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Wachstumsprothesen zur Rekonstruktion von Defekten der unteren Extremitäten beim Kind; Growing...

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Oper Orthop Traumatol 2012 · 24:235–246 DOI 10.1007/s00064-011-0069-z Online publiziert: 4. Juli 2012 © Springer-Verlag 2012 M. Schinhan · P. Funovics · M. Dominkus · R. Windhager Universitätsklinik für Orthopädie, Medizinische Universität Wien, AKH Wien Wachstumsprothesen zur  Rekonstruktion von Defekten der  unteren Extremitäten beim Kind Vorbemerkungen Die häufigsten primär malignen Tumo- ren des Skelettsystems, das Osteosarkom und Ewing-Sarkom, kommen im Wachs- tumsalter etwa zwischen 10 und 20 Jah- ren vor. In über 50% der Fälle entstehen diese Tumoren im Bereich des Kniege- lenks, der proximalen Tibia oder des dis- talen Femur. Für die onkologisch adäqua- te Behandlung von primär malignen Kno- chentumoren ist eine die Extremitäten er- haltende Chirurgie als Goldstandard eta- bliert, sofern eine Resektion weit im Ge- sunden möglich ist. Dies betrifft bei Tu- moren in der Nähe des Kniegelenks beim wachsenden Skelettsystem meist die Re- sektion mindestens einer Epiphysenfuge. Entsprechend dem Alter des Kindes resul- tiert daraus eine oft beträchtliche Beinlän- gendifferenz. Seit in der extremitätenerhaltenden Tumorchirurgie die Rekonstruktion des Knochendefekts mit modularen Tumor- endoprothesen den Goldstandard bildet, wurden auch Endoprothesen entwickelt, die ein schrittweises Verlängern der Pro- thesen und damit des Beins ermöglichen [4]. Der folgende Beitrag gibt eine Über- sicht über die Indikationen, Techniken und Erfahrungen mit Wachstumsprothe- sen bei Kindern wieder. Operationsprinzip und -ziel Rekonstruktion von Knochendefek- ten, welche die Wachstumsfuge mit- einschließen. „Mitwachsen“ der Pro- these durch geplante Verlängerungs- operationen. Vermeiden einer Ampu- tation bei malignen Knochentumo- ren, wenn eine weite Resektion (nach Enneking) möglich ist. Erhalt der Mo- bilität. Vorteile F Extremitätenerhaltende Operation F „Mitwachsen“ der Prothese ist mög- lich F Nahezu gleiche Beinlänge bei Wachs- tumsabschluss F Gutes funktionelles Ergebnis F Patientenzufriedenheit Nachteile F Hohe Revisions- und Reoperationsra- te F Verlängerungsoperationen bei der manuellen Wachstumsprothese not- wendig F Exakte Planung und Bestellung von Custom-made-Implantaten erforder- lich F Hohe Compliance von Patienten und Eltern notwendig Indikationen F Ein zu erwartendes Längendefi- zit nach Wachstumsabschluss von >4 cm: Die Epiphysenfugen der unte- ren Extremität des Kindes tragen im Bereich des proximalen Femur zu 15%, im Bereich des distalen Femur zu 37% und im Bereich der proxima- len Tibia zu 28% zum Beinlängen- wachstum bei. Bei Patienten, die sich noch im Wachstum befinden, muss vor der Planung einer Wachstums- prothese eine exakte Wachstums- prognose durchgeführt werden. Die- se wird üblicherweise in der Feststel- lung des Knochenalters mit einem Röntgenbild der Hand a.-p. (Greu- lich-Pyle), der momentanen Körper- größe des Kindes und der daraus re- sultierenden Prognose der Endgrö- ße berechnet. Von dem noch zu er- wartenden Längenwachstum wird der Anteil der zu resezierenden Epi- physenfuge bestimmt. Ein Längen- defizit von unter 4 cm wird i. d. R. nicht mit einer Wachstumsprothese versorgt. Diese Beinlängendifferenz kann durch Implantation einer Über- länge bei der Primäroperation und eventuell einer Reoperation mit wei- terer Modulverlängerung durchge- führt werden. F Mindestschaftdicke von 9–10 mm: Für die Implantation einer Wachs- tumsprothese ist eine gewisse Mini- maldicke und -länge der langen Röh- renknochen der unteren Extremi- tät erforderlich. Diese Minimalan- forderungen hängen im Detail von den Wachstumsprothesentypen ab. Für die intramedulläre Verankerung sollte eine Mindestschaftdicke von 9–10 mm vorhanden sein. F Restknochenlänge: Davon hängt bei Kindern vor allem die Tatsache ab, ob im verbleibenden Restknochen noch eine Standardschaftverankerung bzw. eine sonderangefertigte kürzere Schaftverankerung zu implantieren ist. Ist das nicht der Fall, so wäre etwa beim Femur die Implantation einer totalen Femurprothese erforderlich. F Alter ab 8 Jahren: Entsprechend die- ser Vorgaben ist i. d. R. die Implanta- tion einer Wachstumsprothese unter 8 Jahren kaum möglich. Wachstums- prothesen bis 7 Jahren stellen eine in- Redaktion M. Rudert, Würzburg Zeichner R. Himmelhan, Heidelberg Operative Techniken 235 Operative Orthopädie und Traumatologie 3 · 2012|
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Page 1: Wachstumsprothesen zur Rekonstruktion von Defekten der unteren Extremitäten beim Kind; Growing prostheses for reconstruction of lower limb defects in children;

Oper Orthop Traumatol 2012 · 24:235–246DOI 10.1007/s00064-011-0069-zOnline publiziert: 4. Juli 2012© Springer-Verlag 2012

M. Schinhan · P. Funovics · M. Dominkus · R. WindhagerUniversitätsklinik für Orthopädie, Medizinische Universität Wien, AKH Wien

Wachstumsprothesen zur Rekonstruktion von Defekten der unteren Extremitäten beim Kind

Vorbemerkungen

Die häufigsten primär malignen Tumo-ren des Skelettsystems, das Osteosarkom und Ewing-Sarkom, kommen im Wachs-tumsalter etwa zwischen 10 und 20 Jah-ren vor. In über 50% der Fälle entstehen diese Tumoren im Bereich des Kniege-lenks, der proximalen Tibia oder des dis-talen Femur. Für die onkologisch adäqua-te Behandlung von primär malignen Kno-chentumoren ist eine die Extremitäten er-haltende Chirurgie als Goldstandard eta-bliert, sofern eine Resektion weit im Ge-sunden möglich ist. Dies betrifft bei Tu-moren in der Nähe des Kniegelenks beim wachsenden Skelettsystem meist die Re-sektion mindestens einer Epiphysenfuge. Entsprechend dem Alter des Kindes resul-tiert daraus eine oft beträchtliche Beinlän-gendifferenz.

Seit in der extremitätenerhaltenden Tumorchirurgie die Rekonstruktion des Knochendefekts mit modularen Tumor-endoprothesen den Goldstandard bildet, wurden auch Endoprothesen entwickelt, die ein schrittweises Verlängern der Pro-thesen und damit des Beins ermöglichen [4]. Der folgende Beitrag gibt eine Über-sicht über die Indikationen, Techniken und Erfahrungen mit Wachstumsprothe-sen bei Kindern wieder.

Operationsprinzip und -ziel

Rekonstruktion von Knochendefek-ten, welche die Wachstumsfuge mit-einschließen. „Mitwachsen“ der Pro-these durch geplante Verlängerungs-operationen. Vermeiden einer Ampu-tation bei malignen Knochentumo-ren, wenn eine weite Resektion (nach

Enneking) möglich ist. Erhalt der Mo-bilität.

Vorteile

FExtremitätenerhaltende OperationF„Mitwachsen“ der Prothese ist mög-

lichFNahezu gleiche Beinlänge bei Wachs-

tumsabschlussFGutes funktionelles ErgebnisFPatientenzufriedenheit

Nachteile

FHohe Revisions- und Reoperationsra-te

FVerlängerungsoperationen bei der manuellen Wachstumsprothese not-wendig

FExakte Planung und Bestellung von Custom-made-Implantaten erforder-lich

FHohe Compliance von Patienten und Eltern notwendig

Indikationen

FEin zu erwartendes Längendefi-zit nach Wachstumsabschluss von >4 cm: Die Epiphysenfugen der unte-ren Extremität des Kindes tragen im Bereich des proximalen Femur zu 15%, im Bereich des distalen Femur zu 37% und im Bereich der proxima-len Tibia zu 28% zum Beinlängen-wachstum bei. Bei Patienten, die sich noch im Wachstum befinden, muss vor der Planung einer Wachstums-prothese eine exakte Wachstums-prognose durchgeführt werden. Die-se wird üblicherweise in der Feststel-

lung des Knochenalters mit einem Röntgenbild der Hand a.-p. (Greu-lich-Pyle), der momentanen Körper-größe des Kindes und der daraus re-sultierenden Prognose der Endgrö-ße berechnet. Von dem noch zu er-wartenden Längenwachstum wird der Anteil der zu resezierenden Epi-physenfuge bestimmt. Ein Längen-defizit von unter 4 cm wird i. d. R. nicht mit einer Wachstumsprothese versorgt. Diese Beinlängendifferenz kann durch Implantation einer Über-länge bei der Primäroperation und eventuell einer Reoperation mit wei-terer Modulverlängerung durchge-führt werden.

FMindestschaftdicke von 9–10 mm: Für die Implantation einer Wachs-tumsprothese ist eine gewisse Mini-maldicke und -länge der langen Röh-renknochen der unteren Extremi-tät erforderlich. Diese Minimalan-forderungen hängen im Detail von den Wachstumsprothesentypen ab. Für die intramedulläre Verankerung sollte eine Mindestschaftdicke von 9–10 mm vorhanden sein.

FRestknochenlänge: Davon hängt bei Kindern vor allem die Tatsache ab, ob im verbleibenden Restknochen noch eine Standardschaftverankerung bzw. eine sonderangefertigte kürzere Schaftverankerung zu implantieren ist. Ist das nicht der Fall, so wäre etwa beim Femur die Implantation einer totalen Femurprothese erforderlich.

FAlter ab 8 Jahren: Entsprechend die-ser Vorgaben ist i. d. R. die Implanta-tion einer Wachstumsprothese unter 8 Jahren kaum möglich. Wachstums-prothesen bis 7 Jahren stellen eine in-

RedaktionM. Rudert, WürzburgZeichnerR. Himmelhan, Heidelberg

Operative Techniken

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dividuelle experimentelle Situation dar, für die es keine allgemein gül-tigen Vorgaben gibt. Im Routinefall sollte die Implantation von Wachs-tumsprothesen ab einem Alter von 8 Jahren möglich sein.

FMetastasenfrei, Größe des Tumors: Die Planung einer Wachstumspro-these sollte nur bei Erwartung einer günstigen Überlebensprognose des Patienten erfolgen. Dies setzt vor-aus, dass eine extremitätenerhalten-de Operation mit weitem Sicherheits-abstand im Gesunden technisch mög-lich ist. Die Patienten sollten bei Dia-gnosestellung metastasenfrei sein und die Größe des Primärtumors sollte eine sicher extremitätenerhaltende Operation ermöglichen. Aus diesen genannten Gründen ist es oft üblich, bei der Primäroperation der Tumor-resektion eine modulare Standard-tumorendoprothese zu implantieren und aus dem weiteren Verlauf frühes-tens nach Ende der postoperativen Chemotherapie, bzw. bei einer ent-stehenden Beinlängendifferenz von mehr als 2 cm dann für eine 2. Ope-ration die Implantation einer Wachs-tumsprothese zu planen. Da die meis-ten Wachstumsprothesen Sonderan-fertigungen darstellen, ist es auch er-forderlich, vor der Implantation einer Wachstumsprothese einen gewissen zeitlichen Vorlauf einzuplanen.

FAdäquate Compliance: Wenn man sich bei Kindern zu einer extremitä-tenerhaltenden Operation unter Ver-wendung von Wachstumsprothe-sen entschließt, so muss man sich im Klaren sein, dass dies eine jahre-lange, zum Teil sehr aufwendige Be-handlungsmethode darstellt, die auch eine Vielzahl von Reoperatio-nen und Revisionen nach sich zie-hen kann. Darüber hinaus ist der Er-folg einer Wachstumsprothese unbe-dingt an die Möglichkeit einer inten-siven Heilgymnastik und Physiothe-rapie gebunden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei Patienten aus weni-ger entwickelten Ländern in ihrem Heimatland oft ein unzureichendes Verständnis für die spezielle postope-rative Situation bzw. unzureichende Therapiemöglichkeiten bestehen. Es

ist auch erforderlich, diese Patien-ten regelmäßig durch den Operateur kontrollieren zu können. Die exakte Aufklärung und Bereitschaft der El-tern oder erziehungsberechtigten Per-sonen und des Kindes selbst, regelmä-ßige Kontrollen, Operationen und in-tensive Heilgymnastik bis zum Ab-schluss ihres Längenwachstums sind unbedingt erforderlich.

Kontraindikationen

FPalliative BehandlungssituationFResektion des Tumors weit im Gesun-

den nicht sicher durchführbarFInfektsituationenFJünger als 7 JahreFFernmetastasenFFehlende Bereitschaft oder fehlende

Möglichkeit regelmäßiger Heilgym-nastik

FFehlende Compliance der Eltern oder der Patienten

Patientenaufklärung

FRisiken und KomplikationenFAllgemeine Risiken: Verletzung von

Gefäßen, Nerven, Muskel, Sehnen, Thrombose, Embolie, Wundheilungs-störungen, Keloidbildung, Verabrei-chung von Blutkonserven

FSpezielle Risiken: Rezidiv des Tumors, Infektion mit der Folge einer Revi-sionsoperation, Prothesenversagen, „Stress Shielding“, Fraktur, Transplan-tatversagen bei Muskelschwenklap-pen und Spalthaut, Narbenbildung an der Entnahmestelle der Spalthaut

FMöglichkeit des Extremitätenverlusts bei nicht beherrschbaren Komplika-tionen

FMöglichkeit von Revisionsoperatio-nen mit kompletter Resektion eines entstandenen Narbenschlauchs, wenn eine minimal-invasive Verlängerung nicht möglich ist.

FAufwendige Nachbehandlung und geplante Folgeoperationen

FBewegungseinschränkungFFortbestehen eines erhöhten Infek-

tionsrisikos bei MegaprothesenFAustausch der Wachstumsprothese

gegen eine Standardtumorprothese

nach Abschluss des Längenwachs-tums.

Operationsvorbereitungen

FExakte radiologische Vorbereitung: Abgesehen von der routinemäßig er-forderlichen Darstellung der gesam-ten Tumorausdehnung im MRT, Dar-stellung der Skip-Läsionen im MRT in den benachbarten Knochenkom-partimenten, einem exakten Staging in Form von Lungen-/Abdomen-CT, Szintigraphie oder PET-CT, ist für die exakte Planung des möglichen Ein-satzes von Wachstumsprothesen ein Maßstabsröntgen der gesamten unte-ren Extremität beidseits erforderlich, evtl. auch CT-Aufnahmen im Be-reich der Schaftverankerung, um die genaue Größe des Mark raums und mögliche Schaftverankerungen ver-messen zu können. Abhängig von der Ausdehnung des Tumors und der anatomischen Lage kann es erforder-lich sein, vor der Tumorresektion zu-sätzliche Abklärungen in Form von Angiographien, Angio-MR oder Fi-bertrack-Darstellungen der großen benachbarten Nerven durchzuführen. Entsprechend der präoperativen Ab-klärung muss auch festzulegen sein, ob z. B. im Falle des Kniegelenks eine intra- oder extraartikuläre Resektion erforderlich ist. Da bei extraartiku-lären Resektionen häufig sowohl die Epiphysenfuge der proximalen Tibia als auch die Epiphysenfuge des dista-len Femur reseziert werden müssen, ist bei solchen Patienten das zu er-wartende Beinlängendefizit entspre-chend höher zu berechnen.

FAbwägen alternativer Behandlungs-methoden: Unter Berücksichtigung der genannten sehr aufwendigen Be-handlungsregime bei Verwendung von Wachstumsprothesen müssen na-türlich auch andere alternative Thera-pieoptionen wie Umkehrplastik oder Amputation ins Kalkül gezogen wer-den.

FBiopsie: Durchführung einer Gewe-bebiopsie unter Berücksichtigung der späteren Resektion, da der Biopsie-trakt unbedingt mitreseziert werden muss.

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Operative Techniken

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FChemotherapie: Das Chemotherapie-schema wird aufgrund der histologi-schen Diagnose festgelegt.

Instrumentarium

Im folgenden Absatz sollen einige wesent-liche Arten von Wachstumsprothesen be-sprochen werden, die sich auch in der internationalen Literatur wiederfinden.

Stryker/Howmedica

Aus dem bekannten modularen Tumor-endoprothesensystem KMFTR/HMRS wurde 1986 ein Wachstumsmodul als Sonderanfertigung hergestellt, die eine minimal-invasive, manuell zu verstellen-de Wachstumsprothese darstellt. Tech-nisch ist die Prothese als Spindel aufge-baut, die über ein Kegelrad mit einem Schraubendreher über eine Stichinzi-sion verlängert werden kann (.Abb. 1). Eine zusätzliche Feststellschraube verhin-dert das Zurückdrehen der Prothese. Die-ser Prothesentyp ist kompatibel mit den Tumorendoprothesen der Firma Stryker-Howmedica, KMFTR oder HMRS, bei Adaptierung des Verbindungskonus auch mit dem neuen System GMRS. Mit die-sem System ist eine Versorgung des pro-ximalen Femur, des distalen Femur und der proximalen Tibia möglich, wobei die Prothesen, die am Kniegelenk artikulie-ren, eine „fixed-hinge“-Variante darstel-len. Bei Erhalt einer Wachstumsfuge im Bereich des Kniegelenks wird der entspre-chende Gelenkteil der Prothese, der durch die intakte Epiphysenfuge reicht, als glat-ter polierter Stiel gefertigt, um ein Weiter-wachsen der Epiphysenfuge zu ermögli-chen (.Abb. 2).

Mit diesem Prothesentyp haben die Autoren die größte Erfahrung [6]; die-se betrifft bis dato 71 Patienten. Aus die-ser minimal-invasiven Prothesenvariante wurde 1993 die erste automatische Wachs-tumsprothese für das distale Femur kons-truiert. Bei dieser Prothese löst ein Schal-ter, der von einem Stössel vom Tibiapla-teau der Prothese ausgelöst wird, in Form eines Uhrwerkmechanismus kleinste Ver-längerungen aus (0,056 mm pro Klick; .Abb. 3). Von dieser ersten Genera-tion der automatischen Wachstumspro-these wurden 8 Prothesen implantiert.

Zusammenfassung · Abstract

Oper Orthop Traumatol 2012 · 24:235–246 DOI 10.1007/s00064-011-0069-z© Springer-Verlag 2012

M. Schinhan · P. Funovics · M. Dominkus · R. Windhager

Wachstumsprothesen zur Rekonstruktion von Defekten der unteren Extremitäten beim Kind

ZusammenfassungOperationsziel. Rekonstruktion mit Wachs-tumsprothesen bei Knochendefekten nach Resektion von primär malignen Knochentu-moren im Wachstumsalter und „Mitwachsen“ der Prothese.Indikationen. Zur Rekonstruktion von Kno-chen- und Gelenkdefekten nach kurativer ex-tremitätenerhaltender Resektion von Ewing- oder Osteosarkomen bei einem zu erwarten-den Längendefizit von >4 cm.Kontraindikationen. Keine onkologisch adequate extremitätenerhaltende Operation möglich. Infektsituationen, Fernmetastasen des Primärtumors und fehlende Compliance von Patient und/oder Familie.Operationstechnik. Weite Resektion des Tumors unter Mitnahme des Biopsietrakts. Implantation einer Wachstumsprothese. Geplante Verlängerungsoperationen.Weiterbehandlung. Postoperativ entspre-chend der Implantatfixation entlastende oder teilbelastende Mobilisierung mit Unterarm-stützen, Gelenksmobilisierung; CPM („conti-nous passive motion“). Chemotherapie ent-sprechend des onkologischen Behandlungs-protokolls. Minimal-invasive Verlängerungs-

operationen je nach Körperwachstum ein- bis dreimal jährlich, bzw. nichtinvasive Verlänge-rungen abhängig vom implantierten Verlän-gerungsmodul.Ergebnisse. Von 8632 Patienten im Wiener Knochen- und Weichteilgeschwulstregister seit 1969 aufgenommenen Patienten hat-ten 691 ein Osteosarkom und 243 ein Ewing-Sarkom. Aus dieser Gruppe waren 513 unter 18 Jahre alt (54,4%). Seit 1987 wurden 71 Pa-tienten mit einer Wachstumsprothese ver-sorgt, 13 starben, 44 sind derzeit ausgewach-sen. Die 5-Jahres-Überlebensrate der Pa-tienten lag bei 84%, die 10-Jahres-Überle-bensrate bei 77%. Die Patientengruppe be-stand aus 26 Mädchen und 18 Buben bei einem mittleren Alter von 10±3 Jahren. Die Patienten hatten im Schnitt 4±3 Verlänge-rungsoperationen, um eine Verlängerung von 72,5±53,45 mm zu erreichen. Die durch-schnittliche Verlängerung pro Eingriff betrug hierbei 14,83±4,6 mm.

SchlüsselwörterBeinprothese · Osteosarkom · Ewing-Sarkom · Extremitätenerhalt · Knochenwachstum

Growing prostheses for reconstruction of lower limb defects in children

AbstractObjective. Bone defect reconstruction with growing prostheses after resection of malig-nant bone tumors using the technique of ex-tendable prostheses.Indications. Limb salvage surgery after re-section of primary malignant bone tumors in the growing skeleton for expected leg length deficiencies >4 cm.Contraindications. Palliative tumor re-section, infection, systemic metastases at the time of diagnosis, social contraindica-tions, lack of compliance of the patient and/or family .Surgical technique. Wide resection of the tumor with resection of the biopsy location. Reconstruction with the growing prosthesis. Planned lengthening operations.Postoperative management. Mobiliza-tion with crutches, weight bearing or partial weight bearing according the prosthesis’ fix-ation. Chemotherapy as defined in the che-motherapy protocol. Planned minimally inva-sive lengthening or noninvasive lengthening according to the type of growing module.

Results. Since 1969, more than 8,632 pa-tients have been registered in the Vienna Bone and Soft Tissue Tumor Registry. Of these, 691 patients suffered from osteosar-coma and 243 from Ewing’s sarcoma. A to-tal of 513 patients were <18 years of age (54.4%). Since 1987, 71 patients have been treated with growing prostheses: 13 patients died of disease, and 44 patients reached ma-turity. The overall 5- and 10-year survival were 84% and 77%, respectively. The pa-tient group consisted of 26 girls and 18 boys, mean age at surgery 10±3 years. The diagno-sis was 34 osteosarcoma and 10 Ewing’s tu-mors. The patients had a mean of 4±3 elon-gation procedures to reach an elongation of 72.5±53.45 mm. The average elongation per procedure was 14.83±4.6 mm.

KeywordsLeg prosthesis · Osteosarcoma · Ewing sarcoma · Limb salvage · Bone growth

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Da bei diesem Prothesentyp die Flexion des Kniegelenks nach dem Auslösen des Schalters bei ca. 90° limitiert war, wur-de im Jahr 2000 ein neuer Prototyp der 2. Generation automatischer Wachstums-prothesen entwickelt („intercondylar

step less elonga tion module“; .Abb. 4), bei dem der Auslöser der Verlängerung nicht durch einen Stössel, sondern durch eine nockenwellenförmige Konstruktion des tibialen Gelenkteils bei Flexion des Kniegelenks ausgelöst wurde. Von die-

ser Prototypprothese wurden 6 Stück im-plantiert.

Pafford-Lewis

Von dieser Prothese wurden an der Uni-versitätsklinik für Orthopädie in Wien die ersten 2 Stück implantiert. Sie stellt eben-so eine Spindelkonstruktion dar, die al-lerdings nicht in einem Gehäuse, sondern frei zu liegen kam.

Repiphysis

Die Repiphysis (Wright Medical Techno-logy, Inc; Arlington, Tennessee), ein in den USA beliebtes Prothesensystem, stellt eine automatische Wachstumsprothese dar, bei der in der Ausgangssituation eine Feder mit hoher Vorspannung im Prothe-senkörper implantiert ist. Verlängerungen

Abb. 1 9 Detail-schnittbild der mini-mal-invasiven Wachs-tumsprothese HMRS. (Mit freundlicher Ge-nehmigung der Fa. Stryker) Abb. 2 7 HMRS-Wachs-

tumsprothese: polierter tibialer Stiel. (Mit freund-licher Genehmigung der

Fa. Stryker)

Abb. 3 8 Schema der ersten automatischen Wachstumsprothese (Detailan-sicht). (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Stryker)

Abb. 4 8 Technische Detailansicht der automatischen Wachstumsprothese der 2. Generation. ISEM Intercondylar stepless elongation module. (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Stryker)

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Operative Techniken

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werden durch Erwärmen der Prothese in einer MR-Spule durchgeführt, bei der sich die Feder langsam ausdehnt und damit die Prothese verlängert. Anfänglich zeigte sich eine hohe Versagensrate dieser tech-nischen Lösung [7]. Eine rezente Studie [5] beschreibt das Versagen des Expan-sionsmechanismus in 3 von 16 Patienten.

Stanmore

Ebenfalls seit Beginn der 80er Jahre ist ein mechanisches Wachstumsprothesen-system konstruiert worden, bei dem ur-sprünglich die einzelnen Verlängerungs-schritte im Rahmen einer offenen Opera-tion unter Einfügen von C-förmigen Bei-lagscheiben realisiert wurde [8]. Mittler-weile gibt es auch für diese Prothese eine nichtinvasive automatische Variante. Die Arbeitsgruppe in Birmingham verfügt über hohe Fallzahlen von Wachstumspro-thesen dieses Typs [3].

MUTARS®-Implantcast

Aufbauend auf dem Münster Tumoren-doprothesensystem MUTARS® wurden 2 Varianten von nichtinvasiv verlänger-baren Endoprothesen entwickelt.

MUTARS® ExpandDiese Prothese (.Abb. 5) beinhaltet einen elektrischen Motor des Fitbone-Systems, der über einen subkutan im-plantierten Sensor von extern über eine Induktionsspule betätigt werden kann (.Abb. 6). Mit dieser Prothese sind vom Patienten individuell vorgegebene Verlän-gerungen möglich. Mit diesem Prothesen-system sind der proximale, der totale und der distale Femur sowie die proximale Ti-bia rekonstruierbar.

MUTARS® Bio Expand Diese erst seit kurzem im klinischen Ein-satz befindliche Prothese (.Abb. 7) ver-folgt die Idee, bei Verlängerung nicht die

Abb. 5 9 MUTARS® Xpand® Distales Femur, nichtinvasive Wachstums-prothese. (Mit freundli-cher Genehmigung der implantcast GmbH, Bux-tehude; entwickelt in Zu-sammenarbeit mit Wit-tenstein intens GmbH, Igersheim, basierend auf einer Idee von Prof. Dr. R. Baumgart, ZEM-Germa-ny, Zentrum für korrigie-rende und rekonstrukti-ve Extremitätenchirurgie, München, Deutschland)

Abb. 6 9 Verlänge-rung der MUTARS-Ex-pand perkutan mittels Induktionsstimulator

Abb. 7 8 Konzept der MUTARS®-Bio-Expand-Prothese, bei der mittels Osteodistraktion das Längenverhältnis von Prothese zu Knochen zu-gunsten des Knochens verbessert wird

Prothese selbst, sondern das betroffene Knochenkompartment zu verlängern. Damit soll das Längenverhältnis von Pro-these zu verbleibendem Knochen im Rah-men der Verlängerungen zu Gunsten des Knochens verändert werden. Auch die-ses Prothesensystem bedient sich der Fit-bone-Marknagelverlängerungstechno-logie. Verlängerungen werden erst bei Beinlängendifferenzen über 6 cm oder nach Wachstumsabschluss mittels Osteo-tomie und Knochendistraktion durchge-führt. Zwischenzeitlich müssen die Pa-tienten mittels Verkürzungsausgleich im Schuh versorgt werden. Klinische Erfah-rungen mit diesem System sind auf erste Fallbeobachtungen beschränkt. Eine Eva-luation an einem größeren Patientengut steht noch aus.

Anästhesie und Lagerung

FAllgemeinanästhesieFRückenlage, Bein mobil abgedecktFOptional steriles Waschen des

2. Beins falls eine Gefäß- oder Ner-venrekonstruktion geplant ist (zur Entnahme des Transplantats)

FPerioperative Antibiotikaprophylaxe

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Abb. 8 8 Planungszeichnung einer distalen Femurprothese. Vor der Implantation der Tumorprothese sollte die Hand zur Bestimmung des Knochenalters geröntgt werden. Daraus kann eine Wachstumsprognose für das distale Femur erstellt und die Planungszeichnung vorgenommen werden. Die Resektion des Tumors sollte im Sinne einer weiten Resektion durchge-führt werden. Hierfür müssen die allgemeinen Richtlinien einer onkologisch adäquaten Tumorresektion „weit im Gesunden“ (Enneking) eingehalten werden (nach [1]). Nach Absetzen des Tumors und Abgabe des Präparats wird zur Dokumentation das Präparat geröntgt, bevor es zur histologischen Aufarbeitung abgegeben wird. Nach ausgiebiger Spülung, Blutstillung und Wechsel der Handschuhe des gesamten Operationsteams erfolgt die Implantation der vorhergesehenen Prothese

Abb. 9 9 Fallbeispiel eines 11 1/2-jährigen Buben mit einem Osteosarkom des distalen Femur links und Behandlung mit einer maß-gefertigten Wachstums-prothese (Stanmore Im-plants®). Präoperatives Röntgen a.-p. und seitlich (a, b), Ganzbeinröntgen im Stehen zur Beinlängenbe-stimmung (c) sowie prä-operative Magnetresonanz-tomographie (MRT, d)

Operationstechnik

(.Abb. 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22)

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Operative Techniken

Page 7: Wachstumsprothesen zur Rekonstruktion von Defekten der unteren Extremitäten beim Kind; Growing prostheses for reconstruction of lower limb defects in children;

Abb. 11 9 Bestim-mung der präoperativ am MRT geplanten Re-sektionshöhe des dis-talen Femur

Abb. 12 8 Klinisches Bild des distalen Femur-resektats

Abb. 13 9 Röntgenbild des distalen Femurre-sektats

Abb. 10 9 Operativer Zugangsweg mit spin-delförmiger Exzision des Biopsietrakts

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Abb. 15 8 Fräsen des femoralen Markraums und Einbringen der zement-freien Femurprothese mit Hydroxyappatitkragen (die Plastikklemme dient der Sicherung des Teleskopmechanismus während der Implantation)

Abb. 16 8 Intraoperativer Situs nach Implantation

Abb. 14 8 Präparation des Tibiaplateaus und Implantation eines glatten Tibiastiels mit zementiertem Polyethylenplateau

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Operative Techniken

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Abb. 17 8 Postoperatives Röntgen nach Implantation

Abb. 18 8 Fallbeispiel eines 11-jährigen Mädchens mit einem Osteosarkom des distalen Femur links und Behandlung mit einer maßgefertigten Wachs-tumsprothese (Stryker®). Präoperatives Röntgen a.-p. (a) und seitlich (b)

Abb. 19 8 Postoperatives Röntgen nach Implantation der manuellen Wachstumsprothese mit nicht ausgedrehtem Mechanismus

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Abb. 22 8 Klinisches Bild der Funktion der unteren Extremität links

Abb. 20 8 Röntgen nach Wachstumsabschluss und mehrfachen Verlänge-rungseingriffen mit nunmehr voll ausgedrehter Prothese und ausgegliche-ner Beinlänge der Patientin im 18. Lebensjahr

Abb. 21 8 Klinisches Bild der Kniegelenksbeweglichkeit links. a Volle Streckung gegen die Schwerkraft. b Fexion des Kniegelenks von 100°

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Postoperative Behandlung

FSteriler VerbandFEntfernung der Drainagen frühes-

tens ab dem 2. postoperativen Tag bzw. unter einer Sekretionsmenge von 30 ml

FEntfernung der Hautnähte oder Klammern am 14. postoperativen Tag

FTragen von Kompressionsstrümpfen und Thromboseprophylaxe bis zur vollen Mobilisierung

FSofortige Krankengymnastik und Ge-lenksmobilisierung ab Drainageent-fernung, CPM bis zur Erlangung von 90°-Knieflexion. Bei Rekonstruktion der proximalen Tibia erfolgt i. d. R. eine gleichzeitige Rekonstruktion des Streckapparats mittels medialem Gastrocnemiusschwenklappen oder zusätzlicher textiler Implantate. In diesem Fall ist eine Streckstellung des Beins in einer gesperrten Schiene für 6 Wochen vorgesehen, danach kann die Beugung schrittweise forciert wer-den. Nach Erreichen von 90°-Flexion kann die Schiene/Orthese abgenom-men werden.

FWeitere geplante Operationen: Ver-längerungsoperationen, Narben-schlauchresektion, Wechsel von Ge-lenkteilen wegen Abriebs

Fehler, Gefahren, Komplikationen

FLockerung der knöchernen Prothe-senverankerungen, Dislokation von Prothesenteilen

FReduzierte ROM („range of motion“) bei einer Ausbildung eines Narben-schlauchs um die Prothese: Resektion des Narbenschlauchs bei der nächsten Verlängerung

FTiefe Wundinfektion/Prothesenin-fekt: Frühzeitige Prothesenexplanta-tion, Implantation eines (antibiotika-beladenen) Zement-Spacers, mindes-tens 6-wöchige Antibiotikagabe ent-sprechend des Antibiogramms der explantierten Prothese, Replantation einer Wachstumsprothese nach min-destens 2-wöchiger Antibiotikapause, negativem CRP und Ausschluss einer floriden Entzündung im intraoperati-vem Gefrierschnitt

FImplantatversagen: Bei kleinen Kin-dern müssen oft sehr dünne Prothe-senverankerungen implantiert wer-den, die bei entsprechendem Wachs-tum und Gewichtszunahme des Pa-tienten brechen können.

FKnochenfrakturen: Remodellingvor-gänge im Bereich der Prothesenver-ankerung und Stress-Shielding kön-nen zu periprothetischen Frakturen führen, die durch geeignete Osteo-syntheseverfahren oder auch durch Wechsel der Prothesenverankerung behandelt werden müssen.

FWachstumskalkulation: Frühere Stu-dien zeigten, dass das prognostizier-te Längenwachstum auf Grund von Chemotherapie und intermittieren-den Erkrankungen bis zu 20% verän-dert werden kann [2]. Um definitive Beinlängendifferenzen zu vermeiden, werden einerseits Verlängerungsein-griffe adaptiv nach Bedarf durchge-führt, andererseits definitive Verlän-gerungsoperation (Knochendistrak-tion) auch erst nach Wachstumsab-schluss durchgeführt.

FKnochenmodulation während des Wachstums: Das kindliche wachsen-de Skelettsystem unterliegt nicht nur dem Wachstum, sondern insgesamt einer ständigen Modulation des Kno-chenlängen- und -breitenwachstums. Intramedulläre Stielverankerungen, die zum Zeitpunkt der Primärimplan-tation aufgrund des kleinen Durch-messers der Röhrenknochen sehr dünn gewählt werden mussten, kön-nen im späteren Verlauf durch Bruch, Lockerung oder Auswandern aus dem Knochen eine Revisionsindika-tion darstellen. Darüber hinaus unter-liegt das kindliche Skelettsystem einer oft dramatischen Kortikalisatrophie (Stress-Shielding).

Ergebnisse

Seit 1969 sind mehr als 8632 Patienten im Wiener Kochen- und Weichteilregis-ter aufgenommen worden. Davon hat-ten 691 Patienten ein Osteosarkom und 243 ein Ewing-Sarkom. Insgesamt 513 aus dieser Gruppe waren unter 18 Jahren alt (54,4%). Seit 1987 wurden 71 Patienten mit einer Wachstumsprothese versorgt,

13 starben, 44 sind derzeit ausgewachsen. Die 5-Jahres-Überlebensrate lag bei 84%, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 77%. Die Patientengruppe bestand aus 26 Mädchen und 18 Jungen mit einem mittleren Alter von 10±3 Jahren (Mittelwert ± Standard-abweichung). Zur Nachuntersuchung wurde der MSTS-Score (Musculoskele-tal Society Tumour Score) herangezogen.

Die Patienten hatten im Schnitt 4±3 Verlängerungsoperationen, um eine Verlängerung von 72,5±53,45 mm zu erreichen. Die durchschnittliche Ver-längerung pro Eingriff betrug hier-bei 14,83±4,6 mm. Insgesamt 3±3 Kom-plikationsoperationen wurden pro Pa-tient durchgeführt. Die verbliebene Beinlängendifferenz überschritt bei kei-nem Patienten 10 mm. Im MSTS er-reichten die Patienten durchschnittlich 86,64±16,23 Punkte.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. DominkusUniversitätsklinik für Orthopädie, Medizinische Universität Wien, AKH WienWähringer Gürtel 18–20, 1090 WienÖ[email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

1. Dominkus M et al (2001) Operative Behandlung von Knochentumoren. In: Wirth CJ (Hrsg) Praxis der Orthopädie, Bd II, Thieme, Stuttgart, S 3–20

2. Dominkus M et al (2001) Growth prediction in ex-tendable tumour prostheses in children. Clin Ort-hop Relat Res 390:212–220

3. Grimer RJ et al (2000) Extendible replacements of the proximal tibia for bone tumours. J Bone Joint Surg Br 82(2):255–260

4. Kotz RI et al (2000) A self-extending paediatric leg implant. Nature 406(6792):143–144

5. Maheshwari AV et al (2011) Modes of failu-re of custom expandable repiphysis prosthe-ses: a report of three cases. J Bone Joint Surg Am 93(13):e72

6. Schiller C et al (1995) Extendable tumour endopro-stheses for the leg in children. J Bone Joint Surg Br 77(4):608–614

7. Saghieh S et al (2010) Seven-year experience of using repiphysis expandable prosthesis in chil-dren with bone tumors. Pediatr Blood Cancer 55(3):457–463

8. Unwinn P (2008) The Stanmore experience in gro-wing prostheses, lecture at the International Col-lege of Surgeons World Congress, Vienna, Austria, 3–6 Dec 2008

245Operative Orthopädie und Traumatologie 3 · 2012  | 

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