AutorenSilke BraunHelga RitterBernd C. SchneiderChristina StefanouUschi Velter
Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel
VOLL IN ORDNUNG
Gefördert durch die
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Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel Inhalt
Vorwort ....................................................................................................................................................................................................................3Einleitung ................................................................................................................................................................................................................4Bezüge zum Bildungsplan ...............................................................................................................................................................................9Grundlagenbaustein mit Unterrichtsmaterialien ............................................................................................................................... 14Unterrichtsmaterialien ................................................................................................................................................................................... 25
Artikel 1 GG: Menschenwürde ................................................................................................................................................................... 25Artikel 2 GG: Persönliche Freiheitsrechte ............................................................................................................................................. 4Artikel 3 GG: Gleichheit vor dem Gesetz ............................................................................................................................................... 40Artikel 4 GG: Glaubens- und Gewissensfreiheit .................................................................................................................................. 44Artikel 5 GG: Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft ........................................................................................................ 50Artikel 6 GG: Ehe – Familie – Kinder ........................................................................................................................................................ 54Artikel 7 GG: Schulwesen ............................................................................................................................................................................ 58Artikel 8 GG: Versammlungsfreiheit ........................................................................................................................................................ 63Artikel 9 GG: Vereinigungsfreiheit ........................................................................................................................................................... 64Artikel 10 GG: Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis ...................................................................................................................... 66Artikel 11 GG: Freizügigkeit ........................................................................................................................................................................ 70Artikel 12 GG: Berufsfreiheit ....................................................................................................................................................................... 75Artikel 13 GG: Unverletzlichkeit der Wohnung ................................................................................................................................... 79Artikel 14 GG: Eigentum – Erbrecht – Enteignung ............................................................................................................................ 81Artikel 16/16a GG: Staatsangehörigkeit – Auslieferung/Asylrecht .............................................................................................. 86Artikel 17 GG: Beschwerderecht ............................................................................................................................................................... 87Artikel 18/19 GG: Verwirkung – Einschränkung – Rechtsweg ....................................................................................................... 90
Die Kinderrechte der Vereinten Nationen ............................................................................................................................................. 93Literaturhinweise und Internetadressen .............................................................................................................................................101
Folgende Abkürzungen werden verwendetGG: GrundgesetzArt.: Artikel Abs.: Absatz S.: SatzLHR: Lehrerhandreichung
M: Materialseiten, jeweils im Anschluss an die LehrerseitenMeNuK: Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur im Bildungsplan für die Grundschule Baden-WürttembergBSS: Fächerverbund Bewegung, Spiel und Sport im Bildungsplan für die Grundschule Baden-Württemberg
ImpressumHerausgeberin:Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB)Stafflenbergstraße 3870184 StuttgartTelefon: 07 11.16 40 99-0E-Mail: [email protected]: www.lpb-bw.deRedaktion: Silke Braun (Nagold), Regina Bossert, Lydia Kissel (beide LpB)Autorinnen und Autoren: Silke Braun, Helga Ritter, Dr. Bernd C. Schneider, Christina Stefanou, Uschi VelterGestaltung Titelbild/Innenteil und Herstellung: Der Verlagsengel Marion Engelhardt, Niederkassel
Illustrationen: Suse Schweizer, ErfurtGrafiken: Dr. Wolfgang Zettlmeier, BarbingIllustration Titelbild: Hildegard Müller, GinsheimAuflage: 6.000Redaktionsschluss: 01.04.2011
Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.Die weibliche Form ist der männlichen in dieser Publi kation gleichgestellt. Lediglich aus Gründen der Vereinfachung wurde die männliche Form gewählt.Die Publikation wird durch die Baden-Württemberg Stiftung gefördert.
Inhalt
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Vorwort Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel
Was bedeutet Menschenwürde? Wer sichert die Meinungsfreiheit? Warum darf man demonstrieren? Diese Fragen sind nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder spannend und wichtig. Das Ziel der „Grundrechtefibel“ ist es deshalb, bereits Grundschulkinder an die Inhalte und die Bedeutung unserer Grundrechte heranzuführen. In der Fibel, einer Idee der Landeszentrale für politische Bildung BadenWürttemberg und des Verlags Herder (Freiburg), werden die 19 Grundrechtsartikel unseres Grundgesetzes kindgerecht aufbereitet und erklärt. So können schon Kinder ein Bewusstsein für die Verantwortung jedes Einzelnen an der Mitgestaltung des Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft entwickeln. Neben der selbstständigen Lektüre des Buches können die Grundrechte und ihre Bedeutung für Kinder auch in der Schule thematisiert werden. Die vorliegende Handreichung unterstützt Lehrerinnen und Lehrer mit Informationen und Materialien beim Einsatz der Grundrechtefibel im Unterricht der dritten und vierten Grundschulklasse.
Sicher ist es ein anspruchsvolles Unterfangen, die Grundrechte zum Thema in der Grundschule zu machen. Die zahlreichen Beispielgeschichten aus der kindlichen Lebenswelt in der Fibel zeigen jedoch, dass die Grundrechte und die ihnen zugrunde liegenden Wertvorstellungen im Alltag der Kinder eine wichtige Rolle spielen. Dieser Tatsache wird auch in den Bildungsplänen der Grundschulen des Landes BadenWürttemberg Rechnung getragen. Die Übersicht (S. 9 ff.) zeigt, an welche Kompetenzen und Inhalte der Bildungspläne die Thematisierung der einzelnen Grundrechtsartikel anschlussfähig ist. Die Lehrerhandreichung bietet innovative Materialien und vielfältige Methoden, um diese Inhalte alltagsnah im Unterricht umzusetzen. Dabei ist es nicht erforderlich, alle Kapitel in vollem Umfang oder in einer bestimmten Reihenfolge zu bearbeiten. Die Handreichung ermöglicht den unabhängigen Einsatz jedes einzelnen Kapitels – passend zur individuellen Unterrichtsplanung. Sinnvoll ist es, den Grundlagenbaustein (S. 14 ff.), in dem die wichtigsten Begriffe – Staat, Gesetze, Demokratie und Grundrechte – behandelt werden, voranzustellen. Zur einfachen Orientierung sind alle Kapitel identisch aufgebaut: Die Lehrerseite informiert über die wichtigsten Aspekte des Grundrechts und gibt Anregungen zur Arbeit mit der Fibel im Unterricht. Darüber hinaus werden Ideen für vertiefende Arbeitsaufträge und längerfristige Projekte zu den einzelnen Themen vorgestellt. Zu jedem Grundrecht stehen daran anschließend kopierfähige Materialien
Vorwortmit Aufgaben, Rätseln und Spielen zur Verfügung.
Durch das Gespräch über die Grundrechte lernen Kinder, diese in ihrem eigenen Alltag wahrzunehmen, sie für sich und für andere einzufordern und danach zu leben. Wir hoffen, die Lehrerinnen und Lehrer der badenwürttembergischen Grundschulen mit dieser Handreichung für eine Thematisierung der Grundrechte in der Grundschule zu ermu tigen und bei der Gestaltung der Unterrichtseinheiten zu unterstützen. Unser Dank gilt der BadenWürttemberg Stiftung, die die Erstellung der Lehrerhandreichung durch eine großzügige Förderung ermöglicht hat.
Lothar FrickDirektor der Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Voll in Ordnung – unsere GrundrechteGrundrechtefibel für Kinder ab 8 Jahren,zu beziehen bei der Landeszentrale für politische Bildung BadenWürttemberg (LpB)
Voll in Ordnung– unsere Grundrechte
Grundrechtefi bel für Kinder ab 8 Jahren
Gefördert durch die
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Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel Einleitung
EinleitungWarum sind Grundrechte ein Thema für Grundschulkinder?Grundrechte bestimmen unseren Alltag, ob es uns bewusst ist oder nicht. Das Zusammenleben wird durch sie, durch die Werteordnung, für die sie stehen, geprägt. Kinder erleben Politik im Alltag, durch Medien, durch Gespräche im Elternhaus und durch das Schulleben. Die politische Wirklichkeit begegnet Kindern in komplexen Lebenssituationen, durch Vorurteile und Bewertungen im Umgang mit Anderen, bei Konflikten und beim Schließen von Kompromissen, durch soziale Ungleichheiten oder in gesetzlich geregelten Alltagssituationen wie Verkehrsregeln oder Schulpflicht. Politik hat im Alltag immer dann eine Bedeutung, wenn es um die Durchsetzung von Forderungen und Zielen geht, um Einflussnahme und Gestaltung, sowohl im persönlichen als auch im öffentlichen Bereich. Es gibt fast keinen Bereich im Zusammenleben der Menschen, der nicht mit Politik zu tun hat.
Kinder gewinnen Zugänge zum Verstehen von sinnhaften politischen Zusammenhängen in ihrer Lebenswirklichkeit, indem sie deren Komplexität auf wesentliche Strukturen reduzieren. Der Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur (MeNuK) bietet solche Strukturen an, um sie für die Lebensführung fruchtbar zu machen.
Die Komplexität der Gesellschaft und die gegenwärtigen lokalen und globalen Entwicklungen bringen Herausforderungen und Probleme mit sich, die nicht eindeutig einzelnen Fächern und Fachrichtungen zuzuordnen sind. Die Auseinandersetzung mit den Grundrechten erfolgt in allen Fächern und Fächerverbünden der Grundschule, wobei dem Unterricht im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur eine Steuerungsfunktion zufällt.
Wo sind politisches Lernen und die Auseinandersetzung mit den Grundrechten im Bildungsplan verankert?Die forschende Auseinandersetzung des lernenden Kindes mit der es umgebenden Welt ist zentrales Anliegen des Fächerverbundes Mensch, Natur und Kultur.
Der Zugang zur komplexen Lebenswirklichkeit der Kinder wird im Unterricht des Fächerverbundes MeNuK in neun realitätsnahe Kompetenzfelder gegliedert. Ihre Struktur folgt den zentralen Bereichen „Menschliches Leben“, „Kulturphänomene und Umwelt“ und „Naturphänomene und Technik“, die durch unterschiedliche Zuwendungsgrade erschlossen werden (s. Abb. 1).
Die KompetenzfelderDie Kompetenzfelder KF1, KF4 und KF7 (s. Abb. 2, S. 5) gehen vom Ich aus, betreffen das Kind als Individuum und stellen seine persönliche Bedeutung in den Mittelpunkt. Darauf bauen die Kompetenzfelder auf, die das Kind als Mitglied einer lokalen Gemeinschaft in den Mittelpunkt rücken und somit die lokalen oder kommunalen Bedeutungen aufzeigen: KF2, KF5 und KF8. In den Kompetenzfeldern KF3, KF6 und KF9 befasst sich das Kind als künftiger Bürger der einen Welt mit Schlüsselfragen des Lebens. Es erfolgt eine Ausweitung auf Probleme von globaler Bedeutung, jedoch alle aus der Erfahrungswelt der Kinder.
Abb. 1: Zugänge zur Lebenswirklichkeit
Mensch-lichesLeben
Kultur-phänomene
undUmwelt
Mensch,Natur und
Kultur
Natur-phänomene
undTechnik
Ich
Du–wir-Heimat
Welt
persönlicher Bezug
lokaler und kommunaler Bezug
globaler Bezug
Die Kompetenzen präzisieren die Anforderungen an die Kinder als Könnensziele. Die Kinder in BadenWürttemberg sollen am Ende von Klasse 2 und am Ende von Klasse 4 verlässliche Kompetenzen erreicht und tragfähige Grundlagen des Wissens erworben haben, die ihnen ein erfolgreiches Lernen in den darauf folgenden Schuljahren und Anschluss an das Lernen in weiterführenden Schulen ermöglichen.
Jedes Kompetenzfeld weist verbindliche Kompetenzen und Inhalte aus und bietet darüber hinaus den Lehrern die Möglichkeit, eine große Anzahl von Inhalten selbst zu konkretisieren. Im MeNuKUnterricht werden somit nicht allumfassende Aspekte der Kulturgeschichte der Menschheit vermittelt, vielmehr wird exemplarisch gearbeitet. Es geht nicht darum, möglichst viele Inhalte zu behandeln, sondern darum, grundlegende Bildung anzubahnen. Das übergeordnete Ziel der grundlegenden Bildung bestimmt Aus
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Einleitung Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel
wahl, Umfang und Vertiefungsgrad der zu behandelnden Inhalte. Dies trifft auch für die Behandlung der Grundrechte im Unterricht zu.
Es ist Aufgabe der Lehrkräfte so zu unterrichten, dass die Kinder die beschriebenen Kompetenzen erreichen. Die Schulen entscheiden entsprechend ihrer spezifischen Gegebenheiten, wo sie inhaltliche bzw. zeitliche Schwerpunkte setzen, um den örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Die rationale Aneignung von Welt baut bei Kindern immer auf Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Betroffensein auf (s. Abb. 3, S. 6). Diese im weitesten Sinne ästhetischen Prozesse, Empfindungen und Erfahrungen sind Voraussetzung für Weltbegeg-nung, Welterkundung und Weltaneignung. Ergänzt werden diese Modi der Welt begegnung durch die reflexive Auseinandersetzung als Basis für die Entwicklung einer differenzierten Urteilskraft. Diese drei strukturbildenden und sich gegenseitig ergänzenden Zugangsweisen zur Welt – die nicht in Konkurrenz zueinander gesehen oder gesetzt werden können – stehen innerhalb eines Kompetenzfeldes gleichwertig nebeneinander. Jedes der neun Kompetenzfelder wird durch diese drei Zugänge erschlossen, um die optimalen Lernchancen zu nutzen.
Der Fächerverbund MeNuK vernetzt alle Lernbereiche der Grundschule miteinander, sowohl innerhalb des Fächerverbundes als auch mit den Einzelfächern Sprachen, Mathematik, Religion und dem Fächerverbund Bewegung, Spiel und Sport.
Durch die unterschiedlichen Zugänge zu den integrativen Themen (Modi der Weltbegegnung; vgl. Deutsches PISA Konsortium (Hrsg., 2001), S. 21) werden Voraussetzungen für nachhaltiges Lernen und für ein besseres Verstehen der eigenen Lebenswelt geschaffen sowie die individuellen Lernwege der Kinder berücksichtigt.
Der Fächerverbund ist durch die Dualität Lebensweltbezug und Sachanforderung gekennzeichnet: Einerseits sind die Themen der Kompetenzfelder aus der Lebenswelt der Kinder gewählt und als Lernfelder der lebensweltlichen Dimension der fachlichen Perspektiven zu sehen, andererseits sind die Erfahrungen der Kinder Ausgangspunkte des Lernens, an denen fachliche Grundlagen erarbeitet werden.
Im Rahmen von Modulen werden spezifische fachliche Fragestellungen thematisiert, sowie wichtige Grundqualifikationen und tragfähige fachliche Grundlagen vermittelt. Diese erworbenen Grundkompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, sind Voraussetzung,
Abb. 2: Kompetenzfelder des Fächerverbundes Mensch, Natur und Kultur
Leben
und Lernen
als Schul-
kind
Kultur-
phänomene
und
Umwelt
Natur-
phänomene
und
Technik
Menschliches
Leben
Wer bin ich –
was kann ich:
Kinder entwickeln
und verändern sich,
stellen sich
dar
Ich – du – wir:
zusammen leben,
miteinander gestalten,
voneinander
lernen
Kinder dieser
Welt:
sich informieren,
sich verständigen,
sich verstehen
Raum und Zeit
erleben und
gestalten
Heimatliche
Spuren: suchen,
gestalten,
entdecken
Mensch,
Tier und Pflanze:
staunen, schützen,
erhalten und
darstellen
Natur macht
neugierig:
forschen,
experimentieren,
dokumentieren,
gestalten
Erfinderinnen,
Erfinder, Künstlerinnen,
Künstler, Komponistinnen
und Komponisten:
entdecken, entwerfen
und bauen,
stellen dar
Energie,
Materialien,
Verkehrswege:
vergleichen und
bewusst nutzen
Zusammen
leben in der
Heimat
Wir in
der Welt – die
Welt bei
uns
Mensch,Natur und
Kultur
KF1
KF2
KF3
KF4
KF5
KF6
KF7
KF8
KF9
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Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel Einleitung
um die integrativen Themen aus der Perspektive der unterschiedlichen Zugangsweisen aufzuarbeiten. Auf der anderen Seite werden durch die Auseinandersetzung mit den bildungsbedeutsamen Themen Voraussetzungen für nachhaltiges Lernen und für ein besseres Verstehen der eigenen Lebenswelt geschaffen. So wird grundlegende Bildung ermöglicht, die zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft befähigt.
Für den Unterricht bedeutet dies, dass Themen einerseits als Lehrgänge/Module erarbeitet werden, die sich aus einer Fachperspektive ergeben, andererseits kann bei integrativen Themen, bei Projekttagen und Aktionen auf diese Fachkompetenzen aufgebaut werden.
Was wissen Grundschüler über Regeln, Gesetze, Politik?Das Vorwissen und die Konzepte der Grundschulkinder zu gesellschaftlichen und politischen Phänomenen sind sehr unterschiedlich. Es gibt in der Fachliteratur keinen Katalog zu einzelnen Fachkonzepten der politischen Bildung und die entsprechenden Präkonzepte oder „Fehlkonzepte“ der Kinder dazu, die durch gezielte Instruktion oder Konstruktion objektiviert werden könnten.
Lehrer sind gefordert, die Präkonzepte der Kinder ihrer eigenen Klasse und die Lernvoraussetzungen im Bereich politisches Lernen zu erfassen, zu diagnostizieren und den Unterricht entsprechend der Lernausgangslagen zu planen, zu steuern und zu gestalten.
Dagmar Richter fordert deshalb: „Ein angeleiteter Wissenserwerb kann nicht darin bestehen, bei jüngeren Kindern auf die Richtigkeit des Konzeptes zu verzichten, ihnen also Fehlkonzepte zu vermitteln, indem entscheidende Kriterien des Konzeptes fortgelassen werden. Es ist auch nicht zulässig, gar nichts zu vermitteln. […] Die acht bis zehnjährigen Kinder definieren beispielsweise
‚Staat‘ mit territorialen Begriffen und Einwohnern, ohne jedoch Regierung und Gesetz zu erwähnen. Grenzen konstruieren sie mit geografischen Begriffen (z. B. Berge) oder physikalischen Ausdrücken (z. B. Wand). Wenn Konzepte wie ‚Grenze’, ‚Regierung’ und ‚Gesetz’ domänenspezifisch geklärt sind, können sie das Kernkonzept Staat und schließlich auch das Konzept Krieg verstehen. Altersbedingte Grenzen, die das Verstehen komplexer politischer Konzepte erschweren oder verhindern, sind kaum bekannt. […] Auch für politisches Wissen gilt: Domänenspezifisches Wissen fördert den Aufbau von domänenspezifischen Strukturen im Gedächtnis und fördert das Verstehen der Domäne.“ (Richter, Dagmar 2007a, S. 63)
Politisches Lernen in der Grundschule – Wie geht das? „Menschen leben in der Gesellschaft zusammen. Sie gestalten ihr Leben im öffentlichen und privaten Bereich unter verschiedenen politischen, sozialen, kulturellen, ökonomischen, physischen und ethnischen Voraussetzungen. Dabei haben alle Menschen gemeinsame und auch unterschiedliche Möglichkeiten und Interessen, Lebensstile und Deutungsmuster. Differenzen unter den Menschen sind etwas Selbstverständliches. Mit solchen Unterschieden konstruktiv lernend und verantwortlich umzugehen, ist eine Herausforderung zur Orientierung im Umgang mit sich selbst und im Verhältnis zu anderen Menschen.
Um diese Zusammenhänge zu verstehen, richtet sich sinn und lebensorientiertes Lernen der Kinder auf • die Entwicklung einer sozialen Kultur des Lebens und
Arbeitens,• die Wahrnehmung und Nutzung von Verschiedenheit,• das Erkennen von Interessenlagen und Vertreten eige
ner Interessen,
Abb. 3: Modi der Weltbegegnung – drei gleichwertige Zugänge (nach Jürgen Baumert, Deutsches PISA Konsortium 2001, S. 21)
SpracheLiteratur
MusikMalerei
Bildhaftes GestaltenPhysische Expression
Ästhetisch-expressive
Begegnung undGestaltung
Kognitiv-instrumentelle
Modellierung der Welt
mathematisch
naturwissenschaftlich
GeschichteÖkonomiePolitik/GesellschaftRecht
Normativ-evaluative
Auseinandersetzungmit Wirtschaft und
Gesellschaft
Problemkonstitutiver
Rationalität
Religion
Philosophie
Reexive Auseinandersetzung
Wahrnehmung, Gestaltung, Ausdruck Weltbegegnung, -erkundung, -aneignung
Modi der Weltbegegnung
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Einleitung Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel
• verantwortliches Handeln in öffentlichen und privaten Zusammenhängen,
• Erfassen kultureller (auch medialer) Rekonstruktion von Wirklichkeit.“
(Gesellschaft für die Didaktik des Sach unterrichts 2002, S. 7)
Kinder sollen folgende Kompetenzen erwerben: „Politischsoziale Probleme angemessen behandeln können, in die sie selbst eingebunden sind, z. B.• Rechte von Kindern (mit dem Ziel, in der Schule und
im Gemeinwesen Rechte bewusst in Anspruch zu nehmen),
• Arbeit und Umwelt (mit dem Ziel, neue Zusammenhänge zu erschließen),
• Familie als Institution (mit dem Ziel, eigene Erfahrungen zu reflektieren).“
(Gesellschaft für die Didaktik des Sachunterrichts 2002, S. 11)
Ziel ist es, von der Werturteilsfähigkeit zum Handeln im Schulalltag den Weg der kleinen Schritte zu wählen. Der erste Schritt ist das Wecken von Interesse an der Gesellschaft und dem Zusammenleben in ihr.
Wertevermittlung erfolgt durch Identifikation mit bedeutsamen anderen Bezugspersonen, durch emotionale Nähe und Glaubwürdigkeit. Werte sind Motivationen, an welchen sich der Mensch moralisch ausrichtet; Tugenden sind Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß, Glaube, Liebe, Hoffnung.
Analysefähigkeit: Zunächst wird Wissen immer auf die Erfahrungen bezogen, der Bezug zur Lebenswirklichkeit (Präkonzepte) wird hergestellt. Was muss man von der Sache wissen?
Urteilsfähigkeit: Durch ambivalente Geschichten, die keine einfachen oder nahe liegenden Lösungen suggerieren, wird die Urteilskraft gestärkt (erfahrungsanaloger Unterricht, erfahrungsanaloges Weiterdenken). Was kann ich mit dem Wissen anfangen?
Handlungsfähigkeit: Die Urteilskraft muss eingeübt werden; Urteilen wird gelernt und Wertentscheidungen werden reflektiert. Welche Handlungsmöglichkeiten, Vorteile und Nachteile haben wir?
Was ist guter Unterricht – auch guter Politikunterricht in der Grundschule? Guter Unterricht setzt bei der neuen Lernkultur an, die auf der Theorie des Konzeptwechsels beruht.
„Die Theorie des Konzeptwechsels, Conceptual Change, setzt voraus, dass sich die Vorstellungen der Kinder vom ‚Alltagswissen‘ hin zu einem politischen Grundverständnis nicht kontinuierlich verändern. Wissen wird nach dieser Theorie nicht einfach transportiert,
sondern das Kind konstruiert seine Wirklichkeitsmodelle, seine kognitiven Strukturen am besten in bedeutsamen Kontexten von Aufgaben, Problemgeschichten, die aus authentischen Situationen erwachsen. Die Vorstrukturierung der Lebenswirklichkeit der Kinder durch die Kompetenzfelder des Fächerverbundes MeNuK ermöglicht erfahrungsbasiertes, authentisches und situiertes Lernen [auch was die Thematik der Verankerung der Grundrechte betrifft], indem der Zugang zu jedem existenziellen Bereich menschlichen Lebens zunächst aus der Ich Perspektive der Kinder erfolgt. Lernen ist aktives Umstrukturieren und Konstruieren von Vorstellungen. Kindliche Denkstrukturen, vorhandene Konzepte werden im Unterricht hinterfragt, ‚erschüttert‘. Damit sich Kinder von ihren ‚Präkonzepten‘ lösen können, müssen sie in einem ersten Schritt unzufrieden mit den bisherigen Vorstellungen sein. Neue Ideen werden begründet und diskutiert. Sind die neuen Konzepte verständlich, plausibel und fruchtbar, das heißt, sie können in der Lebenswirklichkeit angewendet werden, dann ist das Lernen nachhaltig.“ (Ritter, Helga/Djuga, Georg 2009, S. 19) Als lernfördernd gelten: ein Angebot von Ordnungskriterien, eine Präsentation kognitiver Konflikte, sachliche Problemstellungen, das Zulassen von Irrtümern und Umwegen, ein ausgewogenes Verhältnis von Bekanntem und Unbekanntem, das Lernen zu lernen im Sinne von Metalernen, vielfältige Lern aktivitäten, Förderung von Transfer und Strukturierungshilfen und reflektiertes Lernen.
Für den Unterricht in der Grundschule sind somit die Schülervorstellungen die Ausgangspunkte des Lernens. Die Kinder stellen im Klassengespräch Vermutungen auf. Es ist wichtig, die vorhandenen Vorstellungen (Präkonzepte) der Schüler zu kennen, denn nur, wenn diese im Unterricht berücksichtigt und aufgegriffen werden, ist eine erfolgreiche Konstruktion angemessener Konzepte möglich. Dabei ist der Unterricht in der Grundschule der Grundstein für den Wissensaufbau und die Handlungskompetenz.
Ein allgemeines Phasenmodell für konstruktivis tisches Lernen formuliert Max Charell (in: Meier, Richard 1997, S. 62–89); nachfolgend nur die wichtigen Phasen: 1. Anknüpfen an Vorwissen:
Mobilisierung der Vorerfahrungen2. Artikulation der Schülervorstellungen/
Bewusstmachen der Vielfalt und der Verschiedenheit der Vorerfahrungen
3. Herausforderung und Projektplanung/Weltbegegnung/Welterkundung
4. Argumentation/Reflexive Auseinandersetzung mit den erarbeiteten Vorstellungen und dem Wissenserwerb
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Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel Einleitung
5. Weiterführung/Ausweiten entwickelter Vorstellungen auf andere Situationen, weiterführendes Suchen, Vertiefen, Erfinden, GestaltenJede Phase dieses Lernmodells wird im Lerntagebuch,
Lernjournal oder Portfolio dokumentiert. Die Auswertung des Lernjournals wird zusammen mit der Lehrkraft oder einem Lernpartner vorgenommen.
„Dieses Phasenmodell lässt sich sowohl auf eine gesamte Unterrichtseinheit, ein Projekt im Fächerverbund MeNuK anwenden, als auch auf kleinere Unterrichtssequenzen oder auf Unterrichtsstunden, wobei die einzelnen Phasen unterschiedlich gewichtet werden können.
Bei einer Orientierung an konstruktivistischen Sichtweisen des Lernens ändert sich auch die herkömmliche Rolle der Lehrkraft. Sie versteht sich vor allem als ‚Unterstützung im Aufbau von individuellen und kollektiven Prozessen zur Veränderung vorhandener Vorstellungen zum Aufbau angemessener Vorstellungen‘, so Kornelia Möller 2008 (unveröffentlichtes Manuskript) und spricht damit genau das Rollenverständnis an, das auch der Konzeption des Bildungsplanes MeNuK zugrunde liegt und sich auf erkenntniswissenschaftliche Forschungen bezieht. Lehrkräfte sind nicht mehr die Kontrollinstanz für alle methodischen, didaktischen Entscheidungen. Dem selbstorganisierten Lernen der Kinder kommt eine größere Bedeutung zu.“ (Ritter, Helga/Djuga, Georg 2009, S. 20)
Der Bildungsplan benennt übergeordnete Kompetenzen, die Schüler erwerben sollen: personale Kompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz, Fach (oder Sach)Kompetenz. Diesen Anforderungen wird in der Lehrerhandreichung Rechnung getragen. Zudem wird ein kleines Methodencurriculum aufgezeigt (s. Bezüge zum Bildungsplan S. 9 ff. in der vorliegenden Lehrerhandreichung).
Wie kann die Grundrechtefibel im Unterricht eingesetzt werden?Die Grundrechtefibel ist zunächst als Lesebuch für Kinder gedacht. Auch sollen die angesprochenen Themen klassen bezogen aufgearbeitet werden. Sie soll darüber hinaus als Information für die Eltern dienen.
Nachhaltiges Lernen erfolgt immer vernetzt und in sinnvollen Kontexten. Das Kind (re)konstruiert die Wirklichkeit, es ist aktiv und selbstverantwortlich für den Wissensaufbau, für die eigene Weltaneignung. Diese Selbstlernfähigkeit der Kinder wird aufgriffen und zu selbstständigem, selbstreguliertem Lernen weiterentwickelt.
Das Grundgesetz regelt das Verhältnis auf der Ebene Mensch und Staat, das für Kinder in seiner Komplexität
nicht immer in der ganzen Tragweite verständlich ist. Die einzelnen Kapitel der Fibel sind in ihrem Aufbau vom Kinde aus gedacht. Deshalb sind die Beispielgeschichten in der Grundrechtefibel auf einfache, analoge, auch für Kinder nachvollziehbare Situationen im privaten Leben angewendet (Ebene Mensch und Mensch). Die Ebene Mensch und Staat wird zum Ende jedes Fibelkapitels kurz aufgegriffen und erklärt.
Die Einleitung mit den Grundbegriffen und die einführende Bildgeschichte sollten als traditionelles Schulbuch genutzt werden: Die Einleitung sollte auf jeden Fall mit den Schülern gelesen und besprochen werden. Die anschließenden Artikel des Grundgesetzes können in beliebiger Reihenfolge ausgewählt werden, auch anlassbezogen, entsprechend der Klassensituation.
Jago Dachs und Alma Rabe, die beiden Identifikationsfiguren, die durch die Geschichten führen, bieten Ausgangspunkte für das Philosophieren mit Kindern. Die Tiergeschichten regen durch ihren dialogischen und oft antithetischen Aufbau zu Diskussionen an, ermöglichen kreatives Denken und die Entwicklung der Werturteilsfähigkeit.
Lehrkräfte nutzen die vorliegende Handreichung zur Grundrechtefibel als sachsystematischen, kumulativ aufgebauten Lehrgang. Die Zusammenschau der verbindlichen Kompetenzen und Inhalte des Bildungsplanes des Fächerverbundes MeNuK sowie die Vernetzung mit Religion und den anderen Fächern der Grundschule erleichtern den Lehrkräften die Unterrichtsplanung und sind eine Hilfe bei der Erreichung der Bildungsstandards.
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Bezüge zum Bildungsplan Lehrerhandreichung zur Grundrechtefibel
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