ver- 51 ra t in seinen eigenen Reihen mitbest immt waren.

Der Umschwung zugunsten Odoakars wurde wahrschein- 52 lieh durch das Erscheinen eines burgundischen Heeres unter

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König Gundobad herbeigeführt, das die westliche Poebene besetzte. Theodorich, dem sich Mittelitalien immer noch ver-schloß, geriet so zwischen zwei Gegner und mußte sich eine Zeitlang auf Ticinum (Pavia) zurückziehen. Damals erhob Odoakar, um seine Stellung zu festigen, seinen Sohn Thela zum Kaiser.

53 Ein Heer des Westgotenkönigs Alarich I I . , der offenbar den Burgundern die Beute mißgönnte, befreite Theodorich aus seiner Bedrängnis; an der Übergangsstelle über die Adda zwischen Lodi und Cremona konnte er seinen Gegner ent-scheidend schlagen. Pineta (Pinienhain), wo Theodorich sein Lager vor Ravenna aufschlug, lag etwa 5 km südlich der Stadt und war von Caesena und Ariminum her, die sich noch in Odoakars Hand befanden, s tark bedroht. Außerdem bewegte sich Tufa noch einige Zeit im freien Feld.

54 Die Belagerung von Ravenna (Rabenschlacht!) dauerte von 490-493. Sie konnte erst wirkungsvoll durchgeführt wer-den, als nach der Einnahme von Ariminum Theodorich über Schiffe verfügte und von einer Insel aus (Portus Lionis, be-setzt 29. 8. 492) die Zufahrt zur See sperrte. Die kaiserliche Flotte hat te bezeichnenderweise nichts zur Stützung Theodo-richs unternommen.

55 Der Vertrag, am 25. 2. 493 unter Vermittlung des Erz-bischofs Johannes von Ravenna geschlossen, sicherte Odoa-kar nicht nur das Leben, sondern auch gleichberechtigte Mit-regierung zu, doch war Theodorich zweifellos von Anfang entschlossen, durch brutalen Eidbruch und Mord sich seines Gegners zu entledigen. Am 26. 2. 493 betrat er den Hafen Classis, am 5. 3. 493 die Stadt Ravenna. Der Mord wurde von Theodorich im Lauretumpalast , wohin er sein Opfer ein-geladen, eigenhändig vollzogen.

56 Zeno starb am 11. 4. 491 ; sein Nachfolger wurde auf Ver-anlassung der Kaiserinwitwe Ariadne der bisherige Silentia-rius Anastasius, ein bewährter Verwaltungsbeamter.

57 Theodorich, bisher nur König seiner Ostgoten, war durch den Wahlakt seiner siegreichen Truppen zum König sämt-licher Germanen seines Reiches geworden. Den Römern gegenüber handelte er als Patricius, doch wurde er vielfach kurzweg als Theodoricus Rex bezeichnet. Damit t r a t er in Odoakars Fußstapfen. Ers t 498 ließ sich Byzanz, indem es die Königsinsignien übersandte, zu einer offiziellen Anerken-

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nung der eigenmächtig getroffenen Regelung herbei; Miß-t rauen und gewisse Feindschaft blieben freilich dauernd zu-rück.

Theodorich wurde u m 453 geboren, als Sohn des Thiude- 58 mer, des jüngeren Bruders des „Oberkönigs" Walamir; dem Verfasser unter läuft hier ein I r r tum, wohl veranlaßt durch die Tatsache, daß Walamir es war, der den achtjährigen Theodorich als Geisel an den Hof von Byzanz schickte. Die Mutter, eine Gotin, wird in Briefen des Papstes Gelasius I . als Königin angesprochen, was auf eine gehobene Stellung dieser Frau hindeutet . Theodorich wurde jedenfalls stets als vollbürtiger Sproß der Königssippe betrachtet . Vielleicht hat in unserem Falle die streng konfessionelle Ausrichtung des Berichterstatters dazu beigetragen, die Ehe zwischen einer Katholikin und dem Arianer Thiudemer anzuzweifeln.

Die von 493 bis 526 währende Regierung sah weder Feind 59 noch Unruhen in Italien, so daß das Land eine letzte kultu-relle und wirtschaftliche Blüte erlebte : „Felicitas Italiae".

Theodorich sah gewissenhaft auf gleichmäßige Behandlung 60 der Römer und Goten, wobei die Römer dem einheimischen, die Goten ihrem Volksrecht unterworfen waren; Streitigkeiten zwischen Goten und Römern wurden durch gemischte Ge-richtshöfe geschlichtet. Die letzte Entscheidung nahm der König in Ansprach.

Vom Reichsrecht her gesehen waren die angesiedelten Go-ten Föderierte, nicht römische Unter tanen, und so bestand zwischen ihnen und den Römern kein conubium. Hinzu kam der religiöse Gegensatz (Arianer-Katholiken) zwischen bei-den Völkern, den Theodorich aber durch möglichste Zurück-hal tung und durch Verzicht auf jede Proselytenmacherei zu entschärfen versuchte. Durch strenge Trennung wollte der König offenbar die Volkskraft seiner Goten rein erhalten, dies umso mehr, als der Waffendienst ausschließlich ihnen oblag. Noch unter Odoakar ha t te es, wennschon in geringer Zahl, römische Truppen gegeben; ihr Verschwinden unter Theodorich t r a t offenbar nicht weiter in Erscheinung, so daß das Versehen des Berichterstatters verständlich ist, der vom Fortbestand des bisherigen Kriegswesens spricht.

Die unter Odoakar ziemlich geordneten Finanzverhält-nisse waren in den Kriegsjahren 489/93 in Verwirrung ge-raten. Ohne größere Änderung übernahm Theodorich das

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vorhandene Steuersystem, das vornehmlich auf der - auch von Goten zu leistenden - Grundsteuer (capitatio), der Handels- und Gewerbesteuer (auraria), der Umsatzsteuer (siliquaticum), der sog. tertia (Ausgleichsabgabe fü r das von gotischen Einliegern nicht in Anspruch genommene Drittel eines Gutes) sowie Zöllen beruhte und unter möglichst gleich-mäßiger Heranziehung der Unter tanen, auch der reichen Großgrundbesitzer, gehandhabt wurde. Hinzu kam eine wir-kungsvoll geübte Preisüberwachung.

Die „Geschenke" kamen vor allem den gotischen Kriegern (Donative) und der großstädtischen Bevölkerung zugute. I m übrigen wandelte Theodorich als Bauherr, Kriegsherr und Wohltäter des Volkes bewußt in den Bahnen der kaiser-lichen Vorgänger. Der Hinweis auf Valentinian I I I . (425-455) gilt der Erinnerung an den letzten länger regierenden west-römischen Kaiser, mit dessen Ermordung die innere Ordnung Italiens für viele Jahre zusammenbrach. Welch reichen Schatz Theodorich anhäufte , beweist die Tatsache, daß seine Tochter Amalasuntha bei ihrer geplanten Flucht aus Italien 40000 Pfund Gold vorwegschickte und auch nach Tejas Tode noch erhebliche Werte in Cumae lagerten.

Das „Ed ik t " Theodorichs, wahrscheinlich nicht lange nach 500 erlassen, ist aus geltenden römischen Rechtsordnungen (namentlich dem Codex Theodosianus) zusammengearbeitet und sollte bei der bestehenden Unsicherheit dem Richter ein - zwar wenig systematisch gegliedertes und auch nicht voll-ständiges - Handbuch zur Rechtsfindung bieten. Es ha t te gemeinverbindliche Kra f t für Römer und Goten (oder „bar-bari" , wie sie ohne Diskriminierung in der Amtssprache ge-nannt wurden) : „Auf keinerlei Art soll eine Person von Rang, Besitz oder Einfluß oder in amtlicher Stellung meinen, sie dürfe die heilsamen Anordnungen übertreten, die wir aus den Gesetzesnovellen und aus der Heiligkeit des alten Rechts in einem Teiledikt haben zusammentragen lassen" (Nachwort des Edikts). Vom Standpunkt des Römers aus war dadurch vor allem ein wirksamer Schutz gegen gotische Übergriffe geschaffen.

61-62 Die ausführliche Erwähnung von Aussprüchen des Herr-schers und einer über ihn umlaufenden Anekdote rückt den Wohnort des Verfassers in die Nähe Ravennas, wo des Königs eindrucksvolle Erscheinung besonders deutlich geworden war

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und die Erinnerung an ihn auch in dessen Grabmal und Bau-ten fortlebte.

Augoflada oder Audefleda war die Schwester des Franken- 63 königs Chlodwig (481-511). Die bald nach Odoakars Sturz abgeschlossene Ehe sollte das Verhältnis zu den Franken festigen und den mit Theodorich verbündeten Germanen-reichen Sicherheit gewähren, konnte aber Chlodwigs Er-oberungsdrang nicht wesentlich zügeln. Als einziges Kind ents tammte der Ehe die Tochter Amalasuntha.

Bei Theodorichs erster Gemahlin spricht Jordanes (Getica 297) nur von einer Nebenfrau; es dürf te sich aber um eine rechtmäßige Gatt in handeln, von der er sich - sie schenkte ihm auch keine männliche Nachkommenschaft - bei seiner Erhebung zum Herrn von Italien zugunsten der fränkischen Prinzessin trennte. So ist ihr Name in Vergessenheit geraten. Die Tochter Areaagni (auch bloß Ostrogotha genannt) wurde - hier irrt der Verfasser - mit dem burgundischen Thronfolger Siegismund (etwa 494) vermählt , die zweite Tochter Theode-gotha mit dem Westgotenkönig Alarich I I . (ebenfalls etwa 494). Ergänzt wurde diese Heiratspolitik (siehe 86 !) durch die um 500 erfolgte Vermählung des Vandalenkönigs Thrasamund mit Theodorichs verwitweter Schwester Amalafrida.

Nur sehr zögernd erkannte der Kaiserhof Theodorich in 64 seiner neugewonnenen Stellung an : Eine diesbez. Gesandt-schaft unter dem caput senatus Festus im Winter 490/1 blieb ergebnislos, zumal Kaiser Zeno a m 11. 4. 491 s tarb ; etwas größeres Entgegenkommen fand eine 2. Gesandtschaft unter dem magister officiorum und gewesenen Konsul Faustus Ni-ger; erst eine 3. Gesandtschaft , wieder unter Faustus Niger, erreichte (497/8) die Übersendung des Kön igso rna t e s , zu dem ein schmales Diadem, ein Purpurmantel und hohe, rote Stiefel gehörten. Was der Verfasser von Rücksendung des durch Odoakar überschickten Κ a i s e r ornâtes schreibt, ist in diesem Sinne zu korrigieren. In kluger Rücksichtnahme auf byzantinische Empfindlichkeit ha t Theodorich nie kaiser-liche Abzeichen angelegt und auch nie auf den Kaisertitel An-spruch erhoben, was aber seiner tatsächlich kaiserlichen Macht und Hofha l tung keinen Abbruch t a t .

Das Vorgehen des byzantinischen Patriarchen Akakios, der 65 das Henotikon, eine den Monophysiten entgegenkommende Glaubensformel, vertrat , ha t te zwischen Rom und Konstant!-

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nopel zu einem langjährigen Schisma (484-519) geführt . Die-ser Gegensatz wirkte bei der Doppelwahl der Päpste Liborius und Symmachus (22. 11. 498) entscheidend mit . Theodorich, als Schiedsrichter angerufen, bestätigte auf Grund einer amt-lichen Untersuchung den Vertreter der byzanzfeindlichen Richtung, Symmachus (499).

Der feierliche Besuch Theodorichs in Rom fand 500 s ta t t und diente dem Zweck, den eben vom Kaiser anerkannten Herrn Italiens seinen Untertanen vorzustellen. Außerdem verband der König damit das Fest seines dreißigjährigen Re-gierungsjubiläums, zu dessen rechnerischem Ausgangspunkt er wahrscheinlich das J a h r 470 wählte, in dem er nach dem Ende seiner Vergeiselung Byzanz verließ.

66 Die Empfangsfeierlichkeiten hielten sich im Rahmen der üblichen Kaiserempfänge, wobei es an Lobreden (panegyrici) und Akklamationen nicht fehlte. Theodorich selbst sprach von der Rednerbühne aus, die wegen einer Statue mit golde-ner Siegespalme damals „ad Pa lmam" hieß. Die einzige uns erhaltene Goldmünze (genauer: Medaille) mit dem Bild Theo-dorichs dürf te damals geprägt worden sein und als Donativ für Soldaten gedient haben.

68 Amalafrida erhielt bei ihrer Vermählung (500) als Mitgift Lilybäum samt dem Westteil Siziliens sowie eine Menge goti-scher Leibwächter. Das von Theodorich erhoffte enge Ver-hältnis zum Vandalenreiche zerbrach aber nach dem Tode Thrasamunds (6.5.523), dessen Nachfolger Hilderich auf eine kaiserfreundliche, den Katholiken entgegenkommende Poli-t ik einschwenkte und die widerstrebende Königinwitwe nach Ermordung ihrer gotischen Gefolgsleute im Gefängnis sterben ließ. Über einen geplanten Rachezug s tarb Theodorich (30. 8. 526).

Die beiden genannten Beförderungen - Theodoras, dessen Vater unter Odoakar schon die Präfektur bekleidet hat te , ge-hörte der berühmten Familie der Decier an - dienten vor allem Theodorichs Ziele, die Mitglieder des Senats und damit die führenden römischen Kreise zu gewinnen. Ansehen und Macht dieser Feudalherrn, die fast ausschließlich die hohen Beamten stellten, war unter den letzten weströmischen Kai-sern beträchtlich gestiegen, und auch Odoakar ha t te ihrem Selbstbewußtsein geschmeichelt. Als Wahrer römischer Würde und Tradition standen die meisten von ihnen im in-

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nersten Herzen auf Seiten des Kaisers und begegneten dem „Barbarenherrscher" nur mit Zurückhaltung, ließen sich aber damals, während Rom und Byzanz durch das Schisma getrennt waren, Theodorichs Schutz gerne gefallen.

Der Anschlag des comes Odoin deutet auf eine national-gotische Gruppe hin, die Theodorichs römerfreundliche Poli-t ik nicht teilte. I n späteren Jahren gewann diese Richtung er-heblich an Stärke und veranlaßte u. a. die Ermordung Ama-lasunthas und den Sturz Theodahats.

Nach Besiegung der Thüringer durch die Franken und dem 70 Tod ihres Königs Herminifred (534) kehrte dessen Witwe Amalabirga mit ihren Kindern an den Hof nach Ravenna zu-rück.

Cassiodors Chronik (Chron. min. I I 160, 1339) umschreibt 71 Theodorichs Bautät igkeit mit folgenden Worten : „Unter sei-ner glücklichen Regierung werden sehr viele Städte erneuert, s tärkste Festungen angelegt, erheben sich bewundernswerte Kaiserpaläste und stellen seine großartigen Werke die frühe-ren Glanzleistungen in den Schat ten." Vieles verdankt ihm die Stadt Rom, noch mehr die Residenz Ravenna, wo freilich seine weltlichen Bauten fast völlig verschwunden sind, wäh-rend z. B. die „Hofki rche" (heute San Apollinare Nuovo) noch eine deutliche Vorstellung seines Wirkens vermittelt . Besondere Erwähnung verdient sein Grabmal.

Der zweite und drit te Stützpunkt gotischer Macht in Nord-italien waren die strategisch günstig gelegenen Städte Verona und Ticinum; dort machte der zeitweilige Aufenthalt des Hofes dio Anlage besonderer Bauten nötig, die aber sämtlich, ebenso wie die sicher zahlreichen Stand- oder sonstigen Bilder des Herrschers verschwunden sind. I m Süden Italiens sind Bauten Theodorichs nicht bezeugt.

Unter den „Nachbarvölkern" sind vor allem die Franken, 72 Westgoten, Burgunder, Thüringer und Vandalen zu ver-stehen, denen gegenüber Theodorich mit geschickter Be-tonung einer gewissen Vorrangstellung (als „Bevollmächtig-ter des Kaisers" und Herr des Kernlandes Italien) eine Poli-t ik des Ausgleiches und gegenseitiger Verpflichtung betrieb ; diesem Zwecke dienten die zahlreichen verwandtschaftlichen Bindungen an die einzelnen Königshäuser. Schwierigkeiten erwuchsen dieser Politik vor allem im gallischen Raum, wo Chlodwig die 496/7 schwer angeschlagenen, ein Jahrzehnt

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später sich vergeblich erhebenden Alemannen zur teilweisen Räumung ihres Gebietes und zur Abwanderung nach Osten zwang; sie fanden Aufnahme in Theodorichs Herrschafts-bereich zwischen Alpen und Donau, in Westrätien (Schwa-ben!). 507 ging Chlodwig, aufgestachelt von Kaiser Anasta-sius -und unters tütz t vom Burgunderkönig Gundobad, ge-gen die Westgoten vor, deren König Alarich I I . bei Poitiers Schlacht und Leben verlor, so daß sich das Frankenreich bis zur Garonne vorschob. Durch sein entschiedenes Eingreifen verhinderte Theodorich den Zusammenbruch des West-gotenreiches: Er demütigte die Burgunder, nahm ihnen das Land zwischen Alpen und unterer Rhone ab, und so zum un-mittelbaren Grenznachbarn der Westgoten geworden, er-reichte er im Jahre 511, daß er bis zu seinem Lebensende als Vormund des minderjährigen Westgotenkönigs Amalarich dessen Reich verwalten durfte. Seiner Oberhoheit unter-standen ferner die in Nordpannonien wohnenden Heruler un-ter seinem „Waffensohn", dem König Rudolf (seit etwa 507), sowie die Volksgruppen im Nordwestteil des heutigen Bul-garien unter Mundo. Um 506 ha t te er die Gepiden gedemü-tigt und ihnen Sirmium, die alte Grenzstadt des Westreiches, entrissen. So war dem Kernland Italien ein Gürtel von mehr oder weniger abhängigen Ländern (auch die Bayern dürf ten damals ihre Sitze zwischen Lech-Donau-Enns erhalten haben) zum Schutze vorgelagert.

Zahlreiche Verordnungen und wo nötig Strafmaßnahmen, dazu die Tatsache eines regen Handelsverkehrs beweisen Theodorichs Fürsorge fü r Rechtssicherheit. Grundsätzlich änderte er nichts an den bestehenden Wirtschaftsverhältnis-sen Italiens, wo der Großgrundbesitz mit halbfreien Kolonen vorherrschend blieb. Mehr als drei Jahrzehnte des Friedens hoben den allgemeinen Wohlstand und kamen sämtlichen Ständen zugute.

73 Sofern die Angabe, daß die einzelnen Städte unverschlos-sen blieben, auf Wahrheit beruht , dürf te es sich um Aus-nahmefälle handeln. Vielleicht wollte Theodorich durch Ent -festigung etwaigen Widerstand der einheimischen Bevölke-rung unmöglich machen, wie es die Vandalen in Afrika taten.

74 Die Geschichte ist ohne historischen Wert und beweist nur die allgemeine Verwunderung darüber, daß keiner der

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Neffen des Anastasius zur Nachfolge ausersehen war oder bei der Kaiserwahl (9. 7. 518) dicht nach dem Tode des greisen Herrschers zur Regierung gelangte. Offensichtlich fehlte ihnen der Rückhal t in Armee und Volk.

Jus t inus bekleidete nach langem Militärdienst am kaiser- 75-78 liehen Hofe zuletzt die Stelle des comes exeubitorum, des Kommandeurs der Palastgarde, und weilte somit stets in un-mittelbarer Nähe des Kaisers. Vieles deutet darauf hin, daß seine Wahl schon länger vorbereitet war. Von einem anderen Traumgesicht vor der Kaiserwahl des Just inus lesen wir in den Anekdota (Kap. 6) ; danach wurde dem General Johannes Kyr tos d. J . , der Jus t inus wegen eines Vergehens hinrichten lassen wollte, dies von einer Geistererscheinung ausdrücklich verboten: „Sie könne Just inus und seine Sippe als Werk-zeuge für ihren Groll ja recht wohl brauchen."

Von hier an dürf te ein anderer Verfasser als in den voraus- 79 gehenden Abschnitten vorliegen, ein Gegner des als Ketzer und Barbar hingestellten Königs Theodorich. Die Geschichte von der Unterschriftsschablone begegnet auch in den Anek-dota (Kap. 6), wo sie dazu dient, den alten Kaiser Just inus als ungebildeten Haudegen hinzustellen. Der historische Theodorich besaß lebhaftes Interesse fü r Dichtung und Wis-senschaft und ließ sich deren Förderung angelegen sein, wurde aber durch ein gesundes Gefühl davor bewahrt , der gotischen Jungmannschaf t römische Bildung zuzumuten. In die Herr-scherfamilie fand sie, wie Amalasuntha, Atalarich und Theo-dahat beweisen, mehrfach Eingang.

Eutharich, der Gemahl Amalasunthas (seit 515) und prä- 80 sumptiver, 519 auch vom Kaiser anerkannter Nachfolger Theodorichs, bekleidete zusammen mit dem neuen Kaiser Just inus das Konsulat des Jahres 519 und feierte aus diesem Anlaß mit besonderem Aufwand Spiele und Feste in Rom und Ravenna. Damals schrieb Cassiodor seine Weltchronik. 523 dürf te Euthar ich gestorben sein.

Die letzten Regierungsjähre Theodorichs waren durch 81 wachsende innere Spannungen belastet. Seitdem Justinus bald nach seiner Thronbesteigung das Schisma zwischen Rom und Byzanz beigelegt hat te , blickten die Römer mit ganz anderen Augen auf den Kaiser und begannen die bisher als Schutz gegen den „ketzerischen Anastasius" begrüßte Herrschaft der Ostgoten allmählich selbst als Ketzer-

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regiment zu empfinden. Der Tod des gotenfreundlichen Pap-stes Hormisdas 523 verschärfte die Lage.

82 Die wachsende Unruhe veranlaßte den König, scharf ein-zugreifen und die Autori tät der Regierung nachdrücklich zu verteidigen. Gerne mochte er dabei den Juden seinen Schutz gewähren, die als religiöse Minderheit auch sonst den Goten enger verbunden waren.

85 Das Mißtrauen der Goten richtete sich vor allem gegen die kaiserfreundliche Einstellung des Senats und der seiner Mitte entnommenen hohen Verwaltungsbeamten, wie des ehemali-gen praefectus praetorio Albinus, dessen Korrespondenz zweifellos hochverräterischen Charakter hat te . Boethius, als magister officiorum (etwa Justizminister) zur Verfolgung der Angelegenheit besonders berufen, suchte zu vertuschen und auch den Senat zu decken. Die spätere Tradition ha t den mit Recht wegen Hochverrats zum Tode und zur Vermögens-konfiskation verurteilten Boethius zum unschuldig für sei-nen christlichen Glauben leidenden Märtyrer umgedeutet. Nach einem legalen Gerichtsverfahren wurde er am 23. 10. 524 in ager Calventianus (Calvenzano) bei Mailand enthaup-tet , wo er in längerer Wartezeit sein Buch „De consolatione philosophiae" schrieb. Die erwähnten Folterungen sind Zu-ta ten des parteiischen Verfassers.

88 Die Entsendung des Papstes Johannes I . und einer mehr-köpfigen Gesandtschaft (Frühjahr 526) diente dem Zweck, auf dem Verhandlungsweg die von der byzantinischen Re-gierung gegen Arianer ergriffenen Maßnahmen rückgängig zu machen. Die vorliegende Schilderung verzerrt die Vor-gänge im orthodoxen Sinn und verdient nur insoweit Glau-ben, als Johannes sehr ungern die lästige und bedenkliche Aufgabe übernahm.

91 u. 93 Die außerordentlichen Ehrungen, die Byzanz dem Papste erwies, machten diesen trotz des diplomatischen Erfolges sei-nem Auftraggeber verdächtig; er erhielt Befehl, sich in Ra-venna zur Verfügung zu halten, wo er am 18. 5. 526 plötzlich starb. Die Schilderung seiner Beisetzung verrät , wie sein Bild in gewissen orthodoxen Kreisen fortlebte. Die Wahl seinesNach-folgers Felix IV. stand unter dem Einfluß Theodorichs, der da-mit den päpstlichen Stuhl wieder in seine Abhängigkeit brachte.

92 Die Hinrichtung des Boethius ha t te das Vertrauensver-hältnis zwischen Theodorich und dem Senat (trotz dessen

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Loyalitätsbeteuerungen) zerstört. Symmachus, der prin-ceps senatus, wurde nach einem nicht näher bekannten Pro-zeß 526 ebenfalls wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die vorliegende Tradition entspricht auch der bei Prokop (V 1/32 ff.) vertretenen Auffassung eines Ju-stizmordes, doch liegt dafür kein Beweis vor. Schmerzlich bleibt auf jeden Fall der Mißklang, mit dem Theodorichs Regierung unter dem Zwang der Verhältnisse endete.

Theodorichs letzte Lebenstage zeugen von Entschieden- 94 heit : E r veranlaßte, wie schon erwähnt, die Wahl eines ihm er-gebenen Papstes, sammelte eine Flot te zum Rachezug gegen die Vandalen und ordnete schließlich angesichts des Todes die Nachfolge im Reich. Die feindliche Überlieferung sah in seinem schnellen Heimgang (30. 8. 526) eine Strafe des Him-mels und stellte ihn dem „Erzketzer" Arius gleich, dem ebenfalls „die Eingeweide bars ten" (siehe den Ausgang des Judas!) . Der Haß gegen ihn ha t auch sonst sein Nachleben getrübt und Anlaß zu manch abträglicher Sagenbildung gegeben : Neben dem strahlenden Helden Dietrich von Bern steht der Gottesfeind, der vom Teufel in die Hölle gestürzt wird.

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