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Vom Nehmen und Geben – Politik, Transparenz, Korruption ... · piers von Joe Hanlon und Marcelo...

Date post: 14-Aug-2019
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Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010 13 Vom Nehmen und Geben – Politik, Transparenz, Korruption Einleitung Schwerpunkt Von Tabea Behnisch ie Ziege frisst, wo man sie anbindet“, heißt es in Mosambik. Cabritismo, „Zie- gerei“ – dieses Bild wird häufig als Synonym für Korruption benutzt, ein Phänomen, dem global eine große soziale, politische und ökonomische Bedeutung zukommt. Seit dem Jahr 2005 gibt es in Mosambik eine offizielle Anti-Korruptions-Strategie. Wesentliche Ziele sind die Sicherstellung einer verantwor- tungsvollen Staatsführung, mehr Transparenz bei Entscheidungsprozessen der oberen Ver- waltungshierarchien sowie die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit. Angelegt wurde die Strategie auf fünf Jahre, dann sollten – so die illusorische Planung – die Ziele erreicht sein. Das wäre dieses Jahr. Bisher wurden einige Strukturen geschaffen, wie die Zentralbehörde für Korruptionsbekämpfung, Gabinete Central de Combate a Corrupção GCCC, und einige große Fälle wurden vor Gericht gebracht. Maßnahmen, von denen die mosambikanische Bevölkerung di- rekt profitieren würde, wie beispielsweise eine Verbesserung innerhalb der öffentlichen Einrich- tungen, sind bisher allerdings nicht bemerkbar. Korruption durchzieht alle Bereiche des öffent- lichen Lebens in Mosambik und gerade auch die „alltägliche“ Korruption erschwert einem Großteil der mosambikanischen Bevölkerung ei- nen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Gesundheit. Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) der Organisation „Transparency International“, der die bei Beamten und Politikern wahrgenom- mene Korruption misst, spiegelt das hohe Miss- trauen der Bevölkerung in die Regierung wider. Auf einer Skala von Null (hohe Korruption) und zehn (wenig Korruption) bewerten die befragten Mosambikaner/innen ihr Land mit dem Wert 2,7 (2010). Deutschland steht mit dem Wert 7,9 beim Index zwar deutlich besser dar, dass Korruption aber auch hierzulande verbreiteter ist als oftmals an- genommen, belegen spektakuläre Korruptionsfäl- le der letzten Jahre, wie z.B. die Schmiergeldzah- lungen von deutschen an ausländische Unterneh- men in Milliardenhöhe. Zwar gibt es seit 1997 in Deutschland ein „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption“, deutschen Unternehmen war es aber noch bis 1999 möglich Bestechungsgelder als „nützliche Aufwendungen“ von der Steuer abzusetzen. Auch 2010 wirft Transparency Inter- national der Bundesregierung weiterhin vor kei- ne klare Strategie für eine effiziente Korruptions- bekämpfung zu haben. Dieser Schwerpunkt versucht das Phänomen Korruption aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Es werden politische Entscheidungen und Prozesse hinterfragt, Strukturen analysiert, Ansätze zur Korruptionsbekämpfung vorgestellt. Einfache Lösungen gibt es nicht. Transparenz, Partizipation und die Stärkung der Bürgerrechte sind jedoch unabdingbare Voraussetzungen für eine gerechte Teilhabe und die Bekämpfung von Korruption. Einen guten Einstieg ins Thema bieten die beiden Artikel von Annette Jaitner (u.a.). Auf der Basis von Studien von „Transparency International“ umreist Jaitner in ihrem Artikel „Anvertraute Macht und privater Vorteil“ die globale Proble- matik mit Zahlen und Beispielen, um anschlie- ßend auf Mosambik einzugehen. Im zweiten Artikel beschreibt sie anhand eines Projektes von Transparency International und dem „Centro de Integridade Pública“ in den mosambikanischen Distrikten Chokwe und Mabalane, wie Aufklä- rung und Partizipation dazu beitragen können Korruption zu begrenzen. Aber Korruption ist nicht gleich Korruption; es gibt viele verschiedene Formen. Das sich anschließende Interview mit Michael Johnston soll dazu beitragen, etwas Licht in die komplexe Thematik zu bringen. Der folgende Beitrag von Baltazar Fael veran- schaulicht die Bemühungen und Forderungen der mosambikanischen Zivilgesellschaft bezüg- lich der Anti-Korruptions-Gesetzgebung in Mo- sambik. Dabei wird deutlich, dass strukturelle Veränderungen auf obersten Ebenen dringend notwendig sind, um Korruption effizient be- kämpfen zu können. Während es in dem Artikel von Baltazar Fael eher um die „große“ Korruption geht, setzt der nachfolgende Artikel von Bettina Bunk auf der lokalen Ebene an. Sie untersucht, welchen Ein- fluss informelle Machtstrukturen und Zugangs- wege auf Entscheidungsprozesse im Bereich der Wirtschaftsförderung haben und weist auch auf das Dilemma zwischen Funktionalität und Ent- wicklungshindernis hin. Korruption ist ein Problem. Das konstatiert auch Elisio Macamo. Genauso problematisch ist seiner Ansicht nach allerdings auch die ein- seitige Fokussierung darauf, da dadurch weitere grundlegende Probleme, wie z.B. die defizitäre politische Teilhabe der BürgerInnen aus dem Blickfeld geraten. Unsere entwicklungspolitische Jahrestagung im November fand unter dem Motto „Brot und Politik – Mosambik zwischen politischer Parti- zipation und Korruption“ statt. Petra Aschoff berichtet in ihrem Beitrag von ihren Eindrücken und resümiert den Diskussionsprozess. In der Zusammenfassung eines Diskussionspa- piers von Joe Hanlon und Marcelo Mosse wer- den politische und ökonomische Rahmenbedin- gungen und Strategien der mosambikanischen Regierung analysiert, wobei es auch zu einer Klärung der Hintergründe und Formen von Kor- ruption kommt. Ziel des „African Peer Review Mechanism“ (APRM) ist es, Regierungen durch Regierun- gen anderer afrikanischer Staaten unter sanften Druck zu setzen, bestimmte Standards und Ziele, insbesondere die Kriterien einer „Guten Regie- rungsführung“ (Good Governance), einzuhal- ten. Zentrales Element der „Guten Regierungs- führung“ ist die Bekämpfung von Korruption. Henrik Maihack und Manfred Öhm zeigen im letzten Artikel des Schwerpunktes die Stärken des mosambikanischen APRM-Prozesses. Abschließend bleibt zu hoffen, dass die Darstel- lung der Komplexität des Phänomens gerecht wird und dazu führt, ein Bewusstsein für die strukturell entwicklungshemmenden Aspekte des Phänomens „Korruption“ zu schaffen. „D Schwerpunkt | Vom Nehmen und Geben
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Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010 13

Vom Nehmen und Geben – Politik, Transparenz, Korruption

Einleitung SchwerpunktVon Tabea Behnisch

ie Ziege frisst, wo man sie anbindet“, heißt es in Mosambik. Cabritismo, „Zie-

gerei“ – dieses Bild wird häufig als Synonym für Korruption benutzt, ein Phänomen, dem global eine große soziale, politische und ökonomische Bedeutung zukommt.

Seit dem Jahr 2005 gibt es in Mosambik eine offizielle Anti-Korruptions-Strategie. Wesentliche Ziele sind die Sicherstellung einer verantwor-tungsvollen Staatsführung, mehr Transparenz bei Entscheidungsprozessen der oberen Ver-waltungshierarchien sowie die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit. Angelegt wurde die Strategie auf fünf Jahre, dann sollten – so die illusorische Planung – die Ziele erreicht sein. Das wäre dieses Jahr. Bisher wurden einige Strukturen geschaffen, wie die Zentralbehörde für Korruptionsbekämpfung, Gabinete Central de Combate a Corrupção GCCC, und einige große Fälle wurden vor Gericht gebracht. Maßnahmen, von denen die mosambikanische Bevölkerung di-rekt profitieren würde, wie beispielsweise eine Verbesserung innerhalb der öffentlichen Einrich-tungen, sind bisher allerdings nicht bemerkbar. Korruption durchzieht alle Bereiche des öffent-lichen Lebens in Mosambik und gerade auch die „alltägliche“ Korruption erschwert einem Großteil der mosambikanischen Bevölkerung ei-nen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Gesundheit.

Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) der Organisation „Transparency International“, der die bei Beamten und Politikern wahrgenom-mene Korruption misst, spiegelt das hohe Miss-trauen der Bevölkerung in die Regierung wider. Auf einer Skala von Null (hohe Korruption) und zehn (wenig Korruption) bewerten die befragten Mosambikaner/innen ihr Land mit dem Wert 2,7 (2010).

Deutschland steht mit dem Wert 7,9 beim Index zwar deutlich besser dar, dass Korruption aber auch hierzulande verbreiteter ist als oftmals an-genommen, belegen spektakuläre Korruptionsfäl-le der letzten Jahre, wie z.B. die Schmiergeldzah-lungen von deutschen an ausländische Unterneh-men in Milliardenhöhe. Zwar gibt es seit 1997 in Deutschland ein „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption“, deutschen Unternehmen war es aber noch bis 1999 möglich Bestechungsgelder als „nützliche Aufwendungen“ von der Steuer abzusetzen. Auch 2010 wirft Transparency Inter-national der Bundesregierung weiterhin vor kei-

ne klare Strategie für eine effiziente Korruptions-bekämpfung zu haben.

Dieser Schwerpunkt versucht das Phänomen Korruption aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Es werden politische Entscheidungen und Prozesse hinterfragt, Strukturen analysiert, Ansätze zur Korruptionsbekämpfung vorgestellt. Einfache Lösungen gibt es nicht. Transparenz, Partizipation und die Stärkung der Bürgerrechte sind jedoch unabdingbare Voraussetzungen für eine gerechte Teilhabe und die Bekämpfung von Korruption.

Einen guten Einstieg ins Thema bieten die beiden Artikel von Annette Jaitner (u.a.). Auf der Basis von Studien von „Transparency International“ umreist Jaitner in ihrem Artikel „Anvertraute Macht und privater Vorteil“ die globale Proble-matik mit Zahlen und Beispielen, um anschlie-ßend auf Mosambik einzugehen. Im zweiten Artikel beschreibt sie anhand eines Projektes von Transparency International und dem „Centro de Integridade Pública“ in den mosambikanischen Distrikten Chokwe und Mabalane, wie Aufklä-rung und Partizipation dazu beitragen können Korruption zu begrenzen.

Aber Korruption ist nicht gleich Korruption; es gibt viele verschiedene Formen. Das sich anschließende Interview mit Michael Johnston soll dazu beitragen, etwas Licht in die komplexe Thematik zu bringen.

Der folgende Beitrag von Baltazar Fael veran-schaulicht die Bemühungen und Forderungen der mosambikanischen Zivilgesellschaft bezüg-lich der Anti-Korruptions-Gesetzgebung in Mo-sambik. Dabei wird deutlich, dass strukturelle Veränderungen auf obersten Ebenen dringend notwendig sind, um Korruption effizient be-kämpfen zu können.

Während es in dem Artikel von Baltazar Fael eher um die „große“ Korruption geht, setzt der nachfolgende Artikel von Bettina Bunk auf der lokalen Ebene an. Sie untersucht, welchen Ein-fluss informelle Machtstrukturen und Zugangs-wege auf Entscheidungsprozesse im Bereich der Wirtschaftsförderung haben und weist auch auf das Dilemma zwischen Funktionalität und Ent-wicklungshindernis hin.

Korruption ist ein Problem. Das konstatiert auch Elisio Macamo. Genauso problematisch ist seiner Ansicht nach allerdings auch die ein-seitige Fokussierung darauf, da dadurch weitere grundlegende Probleme, wie z.B. die defizitäre

politische Teilhabe der BürgerInnen aus dem Blickfeld geraten.

Unsere entwicklungspolitische Jahrestagung im November fand unter dem Motto „Brot und Politik – Mosambik zwischen politischer Parti-zipation und Korruption“ statt. Petra Aschoff berichtet in ihrem Beitrag von ihren Eindrücken und resümiert den Diskussionsprozess.

In der Zusammenfassung eines Diskussionspa-piers von Joe Hanlon und Marcelo Mosse wer-den politische und ökonomische Rahmenbedin-gungen und Strategien der mosambikanischen Regierung analysiert, wobei es auch zu einer Klärung der Hintergründe und Formen von Kor-ruption kommt.

Ziel des „African Peer Review Mechanism“ (APRM) ist es, Regierungen durch Regierun-gen anderer afrikanischer Staaten unter sanften Druck zu setzen, bestimmte Standards und Ziele, insbesondere die Kriterien einer „Guten Regie-rungsführung“ (Good Governance), einzuhal-ten. Zentrales Element der „Guten Regierungs-führung“ ist die Bekämpfung von Korruption. Henrik Maihack und Manfred Öhm zeigen im letzten Artikel des Schwerpunktes die Stärken des mosambikanischen APRM-Prozesses.

Abschließend bleibt zu hoffen, dass die Darstel-lung der Komplexität des Phänomens gerecht wird und dazu führt, ein Bewusstsein für die strukturell entwicklungshemmenden Aspekte des Phänomens „Korruption“ zu schaffen.

„D

Schwerpunkt | Vom Nehmen und Geben

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