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W Britischer Vorstoß auf Berlin - busmagazin.de · Technik Fahrzeugvorstellung Wie es sich gehört...

Date post: 18-Aug-2019
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Technik Fahrzeugvorstellung W ie es sich gehört war passend zur Präsenta- tion der neuen Deutschland- aktivitäten von ADL auch das Wetter typisch britisch – nasskalt. Wie wichtig dem Weltmarktführer im Doppel- deckerbau die Angelegenheit ist, zeigte sich schon an der Wahl des Premierenorts, der repräsentativen britischen Botschaft in Nachbarschaft zum Hotel Adlon Kempinski und nahe dem Brandenbur- ger Tor in Berlin. Unter dem im Wind flatternden riesigen Union Jack war ein Enviro 500 geparkt – in seiner Erscheinungsweise unver- kennbar und eigentlich für den amerikanischen Markt bestimmt. Warum dieser Aufwand? Nun, unter den ca. 1 300 eige- nen Einheiten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind nicht weniger als 416 MAN Lion’s City DD, Typbezeich- nung ND 313/ND 320 (A39). Sie wurden zwischen 2005 und 2010 angeschafft, und die Dienstzeit der ältesten Exemplare neigt sich somit dem Ende zu. Geht man von Stückpreisen von 320 000 pro Doppeldecker aus, be- trägt das Investitionsvolumen in den nächsten Jahren 130 Mio. und mehr nur für den Ersatz der bisherigen Doppelstockbusse, ungeach- tet möglicher Ergänzungen unter der Flotte der beliebten Berliner Zweidecker-Institu- tionen in Gelb. Dafür kann man schon einmal eine GmbH gründen. Und womöglich kommen auch andere deutsche Städte auf den Geschmack. Dass die BVG den Wett- bewerb für einen neuen Dop- peldecker überhaupt eröffnet hat, liegt auch an der Unzu- friedenheit mit dem bisheri- gen Lieferanten, aus der sie keinen Hehl macht. Die Liste der technischen Defekte ist genauso ausufernd wie der TCO-Wert über den Erwar- tungen liegt. Das Fahrzeug ist zudem mit 13,73 m zu lang und schwerfällig. „Wir neigen dazu, uns an den weltweiten Trend anzu- passen, der zu kleineren Doppelstock- bussen geht“, betont Martin Koller, BVG-Bereichsleiter Bus. „Das ist gleichzeitig sicher auch eine Preisfrage.“ Auf der anderen Seite steigen allerdings auch im Berliner ÖPNV Fahrgastvolumen und Auslastung, so dass mög- lichst große Gefäßgrößen erwünscht sind. Während der A39 rein rechnerisch 126 und realistisch ca. 110 Fahr- gäste auf - nehmen kann, müssen bei den neuen Bewerbern Abstriche bei der Passagierzahl gemacht wer- den: Während im 10,94 m langen Scania Citywide LFDD nur 89 Fahrgäste mit- fahren können, sind es im 11,40 m langen VDL Citea DLF 114 immerhin 97. Diese Zahlen schlägt der genau 12 931 mm lange Enviro 500 locker. Trotz eines knappen Meters weniger an Länge als der MAN-Doppel- decker kann das Flaggschiff des schottischen Herstellers fast genauso viele Fahrgäste befördern, nämlich 116. Damit haben die Briten einen echten Trumpf im Ärmel. 8 BUSMAGAZIN 3/2016 Alexander Dennis Britischer Vorstoß auf Berlin Nein, unser Titel ist nicht dem Heeresbericht der letzten Weltkriegstage entnommen. Gemeint sein soll stattdessen das Ansinnen von Alexander Dennis Ltd (ADL), als dritter Hersteller neben Scania und VDL die mögliche Nachfolge von MAN bei der künftigen Neubeschaffung von Doppelstock- bussen in Berlin anzutreten. Wenn auch die Vorstellung von Testbus und Vorhaben durchaus auf historischem Boden stattfand. Der Trend geht zu kleineren Doppeldeckern
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Technik Fahrzeugvorstellung

Wie es sich gehört warpassend zur Präsenta-

tion der neuen Deutschland -aktivitäten von ADL auch das Wetter typisch britisch –nasskalt. Wie wichtig demWeltmarktführer im Doppel-deckerbau die Angelegenheitist, zeigte sich schon an derWahl des Premierenorts, derrepräsentativen britischenBotschaft in Nachbarschaftzum Hotel Adlon Kempinskiund nahe dem Brandenbur-ger Tor in Berlin. Unter dem im Wind flatternden riesigen Union Jack war einEnviro 500 geparkt – in seinerErscheinungsweise unver-kennbar und eigentlich fürden amerikanischen Marktbestimmt.Warum dieser Aufwand?Nun, unter den ca. 1 300 eige-nen Einheiten der BerlinerVerkehrsbetriebe (BVG) sindnicht weniger als 416 MANLion’s City DD, Typbezeich-nung ND 313/ND 320 (A39).Sie wurden zwischen 2005und 2010 angeschafft, unddie Dienstzeit der ältestenExemplare neigt sich somitdem Ende zu. Geht man vonStückpreisen von 320 000 €pro Doppeldecker aus, be -trägt das Investitionsvolumenin den nächsten Jahren 130 Mio. € und mehr nur für den Ersatz der bisherigenDoppelstockbusse, ungeach-tet möglicher Ergänzungenunter der Flotte der beliebtenBerliner Zweidecker-Institu-tionen in Gelb. Dafür kannman schon einmal eine GmbHgründen. Und womöglichkommen auch andere deutsche Städte auf denGeschmack.Dass die BVG den Wett -bewerb für einen neuen Dop-peldecker überhaupt eröffnethat, liegt auch an der Unzu-friedenheit mit dem bisheri-gen Lieferanten, aus der siekeinen Hehl macht. Die Listeder technischen Defekte istgenauso ausufernd wie derTCO-Wert über den Erwar-

tungen liegt. Das Fahrzeugist zudem mit 13,73 m zulang und schwerfällig. „Wir neigen dazu, uns an den weltweiten Trend anzu-passen, der zukleinerenDoppelstock-bussen geht“,betont MartinKoller, BVG-BereichsleiterBus. „Das ist gleichzeitigsicher auch eine Preisfrage.“Auf der anderen Seite steigenallerdings auch im Berliner

ÖPNV Fahrgastvolumen undAuslastung, so dass mög-lichst große Gefäßgrößenerwünscht sind. Währendder A39 rein rechnerisch

126 und realistisch ca. 110 Fahr-gäste auf -nehmen

kann, müssen bei den neuenBewerbern Abstriche bei derPassagierzahl gemacht wer-den: Während im 10,94 mlangen Scania Citywide

LFDD nur 89 Fahrgäste mit-fahren können, sind es im11,40 m langen VDL CiteaDLF 114 immerhin 97.Diese Zahlen schlägt dergenau 12 931 mm langeEnviro 500 locker. Trotz einesknappen Meters weniger anLänge als der MAN-Doppel-decker kann das Flaggschiffdes schottischen Herstellersfast genauso viele Fahrgästebefördern, nämlich 116.Damit haben die Briten einenechten Trumpf im Ärmel.

8 BUSMAGAZIN 3/2016

A l e x a n d e r D e n n i s

Britischer Vorstoß auf BerlinNein, unser Titel ist nicht dem Heeresbericht der letzten Weltkriegstage

entnommen. Gemeint sein soll stattdessen das Ansinnen von Alexander

Dennis Ltd (ADL), als dritter Hersteller neben Scania und VDL die mögliche

Nachfolge von MAN bei der künftigen Neubeschaffung von Doppelstock-

bussen in Berlin anzutreten. Wenn auch die Vorstellung von Testbus und

Vorhaben durchaus auf historischem Boden stattfand.

Der Trend geht zu kleineren

Doppeldeckern

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sind nur Zweiachser vomTyp Enviro 400 üblich. EinRechtslenker wäre somitschon aus rechtlichen Grün-den ein No-Go gewesen.Zudem hätte man währenddes sechswöchigen Tests im Oktober und Novemberkeine Haltestelle anfahrenkönnen. Statt der elektronischen Tafelam Aufstieg zur Sitzplatz -belegung im Oberdeck wiebei den Mitbewerbern gibt es an ähnlicher Stelle imEnviro 500 ein per Kameraeingefangenes Monitorbildvom Oberdeck – eine interes-sante Lösung, die aber vonder BVG nicht unbedingtfavorisiert werden muss.Aber natürlich weiß man

im BerlinerVerkehrs -unternehmen,dass ADLseine Doppel -decker flexi-

bel je nach Geschmack aufdem Zielmarkt entsprechendim Innen- wie Außendesignanpasst und ausstattet.Einen Knackpunkt könntenauch Sitzplatzanzahl undTreppenaufgänge darstellen.Während der dreitürigeMAN satte 55 Sitze im Ober-und 45 im Unterdeck auf-weist, kommt der zweitürigeEnviro 500 total auf lediglich78, davon 49 im Oberdeck.Diese Zahl ist bei genaueremHingucken besonders interes -sant. Denn ab 50 Sitzplätzenim oberen Deck wird nachEU-Norm zwingend einezweite Treppe nötig. Diekann sich der Vorführersomit wie die Scania- undVDL-Modelle sparen.Stellt sich lediglich die Frage,wie sehr die BVG der zweiteAufstieg im Sinne des Fahr-gastflusses lieb geworden ist.Bei Zweifeln hilft ihr dabei

Doch der ADL-Vorführerbringt auch einige offene Fragen mit. Während dieWettbewerber aus den Nieder -landen und Schweden, derenFahrzeuge im einjährigenDauertest in Berlin laufen,nicht nur im BVG-Gelblackierte Fahrzeuge an denStart gehen ließen, sondernauch vom Euro-6-Antrieb bis zum mitteleuropäischemLook und standardisierterAusstattung alles Nötige mitbrachten, ist der Enviro-500-Vorführer gewöhnungs-bedürftig. Das beginnt mit den mäch -tigen, typisch amerikanischenStoßfängern und geht imInnern über den dunklenHeckbereich und AufstiegmangelsScheiben –wie jenseitsdes großenTeichs üblich– bis hin zumkargen Cockpit mit wenigs -tens deutschen Beschriftun-gen. Als Vorführer war einFahrzeug für den amerikani-schen Markt schon deswegenbestimmt worden, da dieADL-Doppeldecker an - sonsten überwiegend in

Länder mit Linksverkehr wie Hongkong,

Singapur, Malaysia,Australien und

Neuseelandgehen – im

heimischenGroßbri-

tannienselber

Die Frage ist, ob es künftigeine oder zwei Treppen inden BVG-Doppeldeckern

geben wird

t Der Enviro 500 vor derschwer bewachten britischenBotschaft in Berlin mit dem Hotel Adlon direkt dahinter

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Technik Fahrzeugvorstellung

vielleicht ein Blick in die eige-nen Annalen, denn die zweiteTreppe gibt es in ihren Dop-pelstockbussen erst seit 1978.Womöglich ist den BerlinerVerkehrsbetrieben eine gerin-gere Anzahl von Sitzplätzenim Oberdeck durchaus recht,berichtet Martin Koller dochvon fortwährenden Proble-men bei der Auslastung desoberen Sitzbereichs. Als Doppeldeckerspezialist kannADL aber natürlich problem-los eine Variante mit zweiAufstiegen realisieren.Neben der Länge spielt auchdie Höhe keine unwichtigeRolle. Denn die 4 115 mm desEnviro 500 würden ihn aufeinigen BVG-Linien bereitsauf Konfrontationskurs mitso mancher Brücke bringen.Auf die Zentimeter kommt eshier an: So ist der aktuell ein-gesetzte A39 maximal 4,06 mhoch. Das legt die Vermutungnahe, dass dem schottischenDreiachser während dermehrwöchigen Testphase auf der speziell ausgesuchtenExpressbuslinie X34 vomBahnhof Zoo zur KaserneHottengrund keine beson-ders niedrigen Brücken imWeg gewesen sind. Hier trater im direkten Vergleich angegen die Konkurrenten von Scania und VDL. Dabei

muss ten in jeder Fahrtrich-tung 31 Haltestellen bedientwerden. Auch in SachenHöhe kann ADL allerdingsschnell für Abhilfe sorgen,hat der Busbauer doch bei-spielsweisedie SuperLo- Variante mit3,90 m im Sortiment.Was die Moto-risierung an geht, so dürfteder Enviro 500 im flachenBerlin kaum Probleme haben.Die 283 kW/384 PS des 8,9-l-Sechszylinders CumminsISL9 8.9L mit 1 696 Nm max.Drehmoment sowie AGR,SCR und DPF sollten mehrals ausreichend sein.

Mit der optionalen, 240 kW/326 PS starken Variante mit 1 493 Nm max. Drehmomentgeht es auch noch eine Num-mer kleiner. Aber selbst diezeigt sich leistungsstärker alsdas Triebwerk D2866 LUH (228 kW/310 PS) der bis 2007ausgelieferten MAN-Doppel-decker. Allerdings ist dasCummins-Aggregat nachdem US-EmissionsstandardEPA2013 zertifiziert, nichtnach der Euro-Norm, was die Vergleichbarkeit ebenfallserschwert.Trotz solcher, in mancherHinsicht hinderlichen Detailsdürfte Alexander Dennis guteKarten im Poker um diekünftige Doppeldeckerflottein Berlin haben. Dessen Pro-dukt Enviro 500 ist ausge-reift, seit 2002 im Einsatz undseit 2012 im aktuellen Modellverfügbar. Alleine in diesemJahr werden die Schotten bei

einemUmsatz vonannähernd600 Mio. britischenPfund (ca.

850 Mio. €) rund 2 600 Ein-heiten – vorwiegend Doppelstockbusse – bauenund verkaufen. Ihre Exportquote haben sieseit der Fusion der beidenbritischen TraditionsfirmenAlexander und Dennis imJahr 2001 – seit 2004 firmiert

man auch unter dem heutigenNamen – sukzessive erhöht.Der internationale Umsatzliegt heute nur noch knapphinter den Erlösen auf demheimischen Markt. Alleine900 Doppeldecker wurdenund werden in diesem Jahrnach Hongkong geliefert,was einem dortigen Markt -anteil von 80 % entspricht.Auch wenn ein möglichesGeschäft mit der BVG noch inden Sternen steht, so hat ADLeinen ersten Deal in Konti-nentaleuropa bereits getätigt.19 Enviro 500 gehen ab dem

letzten Quartal 2016 an Post-Auto und werden anschlie -ßend von der Nummer 1unter den Schweizer Ver-kehrsunternehmen im RaumSt. Gallen eingesetzt. Undauch für die weitere Zukunftist der schottische Busbauergut aufgestellt: Geradewurde die strategische Part-nerschaft mit dem Elektro -buspionier BYD festgezurrt.Erster Effekt sind 51 knapp12 m lange Eindecker fürLondon auf Basis des Enviro200 mit jeweils rein elektri-schem Antriebsstrang undFahrwerk der Chinesen. Weitere 200 Einheiten proJahr für den britischen Marktsollen folgen.

CB

10 BUSMAGAZIN 3/2016

p Das Wetter jedenfalls war schon einmal britisch: v. r. n. l. der neuebritische Botschafter in Berlin Sebastian Wood, BVG-BereichsleiterBus Martin Koller und ADL-CEO Colin Robertson bei der Vorstellung desTestbusses, der ins Rennen um eine mögliche MAN-Nachfolge geht

p Eine Heckverglasung sucht man auch im Oberdeck vergeblich, da diese auf dem amerikanischen Markt unüblich ist

p Typisch amerikanisch: der dunkle Aufstieg ohne jegliche Seitenverglasung

ADL ist gut für die Zukunft aufgestellt – auch dank der neuen Partnerschaft mit BYD

Foto

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