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Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage...

Date post: 18-Sep-2018
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Veterinärmedizinhistorisches Museum der Tierärztlichen Hochschule Hannover Kurzführer für Museumsbesucher hrsg. von Univ.-Prof. Dr. Dr. Johann Schäffer (begründet von Univ.-Prof. Dr. Ernst-Heinrich Lochmann) Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
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Page 1: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

Veterinärmedizinhistorisches Museumder Tierärztlichen Hochschule Hannover

Kurzführer für Museumsbesucher

hrsg. vonUniv.-Prof. Dr. Dr. Johann Schäffer

(begründet von Univ.-Prof. Dr. Ernst-Heinrich Lochmann)

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Page 2: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

Kurzführer für Museumsbesucher

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover© Fachgebiet Geschichte, Museum und Archiv

Hannover 2008

Die AutorInnen waren die TeilnehmerInnen des Veterinärmedizinhis-torischen Seminars im Sommersemester 2008: Louise Achouna, Daniel Appel, Stefanie Augustin, Yvonne Barthel, Nadine Bennefeld, Bettina Birkhan, Anne Cousin, Patricia Dörschel, Annika Gohlke, Kerstin Han-sing, Kristin Hötger, Eva Kobrink, Jennifer Koch, Sebastian Kruse, Lisa Langhorst, Frank Lempaszek von Minden, Daniela Meier, Carolin Müller,

Manuel Töpfer und Renate Zeller.

Die Museums-Führung und Herausgabe dieses Beitrags übernahm Johann Schäffer.

ÖffnungszeitenDienstag, Mittwoch, Donnerstag 10 bis 16 UhrEintritt frei, Führungen nach Vereinbarung

Die Abteilung Heeresveterinärmuseum ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich.

SpendenkontoGesellschaft der Freunde der TiHo Hannover (GdF)Deutsche Bank Hannover, BLZ 250 700 70Kontonummer 0230375Verwendungszweck „Museum“

LeitungUniv.-Prof. Dr. Dr. Johann SchäfferFachgebiet Geschichte, Museum und ArchivBischofsholer Damm 15, D-30173 HannoverTel. 0511/8567503, Fax 0511/[email protected]

© Fachgebiet Geschichte, Museum und Archiv, Hannover 2008

Titelbild: Kohlezeichnung von Anneliese Presse, Dorfmark1981: Das Museumsgebäude (Alte Apotheke), eingeweiht1899, früher Sitz des Pharmakologischen Instituts und derHochschulapotheke, zeitweise auch der Klinik für Ziervögel.Heute Fachgebiet Geschichte, Museum und Archiv, sowie Teileder Klinik für kleine Haustiere.

Layout: Frank Lempaszek von Minden

Dank: Der Druck dieser Broschüre und die Gestaltung desMuseumsführers auf der Internetseite www.vethis.de wurdedankenswerter Weise von der Gesellschaft der Freunde derTierärztlichen Hochschule finanziell unterstützt.

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Das Veterinärmedizinhistorische Museum der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde 1973 von Ernst-Heinrich Lochmann gegründet. Es ist das einzige, der Öffentlichkeit zugängli-che Fachmuseum dieser Art in Deutschland. In einer permanenten Ausstellung bieten mehr als 650 Exponate Einblick in die Geschichte der Hochschule und die Entwicklung der Tierme-dizin und tierärztlichen Tätigkeit.

Im Jahr 1995 wurde das Museum um eine militärgeschichtliche Abteilung mit rund 300 Exponaten erweitert, das sog. Heeresveterinär-museum. Der Gesamtbestand an Instrumenten, Geräten, Dokumenten, Schriften und Bildern aus allen Bereichen tierärztlicher Tätigkeit be-trägt derzeit rund 6.000 Objekte, die auf einer Fläche von rund 230 m2 untergebracht sind.

Im selben Gebäude wie das Museum ist das Ar-chiv der Hochschule mit ca. 600 Regalmetern untergebracht sowie das Fachgebiet Geschich-te, die dazu gehörige institutionelle Einrichtung der TiHo für die Lehre und Forschung auf den Gebieten Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Berufskunde und Medizinische Terminologie. Die Bibliothek des Fachgebiets umfasst ca. 4.500 Bände. Das Veterinärmedizinhistorische Museum der TiHo Hannover ist in einer Vielzahl in- und ausländischer Museumsführer verzeichnet. Es ist Mitglied des Deutschen Museumsbundes sowie des Museumsverbandes für Niedersach-sen und Bremen. Besonders enge Kontakte bestehen mit dem Deutschen Pferdemuseum in Verden.

„Fügen hiemit zu wissen …“Gründungsurkunde der Roß-Arzney Schule Hannover, 1778

Einführung

Das hannoversche MuseumDer Gedanke, in Deutschland ein Museum für Tiermedizin zu gründen, reicht bis ins Jahr 1936 zurück. Kriegsbedingt kam das Vorhaben jedoch zum Erliegen. Erst 1971 wurde wieder ein Vorstoß unternommen. Der Hochschuldo-zent Ernst-Heinrich Lochmann, der neben sei-ner Tätigkeit als Presse- und Protokollreferent die Abteilung „Geschichte der Veterinärmedi-zin“ leitete, unterbreitete dem Senat der TiHo am 18. Juni 1971 einen detailliert ausgearbei-teten Plan „zur Schaffung eines ´Veterinärme-dizinhistorischen Museums´ an der Tierärztli-chen Hochschule Hannover“.

Zur offiziellen Gründung kam es 1973, - ein Jahr später waren die ersten Vitrinen im Au-latrakt der Hochschule installiert. Nachdem im Herbst 1977 durch die Verlagerung des Instituts für Pharmakologie, Toxikologie und

Pharmazie an den Bünteweg einige Räume im Apothekengebäude frei wurden, konnte im Juli 1978 der provisorische Umzug erfolgen. Die Räume im Apothekengebäude, das im Jahr 1899 eingeweiht worden war und wegen seiner großen freitragenden Holzdecke im Hörsaal unter Denkmalschutz steht, mußten vor allem aus Gründen der Statik saniert werden. Am 16. Mai 1981 war es dann so weit und das Museum zu besichtigen.

Die Konzeption des Museums, das in den Jah-ren 1979-1987 ganz langsam, also Vitrine für Vitrine gewachsen ist, läßt sich am besten an-hand eines kurzen Rundgangs erläutern. Wie in jedem anderen fachgeschichtlichen Museum wird versucht, die grundlegenden Aufgaben musealer Arbeit zu erfüllen, nämlich:

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SammelnDas Sammeln der mittlerweile über 6.000 Ob-jekte geschah seit Anbeginn durch die Über-nahme von Schenkungen, Dauerleihgaben und Nachlässen aus Tierarztpraxen. Daneben wurde und wird auch mit anderen Sammlungen ge-tauscht.

BewahrenDas Bewahren der gegenständlichen Objekte, Urkunden und Bilder etc. als oberste museale Pflicht muss sich in aller Regel auf das Verwah-ren der Objekte beschränken, da das Museum über keinen eigenen Personal- und Sachetat verfügt.

AusstellenDie permanente Schausammlung dient der Ausbildung der Studierenden, der Fortbil-dung von Tierärzt(inn)en und der Information von Laien. Museumstechnisch und -didak-tisch stellt sich die Präsentation liebenswert „museal“ dar.

ErforschenDie fachhistorische Auswertung handschrit-licher Rossarzneibücher oder Vorlesungsmit-schriften aus dem Fundus des Museums und der Militärsammlung stellen logische Teilbereiche der historischen Grundlagenforschung dar.

UnterrichtenNeben den allgemeinen und themenspezifi-schen Führungen für Besuchergruppen wird für Studierende der Tiermedizin eine Wahl-pflichtveranstaltung durchgeführt, die mit den Grundlagen musealer Arbeit vertraut macht. Summa summarum hat Museumsarbeit also stets mit einem Aufgabenquintett zu tun, das allerdings nur bei harmonischem Zusammen-spiel Erfolg haben kann. Der nun folgende Rundgang durch diesen „Hort des Bewahrens und Bestaunens“, das Veterinärmedizinhisto-rische Museum der TiHo Hannover, dauert rund 30 Minuten.

• Träger:TiHoHannover,FachgebietGeschichte• Personal:1Wissenschaftler(Personalunion)• Sachetat:keinen

• Gründung1973 • Eröffnung1981• Bestandca.6.000Objekte • Ausstellungca.650Exponate• Militärsammlungca.350Exponate • Gesamtausstellungsfläche230m2

• Hörsaalvon1899(126Sitzplätze) • Hochschularchivca.600Regalmeter• BibliothekdesFachgebietsca.4.500Bände

Das Museum in Zahlen

Rundgang:Erdgeschoss

Das erste Exponat, zu sehen im Eingangsbe-reich im Erdgeschoß, ist ein „Geburtsphantom“, das von Prof. Dr. Richard Götze und Dr. Johan-nes Ließ in den 1920er Jahren konstruiert und weiterentwickelt wurde. Zweck dieser schwe-ren Gerätschaft war es, anhand eines einge-brachten Fetus die Lage, Stellung und Haltung eines Kalbes im Mutterleib zu demonstrieren und unter nahezu realistischen Bedingungen geburtshilfliche Handgriffe zu üben. Darüber hinaus sind alle physiologischen und patholo-gisch-anatomischen Gegebenheiten des Mut-tertieres, die zu Geburtskomplikationen führen können, darstellbar. Das Phantom zeichnet sich durch eine hohe Variabilität aus, da nahe-zu alle Teile beliebig verstellbar sind (Berliner Tierärztliche Wochenschrift, 1930, Nr. 26, Seite 415 ff). Das erste Geburtsphantom wurde bereits vor 1778 von Johann Adam Kersting entwickelt.

Daueraustellung

„Geburtsphantom“nach Götze und Ließ, zum Erlernen der

Geburtshilfe beim Rind, 1930

Rundgang:ErsteEtageFoyer

Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

Fetotom nach Pflanz

Page 5: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Der eigentliche Rundgang durch das Museum beginnt im ersten Stock. Vier Poster vermitteln einen knappen Überblick über die Anfänge und die Entwicklung der Tierheilkunde. Sie tragen die Überschriften Geburtsstunde der Tierheilkunde, Tierheilkundlicher Alltag und Tierärztlicher Unterricht (linke Seite). Das Poster Kinder und Tiere (rechte Seite) ist eine Hommage an die bis vor wenigen Jahren hier anzutreffenden Kinder. Warum dies?

Im ersten Stock des Museumsgebäudes be-fand sich die Ziervogelklinik, und so mancher menschliche und tierische Piepmatz wartete hier auf die Behandlung. Vorbei an einer Narkoseapparatur, die zuletzt im Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo zur Anäs-thesie von Schweinen verwendet wurde, und einem Trichinoskop mit Bildschirm aus den 1950er Jahren geht es auf die erste Vitrine zu.

Die Methode, Flüssigkeiten mithilfe einer Spritze in den Körper zu injizieren, ist über 300 Jahre alt. William Har-vey, der Entdecker des großen Blutkreislaufes und der Funk-tion des Herzens als dessen Antriebspumpe, verwendete bereits Metallspritzen. Zuvor waren Spritzen aus Röhren-knochen mit Metallstempeln verwendet worden. Seit ca. 1850 folgten dann Ganzglas-Kolben-Spritzen. In den 1960er Jahren verdrängte Kunststoff das Glas als Material. Mit Beginn der 1970er eroberten Spritzen aus Vollkunststoff den Markt und Anfang der 1990er Jahre begann der Sie-geszug der sterilen Einweg-spritzen, die einen großen Vorteil im hygienischen Bereich bieten.

Die in Vitrine 1 und auf einer Wandtafel gezeig- ten Injektionsspritzen und Infusionsapparate veranschaulichen nicht nur die Entwicklung dieser unverzichtbaren Instrumente, sondern sie können auch zeigen, wie erfindungsreich

Tierärzte sein müssen: Tierärzte behandeln nicht nur eine Spezies, sondern Dutzende und in allen Größen, vom Hamster bis zum Ele-phanten, und für jede dieser Spezies muss ein geeignetes Instrumentarium vorhanden sein.

Im Jahr 1778 gegründet war die Roß-Arzney-Schule Hannover in einem Gebäude am Nord-rand Hannovers untergebracht, am Clevertor. Gründer der Anstalt war Georg III., König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover. Er und seine Gemahlin sind auf zwei Bildern in der Vitrine zu sehen. Drei andere Bilder zeigen den ersten Direktor der Schule, Oberhofross-arzt Johann Adam Kersting, sowie seinen Ge-hilfen und Nachfolger, den Rossarzt August Conrad Havemann nebst Gemahlin.

Mit einer Verordnung vom 18. Juli 1778 hat der Kurfürst seine hannoverschen Unterta-nen von der Schulgründung unterrichtet. Das Dokument ist im Original ausgestellt (s. oben

S. 4), ebenso zwei Grundrisspläne des ersten Schulhauses und einiger Erweiterungsbauten der folgenden Jahre. Drei Bilder vermitteln einen Eindruck von den ehemaligen Schul-gebäuden in verschiedenen Jahren. Ein im Wintersemester 1880/81 aufgenommenes Foto vom Lehrkörper der mittlerweile als Königli-che Tierarzneischule bezeichneten Lehrstätte vervollständigt die Exponate dieser Vitrine.

Die Hochschule ist Ende des 19. Jahrhun-derts am jetzigen Standort (damals Misbur-ger Damm, heute Bischofsholer Damm) neu erbaut und 1899 eingeweiht worden. Im Jahr 1953 bekam sie den Westfalenhof in Hanno-ver-Kirchrode als Erweiterungsgelände hinzu.

Vitrine1:EntwicklungderInjektion

Injektionsspritzen und Infusionsapparate jeder Größe (Photo: R. Zeller)

Vitrinen2und3:GründungderRoßarzneischule1778

Johann Adam Kersting (1727-1784), der erste Lehrer der Kgl. Tierarzneischule Hannover. Das Clevertor: Links das Hauptgebäude der Schule, rechts das Militärhospital, um 1830.

Rundgang:ErsteEtage,Raum1

Zu sehen sind Porträt-Fotografien der Direk-toren, die im 19. Jahrhundert nacheinander die Anstalt geleitet haben: Ulrich Friedrich Hausmann, als Nachfolger von August Conrad

Havemann, dann Johann Heinrich Friedrich Günther, Andreas Christian Gerlach, Karl Wil-helm Adalbert Günther und Karl Dammann. Sie alle waren auf Lebenszeit zum Direktor

Vitrine 4: Zur Geschichte der TiHo

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ernannt worden. Nachdem Karl Dammann 1912 in den Ruhestand getreten war, wurde der bereits 1887 zur Hochschule erhobenen Lehrstätte 1913 die Rektoratsverfassung ver-liehen, womit sie Universitäts-Status erlangte. Seitdem wurde sie von einem auf zwei Jahre gewählten Rektor als primus inter pares gelei-tet, dessen erste Amtskette rechts unten in der Vitrine abgebildet ist. Im Jahr 2002 wurde die Rektoratsverfassung von einer Präsidialverfas-sung abgelöst und die Leitung der Hochschule einem hauptamtlichen Präsidenten übertragen. Außer den Bildern werden einige Schriften der Direktoren gezeigt, unter anderem ein Brief von Johann Adam Kersting an den Biologen Albrecht von Haller.

In der Mitte der Vitrine 4 ist der Stundenplan aus dem Jahr 1778 ausgestellt, dem man ent-nehmen kann, was in den ersten Jahren an der Tierarzneischule gelehrt worden ist. Im Win-tersemester: 8-9 Uhr Schmieden, täglich; 9-10

Uhr Unterricht über innere und äußere Krank-heiten der Pferde, an vier Tagen; 10-11 Uhr Vorzeigen kranker Tiere, täglich; 13-14 Uhr Anatomische Zergliederungen, täglich; 14-15 Uhr Anatomischer Vortrag, vier Tage, und Allgemeines Examinatorium über alle Gegen-

Der Lehrkörper vor der alten Tierarzneischule am Clevertor, Sommersemester 1899.

stände, zwei Tage; 15-16 Uhr Anatomische Zergliederungen.

Die Fotos in der Mitte auf dem unteren Tablar und an der Rückwand vermitteln einen Ein-druck vom Aussehen der zu über 80 % aus-gebombten Hochschule am Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Glocke, die bis zur Ausbom-bung im Turm des Hochschul-Verwaltungs- gebäudes gehangen hat, zeigte mit ihrem Schlag Beginn und Ende der Vorlesungen und Übungen an.

Unterrichtsglocke im Hauptgebäude bis 1943

Auf dem Vitrinenboden liegen mehrere Glück-wunschadressen, wie sie die Hochschule an-lässlich ihres 100-, 150-, 175- und 200-jährigen Jubiläums in großer Zahl aus vielen Ländern bekommen hat.

Das Tablar rechts oben ist dem ehemaligen Schlachthofdirektor in Straubing und Ehren-bürger der TiHo Dr. Hugo Heiss gewidmet. Er erwarb sich um die schmerzlose Schlachtung von Tieren und den Schlachthofbau wesent-liche Verdienste.

Vitrine5:OhneHufkeinPferd

Das Pferd, das seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. wichtigste Fortbewegungsmittel des Men-schen, braucht gesunde Gliedmaßen und ein gesundes Gebiss. Denn ein Pferd, das aufgrund von Schmerzen nicht läuft, frisst auch nicht und umgekehrt.

Die Hufuntersuchungszange dient dazu, bei Lahmheiten durch Druck auf die Hornwand und -sohle festzustellen, ob sich ein krankhaf-

ter, schmerzhafter Prozess, z. B. ein Abszess, im Huf befindet und ihn ggf. zu lokalisieren.

Längsspalten im Hufhorn hat man früher provi-sorisch verschlossen, indem man sie unter Ver-wendung einer speziellen Zange mit Agraffen

verklammerte, bis gesundes, also unverletztes Horn von oben nachgewachsen war.

Brennen, Haarseilziehen, Fontanellenlegen

DieunspezifischeReiztherapie

Durch starke Reize kann man die Abwehrkräfte des Körpers aktivieren, indem man bei-spielsweise eine akute Ent-zündung hervorruft, um einen alten, chronischen Prozess zur Ausheilung zu bringen. Etwa

bei chronischen Sehnenerkrankungen kann die Haut über der erkrankten Sehne gebrannt und zusätzlich noch mit einer stark reizenden,

Hauklinge und Hufmesser (Photo: R. Zeller)

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sog. scharfen Salbe eingerieben werden. Zum Brennen bediente sich der Tierarzt verschieden geformter Brenneisen, in der Fortentwicklung dann Thermokauter und Elektrokauter. Heut-zutage sind solche oder ähnliche Methoden aus Gründen des Tierschutzes nicht mehr erlaubt.

Gleichfalls um Entzündungen hervorzurufen, verwendete man einst Fontanellen und Haar-seile. In früheren Jahrhunderten meinte man sogar, mittels Fontanellen nicht nur chirurgi-

sche, sondern auch innere Erkrankungen heilen zu können. Die Fontanelle, ein kleines Leder-stück, wurde durch einen mit der Fontanel-lenschere angebrachten Hautschnitt unter die Haut geschoben. Das aus Pferdehaaren, Hanf oder Mull bestehende Haarseil wurde mittels der Haarseilnadel unter die Haut gezogen. Bei-de „Fremdkörper“ konnten auch vorher noch mit reizenden Substanzen, z. B. Terpentin, ge-tränkt werden, und sie blieben dann mehrere Tage liegen.

Nach der bis in die zweite Hälfte des 19. Jahr-hunderts gültigen Lehre der Humoralpatholo-gie des Hippokrates und des Galenos werden Krankheiten durch zu viel oder in falschem Mischungsverhältnis zueinander stehende oder verdorbene Körpersäfte (Blut, Gelbe Galle, Schwarze Galle, Schleim) hervorgerufen. Mit Hilfe des Aderlasses sowie mit Abführmitteln, Brechmitteln, schweiß- und harntreibenden Mitteln wollte man das Gleichgewicht der Säf-te wiederherstellen. Dabei glaubte man, den Aderlass je nach Krankheit an ganz bestimm-ten Stellen des Körpers vornehmen zu müssen (vgl. Vitrine Nr. 8). Ursprünglich diente zum Aderlass die Fliete, deren Klinge mit dem Schlägel in eine gestaute Vene geschlagen wur-de. Später entwickelte man Aderlassbestecke mit verschieden großen Klingen zur Auswahl. Die Erfindung des Aderlassschnäppers, dessen Klinge durch einen Federmechanismus in die

Die Zahnbehandlung

Auch Pferde haben hin und wieder eine Zahn-behandlung nötig. Einige dafür erforderliche Instrumente sind im rechten Teil der Vitrine ausgestellt. So bedient sich der Tierarzt wäh-rend der Untersuchung und Behandlung zum Eigenschutz eines Maulgatters, Maulöffners oder Maulkeils, um das Maul offen zu halten.

Bei Pferden wachsen die Zähne stän-dig nach und werden normalerweise durch das Kauen gleichmäßig abge-rieben. Wenn aber durch Gebissano-malien, wie z. B. Zahnfehlstellungen, ein ungleichmäßiger Abrieb der Zahn-flächen erfolgt, können scharfe Kan-ten an den Zähnen stehen bleiben und schmerzhafte Verletzungen an den Ba-ckeninnenseiten und an der Zunge ver-ursachen, so dass die Pferde das Futter verweigern. Diese Kanten werden mit der Zahnraspel oder mit dem Zahnho-bel geglättet oder mit der Zahnschere abgekniffen.

Bei Pferdezähnen, die gezogen werden müssen, bedarf es wegen ihrer langen

Wurzeln und der kleinen Maulhöhle großer Kräfte und entsprechender Zahnzangen mit langem Hebelarm. Kann der Zahn nicht über die Maulhöhle gezogen werden, so muss er durch einen von außen operativ geschaffene Zugang im Kiefer (Trepanation) mit dem Zahnmeißel herausgeschlagen werden.

„Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“

Maulgatter und Zahnraspel (Photo: R. Zeller)

Vitrine6:„LochundLöcher“

Vene schnellt, machte den Schlägel überflüs-sig. Wenn heute in Ausnahmefällen noch zur Ader gelassen werden muss, dann geschieht das mit einer Blutentnahmekanüle.

La folie du Jour - Der Wahnsinn des Tages (Empire-Stich)

Aderlassbesteck und -schnäpper (Photo: R. Zeller)

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Auf dem Tablar darunter sind einige Instru-mente für Operationen am Kehlkopf zu sehen. Kann ein Patient aus irgendeinem Grund nicht normal durch Nase oder Maul atmen, z. B. während und nach einer Operation an den obe-ren Luftwegen, wird ihm vorübergehend ein Tracheotubus in die Luftröhre gesetzt.

Bei Darmverstopfung und manchmal auch zur Applikation von Medikamenten werden Klistiere verabreicht. Die dazu nötigen Klis-tierspritzen wurden aus Holz, Zinn und spä-ter auch Hartgummi gefertigt. Dass nicht nur Mensch, Pferd oder Rind, sondern auch das Hündchen von Madame sein Klistier bekam,

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren die landwirtschaftlichen Nutztiere tierärztlich ganz und gar unterversorgt. Um die Pferdeheil-kunde war es etwas besser bestellt. Es wurden zahlreiche hippologische Werke geschrieben, die auch Kapitel über Pferdeheilkunde enthiel-ten. Und es entstanden spezielle Rossarznei-bücher. Einige Werke sind in dieser Vitrine ausgestellt. Sie enthielten häufig Abbildungen, unter anderem von Lassrösslein. Auf solchen Bildern sind die Stellen des Tierkörpers ge-kennzeichnet, an denen bei den verschiedenen Krankheiten der Aderlass vorgenommen wer-den sollte (vgl. Vitrine 6). Manchmal waren auch Fehlerpferde abgedruckt in der Art der kolorierten Radierung von C. von Katte aus dem Jahr 1820. Solche Darstellungen zeigten alle damals bekannten Pferdekrankheiten.

Es wird eine Auswahl von Instrumenten zur Untersuchung von Tieren gezeigt. Um Lunge, Herz und andere Organe abzuhorchen, wurde lange Zeit das Stethoskop benutzt, später ent-wickelte man die heute allgemein verwende-ten Phonendoskope. - Ein Ophthalmoskop mit seinen verschiedenen Aufsätzen dient der Un-tersuchung des Augenhintergrundes. Das Uro-meter wird zur Bestimmung des spezifischen Gewichts des Harnes benutzt.

Die schonende Anwendung von Zwangs- mitteln zur Ruhigstellung der Tiere ist für die

illustriert der Empire-Stich „La folie du Jour“ in anschaulicher Weise.

Zum Eingeben von Medikamenten werden verschiedene Möglichkeiten gezeigt. Mit dem Pilleneingeber wird auch heute noch in der Praxis gearbeitet. Die Kornzange wird zum Eingeben von Tabletten bei kleineren Tieren wie Schafen oder Hunden verwendet. Flüssige Arzneimittel versuchte man dem Pferd mittels einer Medizinalkandare zu verabreichen. Eine Pansensonde kommt bei Wiederkäuern zum Einsatz, sie dient sowohl zum Eingeben von Flüssigkeiten als auch zum Ablassen von an-gestautem Gas aus dem Pansen. Die zwei Bände des Cours d’hippiatrique, den

Philippe Etienne Lafosse 1772 in Paris her-ausgegeben hat, stehen an der Schwelle zur neuzeitlichen wissenschaftlichen Veterinär-medizin, die mit der Gründung tierärztlicher Bildungsstätten ab 1762 ihren Anfang nahm.Sicherheit des Tierarztes unumgänglich, um

eine eingehende Untersuchung und effektive Behandlung ohne Gefährdung von Mensch und Tier zu ermöglichen.

Darunter werden verschiedene Geräte gezeigt, mit denen Tiere gekennzeichnet wurden. Man kann ihnen ein Kennzeichen „auf den Pelz brennen“, eine Ohrmarke einziehen oder sie mit individuellen Kerben im Ohr markieren. Heute dient der Chip als modernes Mittel der Kennzeichnung.

Da es manchmal nötig ist, in der Herde lau-fenden Rindern wegen Verletzungsgefahr die Hörner zu entfernen, ist früher ein Hornab-schneider benutzt worden. Heute bedient man sich eleganterer Methoden, indem man die Hörner mit einer Drahtsäge absetzt oder die Hornanlagen bei Kälbern entfernt, bevor die Hörner wachsen. Mit einem Hornleiter kön-nen bei Fehlstellungen die Hörner während des Wachstums in die gewünschte Richtung gelenkt werden.

Vitrine 7: Allgemeinuntersuchung und Zwangsmittel

Geringeltes Schwein, 1539

Vitrine 8: Alte Literatur

Holzschnitt aus dem Cours d´hippiatrique von Philippe Etienne Lafosse, 1772 (Photo: R. Zeller)

Roßarzneibuch des Meister Albrant, Erfurt 1500

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Nach Gründung der Tierarzneischulen kamen die Schüler entweder vom Militär oder es wa-ren Söhne von Bauern, Schmieden, Metzgern oder Gastwirten, die Tierärzte werden wollten. Sie konnten sich die ohnehin wenigen guten Fachbücher (vgl. Vitrine 8) nicht leisten.

Auf dem oberen Tablar sind verschiedene Me-dikamente aus alter Zeit zu sehen. Das unten in der Vitrine stehende Trichinoskop diente der Untersuchung von Fleisch auf Parasiten,

Vitrine9:Vorlesungsmitschriften

Vitrine9a:Medikamente,Trichinoskop

Deshalb mussten sie im Unterricht alles mit-schreiben, ja es wurde zum Teil regelrecht diktiert. Viele solcher Kollegmitschriften sind erhalten geblieben und bilden die Basis für die Auswertung im Rahmen von Doktorarbeiten.

die sich im Muskelfleisch befinden (Trichi-nen). Dem selben Zweck diente auch das im Flur stehende Stand-Trichinoskop mit großem Bildschirm.

Trichinoskop zum Aufspüren von Trichinen im Muskelfleisch (Photo: R. Zeller)

Trichinen in der Muskulatur, nach einer Zeich-nung von Gerlach, 1873

Rundgang:ErsteEtage,Raum2

Bei den landwirtschaftlichen Nutztieren und auch in der Pferdezucht ist die Fruchtbarkeit einer der wichtigsten wirtschaftlichen Fakto-ren. Ohne ungestörte und regelmäßige Fort-pflanzung keine Nachzucht, keine Milch, kein Fleisch, kein Ertrag für den Landwirt und Züchter. Es ist Aufgabe des Tierarztes, Frucht-barkeitsstörungen und Erkrankungen des Ge-schlechtsapparates zu erkennen und zu behan-deln. Prof. Dr. Richard Götze, bis 1955 Leiter der Rinderklinik der TiHo, hat einige der dafür erforderlichen Gerätschaften zur Diagnostik und Therapie entwickelt.

Ein Scheidenspekulum oder ein Scheiden-spanner ermöglichen die Untersuchung und Behandlung. Damit Mikroorganismen, die

Mit der Schweifkupierschere wurde früher häufig der Pferdeschweif abgeschnitten und dann mit dem ringförmigen Brennkolben die Wunde verschorft. Allerdings handelte es sich dabei in der Mehrzahl der Fälle um eine Modeoperation, die in Deutschland seit 1936 verboten ist. Heute darf der Schweif nur noch bei medizinischer Indikation kupiert werden.

Auf dem Tablar darunter werden Kluppen und Schablonen zum Kupieren von Hundeohren gezeigt. In vielen Ländern Europas ist das Kupieren bei Hunden mittlerweile verboten, in Deutschland seit 1987 (Ohren) bzw. 1998 (Schwanz). Ausnahmen sind Amputationen aus medizinischer Indikation (z. B. Tumore, Schwanzabriss) oder in Deutschland die jagd-liche Nutzung der Tiere.

eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit ver-ursachen, identifiziert werden können, ist es notwendig, eine Probe des Scheiden- und Uterusinhaltes zu entnehmen und im Labor zu untersuchen. Um in Muttermund und Ge-bärmutter zu gelangen, wird der Muttermund mit einer Cervix-Faßzange ergriffen und mit einem sterilen Tupfer (-Katheter) eine Probe entnommen.

Zur Behandlung des Uterus bediente sich der Tierarzt verschiedener Katheter sowie einer Uterussalbenspritze, um flüssige oder salben-förmige Arzneimittel einzubringen. Später wurden dann Uterusstäbe entwickelt, bei denen die Wirkstoffe, z. B. Antibiotika, über die Schleimhäute aufgenommen werden.

Vitrine 10: Gynäkologische Untersuchung

Vitrine11:OperationenundNarkose

Schweifkupierschere(Photo: R. Zeller)

Page 10: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Die operative Eröffnung des Schädels oder seiner Nebenhöhlen bei Flüssigkeitsansamm-lungen wie z. B. Eiter wird als Trepanation bezeichnet (vgl. dazu auch Vitrine 5, Zahnbe-handlung). Einige der dafür benötigten Trepa-ne sind auf dem mittleren Tablar ausgestellt.

Rechts davon liegen Geräte, die der Behand-lung von Hernien (Eingeweidebrüchen) dien-ten. Insbesondere bei Nabel- und bei Bauch-wandbrüchen wurde der Bruchsack mittels einer Bruchzange oder -kluppe abgequetscht.

Die Figur im Winkel der Vitrine trägt Gum-mi-Schutzkleidung aus den 1970er Jahren, wie sie bei verschiedenen tierärztlichen Ver-richtungen notwendig ist, u. a. bei der instru-mentellen Samenübertragung.

Operative Eingriffe am Tier werden unter Schmerzausschaltung durchgeführt. Den lan-ge Zeit benutzten Narkotika Chloralhydrat und Chloroform haften aber erhebliche Ne-benwirkungen an. Deshalb entwickelten Prof. Dr. Richard Völker und Mitarbeiter in den 1930er Jahren an der TiHo Hannover einen in Kombination mit dem Sauerstoffbehand-lungsgerät des Heeres verwendeten Apparat für die sog. Ätherinsufflationsnarkose (Äther-einatmungsnarkose). Zeitgleich entstand in Hannover das alternativ mit Äther und Chlo-roform verwendbare Gerät von Prof. Dr. Paul Henkels. Beide Apparaturen sind ausgestellt. Die Weiterentwicklung führte von der Insuf-flationsnarkose zur Intubationsnarkose, bei der in die Luftröhre (Trachea) ein Schlauch eingeführt wird, durch den das Narkosegas einströmt. Dieses heute in der Humanmedizin verwendete Verfahren kam aus der Veterinär-medizin.

Trepan (Photo: R. Zeller)

Die Kastration von Nutztieren - die Entfer- nung der Hoden oder der Eierstöcke - ist eine der ältesten Operationen. Meistens werden männliche Tiere kastriert. In der Mehrzahl der Fälle diente dieser Eingriff dazu, fette Tiere anzumästen oder die Arbeitskraft der im Temperament ruhigeren Kastrate (Walla-che, Ochsen) besser nutzen zu können. In der Schweinezucht werden männliche Tie-re kastriert, um den Ebergeruch und -ge-schmack zu verhindern. Hin und wieder

Vitrine 12: Kastration und Sterilisation

muss auch aus medizinischen Gründen kas-triert werden, z. B. bei Kryptorchismus, einer Erkrankung, bei der ein Hoden in der Beckenhöhle zurückbleibt und nicht absteigt.

Fast alle bei männlichen Tieren angewendeten Kastrationsgeräte, wie Kluppen, Zangen und Emaskulatoren, arbeiten nach dem Prinzip, durch eine Quetschung des Samenstranges die Durchblutung des Hodens zu unterbre-chen. Infolge der Gefäßkompression fließt

kein Blut mehr zum Hoden. Wenn der Hoden dann abgeschnitten wird, tritt keine Blutung auf, auch wird das Infektionsrisiko verringert. Bei der früher, schon vor vielen Jahrhunderten gebräuchlichen Kluppen-Kastration wird der Hoden meist nicht abgesetzt; wegen der Un-

dieser Methode wird zunächst die Vulva mit einem Scheidenspanner gespreizt. Sodann führt der Operateur in seiner Hand ein ver-decktes Messer ein und setzt am Scheidendach einen Schnitt. Durch diese Öffnung fasst er in die Bauchhöhle, sucht den Eierstock auf und

Die Kastration ist der älteste operative Eingriff bei Haustieren: Links Kastrationszangen für Großtiere, rechts Kapaunisierbesteck für Hähne

terbrechung der Durchblutung verkümmert er und fällt schließlich ab, gleichfalls ohne Blut-austritt. Die Kluppen werden mit einer Klup-penzange oder -schraube zusammengepresst und dann -gebunden.

Auch Hähne wurden kastriert, um wohlschme-ckendes Kapaunenfleisch zu erhalten. Zur operativen Entfernung der in der Bauchhöhle liegenden Hoden ist ein spezielles Kapaunisierbesteck entwickelt wor-den. Das Fleisch von Kapaunen er-freut sich heute in Feinschmecker-kreisen zunehmender Beliebtheit.

Die Kastration weiblicher Tiere erfolgt viel seltener und fast aus-schließlich wegen Erkrankungen der Eierstöcke. Eierstöcke können entweder mittels eines Schnittes in der Flanke des Tieres oder von der Scheide aus entfernt werden. Bei

zieht ihn in die Scheide. Dann legt er die Kette oder die Drahtschlinge eines Ekraseurs darum und setzt das Ovar durch Zuziehen ab. Auch hierbei wird durch Quetschung eine Blutung verhindert. In der Kleintiermedizin wird der Zugang zu den Eierstöcken mittels eines me-dianen Bauchschnittes gewählt.

Ketten-Ekraseur nach Chassaignac zur Kastration von Stuten (Photo: R. Zeller)

Page 11: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Vitrine13:GeburtshilfeundFetotomie

FetotomieIst bei einer zu großen Frucht auch der Aus-zug nicht möglich, dann musste man früher zur Rettung des Muttertieres immer eine Fetoto-mie durchführen, d. h. das Kalb oder Fohlen opfern, indem man es im Mutterleib zerschnei-det und in Einzelteilen herausholt. Dazu sind z. T. abenteuerliche Geräte entwickelt worden: Fingermesser und -sägen, Kettensägen und scharfe Haken, auch größere Geräte für Groß-tiere wie Vakufakt, Rachiofor und Fetotom zum Zerschneiden, sowie Rückenmarkbohrer zum Herausziehen der Stücke. Heute ist nur noch das Fetotom nach Thygesen mit einer dünnen Drahtsäge gebräuchlich; es ermöglicht eine weitestgehende Schonung des Muttertie-res. Die Fetotomie findet in unserer Zeit jedoch in der Regel nur noch bei im Mutterleib bereits abgestorbener Frucht Anwendung.

KaiserschnittHingegen wenn sie noch lebt, wird der Kai-serschnitt durchgeführt, um Mutter und Frucht zu erhalten. Die Sectio caesarea beim Rind ist auf einigen Fotos an der linken Vitrinenwand dargestellt.

Die geburtshilflichen Maßnahmen kann man in drei Gruppen zusammenfassen:• Auszug• Fetotomieund• Kaiserschnitt(Sectiocaesarea)

AuszugBeim Auszug wird die natürliche Austrei-bungsphase durch Zug mittels Geburtsketten, -haken oder -zangen unterstützt. Früher be-diente man sich dafür sog. Extraktoren. Von Laien wurden verschiedentlich auch Geburts-maschinen angewendet, mit denen aber sehr leicht Schaden angerichtet werden konnte. Eine solche Maschine ist in der Mitte des Raumes aufgestellt. Falls der Fetus anormal in die Ge-burtswege eintritt, sind vor dem Auszug Lage- oder Stellungsberichtigungen erforderlich, für die im Laufe der Jahrhunderte spezielle Haken, Krücken, Repositoren u. a. m. entwickelt und angewendet worden sind.

Geburtshilfemaschine zumAuszug eines Kalbes (Photos: R. Zeller)

Handsäge und Fingermesserfür die Fetotomie

Rundgang:ErsteEtage,Raum3

Die Vitrine enthält eine Bild-Dokumentation aus der Heeresveterinär-Akademie Hannover, die von 1935 bis 1945 bestand, sowie vom Stu-dium der Veterinärfähnriche an der TiHo Han-nover. Daneben liegen Kopien von Patenten als Oberveterinär und als Stabsveterinär von 1910 und 1911. Das Patent von 1910 ist zugleich ein interessantes Dokument von der Errichtung des Veterinäroffizierskorps des Deutschen Rei-ches in diesem Jahr. Bildtafeln an der Wand geben einen Überblick über die Rangverhältnisse von Militärtierärz-ten in den deutschen Staaten vom Kurschmied über den Rossarzt bis zum Generalstabsvete-rinär. Die Originalaquarelle befinden sich im Heeresveterinärmuseum (siehe unten).

Anhand einiger Hufeisen wird die Entwick-lung des genagelten Hufbeschlags vom ca. 1000 Jahre alten Wellenrandhufeisen bis zum Heereshufeisen 32 demonstriert, das zum Vor-bild für den sachgemäßen zivilen Hufbeschlag wurde.

Mittelalterliches Wellenrandhufeisen und Heeres-hufeisen 32 (Photo: R. Zeller)

Vitrine 14: Heeresveterinärakademie Hannover

IndenVitrinenNr.14bis17werdenExponateausderseparatuntergebrachtenSammlungzumMilitärveterinärwesengezeigt(sieheHeeresveterinärmuseum).Siesollenverdeutlichen,inwelcherWeiseMilitärtierärztemitderEntwicklungvonGerät,InstrumentensowieMe-thoden der Diagnostik und Therapie am Fortschritt der Veterinärmedizin beteiligt waren.

Nur fünf Monate, nachdem Prof. Dr. Wilhelm Conrad Röntgen seine Entdeckung der X-Strahlen veröffentlicht hatte, wurde 1896 in der Militärveterinärakademie Berlin von dem Rossarzt und späteren Generalveterinär Carl Troester die erste tierärztliche Röntgenphoto-graphie aufgenommen. Troester passte die Ap-paratur an die speziellen Anforderungen in der Tiermedizin an. Ein im Zweiten Weltkrieg ver-wendetes Feldröntgengerät ist in Raum 2 auf-gestellt, ein weiteres Exemplar steht in Raum 3 des Heeresveterinärmuseums.

Vitrine15:RöntgenundTierseuchenbekämpfung

Rotzinfektion beim Pferd

Page 12: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Es werden Merkblätter, Befehle, Belehrungen, Anordnungen, Diagnosen sowie Fotos des Heeres-Veterinäruntersuchungsamtes Berlin gezeigt, das 1888 als Laboratorium der Mili-tär-Roßarztschule gegründet wurde. Bemer-kenswert sind zwei Anordnungen von 1915 zur Bekämpfung der Rotzkrankheit (Maleus) der

Pferde und zur Vermeidung der Einschleppung der Rinderpest. Ebenfalls interessant ist ein Schreiben des Heeresveterinärinspekteurs Curt Schulze von 1942, mit dem auf die Möglich-keit der Übertragung der Pest durch Kamele auf den Menschen in Südrussland aufmerksam gemacht wird.

Vitrine 16: Heeresveterinäruntersuchungsamt Berlin

Kriegstierseuchen und ihre Bekämpfung

Da bei Pferden vielfach Zahnbehandlungen not-wendig sind (vgl. dazu Vitrine 5), wurde beim Militär der Zahnbehand-lung große Bedeutung bei-gemessen. Deshalb waren alle Pferdelazarette mit ei-nem transportablen Zahn-behandlungsgerät nach Prof. Dr. Erwin Becker ausgerüstet, dessen An-wendung dargestellt wird und das im Original im Heeresveterinärmuseum ausgestellt ist. Von 1904 bis 1929 war jeder Veterinäroffizier mit einer Verbandstasche ausgerüstet. 1929

wurde sie in weiterentwi-ckelter Form als Veterinär-satteltasche bei der Armee eingeführt. Sie enthielt ein gut sortiertes Instrumentari-um, Verbandsstoffe und die wichtigsten Medikamente, so dass die operativen und therapeutischen Erstmaß-nahmen jederzeit vom Tierarzt durchgeführt werden konnten.

Die tierärztliche Schlacht-tier- und Fleischuntersu-

chung einschließlich Trichinenuntersuchung sowie die Lebensmittelüberwachung war für die Gesundheit der Soldaten von großer Bedeu-tung. Prof. Dr. Fritz Schönberg, Hannover,

Vitrine17:AusrüstungundAufgabenderVeterinäroffiziere

Chirurgisches Notfallbesteck inder Veterinär-Satteltasche 29

(Photos: R. Zeller)

Veterinärarzneikasten 18/27

Die Tierseuchenhygiene und -bekämpfung stellte im Hinblick auf die Entwicklung von Methoden für die Diagnostik und Therapie be-sondere Anforderungen an den Militärtierarzt. Solche Methoden sind für die Krankheiten Rotz (Maleus) und Lymphangitis epizootica am Beispiel serologischer Untersuchungen, sowie der Malein-Augenprobe und der Sal-

varsan-Therapie dargestellt. Verschiedene Ob-duktionsbestecke sollen die Bedeutung der pa-thologisch-anatomischen Befunderhebung für die Seuchendiagnostik und -bekämpfung ver-deutlichen. Gerade während und nach Kriegen treten seuchenhafte Erkrankungen bei Mensch und Tier gehäuft auf und auch Parasitosen wie die Krätze (Mensch) und Räude (Tier).

Page 13: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Rundgang:ErsteEtage,Raum4

Zum Schluss des Rundgangs noch ein Blick in die Praxis eines Landtierarztes der 1930/40er Jahre, in der es viel zu entdecken gibt: Der Raum diente nicht nur als Behandlungs- zimmer, sondern gleichzeitig auch als Apo-theke und Studierstube. Wer sich genauer um-

sieht, wird z. B. das Fehlerpferd aus Raum 1 wiedererkennen und sich auch fragen, was das wohl für bizarre Kugeln sind, die beim Schreibsekretär liegen, oder zu welcher Spezi-es das Skelett auf dem Arzneischrank gehört?

DiePraxisvonDr.Metz

entwickelte das erforderliche Untersuchungsbe-steck, das bei der Truppe 1936 eingeführt und auch im zivilen Bereich angewendet wurde. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Lahm-heitsdiagnostik und -therapie, die Hufchirurgie und Orthopädie bei Pferden in besonderem Maße eine Domäne des Truppentierarztes wa-ren. Die dabei gewonnenen Erfahrungen und die daraus entwickelten Methoden und Instru-mente kamen auch der zivilen Tierheilkunde

zugute. Auf dem Vitrinenboden wird als Bei-spiel die Kauterisation, das Brennen, anhand von Bildern demonstriert.

Der frei aufgestellte Veterinär-Arzneikasten 18/27 enthält die bei der Armee täglich ge-brauchten Arzneimittel. Die Anwendung der rot beschrifteten Arzneien war den Tierärzten vor-behalten, die schwarz beschrifteten Medika-mente durften auch von den Veterinärgehilfen oder vom Schmiedepersonal benutzt werden.

Praxis eines Landtierarztes,1930/40er Jahre (Photo: R. Zeller)

Endpunkt Magazin, aber nur wer Glück hat

Nachdem diese beiden Fragen beantwortet sind – die Kugeln sind Pilibezoare (Haarbälle) aus den Vormägen von Kälbern und das Ske-lett stammt von einem Schaf – hat so mancher Besucher das Glück, dass der Museumsleiter gerade dabei ist das Magazin zu öffnen, die Studiensammlung. Dieses Magazin ist die Keimzelle und die Schatzkammer des Muse-ums zugleich. Es enthält alle Exemplare mit geringen Abweichungen, die für die Präsen-tation weniger geeigneten Stücke sowie die Dubletten, numeriert und katalogisiert. Das Magazin ist seit Jahren bereits völlig überfüllt. Was wäre ein Museum außerdem ohne Keller-räume, die ebenfalls bis auf den letzten Qua-dratdezimeter vollgestellt sind. Neben leeren

Vitrinen, Tischen und anderem Gebrauchsma-terial lagert dort eine Fülle vor allem größerer, für die Ausstellung auf engstem Raum unge-eigneter, aber nicht minder wertvoller Objekte aus allen Bereichen des tierärztlichen Berufes.

Page 14: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Am25.September1990gingdieinderKlinikfürkleineKlauentierederTiHoHannoververwahrte „Veterinärmedizinhistorische Sammlung über den deutschen Heeresveterinär-dienst“alsnotarielleSchenkungdesOberfeldveterinärsa.D.Hanns-MartinWens(1912-1992)indasEigentumderHochschuleüber.ImJahr1995wurdediesemilitärhistorischeSammlungmitrund300ExponatenindasVeterinärmedizinhistorischeMuseumderTier-ärztlichen Hochschule integriert.

Heeresveterinärmuseum NurmitFührungzubesichtigen!

Heeresveterinärmuseum:Raum1

Zu Beginn des Rundganges sind Uniformen von Veterinäroffizieren aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges ausgestellt. Eine ori-ginale Aquarellserie des Berliner Malers Erich R. Döbrich aus Steglitz zeigt die Entwicklung der Uniformen in den deutschen Ländern von 1808 bis 1945.

oben: Uniformentwicklung 1808-1945, Aquarell-serie von Erich R. Döbrich, Steglitzrechts: Paradeuniform eines Oberfeldveterinärs, 1939-1945 (Photo: R. Zeller)

Fähnriche des Eintrittsjahres 1933 beim Unterricht in der HVA Hannover

links: Banner der Militär-Veterinär-Akademie Berlin, 1911 (Photo: R. Zeller)

Siemens Feldröntgengerät (Photo: R. Zeller)

Heeresveterinärmuseum:Raum2

Der zweite Raum ist der Geschichte der Hee-resveterinärakademie Hannover gewidmet. Von 1935 bis 1945 wurden in Hannover sämtliche Veterinäroffiziere für die Wehrmacht ausge-bildet. Es wird ein Überblick über die Heeres-

und Kriegsvete-rinärvorschriften sowie über die Struktur der Ve-terinär- und Hee-resveterinäraka-demien geboten. Des weiteren ist ein Banner der Militärveterinär-akademie Berlin

Heeresveterinärmuseum:Raum3

Am Ende des Rundgangs wird ein Eindruck von der umfangreichen Ausrüstung und mo-bilen Gerätschaft des Heeresveterinärwesens vermittelt. Dazu gehört unter anderem das von Erwin Becker entwickelte elektrische Zahnbe-handlungsgerät der Firma Hauptner sowie das damals hochmoderne mobile Feldröntgengerät der Firma Siemens. Die Veterinärkoffer und Satteltaschen in verschiedenen Sätzen gewäh-ren Einblicke über die verschiedenen, in der Pferdemedizin wichtigen Instrumente, chirur-gischen Notfallbestecke und Arzneien, die den damaligen Veterinäroffizieren im Kriegsein-satz zur Verfügung standen.Nun sind Sie am Ende der Führung angelangt und können mit Ihrer Besuchergruppe noch eine gute Tat vollbringen. Spenden Sie uns bitte einen Betrag Ihrer Wahl, damit dieses Spezialmuseum zur Geschichte der Tierme-dizin erhalten werden und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben kann.

ausgestellt. Der Raum beherbergt auch eine Büste des Generaloberstabsveterinärs und Heeresveterinärinspekteurs Prof. Dr. Curt Schulze.

Page 15: Veterinärmedizinhistorisches Museum der … Geburtshilfe beim Rind, 1930. Rundgang: Erste Etage Foyer. Poster im Foyer: Geschichte der Tierheilkunde für Eilige (Photo: R. Zeller)

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Das Gefallenendenkmal

Das am 23. 0ktober 1965 auf dem Gelände der Tierärztlichen Hochschule eingeweihte Ehren-mal zeigt einen Soldaten des Veterinärdienstes, der einem an Erschöpfung zusammmenge-

brochenem Pferd eine Decke überlegt. Es dient dem Gedenken der im Zweiten Weltkrieg ge-fallenen, gestorbenen oder vermissten Ange-hörigen des Veterinärdienstes.

Fachgebiet Geschichte, Museum und ArchivBischofsholer Damm 15 · D-30173 Hannover · Tel. 0511/8567503 · Fax 0511/8567676 · www.vethis.de

SpendenkontoGesellschaft der Freunde der TiHo Hannover (GdF)

Deutsche Bank Hannover, BLZ 250 700 70Kontonummer 0230375

Verwendungszweck „Museum“


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