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Verfassungsfeinde und das Kapital Finanzströme im ... · 10 Verfassungsfeinde und das Kapital –...

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Verfassungsfeinde und das Kapital Finanzströme im Rechtsextremismus Eine Veranstaltung des Verfassungsschutzes der Länder Brandenburg und Sachsen am 23. August 2012 in Potsdam Tagungsband
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Verfassungsfeinde und das KapitalFinanzströme im RechtsextremismusEine Veranstaltung des Verfassungsschutzes der Länder Brandenburg und Sachsen am 23. August 2012 in Potsdam

Tagungsband

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 1

Winfriede SchreiberEröffnungsrede der Leiterin des Verfassungsschutzes Brandenburg .............................2

Dr. Dietmar WoidkeGrußwort des Innenministers des Landes Brandenburg .................................................4

Martin DöringLandeszentrale für Politische Bildung Sachsen „Geld verdienen mit Hass – Rechtsextremistische Musik in Sachsen zwischen Ideologie und Kommerz“ ...............................................................9

Gordian Meyer-PlathPräsident Verfassungsschutz Freistaat Sachsen„Rechtsextremismus als Berufung – Sozioökonomische Profile brandenburgischer Rechtsextremisten“ .........................................................................15

Dr. Marc BrandstetterRedaktionsleiter „Endstation Rechts.“„Das Finanzwesen der NPD – Wie die Demokratie ihre Feinde finanziert“ ...................26

Klaus HanflandVerwaltung des Deutschen Bundestages„Gesetzliche Grundlagen und Praxis der Parteienfinanzierung“ ...................................40

Univ.-Prof. Dr. iur. Volker EppingLeibniz Universität Hannover„Müssen Demokraten ihre Feinde finanzieren? Extremisten im Spannungsfeld von Parteienfinanzierung, Überwachung und Verbot“ ..........................45

Inhaltsverzeichnis

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Winfriede Schreiber, Leiterin des Brandenburger VerfassungsschutzesEröffnungsrede

Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr geehr-ten Damen und Herren,der Auftrag des Verfassungsschutzes ist im Grundgesetz bestimmt. Darin wurden schon 1949 die Wehrhafte Demokratie sowie die Trennung zwischen Polizei und Ver-fassungsschutz festgelegt, um den Kernbestand unserer Verfassung, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu sichern. Zur Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber dem Verfassungsschutz nur ein Mittel in Hand gegeben: Er sammelt Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Diese wertet er aus und informiert darüber zustän-dige Stellen. Das ist zum Beispiel die Polizei. Aber auch die Öffentlichkeit zählt dazu.Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Brandenburg freuen sich, dass wir auch für die neunte Fachtagung ein Thema gefunden haben, das aktuell ist und neue Herausfor-derungen der Demokratie betrifft. Dieses Jahr geht es um „Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus“. Dazu haben wir Referenten aus unter-schiedlichen Disziplinen eingeladen.

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Rechtsextremisten haben schon immer gewusst, wie man an Geld kommen kann. Adolf Hitler zum Beispiel, dessen Privatvermögen immerhin mehrere Millionen Reichsmark betrug, ließ sorgfältig überwachen, dass ein Foto von ihm nicht unentgeltlich verwen-det wurde. Auch heute kommen Rechtsextremisten zu Geld. Und zwar auf unterschied-lichen Wegen. Was können wir als Demokraten zulassen und wo müssen wir einschrei-ten? Diese wichtigen Fragen sollen heute in unserer Fachtagung behandelt werden. Ich bin sehr froh, dass wir ein Referenten-Team zusammenstellen konnten, das mit spannenden Vorträgen Ihre Aufmerksamkeit fordern wird. Der Blick auf die rund 190 Teil-nehmer zeigt mir, wie breit gestreut das Interesse am Thema Finanzströme im Rechts-extremismus ist. Ich wünsche uns allen einen interessanten und ertragreichen Verlauf.

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Dr. Dietmar Woidke, Innenminister des Landes BrandenburgGrußwort

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Veranstaltung „Extremisten und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextre-mismus“ ist die bereits neunte Fachtagung unseres brandenburgischen Verfassungs-schutzes. Ich freue mich, dass wir dieses Mal die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz unseres Nachbarlandes Sachsen durchführen. Das Thema ist brandaktuell und an Ihrem zahlreichen Erscheinen sehe ich, dass es auch Ihr Interes-se geweckt hat. Seit dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie ist der Rechtsextremismus noch stärker in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Bis heute verfolgen uns die Bil-der der Opfer und die der Täter. Unser besonderes Mitgefühl gilt den zahlreichen Ange-hörigen der Ermordeten. Bei der Generalstaatsanwaltschaft, in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und in den Medien werden seit Monaten Tathergänge rekonstruiert. Ebenso werden Fehler und Versäumnisse der Sicherheitsbehörden thematisiert. Daran führt auch kein Weg vorbei.

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Derartigen Hass-Taten stehen wir fassungslos gegenüber. Was die Öffentlichkeit vor al-lem schockiert, ist die Tatsache, dass die Täter mehr als 10 Jahre unentdeckt leben und ihrer Mordlust freien Lauf lassen konnten. Die Mörder lebten im Untergrund – aber doch lebten sie auch mitten unter uns.Wir stellen uns selbstverständlich die Frage, wie das möglich war. Wir fragen uns auch, wovon diese Personen gelebt haben, bevor sie Banken ausraubten. Woher bekamen sie Geld für Essen, Kleidung und was man sonst zum Leben braucht? Bekannt ist, dass sie Unterstützer hatten, die ihnen Wohnungen zur Verfügung stellten. Ebenso wurde in der Szene Geld für sie gesammelt. Das Geld kam also von Rechtsex-tremisten. Weil die Mittel offenbar nicht reichten, gingen die Täter dazu über, Banken zu überfallen.Wir können nur hoffen, dass die Zwickauer Zelle ein drastischer Einzelfall bleibt. Sicher-heitsbehörden und Zivilgesellschaft werden mit allen Mitteln der wehrhaften Demokratie gegen Rechtsextremisten vorgehen. Die heutige Fachtagung ist ein Beitrag dazu. In der Regel wählen Rechtsextremisten nicht das Leben von Mördern im Untergrund. Rechtsextremisten müssen wie alle anderen Menschen auch ihren Lebensunterhalt be-streiten. Manche üben ganz normale handwerkliche Berufe aus.Andere versuchen beispielsweise den Einstieg und eine berufliche Entwicklung bei der Polizei oder bei der Bundeswehr. Dies wissen wir jedoch zu verhindern. Denn entweder ist ihre Gesinnung bekannt, oder sie tritt irgendwann zutage. Darüber hinaus gibt es ty-pische Szeneberufe:Rechtsextremisten arbeiten als Türsteher in einer Diskothek, oder bei einer privaten Sicherheitsfirma.Manche betreiben Tattoostudios oder kleinere Unternehmen. Andere hängen am Tropf des Staates und beziehen Hartz IV. Gerade szenetypische Berufe werfen oft nicht viel Geld ab. Und eine nach außen sichtbare rechtsextremistische Überzeugung ist für die berufliche Karriere eher kontraproduktiv. Doch es gibt auch Fälle, bei denen die politische Aktivität zur Einnahmequelle wird. Die einen produzieren oder verkaufen szenetypische Bekleidung. Andere haben sich auf Tonträger spezialisiert. Ein weiteres Beispiel für Einnahmen sind Konzerte rechtsextre-mistischer Hassbands. Anderes Geld fließt mit dem Verkauf von CDs in die Szene-Kas-sen. Der Handel mit T-Shirts und sonstigen Artikeln findet ebenso statt.

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Mit anderen Worten: Manche Rechtsextremisten leben regelrecht vom Rechtsextremis-mus. Sie ziehen ihren Gesinnungsgenossen das Geld aus der Tasche. Für rechtsextre-mistische Modelabels und die zugehörigen Szeneläden gilt dies ebenfalls. Viele Formen der Szene-Finanzierung sind hochproblematisch. Denn rechtsextremisti-sche Konzerte sind meist illegal und das Spielen indizierter Musikstücke samt Verkauf entsprechender CDs kann strafbar sein. In Brandenburg konnte die Polizei durch ihr konsequentes Vorgehen das Konzertaufkommen rechtsextremistischer Bands drastisch reduzieren. Damit gehen Konzerteinnahmen verloren und die Polizei kann Beschlagnah-mungen durchführen. Es gibt viele Methoden, den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Eine davon ist sicherlich, der Szene wo immer nur möglich den Geldhahn zuzudrehen. Damit treffen wir sie wirk-sam. Hierbei ist jeder gefordert: die Politik, die Polizei, Ordnungs- und Finanzbehörden, die Justiz und die Zivilgesellschaft selbst. Das alles hört sich jedoch oftmals einfacher an, als es tatsächlich ist. Denn der Rechtsstaat kann und darf die Demokratie nur mit rechtsstaatlichen Mitteln schützen. Willkür scheidet aus. Wie soll man also mit Rechtsextremisten umgehen, die arbeitslos sind und somit vom So-zialstaat leben und ihre Zeit für die Szene einsetzen? Was soll man tun, wenn sie Schu-lungen für andere Neonationalsozialisten durchführen? Oder was ist mit dem erwerbslo-sen Neonationalsozialisten, der an einer vom Arbeitsamt finanzierten Umschulung zum Webdesigner teilnimmt und in seiner Freizeit rechtsextremistische Internetseiten pro-grammiert? Darf man da eingreifen? Und falls ja, wie? Denn in diesen Fällen finanziert der Staat solche Aktivitäten und sorgt – wenn auch ungewollt – für eine Spezialisierung von Rechtsextremisten. Das gilt auch und besonders für die NPD. Ohne staatliche Parteienfinanzierung gäbe es diese Partei in dieser Form nicht. Außerhalb von Wahlkampfzeiten nimmt beispielsweise die NPD Brandenburg – wenn überhaupt – zeitweilig nur 600 Euro im Monat von ihren Mitgliedern ein. Damit kommt sie keine zwei Meter weit. Die Demokratie finanziert hier direkt ihre Gegnerin, weil die freiheitliche demokratische Grundordnung die Chancen-gleichheit für alle Parteien zwingend vorschreibt. In den letzten fünf Jahren hat die NPD ungefähr 6,7 Millionen Euro vom Staat bezogen. Das wirft zu Recht viele Fragen auf. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie. Ich möchte hierzu an den bekannten Staatsrechtler und Sozialdemokraten Carlo Schmid erinnern. Er hat bei den Beratungen zum Grundgesetz Folgendes formuliert:

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„Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft … Man muss in einer Demokratie auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokra-tie gebrauchen wollen, um sie zu beseitigen!”Mit diesen Sätzen wurde die Grundlage für das gelegt, was wir heute „wehrhafte“ und auch „streitbare“ Demokratie nennen. Dazu zählen als letztes Mittel Verbote extremisti-scher Vereinigungen und Parteien. Mit Blick auf die NPD wird diese Debatte seit langem geführt. Zurzeit ist die Debatte wie-der voll entbrannt. Auch deshalb, weil es Verbindungen zwischen der NPD und zumin-dest dem Umfeld des NSU gibt.Damit sind es nicht alleine die verfassungsfeindlichen Inhalte der NPD, die für ihr Ver-bot sprechen könnten. Ebenso attestiert der Verfassungsschutz der NPD eine fortwäh-rende Nazifizierung. Denn immer mehr Neonationalsozialisten treten in diese Partei ein. Es spricht vieles für ein Verbot dieser Partei. Das ist völlig klar. Auch ich will so ein Verbot. Der politische Wille allein aber reicht nicht. Ein erneuter Anlauf hin zu einem Parteienverbot darf auf keinen Fall noch einmal scheitern! Nichts wäre ein besseres Le-benselixier für die NPD als eine zweites ‚Nein’ für die Antragsteller aus Karlsruhe. Des-halb müssen wir das Verbotsverfahren sehr, sehr gut vorbereiten.Engagiert, aber dabei mit kühlem Kopf. Bund und Länder haben einen klaren, gemeinsam abgestimmten Fahrplan, noch in die-sem Jahr alles an vorhandenem Material gegen die verfassungsfeindliche NPD auf den Tisch zu legen und exakt auf dieser Grundlage das weitere Vorgehen zu entscheiden. Wir alle sind gut beraten, uns an diesen Fahrplan zu halten. Trotz allem muss die „streitbare Demokratie“ auch jenseits des Verbotes nach rechtsstaatlichen Wegen suchen, Extremisten zurückzudrängen. Und gerade hierbei ist die zentrale Fragestellung, wie man den Geldfluss Richtung Extremismus kappen kann. Die heutige Fachtagung soll sich mit sensiblen und dabei alles andere als einfachen Fragen beschäftigen. Wir haben Experten aus vielen Disziplinen eingeladen, die uns heute ihr Wissen zur Verfügung stellen. Eines müssen wir aber immer fest im Blick be-halten: Bei der Extremismusbekämpfung sind alle gefragt. Extremismusbekämpfung ist nicht nur die Aufgabe von Sicherheitsbehörden. Die gesamte Zivilgesellschaft ist gefor-dert. Dazu gehört Courage und vor allem auch Wissen. Eine der wesentlichen Aufga-

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ben des Verfassungsschutzes ist es, Erkenntnisse zusammenzutragen und zur Verfü-gung zu stellen. Nur die aufgeklärte Zivilgesellschaft kann die Feinde der Demokratie identifizieren, de-maskieren und deren Strategien und Täuschungsmanöver durchkreuzen. Das Wissen um die Finanzierung von Rechtsextremismus ist sowohl bei der Extremismusbekämpfung als auch bei der Prävention von zentraler Bedeutung. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante, eine erkenntnisreiche und letztlich eine für unseren gemeinsamen Einsatz ermutigende Tagung!

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Martin Döring, Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen„Geld verdienen mit Hass – rechtsextremistische Musik im

Freistaat Sachsen zwischen Ideologie und Kommerz“

„Lockmittel und Szenekitt – so überschrieben sächsische Verfassungsschützer eine Informationsbroschüre, die die Bedeutung von rechtsextremistischer Hassmusik für die Nachwuchsgewinnung und den inneren Zusammenhalt hervorhob.Gleichwohl stellen auch die mit dem Musikgeschehen verbundenen Gewinnmöglichkeiten – um ebenfalls im Bild zu sprechen – „Schmierstoff und Antriebsmodul“ dar, ohne die Stabilisierung, Mobilisierung und Öffentlichkeitswirkung in diesem – sächsischen – Um-fang nicht möglich wären.Lassen Sie uns kurz einen statistischen Ausflug in die sächsische Szenelandschaft un-ternehmen, bei dem insbesondere die drei Standbeine der Musikszene statistisch unter die Lupe genommen werden sollen.• Im Blickpunkt überregionaler Aufmerksamkeit stehen die Konzerte. Sie fordern Poli-

zei und Ordnungsämter heraus und bleiben wegen Besucheranzahl und Lautstärke selten unbemerkt. Im Ländervergleich nimmt Sachsen bereits seit Jahren hier eine

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Spitzenstellung ein. Die Vergleichszahlen belegen, dass allein die sächsischen Konzer-te in ihrer Anzahl annähernd jenen entsprechen, die übers Jahr in den westlichen Bun-desländern stattfinden und bundesweit ein Drittel aller Konzerte ausmachen.Zu den Gewinnen halten sich die Konzertveranstalter bedeckt. Sie dürften keine her-ausragende Rolle bei der Bestimmung der szeneinternen Finanzmittel spielen. Gele-gentlich sollen durch die Konzerteinnahmen einzelne „Kameraden“ unterstützt wer-den, die sich in „Schwierigkeiten“ befinden, also in Untersuchungs- oder Strafhaft befinden.

• Ähnlich verhält es sich mit den Musikgruppen im Freistaat: die aktiven Bands kom-men auf fünf bis acht Auftritte pro Jahr, bei denen die Einnahmen allerdings zwi-schen den drei bis fünf Mitgliedern aufgeteilt werden müssen. Gewinne dürften zudem in Anschaffung und Pflege der Musikinstrumente sowie die Bereithaltung der Auftrittslogistik investiert werden, so dass ein Abfluss von Finanzmitteln in Szenestrukturen sich in überschaubaren Dimensionen bewegen dürfte.

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• Den Spitzenplatz bei Umsatz und Gewinnen im Rechtsextremismus nehmen Vertrie-be und Versandhandel ein. Waren hier die sächsischen Anbieter in den 90er Jahren doch eher schmalspurig aufgestellt, so hat sich mit wachsender Kommerzialisierung und Professionalisierung der Vertriebsstrukturen ein Sortiment etabliert, das von jugendtypischen Angeboten am Rande des Mainstreams bis zu rechtsextremisti-schen Hardcore-Devotionalien fast alles bereit hält.Mittlerweile besteht ein breit gefächertes Anbietergeflecht aus Szeneläden, Versänden und Musiklabels, das sich einen weit über die regionalen Grenzen hin-ausreichenden Käuferstamm erschlossen hat und mit seinen finanziellen Gewinnen eine logistische Stütze des Rechtsextremismus darstellt.Interessant hierbei: die jährlichen Einnahmen sächsischer Vertriebe übersteigen die-jenigen der NPD auf Bundesebene.

Wollen die Betreiber von einschlägigen Vertrieben einen Kundenstamm aufbauen, so benötigen sie neben der unabdingbaren rechtsextremistischen Gesinnung auch die in-

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nere Bereitschaft, sich als Teil des Ganzen, sprich der „Bewegung“ bzw. des „nationalen Widerstandes“ zu verstehen und in den inneren Zusammenhalt der Szene zu investie-ren; anderenfalls – bei ideologischer Uneindeutigkeit und/oder bloßem Gewinnstreben – erfolgen szeneinterne „Abmahnungen“, die bis zu einem Kaufboykott führen können.

Seit einigen Jahren ist eine Entwicklung zu erkennen, die im Aufbau von wirtschaftlichen Parallelstrukturen ohne vordergründig erkennbare politisch-ideologische Zielsetzung strate-gisches Kalkül erkennen lässt. Rechtsextremisten sind in Baugewerbe und Brennstoffhandel, im Textildruck sowie mit Sonnen- und Tattoo-Studios unternehmerisch aktiv.Vordergründiges Ziel: Steigerung von Umsatz und Gewinn, um weitere finanzielle Mittel für die Szene zu rekrutieren – und: Schaffung von ganz legalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen für „Kameraden“, die mitunter wegen ihres Vorstrafenre-gisters nur mit Schwierigkeiten eine andere Arbeitsstelle finden würden.Neben diesen eher kurzfristigen Wirkungen steht hierbei eine klare strategische Absicht: der Aufbau eines „nationalen Wirtschaftssektors“ als des ersten Schritts auf dem Weg zu

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„national befreiten Zonen“, so wie es die Hochschul- und Jugendorganisationen der NPD in einem Strategiepapier der frühen 90er Jahre verlangt hatten, die hierbei anknüpf-ten an das Konzept der befreiten Zonen lateinamerikanischer kommunistischer Guerilla-Kämpfer der 70er Jahre.

Fazit:Im Freistaat Sachsen existieren Strukturen und Interessenlagen, um über Unterneh-mensgewinne von Rechtsextremisten die Szene durch Vernetzung der Akteure und Re-krutierung von Nachwuchs zu stabilisieren.Betriebswirtschaftliches Kalkül muss erkennen, dass ohne ideologischen Unterbau und weitreichende Akzeptanz im rechtsextremistischen Milieu große Gewinne nicht zu erzie-len sind.

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Über den Aufbau von „unpolitischen“ Unternehmen ist zumindest das Bemühen erkenn-bar, Ansätze einer rechtsextremistischen Parallelgesellschaft zu entwickeln.Im rechtsextremistischen Konzertgeschehen ist für die Veranstalter ebenso wenig Ge-winn zu erzielen wie mit der Herausgabe von Musiktiteln durch die einschlägigen Bands.

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Gordian Meyer-Plath*, Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes„Rechtsextremismus als Berufung – Sozioökonomische

Profile brandenburgischer Rechtsextremisten“

Sehr geehrter Herr Minister und sehr geehrte Frau Schreiber, vielen Dank für die nette Begrüßung und die gelungene Einführung in die heutige Veranstaltung. Meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Freunde hier im Saal! Die ideale Überleitung von Herrn Döring zu mir wäre: und nun zu den finanziell ar-men rechtsextremistischen Schluckern in Brandenburg. Insbesondere die Höhe der Finanzströme, die Herr Döring für Sachsen geschildert hat, erreichen wir in Branden-burg so nicht. Zum Glück! Trotz allem hat das Folgen für Brandenburg. Hier muss der Rechtsextremismus nach anderen Wegen suchen, um sich zu finanzieren. Denn auch bei uns gilt: „Ohne Moos nichts los“. Aber wie kann man ohne viel „Moos“ viel erreichen? Dafür lohnt es sich, den brandenburgischen Rechtsextremismus und seine Akteure ge-nauer unter die Lupe zu nehmen. _____________________* Zum Zeitpunkt seines Vortrages war Herr Meyer-Plath erst wenige Tage Präsident des sächsischen Verfassungs-

schutzes. Zuvor leitete er das Auswertungs-Referat des brandenburgischen Verfassungsschutzes.

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Gestatten Sie mir jedoch zunächst noch eine Anmerkung als Co-Gastgeber. Schließlich wird diese Fachtagung vom sächsischen und brandenburgischen Verfassungsschutz gemeinsam ausgerichtet. Dieses gemeinsame Vorgehen ist ein ganz wichtiges Zeichen. Es existieren erhebliche Unterschiede in der Extremismusgeografie beider Länder. Im Landtag Brandenburg sitzt keine NPD-Fraktion, auch hat Brandenburg nicht so viele füh-rende rechtsextremistische Vertriebsdienste wie Sachsen. Doch da sind auch Gemein-samkeiten. Für beide Länder gilt: Der Rechtsextremismus ist das entscheidende extre-mistische Phänomen, dem sich die Gesellschaft stellen muss. Deswegen freue ich mich so, dass sie heute alle hier sind. Der ganzheitliche Erfolg, den man gegen Rechtsextre-mismus erzielen kann und muss, benötigt zwingend mehr Kenntnisse darüber, wie sich der Rechtsextremismus finanziert. Daher danke ich den Kolleginnen und Kollegen aus Brandenburg für die gesamte Organisation dieser Veranstaltung. Es handelt sich um die neunte Fachtagung des brandenburgischen Verfassungsschutzes und ich sage an dieser Stelle jetzt einfach einmal kühn zu: Es wäre sehr schön, wenn eine der nächs-ten Fachtagungen des brandenburgischen Verfassungsschutzes wieder zusammen mit Sachsen stattfindet. Dann aber in Sachsen, wo wir Ihnen ein wenig Arbeit bei der Orga-nisation und Durchführung abnehmen können. Kommen wir zurück zur Fragestellung. Wie finanzieren brandenburgische Rechtsextre-misten ihre extremistischen Aktionen? Kann man vom Rechtsextremismus leben? In Brandenburg können das nur sehr wenige. Dann stellt sich jedoch die Frage: Wovon le-ben sie und woher kommt das Geld für Aktivitäten? Da gibt es vielfältigste Möglichkeiten, auf die ich im Kern meines Vortrages zu sprechen kommen möchte. Und daraus erge-ben sich Ansätze für die Bekämpfung des Extremismus.

Rechtsextremisten sind mitten unter uns - gerade im Er-werbsleben. Aber es ist ganz wichtig, immer wieder zu betonen: Sie sind nur soziologisch in der Mitte der Ge-sellschaft, nicht politisch. Politisch stehen sie außerhalb. Sie sind nicht Teil unserer freien Gesellschaft. Nur ganz selten gibt es Fälle, wo Rechtsextremisten auch soziolo-gisch außerhalb der Gesellschaft stehen. Ein Beispiel dafür ist das Abtauchen in die Illegalität. Innenminister Woidke hat heute Morgen darauf hingewiesen, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ diesen Weg gegan-

gen ist und von dort seine fürchterlichen Taten beging. Aber trotzdem lebten auch diese

Auszug aus einem Fahndungs­foto des Bundeskriminalamtes

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Täter unter uns. Sie haben schwerste Straftaten der Beschaffungskriminalität begangen, um ihr extremistisches Handeln zu fi nanzieren und sie haben brutal getötet. Das hatten wir im Rechtsextremismus bis zur Aufdeckung des NSU nicht für möglich gehalten. So lautet auch der Hauptvorwurf, der den Sicherheitsbehörden übrigens zu Recht gemacht wird. Doch so schlimm die Ereignisse um den NSU auch sind, sie sind die Ausnahme. Die Be kämpfung solcher Strukturen liegt zudem in erster Linie in den Händen der Sicher-heitsbehörden. Kommen wir zurück zu den Rechts-extremisten, die offen unter uns le-ben und irgendwie im Schweiße ih-res Angesichts ihr Brot verdienen – wenn sie denn arbeiten. Da gibt es die verschiedensten Berufe. Ich könnte Ihnen Beispiele aus Branden-burg oder aus anderen ostdeutschen Ländern nennen. Manche sind na-türlich Leistungsempfänger. Eine Er-wartungshaltung muss ich jedoch ein wenig dämpfen. Wir besitzen kein Zahlenmaterial, nach dem wir alle Rechtsextremisten exakt nach Berufen klassifi zieren können. Diese Daten liegen uns schlicht nicht vor. Von manchen kennen wir aber die Profi le. Und da, wo es notwendig ist, erheben wir sie. Das gilt insbesondere für führende Protagonisten des brandenburgischen Rechtsextremismus. Insofern beruhen meine Angaben auf hin-reichend belegten Einzelbeispielen, die es wert sind, hier erwähnt zu werden. Was ich in meiner Anfangszeit beim Verfassungsschutz noch kennengelernt habe, spielt heute mit Blick auf Finanzströme in Brandenburg keine Rolle mehr: Geldspritzen für die Szene aus NS-Nachlässen. Die waren früher nicht unerheblich. Ich erinnere mich, Herr Döring wahrscheinlich ebenso, in Süddeutschland verstarb ein Schwestern-paar. Das hatte bis zum Tod ein ungebrochenes Verhältnis zum Nationalsozialismus und vermachte der Szene seinen nicht unerheblichen Immobilien- und Bargeldbesitz. Darüber frohlockten damals Rechtsextremisten. Doch das ist Vergangenheit. Darauf kann sich die Szene nicht mehr verlassen. Also muss man arbeiten oder sonst wie zu Geld kommen. An dieser Stelle bietet sich noch ein weiterer Blick zurück an. Früher wollten Rechts-extremisten gerne zur Bundeswehr oder zur Polizei. Sie suchten so nach ihrem Kom-

Die Mitte derGesellschaft

Krankenschwester

GerüstbauerHartz IV

Lehrer Student

Juwelier

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promiss mit dem eigentlich verhassten Staat und hofften, auf diese Weise beispiels-weise den Kommunismus bekämpfen zu können. Ebenso bedienten waffentragende staatliche Einrichtungen rechtsextremistische Grundbedürfnisse. Auch das hat sich geändert. Rechtsextremisten lehnen die Bundeswehr heutzutage aus verschiedenen Gründen ab. Ihnen fehlt das Element des Führens von Eroberungskriegen. Und mit friedenssichernden sowie humanitären Einsätzen können Rechtsextremisten schon gar nichts mehr anfangen. Mit der Polizei verhält es sich ähnlich. Sie ist einer der wich-tigsten Faktoren in der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Da will man also nicht mehr hin. Und wenn sich doch mal einer zur Polizei oder Bundeswehr verirrt, wird er recht zügig identifiziert. Kommen wir zurück zur Gegenwart. Die meisten Rechtsextremisten, die in Lohn und Brot stehen, sind in Handwerksbetrieben, in der Gastronomie, in Dienstleistungsunternehmen oder in Pflegeberufen tätig. Für Brandenburg ist das nicht überraschend. Schließlich ist das Land von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. In solchen Unternehmen kennt jeder jeden. Darin liegt zugleich ein Vorteil. Dieser ist – provokant formuliert – der böse Chef. Er ist ein natürlicher Verbündeter der Zivilgesellschaft. Extremisten in der Be-legschaft können ihm das Geschäft verderben. Also kann er sagen: „Du bist mein bester Dreher, du bist mein bester Koch und ich möchte ungern auf dich verzichten. Aber was ich hier mitbekomme, kann ich mit Blick auf meine Kunden und auf meine Belegschaft nicht to-lerieren. Entscheide dich.“ Vor diese Entscheidung gestellt denken viele Extremisten schon darüber nach, wie es weitergehen soll. An seinem Broterwerb hängt schließlich nicht selten eine kleine Familie. Dieses funktioniert in der Regel und ist ein wichtiger Faktor, den sich Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft zu Eigen machen können. Natürlich gibt es Ext-remisten, die standhaft bleiben und versuchen, einen neuen Job zu finden. So weit geht bei einigen in der Tat der Fanatismus.

Wir kennen Fälle, wo Extremisten in den Kalender gucken und sagen: „Oh Samstag ist Demo in Neubrandenburg, Dortmund oder Dresden. Das ist ein bisschen weiter weg und kostet Geld. Ich habe keines. Also muss ich Blutspenden.“ Damit einher geht oftmals die Überhöhung des eigenen Tuns. Rechtsextremisten, gerade Neonazis, be-mühen in ihrer Ideologie gerne Blutbezüge

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und reden von „Blut und Boden“ oder „Blut und Ehre“. Im vorliegenden Fall spenden sie selbstaufopfernd ihr Blut für ihre Bewegung. Damit wären wir beim ersten Zwischenfazit: Brandenburgische Rechtsextremisten sind in der Regel arme Schlucker, die mehr oder weniger gute Jobs haben und von diesen Jobs eben das Geld in Form von Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Soli-Obolusse und ähn-lichem für die Szene abzweigen müssen. Während in Sachsen einige von der Szene (Versandhäuser, NPD, etc.) direkt leben können, sind ihre Kameraden in Brandenburg gezwungen, eher für die Szene zu leben. Manch einer ist selbständig, beispielsweise als Tätowierer. Selbstverständlich will ich das Tätowiergewerbe nicht unter Generalverdacht stellen. Aber wir kennen genü-gend Fälle, in denen sich Rechtsextremisten so zumindest ein Zubrot verdienen. Oft sind Szeneangehörige die Kunden. Nun könnte man vermuten, der rechtsextremisti-sche Geldkreislauf bleibt in sich geschlossen und der eine verpasst dem anderen ge-schmacklose und zum Teil strafbare Tätowierungen. Dabei bleibt es aber nicht immer. Schließlich tätowieren Rechtsextremisten auch über ihr Milieu hinaus. Was da für eine Verbindung entstehen kann, sehen wir insbesondere an den Bezügen ins Rockermilieu. Rocker sind zahlungskräftig. Und aus solchen Geschäftsbeziehungen entstehen Netz-werke. Ein Tätowierer aus dem rechtsextremistischen Milieu kommt weit rum, lernt vie-le andere Rechtsextremisten aber eben auch andere subkulturelle Milieus wie Rocker kennen. Wenn Rechtsextremisten nicht Polizist oder Soldat werden können, aber trotzdem eine Tätigkeit anstreben, die mit Uniform und autoritären Exekutivfantasien verbunden ist, dann bietet sich natürlich das Ordnerwesen, das Bewachungsgewerbe an. Da gibt es ein größer werdendes Dunkelfeld, auch wenn dieses Thema gerade in einem ande-ren Extremismuszusammenhang Schlagzeilen produziert hat. Sie haben es vielleicht den Zeitungen entnommen, dass ein islamistischer Gefährder eine nicht unwichtige Liegenschaft im Land Brandenburg mit bewacht hat. Das war ein böse Überraschung und kann so nicht angehen. Davon losgelöst beobachten wir Szenarien mit Ordnern in Fußballstadien. Dort sollen sie eigentlich die teilweise rechtsextremistisch motivierten Hooligans im Auge haben. Stattdessen brüllen sie selber die schlimmsten Parolen mit und pöbeln Gäste sowie Fans an, besonders solche mit Migrationshintergrund. Auch bei Volksfesten laufen Ordner auf, die selbst der rechtsextremistischen Szene entstammen und noch immer mit ihr verbunden sind. Wenn dann die Gemeinde X ein Volksfest ver-anstaltet, kann ein Ordner auch ein neonationalsozialistischer „Unsterblicher“ sein. Der

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nutzt dann die Gelegenheit, schleust die „Unsterblichen“ mit ihren Utensilien rein und gibt ihnen Zeit, ihren Auftritt samt Video-Dreh abzuziehen. So wird der Bock zum Gärt-ner. Schlaflos kann einen der Gedanke machen, wenn solche Ordner sogar als Bewa-cher von Asylbewerberheimen eingesetzt werden könnten. Über dieses sehr ernste Pro-blem müssen noch intensivere Gespräche geführt werden. Ich habe die Branchen Handwerk, Gastronomie und Dienstleistungen angesprochen. Hinzu kommt, dass gerade in Brandenburg ein durchaus höheres Bildungsniveau bei Rechtsextremisten festzustellen ist. An diesem Punkt rückt insbesondere die IT-Branche ins Bild. Wir haben Rechtsextremisten mit in der Tat guten IT-Kenntnissen. Solche Ex-perten sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. In solchen Jobs lernen sie nicht nur weiter hin-zu, sondern nutzen möglicherweise auch die IT-Infrastruktur ihres Arbeitgebers für ihre Aktivitäten. Das ist ein Bereich, wo Firmen sehr aufpassen müssen. Ein weiteres Beispiel wird vielen jungen Eltern erst einmal warm ums Herz werden las-sen: der männliche Erzieher. Der ist Gold wert und in Deutschland – leider – noch zu selten anzutreffen. Wie gut, dass es sie gibt. Ebenso gibt es Rechtsextremisten, die die Ausbildung zum Lehrer nicht schaffen, aber die zum Erzieher schon. Dort können sie ziemlich unterschwellig ihr Weltbild an die fast Wehrlosesten weitergeben. Ich habe durchaus die Sorge, dass sich solche Berufe in der Szene etablieren könnten. Herr Döring hat es bereits angesprochen: Rechtsextremisten machen sich durchaus Gedan-ken darüber, wie sie in der Gesellschaft wirken und gleichzeitig ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Aus den Medien kennen Sie eventuell den Fall des von Rechtsextremisten betrieben Reiterhofes. Solch ein Reiterhof kann Ferien für die Szene anbieten und der Kreislauf innerhalb der Szene wäre wieder geschlossen. Er kann aber ebenso unverfängliche Ferienangebote für junge Menschen im Angebot haben und – das wissen wir in diesem Fall – den Spaß mit den Pferden dazu nutzen, gleich Rassezucht und Eugenik mit zu thematisieren. All dies sind Einzelfälle. Brandenburg ist nicht voller brauner Reiterhöfe, kaum ein Tätowierer ist Rechtsextremist und unsere männlichen Erzieher sind keine Neonationalsozialisten. Ich will lediglich andeuten, dass Rechtsextremisten bestimmte berufliche Präferenzen haben, dabei kreativ sein können und wie alle anderen zusehen müssen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und da sind wir an einem Punkt angelangt, an dem Brandenburg sehr viel zu bieten hat und der Rechtsextremisten sozusagen im Blut steckt: Die Sehnsucht nach der eigenen

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Scholle, nach dem Bewirtschaften des eigenen Bodens, um mit der Kraft des eigenen Blutes der Erde die Rohstoffe abzuringen. Wie manch ein Linksextremist träumt auch ein Rechtsextremist vom autarken Leben jenseits der globalisierten Umwelt mit ihren Kiwis aus Neuseeland. Manch einer kann ihn verwirklichen. Ein ehemaliger NPD-Vorsitzen-der hier im Land ist Biobauer. Damit stellt sich das nächste Problem: Wenn so ein Bau-er erfolgreich ist, gewinnt er Einfluss im Dorf und die Dorfgemeinschaft wird sich fragen, wie mit ihm umzugehen ist. Erst recht dann, wenn er seine Mitarbeiter aus der Szene re-krutiert. Das ist in Brandenburg zwar noch kein Problem, woanders aber schon, weil der Drang, in diesem Bereich zu arbeiten, bei Rechtsextremisten immanent ist. Eine weitere, wenn auch nicht so große Verdienstmöglichkeit findet sich für Anbieter heidnischer Hochzeiten, das so genannte „Eheleiten“. Ich möchte die Anbieter absolut nicht unter Generalverdacht stellen. Jeder soll seine Ehe schließen, wie er das für rich-tig hält. Wir wissen aber, dass bei vielen Neonationalsozialisten, gerade bei der verbo-tenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“, so etwas gang und gäbe ist beziehungswei-se war. Wir kennen Rechtsextremisten, die genau diese Nische suchen und ihr Angebot nicht unbedingt nur an Rechtsextremisten richten. Öffnen sie ihren Kundenkreis, gewin-nen sie Einflussmöglichkeiten außerhalb der Szene und können für die Szene selbst werben. Gott sei Dank alles Einzelfälle. Sie sehen an diesem bunten Potpourri von Tätigkeiten, dass sich Rechtsextremisten oft genau überlegen, womit sie ihren Lebensunterhalt hauptsächlich bestreiten und gleich-zeitig nach Möglichkeiten suchen, ihre extremistische Botschaft an den Mann, die Frau und vielleicht sogar an die Kinder zu bringen. Solche Entwicklungen und Prozesse müs-sen wir sehr genau beobachten. Sicherlich gibt es weitere Berufe, an die wir jetzt gar nicht denken. Meine Damen und Herren, in Brandenburg ist das Geld in der Szene knapp. Es reicht hinten und vorne nicht, um eine politische Arbeit zu leisten, wie es Herr Döring für Sach-sen beschrieben hat. Man muss die Mittel selbst generieren. Da gibt es die verschie-densten Möglichkeiten. Eine ist das Konzert- beziehungsweise Partywesen, wobei die-ses auf deutlich niedrigerem Niveau als in Sachsen angesiedelt ist. Damit lassen sich Einnahmen generieren. Solche Veranstaltungen ereignen sich oft im Zusammenhang mit Vereinsverboten von neonationalsozialistischen Personenzusammenschlüssen. Die Szene benötigt dann Geld für Anwälte. Dem dienen solche Partys und Konzerte. All dies geschieht auf relativ kleinem Niveau, doch Kleinvieh macht auch Mist. In an-deren Fällen dient dieses Geld der Finanzierung einer lokalen Szene oder soll in eine

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Immobilie fließen. Wenn ich Immobilie sage, dann bewegen wir uns in Brandenburg meistens auf dem Niveau einer Datsche. Wenn eine Szene erst einmal über eine Lie-genschaft für Veranstaltungen verfügt, kann sie Einnahmen erzielen und ihrem Klien-tel etwas bieten. Dazu zählen sicherlich Schulungen und die Rekrutierung neuer An-hänger.

Ebenso werden gelegentlich „Solidaritäts“-Tonträger wie „Lieder-Abend in Brandenburg“ produziert. Ich zitiere ein Beispiel aus dem mittlerweile verbotenem Thiazi-Forum: „Unterstützt mit dem Kauf dieses Tonträgers den politi-schen Kampf des Nationalen Widerstands.“ Besonders konkret ist das sicherlich nicht. Manchmal ist es dagegen sehr konkret, wenn es beispielsweise einem inhaftierten Kameraden oder einem unter staatlichem Druck stehen-den Personenzusammenschluss zufließen soll. Solche

Soli-Veranstaltungen werden auch für die nach wie vor gering frequentierte Liegenschaft in Biesenthal genutzt. Dort kommt es ebenso zu Arbeitseinsätzen, um diese Liegen-schaft auszubauen und in Stand zu halten. Rechtsextremisten werden regelmäßig dazu verpflichtet. Das entsprechende Engagement schwankt jedoch. Merchandising hat Herr Döring schon angesprochen. Mit wenig Aufwand lässt sich da-mit viel erzielen. Dazu zählen beispielsweise T-Shirts, bedruckt mit dem Namen einer Kameradschaft oder einem Szene-Spruch. Beim inzwischen verbotenem „Widerstand Südbrandenburg“ lautete der Spruch „Leben heißt Kampf“ samt Boxhandschuh-Motiv. Ver-

trieben wurde es bei Kampfsportveranstaltungen: Ein weiteres T-Shirt war mit „Wählst du noch oder kämpfst du schon?“ versehen. Um der NPD auch einmal zu zeigen, wo der Hammer hängt. Mit sol-chen Dingen lässt sich ein wenig Geld erwirtschaf-ten. Jedoch ist der Ideologietransport auch nicht so kostenintensiv. Ich weiß nicht, wie viele von ihnen „Flattr“-Kun-den sind. „Flattr“ ist ein Social-Payment-Service mit Sitz im schwedischen Malmö. Dahinter steht die Idee, Internetseiten mit Geld zu belohnen, wenn sie einem gefallen. Will ich eine Seite beloh-

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nen, muss ich bei „Flattr“ ein Konto eröffnen und eine monatliche Geldsumme dort ein-zahlen. Ebenso muss die zu belohnende Internetseite dort registriert sein. Zur Beloh-nung klicke ich einfach auf den „Flattr“-Button der entsprechenden Internetseite. Und am Ende des Monats wird mein eingezahltes Geld gleichmäßig nach Anzahl meiner Belohnungs-Klicks verteilt. Klicke ich nur eine Seite an, bekommt die eben alles. Klicke ich 100 Seiten an, bekommt jede einen hundertsten Teil meiner monatlichen Belohnung. So etwas nutzen auch Rechtsextremisten. Beispielsweise war die Seite „Spreelichter“ der inzwischen verbotenen Organisation „Widerstand Südbrandenburg“ bei Flattr registriert und hatte auch Zahlungen erhalten. In welcher Höhe ist jedoch nicht bekannt. Sicherlich werden da keine Millionen-Be-träge an den brandenburgischen Rechtsextremismus fließen. Doch Kleinvieh macht eben auch Mist. Hie und da gibt es in der Szene den einen oder anderen Musikmacher, der vielleicht ansatzweise davon leben kann. Der Liedermacher Frank Rennicke, ehemaliger NPD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, könnte dazu zählen. Oder der von Herrn Döring erwähnte Michael Regener, Sänger der Band „Die Lunikoff Verschwörung“. Lei-der fehlen uns für Brandenburg entsprechende Zahlen über Umsätze in der rechtsex-tremistischen Hass-Musik-Szene, wie sie teilweise für Sachsen vorliegen. Aber einige wenige – glaube ich auch – können von ihrer rechtsextremistischen Musik tatsächlich le-ben. Für die meisten brandenburgischen Bands, selbst die musikalisch etwas versierte-ren wie „Preussenstolz“ etwa, bleibt es ein Zubrot. Vielleicht bekommen „Preussenstolz“ 200 Euro für einen Auftritt. Und diese Summe muss noch unter den Bandmitgliedern auf-geteilt werden. Eventuell erhalten sie zusätzlich einen Spritkosten-Zuschuss und können auch ein paar ihrer Tonträger vor Ort verkaufen. Das Problem für die brandenburgischen Bands, wenn sie denn überhaupt in Brandenburg auftreten, ist, dass diese Konzerte meistens relativ klein sind. Da kommen keine 1.000 Leute. Eher maximal 150. Und von den Tonträgern lässt sich auch nicht leben. Herr Döring hat das angesprochen. Meistens sind es kleine Auflagen, die zunächst vorfinanziert werden müssen. Wenn so ein Ton-träger eine Auflage von 1.000 Stück erreicht, wäre das wirklich schon sehr viel. Insofern kann man sich damit maximal ein Zubrot erwerben. Will eine Band erfolgreich sein, muss sie raus aus ihrem angestammten Milieu. Und sie muss versuchen, ihren rechtsextremistischen Fanstamm zu halten und gleichzeitig neue Fans hinzugewinnen. Ein solches Beispiel sind vielleicht „Kategorie C“. Der Band ist völlig bewusst, dass sie nach wie vor Kult-Status unter Rechtsextremisten genießt. Sie hat aber

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ebenso Fans außerhalb der Szene. „Kategorie C“ zähle ich zu Gruppen, die schon eher von ihrer Musik leben könnten. Diesen Spagat zwischen der eigenen Szene und Fans von außen schaffen die meisten jedoch nicht. Die frühen „Bösen Onkelz“ oder eben „Katego-rie C“ sind eine Ausnahme. Hier wage ich einen kleinen Rückgriff auf die Fachtagung des brandenburgischen Verfassungsschutzes im letzten Jahr. Mit „Kultur des Hasses“ war sie betitelt. Thema waren auch aggressive Bands aus dem linken Spektrum. Solche Bands haben es manchmal etwas leichter. Nehmen wir etwa „Slime“, deren CDs man im Media Markt kaufen kann. Dadurch ergeben sich völlig andere Gewinnspannen. Jetzt komme ich noch mal kurz auf Konzerte zurück. In Brandenburg ist das Konzertwesen fast zum Erliegen gekommen. Und wenn mal eines stattfindet, sind die Besucherzahlen recht niedrig. Großereignisse wie vor ein paar Jahren in Brandenburg/Havel sind die ab-solute Ausnahme. Das ist die entscheidende Leistung unserer brandenburgischen Poli-zei. Sie geht rigoros dagegen vor. Potenzielle Veranstalter werden so abgeschreckt. Sie machen sich Sorgen um ihre Investition und müssen damit rechnen, dass ihr Konzert erst gar nicht anfängt oder mittendrin aufgelöst wird. Trotzdem bleiben Konzerte – auch wenn sie klein sein mögen – eine wichtige Finanzquelle. Im Jahr 2011 nutzten die „Jungen Nationaldemokraten“ in Oranienburg das „Juz“ für insgesamt acht Konzerte mit jeweils 40 bis 80 Besuchern. Bands traten ohne Gage auf und es wurde Eintritt erhoben. So floss ein wenig Geld in die lokale Szenekasse, welches in die Szenearbeit investiert wurde. Seit Ende 2011 können die „Jungen Nationaldemokraten“ die Einrichtung nicht mehr nutzen. Lassen Sie noch zwei, drei andere Örtlichkeiten in Brandenburg dazu kommen. Und dann war es das schon. Das ist sehr wenig und damit eine der guten Nachrichten, die wir haben.

Ebenso ist der brandenburgische Sze-ne-Versandhandel nicht wirklich mit dem in Sachsen vergleichbar. Der eine oder andere Rechtsextremist in Brandenburg kann vielleicht von seinem Versandhan-

del leben. Jedoch werden keine Gewinne wie auf dem Niveau in Sachsen erzielt, wo daraus ein paralleles Wirtschaftsimperium mit Brennstoffhandel und anderen Dingen entstanden ist. Hinzu kommt, dass ein Szene-Händler, Herr Döring hat das wunder-bar geschildert, unter Beobachtung der Szene selbst steht. Wer mit und durch die Sze-ne Geld verdient, muss ständig demonstrieren, dass seine Einnahmen auch wieder der Szene zugutekommen.

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Zusammenfassend können wir festhalten, der Rechtsextremismus in Brandenburg ist nicht wohlhabend. Große Geldflüsse sind nicht da. Brandenburgische Rechtsextre-misten sind daher auf Pragmatismus und Einfallsreichtum angewiesen, um aus wenig doch einigermaßen viel zu machen. In vieler Hinsicht schaffen sie das. Besonders die brandenburgische Szene der Neonationalsozialisten ist ein Motor, ein Ideengeber für die bundesweite Szene. Sie hat vorgemacht, wie besonders über das Internet mit wenig fi-nanziellen Mitteln Ideologie modern und schnell verbreitet werden kann. All dies verbun-den mit einer großen Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Sie sind bereit, einen Großteil ihrer Freizeit, ihres Einkommens bis hin zur Blutspende für die Szene einzusetzen. Ihr Arbeitsplatz, wo sie sich hauptsächlich verdingen müssen, ist eine Einflussmöglichkeit für uns als Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörde. Denn dort haben Rechtsextremis-ten eine Schwachstelle. Ihr Erwerbsleben entscheidet mit darüber, ob sie eine gesicher-te bürgerliche Existenz führen wollen oder ob sie sich für einen anderen Weg entschei-den. Bei bestimmten Berufen, das ist mein Appell, müssen wir sehr genau hingucken. Damit meine ich insbesondere diejenigen, die an der Nahtstelle zu Rockern bestehen: Bewachungsgewerbe, Tätowierer. Besondere Unterschiede zwischen Brandenburg und Sachsen bestehen bei der Nutzung von Immobilien. Der Szene in Sachsen stehen deut-lich mehr zur Verfügung. Unsere brandenburgischen Sicherheitsbehörden haben an die-sem wichtigen Punkt einen Standortvorteil. Ich werde mir das sehr bald in Sachsen noch sehr viel genauer angucken können. Denn Immobilien sind immer auch Rückzugsorte für die Szene und damit ein Nährboden für Ideologietransfer und Gelderwerb.

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Dr. Marc Brandstetter„Die Finanzen der NPD – Wie die Demokratie ihre Feinde finanziert“

RECHTS.ENDSTATION

ENDSTATIONRECHTS.

I. Die NPD unter Holger ApfelDer November 2011 markiert eine Zäsur in der Geschichte der größten und aktivs-ten rechtsextremistischen Partei der Bundesrepublik, der NPD. Auf dem Parteitag im brandenburgischen Neuruppin löste der sächsische NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel in einer Kampfabstimmung mit 126 zu 85 Stimmen seinen Ziehvater Udo Voigt ab, der der Partei 15 Jahre vorgestanden hatte. Dieser Führungswechsel war das Resultat eines erbitterten Richtungsstreits, der aus einer „Finanzkrise“ der Partei erwachsen war. Holger Apfel verfolgt den Plan, die NPD zu „modernisieren“: Er möchte ihr eine neue, „ge-mäßigtere“ Außendarstellung verpassen. Der ehemalige Kopf des Parteinachwuchses „Junge Nationaldemokraten“ (JN) nennt diese Marketingstrategie „seriöse Radikalität“.1 Die neue Marschroute hatte er frühzeitig ausgegeben, die NPD solle sich noch stär-ker als „Anti-EU“ und „Anti-Euro“-Partei positionieren. Zugleich versicherte er, das ideologische Grundprofil der Partei werde nicht aufgeweicht, dies stehe für eine „Weltanschauungspartei“ nicht zur Debatte. Es gehe darum, für neue Wählerschichten attraktiv zu werden. Weg von einer Polit-Sekte und Bürgerschrecktruppe hin zu einer echten Wahlalternative. Die Botschaft müsse heißen: „Aus dem Volk für das Volk.“2

Der „zweite Frühling“3 der NPD bleibt unweigerlich mit dem Namen Udo Voigt verbun-den. Als er 1996 an die Spitze der NPD gewählt wurde, lag sie am Boden. Die ehe-

1 Vgl. Holger Apfel: Seriöse Radikalität, in: Deutsche Stimme Nr. 11/2011, S. 12.2 Vgl. Ebenda.3 So Armin Pfahl-Traughber, vgl. Armin Pfahl-Traughber: Der „zweite Frühling“ der NPD. Entwicklung, Ideologie, Orga-

nisation und Strategie einer rechtsextremistischen Partei, Sankt Augustin/Berlin 2008.

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mals erfolgreiche Organisation versank in der politischen Bedeutungslosigkeit, in den siebziger, achtziger und bis weit in die neunziger Jahre hinein war sie nie mehr als eine „bedeutungslose, rechtsradikale Sekte“4. Die gesellschaftlich isolierte, überalterte Par-tei mit ihrer rückwärtsgewandten Programmatik übte selbst auf die extremistische Rech-te keinerlei Anziehung aus. Erst eine organisatorische, ideologisch-programmatische und strategische Neuausrichtung, die von Voigt eingeleitet und energisch vorangetrie-ben wurde, brachte sie zurück in die (begrenzte) Erfolgsspur. Eine wichtige Rolle spiel-ten dabei die Konzentration auf die neuen Bundesländer, die Hinwendung zu sozialen Themen und der Schulterschluss, den die NPD mit der DVU, aber auch mit den militan-ten Freien Kameradschaften, übte.5

2. Die Finanzen der NPDFinanziell war die NPD nie auf Rosen gebettet. Aber als Udo Voigt 1996 die Partei über-nahm, stand sie auf einigermaßen gesunden Füßen. Ihr Reinvermögen belief sich in sei-nem ersten vollständigen Amtsjahr 1997 auf mehr als 1,6 Millionen DM, das Haus- und Grundvermögen schlug mit 2,3 Millionen DM zu Buche, die Verbindlichkeiten machten ca. 1,5 Millionen DM aus. Die Gesamteinnahmen betrugen mit knapp 2,4 Millionen DM ungefähr ein Drittel der Gelder, die von der NPD heute eingenommen werden. Damals finanzierte sich die Partei vor allem durch Spenden und Mitgliederbeiträge.6 Im Schnitt bezahlte jeder Anhänger 123 DM für seine NPD-Zugehörigkeit. Staatliche Unterstützung erhielt sie keine, was an ihren schwachen Wahlergebnissen lag. In der Amtszeit von Günther Deckert (1991 bis 1996), dem Vorgänger Voigts, übersprang die NPD bei kei-nem Wahlantritt die Ein-Prozent-Marke.In den letzten beiden Geschäftsjahren, für die Rechenschaftsberichte vorliegen (2009 und 2010), nahm die NPD pro Jahr jeweils etwas mehr als drei Millionen Euro ein, 2009 sogar fast 3,2 Millionen Euro.7 Mit diesen Geldern mussten die Rechtsextremisten ih-ren Parteiapparat bezahlen, den allgemeinen Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, Wahl-

4 Zitiert nach: Horst Meier: In der Nachfolge der NSDAP? Das SRP-Verbotsurteil und das Verfahren gegen die NPD, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 4/2003, S. 485-495, hier S. 485.

5 Vgl. Marc Brandstetter: Die „neue“ NPD zwischen Systemfeindschaft und bürgerlicher Fassade. Parteienmonitor Ak-tuell der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin 2012. http://www.kas.de/wf/doc/kas_30034-544-1-30.pdf

6 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/703, S. 172.7 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/8551, S. 33.

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kämpfe bestreiten, ihre Liegenschaften unterhalten oder sonstige politische Aktivitäten finanzieren. Den Löwenanteil ihres Finanzetats bestreitet die NPD heute mit staatlichen Geldern, die ihr aus der Teilfinanzierung der Parteien zustehen. Nach § 18 Parteiengesetz erhalten die politischen Parteien Mittel aus dem Bundeshaushalt, um „an der Willensbildung des Volkes“ (wie es im Grundgesetz heißt) mitzuwirken. Dabei trägt der Gesetzgeber der tat-sächlichen gesellschaftlichen Verwurzelung einer Partei Rechnung. Überspringt diese ein bestimmtes Quorum (0,5 Prozent bei Europa- und Bundestagswahlen bzw. 1,0 Pro-zent bei Landtagswahlen), werden für die ersten vier Millionen Stimmen 0,85 Cent pro Stimme ausgezahlt, für alle weiteren noch 0,70 Cent. Da die Parteien außerdem ange-halten sind, selbst Mittel zu akquirieren, steuert die Bundesrepublik für jeden gespende-ten Euro bis zu einer Grenze von 3.300 Euro pro Person 0,38 Cent bei. In den Jahren 2009 und 2010 überwies das „System“ jeweils rund 1,2 Millionen Euro an die NPD. Ohne diese Unterstützung wäre die NPD nahezu handlungsunfähig, weshalb in der momenta-nen Verbotsdebatte das Argument, ein Verbot dieser Partei würde dem Rechtsextremis-mus den finanziellen Nährboden entziehen, zu den stichhaltigsten gehört. Außerdem nimmt die NPD pro Jahr mehr als eine halbe Million Euro an Mitgliederbeiträgen ein. 2009 waren es rund 519.000 Euro, ein Jahr später sogar 532.000 Euro.8 Durchschnitt-lich unterstütze ein Anhänger seine Partei mit ca. 81 Euro (2010). Spendengelder flos-sen in den zurückliegen Jahren in beachtenswerter Höhe an die NPD. „Natürliche Perso-nen“ gaben 2009 fast 1,2 Millionen Euro, 2010 waren es 836.000 Euro. Als Großspender trat dabei ein weiteres Mal Rolf Hanno aus Marbella (Spanien) in Erscheinung. Er über-wies 30.374 Euro. Auch einige Spitzenfunktionäre zeigten sich in Geberlaune. An der Spitze lagen der Schweriner Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs mit 25.720 Euro und der NPD-Vorzeige-Ideologe und Landtagsabgeordnete aus Sachsen, Jürgen Gansel, mit 19.135 Euro. Ihnen folgten der NPD-Bundesvize und einstige Landeschef von Thüringen, Frank Schwerdt (11.839 Euro), und die beiden Fraktionskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern, Tino Müller (11.650 Euro), bzw. Sachsen, Arne Schimmer, mit 10.186 Euro.9 Überraschenderweise sind die beiden bekanntesten „NPD-Größen“ Udo Voigt – damals noch Bundesvorsitzender – und Holger Apfel nicht auf der Liste der Spender zu finden, die nach dem Parteiengesetz veröffentlicht werden müssen, wenn

8 Vgl. Ebenda, S. 33.9 Vgl. Ebenda, S. 46.

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sie der NPD mehr als 10.000 Euro haben zukommen lassen. Und das, obwohl sich die Partei in diesem Jahr in einer finanziellen Schieflage befand. 2009 war das noch anders: Damals spendeten Voigt und Apfel jeweils mehr als 10.000 Euro an die NPD.10 Eine drin-gend benötigte Finanzspritze in Höhe von gut 150.000 Euro erhielt sie 2010 von dem „Verein zur Pflege nationaler Politik“, der im Berichtszeitraum seine Selbstauflösung be-kannt gab und sein beträchtliches Vereinsvermögen der NPD vermachte. Auch eine pri-vate Erbschaft verbesserte die finanzielle Situation der Rechtsextremisten. Günter Licht aus Gülzow (Schleswig-Holstein) bedachte sie in seinem Testament mit 25.000 Euro.11

Nur einen kleinen Teil ihres Parteietats, nämlich zwischen vier und fünf Prozent, be-streitet die NPD durch Gelder, die sie mit Veranstaltungen, der Verbreitung von Druck-schriften oder anderen Veröffentlichungen einnimmt. 2010 kamen so 129.000 Euro zusammen (2009: 158.500 Euro). Offensichtlich hat die Parteiführung in jüngerer Ver-gangenheit die Möglichkeiten, die sich aus eigenen Veranstaltungen ergeben, (wieder)entdeckt. Im Sommer des Jahres hatten musikbegeisterte Rechtsextremisten fast je-des Wochenende die Möglichkeit, an einem von der NPD oder ihren Suborganisationen wie der Parteijugend „Junge Nationaldemokraten“ organisierten Open-Air-Konzert teil-zunehmen. Als Schwerpunktregion wählten die Strategen Thüringen, wo gleich drei sol-cher Großevents – der „Eichsfeldtag“, das „Rock für Deutschland“ und der „Thüringentag der nationalen Jugend“ – stattfanden. Ein breiter zivilgesellschaftlicher Widerstand und Kommunen, die den Veranstaltern versuchten, immer mehr Steine in den Weg zu legen, sorgten aber dafür, dass die Besucherzahlen hinter den Erwartungen zurückblieben. Nicht so beim „Pressefest des Deutschen Stimme Verlages“, das 2011 zum ersten Mal in Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Trotz der hohen behördlichen Auflagen, die bei-spielsweise das Zelten auf oder in der Nähe des Veranstaltungsgeländes untersagten, machten sich ungefähr 1.000 Neonazis auf den Weg nach Pasewalk, einer kleinen Ge-meinde in der Nähe der polnischen Grenze. Zwar wurden die Zuschauerrekorde nicht er-reicht – 2004 mobilisierte die NPD noch 7.000 junge und alte Rechtsextremisten zu einer ähnlichen Veranstaltung nach Mücka (Sachsen) –, angesichts der Umstände dürften die Veranstalter damit aber zufrieden gewesen sein. Wer die neue Band „Die Lunikoff Ver-schwörung“ des ehemaligen „Landser“-Sängers und NPD-Mitglieds, Michael Regener, sehen wollte, musste an der Tageskasse 23,50 Euro Eintritt auf den Tresen legen. Auch

10 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/4801, S. 46.11 Vgl. Ebenda, S. 50.

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die zahlreichen Verkaufsstände des parteieigenen Verlages oder anderer Rechtsrock- und Textilienvertriebe, die sicherlich eine Standgebühr entrichten mussten, und die Ein-nahmen aus dem Verkauf von Essen und Getränken, sorgten mutmaßlich für ein Plus unter dem Strich, zumal sich die Ausgaben in Grenzen gehalten haben dürften. Die auf-tretenden Bands und Liedermacher waren dem Parteiumfeld zuzurechnen, weshalb ihre Gagen verhältnismäßig gering ausgefallen sein dürften. Selbst die eingesetzte Bühnen-technik befindet sich im Besitz der NPD, wie eine Anzeige in ihrem Parteiblatt Deutsche Stimme verrät, in der sie „professionelle Bühnen-, Ton- und Lichttechnik für Lautspre-cherwagen, Info-Stände, Kundgebungen, Großdemonstrationen sowie Konzerte aller Art“ zur Miete anbietet.Zusätzlich hat die Parteiführung eine Umstrukturierung ihres Propagandavertriebes in die Wege geleitet. Eine Überarbeitung des Geschäftsmodells war nötig, denn im Ge-schäftsjahr 2010 schrieb der Deutsche Stimme Verlag, der auch das gleichnamige Parteiblatt herausgibt (Auflage laut Eigenangabe: 25.000 Exemplare), einen Verlust von ca. 35.000 Euro.12 Unter der Leitung des neuen Chefredakteurs Karl Richter veränderte sich das Erscheinungsbild der Monatszeitung. Vier farbige Seiten sollen die Hetzschrift optisch aufwerten, die Artikel sind kürzer gehalten, Bilder nehmen einen breiteren Raum ein. Die ausführlichen Strategiediskussionen der Vergangenheit spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Dafür haben Kategorien wie „Nazialarm des Monats“ oder „Wir zeigen Gesicht. Die NPD im Profil“ Einzug gehalten. Die Mehrzahl der Artikel besteht aus (aufgearbeiteten) Pressemitteilungen, Berichten oder Initiativen der Parteigliederungen und Fraktionen, die meistens bereits Wochen vor der Veröffentlichung in der Deutschen Stimme auf den jeweiligen Internetseiten nachgelesen werden können. Die Leitung des Verlages hat mit Eckart Bräuniger ein altgedienter Funktionär über-nommen, der gegenüber der „Zeit“ die „angespannte wirtschaftliche Situation“ ein-gestehen musste. Mit 6.000 bis 7.000 Artikeln sei der Warenbestand des Versand-handels zu umfangreich, außerdem habe die Indizierung des Katalogs die Situation verschärft.13 Der ehemalige Söldner im Balkankrieg löste den glücklosen Uwe Meenen ab, der vor allem durch seine dubiosen Immobiliengeschäfte in den Blick der Öffent-lichkeit geraten war. Er soll die Deutsche Stimme fit für die Zukunft machen. Neben ei-nem erweiterten Veranstaltungsangebot – auf dem Gelände in Riesa finden regelmäßig

12 Vgl. Ebenda, S. 4813 Vgl. Martin Machowecz: Der nationale Niedergang, unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-12/npd-holger-

apfel-nsu-deutsche-stimme (eingesehen am 11. September 2012).

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Parteiveranstaltungen wie das „Lesertreffen“ oder das „Sommerfest“ statt – wurde das Verkaufssortiment umgekrempelt. Zwischen klassische Artikel wie Rechtsrock-CDs oder einschlägige „T-Hemden“ haben Dekorationsartikel wie der „Adler zur Wandbefestigung mit Halterung für 5 Kerzen“ zum Preis von 269 Euro Einzug gehalten. Dieser Weg soll auch in der kalten Jahreszeit weiter beschritten werden: In der September-Ausgabe 2012 sucht die Deutsche Stimme per Anzeige eine Halle mit 2000 Quadratmetern Flä-che für eine „einmalige Veranstaltung.“ Offensichtlich reichten alle Maßnahmen aber nicht, um den Verlag kurzfristig in die Gewinnzone zu führen. Deshalb stellt der säch-sische Landesverband den Blattmachern einen Kredit in Höhe von 50.000 Euro (zuerst war sogar von 140.000 Euro die Rede) zur Verfügung. In dem entsprechenden Vertrag sicherten sich die beiden Spitzenkader Holger Apfel und Udo Pastörs, die als Gesell-schafter auftreten, zugleich weitgehende Einflussmöglichkeiten auf das operative Ge-schäft. Sie seien dem Geschäftsführer gegenüber „weisungsbefugt“, heißt es in dem Pa-pier.14 Unterdessen fand in der Szene ein Gerücht wie ein Lauffeuer Verbreitung, dass der Deutsche Stimme zum Jahresende 2012 die Schließung drohe.15 Offenbar haben die Maßnahmen nicht wie erhofft gefruchtet. Während das Parteiblatt vermutlich erhal-ten werden soll, steht womöglich der Versandhandel vor dem Aus. Intern diskutieren die Funktionäre über „neue Konzepte und Schwerpunktsetzungen“.16

3. Finanzskandale der NPD3.1 Das „System Golkowski“Immer wieder macht die NPD mit ihren Finanzaffären Schlagzeilen. Eine saftige Strafzahlung der für die Parteienfinanzierung zuständigen Bundestagsverwaltung in Höhe von 870.000 Euro brachten ihr die kriminellen Machenschaften ihres ehemaligen thüringischen Landesvorsitzenden Frank Golkowski ein, der in seinem Landesverband ein System verfolgte, das so einfach wie perfide war. Anhänger der Partei verzichteten für geleistete Dienste (z. B. Plakate kleben) auf eine Aufwandsentschädigung, erhiel-ten aber fingierte Spendenquittungen, die sie bei ihrer Steuererklärung geltend machen

14 Vgl. Marc Brandstetter: Für 140.000 Euro. NPD-Chefs Apfel und Pastörs sichern Einfluss auf die Deutsche Stimme, unter: http://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=7491:140000&Itemid=388 (einge-sehen am 5. September 2012).

15 Vgl. Kombinat Fortschritt: „Deutsche Stimme“ am Ende?, unter: http://kombinat-fortschritt.com/2012/09/06/deutsche-stimme-am-ende/ (eingesehen am 11. September 2012).

16 Vgl. Patrick Gensing: NPD-Versand „Deutsche Stimme“ vor dem Aus?, unter: http://www.publikative.org/2012/09/07/npd-versand-deutsche-stimme-vor-dem-aus/ (eingesehen am 11. September 2012).

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konnten. Durch die so gewonnenen „Spenden“ kam die Partei darüber hinaus in den Ge-nuss überhöhter Gelder aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung. Im Jahre 1998 ex-plodierte das Spendenaufkommen der Thüringer NPD geradezu. Nachdem es im Vor-jahr noch 222.000 DM betragen hatte, flossen nun 533.000 DM auf die Parteikonten (bei nur 12.000 DM aus Mitgliederbeiträgen).17 Eine derart wundersame Geldvermehrung konnte von den zuständigen Stellen erwartungsgemäß nicht übersehen werden. Ein Ermittlungsverfahren deckte bald das „System Golkowski“ auf, das Amtsgericht Er-furt verurteilte den NPD-Funktionär wegen Steuerhinterziehung in 135 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.18 Die relativ milde Strafe befeuer-te in der Szene das Gerücht, Golkowski sei ein „Agent Provocateur“ mit dem Auftrag ge-wesen, der NPD durch seine kriminelle Energie bleibenden Schaden zuzufügen. Doch dieses Argument verfängt nicht, denn Golkowski verfolgte in einer von ihm gegründeten Splitterpartei, dem „Bund Deutscher Patrioten“ (BDP), die gleiche Masche.Nach seinem Rückzug belastete Golkowski seine einstigen „Kameraden“ schwer: Sein „System“ sei kein Einzelfall gewesen. Er gab weiter an, auf Schatzmeisterseminaren sei das Thema „Luftbuchungen“ besprochen worden, die Berliner Parteiführung habe nicht nur Bescheid gewusst, sondern seine Machenschaften sogar gefördert. Auch an-dere Landesverbände wären bei der Beschaffung neuer Gelder so vorgegangen wie die NPD-Aktivisten in Thüringen.19 Damit unterstellte er, die NPD betreibe eine systemati-sche Fälschung ihrer Buchführung. Die NPD ging juristisch gegen die Strafzahlungen vor, verlor das Verfahren aber vor dem Berliner Verwaltungsgericht.20

3.2. Die „Affäre Kemna“Verglichen mit dem Skandal, der in den Jahren 2008 und 2009 die NPD erschütterte, war Golkowski ein kleiner Fisch. Der langjährige Schatzmeister der Bundes-NPD, Er-win Kemna, hatte zwischen 2004 und 2006 rund 750.000 Euro an Parteigeldern auf sei-ne eigenen Konten umgeleitet, um sein marodes Küchenstudio zu retten. Rund 80 Mal griff er in die Parteikasse, die Hinterziehung dieser Gelder verschleierte er hinter einem

17 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/3535, S. 184.18 Vgl. Sven Röbel/Andreas Wassermann/Steffen Winter: Geld aus dem Nichts, in: Der SPIEGEL Nr. 24/2006, S. 40.19 Vgl. Sven Röbel/Andreas Wassermann: Geld in der Schublade, in: Der SPIEGEL Nr. 48/2007, S. 42.20 Vgl. Deutscher Bundestag: Rückforderungen gegen die NPD waren rechtens. http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2008/20539076_kw21_npd_urteil/index.html (eingesehen am 4. September

2012).

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undurchsichtigen Geflecht aus Unterkonten und Bilanzmanipulationen. Das Landgericht Münster verurteilte den geständigen Kemna am 12. September 2008 zu einer Freiheits-strafe von zwei Jahren und acht Monaten.21 Im Zuge der Ermittlungen und während des Prozesses kamen einige interessante De-tails ans Licht. So hatte sich die NPD in der Vergangenheit systematisch geringere Be-träge bei ihren Sympathisanten geliehen, die nach dem Parteiengesetz nicht namentlich veröffentlicht werden müssen. Dadurch konnte die Herkunft bestimmter Gelder ver-schleiert werden. Außerdem griff die Partei ihren eigenen Funktionären in finanziellen Notlagen unbürokratisch – also ohne Präsidiumsbeschluss – unter die Arme. Parteichef Udo Voigt hatte gleich mehrere Male von diesem dubiosen System profitiert. Einmal er-hielt er ein (mittlerweile zurückgezahltes) Darlehen in Höhe von 5.000 Euro, ein ande-res Mal 30.000 Schweizer Franken, deren Zahlung über die damalige Firma des Spitzen-funktionärs, die „Wing Textilreinigung“ in Landshut, abgewickelt wurde.22

Bald erhärtete sich der Verdacht, dass der Kassenwart die Rechenschaftsberichte der Partei frisiert haben könnte, was erneut die Bundestagsverwaltung auf den Plan rief. Die Untersuchungen dauern noch immer an. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, drohen der NPD weitere Strafen in Millionenhöhe. Sicher jedenfalls ist, dass der Bericht für das Jahr 2007 gleich mehrere Fehler aufwies. Der neue Schatzmeister Stefan Köster war mit der Erstellung eines ordentlichen Berichts heillos überfordert, zu groß war das von Kemna hinterlassene Chaos in der Buchführung. Auf dem Parteitag in Berlin 2009, wo die Affäre durch die Delegierten aufgerollt wurde, musste er haarsträubende Fehler eingestehen: Der Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern hatte Irrtümer der Landes- und Kreisverbände übersehen, seinem Bericht sieben falsche Seiten beigelegt und statt des vom Parteiengesetz geforderten Nettobetrags der staatlichen Unterstützung den Bruttobetrag zugrunde gelegt – und diesen auch noch falsch berechnet.23 Ohnehin stell-te die parteiinterne Untersuchungskommission den buchhalterischen Fähigkeiten des NPD-Personals ein schlechtes Zeugnis aus. Auf allen Ebenen kümmerten sich „unfähi-ge Schatzmeister“ um die Parteifinanzen. Persönlich bereichert – dieser Verdacht stand während des gesamten Parteitages im Raum – habe sich aber niemand.

21 Vgl. SPIEGEL Online: Chaosbuchhalter bringt Rechtsextreme in Bedrängnis. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,577986,00.html (eingesehen am 4. September 2012).22 Vgl. SPIEGEL Online: NPD-Chef profitiert privat von Parteigeld. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,626378,00.html (eingesehen am 4. September 2012).23 Vgl. Martin Kotynek/Marc Serrao: Die Zahlen stimmen nicht, in: Süddeutsche Zeitung vom 4./5. April 2009.

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Die Verwaltung des Hohen Hauses ließ der NPD eine Zahlungsaufforderung über mehr als 2,5 Millionen Euro zukommen, die erste Abschlagszahlung des Jahres von 305.000 Euro behielt sie ein. Die NPD setzte sich gegen die Strafzahlungen juristisch zur Wehr und erzielte vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Punktsieg: Die Kam-mer verpflichtete die Bundestagsverwaltung zur Auszahlung der einbehaltenen Mit-tel, sofern die Partei bei Gericht eine Sicherheitsleistung in gleicher Höhe hinterle-ge. Außerdem reduzierte sie die Höhe der Zahlungen um die Hälfte. Die Revision der Bundestagsbeamten erfolgte umgehend; das Oberverwaltungsgericht Berlin-Bran-denburg folgte ihrer Argumentation, änderte die erstinstanzliche Entscheidung und setzte die zu zahlende Summe wieder auf ihren ursprünglichen Betrag von 2,5 Millio-nen Euro fest. Außerdem ließ der Senat die Möglichkeit einer Revision vor dem Bun-desverwaltungsgericht zu.24

Damit war die „Affäre“ für die Parteiführung keineswegs ausgestanden. In einer ersten Re-aktion nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Voigt seinen Freund Kemna noch ver-teidigt und versprochen, die „politische Verantwortung“ zu übernehmen. Außerdem vertei-digte er die „kreative Buchführung“ seines Vorstandskollegen mit dem Druck des „Systems“ auf die Partei.25 Taten ließ er indes nicht folgen. Während des ausbrechenden Machtkamp-fes gegen die beiden starken Landesfürsten Apfel und Pastörs klammerte sich der einsti-ge Bundeswehroffizier verzweifelt an seinen Chefsessel, was ihm den Szenenamen „Pat-tex-Udo“ einbrachte. Die „Finanzaffäre“ ließ die strategischen Differenzen, die schon lange unter der Parteioberfläche gärten, mit unverminderter Härte ausbrechen. In der Vergan-genheit hatte Voigt den Part eines „Mittlers“ zwischen den Strömungen eingenommen, die bescheidenen Erfolge hielten die Partei zusammen. Diese Rolle musste er nun aufge-ben, Wahlerfolge unter seiner Führung blieben aus, politische Visionen ließ der langjährige NPD-Chef vermissen. Im Herbst 2011 hatte ihn die innerparteiliche Oppositionsbewegung schließlich sturmreif geschossen und löste ihn ab. Obwohl die beiden NPD-Flügel das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Überwindung des demokratischen Systems der Bundesrepublik, stehen sie sich doch unversöhn-lich gegenüber: Die „gemäßigtere“ Linie möchte der NPD eine „bürgerlich-seriöse“ Außendarstellung verpassen, ohne jedoch die ideologischen Grundprinzipien wie das „Abstammungsprinzip“ aufzugeben. Die NPD soll als „Kümmerer“ auftreten, die Wähler

24 Vgl. Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2011 „Beanstandungen gegen den Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 2007 – 13/11 (OVG 3a B 1.11).

25 Vgl. Gideon Botsch/Christoph Kopke: Die NPD und ihr Milieu, Münster/Ulm 2009, S. 104.

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mit vermeintlich unverfänglichen Themen binden. Vorreiter dieser Strategie der „seriö-sen Radikalität“ ist Holger Apfel mit seiner sächsischen NPD. Ihnen gegenüber stehen die Hardliner, die die NPD als Sperrspitze einer revolutionären außerparlamentarischen Bewegung von rechts sehen. Aufbauend auf einem gemeinsamen nationalsozialisti-schen Fundament möchte diese Parteiströmung mit den militanten Freien Kamerad-schaften ein Kampfbündnis schmieden, um die Republik zu „unterwühlen“. In diesem Konflikt spiegelt sich das Grunddilemma der NPD wider: Der „Kampf um die Straße“ und der „Kampf um die Parlamente“ sind unvereinbar.

3.3. „Kreative“ GeschäfteAuch ansonsten zeigte sich die NPD in der Vergangenheit bei der Geldbeschaffung „krea-tiv“. Auf ihrer Webseite platzierte sie zwei „0900-Nummern“ (– sonst vor allem durch dubi-ose Gewinnspiele oder Sex-Hotlines bekannt –), mit denen ein Anrufer wahlweise fünf oder zehn Euro spenden konnte. Nachdem dies in der Presse für Spot und Gelächter gesorgt hat-te, verschwand die neue Einnahmequelle genauso schnell wie sie aufgetaucht war. Und zu ihren Bundesparteitagen erhob sie 10 Euro Eintritt pro Delegiertem, um die Saalmiete zu re-finanzieren.

Quelle: http://www.npd-jena.de/index.php?ID=28&anfang=100&npd=aktuelles (eingesehen am 11. März 2009).

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Ein „spezielles“ Angebot unterbreitete der NPD-Kreisverband Jena verkaufswilligen Immobilienbesitzern. Gegen eine Parteispende bekunde man schriftlich ein Kaufinte-resse der NPD und gebe eine entsprechende Mitteilung an die Lokalpresse heraus, um damit die Chance zu eröffnen, ein sonst unverkäufliches Objekt „zu Höchstprei-sen“ an die Kommune zu veräußern (siehe Abbildung S. 35). Immer wieder machen Städte und Gemeinden von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, um ein rechtsextremisti-sches Schulungszentrum oder einen anderen Szenetreffpunkt in ihren Orten zu ver-hindern. Ob die Berliner Parteiführung in diese Machenschaften eingebunden war, ist bis heute ungeklärt.26 Mancherorts hatte diese Masche jedenfalls Erfolg. In Menden (Nordrhein-Westfalen) kaufte die Stadt ein altes Gut für 800.000 Euro, konnte das Her-renhaus aber nicht wie geplant wieder veräußern, da eine komplizierte Vertragssituation und strenge Auflagen des Denkmalschutzes mögliche Investoren früh abschreckten. Ein neues Gutachten hat den Verkehrswert der Immobilie daher auf null Euro festgelegt, was in der Stadt für Unruhe sorgt.27

4. Finanzen NPD Mecklenburg-VorpommernNeben Geldern aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung erhält die NPD auch Mit-tel für ihre beiden Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Aus den jeweiligen Landeshaushalten fließen siebenstellige Beträge an die rechtsex-tremistischen Fraktionen – pro Jahr. In der zurückliegenden Legislaturperiode (2006 bis 2011) summierten sich die Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf ungefähr sieben Millionen Euro. Rund zwei Millionen erhielten die sechs damali-gen Abgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster, Michael Andrejewski, Tino Müller, Bir-ger Lüssow und Raimund Borrmann als Entschädigung. Zusätzlich stand ihnen eine steuerfreie Kostenpauschale von 436.000 Euro sowie knapp 1,2 Millionen Euro für ihre Wahlkreismitarbeiter zur Verfügung. Die Fraktionszuschüsse schlugen mit 3,25 Millionen Euro zu Buche, außerdem hatte Fraktionschef Pastörs Anrecht auf einen Dienstwagen, der den Steuerzahler 72.500 Euro in fünf Jahren kostete.28 Da die NPD bei der Landtags-

26 Vgl. Elmar Vieregge: Die NPD und die Immobilien – Ausbau rechtsextremer Strukturen oder Scheingeschäfte?, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 19, Baden-Baden 2008, S. 182-198, hier S. 197.

27 Vgl. Michael Koch: Teure NPD-Abwehr. Gut Rödingshausen nichts wert, unter: http://www.derwesten.de/staedte/menden/teure-npd-abwehr-gut-roedinghausen-nichts-wert-id7039436.html (einge-

sehen am 4. September 2012).28 Vgl. Parlamentsdatenbank des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Eigene Berechnung.

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wahl im September 2011 ein Mandat verlor, fallen nun die Zahlungen des Landes gerin-ger aus. In der Summe belaufen sie sich immer noch auf rund eine Million Euro pro Jahr. Dazu gehören Diäten von fast 320.000 Euro, eine Kostenpauschale von mehr als 75.000 Euro oder verschiedene Fraktionsgelder, die sich auf eine halbe Million Euro summie-ren.29 Damit stellt alleine das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern der NPD-Fraktion eine Summe zur Verfügung, die ungefähr genauso hoch ist wie die Zahlungen aus der staatlichen Teilfinanzierung, die zwischen der Bundespartei und den nachgeordneten Gliederungen aufgeteilt werden müssen. Mit diesen Geldern unterhält die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern Bürgerbüros. An der Ostsee hat sie fünf solcher Treffpunkte eröffnet, von denen min-destens zwei, wahrscheinlich drei, in Immobilien untergebracht sind, die im Besitz von Parteisympathisanten sind. Der Fraktionsvorsitzende Pastörs und der parlamen-tarische Geschäftsführer Köster nutzen zwei verschiedene Räumlichkeiten. In Pastörs Heimatstadt Lübtheen (Landkreis Ludwigslust-Parchim) hat das gut erkennbare, mit Parteiaufklebern und Plakaten versehene Bürgerbüro der beiden Spitzenkader sein Zu-hause in zentraler Lage gefunden. Direkt in der Mitte des Ortes, am Ernst-Thälmann-Platz, demonstrieren die beiden Wahlkreismitarbeiter Andreas Theißen und Torgai Klingebiel das Selbstbewusstsein dieser Partei in Mecklenburg-Vorpommern. Einige Indizien deu-ten daraufhin, dass das Haus der Familie Pastörs gehört. Das zweite Büro befindet sich im „Thinghaus“, einem Szenetreffpunkt in Grevesmühlen (Nordwestmecklenburg). Hin-ter hohen Mauern und Stacheldraht residiert in dem Gebäude, das dem ehemaligen, u. a. wegen Waffenbesitzes und Hehlerei zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteil-ten NPD-Landesvorstandsmitglied Sven Krüger gehört, auch das Internetportal „MUP-info“. Die von dem Mitglied des Landtages David Petereit verantwortete Onlineplattform gehört zu den wichtigsten Informations- und Kommunikationsinstrumenten des „natio-nalen Widerstandes“. Damit fließen womöglich über den Umweg der Miete Gelder di-rekt in die Bewegung. Außerdem sind die NPD-Aktivisten näher bei den Menschen. In Anklam bietet ihr „Fraktionsexperte“ Michael Andrejewski in seinem Büro jeden Montag zwischen 10.00 Uhr und 18.00 Uhr Sprechstunden zum Thema „Hartz IV“ an. Die Partei verfügt mit diesen Räumlichkeiten über Rückzugsräume in eigentlich abgelegenen Ge-bieten, in denen politische Aktionen geplant und Propagandamaterialien vorrätig gehal-ten werden können.

29 Vgl. Ebenda.

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Viele der aktiven rechtsextremistischen Kader arbeiten bei oder für die NPD. Diese „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ ermöglichen den bis in die Haarspitzen motivier-ten Überzeugungstätern, den „Kampf um Deutschland“ 24 Stunden am Tag zu füh-ren. Neben dem hauptamtlichen Parteiapparat, mit Stellen auf Bundes- und Landes-ebene, stehen Spitzenfunktionäre bei der Partei in Lohn und Brot. So zum Beispiel der stellvertretende Bundesvorsitzende und Münchner Stadtrat der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA), Karl Richter, als Chefredakteur bei der Parteizeitung Deutsche Stimme. Auch die beiden Landtagsfraktionen haben sich als effektives Instrument für die Unterbringung der eigenen Anhängerschaft erwiesen. Im Schweriner Schloss ar-beiteten im März 2012 wahrscheinlich 15 Personen für die NPD. Nicht in diese Zäh-lung eingeflossen sind die fünf Abgeordneten und deren Wahlkreismitarbeiter, so dass alleine in Mecklenburg-Vorpommern mindestens 25 NPD-Kader vom Land ihre Diäten und Gehälter beziehen. Würden diese Aktivposten einer geregelten Arbeit außerhalb der Parteistruktur nachgehen, stünde ihnen weniger Zeit, eine geringere Informationsdichte und womöglich eine schlechtere technische Ausstattung zur Verfügung, um ihr antide-mokratisches Gedankengut zu verbreiten.

5. Ein möglicher Verlust staatlicher Gelder trifft die NPD – nicht aber die gesamte Szene

Durch die staatliche Parteienteilfinanzierung hat sich der Staat zum wichtigsten Geld-geber der NPD entwickelt. Gut 40 Prozent ihres Jahreshaushaltes bestreiten die Rechtsextremisten aus dieser Quelle. Hinzu kommen die Gelder, die in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern für die beiden Landtagsfraktionen gezahlt werden. Ohne die-se Mittel wäre die NPD nicht in der Lage, ihren Apparat aufrechtzuerhalten, der vielen Parteianhängern ein Auskommen bietet. Dadurch haben die Aktivisten die Zeit und den finanziellen Spielraum für ihre systemfeindlichen Aktivitäten.Den Parteistrategen ist bewusst, dass diese Quelle nicht unendlich ist, sie irgendwann versiegen kann. Bereits seit Monaten diskutiert die Öffentlichkeit über ein „Parteiverbot light“: Ziel ist es, der NPD den Geldhahn zuzudrehen. Hintergrund sind die hohen Hür-den, die das Bundesverfassungsgericht für weitere Verbotsverfahren aufgestellt hat. Deshalb hat die Parteiführung um den neuen Chef Holger Apfel begonnen, den Deut-sche Stimme Verlag zu einem zweiten finanziellen Standbein umzubauen, was bislang aber mehr schlecht als recht funktioniert. Als ertragreiche Einnahmemöglichkeit haben sich in der Vergangenheit darüber hinaus die Parteiveranstaltungen erwiesen, die einen

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Redner- und einen Musikanteil kombinieren. Neben den bekannten Großevents in Thü-ringen oder dem „Pressefest des Deutschen Stimme Verlages“ fanden zuletzt immer wieder Veranstaltungen auf dem Verlagsgelände in Riesa statt. Ein Verlust der staatli-chen Gelder hätte für die NPD dessen ungeachtet weitreichende Folgen, die politische Arbeit müsste zusammengestrichen werden. Die Geschäftsstellen müssten Stellen ab-bauen, Personalausgaben von fast 320.000 Euro könnte sich die Partei in diesem Fall nicht mehr leisten. Eine Minderung der politischen Schlagkraft und eine Reduzierung des zum Einsatz kommenden Propagandamaterials wären die Konsequenz. Für die gesamte rechtsextremistische Bewegung blieben die Folgen überschaubar. In vielen Regionen haben sich die Freien Kameradschaften längst zu dominierenden Strö-mungen der extremistischen Rechten entwickelt. Abseits ihrer ostdeutschen Hochbur-gen spielt die NPD nur selten eine politische Rolle. Im Gegenteil: In den alten Bun-desländern haben ihr die parteiunabhängigen Neonazis längst den Rang abgelaufen. Schon früh hat sich die Szene auf ein eventuelles Verbot dieser Partei, und damit auf den Wegfall der staatlichen Gelder, eingestellt. Nahezu alle wichtigen Immobilien sind heute in den Händen von „freien“ Aktivisten. Der Aufbau einer rechtsextremistischen Parallelwirtschaft mit eigenen Vertrieben und Läden für Musik, Kleidung, NS-Devotiona-lien und sonstigen Gebrauchsgegenständen sichert den Führungskräften ihren Lebens-unterhalt und ermöglicht außerdem die Anstellung gesinnungstreuer „Kameraden“. In ei-nigen Fällen wird sogar ein Überschuss für die politische Arbeit erwirtschaftet. Die Kameradschaften müssen keine teuren Wahlkämpfe führen, ihr Aktionsrepertoire ist anders gewichtet. Aktivitäten wie Kameradschaftsabende, nächtliche Aufmärsche im Fackelschein, das Kleben und Verteilen neonationalsozialistischer Plakate und Flugblät-ter oder gemeinsame Wehrsportübungen und Fußballturniere können auch mit verhält-nismäßig wenig Geld organisiert werden. Und nicht zu Letzt haben die Neonazis das Internet für sich entdeckt. Dort sind die Möglichkeiten, die eigenen Ansichten mit Gesin-nungsgenossen in aller Welt zu teilen, sich auszutauschen, neue Anhänger zu gewin-nen oder spezielle Szeneprodukte zu verbreiten, schier unerschöpflich. Die Ansprache einer anderen Zielgruppe, nämlich vor allem Jugendliche, erleichtert dieses Unterfan-gen. Strategische Zurückhaltung, wie sie die NPD in Wahlkampfzeiten üben muss, spielt für sie keine Rolle.

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Klaus Hanfland„Gesetzliche Grundlagen und Praxis der Parteienfinanzierung“

Zum Thema „Parteienfinanzierung“ in der Bundesrepublik ist zunächst einmal zu sagen, dass die politischen Parteien sich in erster Linie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden selbst finanzieren sollen. Daneben gibt jedoch auch eine subsidiäre staatliche Teilfinanzierung, die sich nach dem Erfolg der jeweiligen Partei bei Wahlen und dem Umfang der finanziel-len Zuwendungen durch natürliche Personen an die Parteien bemisst.Die politischen Parteien sind, anders als die Parlamentsfraktionen, nicht Teil der ver-fassten Staatlichkeit, sondern wurzeln im gesellschaftlich-politischen Bereich. Ihre Grün-dung ist frei, ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen müssen sie öffentlich Rechenschaft geben, wie Art. 21 des Grundgesetzes garantiert. Dies erfolgt durch die jährliche Einreichung eines Rechenschaftsberichts beim Präsidenten des Deutschen Bundestages, der als Drucksache und im Internet veröffentlicht wird.Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien verlangt, dass sie nicht nur politisch, son-dern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der

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Bürger angewiesen bleiben müssen. Eine staatliche finanzielle Unterstützung darf daher nur ergänzend erfolgen. Das Gesamtvolumen der staatlichen Parteienfinanzierung auf Bundes- und Landesebe-ne beträgt derzeit 141,9 Mio Euro pro Jahr. Die an der staatlichen Teilfinanzierung teil-nehmenden Parteien hatten ausweislich ihrer Rechenschaftsberichte für das Jahr 2010 Eigeneinnahmen in Höhe von insgesamt ca. 290 Mio Euro. Die staatliche Finanzierung der politischen Parteien belief sich damit auf knapp die Hälfte ihrer gesamten Einnah-men. Insgesamt nehmen zurzeit 19 Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung teil.Zur gesetzlichen Regelung der Parteienfinanzierung: Art. 21 Grundgesetz sah bereits seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1949 vor, dass die Parteien über ihre Einnahmen öffentlich Rechenschaft ablegen müssen. Das Nähere wurde im Jahr 1968 in dem Gesetz über die politischen Parteien geregelt, das nicht nur die Einzelheiten der Rechnungslegung, sondern auch die Grundsätze einer staatlichen Teilfinanzierung der Parteien festlegt. Als mittelverwaltende Behörde wurde der Präsident des Deutschen Bundestages festgelegt. Zunächst wurde jedoch noch keine allgemeine staatliche Parteienfinanzierung vorgese-hen, sondern lediglich die Erstattung der Kosten eines angemessenen Wahlkampfes, die jeweils nach einer Wahl nach dem Stärkeverhältnis der Parteien ausgezahlt wurde. 1992 hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die besonders herausragende Bedeutung der politischen Parteien als gesellschaftliche Gruppierungen es für zulässig erklärt, den Parteien nicht nur die notwendigen Kosten für einen angemessenen Wahl-kampf zu erstatten, sondern ihnen auch für die durch Grundgesetz und Parteiengesetz auferlegten allgemeinen Aufgaben eine staatliche Teilfinanzierung zukommen zu lassen. Dies führte ab dem Jahr 1994 zur allgemeinen staatlichen Teilfinanzierung. Diese wurde jedoch zweifach nach oben begrenzt, und zwar absolut auf das Volumen, das die Partei-en auf Grund der bisherigen Rechtslage erhalten hatten sowie relativ auf die Höhe der jährlichen Eigenfinanzierung der jeweiligen Partei („relative Obergrenze“).Das Parteiengesetz wurde im Jahr 2002 noch einmal wesentlich geändert. Mehrere Spendenskandale hatten deutlich gemacht, dass bessere Vorkehrungen zur Abwehr rechtswidriger Handlungen bei der Beschaffung und Verwaltung der Parteifinanzen notwendig sind. Die Regelungen über Sanktionen, die der Bundestagspräsident als mittelverwaltende Stelle bei fehlerhaften Rechenschaftsberichten und Verstößen gegen das Parteiengesetz zu verhängen hat, wurden präzisiert. Auch ein Straftatbestand wur-de eingeführt.

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Nun zur Finanzierung im Einzelnen. Zunächst: die Eigenfinanzierung der Parteien.Als nicht staatliche, sondern gesellschaftliche Gruppierungen sind die Parteien verpflich-tet, sich in erster Linie privat zu finanzieren. Wie ich bereits erläuterte, ist die staatliche Finanzierung nur ergänzend und darf nie höher sein als die Eigenfinanzierung der jewei-ligen Partei („relative Obergrenze“ der staatlichen Finanzierung).Die Haupteinnahmequelle der Eigenfinanzierung der politischen Parteien sind Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie Spenden. Spenden dürfen die Parteien grundsätzlich in unbegrenzter Höhe annehmen. Bei der Abwägung einerseits der Notwendigkeit, dass sich die Parteien vor allem selbst finanzieren sollen, und andererseits der Gefahr, dass die Parteien und ihre politische Arbeit bei zu hohen Spenden undemokratischen Einflüs-sen ausgesetzt sein können, hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, in genau be-stimmten Fällen die Annahme von Spenden zu verbieten. Dabei handelt es sich, kurz gesagt, um Fälle, in denen entweder durch unzulässigen Einfluss auf die Parteien demokratische Grundsätze verletzt werden könnten, zum Beispiel bei Spenden, die erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines be-stimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gegeben werden, sog. Einfluss- oder „Dankeschön-Spenden“, oder durch eine indirekte Parteienfinanzierung die absolute Obergrenze umgangen werden könnte, zum Beispiel: Spenden von öffentlich-rechtli-chen Körperschaften, Parlamentsfraktionen oder auch politischen Stiftungen, oder von Unternehmen, die zu mehr als 25 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand stehen.Ansonsten ist die Spendenhöhe nicht begrenzt. Der Gefahr von Korruption soll durch eine möglichst große Transparenz begegnet werden. Diese besteht darin, dass Spen-den, die eine Partei von einem Spender innerhalb eines Rechnungsjahres im Gesamt-wert von mehr als 10.000 Euro erhält, mit Namen und Anschrift des Spenders und der Höhe der Gesamtspende im Rechenschaftsbericht deutlich gemacht werden muss. Der Rechenschaftsbericht wird, wie gesagt, veröffentlicht. Spenden über 50.000 Euro müs-sen außerdem unverzüglich dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden, der sie „zeitnah“ in einer eigenständigen Bundestagsdrucksache veröffentlicht.Durch die im Parteiengesetz im Detail festgeschriebene Pflicht der politischen Parteien, über ihre Einnahmen und Ausgaben und über ihr Vermögen umfassend öffentlich Re-chenschaft zu legen, ist ein Weg gefunden worden, der zum einen den Parteien eine möglichst weitgehende Eigenfinanzierung ermöglicht und sie zum anderen zu einem gesetzeskonformen und demokratiegerechten transparenten Arbeiten befähigt.

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Nun: Staatliche Teilfinanzierung. Die im Parteiengesetz geregelte staatliche Teilfi nanzierung der Parteien orientiert sich an dem Maßstab ihrer Verwurzelung in der Gesellschaft. Eine Partei, die in der Gesell-schaft Rückhalt findet, soll größere staatliche Finanzmittel erhalten als eine Partei, die von der Gesellschaft abgelehnt wird. Dies bemisst sich zum einen anhand des Wahler-gebnisses, das die Parteien in der Europawahl, der Bundestagswahl und den 16 Land-tagswahlen, erhalten haben, und zum anderen anhand des Erfolgs, den die Parteien dadurch erzielen, dass sie möglichst viele Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie Spenden erhalten.Parteien nehmen an der staatlichen Finanzierung teil, wenn sie bei den letzten Europa- oder Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen oder bei einer Landtags-wahl mindestens 1 Prozent der Stimmen erhalten haben. Sie bekommen für die ersten 4 Millionen für sie abgegebenen Stimmen 0,85 Euro je Stimme und für jede weitere Stimme 0,70 Euro. Außerdem erhalten sie 0,38 Euro für je-den Euro, den natürlichen Personen als Mitgliedsbeitrag oder Spende zahlen, bis zu ei-ner Grenze von 3.300 Euro je natürlicher Person. Bei der Berechnung müssen jedoch absolute und relative Obergrenze beachtet werden.Die staatliche Teilfinanzierung hängt direkt von der Befolgung der gesetzlichen Pflicht zur Rechnungslegung ab, denn die Teilfinanzierung wird von der mittelverwaltenden Be-hörde auf der Grundlage der jährlich einzureichenden Rechenschaftsberichte berechnet und festgesetzt. Ist ein Rechenschaftsbericht unrichtig, so ist die Partei verpflichtet, dies unverzüglich nach der Entdeckung zu berichtigen.Verstöße gegen die Pflicht zur Rechnungslegung und andere Gebote des Parteiengesetzes, insbesondere Spendenverbote, lösen finanzielle Sanktionen in Höhe des Zwei- oder Dreifachen des unrichtigen Betrages aus. Außerdem gelten spezielle Strafvorschriften, nach denen zum Beispiel einzelne Parteimitglieder, die die Vorschrif-ten über die öffentliche Rechnungslegung umgehen und damit einen unrichtigen Re-chenschaftsbericht beim Präsidenten des Deutschen Bundestags einreichen, strafrecht-lich angemessen zur Verantwortung gezogen werden können.Nicht unerwähnt bleiben soll noch die mittelbare Parteienfinanzierung durch steuerli-che Privilegierung von Zuwendungen. Neben der unmittelbaren staatlichen Finanzie-rung der Parteien besteht auch eine mittelbare Finanzierung durch die Befreiung der Parteien von der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie durch die Möglichkeit für na-

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türliche Personen, Zuwendungen an die Parteien in einem begrenzten Umfang, nämlich bis 3.300 Euro / Jahr und Person, steuerlich abzusetzen.

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Univ.-Prof. Dr. iur. Volker Epping„Müssen Demokraten ihre Feinde finanzieren?

Extremisten im Spannungsfeld von Parteienfinanzierung, Überwachung und Verbot1“

Gegenstand meiner Ausführungen ist die Frage, wie Parteien, die nicht auf dem Bo-den unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen und diese am liebs-ten beseitigen, zumindest aber beeinträchtigen wollen, im Rahmen der Rechtsordnung begegnet werden kann. Art. 21 Abs. 2 GG gibt insofern Aufschluss: Solche Parteien sind verfassungswidrig. Über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Dies aber keineswegs von Amts wegen, sondern nur wenn ein entsprechender Antrag vom Bundestag oder vom Bundesrat oder von der Bundesre-

1 Der Beitrag fußt auf einem Rechtsgutachten, das der Verfasser für das Land Niedersachsen zu der Frage, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann“ im November 2008 erstellt hat. Das Rechtsgutachten ist abrufbar über http://www.jura.uni-hannover.de/656.html. Wesentliche Ergebnisse des Gutachtens finden sich auch wieder in dem Beitrag Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Partei-en, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49-72, an den sich auch der vor-liegende Beitrag insbesondere ab Teil III. anlehnt. Dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport sowie dem Nomos-Verlag sei an dieser Stelle für die Abdruckgenehmigung gedankt.

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gierung gestellt wird (§ 43 BVerfGG). Da über die Verfassungswidrigkeit allein das Bun-desverfassungsgericht entscheidet, spricht man insofern von einer Privilegierung der Parteien beziehungsweise dem sog. Parteienprivileg: Nur das Bundesverfassungsge-richt kann eine Partei für verfassungswidrig erklären. Daraus folgt, dass bis zur Ent-scheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen kann. Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfas-sungsgerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politi-schen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten. Erst die verfassungsgerichtliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit impliziert das Parteienverbot, das heißt ..... die Auflösung der Partei und das Verbot der Schaffung von Ersatzorganisationen (§ 46 Abs. 3 BVerfGG). Nach geltendem Recht ist das Parteiverbotsverfahren die einzige Möglichkeit, auf ver-fassungswidrige Parteien zu reagieren.

I. Das Parteienprivileg und die RechtswirklichkeitSpringen wir nach diesem kurzen Befund in die Rechtswirklichkeit: Sobald eine Gewalt-tat geschieht, bei der man einen rechtsextremistischen Hintergrund vermutet, verfällt die Politik in ein klassisches Schema: Repräsentanten des Staates und führende Politiker propagieren mit der Inbrunst der Überzeugung ein neues Verbotsverfahren und tragen Tatsachen für die Verfassungswidrigkeit der NPD vor. Passiert ist bislang nichts, sieht man einmal davon ab, dass sich die Innenminister nach Jahren nun durchgerungen ha-ben, die V-Leute zumindest auf Führungsebene abzuziehen.2 Der Bundesinnenminister prüft derzeit immer noch, ob ein Verbotsverfahren eingeleitet werden soll. Dies ist auch notwendig, denn eine zweite Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre ver-heerend für den Staat, wie auch unser Bundespräsident unmittelbar nach seiner Wahl in einem Fernsehinterview angemerkt hat.3

2 Beschluss der Innenministerkonferenz vom 22.3.2012, abrufbar unter http://www.bundesrat.de/DE/gremien-konf/fach-ministerkonf/imk/Sitzungen/12-03-22/Beschluesse,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Beschluesse.pdf

3 http://www.derwesten.de/nachrichten/npd-verbot-gauck-merkel-und-lammert-skeptisch-id6485981.html.

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1. Das Parteiverbotsverfahren von 20014 und seine Konsequenzen für ein erneutes Parteiverbotsverfahren

Zur Erinnerung: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat 2003 über die An-träge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf Verbot der NPD in der Sache nicht entschieden, sondern das Verfahren eingestellt.5 Drei der sieben Richter hatten an-genommen, es bestehe „ein nicht behebbares Verfahrenshindernis“6. Dies war ausrei-chend, weil nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG eine dem Antragsgegner nachteilige Ent-scheidung – hier das Verbot der Partei – einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats bedarf (sechs von acht).7 Die drei Richter waren nämlich der Auffassung, es sei mit „den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren“ nicht vereinbar, dass eine politische Partei „durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bun-desvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor oder während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei“ beobachtet werde. Sie stellten sich vor, der Staat sei durch seine „V-Leute“ „auf der Führungsebene der Partei“ „präsent“ gewesen und habe somit auf deren Willensbildung und Tätigkeit „Einfluss genommen“.8

Zwar ist diese Rechtsauffassung durch die vier dissentierenden Richter im Zweiten Se-nat seinerzeit kritisiert worden. Das Verfahren hätte nach ihrer Auffassung weiterge-führt werden können, weil eine „staatliche Fremdsteuerung“ der NPD „nicht ansatzwei-se erkennbar“ gewesen sei.9 Insbesondere ergäben sich „aus der bekanntgewordenen Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Mitgliedern des Bundesvorstandes und der Landesvorstände der Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür, dass das politische Erscheinungsbild der Antragsgegnerin nicht mehr das Ergebnis eines offenen gesell-

4 Mit ihren am 30.01.2001 und 30.03.2001 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Anträgen begehrten die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in erster Linie die Feststellung der Verfassungswidrig-keit der NPD und die Auflösung ihrer Parteiorganisation, s. BVerfGE 107, 339 (342).

5 BVerfGE 107, 339 ff.6 BVerfGE 107, 339 (360).7 Dass sich eine Minderheit gegenüber einer Mehrheit durchsetzt (siehe hierzu instruktiv Eckart Klein, Ein neues

NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 28 f.), ließe sich nicht entscheidend ändern, wenn man in der bisherigen Systema-tik des BVerfGG bleibend die Zwei-Drittel Mehrheit des § 15 Abs. 4 S. 1 BVerfGG zugunsten der einfachen Mehrheit des § 15 Abs. 4 S. 2 BVerfGG aufgeben würde. In entsprechender Heranziehung des § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG wür-de bei Stimmengleichheit dann keine Verfassungswidrigkeit der Partei festgestellt werden können. Mithin wären bei einem in voller Besetzung entscheidenden Senat dann auch fünf von acht Stimmen für die Feststellung der Verfas-sungswidrigkeit erforderlich.

8 BVerfGE 107, 339 (365 ff.).9 BVerfGE 107, 339 (378 ff.).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus48

schaftlichen Willensbildungsprozesses“ sei.10 Zwar legen die dissentierenden Richter sprichwörtlich ihre Finger in die Wunde, gleichwohl wird man aber unschwer die enor-men Gefahren eines erneuten Parteiverbotsverfahrens sehen müssen. Um diesen Ge-fahren zu begegnen wird man daher die Vorgaben der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts aus dem Jahre 2003 zu beachten haben. Denn es ist keineswegs ausgeschlossen, dass der dieses Verfahren dann entscheidende Zweite Senat des Bun-desverfassungsgerichts sich an den Vorgaben der Entscheidung aus dem Jahre 2003 orientieren wird, auch wenn er in seiner personellen Zusammensetzung nicht mehr iden-tisch ist mit dem seinerzeit entscheidenden Senat.11

Für ein neuerliches Parteiverbotsverfahren bedeutet dies, dass alle Informanten des Verfassungsschutzes, die Mitglied eines Landes- oder des Bundesvorstandes dieser Partei sind, weit vor Einreichen des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht „abzuschalten“12 sind – dies haben die Innenminister – wie bereits ausgeführt – mittler-weile auch beschlossen. Damit ist es aber nicht getan: Denn das bis dahin erlangte Ma-terial ist in Gänze „kontaminiert“, auch wenn es nicht über die vorgenannten Informanten erlangt wurde. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Informanten an der Erstellung des Materials (zum Beispiel Parteiprogrammen, Flugblättern etc.) mitge-wirkt haben. Grundlage für das Verbotsverfahren kann daher nur das nach dem Abschal-ten erlangte Material sein. Reicht dies aber, um das für ein Verbot notwendige „aggres-siv kämpferische Verhalten“13 zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen

10 BVerfGE 107, 339 (381). - Bemerkenswert aber ist, dass einer der vier dissentierenden Richter, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans­Joachim Jentsch, der i.Ü. „Berichterstatter“ der vier dissentierenden Richter im letz-ten Parteiverbotsverfahren war, auf die Risiken eines neuen Verbotsantrags aufmerksam gemacht hat. Auch er be-stätigt die Notwendigkeit, alle V-Leute aus den Führungsgremien der NPD abzuziehen und stellt sich damit nunmehr auf den Standpunkt der seinerzeit auch von ihm abgelehnten Dreiermeinung (s. Hans Peter Bull, Warum die NPD nicht verboten werden kann, FAZ v. 27.01.2009, Nr. 22, S. 22.).

11 Seinerzeit wirkten an der Entscheidung die Richter Hassemer, Sommer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Melling­hoff und Lübbe­Wolff mit. Bis auf Frau Lübbe­Wolff, deren Amtszeit im Frühjahr 2014 enden wird (ihre Amtszeit be-gann im April 2002; siehe insofern aber § 4 Abs. 4 BVerfGG), sind alle anderen Richter bereits aus dem Bundesver-fassungsgericht nach Ablauf ihrer zwölfjährigen Amtszeit (§ 4 Abs. 1 BVerfGG) – die Wiederwahl ist ausgeschlossen, § 4 Abs. 2 BVerfGG – ausgeschieden. Selbst wenn noch ein Parteiverbotsantrag im Herbst 2012 beim BVerfG ein-gereicht würde, wäre es absehbar, dass Frau Lübbe­Wolff voraussichtlich nicht mehr mitentscheiden würde. – Siehe zur zeitlichen Dimension eines Parteiverbotsverfahrens eingehend Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 25 ff. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf den KPD-Prozess, der sich insgesamt über fünf Jahre hin-zog; an 51 Tagen wurde mündlich verhandelt.

12 BVerfGE 107, 339 (374).13 BVerfGE 5, 85 (140 f.), s. Zitat in Fn. 18.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 49

demokratischen Grundordnung14 zu belegen?15 Bislang hielt man dies ohne die internen Quellen für nicht darstellbar. Allein auf offenes Material zurückzugreifen wurde jedenfalls bislang als kaum ausreichend angesehen. Denn die Partei muss, um verfassungswid-rig zu sein, nach ihrer Zielrichtung, wofür das Parteiprogramm wesentliche Hinweise ge-ben kann, oder auch durch das Verhalten ihrer Anhänger16 „darauf ausgehen“, die frei-heitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen. Die bloße argumentative Ablehnung der Elemente der freiheitlichen de-mokratischen Grundordnung genügt insoweit nicht.17 Erforderlich sind Angriffe auf die-se Ordnung, das heißt Handlungen, aus denen sich ergibt, dass die Partei das Funkti-onieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung planvoll beeinträchtigen oder beseitigen will.18 Die schrecklichen Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds

14 Was unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht be-reits 1952 in seinem SRP-Urteil in noch heute gültiger Weise definiert, s. BVerfGE 2, 1, (12 f.: „So läßt sich die frei­heitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt­ und Will­kürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien die­ser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltentei­lung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmä­ßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“).

15 Die zweiten Alternative des Art. 21 Abs. 2 GG (die Partei muss darauf ausgehen, „den Bestand der Bundesrepub-lik Deutschland zu gefährden“), fokussiert auf separatistische Tendenzen, die hier indes fernliegend sind. Siehe in-soweit Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 18, der auch die Weiterungen des Lissabon-Urteils (BVerfGE 123, 267 [insbes. 343 f.]) mit einbezieht.

16 BVerfGE 5, 85 (144: „Die Zielsetzungen einer Partei werden sich in der Regel ergeben: aus dem Programm und den sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, aus den Schriften der von ihr als maßgebend anerkannten Autoren über die politische Ideologie der Partei, aus den Reden der führenden Funktionäre, aus dem in der Partei verwendeten Schu­lungs- und Propagandamaterial, sowie aus den von ihr herausgegebenen oder beeinflußten Zeitungen und Zeit­schriften. Das Verhalten der Parteiorgane und der Anhänger kann Schlüsse auf die Zielsetzung zulassen.“).

17 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17.18 So zutreffend z.B. Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17 f.; siehe insoweit BVerfGE 5, 85 (140

f.: „Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie einzelne Bestimmungen, ja ganze Institutionen des Grundgesetzes ablehnt. Sie muß vielmehr die obersten Werte der Verfassungsordnung verwerfen, die elementa­ren Verfassungsgrundsätze, die die Verfassungsordnung zu einer freiheitlichen demokratischen machen, Grundsät­ze, über die sich mindestens alle Parteien einig sein müssen, wenn dieser Typus der Demokratie überhaupt sinnvoll funktionieren soll. Eine Partei ist auch nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie diese obersten Prinzipien ei­ner freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt, sie ablehnt, ihnen andere entgegensetzt. Es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen; sie muß planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wol­len.“).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus50

(NSU), die zu einem zwischenzeitlichen „Hoch“ der Verbotsdiskussion geführt hatten, sind der NPD – so unisono der Befund unseres Generalbundesanwalts und auch der Verfassungsschützer19 – indes nicht zurechenbar; Entgleisungen einzelner Anhänger20 reichen eben nicht aus.21 Überdies ist bekannt, dass die NPD vor dem Hintergrund des in Aussicht genommenen Verfahrens auf sprichwörtlichen „Schmusekurs“ zum Staat gegangen ist. Die Partei wird sich gerade während eines Parteiverbotsverfahrens bewusst als „brav demokratische, friedliche Opposition“ gerieren.22 Die Verfassungswidrigkeit der Partei muss nämlich zum Zeitpunkt der Entscheidung, also gerade nicht zum Zeitpunkt des Antrags, gegeben sein: das Bundesverfassungsgericht stellt gem. § 46 Abs. 1 BVerfGG fest, „dass die politische Partei verfassungswidrig ist“. Thomas Darnstädt vom Spiegel hat dies sehr plakativ zusam-mengefasst: „Ohne Spitzel in den Reihen der NPD wird nicht viel zu erfahren sein über de-ren interne Pläne.“23 Soll aber der Antrag Erfolg haben, müssen Informationen aus der Par-tei verfügbar sein – ein Teufelskreis, wie Hans Peter Bull richtig bemerkt.24

2. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Parteiverboten

Hinzu kommt ein zweiter Punkt, der auch in dem Votum der unterlegenen Richter des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2003 angerissen worden ist: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Wenn die Richter in ihrem abweichenden Votum davon sprechen, dass eine Sachentscheidung auch die Ge-legenheit eröffnet hätte „über die Fortentwicklung des Verfassungsrechts im Hinblick auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK] und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entscheiden, die verhältnismäßige Parteiverbote als Ausdruck des Gedankens einer

19 Vgl. etwa die Aussage des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Range in einem Interview mit dem Fern-sehsender „Phoenix“, s. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-02/neonazi-mordserie-nsu-npd.

20 Dies ergibt sich bereits aus dem Duktus des Art. 21 Abs. 2 GG, der nicht von Parteimitgliedern spricht, sondern ex-plizit von „Anhängern“. Eingehend Hans Hugo Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 21 Rn. 537 (Stand: Januar 2012); s. u.a. auch BVerfGE 5, 58 (144; s.o. Zitat in Fn. 16), das ebenfalls den grundgesetzlichen Wortlaut aufnimmt.

21 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17; Hans Hugo Klein, ebd., Art. 21 Rn. 540.22 Hans Peter Bull, Warum die NPD nicht verboten werden kann, FAZ vom 27.01.2009, Nr. 22, S. 22.23 Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft 5/2012, I.24 Hans Peter Bull, ebd.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 51

wehrhaften Demokratie akzeptieren“25, muss man sich zugleich vergegenwärtigen, dass der Schutz der Vereinigungsfreiheit in Art. 11 EMRK Einschränkungen wie namentlich Parteiverbote nur erlaubt, wenn dies zur Abwehr einer tatsächlichen Bedrohung in einer demokratischen Ordnung „notwendig“ sei. Namentlich das Verbot von Splitterparteien hat der EGMR aber durchgängig als Verstoß gegen die EMRK gebrandmarkt,26 weil – so auch der Spiegelredakteur Thomas Darnstädt – „von ein paar Radikalinskis und ihrer bö-sen Absicht noch keine ernsthafte Gefahr für den Staat ausgehe. Und ist – so Darnstädt – mit kühlem Kopf betrachtet, die 6000-Mitglieder-Krawall-Partei NPD wirklich eine kon-krete Gefahr für die Demokratie? „Wenn sie wirklich in Gewalttaten, Terror gar verwickelt ist, gibt es Strafgesetze.“27 Gefährlich ist das rechtsextremistische Denken, und das kann kein Verbot aus der Welt schaffen, so zutreffend der Bundestagsabgeordnete Stefan Ruppert (FDP).28 Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans­Peter Uhl, hält es für mehr als fraglich, ob der EGMR ein Verbot der NPD für ver-hältnismäßig halten wird. Die NPD ist gerade einmal in zwei Landtagen mit wenig Abge-ordneten vertreten und stellt nur etwa 300 Gemeinderäte. „Die NPD ist vom Wähler in die Bedeutungslosigkeit zurückgeführt worden.“29 Im Parteienspektrum haben sich bis-lang lediglich „in der SPD die Zweifler … bisher zurückgehalten. Es gibt sie aber auch dort“ – so Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.30 Es wäre in der Tat ein Fiasko, wenn der EGMR ein Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen menschenrechtliche Verpflichtungen der EMRK beanstanden

25 BVerfGE 107, 378 (394 f.; Sondervotum der Richter Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff zu BVerfGE 107, 339 ff., die insofern explizit auf EGMR, Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei [TBKP] u.a. gegen Türkei, Re-ports of Judgments and Decisions 1998-I, S. 1 ff.; Partei für Freiheit und Demokratie [ÖZDEP] gegen Türkei, Reports of Judgments and Decisions 1999-VIII, S. 293 ff.; Wohlfahrtspartei [REFAH] u.a. gegen Türkei, Urteil vom 13. Febru-ar 2003 [Nr. 41340/98, 41342-44/98] verweisen).

26 St. Rspr., vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 12.04.2011, Republican Party of Russia ./. Russland, dazu etwa Felix Arndt/Anja Schubert, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer, EMRK, 2011, Art. 11 Rn. 40. – Der EGMR betont durchgängig die Bedeutung der politischen Parteien für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens und verlangt in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwingende Gründe für einen so schwerwiegenden Eingriff wie das Parteiverbot. Der in Art. 11 EMRK eingreifende Staat trifft daher eine sehr hohe Rechtfertigungslast, die der EGMR in weitem Maße ei-ner Überprüfung zuführt, wobei er den Staaten lediglich einen sehr beschränkten Bewertungsspielraum zubilligt (s. hierzu auch m.w.N. Christoph Grabenwater/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 23 Rn. 95).

27 Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft 5/2012, I.28 Zitiert nach Reinhard Müller, Nicht ohne Straßburg – Zweifel an einem neuen NPD-Verbotsverfahren, FAZ v.

5.5.2012, Nr. 105, S. 12.29 Ebd.30 Ebd.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus52

würde und dieses darum rückgängig gemacht werden müsste.31 Dass der EGMR mit Blick auf die Besonderheiten der Geschichte Deutschlands von seiner ständigen Recht-sprechung abweichen würde, ist wenig wahrscheinlich, da das Bestreben des EGMR nur in einer konsistenten Rechtsprechung für alle der EMKR unterworfenen 47 Mitglied-staaten bestehen kann.32 Dass es indes überhaupt zu einer Befassung des EGMR kommt, ist keineswegs ausge-macht. Denn die unterlegenen Verfassungsrichter haben schon 2003 von der Fortentwick-lung des Verfassungsrechts im Hinblick auf die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR gesprochen. Diese hat in den letzten Jahren eine dynamische Entwicklung genommen, wie namentlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwah-rung vom 4. Mai 2011 zeigt. In seinem ersten Leitsatz hält das Bundesverfassungsgericht nämlich fest, dass „Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthalten, … rechtserheblichen Änderungen gleich[stehen], die zu einer Überwindung der Rechtskraft einer Entschei-dung des Bundesverfassungsgerichts führen können.“33 „Auch wenn Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als feststellende Judikate keine unmit-telbare Änderung der Rechtslage, zumal auf der Ebene des Verfassungsrechts, herbei-führen, können sie“ – so das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich – „gleichwohl für die Auslegung des Grundgesetzes rechtserhebliche Bedeutung erlangen. Soweit verfas-sungsrechtlich entsprechende Auslegungsspielräume eröffnet sind, versucht das Bundes-verfassungsgericht wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundge-setzes, Konventionsverstöße zu vermeiden.“34 Die sich darin offenbarende „EMRK-affine Tonlage“35, die insbesondere durch den auch für das Parteiverbotsverfahren zuständi-gen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts geprägt ist, lässt eine maßgebliche Berücksichtigung der Judikatur des EGMR zu Art. 11 EMRK erwarten. Trotz der spezifi-

31 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, S. 20 f. 32 Indiziell kann insoweit auf die Beschwerde gegen das KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Au-

gust 1956 (BVerfGE 5, 85 ff.) verwiesen werden, die 1957 von der damals noch zuständigen Europäischen Menschenrechtskommission mit höchst fragwürdiger Begründung (Eckart Klein, ebd., S. 21) als unzulässig zurück-gewiesen worden war, s. EKMR, Entscheidung vom 2.07.1957, European Commission of Human Rights, Documents and Decisions 1955-1957, S. 222 ff. 55 Jahre später kann eine solche Entscheidung durch den nunmehr zuständi-gen Gerichtshof aus den o.g. Gründen wohl kaum erwartet werden.

33 BVerfGE 128, 326.34 BVerfGE 128, 326 (365) unter Bezugnahme auf vgl. BVerfGE 74, 358 (370); 83, 119 (128); 111, 307 (317); 120, 180

(200 f.); BVerfGK 3, 4 (7 f.); 9, 174 (190); 10, 66 (77 f.); 10, 234 (239); 11, 153 (159 ff.).35 Christoph Grabenwater/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 3 Rn. 8 (S. 21).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 53

schen deutschen Geschichte wird sich das Bundesverfassungsgericht daher kaum mehr den Vorgaben aus den beiden Parteiverbotsverfahren des Bundesverfassungsgerichts zu Beginn der Bonner Republik, zumal mehr als 67 Jahre nach Überwindung des NS-Regi-mes verpflichtet fühlen. Nicht anders sind die Bekenntnisse des Bundesverfassungsge-richts in seiner Entscheidung zur Sicherungsverwahrung zu verstehen, in der hervorge-hoben wird, dass „die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes … Ausdruck eines Souveränitätsverständnisses“ sei, „das einer Einbindung in inter- und supranationale Zu-sammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht nur nicht entgegensteht, sondern die-se voraussetzt und erwartet.“36 Abschießend ist noch darauf hinzuweisen, dass der in Folge des Parteiverbots durch § 46 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 BWahlG, § 22 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 EUWG sowie die Wahlgeset-ze der Länder37 einschließlich der Kommunalwahlgesetze38 angeordnete automatische Mandatsverlust, den das Bundesverfassungsgericht im SRP- und im KPD-Urteil noch unmittelbar aus Art. 21 Abs. 2 GG abgeleitet hat39, mit der Rechtsprechung des EGMR nicht in Einklang zu bringen ist.40 Der EGMR hat anlässlich der Beschwerde eines tür-kischen Abgeordneten, der als Angehöriger einer später verbotenen Partei dem Parla-ment angehörte, in dem automatischen Verlust des Mandats in Folge des Parteiverbots ohne Prüfung seiner persönlichen politischen Aktivitäten einen unverhältnismäßigen Eingriff in das in Art. 3 des 1. ZP zur EMRK garantierte Recht auf freie Wahlen gesehen.41

3. ZwischenergebnisFestzuhalten ist somit, dass ein Parteiverbotsverfahren, sofern es überhaupt von den möglichen Antragstellern – Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat – angegangen wird, mit erheblichen Risiken behaftet ist. Da sich der Staat indes ein erneutes Schei-tern eines Parteiverbotsverfahrens nicht leisten kann, auch nicht vor dem EGMR – inso-weit besteht bis hin zum Bundespräsidenten Konsens42 –, wird nicht nur in Fachkreisen

36 BVerfGE 128, 326 (369).37 Z.B. §§ 41 Abs. 1 Nr. 7; 45 BbgLWahlg; § 8 Abs. 1 Nr. 4 NLWG.38 Z.B. § 62 BbgKWahlG; § 44 Abs. 3 NKWG.39 BVerfGE 2, 1 (72); 5, 85 (392).40 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, S. 21.41 EGMR, Urteil v. 11.6.2002, Selim Sadak u.a. / Türkei, Nr. 25144/94, Ziff. 37 ff.; siehe zur Würdigung der deutschen

Rechtslage insoweit Felix Arndt/Anja Schubert, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer, EMRK, 2011, Art. 11 Rn. 40 und Katharina Pabel, Parteiverbote auf dem europäischen Prüfstand, ZaöRV 63 (2003), 921 (940 ff.).

42 S.o. Fn. 3.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus54

nachdrücklich von einem erneuten Verbotsantrag abgeraten.43 Exemplarisch sei der re-nommierte Parteienrechtlicher Martin Morlok zitiert, der auf die Frage, ob ein erneutes NPD-Parteiverbotsverfahren mehr Schaden anrichten als nützen würde, wie folgt geant-wortet hat: „Jedenfalls ist es mit deutlichen rechtlichen Risiken behaftet und der tatsäch-liche Nutzen ist auch fraglich. Wir haben in allen demokratischen Staaten ein rechtsradi-kales Potenzial und rechtsradikale Parteien mit nicht unerheblichen Wahlerfolgen. Man wird damit leben müssen, auch wenn uns das in Deutschland besonders schwerfällt.“44

II. ParteienfinanzierungEine Frage müssen wir uns aber gleichwohl stellen: Muss der Staat Parteien, die die frei-heitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zumindest zu beeinträchtigen suchen, auch finanziell mit Steuergeldern unterstützen? Verfassungsrechtlich ist der Staat nicht verpflichtet dafür zu sorgen, dass der Geldbedarf der politischen Parteien befriedigt wird.45 Ein solcher Anspruch besteht lediglich nach Maßgabe des einfachen Rechts. Das Grundgesetz hat den Parteien das Risiko des Fehlschlagens eigener Bemühungen um ihre Finanzierung nicht abgenommen. Eine staatliche Teilfinanzierung der Parteien, die nicht zu einer Abhängigkeit der Parteien vom Staat führt, lässt das Grundgesetz nach Auffassung des Bundesverfassungsge-richts mithin zu.46 Das Parteiengesetz (PartG) lässt daher eine Teilfinanzierung der all-gemeinen den Parteien nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben zu (§ 18 Abs. 1 PartG). Maßstäbe für die Verteilung des staatlichen Mittel bilden der Erfolg, den die Partei bei den Wählern bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielt, die Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie der Umfang der von ihr eingeworbenen Spenden (§ 18 Abs. 2 PartG). Das Gesamtvolumen staatlicher Mittel (sog. absolute Obergrenze, § 18 Abs. 2 PartG) der direkten Parteienfinanzierung betrug 2010 133.000.000,00 Euro47, 2011 141.900.000,00 Euro48. Abgesehen von der hierdurch

43 Jüngst: Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, 30; Martin Morlok, Für und Wider eines Parteiverbotsverfahrens, NJW-aktuell 28/2012; Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft 5/2012, I; Hans Peter Bull, Warum die NPD nicht verboten werden kann, FAZ v. 27.01.2009, Nr. 22, S. 22. Siehe i.Ü. die bei Reinhard Müller, Nicht ohne Straßburg – Zweifel an einem neuen NPD-Verbotsverfahren, FAZ v. 5.05.2012, Nr. 105, S. 12, zitierten Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

44 Martin Morlok, Für und Wider eines Parteiverbotsverfahrens, NJW-aktuell 28/2012.45 BVerfGE 20, 56 (100); 111, 54 (98 f.).46 BVerfGE 85, 264 (289 f.).47 http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_10.pdf.48 http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_11.pdf.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 55

nicht erfassten indirekten Parteienfinanzierung durch die steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen und Parteispenden (§§ 34g; 10b Abs. 2 EStG) erhielt die NPD im Jahr 2010 als direkte Parteienfinanzierung 1.176.446,52 Euro, im Jahr 2011 insgesamt 1.323.547,81 Euro. Von den insgesamt vom Staat an die Parteien 2010 ausgekehrten Mitteln erhielt die NPD damit rund 0,88 Prozent; 2011 erhielt die NPD von den ausge-kehrten 141.900.000,00 Euro rund 0,93 Prozent (§ 18 Abs. 2, § 19a Abs. 5 PartG).49 Da die Parteienfinanzierung verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, wäre es ein Leichtes, durch Streichung der Regelungen zur Parteienfinanzierung in den §§ 18 ff. PartG den staatlichen Mittelzufluss an die NPD zu unterbinden. Politisch ist dieser Weg indes nicht durchsetzbar, da die auf dem Boden der Verfassung stehenden Parteien an dieser staatlichen Teilfinanzierung festhalten wollen. Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht möglich ist, verfassungsfeindliche Parteien von der Finanzierung auszuschlie-ßen. In der aktuellen Diskussion sind insofern zwei Vorschläge vorgelegt worden, die entsprechende Wege aufzeigen. Dies ist zum einen der Vorschlag des Düsseldorfer Parteienrechtlers Martin Morlok, der bei Verstößen gegen das in Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG festgelegte Erfordernis der innerparteilichen Demokratie auf einfachgesetzlicher Ebene Sanktionen im Bereich der staatlichen Parteienfinanzierung vorsehen will (Vor-schlag Einführung von § 19a PartG). Zum anderen habe ich in einem Rechtsgutachten für das Land Niedersachsen vorgeschlagen, im Wege der Verfassungsänderung Art. 21 GG dahingehend zu ergänzen, dass verfassungswidrige Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können.Ob der eine und/oder der andere Weg gangbar ist, lässt sich letztlich nur bestimmen, wenn man von dem bei einer Änderung der Rechtslage einzuhaltenden Rechtsrahmen, namentlich dem verfassungsrechtlichen, ausgeht.

III. Der Ausschluss verfassungswidriger Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung

1. Der verfassungsrechtliche Schutz der ParteienAufgrund der zentralen Rolle für das demokratische System stehen die Parteien un-ter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der sich nicht nur durch das

49 Im Vergleich zur NPD erhielten 2011 die CSU 10.411.577,43 Euro, Die Linke 12.130.761,23 Euro, die FDP 13.588.556,74 Euro, die Grünen 13.814.822,36 Euro, die SPD 42.407.424,88 Euro und die CDU 44.641.547,45 Euro, s. http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_11.pdf.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus56

Parteienprivileg ausdrückt, sondern in diesem Privileg seine Flankierung bzw. Absiche-rung findet: Dies ist zum einen die in Art. 21 Abs. 1 GG explizit angelegte Parteienfreiheit und zum anderen die ebenfalls verfassungsrechtlich zu verortende Parteiengleichheit. Aus der Parteienfreiheit folgt in erster Linie ein Eingriffs- und Einflussnahmeverbot ge-genüber dem Staat. Eine Partei handelt, auch wenn sie verfassungsfeindliche Ziele pro-pagiert, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz.50 Dies drückt sich auch im Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG aus. An die politische Ausrichtung einer Partei dürfen grundsätzlich keine nachteiligen Rechtsfolgen geknüpft werden. Insofern besteht ein Bezug zur Parteiengleichheit, die die Gleichbehandlung aller Parteien un-abhängig von ihrer politischen Einstellung garantiert. Diese Chancengleichheit steht al-len Parteien zu, die nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht ver-boten sind. Es beansprucht umfassende Geltung nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und den Wettbewerb der Parteien um die Erlan-gung von Spenden sowie für die Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen. Differen-zierungen, die das Recht auf Chancengleichheit einschränken, bedürfen der Rechtfer-tigung durch einen besonderen zwingenden Grund.51 Ein derartiger zwingender Grund kann jedoch nach der gegenwärtigen Verfassungslage nicht in der inhaltlichen Ausrich-tung einer Partei bestehen. Die Sperrwirkung des Art. 21 Abs. 2 GG verbietet jede staat-liche Bekämpfung einer politischen Partei, solange das Bundesverfassungsgericht sie nicht für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst hat, und gewährleistet ihr das Recht zur freien Betätigung. Es verbietet sich deshalb nach der gegenwärtigen Verfassungslage, staatliche Zuwendungen davon abhängig zu machen, ob die dargelegten Ziele der Par-tei inhaltlich mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes in Einklang ste-hen oder ob die um Wählerstimmen werbende Partei und deren Kandidaten für die ver-fassungsmäßige Ordnung eintreten.52

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Bereich der Personalentscheidungen im öf-fentlichen Dienst (Stichwort: Radikalenerlass)53 sowie der Beobachtung54 und vor allem

50 BVerfGE 47, 198 (228); 107, 339 (362).51 BVerfGE 47, 198 (227); 111, 54 (105).52 BVerfGE 47, 198 (227); 111, 382 (410).53 Grundlegend insoweit BVerfGE 39, 334 (359 f.), das die Beschränkung des Zugangs zum öffentlichen Dienst für

Mitglieder von als verfassungsfeindlich eingestuften Parteien auch hinsichtlich ihrer faktisch nachteiligen Aus-wirkungen für die Partei als verfassungsrechtlich unbedenklich einstuft. Diese Rechtsprechung wird von den Verwaltungsgerichten bis heute fortgeführt, wobei – soweit ersichtlich – die Frage eines möglichen Eingriffs in Art. 21 GG nicht thematisiert wird, s. nur BVerwGE 114, 258 ff; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2008, 149 ff.

54 BVerfGE 107, 339 (366); BVerwGE 110, 126 (136 ff.).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 57

für die Berichterstattung durch den Verfassungsschutz55 – Ausnahmen zugelassen. Die-se Anknüpfung an die inhaltliche Ausrichtung einer Partei ist indes jedenfalls hinsicht-lich der Beobachtung und Berichterstattung in Art. 21 Abs. 2 GG vorausgesetzt: Das Parteiverbotsverfahren bedarf der Beobachtung und wohl auch der Berichterstattung: Ohne Informationen über die mögliche Verfassungswidrigkeit von Parteien liefe Art. 21 Abs. 2 GG von vornherein leer. Hieraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass die Gerichte weitere Einschränkungen hinnehmen werden. Gerade für den sensiblen Be-reich der Parteienfinanzierung gilt nach wie vor, dass Einschränkungen der hier zen-tralen Parteiengleichheit einer Rechtfertigung durch zwingende Gründe bedürfen, die nicht in der inhaltlichen Ausrichtung einer Partei liegen können. Einschnitten bei der Fi-nanzierung kommt überdies ein weitaus größeres Gewicht zu als beispielsweise der Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht. Zwar mag eine derartige Berichterstat-tung die Chancen der betroffenen Partei verschlechtern. Es bleibt ihnen aber unbenom-men, mit den Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit ihre Position zu vertreten. Eingriffe bei der staatlichen Finanzierung belassen der Partei diese Freiheit praktisch nicht. Wenn priva-te Spender nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen, bedrohen Einschnitte die betroffene Partei in ihrer Existenz. Als Alternative bleibt lediglich eine drastische Ein-schränkung aller kostenintensiven Aktivitäten, was ihre Sichtbarkeit beeinträchtigt. Die Eingriffsintensität ist demnach weitaus höher als bei den bislang von der Rechtsprechung tolerierten Einschränkungen. Die Streichung der Finanzierung soll verfassungsfeindliche Parteien zurückdrängen. Das impliziert eine strenge verfassungsrechtliche Prüfung, der Kürzungen nicht standhalten dürften.Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach der gegenwärtigen Verfassungslage gezielte Kürzungen bei der Parteienfinanzierung zu Lasten verfassungsfeindlicher Parteien nicht zulässig sind. Das Parteienprivileg steht der Be-rücksichtigung materieller Kriterien zwingend entgegen. Dieser allgemein geteilte Befund steht letztlich auch dem interessanten Vorschlag von Martin Morlok entgegen.56 Martin Morlok knüpft an die innerparteiliche Demokratie als

55 Vgl. nur im Nachgang zu verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfGE 39, 334 [360]; 40, 287 [293]) OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 838 (839 f.); OVG Münster, Beschl. v. 24.05.2007 - 5 A 4719/05, unveröffentlicht; VG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.2005 - 1 K 3189/03, juris; Urt. v. 04.12.2007 - 22 K 1286/06, juris; VG Hamburg, Urt. v. 13.12.2007 - 8 K 3483/06, juris.

56 Martin Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat – Reformmöglichkeiten der Gewährung staatlicher Leistungen an politische Parteien, 2009; eingehender hierzu Volker Epping, Parteienrechtliche Aspek-te der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (56 ff.).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus58

verfassungsrechtliche Vorgabe für die Parteien in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG an. Defi-zite in diesem Bereich – zum Beispiel keine ausreichende innerparteilichen Willens-bildung von unten nach oben – führen indes nicht dazu, dass die Partei nicht mehr an den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Parteienfreiheit und -gleichheit teil hat. Nach geltender Verfassungslage können Verstöße gegen die innerparteiliche De-mokratie nur im Rahmen eines Verbotsverfahrens geltend gemacht werden und zum Verbot einer Partei führen. Kürzungen der Parteienfinanzierung, wie Martin Morlok sie vorschlägt, lässt der klare Rahmen- und Ablaufplan des Art. 21 GG gerade nicht zu. Die einfachgesetzlich vorgesehene Kürzung der staatlichen Parteienfinanzierung bei Verstößen gegen das Gebot der innerparteilichen Demokratie (insbesondere § 19b PartG-E)57, greift zwangsläufig in die verfassungsrechtlich gewährleistete Chan-cengleichheit der betroffenen Partei ein. Dem aber kann – wenn überhaupt – nur durch eine Verfassungsänderung begegnet werden. Aber selbst wenn man mit Verweis auf die Ausgestaltung der Funktionsmodalitäten des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG entsprechen-des für Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG zuließe, darf die daran anknüpfende Rechtsfolge, die massiv in den Bestand einer Partei eingreift, einer Betrachtung gerade im Lichte der Verfassung und des Parteienprivilegs.

57 Martin Morlok, ebd., S. 79 f.: Ergänzung des § 9 Abs. 1 PartG um einen neuen Satz 4 und 5: „Die Parteien verhan-deln öffentlich. Die Öffentlichkeit kann nur aus wichtigem Grunde ausgeschlossen werden.“ Ergänzung des § 18 Abs. 1 PartG um einen neuen Satz 2: „Voraussetzung für die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung ist, dass Organisation und Willensbildung der Parteien den demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Des Weiteren soll § 19a Abs. 1 PartG die Voraussetzungen des neuen § 18 Abs. 1 S. 2 PartG als Anspruchsvoraussetzung für die Parteienfinanzierung in Bezug nehmen und ein neuer § 19b eingefügt werden: (1) 1Bestehen ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 18 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes

nicht erfüllt sind, so obliegt es der Partei, das Vorliegen dieser Voraussetzungen dazutun. (2) 1Verstöße gegen die demokratischen Grundsätze liegen vor bei Verletzung von Vorschriften des zweiten und

dritten Abschnitts dieses Gesetzes und bei schweren Verstößen gegen vom Parteitag nach § 9 Absatz 3 dieses Gesetzes zu beschließende Vorschriften, welche die im zweiten und dritten Abschnitt dieses Gesetzes geregel-ten Materien betreffen.

(3) 1Bei Verstößen gegen die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts dieses Gesetzes wird die staatliche Teilfinanzierung (Zuwendungs- und Wahlstimmenanteil) anteilig zurückgefordert. 2Der Umfang der Rückforde-rung bemisst sich nach der Summe der staatlichen Leistungen, die rechnerisch auf den Gebietsverband ent-fallen, in dem die Rechtsverletzung vorgekommen ist. 3Grundlage für diese Bemessung ist der letzte der Partei gegenüber ergangene bestandskräftige Festsetzungsbescheid nach § 19a dieses Gesetzes. 4Erfolgt eine An-zeige eines solchen Rechtsverstoßes durch einen Funktionsträger der Partei, so reduziert sich die Summe der staatlichen Rückforderungen um die Hälfte.

(4) 1Eine Rückforderung nach Absatz 3 erfolgt nur, wenn die Partei zuvor unter Fristsetzung und Androhung der Rückforderung aufgefordert wurde, den Rechtsverstoß und dessen Folgen zu beseitigen und dieser Aufforde-rung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen ist.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 59

Überdies: Die Annahme, dass fehlende innerparteiliche Demokratie auf verfassungs-feindliche Tendenzen schließen ließe, ist wenig tragfähig, wie das Beispiel Hamburg zeigt: Das Hamburger Verfassungsgericht hatte seinerzeit die Bürgerschaftswahl vom 2. Juni 1991 wegen Verstoßes der CDU gegen das Wahlvorschlagsrecht für ungül-tig erklärt.58 Ebenso wenig muss sich die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei in ihrer innerparteilichen Ordnung ausdrücken. Des Weiteren lässt sich kaum ein belastbarer Nachweis über Defizite der innerparteilichen Ordnung führen, wenn diese einerseits nach außen hin gewahrt wird, nach innen aber ein ideologischer Konsens über die Kommunikationsmuster von Befehl und Gehorsam herrscht. Hier ist man also wieder auf interne Kenntnisse angewiesen, mithin zurückgeworfen auf die V-Mann-Problema-tik (s.o.).

2. Änderung der VerfassungBei Einhaltung der formellen Anforderungen für eine Verfassungsänderung59 stellt sich al-lein die Frage, ob die sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG eine Verfassungsän-derung in der von mir beschriebenen Form zulässt. Nach Art. 79 Abs. 3 GG sind Änderun-gen des Grundgesetzes unzulässig, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden. Damit werden wichtige Grundprin-zipien des Grundgesetzes einer Verfassungsänderung entzogen. Das Grundgesetz möch-te mithin in seinen tragenden Institutionen und Grundsätzen eine dauerhaft stabile Ord-nung sein, die nicht der Disposition der tagespolitischen Mehrheiten unterliegt.60 Aus der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 79 Abs. 3 GG „den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht hindere, die positivrechtliche Ausprägung der Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren“61, folgt, dass nur die Grund-sätze nicht „berührt“ werden dürfen. Dies bedeutet, dass Konkretisierungen, die der Um-setzung der Grundsätze unter den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Bedingun-

58 NVwZ 1993, 1083-1090.59 Das Grundgesetz ist gem. Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG im Wortlaut durch ein Gesetz zu ändern. Dieses Gesetz bedarf gem.

Art. 79 Abs. 2 GG der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. I.Ü. ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz für den Bund aus Art. 79 GG.

60 Peter Badura, in: Josef Isensee/Paul Kirchof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, 1. Aufl. 1992, § 160 Rn. 26; Jo­hannes Dietlein, in: Volker Epping/Christian Hillgruber, BeckOK GG, Art. 79 Rn. 15.

61 BVerfGE 84, 90 120 f.; 94, 12 (34); 94, 49 (103); auch 30, 1 (24).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus60

gen dienen („positivrechtliche Ausprägungen der Grundsätze“), selbst nicht Inhalt eines der Grundsätze sind.62 Konkretisierungen sind daher grundsätzlich, das heißt unter und zur Wahrung der unberührbaren Leitgedanken, das heißt der Grundsätze änderbar. Es stellt sich daher die Frage, ob die Chancengleichheit bei der Parteienfinanzierung ein Grundsatz im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG ist, der einer Verfassungsänderung entzogen ist.63 Explizit angesprochen ist die Parteiengleichheit zwar nicht in Art. 79 Abs. 3 GG. Sie könnte aber ein Grundsatz des Art. 1 GG und auch des Art. 20 GG sein.

a) Grundsätze des Art. 1 GGEinzelne Grundrechtsgehalte wie das Willkürverbot (eine Ausprägung davon ist die Chancengleichheit) sind nur insoweit von der Ewigkeitsgarantie erfasst und daher „un-antastbar“, soweit sie notwendiger Bestandteil der Menschenwürde sind.64 Hierbei ist aber zu beachten, dass die in Art. 79 Abs. 3 GG angelegte „ewige“ Garantie der Men-schenwürde in der prinzipiellen Fähigkeit des Menschen zur Selbstbestimmung begrün-det ist, auf dem die Anerkennung des Eigenwertes - der Würde - eines jeden Men-schen beruht.65 Die Chancengleichheit der Parteien indes ist nicht originär in der so beschriebenen Menschenwürde angelegt, sondern allenfalls mittelbar, das heißt sie wird allenfalls vermittelt über die Parteimitglieder. Die Parteien indes, die hier allein in

62 Bezogen auf die Grundsätze im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG ist dies zwingend, da bei den stark auf Konkretisie-rungen angelegten Prinzipien bzw. Grundsätzen die Annahme, der gesamte Norminhalt, namentlich die unzähligen Rechtsinstitute und Konkretisierungen des Art. 20 GG, würden am Schutz der Ewigkeitsgarantie teilnehmen, eine weitgehende Ausstrahlungswirkung zur Folge hätte und so zu einer Unbeweglichkeit des verfassungsändernden Ge-setzgebers führen würde („normative Zementierung“, so Theodor Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Kommen-tar, Art. 79 (1960) Rn. 31). Dies wird auch im Schrifttum allgemein konsentiert, vgl. nur Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 28; Hans­Ulrich Evers, in: Rudolf Dol­zer/Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Abs. 3 (1982), Rn. 68; Sönke E. Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, 2008, S. 29 f. m.w.N.; Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokra-tie, 2003, S. 57 (97).

63 Problematisch ist die inhaltliche Konkretisierung der geschützten Grundsätze, d.h. die Herausarbeitung des Grundsatzgehalts der in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze, s. hierzu Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (58 ff.) m.w.N.

64 BVerfGE 102, 370 (392): „Das Grundgesetz erklärt damit neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde den von ihm umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 84, 90 [120 f.]; 94, 12 [34]) … für unantastbar.“ Ebenso Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 79 Rn. 36; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 11. Aufl. 2011, Art. 79 Rn. 10; Klaus Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, § 5 IV 5 b, d.

65 Siehe nur aus der insofern ständigen Rechtsprechung des BVerfG, BVerfGE 2, 1 (12).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 61

Rede stehen, können sich nicht auf die Menschenwürdegarantie berufen.66 Denn dort, wo der Grundrechtsschutz an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen an-knüpft, die nur natürlichen Personen wesenseigen sind, kommt eine Erstreckung auf ju-ristische Personen als bloße Zweckgebilde der Rechtsordnung gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht in Betracht. Eine Erstreckung kommt allenfalls insoweit in Betracht, als der Grundrechtsschutz im Interesse der Menschenwürde gewährt wird, die nur natürliche Personen für sich in Anspruch nehmen können. Dies wird man mit Blick auf die Parteien indes nur schwerlich unterstellen können. Aber selbst wenn man die vorgenannte Prämisse bejahen sollte, ist das Willkürverbot, das den Kernbestand des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, erst dann verletzt, „wenn sich ein ver-nünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchten-der Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.“67 Selbst wenn dies der Fall wäre, läge eine Berührung nicht vor, da eine in verfassungsfeindlichen Be-strebungen begründete Ungleichbehandlung auf einem sachlichen Grund beruhen und deshalb nicht willkürlich erfolgen würde. Im Ergebnis kann die Parteiengleichheit jeden-falls nicht als Grundsatz des Art. 1 GG gelten.

b) Grundsätze des Art. 20 GGaa) Demokratie

Zu den Grundsätzen des Art. 20 GG gehört unstreitig die Demokratie beziehungswei-se das demokratische Prinzip.68 Die Grundentscheidung für die Demokratie umfasst ne-ben dem unberührbaren Grundsatz der Volkssouveränität u.a. auch den offenen Pro-zess politischer Willensbildung als Basis des Willensbildungsprozesses des Volkes.69

66 BVerfGE 95, 220 (242); ebenso z.B. Horst Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 III Rn. 35.67 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 1, 14 (52); siehe z.B. BVerfGE 61, 138 (147); 68, 237 (250); 83, 1 (23); 89,

132 (141). Mit der Willkürformel geht nicht nur ein weiter Gestaltungsspielraum des Staates einher, sondern auch ein eingeschränkter Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts. Diesen umschreibt es selbst dahingehend, dass es „nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit (Willkürverbot) nachprüfen [kann], nicht aber ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat“, BVerfGE 50, 57 (77).

68 Siehe z.B. BVerfGE 89, 155 (182).69 Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 41; Horst Dreier, in:

ders., GG-Kommentar, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 79 III Rn. 41; Johannes Dietlein, in: Volker Epping/Christian Hillgruber, BeckOK GG, Art. 79 Rn. 39, 38; Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008) Rn. 125, 135; Georg Wegge, Zur normativen Bedeutung des Demokratieprinzips nach Art. 79 Abs. 3 GG, 1996, S. 169 ff.

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus62

Demgegenüber ist das Recht der Chancengleichheit der Parteien eine ungeschriebe-ne70 Konkretisierung der in Art. 21 Abs. 1 GG explizit niedergelegten Parteienfreiheit, die ihrerseits lediglich eine grundgesetzliche Konkretisierung des unberührbaren Grundsat-zes der Demokratie darstellt. Ausgehend von der Prämisse, dass Konkretisierungen von Grundsätzen im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG einer Modifikation zugänglich sind, müsste die in jedem Fall als Kon-kretisierung entweder des Demokratiegrundsatzes oder des in Art. 20 GG ebenfalls angelegten Grundsatzes der Parteien(gründungs)freiheit zu qualifizierende Chancen-gleichheit der Parteien einer Modifikation zugänglich sein.71 Dass die Chancengleichheit der Parteien Modifikationen zugänglich ist, offenbart nach-drücklich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur zur abgestuf-ten Chancengleichheit (siehe § 5 PartG)72: Verboten ist nach Auffassung des Bundes-verfassungsgerichts eine unterschiedliche Behandlung von Parteien nur dann, wenn sie nicht durch einen besonderen zwingenden Grund gerechtfertigt ist.73 Wäre die Chancen-gleichheit der Parteien indes ein Grundsatz des Art. 20 GG, der der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG zuzuordnen wäre, dürfte die Chancengleichheit nicht „berührt“ werden, wäre also auch keiner der vorgenannten Einschränkungen zugänglich. Mit an-deren Worten geht das Bundesverfassungsgericht mit der in ständiger Rechtsprechung praktizierten Zubilligung der Modifikationsmöglichkeiten hinsichtlich der Chancengleich-

70 Diesen Umstand schon hervorhebend BVerfGE 6, 272 (280): „… die das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit der Parteien verletzt. Diese ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich statuiert, ergibt sich aber aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteiengründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demo­kratie zukommt ­ Art. 21 Abs. 1 GG ­.“ Sieht man den Sinn der Ewigkeitsgarantie darin, Grundentscheidungen des historischen Verfassungsgebers, die dieser als besonders wichtig angesehen hat, dauerhaft vor dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgeber zu bewahren (so z.B. Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokra-tie, 2003, S. 57 [68]), werden zwangsläufig ungeschriebene, d.h. nicht explizit im Grundgesetz niedergelegte, erst durch nachfolgende Rechtsprechung und Literatur kreierte Prinzipien (wie das in Rede stehende Prinzip der Chan-cengleichheit der Parteien) nicht von der Garantie des Art. 79 Abs. 3 GG erfasst.

71 So Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008) Rn. 135 („Bei den Regelungen des Parteienstatus [Art. 21 GG] hat der verfassungsändernde Gesetzgeber weitgehend freie Hand…“).

72 Parteien sind nach § 5 PartG gleich zu behandeln, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung ihnen Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Der Umfang der Gewährung kann allerdings nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zwecks erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden. Die Bedeutung der Parteien bemisst sich dabei „insbesondere auch“ nach den Ergebnissen vorangegangener Wah-len zu Volksvertretungen. - BVerfGE 24, 300 (354 f.) hat die Vereinbarkeit des § 5 PartG mit dem Grundgesetz be-jaht; siehe auch BVerwGE 75, 67 (77).

73 BVerfGE 111, 54 (105) unter Verweis auf BVerfGE 8, 51 (65); 14, 121 (133); 34, 160 (163); 44, 125 (146); 47, 198 (227).

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heit der Parteien zumindest unausgesprochen davon aus, dass insoweit kein Grundsatz im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG besteht, sondern die Chancengleichheit der Parteien le-diglich eine (ungeschriebene) Konkretisierung des Grundsatzes der Demokratie bzw. des Grundsatzes der Parteien(gründungs)freiheit ist.

bb) Rechtsstaatsprinzip: Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG

Eine letzte von Art. 79 Abs. 3 GG als Grundsatz des Art. 20 GG geschützte Position könnte das in Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG niedergelegte Entscheidungsmonopol des Bundes-verfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit einer Partei sein. Diese Be-stimmung ist indes nicht von der Ewigkeitsgarantie umfasst: Grundsätzlich folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, das in Einzelelementen zu den Grundsätzen des Art. 20 GG ge-hört74, nur, dass gegen staatliche Entscheidungen überhaupt ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein muss.75 Einen erst- und letztinstanzlichen Rechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht garantiert das Rechtsstaatsprinzip indes nicht. Zum anderen betrifft Art. 21 Abs. 2 GG nur die Verfassungswidrigkeit einer Partei, die – sobald sie fest-gestellt ist – zur schärfsten aller denkbaren Rechtsfolgen, dem Parteiverbot, führt. Der Ausschluss von der Parteienfinanzierung stellt demgegenüber ein milderes Mittel dar76, sodass schon ausgehend von der Rechtsfolge ein Entscheidungsmonopol des Bundes-verfassungsgerichts nicht zwingend ist.77

c) Modifizierung von Konkretisierungen der Grundsätze i.S. des Art. 79 Abs. 3 GG

Da es sich bei der Chancengleichheit der Parteien um eine Konkretisierung des in Art 20 GG niedergelegten Grundsatzes der Demokratie, eines Grundsatzes im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG handelt, ist folglich eine systemimmanente Modifizierung grund-

74 Vgl. BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (121); Horst Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 79 Rn. 49 ff.; Karl-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 90; Klaus-Dieter Schna­pauff, in: Dieter Hömig, Grundgesetz Kommentar, 9. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 4.

75 Vgl. BVerfGE 30, 1 (28); 84, 90 (121); Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommen­tar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 43; Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008) Rn. 142; Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 57 (94) m.w.N. in Fn. 233.

76 So auch explizit Joachim Linck, DÖV 2006, 939 (945), der insofern für eine „verfassungsrechtliche Einschränkung der Freiheit und Chancengleichheit für verfassungswidrige Parteien in Art. 21 GG“ plädiert.

77 Auf verfassungsrechtlich mögliche Alternativen zum bzw. neben oder unterhalb des Parteiverbots weisen schon Hart­mut Maurer, AöR 96 (1971), 203 (223), und Joachim Linck, DÖV 2006, 939 (945), hin.

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sätzlich möglich, wie es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont: Beeinträchtigungen müssen aber von einem „besonders zwingenden Grund“ getragen werden.78 Ein solcher systemimmanenter79 Grund wiederum lässt sich in der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie ausmachen, die in bewusster Abkehr von der wertneutralen Demokratie der Weimarer Republik in das Grundgesetz implementiert wurde.80 Dieses insbesondere aus der Gesamtschau der Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2, Art. 73 Nr. 10, Art. 79 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1, Art. 91, Art. 98 Abs. 2 GG abgeleitete Prinzip der wehrhaften Demokra-tie bezeichnet das Bundesverfassungsgericht als selbstständiges Verfassungsprinzip, als Grundentscheidung des Grundgesetzes bzw. der Verfassung81, das als Auslegungs-, Abwägungs- und Rechtfertigungskriterium dient. Das Prinzip der wehrhaften Demokra-tie ist ein sich aus der Verfassungsstruktur ergebender verfassungsrechtlicher („beson-ders zwingender“) Grund, der dem (verfassungsändernden) Gesetzgeber ein Abgehen von der Gleichbehandlung aller Parteien gestattet. Namentlich hat das Bundesver-fassungsgericht judiziert, dass es keine Neutralität des Staates gegenüber den Geg-nern der Verfassung unter dem Regime des Grundgesetzes geben könne.82 Die Ver-fassung ist keineswegs wertneutral, sondern entscheidet sich für zentrale Grundwerte, die sie in ihren Schutz nimmt, wobei sie dem Staat aufgibt, sie zu sichern und sie zu gewährleisten. Zudem trifft sie Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung wie die Institutio-nalisierung besonderer Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßi-ge Ordnung. Konkretisierung dessen ist beispielsweise die in Art. 21 Abs. 2 GG ange-legte Möglichkeit des Parteiverbots als die bislang einzige im Grundgesetz angelegte Reaktionsmöglichkeit des Staates auf Parteien, die darauf abzielen, die freiheitliche de-mokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

3. Zwischenergebnis In der Konsequenz der vorangegangenen Ausführungen können somit Parteien, die die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zumindest zu beeinträch-

78 BVerfGE 1, 208 (225); 14, 131 (133), 95, 335 (376 f.); 95, 408 (417 f.). 79 Zur Systemimmanenz eingehend Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbote-

nen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (64 f.) m.w.N.80 Eine Zusammenfassung der Begrifflichkeiten findet sich bei Markus Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 2003,

S. 1 (5 f.).81 BVerfGE 30, 1 (19 f.); 39, 334 (349).82 BVerfGE 5, 85 (139); 39, 334 (349).

Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus 65

tigen suchen, von der Parteienfinanzierung im Wege der Verfassungsänderung ausge-schlossen werden. Die bislang verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit der Parteien nicht unter den Schutz der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG. Sie ist mithin einer systemimmanenten Modifikation zugänglich, die ihre erforderlich Recht-fertigung in der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demo-kratie findet.

IV. Vorschlag für eine VerfassungsänderungAls Standort für eine entsprechende Verfassungsänderung dürfte nach dem systemati-schen Zusammenhang allein Art. 21 GG in Betracht kommen. Denkbar wäre eine Ergän-zung von Art. 21 Abs. 3 GG um einen zusätzlichen zweiten Satz:

„Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, können auf Grund eines Gesetz von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien ausgeschlossen werden.“83

Die Formulierung „kann“ lässt dem Gesetzgeber Spielraum, ob er unter Opportunitätsgesichtspunkten einen Ausschluss tatsächlich gesetzlich regelt. Ent-scheidet er sich hierzu, muss er dies in Gesetzesform regeln. Nur auf der Basis ei-ner entsprechenden gesetzlichen Regelung kann durch die Exekutive ein Ausschluss derjenigen Parteien erfolgen, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen.84 In Nutzung dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung bietet sich als Standort für den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung im einfachen Recht das Parteiengesetz, namentlich der vierte Ab-schnitt, der bislang schon der staatlichen (Parteien-) Finanzierung gewidmet ist.85 Hin-sichtlich der mittelbaren bzw. indirekten Parteienfinanzierung müssten - will man auch diese erfassen - Anpassungen im Einkommensteuergesetz vorgenommen werden.86

83 Aus dieser Formulierung ergibt sich zumindest mittelbar die verfassungsrechtliche Verankerung der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien, die bislang nur einfachgesetzlich durch Parteiengesetz gewährt wird. Zur Verdeutli-chung dieses Aspekts sollte Art. 21 Abs. 1 ein neuer Satz 5 („Eine Teilfinanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Par-teien aus staatlichen Mitteln ist zulässig“) angefügt werden, s. Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 65 f.

84 Die Einbeziehung der Bestrebungen gegen „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland“ erfolgt in Anlehnung an Art. 21 Abs. 2 GG. Ein Grund dafür, bei derartigen, nicht minder gefährlichen Bestrebungen auf finanzielle Einschrän-kungen zu verzichten, ist nicht ersichtlich.

85 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 67 ff.86 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 62 ff., 71 ff.

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1. „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“Entscheidend dürfte aber sein, dass tatbestandlich „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ für einen Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien erforderlich sind (s.o. Art. 21 Abs. 3 S. 2 GG-E). Angeknüpft wird inso-weit bewusst an Begriffe, die durch das einfache Recht bzw. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich ausreichend vorgeprägt sind, sodass sie eine hin-reichend präzise Abgrenzung ermöglichen.87 Dass Eingriffe in die Rechtsposition der Parteien an Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung anknüp-fen, ist dem Recht der politischen Parteien nicht fremd. Neben den Regelungen zum Parteiverbot sehen beispielsweise die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder vor, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zum Anlass genommen werden können, die betreffende Partei zu beobachten und über ihre Aktivitäten zu berichten. Unter Bestrebungen sind politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen zu verstehen. Voraussetzung ist mithin, dass sich die verfassungsfeindliche politische Zielsetzung in dem konkreten Verhalten der Partei und ihrer Mitglieder niederschlägt. Erforderlich sind aktive Verhaltensweisen, die - insoweit in Anlehnung an die Definition in § 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB88 - auf die Beseitigung oder Be-einträchtigung von Merkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerich-tet sind.89 Es genügt jedes Tätigwerden, auch wenn es lediglich verbaler Natur ist. Mit der Anknüpfung an den Begriff der „Bestrebungen“ wird aber vor allem das Ziel der praktischen Wirksamkeit einer Verfassungsänderung verfolgt, die nur über eine Absenkung der Eingriffsschwelle (gegenüber dem Parteiverbot) erfolgen kann. Dies er-scheint nicht nur deshalb geboten, weil der Finanzierungsausschluss gegenüber dem Parteiverbot ein erheblich milderes Mittel darstellt, sondern vor allem vor dem Hinter-grund der eingangs beschriebenen Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung der für ein Parteiverbot erforderlichen aggressiv-kämpferischen Grundhaltung.90 Diese vom Bundesverfassungsgericht für ein Parteiverbot aufgestellte Anforderung ist vor dem Hin-tergrund der Missbrauchsgefahr zu sehen91, die freilich auch im Fall des Ausschlus-

87 Zum Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung s.o. Fn. 14.88 „ … Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen

Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.“89 OVG Münster, Urt. v. 12.02.2008 - 5 A 130/05, juris; BT-Drs. 11/4306, S. 60.90 S.o. unter I. 1.91 BVerfGE 5, 85 (141).

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ses von der Parteienfinanzierung nicht auszuschließen ist. Dessen Sanktionswirkung ist allerdings ungleich geringer als der Fall des Parteiverbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG: Der Ausschluss von der Parteienfinanzierung mindert zwar die Chancen im politischen Wettbewerb, lässt aber die Partei im Gegensatz zum Parteiverbot als solche beste-hen und belässt ihr den privaten Finanzierungsanteil. Dass eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung keine zwingende Voraussetzung für einen Eingriff in die Rechts-stellung einer Partei ist, ist auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte an-erkannt. Der Begriff der Bestrebungen, der nach den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder die Schwelle für eine Beob achtung und Berichterstattung mar-kiert, erfordert aktiv kämpferische, aggressive Verhaltensweisen für die Erreichung der verfassungsfeindlichen Ziele - auch im Licht des Art. 21 GG – gerade nicht.92

2. Anforderungen an die Überzeugungsbildung93

In einigen Verfassungsschutzgesetzen der Länder sind Eingriffe in Form der Beobach-tung mittels nachrichtendienstlicher Mittel und der Berichterstattung - mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts94 - schon dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunk-te für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen.95 Diese Schwelle dürfte indes für den Ausschluss von der Parteienfinanzierung zu niedrig liegen. Da die Eingriffsintensität bei einem Ausschluss von der Parteienfinanzierung deutlich höher liegt als diejenige der Beobachtung und Berichterstattung, dürfte die vorgenannte Eingriffsschwelle zu niedrig liegen. Zwar handelt es sich bei der staatlichen Parteienfinanzierung nur um eine Teilfinanzierung. Zudem ist der Ausschluss von dieser Finanzierung - im Gegen-satz zum Parteiverbot - in gewissen Grenzen reversibel, solange die Partei noch be-steht. Wahlchancen in der Zeit des Ausschlusses sind jedoch endgültig verstrichen. Hin-zu kommt, dass der Ausschluss von der Parteienfinanzierung schon bei einem Verdacht dieses Instrument weit in das Vorfeld der eigentlichen Gefahr verlagern würde. Tatsäch-liche Anhaltspunkte sind tendenziell leicht zu begründen, sodass die Gefahr besteht, dass Parteien an den Rändern des demokratischen Spektrums aus der Finanzierung

92 BVerwGE 110, 126 (134); OVG Münster, Urt. v. 12.02.2008 - 5 A 130/05, juris; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 838 (839); OVG Münster, Beschl. v. 21.12.2000 - 5 A 2256/94, juris; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 242 (243); VGH Mannheim, Beschl. v. 11.03.1994 - 10 S 2386/93, juris.

93 Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (69 f.); ders., Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 53 ff.

94 BVerfGE 113, 63 (80 f.)95 Vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 BrgVerfSchG, § 5 Abs. 1 Satz 2 NVerfSchG, § 3 Abs. 1 VSG NRW.

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ausgeschlossen werden. Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung darf sich aber nicht gegen unliebsame politische Konkurrenten an den Rändern, sondern le-diglich gegen erwiesene Verfassungsfeinde richten. Daraus folgt, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung positiv festgestellt werden müssen. Für die positive Feststellung kann sich der Staat auf alle Erkenntnisse stützen, die bei-spielsweise mit den Mitteln des Verfassungsschutzes gewonnen worden sind. Maßgeb-lich ist das Gesamtbild, das eine Partei bietet, wobei aus der Summe der einzelnen Tätig-keiten und Veröffentlichungen der Partei und ihrer Mitglieder Schlüsse gezogen werden können. Die Problematik ist insofern keine andere als diejenige im Rahmen der geltenden Verfassungsschutzgesetze, mit denen die Verwaltungsgerichte vertraut sind.96

3. Entscheidungszuständigkeit und Rechtsschutz Für den Entzug der Parteienfinanzierung kommen mehrere Organe in Betracht. Im Er-gebnis bietet es sich an, die Entscheidungszuständigkeit beim Bundestagspräsidenten anzusiedeln, der bereits nach den bisherigen Regelungen der §§ 18 ff. PartG mit den Fragestellungen der Parteienfinanzierung betraut bzw. hierfür zuständig ist.97 Um von vornherein jeglichen Missbrauchseinwänden zu begegnen, sollte ein höchst effizientes

96 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Branden burg hat die insofern geltenden Grundsätze wie folgt formuliert: OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 838 (840 f.: „Die Entscheidung darüber, ob die Aufnahme des Klägers in den Verfassungsschutzbericht 1997 rechtswidrig oder rechtmäßig gewesen ist, ist aufgrund einer Gesamtschau der im Berichtszeitraum vorliegenden und für ihn aussagekräftigen Erkenntnisse vorzunehmen. Diese Gesamtschau ist nach wohl einhelliger und vom Senat geteilter Auffassung nicht allein auf das offizielle Programm oder auf Hand­lungen oder Äußerungen des klagenden Landesverbandes der Partei beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Handlungen, Presseerzeugnisse, Verlautbarungen und Äußerungen der Bundespartei, anderer Landesverbände und deren Untergliederungen sowie der Mitglieder der genannten Verbände (…). Dabei kommt es nicht auf die ab­strakte Interpretierbarkeit und Bewertung der Äußerungen an, sondern auf ihre konkrete Verwendung und ihren Stellenwert in der Gesamtpolitik der Partei (…). Bei der Würdigung der Verlautbarungen ist dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgten Recht auf freie Meinungsäußerung Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, dass die Abhandlung von Themen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, allgemein die Vermutung für die freie Rede nahe legt (…). Mit der Feststellung, dass die einzelnen Äußerungen unter den Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen, ist jedoch nicht zugleich gesagt, dass deswegen die Aufnahme der Partei in den Verfassungsschutzbericht unzulässig wäre (…); die verfassungsfeindliche Zielrichtung kann sich vielmehr auch aus einer ständigen Polemik gegen tragende Verfassungsgrundsätze ergeben (…). Der Staat muss es trotz der Rolle, die das Grundgesetz in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 den politischen Parteien zuweist, nicht tatenlos hinnehmen, wenn eine Partei die Willensbildung des Volkes mit verfassungsfeindlicher Zielrichtung betreibt. Unter dem Gesichtspunkt der wehrhaften Demokratie darf er bei einem dahingehenden Befund vielmehr mit den Mitteln des Verfassungsschutzes, auch durch Darstellung der betreffenden Partei im Verfassungsschutzbericht, tätig werden.“).

97 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 56 ff. (insbes. 58), 69 f.

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Rechtsschutzverfahren gegen belastende Entscheidungen des Bundestagspräsidenten zur Verfügung gestellt werden. Entsprechend dem Rechtsschutz bei Vereinsverboten durch den Bundesinnenminister (siehe § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) ist es naheliegend, eine erst- und zugleich letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu begrün-den. Gegen eine der Klägerin nachteilige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stünde der betroffenen Partei dann die Verfassungsbeschwerde als zusätzliches, freilich nachgelagertes Rechtsschutzinstrument zur Verfügung.98

V. Zusammenfassung der Ergebnisse1. Ein Parteiverbotsverfahren ist mit erheblichen rechtlichen Risiken behaftet. Dies be-

trifft zum einen die Frage, ob es gelingt, nach Abschalten der Informanten in der NPD das für ein Verbot notwendige „aggressiv kämpferische Verhalten“ zur Beeinträch-tigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bele-gen. Zum anderen hat der EGMR das Verbot von Splitterparteien – als eine solche wird man die NPD bezeichnen müssen – durchgängig als Verstoß gegen die EMRK gewertet. Da sich der Staat ein erneutes Scheitern eines Parteiverbotsverfahrens nicht leisten kann, auch nicht vor dem EGMR, ist vor übereilter ‚Symbolpolitik‘ nach-drücklich zu warnen.

2. Die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Die Parteienfreiheit und die Parteiengleichheit sind verfassungsrechtlich verankert und bauen vor jeder staatlichen Beeinträchtigung hohe Hürden auf. Aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung darf eine Partei grund-sätzlich weder gegenüber anderen Parteien benachteiligt, noch darf deshalb ihre Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden. Hier wirkt sich das Parteienprivileg aus. Nur wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, verliert eine Partei ihren besonderen Status. Ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung durch bloße Änderung des einfachen Rechts kommt daher nicht in Betracht.

3. Der Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung ist nur im Wege der Verfassungsänderung möglich. Diese hat neben den formellen Vorga-ben des Art. 79 Abs. 1 und 2 GG den Anforderungen der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen, die u.a. die Grundsätze der Art. 1 GG

98 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 60 ff., 67 ff.

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und Art. 20 GG für unberührbar erklärt. Die durch einen Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung beeinträchtigte Chancengleichheit der Par-teien ist indes kein Grundsatz des Art. 1 GG oder des Art. 20 GG, sondern nur eine Ausprägung bzw. Konkretisierung des durch Art. 79 Abs. 3 GG absolut geschütz-ten Grundsatzes der Demokratie bzw. des Grundsatzes der Parteienfreiheit. Die Chancengleichheit der Parteien ist daher einer systemimmanenten Modifizierung zugänglich, die durch besondere zwingende Gründe getragen sein muss. Einen solchen zwingenden Grund, der eine Durchbrechung der grundsätzlich zu gewähr-leistenden Chancengleichheit der Parteien erlaubt, ist die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie.

4. Ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung im Wege der Verfas-sungsänderung sollte konkrete Bestrebungen einer Partei gegen die freiheitliche demo-kratische Grundordnung zur Voraussetzung haben. Ein bloßer Verdacht genügt nicht. Die Entscheidungszuständigkeit sollte unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten dem Bundestagspräsidenten überlassen werden, wobei auf die vorhandenen Re-gelungen des Parteiengesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurück-gegriffen werden kann. Gesonderter Regelungen zum Rechtsschutz bedarf es nur dann, wenn aus politischen Gründen eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründet werden soll.

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