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Vorlesung Handelsrecht - jura.uni-augsburg.de · Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke ....

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Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke
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Page 1: Vorlesung Handelsrecht - jura.uni-augsburg.de · Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke . Literatur: Gesetzestext HGB und Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht Kindler,

Vorlesung Handelsrecht

Prof. Dr. Martina Benecke

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Literatur: Gesetzestext HGB und

• Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht Kindler, Peter. - 7. Aufl. - München : Beck, 2014 • Handelsrecht : [mit vielen Übersichten, Beispielen und Fällen] Jung, Peter. - 10. Aufl. - München : Beck, 2014 • Handelsrecht : mit Grundzügen des Wertpapierrechts ; [mit Fällen und

Aufbauschemata] Brox, Hans/Henssler, Martin - 21., neu bearb. Aufl. - München : Beck, 2011 (neu 2016) • Handelsrecht : mit UN-Kaufrecht [mit zusätzlichen Fällen und Lösungen

auf CD] Bitter, Georg/Schumacher, Florian 2. Aufl. – Vahlen 2015 • Grundzüge des Handelsrechts Klunzinger, Eugen. - 14., überarb. Aufl. - München : Vahlen, 2011 • Handelsrecht mit Gesellschaftsrecht Wörlen/Kokemoor, 12. Aufl. Vahlen 2015

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Handelsrecht in der Rechtspraxis:

Ihr Freund Franz (F) hat sein BWJ-Studium nach dem 2. Semester abgebrochen, um sich seiner Leidenschaft zu widmen und einen Laden für rare Jazz- und Rock-CD’s zu betreiben. Tatsächlich beginnt der Laden nach einiger Zeit zu florieren, er macht erhebliche Umsätze und muss auch bald den Gerhard (G) als Angestellten beschäftigen, um selbst noch in seiner Jazz-Band spielen zu können. F ist mit sich und der Welt zufrieden. Er meint, er hätte in den ersten zwei Semestern genug über Kauf-, Dienstverträge und Stellvertretung gelernt und habe nun keine unangenehmen Überraschungen mehr zu erwarten. Hat er Recht? 1. F bestellt bei der X-GmbH ein neues Ladenregal. Da viel zu tun ist, bleiben die unausgepackten Kisten zunächst vier Wochen stehen. Beim Auspacken stellt F fest, dass das Regal wackelt und etliche Schrauben fehlen. Er verlangt von der X Nacherfüllung nach §§ 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB. Rügeobliegenheit, § 377 I, II HGB. 2. Der G ist eines Morgens wegen des Genusses illegaler Rauschmittel am Vortag nicht ganz auf der Höhe. Er verkauft daher dem erfreuten Kunden K einige rare Stücke aus der Privatsammlung des F. F sucht K auf, teilt ihm mit, die Vertretungsmacht des G habe sich darauf nicht bezogen und verlangt nach § 812 I 1 1. Fall BGB die CD’s zurück. Scheinhandlungsvollmacht, § 56 HGB

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Struktur und Bedeutung des Handelsrechts

Sonderprivatrecht der Kaufleute: Handelsrecht knüpft subjektiv nicht an das Geschäft, sondern grundsätzlich (Ausnahmen!) an die Kaufmannseigenschaft an Kaufmannsbegriff in § 1 ff. HGB Bedeutung des Handelsrechts: a. Rechtsvereinheitlichung b. Besonderer Bedarf: Schnelligkeit – Vertrauensschutz Rechtsgrundlagen a. HGB b. Handelsrechtliche Nebengesetze, z. B. Wechsel-, ScheckG c. Gewohnheitsrecht: im Handelsrecht kaum, aber: d. Handelsbräuche (§ 346 HGB): große Bedeutung in der Praxis e. AGB, vgl. § 310 I 1 BGB

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Kaufmannsbegriff - § 1 HGB 1. Betrieb eines Handelsgewerbes

a) Handelsgewerbe = offene, planmäßige, erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und selbständige Tätigkeit, die kein freier Beruf ist (s. auch §§ 1 II, 2 S. 1 HGB)

• offen = tritt nach außen in Erscheinung

• planmäßig = auf Dauer angelegt

• erlaubt (streitig) = nicht verboten

• auf Gewinnerzielung gerichtet – tatsächlicher Gewinn egal. Bei Privaten zu vermuten, bei öff. Hand nicht

• selbständig

• kein freier Beruf (hist. Gründe)

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Kaufmannsbegriff - § 1 HGB 1. Betrieb eines Handelsgewerbes

b) Betrieb = Gewerbe muss selbst betrieben werden, Geschäfte müssen für und gegen den Kaufmann wirken. • nicht Verwaltung fremden Vermögens • nicht entscheidend, auf wessen Rechnung gehandelt

wird oder mit wessen Mitteln gehandelt • unerheblich außerdem: Ausbildung, Geschäftsfähigkeit,

Familienstand (in den 50ern Einschränkungen für Ehefrauen!), Verfügungsbefugnis (bei Insolvenz), ör Gewerbeerlaubnis; Gewerbe (anders vor 1998!)

• Bei Mischtätigkeit: Überwiegendes Gewerbe • Beginn: Aufnahme der Geschäftstätigkeit

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Kaufmannsbegriff

2. Istkaufmann und Kannkaufmann a. Istkaufmann: Gewerbe erfordert in kaufmännischer

Weise eingerichteten Betrieb, § 1 II HGB; Eintragung ins HReg nur deklaratorisch

b. Kannkaufmann • Kleingewerbetreibender, § 2 HGB • Land- und Forstwirt, § 3 HGB 3. Handelsgesellschaften als Kaufleute a. AG, GmbH: § 6 II HGB – Formkaufleute b. OHG, KG: § 6 I HGB

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Die Bürgschaft

Der Hochstapler Krull arbeitet in einem Grandhotel als Nachtportier. In seinem umfangreichen

Bekanntenkreis behauptet er indes, das Hotel gehöre ihm („und das ist nicht das einzige“). Eines Tages tritt sein Freund Frido sichtlich verlegen an ihn heran. Er benötigt dringend einen Kredit, dem die Firma

Shark GmbH ihm nur geben möchte, wenn er einen solventen Bürgen beibringen kann. K begleitet F in

die Geschäftsräume der Shark und erklärt dem Geschäftsführer gegenüber, er, der „Hotelier“ K verbürge sich für den Kredit des F in Höhe von 10.000 €. Wie zu erwarten, wird K nach einiger Zeit aus der

Bürgschaft in Anspruch genommen. Mit Aussicht auf Erfolg?

§ 350 HGB: § 766 BGB gilt nicht, formlose Bürgschaft wirksam, wenn K Kaufmann ist.

Variante: K hat, um seinen künftigen Schwiegervater zu beeindrucken, im Handelsregister eine

Eintragung als Betreiber eines Hotels erwirken lassen.

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1. Fiktivkaufmann, § 5 HGB

a) Sinn: Rechtsverkehr b) Fallgruppen: • Nichtkaufmann wird als Kaufmann angesehen • Beweiserleichterung bei Zweifeln • Gilt auch, wenn GBR statt OHG oder KG c) Voraussetzungen/Prüfungsschema • Eintrag im HReg • Gewerbe wird unter Firma betrieben (str., aber hM, da

Gesetzeswortlaut Gewerbe voraussetzt • Partei beruft sich auf Eintragung d) Folgen: Eintragung wirkt für und gegen alle, also auch zugunsten des Eingetragenen. Allerdings nur im Privatrecht, nach hM auch nicht im Deliktsrecht

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2. Scheinkaufmann

a) Quelle: Analogie zu §§ 171, 405, 409 BGB

b) Voraussetzungen

• jemand hat Rechtsschein gesetzt, Kfm. zu sein

• zurechenbar, d. h. selbst oder durch andere verschuldet

• Gutgläubigkeit des Dritten

• Rechtsschein für dessen Handeln ursächlich

c) Folgen: Rechtsschein wirkt nur zugunsten des Dritten und nur soweit er reicht

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Recht des Handelsregisters

1. Begriff • Öffentliches Verzeichnis (jedermann!) • Derjenigen Tatsachen, die für den Rechtsverkehr erheblich

sind (eintragungsfähige und eintragungspflichtige Tatsachen)

2. Eintragungsverfahren • Anmeldung in Form des § 12 I HGB • Ggf. Beugestrafen, § 14 HGB iVm § 132 ff. FGG • Ggf. Klage auf Eintragung der WE zur Eintragung • Im Verfahren Amtsermittlungsgrundsatz, § 12 FGG • Eintragung mit Veröffentlichung, §§ 10 f. HGB

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Rechtliche Bedeutung des Handelsregisters: § 15 HGB

Übersicht:

• § 15 II HGB: Handelsregister ist richtig

• § 15 I HGB: HReg ist unrichtig, weil etwas fehlt – negative Publizität

• § 15 III HGB: HReg ist unrichtig wegen falscher Bekanntmachung

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1. Negative Publizität, § 15 I HGB

a) Voraussetzungen: • Eintragungspflichtige Tatsache (z. B. Prokura, § 53 HGB), d. h. nicht

nur eintragungsfähige Tatsache • Auch Veränderung! • Tatsache nicht eingetragen oder (!) nicht bekannt gemacht • Dritter nimmt gutgläubig eine Rechtshandlung vor, für die guter

Glaube ursächlich ist. Nur beim rechtsgeschäftlichen Handeln! b) Folgen: • Wirkung nur zuungunsten des Eintragungspflichtigen • Und zugunsten des Dritten • Ggf. Wahlrecht zwischen eingetragener und wahrer Tatsache:

„Rosi e theorie“

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2. Richtige Eintragung, § 15 II HGB

a) Voraussetzungen: • auch eintragungsfähige Tatsachen • richtige Tatsache • eingetragen und bekanntgemacht • Dritter ist nicht bösgläubig (Beweislastumkehr!) • Schonfrist 15 Tage b) Folgen: • Wirkung zuungunsten des Dritten • Kann auch einem Rechtsschein widersprechen

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3. Falsche Bekanntmachung/Positive Publizität, § 15 Abs. 3 HGB

„Der Beka t a hu g ka a traue “

a) Voraussetzungen • einzutragende Tatsache • nach hM auch eintragungsfähige Tatsache, wenn falsch

bekanntgemacht • Tatsache unrichtig bekanntgemacht (Eintragung kann richtig sein!!!) • Guter Glaube, Ursächlichkeit (s.o.) b) Folgen • Dritter kann (Wahlrecht!) sich auf die falsch bekanntgemachte

Tatsache • Gegenüber (zuungunsten) demjenigen berufen, in dessen

Angelegenheiten sie einzutragen war • Str.: muss Antragsgegner Eintrag (durch Antrag) veranlasst haben?

HM ja.

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Der Pilzfreund

Die Grundstücksmaklerin K kauft am 5. 3. formwirksam ein Grundstück von der Y-GmbH. Ihr Verhandlungspartner ist G, der ihr mitgeteilt hat, Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter der Y-GmbH zu sein. Als K am 16. 5. Auflassung (Übereignung) des Grundstücks verlangt, teilt ihr X, der amtierende Geschäftsführer der Y-GmbH mit, G sei aufgrund des Genusses berauschender Pilze bereits seit dem vergangenen Winter an einer schizoiden Psychose erkrankt und unerkennbar geschäftsunfähig. Seit dem 1. 3. sei er nicht mehr Geschäftsführer der GmbH. K erwidert, es sei erst am 6.4. in das Handelsregister eingetragen worden, dass G nicht mehr Geschäftsführer ist. Kann K Auflassung verlangen? Variante: Was ist, wenn K inzwischen in Geldnöten ist und ihr die Unwirksamkeit des Grundstücksgeschäfts ganz recht wäre? (Fall sehr frei nach BGHZ 115, 78, s. Kindler, Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 19)

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Der Pilzfreund: zur Lösung

Anspruch auf Auflassung, § 433 II BGB, wenn Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist. 1. Vertretungsmacht des G, § 35 I GmbHG – G nicht mehr

Geschäftsführer 2. Aber: Eintragungspflichtige Tatsache gemäß § 39 GmbHG negative Publizität § 15 I HGB 1. Variante: nach hM Rosinentheorie, d.h. der Dritte hat ein

Wahlrecht zwischen der sich aus dem Handelsregister ergebenden und der wahren Rechtslage

2. aber: Geschäftsunfähigkeit gemäß § 105 I BGB nicht eintragungspflichtig, § 15 I HGB gilt nicht

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Der gekränkte Prokurist

P war seit 10 Jahren Prokurist des exklusiven Golf-Pro-Shops des Kaufmanns K, allerdings war die Prokura nie ins Handelsregister eingetragen worden. Nachdem P einen Golfkurs in den USA gemacht hat, hat sich sein Spiel so erheblich verbessert, dass er den K mehrmals besiegt. Das Verhältnis von beiden verschlechtert sich zusehends und endet damit, dass K dem P am 23. 3. die Prokura entzieht. Auch das wird nicht ins Handelsregister eingetragen. P ist schwer gekränkt und beschließt, sich zu rächen. Bei der Hausbank B des K, wo er persönlich bekannt ist, nimmt er mehrere kleine Kredite auf. K fällt aus allen Wolken, als B ihn im Juni auf Rückzahlung in Anspruch nimmt.

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Der gekränkte Prokurist

Anspruch der B gegen K aus § 488 I 2 BGB? Anspruch gegeben, wenn P den K wirksam

vertreten hat. 1. Prokura wirksam erteilt? • Eintragungspflichtig nach § 53 HGB, • aber § 15 I HGB: Wirkung nur zuungunsten des

Eintragungspflichtigen 2. Prokura wirksam widerrufen? • § 15 I HGB: Eintragungspflichtiger kann sich nicht

auf Erlöschen der Prokura berufen

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Der gekränkte Prokurist - Fortsetzung

K, nun klug geworden, lässt am 30. Juni das Erlöschen der Prokura eintragen und bekanntmachen und macht sich auf die Suche nach P. Zuletzt hat man diesen am 22. Juli im Reisebüro des R gesehen, wo er namens des K ein Flugticket nach Argentinien löste. R verlangt bei dieser Gelegenheit von K Bezahlung nicht nur dieses Flugtickets, sondern auch etlicher kleinerer Reisen, die P seit dem Sommer unternommen hat. Er sagt, P sei ihm persönlich bekannt gewesen und habe schließlich auch früher die Reisen zu Golfturnieren bei ihm gebucht. Anspruch R gegen K aus § 433 II BGB? 1. Reisen vor dem 30. Juni: wie oben • Reise bis zum 15. Juli (Fristbeginn vgl. § 187 I BGB) • Schonfrist § 15 II 2 HGB 2. Reise nach Argentinien? • Schonfrist abgelaufen • Anscheinsvollmacht? § 15 II HGB geht als lex specialis vor • Ausnahme: Aus Geschäftsbeziehung ergibt sich Pflicht, den Dritten auf

Veränderungen hinzuweisen. Hier wohl noch nicht

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Handelsfirma

a) Def. § 17 HGB • Name einer Person, also nicht Person selbst (nat. oder jur.) • Kaufmann selbst ist Träger des Namens, nicht sein

Unternehmen • Nur Kaufleute, Einzel- oder Handelsgesellschaft • Nur im Handelsverkehr zu benutzen b) Abgrenzung: Geschäftsbezeichnungen (Pow Wow Cafe), Firmenabkürzungen (MAN), Marken (Jacobs Krönung) c) Firmenschutz: • Missbrauchsverfahren, § 37 I HGB • Unterlassungsanspruch, § 37 II HGB

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Grundsätze des Firmenrechts

1. Firmenwahrheit, § 18 HGB

2. Firmenbeständigkeit auch bei Wechsel des Inhabers (vgl. §§ 21 ff HGB); Gesellschaftsform darf nicht irreführend angegeben werden

3. Firmenausschließlichkeit, § 30 HGB

4. Firmeneinheit: Ein Kaufmann darf nur eine Firma führen

5. Firmenöffentlichkeit: Eintragung im Handelsregister

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§§ 21ff. HGB

• Fortführung bei Namensänderung, § 21 HGB – Bloße Namensänderung des Geschäftsinhabers oder eines

Gesellschafters ohne den Wechsel in der Person

• Fortführung bei Erwerb des Handelsgeschäfts, § 22 HGB – Wechsel in der Person des Unternehmensträgers

• Fortführung bei Änderungen im Gesellschafterbestand, § 24 HGB – Aufnahme als Gesellschafter in ein Handelsgeschäft – Eintritt als Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft – Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Handelsgesellschaft

• § 23 HGB: „Die Fir a ka icht oh e das Ha delsgeschäft, für elches sie geführt ird, eräußert erde .“

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Unternehmenserwerb:

a) Unternehmenskauf

• Kaufgegenstand ist das gesamte Unternehmen, die Verfügungsgeschäfte betreffen jeden Vermögensgegenstand einzeln (Spezialitätsprinzip)

• Asset Deal = Erwerb der Wirtschaftsgüter

• Share Deal = Erwerb der Anteile

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Unternehmenserwerb

b) Haftungsrechtliche Folgen

• § 25 I 1 HGB: Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung

• Zweck: Schutz des Rechtsverkehrs BGH: „Ko ti uität des U ter eh e s tritt dur h Firmenfortführung nach auße i Ers hei u g“ • Schuldenhaftung: Erwerber haftet für alle im Betrieb

des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten – Haftung mit gesamtem Vermögen – Kenntnis des Erwerbers unerheblich

• § 26 I 1 HGB: Früherer Inhaber bleibt daneben auch verpflichtet (zeitliche Begrenzung der Haftung)

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§ 25 HGB - Besonderheiten

• Abweichende Vereinbarung möglich, § 25 II HGB

– Eintragung ins HReg und Bekanntmachung oder

– Mitteilung an Dritten

• Ohne Firmenfortführung: Erfordernis eines besonderen Verpflichtungsgrundes, § 25 III HGB

• Forderungsübergang: § 25 I 2 HGB (Fiktion) Vorrang der tatsächlichen Übertragung

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Unternehmenserwerb – weitere Formen a) § 27 HGB: Haftung des Erben bei Geschäftsfortführung

– Bürgerlich-rechtliche Erbenhaftung nach §§ 1967ff. BGB

– Voraussetzungen:

• Ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft

• Erwerb durch Erbschaft (-) bei Ausschlagung der Erbschaft nach § 1953 I BGB

• Fortführung des Handelsgeschäfts durch Erben

• Fortführung unter der bisherigen Firma (Rechtsgrundverweisung in § 25 I 1 HGB)

• Keine Einstellung der Fortführung (Frist: innerhalb von drei Monaten nach Anfall der Erbschaft), § 27 II 1 HGB

• Kein Ausschluss nach § 25 II HGB

– Rechtsfolge:

• Haftung des Erben wie des Erwerbers für Altverbindlichkeiten nach § 25 HGB

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Unternehmenserwerb – weitere Formen

b) § 28 HGB: Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns • Entstehung einer Gesellschaft • Keine Firmenfortführung erforderlich • Schuldenhaftung: Gesellschaft haftet für alle im Betrieb

des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten Gesetzlicher Schuldbeitritt

• Daneben Gesellschafterhaftung nach OHG-/KG-Recht • Forderungsübergang: § 28 I 2 HGB • Abweichende Vereinbarung möglich, § 28 II HGB • Früherer Geschäftsinhaber wird Kommanditist, § 28 III 1

HGB – Haftung nach § 26 HGB – Fristbeginn: Eintragung der Gesellschaft ins HReg

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Down Under

A) Obwohl „der Lade ru t“ ist kei er der Tö hter des Kauf a es Viktor Vollmer (V) bereit, dessen eingeführtes Beerdigungsunternehmen zu übernehmen. V sucht daher nach einem Käufer und findet einen Interessenten in Gestalt des Diplomkaufmanns Klaus Krämer (K). K ist über das Geschäft in mehrfacher Hinsicht unsicher. Er ruft seinen Freund Franz an, einen erfolgreichen Diplomwirtschaftsjuristen, den er im Studium kennengelernt hat, und fragt ihn: 1. Soll er das Ges häft u ter der Fir a „Voll er Bestattu ge “ fortführe ?

Ih s h e t ehr ei e Bezei h u g ie „Ce ter Do Under“ or. 2. Wie soll der Kauf vertraglich geregelt werden? Muss ein gesonderter

Vertrag über die Firma geschlossen werden? 3. V hat ihm laut Kaufvertrag einen bestimmten Mindestumsatz garantiert.

Wonach richtet sich die Haftung, wenn aufgrund des Rauchverbots die Sterbezahlen zurückgehen und dieser sich nicht erreichen lässt?

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Down Under - Fortsetzung

B) F überredet K zur Übernahme der Firma. Nun steht er plötzlich einer Forderung des Holzlieferanten L GmbH in Höhe von 80.000 € gegenüber, die bereits vier Monate vor dem Kauf entstanden war und von der V wohlweislich nichts gesagt hatte. V lebt inzwischen unter unbekannter Adresse in der Karibik. K wendet sich erneut an F: 1. Muss K zahlen? 2. Kann K sich an die Tochter Trude des V wenden, die in dessen Haus

lebt? 3. Kann K sich zumindest an den Schmitt wenden, der die aufwendige

Beerdigung seines Großvaters noch nicht bezahlt hat, auch wenn V noch diese durchgeführt und die Rechnung geschrieben hat?

C) K hat nun deutliche finanzielle Schwierigkeiten. Da erfährt er, dass sein reicher Onkel Egon ihm seinen Partyservice vermacht hat. Obwohl er beide Unternehmen für die optimale Ergänzung hält, will er aber nun wissen, ob ihm ähnlich unangenehme Überraschungen drohen.

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Handelsbücher

a) Buchführungspflicht, §§ 238 ff. HGB nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, § 238 I 1; Einzelheiten § 239 HGB b) Pflicht zur Inventarerrichtung, §§ 240 f. HGB c) Jahresabschluss, §§ 242 ff. HGB • Umfasst Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, § 242 III • Es gelten Grundsätze der Klarheit (§ 243 II), Wahrheit (§ 246 I) und

Kontinuität (§ 252 I HGB) d) Offenlegungspflichten für Kapitalgesellschaften, §§ 325 ff. HGB e) Bei Verletzung keine zivilrechtlichen Ansprüche (keine Schutzgesetze); allenfalls Straftaten über Insolvenzstraftaten f) Im Rechtsstreit besteht Vorlegungspflicht (§§ 420 ff. ZPO) und Einsichtsrecht (§§ 259 ff. ZPO)

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Prokura: Bedeutung und Erteilung

Form der rechtsgeschäftlichen Vertretungs-macht gemäß §§ 164 ff. BGB (vgl. §§ 35 GmbHG, 78 I AktG); Sonderregeln §§ 48-53 HGB Erteilung, § 48 I HGB: • Erklärender muss Kaufmann oder gesetzlicher

Vertreter einer juristischen Person sein • Empfänger kann Prokurist sein, aber auch

Außenprokura möglich • Prokura muss persönlich und ausdrücklich erteilt

werden

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Prokura: Umfang, §§ 49, 50 HGB

a) § 49 I HGB: grundsätzlich Geschäfte jeder Art, die zum Betrieb (irgendeines!) Handelsgewerbes gehören, Dritten gegenüber keine Beschränkung (Ausn. Missbrauch) b) Grenzen: • Immobiliarklausel, § 49 II HGB • Prinzipalgeschäfte, z. B. §§ 29, 31, 245 und 48 I HGB oder sog

Grundlagengeschäfte • Geschäfte außerhalb des Geschäftsbetriebs des Kaufmanns c) Gesamtprokura, § 48 II HGB: Zusammenwirkung bei jedem Rechtsgeschäft. Gilt allerdings nicht für Entgegennahme von WE und Willensmängel • Unechte Gesamtprokura: Gemeinsam mit gesetzlichem Vertreter, z. B.

Geschäftsführer. Nicht mit Kaufmann selbst, da dieser der Vertretene ist! d) Filialprokura, § 50 III HGB; Gegenbegriff Generalprokura

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Prokura: Erlöschen

a) Erlöschensgründe:

• Widerruf, § 52 I HGB

• Beendigung des Grundverhältnisses, z. B. Arbeitsvertrag (§ 168 S. 1 BGB)

• Tod des Prokuristen

• Verlust der Kaufmannseigenschaft des Geschäftsinhabers

b) Folgen: Prokurist verliert Vertretungsmacht. Im HReg anzumelden, § 53 II HGB

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Der fitte Prokurist

Kevin (K) betreibt als Einzelkaufmann ein Fitnessstudio. Da ihm seine vielfältigen Aufgaben über den Kopf wachsen, möchte er seinem langjährigen Mitarbeiter, dem vielfachem Bodybuildingmeister Paulchen (P) Prokura erteilen. Da er gewissen Zweifel hat, dass das Verantwortungsbewusstsein des P ebenso groß ist wie sein Bizeps, möchte er mit P vereinbaren, dass dieser Geschäfte mit einem Volumen über 5000 € nur mit ihm gemeinsam vornehmen kann. Ist das möglich? Welche anderen Möglichkeiten hat K zur Einschränkung der Prokura? Variante: P wird die Prokura ohne entsprechende Einschränkungen erteilt. Sie wird im Handelsregister eingetragen. a) P kauft im Autohaus A namens des K einen Sportwagen für 50.000 €. Als A von K Bezahlung verlangt, sagt dieser, Autokäufe gehörten nicht zu den Aufgaben des P und er brauche allenfalls einen Transporter für seine Geräte. A hat sich nichts dabei gedacht: Ein Sportwagen für ein Fitnessstudio, das passt doch. b) Wutentbrannt entzieht K dem P die Prokura. Bevor das in das Handelsregister eingetragen

erde ka , erkauft P als Ra heakt „ppa“ das K gehöre de Fir e gru dstü k a de X, da verschwindet er mit unbekanntem Ziel. X verlangt von K Auflassung des Grundstücks.

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Handlungsvollmacht: Abgrenzung zur Prokura

a. Handlungsvollmacht ist jede Vollmacht, die keine Prokura ist. Es gelten §§ 164 ff. BGB und spezielle Vorschriften des HGB, §§ 54 ff. HGB

b. muss nicht persönlich und nicht ausdrücklich erteilt werden, § 54 I HGB

c. nicht ins HReg eintragbar

d. Gegenüber Dritten gilt § 54 III HGB

e. Zeichnung i. V. statt ppa

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Handlungsvollmacht: Umfang, Grenzen und Erlöschen

a. Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht (z. B. Personal), Spezialhandlungsvollmacht (best. Geschäft). Gesamthandlungsvollmacht möglich

b. Grenzen: kraft Gesetzes § 54 II HGB, rechtsgeschäftlich (aber § 54 III HGB)

c. Erlöschen nach allgemeinen Regeln des BGB, s. insb. § 168 BGB; Schutz Dritter nach §§ 170-173 BGB

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Handlungsvollmacht des Ladenangestellten

§ 56 HGB: Scheinhandlungsvollmacht a) Voraussetzungen: • Laden oder offenes Warenlager (muss dem Publikum

offenstehen) • Angestellt: mit Wissen und Wollen des Ladeninhabers

dort tätig (auch Familienangehörige) • Geschäft gewöhnlich, also idR Verkäufe oder

Empfangnahmen • Dritter gutgläubig b) Folge: Scheinhandlungsvollmacht; Grenzen des § 54 II HGB gelten de majore auch hier.

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Der ideenreiche Musikant

M studiert Musik. Er wohnt in der Nähe der Klavierhandlung H und ihm fällt auf, dass der noble Verkaufsraum oft stundenlang unbesetzt ist. Das bringt ihn auf eine Idee, seine Barschaft aufzubessern. Als er sieht, wie ein Kunde K den Laden betritt und sich suchend umschaut, betritt er diesen durch einen anderen Eingang und beginnt ein Verkaufsgespräch. K hat aufgrund der Sachkunde des M und seiner eleganten Kleidung keinen Zweifel daran, mit einem Verkäufer der H zu sprechen. Als M dem K noch einen Nachlass bei sofortiger Barzahlung verspricht, händigt dieser ihm 5000 € in bar für einen gebrauchten Flügel aus. Als K am nächsten Tag den Flügel abholen lassen möchte, klärt sich alles auf. Kann K Übergabe und Übereignung des Flügels von H verlangen? Variante: M ist ein Neffe des Ladeninhabers der H, der sich dort in den Ferien ein paar Euro mit Aushilfsarbeiten verdient. Obwohl ihm H eingeschärft hat, nicht mehr als allenfalls Notenhefte zu verkaufen, veräußert er an K den Flügel. Wirksam?

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Handelsvertreter: Begriff gem. § 84 I 1 HGB

• Vermitteln von Geschäften: Einwirken auf einen Dritten, der sich zum Abschluss entschließen soll (Vermittlungsvertreter)

• Abschluss von Geschäften: Abgabe und Entgegennahme von WE im Namen des Unternehmers (Abschlussvertreter)

• Geschäfte: grundsätzlich jede Art. Müssen im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers vorkommen, aber keine Handelsgeschäfte sein

• Unternehmer: jede natürliche oder juristische Person öffentlichen oder privaten Rechts, muss nicht Kaufmann sein (auch HV selbst, vgl. § 84 III)

• HV muss mit Vermitteln oder Abschluss ständig betraut sein (Dauerschuldverhältnis)

• HV ist unabhängig, d. h. selbständiger Gewerbetreibender

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Handelsvertreter: Abgrenzungen

• Handlungsgehilfe: ist Arbeitnehmer • Kommissionär: handelt im eigenen Namen (allerdings in der Regel

auf fremde Rechnung) • Handelsmakler: vermittelt nur Gelegenheit zum Abschluss von

Verträgen • Kommissionsagent: ist im Gegensatz zum Kommissionär ständig für

einen Geschäftsherrn tätig, handelt aber ebenfalls im eigenen Namen

• Vertragshändler: handelt im eigenen Namen und für eigene Rechnung

• Franchisenehmer: handelt ebenfalls im eigenen Namen und für eigene Rechnung; anders als Vertragshändler in Organisations- und Marketingkonzept des Franchisegebers gebunden

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Handelsvertreter: Arten

• Einfirmenvertreter: wird nur für einen Unternehmer tätig

• Bezirksvertreter (Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen)

• Alleinvertreter: Unternehmer darf in seinem Bezirk selbst keine Verträge schließen

• Generalvertreter: steht in mehrstufiger Vertriebsorganisation zwischen Unternehmer und Untervertreter

Beachte Sonderregeln §§ 92 ff. HGB!

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Handelsvertreter: Rechte und Pflichten §§ 84 ff. HGB, ersatzweise §§ 675, 611 ff. BGB

a) Pflichten gegenüber Unternehmer: • Bemühen um Geschäfte, § 86 I HGB • Berichterstattung, § 86 II HGB • Treuepflicht: ggf. Folgen von Weisungen, Verschwiegenheit,

ordnungsgemäße Verwahrung. Wettbewerbsverbot nur bei entsprechender Vereinbarung, vgl. § 90 a HGB

b) Rechte gegenüber Unternehmer • Provisionsanspruch: Abschluss-, Inkasso- (§ 87 IV HGB), Delkredere-

(§ 86 b HGB), gesetzliche (§ 354 HGB). Voraussetzungen der Provision: §§ 87 I 1, 87 a HGB; Höhe § 87 b HGB. Kein Aufwendungsersatz, § 87 d HGB, wenn nichts anderes vereinbart.

• Anspruch auf Unterstützung, § 87 a HGB • Zurückbehaltungsrecht: § 273 BGB, §§ 369, 88 a I HGB


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