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Wasserland Bayern

Date post: 23-Feb-2016
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Sonderausgabe aus Natur+Umwelt 2-2004 - Naturschutz am Puls der Lebensadern
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Wasserland Bayern Naturschutz am Puls der Lebensadern Sonderdruck aus Bund Naturschutz Magazin Natur+Umwelt 2-2004
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WasserlandBayern Naturschutz am Puls der Lebensadern

Sonderdruck ausBund Naturschutz MagazinNatur+Umwelt 2-2004

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Der Oberpfälzer Dichter Harald Grill bringt es in seinem Gedicht »Donaulandschaft bei Regensburg«auf den Punkt: Auf alte Ölgemälde, wie das vonAlbrecht Altdorfer (mittleres Bild, daneben das

Gedicht), passt man gut auf in Bayern, ihres hohenWertes ist man sich bewusst. Die Flüsse und Seen

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Moritz vonSchwind: Die Donau mit ihren Neben-flüssen. Um 1865.München, Schack-Galerie.

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Von der Quelle bis zum Strom: Naturschutz am Puls der Lebensadern

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aber, von denen sich die alten Meister zu ihrenschönsten Werken inspirieren ließen, werden immernoch malträtiert. Quellen gräbt man das Wasser ab,Bäche presst man in Betonröhren, Auwäldern stiehltman Raum, selbst der Donau will man immer nochihren letzten Rest Freiheit nehmen.Dabei sind es unsere Gewässer, die dem ganzenLand buchstäblich Leben einflößen. An ihnen konzentriert sich der Artenreichtum der bayerischenNatur. Und auch für uns Menschen hängt viel abvom Zustand der Gewässer. Es geht um sauberesTrinkwasser, um Hochwasserschutz, um Bade-spaß und Freizeitvergnügen, aber auch um tiefeSelbsterfahrung, wie Reinhard Falter (ab Seite 3) zuberichten weiß.Manfred Gößwald, leitender Redakteur

Donaulandschaftbei RegensburgMia taat ma gern lebnweit drin indeine alte farbnweit drin indeiner landschaftweil aaf depassn s aafHarald Grill

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Bedaius führt den Helden der Geschichte, den Gott derKaufleute und Diebe, zu den Saaligen ins Gebirge:»Hier waren die Ortsgeister nicht so selten und ver-schüchtert wie im Flachland. Es gab auch Kobolde, diesich in Gestalt dürrer Äste in den Bäumen spreizten, undsogar zwei fast durchsichtige Quellnymphen.«

Uns heutigen Menschen ist kaum klar, was Göttereiner Erfahrungsreligion wie der der Römer, Keltenoder Germanen sind. Götter sind die Grundqualitätenoder Grundcharaktere der erfahrbaren Welt, die in derPsyche ebenso wie in der Natur erscheinen. Mars undVenus, Saturn und Dionysos sind ergreifende Atmo-sphären. Mars zum Beispiel ist das, was ich an mir (voninnen) erfahre, wenn ich zornig bin. Aber dieselbeQualität begegnet mir auch draußen, im Zähne flet-schenden Hund, aber auch im vom Hochwasser ange-schwollenen Wildbach, der »wütend einherbraust«. Ichmuss nicht unterstellen, dass er ein menschenartigesWesen hat und zornig ist, aber er hat dieselbe Aus-drucksqualität.

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Albrecht Altdorfer:Donaulandschaft mit SchlossWörth bei Regensburg. 1525.München, Alte Pinakothek.

Hans Fredrik Gude: Fischer im Bootam Chiemsee-Ufer. 1886. Privatbesitz.

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D er in Oberbayern aufgewachsene Autor StenNadolny (»Die Entdeckung der Langsamkeit«)

lässt in seinem Roman »Ein Gott der Frechheit« denChiemseegott Bedaius auftreten: »Er war mit den Alo-nen, einem keltischen Stamm, in diese Gegend gekom-men und aus Liebe zum Keamsee ein Fisch geworden.«

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Joseph Wenglein: Kalksteinsamm-lerinnen im Isarbett bei Bad Tölz. 1883.München, Neue Pinakothek.

Flussgötter zum Beispiel sind im Unterschied zumGott der Offenbarungsreligion keine Sache des Glau-bens. Die Frage »glaubst du an Flussgötter?« ist falschgestellt, es muss heißen »bist du bereit, was du amFluss siehst, als Ausdruck eines Göttlichen anzuerken-nen?«. Statt »hast du schon einmal einen Flussgottgesehen?« sollte man fragen »hast du Erfahrungengemacht, die dich vom Sinn solcher Anerkennungüberzeugt haben?« und statt »gibt es Flussgötter wirk-lich?« muss es heißen »gibt es Erfahrungen, die sich alsEpiphanie eines Flussgottes sinnvoll begreifen las-sen?«. Flüsse haben überdies individuellen Charakter.Ein Moorfluss wie die Würm ist etwas ganz anderes alsein alpiner Wildfluss, wie die Salzach ist (oder vielmehrwar).

Wütende WasserIn Bayern ist manches von dieser Weltauffassung bis indie Neuzeit bewahrt worden, weil hier die Christia-nisierung von den irischen Missionaren nicht so brutaldurchgeführt worden ist wie nördlich von dem Baum-frevler Bonifatius. Hier lebte in mancher Heiligen-gestalt die alte Naturgottheit weiter, in der heiligenMargret die Ackerbaugöttin, in Katharina die Mond-göttin und in Johannes der Vegetationskönig. Und inAltbayern ist die Reformation »ausgefallen«. Daranhaben übrigens unsere Flüsse gar keinen so geringenAnteil. Dass alle Flüsse Altbayerns, bis zum Eisenbahn-zeitalter die wichtigsten Transportwege, zur Donauund damit nach Osten abbiegen, bewirkte, dass derbayerische Handel süd- und ostorientiert war, folglichwaren auch gutnachbarliche Beziehungen zu Öster-reich und Italien wichtiger als nach Westen und Nor-den. Und das hatte kräftigen Anteil daran, dass, wannimmer Bayern sich frei entscheiden konnte, es lieberden Anschluss nach Süden als nach Norden suchte.Auch schon deshalb blieb man katholisch und barock.Die Römer hätten dies als Wirkung der Flüsse, sprichdes Donau-Gottes gesehen. Seit 1806 sind auch die

»Beute-Bayern«, die Franken und Schwaben, selbstwenn sie am Main leben und jahrtausendelang rhein-wärts orientiert waren, ein wenig in den Sog der altbay-erischen Flüsse geraten.

Modernes ZeugMit der so genannten Aufklärung wurde auch in Bayerndas Leben ungemütlicher. Im Zeichen der Rationalitätwurden die Leute angehalten, mehr zu arbeiten undweniger zu feiern oder vor sich hin zu sinnieren und»Geister« zu sehen – schon gar nicht Natur. Dagegenbildete sich sehr bald der spezifisch bayerische Konser-vatismus, ursprünglich ein Bündnis von Kirche undBauern, die all das »moderne Zeug« nicht wollten. Sieblieben bis zu Franz Joseph Strauß die Säulen des Kon-servatismus. Was sich heute konservativ nennt, ist frei-lich fast das Gegenteil: Weder die Bauern noch diekatholische Kirche, die mit dem 2. Vaticanum zwartolerant geworden ist, aber auch zum Beispiel mit derZusammenlegung der Namenstage den Bezug der Hei-ligen zum Jahreskreis aufgegeben und ihre archaischenWurzeln weiter abgehackt hat, sind mehr die Säulender CSU, sondern Bauwirtschaft und Amigos.

Aber werfen wir zunächst einen Blick auf die heutigeökologische Realität der bayerischen Gewässer und aufderen historische Ursachen. Um 1900 schien die Was-serkraft die Möglichkeit zu bieten, die RückständigkeitBayerns zu beheben. Zugleich schienen mit der weißenKohle die Schäden der schwarzen Kohle vermeidbar.Gerne verzichtete man auf das bisschen Flussgold, dasman noch im 19. Jahrhundert aus Isar, Inn und Donaugewaschen hatte, für das neue »Gold der Berge«.

Wurzeln im WasserAber gerade gegen den Wasserkraftausbau entstandenauch die ersten Naturschutzvereine. So in Münchender »Verein zur Erhaltung der landschaftlichen Schön-heiten Münchens, besonders des Isartals«, kurz »Isar-talverein«. Anlass waren die Kraftwerksprojekte im

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N irgends sonst in Mitteleuropa leben auf so kleinerFläche so viele verschiedene und seltene Arten

und Lebensgemeinschaften wie in den Auen. Derenursprüngliche, von den Flüssen in Jahrhunderten ge-schaffene Fläche wird in Bayern auf etwa 5000 Quad-ratkilometer geschätzt. Doch nur drei Prozent davonsind noch ökologisch voll funktionsfähig.

Auen werden durch den Fluss geschaffen, Dynamikbestimmt ihr Leben. Ständiger Wechsel der Wasser-stände, Erosion und Sedimentation sowie Neu-Ent-stehung und Verschwinden von Lebensräumen sindzentrale Elemente der Aue. Zwei Drittel aller Pflanzen-Gesellschaften wachsen in der Aue. 60 Prozent derVogelarten, 62 Prozent der Libellenarten und 85 Pro-zent der Amphibienarten leben in Deutschland in denAuen.

Nur der Wechsel ist beständigDie Tiere der Aue haben Strategien entwickelt, sowohlmit Hochwasser als auch mit Austrocknung zurecht zukommen. Wird eine Population durch Hochwassergeschwächt, kann sie sich in neu entstandenenLebensräumen rasch wieder ausbreiten. Frische Ufer-abbrüche nimmt der Eisvogel in Besitz, neue Tümpeldie Gelbbauchunke. Alt-wasser, die beim Hoch-wasser wieder durch-strömt waren, werden zuKinderstuben zahlrei-cher Fischarten.

Doch nur wenn Hochwasser Kies, Sandoder Feinmaterial mitsich führen kann, ent-steht das typische Klein-relief in der Aue, das fürdie vielfältige Wirkungder Wasserstandswech-sel nötig ist – ein komplexes Faktorengefüge, in demräumlich und zeitlich hohe Diversität Voraussetzungfür die biologische Vielfalt sind.

In dieses komplexe System hat der Mensch vielfältigeingegriffen. Mit den Regulierungen und Verbauungender Flüsse wurde den Auen ihr Herzschlag genommen.Wird die Aue vom Fluss abgeschnitten, ist sie zum Ster-ben verurteilt. Gewerbegebiete, Siedlungen und inten-sive Land- und Forstwirtschaft haben große Flächenbereits zerstört.

Noch schlägt das HerzDennoch sind Auen in der intensiv genutzten Kultur-landschaft noch ein Refugium der Artenvielfalt, Rück-zugsraum für seltene Spezialisten wie die DeutscheTamariske oder das Gottesgnadenkraut. Die Betonungliegt auf noch. Denn wenn nicht auf großer Fläche wie-der eine Verbindung zwischen Fluss und Aue mit dervollen natürlichen Dynamik zugelassen wird, ist derweitere Verlust dieser Vielfalt nur eine Frage der Zeit.Für die tatsächliche Sicherung der biologischen Vielfaltist eine Revitalisierung von Auen auf großer Fläche

nötig. Dies muss auch Ziel aller Fluss-Renaturierungensein, Flüsse brauchen wieder Raum.

Mittlerweile ist unumstritten, dass die falsche Nut-zung der Auen unsere Lebensgrundlagen bedroht. DerErhalt der letzten Reste intakter Auen sowie die flächi-ge Revitalisierung ist nicht nur für den Artenschutznötig. Auch für Hochwasserschutz, Trinkwasserschutzund Erholung haben intakte Auen wichtige Funktio-nen. In Bayern wurde die Bedeutung der Auen mit dembayerischen »Auenprogramm« des Umweltministe-riums aufgegriffen. Doch solange das Programm nurauf dem Papier steht, keine Gelder für die Umsetzungbereitgestellt sind und nach wie vor Auen zerstört wer-den, ist der Sinn dieses Programmes stark in Frage zustellen.

Auenschutz hat in Bayern noch lange nicht dennötigen Stellenwert in Politik und Gesellschaft. Derzeitscheitert er noch viel zu oft an Einzel-Interessen vonEigentümern oder Interessensverbänden, kommuna-ler Planungshoheit oder der bayerischen Staatsregie-rung selbst. Es darf aber nicht bei einzelnen gutenRenaturierungs-Projekten bleiben, nötig ist ein echterAuenverbund Bayern, in dem die natürliche Vielfalt derLebensräume lebendige dynamische Lebensadernund ein Rückgrat für die Artenvielfalt bilden. Christine Margraf,BN-Regionalreferentin und Auen-Expertin

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Multi-TalenteAuen erfüllen vieleFunktionen zu-gleich: Die Pupp-linger Au bei Mün-chen zum Beispielbietet der seltenenDeutschen Tama-riske ebenso Lebensraum wiesonnenhungrigenGroßstädtern.

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SpezialistenDie Tiere der Auehaben Strategienfür ihre häufigumgestaltetenLebensräume ent-wickelt. Der Eis-vogel etwa nimmtfrische Ufer-abbrüche sofort inBesitz. Auch ihmgilt der Einsatz desBN für den Lebens-raum Aue.

Vielfältiges Leben in der Aue – Gewässerschutz darf nicht am Ufer enden

Flüsse brauchen wieder RaumMit ihrem einzigartigen Reichtum an Pflanzen und Tieren sind die Fluss-Auen so etwas wie der »bayerische Regenwald«.Und ebenso gefährdet, wenn Flüssen und Auen nicht endlich mehr Raum und besserer Schutz zugestanden wird.

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Christian Landenberger:Abend am Ammersee. 1911.Dresden, Gemäldegalerie.

Süden der Stadt. Selbstverständlich waren die GründerKonservative. So auch der Münchner Philosoph Lud-wig Klages, der 1913 bereits schrieb: »Lösten wir dasRätsel des Flüssigen, weil wir Seen besser zu stauen,Ströme im Handumdrehen zu kanalisieren wissen unddas heilige Element der Alten nur mehr nach Pferde-kräften in Anschlag bringen? (…) Wir sagten oben, diealten Völker hätten kein Interesse gehabt, die Naturdurch Versuche auszuspähen, sie in Maschinen hineinzu knechten und listig durch sich selbst zu besiegen; jetztfügen wir hinzu, sie hätten es als Asebeia, Verruchtheit,verabscheut. Wald und Quell, Fels und Grotte waren fürsie ja heiligen Lebens voll. (…) Wenn die Griechen einenStrom überbrückten, so baten sie den Flussgott für dieEigenmächtigkeit der Menschen um Verzeihung undspendeten Trankopfer«.

Nicht auszudenken, was alles zerstört worden wäre,wenn sich nicht immer wieder solche Menschen für dieErhaltung der Natur eingesetzt hätten, so frustrierendihre Tätigkeit für sie auch war. Die Partnachklammwäre mit einer riesigen Betonwand verschlossen, undder Spiegel des Walchensees würde für den Spitzenbe-trieb des Kraftwerks um 17 Meter schwanken.

Fluss oder StromFreilich, die Liste des unwiederbringlich Zerstörten istauch so noch lang genug. Der Lech zum Beispiel ist aufbayerischer Seite eine Stauseenkette, die auch mitgrößtem Aufwand nicht mehr wiederherstellbar wäre.Und vor allem ist nicht sicher, ob die Zerstörung wirk-lich abgeschlossen ist. Während es vor 30 Jahren derAltmeister des Gewässerschutzes in Bayern, Alwin Sei-fert, für nur noch eine Frage der Zeit hielt, bis zumin-dest an der Isar als noch renaturierbarem Fluss dieKraftwerke südlich von München wieder verschwun-den sein würden, hat im Feld der Wasserkraft der Öko-logieboom seither eher zu Rückschritten geführt.

Für die Stromgiganten ist Wasserkraft kein nennens-werter Einnahmefaktor, auch wenn sich abgeschriebe-

ne Anlagen natürlich immer gut rentieren; aber sie istein umso wichtigerer Publicity-Faktor. Sie können sichdamit als Umweltschützer darstellen wie das Bayern-werk, das mit einem Bild des Walchensees warb unddarunter schrieb »ein typisch bayerisches Kraftwerk«.Keine Rede war davon, dass der Fluss, den man dafüranzapfte, von 1925 bis 1990 an 200 Tagen im Jahr kom-plett trocken fiel und dass nur massives Engagementder Naturschützer für Abhilfe sorgte. Die Kraftwerks-betreiber ließen es sich nicht nehmen, am Walchensee-kraftwerk eine Tafel anzubringen, auf der zu lesensteht, unverständige Naturschützer behinderten diesesKraftwerk leider in seinem heroischen Einsatz für dieAbwendung der Klimakatastrophe, indem sie ihm Was-ser zum unsinnigen Herunterlaufen in einem Flussabzapften.

Freilich gibt es da schwierige Abwägungsprobleme:Wie lassen sich ein Eisvogelbrutpaar oder Erfahrungs-möglichkeiten für Kinder an einem naturbelassenenFluss gegen CO2-Emissionen aufrechnen, die er in ver-bautem Zustand vermeiden hülfe. Hier stehen sichUmweltschutz und Naturschutz manchmal feindlichgegenüber: »Umweltschutz wäre es, den Schaffhause-ner Rheinfall in die Röhre zu stecken, Naturschutz, ihnweiter »unnütz« herunter donnern zu lassen« (BerndUhrmeister).

Rest-IsarNeben der Kraftwerkswirtschaft ist die Schifffahrt einHaupt-Zerstörungsfaktor. Es hieße Eulen nach Athentragen, im BN-Magazin »Natur+Umwelt« über denRhein-Main-Donau-Kanal und über den Wahn, denFluss immer größeren Schiffen anzupassen, noch einWort zu verlieren.

Aber auch die kommerzielle Gaudiflößerei ist einProblem. So haben die Flößer, statt sich für eine Rest-wassermenge einzusetzen, die es ihnen erlaubenwürde, auf der eigentlichen Isar (treffend und zynischRest-Isar genannt) zu fahren, sich vielmehr darüber

Der AutorReinhard Falter, 44,ist Historiker undPhilosoph. Gewässersind sein Thema,seit er sich 1990 alsSprecher der »Initia-tive Mühltal« für dieRenaturierung derIsar stark machte.Er ist Mitbegründerdes Instituts fürnaturphilosophi-sche Praxis, Kon-takt: Steinerweg 12,81241 München.Sein letztes Buchheißt »Natur neudenken«, siehe Seite 15.

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D ie meisten Deiche an der niederbayerischenDonau zwischen Straubing und Vilshofen sind für

ein »Jahrhunderthochwasser« einen Meter zu niedrig.Es muss also dringend gehandelt werden, um die Men-schen besser zu schützen. Dass bisher nichts passiert,liegt vor allem an Bayerns Wirtschaftsminister OttoWiesheu. Weil er immer noch Staustufen durchsetzenwill, verschleppt er seit Monaten das Raumordnungs-verfahren für einen schonenden Donau-Ausbau undblockiert so auch den daran gekoppelten Hochwasser-Schutz.

Bis heute gingen an der bayerischen Donau stetignatürliche Überflutungsflächen verloren, jeder Ausbauengte die Auen weiter ein. Die Folgen bekamen dieUnterlieger bei Hochwasser zu spüren: Abflüsse undWasserstände erhöhten sich, die Geschwindigkeit derHochwasserwellen beschleunigte sich erheblich. Letz-teres führt am Zusammenfluss der Donau mit ihrenNebenflüssen, zum Beispiel in Passau oder Regens-burg, zu fatalen Überlagerungseffekten und damitnoch höheren Wasserständen.

Der alte FehlerDas bisher vorliegende staatliche Hochwasserschutz-Konzept für die Donau zwischen Straubing und Vilsho-fen sieht allerdings nur für knapp vier Prozent derbeplanten Fläche die Rückverlegung von Deichen vor.Fast 25 Prozent des Gebietes sind dagegen als künstli-che Flutpolder eingeplant. Die gesamte restliche,unterschiedlich dicht besiedelte Fläche soll dagegendurch die Erhöhung der Deiche besser geschützt wer-den

Um die negativen Effekte der damit verbundenenEinengung des Wasserrückhalte-Raumes auszuglei-chen, setzen die Planer bisher vor allem auf so genann-te gesteuerte Flutpolder, eine Art riesiger Badewannen,die bei Hochwasser schnell geflutet werden.

Abgesehen von der offenen Frage, ob die geplanteVielzahl von Flutpoldern überhaupt mit der nötigenPräzision gesteuert werden kann, drohen durch dieGeschwindigkeit der Flutung massive Schäden anNatur und Landschaft. Die Einbußen in der Tier- undPflanzenwelt erhöhen sich noch erheblich, wenn dasWasser in den Becken über längere Zeit steht und dervorhandene Sauerstoff aufgezehrt wird. Dann drohenBilder wie aus »umgekippten Seen«, mit Fischen, die bauchoben auf der stinkenden Wasseroberflächeschwimmen.

Warum kompliziert … ?Um dies zu vermeiden, müsste im Flutungsfall eineausreichende Durchströmung sichergestellt werden.Zudem müssten auch kleinere und mittlere Hochwäs-ser als »ökologische Flutungen« und als »Training« fürdie Lebensgemeinschaften durch die Flächen geleitetwerden. Damit wäre jedoch, etwa hinsichtlich derlandwirtschaftlichen Nutzbarkeit, der Unterschied zuechten Aue-Flächen nicht mehr groß.

Der Bund Naturschutz setzt daher auf natürlichenHochwasserschutz von Anfang an: Zumindest die jetzt

als Flutpolder eingeplanten Flächen sollen als echteAuen voll in das Überflutungsgeschehen eingebundenwerden. In den häufiger überschwemmten Bereichenmüsste dann allerdings zum Teil die Nutzung ange-passt werden. Für einen entsprechenden Grundstücks-tausch können die bereits für Seitenkanal und Staustu-fen erworbenen Flächen verwendet werden.

Mit der Reaktivierung von Auen bietet sich dieChance, den bisherigen Verlusten an hoch bedrohtenund wertvollen Aue-Standorten entgegenzuwirken. Esentstünde auch Raum für heute weitgehend verdräng-te natürliche Prozessabläufe, zum Beispiel die aktiveVerlagerung von Kies und Sand und die Neuentste-hung von Lebensräumen.

Der Bund Naturschutz wird darauf drängen, dassdie gegebene Chance für einen Hochwasserschutz imEinklang mit der Natur genutzt wird – und zwar so baldwie möglich.

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Wilde WasserHochwasser mit seiner schöpferischen Kraft ist für die Auenein existentieller Faktor. Der Bund Naturschutz fordertein Hochwasserkonzept für die Donau, das die Menschenschützt und zugleich Fluss und Aue Raum zum Leben gibt.

Der AutorGeorg Kestel, 36,Landschafts-architekt, kämpftals örtlicherDonau-Experteder BN-Kreisgrup-pe Deggendorf fürden frei fließendenStrom.

BN will natürlichen Hochwasser-Rückhaltzwischen Straubing und Vilshofen

Neue Auen für die Donau !Das nächste Donau-Hochwasser kommt bestimmt. Ein staatliches Konzept zum Schutz der Bürger existiert zwar, es setztaber vor allem auf technische statt natürliche Maßnahmen.Von Georg Kestel

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beschwert, dass der Kanal durch das vermehrte Rest-wasser geringere Fließgeschwindigkeit habe und diesals Argument benutzt, ihr trachtenanzug-bewehrtes»Traditionsgewerbe« ab sofort mit Außenbordmotor zubetreiben. Darüber hinaus verlangten sie die Spren-gung eines Felsens, den das Pfingsthochwasser 1999als Beispiel der neu gewonnenen Selbstgestaltungs-kraft freigelegt hatte. Weil die postmodernen Flößer ihrHandwerk nicht mehr richtig verstehen, muss eben dieNatur sich dem Menschen anbequemen; das ist wahr-lich hypermoderne Mentalität.

KulturtherapeutikaIn der mitteleuropäisch zahmen Natur ist der Flusseines der wenigen Zeugnisse von Selbstgestaltungs-kraft der Natur und deshalb ein Angelpunkt einesNaturschutzes, der Natur erfahrbar halten und dieNaturentfremdung des modernen Menschen bremsenmöchte. Er ist geradezu ein Kulturtherapeutikum.

Wenn ich etwa im Rahmen meiner »Fluss desLebens«-Seminare mit zehn Menschen an einen Flussgehe und sie auffordere, sich einen Platz zu suchen,den sie als zu sich gehörig empfinden, wird jeder dembegegnen, was für ihn Thema ist. Ein Betrachter kanneine reißende Stelle als lebendig oder als gehetzt emp-finden, ja, ich kann den Fluss als Ganzen als sinnlossich zu Tode stürzend oder als ungeheuer reich emp-finden. Beides hat mit dem Betrachter zu tun und doch

nicht nur mit ihm. Beides sind Seiten des Lebens, diesich in der Wirklichkeit nicht ausschließen. Wichtigerals Bewertungen ist leibliches Angeregtwerden. Zu-grunde liegt dieser Spiegelungsmöglichkeit aber imAllgemeinen die Verwandtschaft von Fluss als Ganzemund Lebenslauf, und im Konkreten, dass Individua-lisierung beim Menschen dieselben Figuren und Cha-raktere hat wie Individualisierung beim Fluss oderBaum.

Lebens-StrömeIch gehe an den Fluss, und plötzlich offenbart sich mirin seinen Verzweigungen etwas über das Wesen gelun-gener Biographie. Ich erkenne, dass auch in meinemLeben verschiedene Strömungen nebeneinander herlaufen, und dass diese Vielstimmigkeit etwas Gutes hat.Dass aber auch irgendwie wichtig ist, dass sie nicht ein-fach auseinanderlaufen, sonst wären sie zum Versi-ckern verurteilt. Das Naturbild bekommt allmählichNormativität. Ich erkenne vielleicht, dass mein Leben,stärker als es sollte, in Rollen zerfällt, und dass ich michdaher um den Zusammenhang meiner Rollen küm-mern muss.

Es ließen sich zig solche Parallelen zwischen Naturdraußen und Seelenleben anführen. Darin liegt diesel-be Wahrheit, die unsere keltischen und rätischen Vor-fahren vor 2000 Jahren als Götter bezeichnet haben.

Beschäftigt man sich mit alpinen Wildflüssen, sofällt einem auf: Der Fluss ist einerseits das Bild desLebens schlechthin, andererseits aber auch der Todes-pol der Landschaft. Er ist, wie Goethe den Tod so genialnennt, das Mittel der Natur, viel Leben zu haben, erräumt frei, setzt auf den Stock. Der todesverdrängendebürgerliche Mensch findet die Kiesbänke alpiner Flüs-se mit ihrem an die Endlichkeit gemahnenden Totholzästhetisch unerträglich. In der Natur aber sind dieAbbauprozesse genauso wichtig wie die des Aufbaus. �

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Johann Georg von Dillis, 1759 – 1841:Die Isarfälle. München, Staatlichegraphische Sammlungen.

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Ferdinand Kobell, 1740 – 1799:Mainbrücke in Aschaffenburg.Staatsgalerie, Schloss Aschaffenburg.

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Herausgeber: Bund Naturschutz in Bay-ern e. V. (BN), vertreten durch Peter Rott-ner, Landesgeschäftsführer, Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg,www.bund-naturschutz.deRedaktion: Manfred Gößwald (verant-wortlich), Tel. 09 41 -2 97 20-22, Fax -31,[email protected]: Gorbach GmbH, Utting (Layout: Waltraud Hofbauer)Titelbild: Anton Radl: Donaudurchbruchbei Weltenburg. Um 1830/40. Regens-burg, Museen der Stadt. (Foto: JochenRemmer, Artothek)Druck: Sellier Druck, FreisingAuflage: 5000Bezug: BN Service GmbH, Tel. 0 91 23-9 99 57-0, www.service.bund-natur-schutz.deBN-Spendenkonto: Bank für Sozialwirt-schaft, Konto 8 844 000, BLZ 700 205 00»Natur+Umwelt« wird auf 100 % Recyclingpapier gedruckt.

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Wasserland

ErdingGenau hingeschautBeginnen sollte Gewässerschutz ganz oben: an derQuelle. Ökologische Kleinode sind besonders die arte-sischen Quellen. Bei ihnen quillt gespanntes Wasseraus der Tiefe. Zoologen finden dort sehr seltene, weilhoch spezialisierte Tierarten, vor allem in der Gruppeder Mollusken, also Weichtiere. Der Grund: Nährstoff-armut und extrem konstante Wassertemperatur.

Ein interessantes Beispiel sind die Schwillach-Quel-len im ausgedehnten, aber weitgehend trockengeleg-ten Quellniedermoor des Sempt-Schwillach-Tals beiErding. Mit Geldern des Bayerischen Naturschutzfondskonnte die BN-Kreisgruppe Erding im vergangenenJahr die Molluskenfauna der Schwillach-Quellen erst-mals systematisch von renommierten Weichtier-forschern untersuchen lassen.

»Die Ergebnisse der Malakologen«, so ManfredDrobny, BN-Kreisgeschäftsführer, »haben unsere Er-wartungen noch übertroffen.« Von den 71 Arten, diezumindest in den naturnahen Quellen zu findenwaren, steht ein Drittel auf der Roten Liste. Akut vomAussterben bedroht sind die Moor-Federkiemenschne-cke und die Zweizähnige Laubschnecke. Viele Quellenmussten die Forscher aber auch wegen fehlender Ufer-säume, Begradigungen und standortfremder Nutzun-gen als biologisch verarmt einstufen – doch das Poten-zial für eine ökologische Aufwertung ist noch da, das konnte der Bund Naturschutz belegen. Deshalbkämpft er auch gegen die Gefährdung der Quellendurch die geplante Autobahn A94.

ErkheimPflegen statt BaggernFür eine möglichst naturnahe Pflege und Entwicklungvon Klein- und Kleinstgewässern wären an sich Was-serwirtschaftsamt und Gemeinde zuständig. DochGesetze, Kämmerei und landwirtschaftliche Praxis sinddreierlei. Notfalls springt da der Bund Naturschutz ein,wie in der Gemeinde Erkheim im Unterallgäu.

Bauhof und Landwirte sind dort ein jahrzehntelangeingespieltes Team in der Gewässerunterhaltung: Bag-gern, Mähen und Entbuschen – wie es sich gerade ausden Drainage-Erfordernissen ergibt. Was darunter lei-det, sind die ökologischen Funktionen. Von den 80Kilometer Bächen und Gräben in der Erkheimer Wald-und Auenlandschaft ist knapp ein Fünftel verrohrt, derRest meist maschinenfreundlich und lebensfeindlichgepflegt. Bachmuscheln, Ufergehölze und Rörichtehaben auf Dauer keine Chance.

Deshalb hat die BN-Ortsgruppe Erkheim alle Bächeund Gräben auf eigene Faust inspiziert, kartiert und dieErgebnisse und Vorschläge in einem Gewässerpflege-plan festgehalten. Das Ergebnis überzeugt: Wasser-wirtschaftsamt, Untere Naturschutzbehörde, Forst-und Fischereiverwaltung, sogar das Landwirtschafts-amt bescheinigten dem Gewässerpflegeplan Profi-Kaliber. Bleiben die Bauern. Viele sind dem Plan gegen-über aufgeschlossen, die meisten aber fürchten, Landfür Pufferstreifen zu verlieren, und bezweifeln die Ver-lässlichkeit der Naturschutz- und Kulturlandschafts-programme, die ihnen den Mehraufwand vergütenwürden.

Joachim Stiba, BN-Ortsgruppenleiter, ist jedochoptimistisch: »Durch unsere Bestandsaufnahme habenwir erreicht, dass die Gemeinde jetzt Ernst macht mitökologischer Gewässerpflege.« Zudem fließen entspre-chende Landeszuschüsse erst, wenn sie einen konkre-ten Entwicklungsplan vorlegt. Dank der Vorarbeit desBN ist das nur noch ein kleiner Schritt. Und einer derBachläufe, der Falchengraben, soll dank seiner Bach-muschel-Vorkommen FFH-Gebiet werden.

10 Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Gewässer« [2-04]

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BN-Gewässerschutz vor Ort

Schnecken, Quellen, FeriengästeWas haben Quellwasser und Rote Listen gemein? Ein guter Tropfen und Feuchtwiesen? Muschel und Bauhof, Straußfarnund Hochwasserschutz? Sie umreißen die Bandbreite, mit dersich der Bund Naturschutz in ganz Bayern um die Gewässerkümmert. Von Tino Schlagintweit

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BayreuthSchatten überm Rotmain-TalEin FFH-Anwärtergebiet, wie die BN-Aktiven in Erk-heim, kann auch die Kreisgruppe Bayreuth mit demLandschaftsschutzgebiet »Oberes Rotmaintal« vorwei-sen. Doch es steht zu befürchten, dass es nach der»Ehrung« zumindest zeitweilig geflutet wird. Einmalging der Kelch bereits am Rotmaintal vorüber: Drei rie-sige Staubecken zur gezielten Verdünnung des ver-dreckten Flusses waren geplant. Nach langem Wider-stand von Bürgerinitiativen und Bund Naturschutzverlief das Projekt im Sand. Kläranlagen hatten es über-flüssig gemacht.

Im Herbst 2003 geriet das urtümliche, eng geschnit-tene Waldtal erneut ins Visier der Stadtverwaltung.Diesmal als Regenrückhaltebecken, das die Stadt vor einem Jahrhunderthochwasser schützen könnte.Rückstau ist aber bereits bei Pegeln vorgesehen, dieetwa alle zwei bis drei Jahre auftreten. Das Wasser stün-de dann etwa zwei Meter hoch am Damm und würdedas Tal 200 Meter weit überfluten. Mit natürlicherFlussdynamik hat das nichts zu tun: Die jetzigen Pflan-zen- und Tiergemeinschaften würden stark beein-trächtigt. Der seltene Straußfarn, der ausgerechnet imDammbereich wächst, oder die Bachmuschel hättenausgespielt. Beim 100-jährigen Hochwasser würdensechs Millionen Kubikmeter das Tal sogar mehrereKilometer weit überfluten.

Veteranen der Bürgerinitiative und Aktivisten desBN waren sofort wieder zur Stelle: »Hände weg vomRotmaintal« lautet ihr Motto heute – und sie tun alles,um für Alternativen zum Rückhaltebecken zu werben.Ihrer Einschätzung nach stehen Alternativstandorteund genügend Retentionsräume zur Verfügung.

Erster Erfolg: Die Prüfung von Alternativen wird insRaumordnungsverfahren aufgenommen. Doch Hel-mut Korn, Vorsitzender von der BN-Kreisgruppe Bay-reuth warnt: »Noch ist alles offen. Es geht jetzt darum,die Reihen zu füllen und zu schließen.« UnerwarteteHilfe könnte von der Staatsregierung kommen. Siekürzt die Gelder für technischen Hochwasserschutz.Der Damm könnte schlicht zu teuer werden.

ScheinfeldKunst der VernetzungDas vielleicht umfassendste Gewässerprojekt des Bun-des Naturschutz ist in der dünn besiedelten und klein-bäuerlichen Auenlandschaft des südlichen Steiger-walds in Scheinfeld zu besichtigen; auch wenn es derunscheinbare Name »Talauenprojekt« kaum vermutenlässt. Am Anfang stand der Unmut einiger BN-Aktivis-ten über das Verschwinden von Bekassine und Brach-vogel, Uferschnepfe und Steinkauz. Hier wieder einBach begradigt, da eine Feuchtwiese entwässert, dorteine Überschwemmungsfläche bebaut. Der Charakterder Landschaft mit ihren Sumpfgebieten und Au-wäldern, mit kulturlandschaftlich interessanten Hute-wäldern und Streuobstwiesen war in den 80er Jahrenernsthaft bedroht – und zugleich seltene Arten wieEdelkrebs und Schwertlilie.

Die Wende brachten erst die Hochwasser Anfang der90er Jahre. Rudolf Kolerus, Leiter der BN-OrtsgruppeScheinfeld gelang es, wichtige Behördenvertreter fürdas Talauen-Projekt des Bundes Naturschutz zu inter-essieren. Sein Anliegen war zunächst, Landwirtschaft,Naturschutz und Hochwasserschutz unter einen Hutzu bekommen. Was niemand ahnte: Das Projekt wurdezum Anstoß und Rückgrat für ein bayernweit vor-bildhaftes Aktionsbündnis zur nachhaltigen Regional-entwicklung, für die Lokale Aktionsgruppe SüdlicherSteigerwald.

150 Bürger und 25 Gruppen aus neun Gemeindenschlossen sich über alle verwaltungstechnischen Gren-zen hinweg zusammen. Ob Beamte, Bauern oder Ban-ker, Winzer oder Wirt, Künstler oder Gärtner – in zahl-reichen Arbeitskreisen machten sie Landschafts- undHochwasserschutz, sanften Tourismus und Wirt-schaftsförderung zur gemeinsamen Sache. Dank desausgereiften Talauenprojekts flossen bald Gelder desLandes und der EU: Investitionen in Höhe von 4,4Millionen Euro wurden angestoßen.

Die Rechnung geht auf. Kolerus freut sich: »ImSchwarzenberger Land hat neulich die siebte Wein-und Brotzeitstube aufgemacht.« Aber auch die anderenTäler locken zunehmend Gäste, etwa mit ausgedehn-ten Reit-, Wander- und Radwegen, mit Wasser-, Natur-und Erlebnisspielplätzen, Aussichtsturm oder vonKünstlern gestalteten Erlebnispfaden. Und das Beste:Naturnahe Gewässerentwicklung, Retentionsräumeoder Streuobstwiesen sind keine Streitthemen mehr,sondern Kapital.

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Der AutorTino Schlagintweit,44, Biologe, arbeitetals freier Umwelt-und Wissenschafts-journalist in München.

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BN Sonderausgabe 04 05 06 Wasser.FH10 Thu May 06 20:43:57 2004 Seite 1

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