Gerald Schönbucher
Unternehmerische Orientierung und Unternehmenserfolg
GABLER RESEARCH
Entrepreneurship
Herausgegeben von
Professor Dr. Malte Brettel, RWTH Aachen,
Professor Dr. Lambert T. Koch, Universität Wuppertal,
Professor Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen,
Professor Dr. Peter Witt, Universität Dortmund
„Entrepreneurship“ ist ein noch relativ junger Forschungszweig, der jedoch in
Wissenschaft und Praxis stetig an Bedeutung gewinnt. Denn Unternehmens-
gründungen und deren Promotoren nehmen für die wirtschaftliche Entwicklung
einen zentralen Stellenwert ein, so dass es nur folgerichtig ist, dem auch in
Forschung und Lehre Rechnung zu tragen.
Die Schriftenreihe bietet ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zur Entrepre-
neurship-Thematik. Ziel ist der Transfer von aktuellen Forschungsergebnissen
und deren Diskussion aus der Wissenschaft in die Unternehmenspraxis.
Gerald Schönbucher
Unternehmerische Orientierung und Unternehmenserfolg Eine empirische Analyse
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Peter Witt
RESEARCH
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Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über
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Dissertation WHU – Otto Beisheim School of Management Vallendar, 2010
1. Aufl age 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Ute Wrasmann | Nicole Schweitzer
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wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-2278-6
Meinen Eltern
Geleitwort
Gerald Schönbucher untersucht in seiner hier als Buch vorgelegten Dissertation das
Konstrukt der unternehmerischen Orientierung (Entrepreneurial Orientation) und dessen
Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Die Arbeit leistet wesentliche Beiträge zur
Fortentwicklung der Theorien der Entrepreneurial Orientation und legt eine eigene empi-
rische Studie zu deutschen Unternehmen vor. Konkret berücksichtigt Gerald Schönbu-
cher alle relevanten Dimensionen des Konstrukts der unternehmerischen Orientierung,
geht auf moderierende und mediierende Faktoren des Zusammenhangs zum Unterneh-
menserfolg ein und erfasst auch nicht-lineare Einflüsse einzelner Dimensionen der
Entrepreneurial Orientation auf den Unternehmenserfolg. Dies sind alles Forschungsfra-
gen, die in bisherigen Studien zur unternehmerischen Orientierung noch nicht bearbeitet
wurden. Die theoretische Relevanz der hier vorgelegten Untersuchung ist also beacht-
lich.
Von besonderem Interesse ist bei der hier vorgelegten Arbeit auch die Methodik der Da-
tenanalyse. Gerald Schönbucher hat mit einer Online-Befragung ein sehr großes Sample
deutscher Unternehmen verschiedener Größenordnungen zusammen gestellt. Er ver-
wendet das PLS-Verfahren zur Überprüfung der Hypothesen seines Strukturgleichungs-
modells und unterscheidet dabei sehr sorgfältig zwischen formativ und reflektiv gemes-
senen Konstrukten. Die Güte der Messmodelle ist gut bis sehr gut. Die empirische Studie
kommt insgesamt zu sehr interessanten Ergebnissen, die sich nur zum Teil mit denen
aus Vorgängerarbeiten decken. So zeigt der Verfasser beispielsweise, dass es einen
großen Unterschied macht, ob man finanzielle oder nicht-finanzielle Erfolgsmaße ver-
wendet. Wenn die abhängige Variable der finanzielle Erfolg ist, dominieren die Negativ-
Befunde, d.h. die unternehmerische Orientierung wirkt sich in drei der fünf Dimensionen
nicht signifikant positiv auf den finanziellen Erfolg der Unternehmen aus. Dafür bestätigt
sich der nicht-lineare Einfluss der Risikoübernahme auf den finanziellen Erfolg. Praktisch
genau das Umgekehrte gilt, wenn der Erfolg mit nicht-finanziellen Indikatoren gemessen
wird.
Auch die praktische Relevanz des gewählten Themas halte ich für groß. Unternehmer-
tum und seine Auswirkungen auf den finanziellen bzw. den nicht-finanziellen Unterneh-
menserfolg sind von zentraler Bedeutung für alle Unternehmen. Es ist auch von großer
Bedeutung zu erfahren, wie sich genau unternehmerische Orientierung konkretisieren
lässt. Insofern ist das hier vorgelegte Buch auch für Geschäftsführer und Vorstände le-
senswert. Ein wichtiges praktisches Ergebnis der empirischen Studie von Gerald Schön- VII
bucher lautet beispielsweise, dass eine unternehmerische Orientierung den Innovations-
erfolg erhöht, der wiederum ein wichtiger Treiber des finanziellen Erfolgs ist. Innovati-
onserfolg ist eine mediierende Variable im Zusammenhang zwischen unternehmerischer
Orientierung und Unternehmenserfolg. Eine unternehmerische Orientierung hilft Unter-
nehmen aller Größenordnungen und Branchen also vor allem dabei, erfolgreicher zu
innovieren.
Die Arbeit von Gerald Schönbucher besticht insgesamt durch eine klare theoretische
Forschungsfrage und eine sehr umfangreiche, methodisch aufwändig durchgeführte em-
pirische Studie. Die vom Verfasser abgeleiteten Ergebnisse sind nicht nur für die Fort-
entwicklung der Theorie der unternehmerischen Orientierung, sondern auch für die Füh-
rung von Unternehmen relevant und wichtig. Ich wünsche dem Buch daher eine sehr
gute Aufnahme in Forschung und Praxis.
Prof. Dr. Peter Witt
VIII
Vorwort
Zum Gelingen der vorliegenden Arbeit hat eine ganze Reihe von Personen beigetragen.
Ihnen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.
Allen voran gilt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Witt, der mir ungewöhn-
lich viele Freiräume bot und mich jederzeit persönlich und inhaltlich unterstützt hat. Ob-
wohl sich die Fertigstellung der Arbeit aufgrund meiner eigenen unternehmerischen Tä-
tigkeit regelmäßig verzögerte, hat mich Peter Witt immer wieder mit großem Engage-
ment ermutigt und nie das Vertrauen in den Abschluss meiner Dissertation verloren.
Prof. Dr. Holger Ernst danke ich für die unkomplizierte Übernahme des Zweitgutachtens.
Das Fundament meiner Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Unternehmertum und Existenzgründung (Stiftungslehrstuhl der Prof.-
Otto-Beisheim-Stiftung) der WHU – Otto Beisheim School of Management entstanden.
Meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen Hannelore Forssbohm, Jan Eiben, Dr. Christin
Merz und Susen Schilo danke ich sehr für ihre Unterstützung während dieser Zeit. Be-
sonderer Dank gebührt auch meinem Lehrstuhlkollegen und späteren Mitgründer der
Hitflip Media Trading GmbH Jan Miczaika.
Für den wissenschaftlichen Austausch zu theoretischen und methodischen Fragen im
Zusammenhang mit meiner Arbeit möchte ich mich herzlich bei Dr. Christoph Bode, Dr.
Malte Bornemann, Dr. Andreas Hack, Dr. Philipp Koziol, Dr. Eckhard Lindemann sowie
Dr. Ralf Schmelter bedanken.
Zudem bin ich allen Respondenten in den teilnehmenden Unternehmen für ihre investier-
te Zeit und die bereitwillige Angabe der abgefragten Informationen zu Dank verpflichtet.
In meinem persönlichen Umfeld danke ich Dr. Jessica Bähr und meiner Partnerin Dalla-
nys Nathalyn Arauz Serrano für entbehrungsreiche Wochenenden, Aufmunterung und
beharrliches Korrekturlesen.
Auch meine Eltern haben über all die Jahre ebenfalls nie das Vertrauen in die Fertigstel-
lung der Arbeit verloren, mich jederzeit unterstützt und hoffentlich auch den letzten
Rechtschreibfehler entdeckt. Ihnen widme ich diese Arbeit.
Dr. Gerald Schönbucher
IX
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort .........................................................................................................................VII
Vorwort.............................................................................................................................. IX
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................XI
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. XVII
Tabellenverzeichnis ....................................................................................................... XIX
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................. XXI
1 .................................................................................................................... 1 Einleitung
1.1 .................................................................................................. 1 Forschungsfrage
1.1.1 ............................................................................... 2 Relevanz für die Praxis
1.1.2 .................................................................... 3 Relevanz für die Wissenschaft
1.2 ........................................................................................ 5 Grundlegende Begriffe
1.2.1 ............................................................... 5 Corporate Entrepreneurship (CE)
1.2.2 ......................................................... 5 Unternehmerische Orientierung (EO)
1.2.2.1 .......................................................................................... 10 Autonomie
1.2.2.2 ........................................................................................ 11 Innovativität
1.2.2.3 ............................................................................... 13 Risikoübernahme
1.2.2.4 ......................................................................................... 14 Proaktivität
1.2.2.5 ........................... 17 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
1.2.3 ......................................................................... 19 Unternehmenserfolg (UE)
1.3 ........................................... 29 Empirische Befunde zum EO-UE-Zusammenhang
1.4 ............................................................................................................... 32 Aufbau
2 .............................................. 35 Theoretische Fundierung und Hypothesenherleitung
2.1 ...................................... 36 Theorien zum Zusammenhang zwischen EO und UE
2.1.1 ............................................................................... 36 Resource-Based View
2.1.2 ................................................................................. 41 Dynamic Capabilities
2.1.3 ........................................................................ 49 Theorie der Pioniervorteile XI
2.1.4 ................................................................................ 56 Empowermenttheorie
2.1.5 ..................................................... 58 Kontingenz- und Konfigurationsansatz
2.2 ........................................................................................ 64 Hypothesenherleitung
2.2.1 ....... 64 Zusammenhang zwischen den einzelnen EO-Dimensionen und UE
2.2.1.1 ........................................................................................ 64 Innovativität
2.2.1.2 ......................................................................................... 66 Proaktivität
2.2.1.3 ............................................................................... 69 Risikoübernahme
2.2.1.4 ........................... 71 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
2.2.1.5 .......................................................................................... 74 Autonomie
2.2.2 76 Moderierende und mediierende Variablen des EO-UE-Zusammenhangs
2.2.2.1 ................................................................................ 77 Aufgabenumwelt
2.2.2.2 ................................................................. 82 Reconfiguring Capabilities
2.2.2.3 ................................................................................ 83 Innovationserfolg
2.2.3 ................................................ 86 Unabhängigkeit der fünf EO-Dimensionen
3 .................................................................... 91 Design der empirischen Untersuchung
3.1 .................................................................................................. 91 Datenerhebung
3.1.1 ....................................................... 91 Vorüberlegungen zur Datenerhebung
3.1.2 .............................................................................. 94 Bildung der Stichprobe
3.1.3 ....................................................................... 94 Verlauf der Datenerhebung
3.1.4 .................................................................... 97 Beschreibung der Stichprobe
3.1.5 ................................................ 99 Prüfung der Stichprobe auf Verzerrungen
3.1.5.1 ........................................................................... 99 Non Response Bias
3.1.5.2 ............................................................... 100 Herkunft der Kontaktdaten
3.1.5.3 ....................................................................... 100 Single Informant Bias
3.1.5.4 ..................................................................................... 101 Method Bias
3.1.5.5 ..................................................................... 101 Common Method Bias
3.1.6 ................................................................ 103 Umgang mit fehlenden Werten
XII
3.1.7 .......................................................... 105 Überprüfung der Repräsentativität
3.2 ................................................................... 107 Operationalisierung der Variablen
3.2.1 .............................................................................................. 107 Grundlagen
3.2.2 .............................................................. 109 Unternehmerische Orientierung
3.2.2.1 ........................................................................................ 111 Autonomie
3.2.2.2 ...................................................................................... 111 Innovativität
3.2.2.3 ............................................................................. 112 Risikoübernahme
3.2.2.4 ....................................................................................... 113 Proaktivität
3.2.2.5 ......................... 114 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
3.2.3 .............................................. 115 Moderierende und mediierende Variablen
3.2.3.1 .................................................................. 115 Moderierende Variablen
3.2.3.2 ....................................................................... 117 Mediierende Variable
3.2.4 ................................................................................ 119 Unternehmenserfolg
3.2.4.1 ................................................................ 119 Finanzielle Erfolgsgrößen
3.2.4.2 ........................................................ 120 Nicht-finanzielle Erfolgsgrößen
3.2.5 ...................................................................................... 121 Kontrollvariablen
3.3 ................................................................................................... 123 Datenanalyse
3.3.1 ................................................................. 123 Auswahl der Analysemethode
3.3.2 ............................................................ 129 Gütebeurteilung von Konstrukten
3.3.2.1 ...................................................................................... 129 Grundlagen
3.3.2.2 ................................................................... 130 Reflektive Messmodelle
3.3.2.3 ................................................................... 138 Formative Messmodelle
3.3.3 ................................................. 140 Analyse von Second Order-Konstrukten
3.3.4 ........................................................... 141 Beurteilung von Strukturmodellen
4 ........................................................... 148 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
4.1 .................................................................... 148 Güte der jeweiligen Messmodelle
4.1.1 ............................................................................................... 148 Autonomie
XIII
4.1.2 ............................................................................................. 149 Innovativität
4.1.3 .................................................................................... 150 Risikoübernahme
4.1.4 ............................................................................................... 151 Proaktivität
4.1.5 ................................. 152 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
4.1.6 .............................................................. 153 EO als Second Order-Konstrukt
4.1.7 ......................................................... 154 Freigiebigkeit der Aufgabenumwelt
4.1.7.1 ........................................................................................... 154 Dynamik
4.1.7.2 ....................................................... 155 Technologische Gelegenheiten
4.1.7.3 .......................................... 156 Wahrgenommenes Branchenwachstum
4.1.7.4 ................................................... 157 Nachfrage nach neuen Produkten
4.1.8 .......................................................... 157 Feindlichkeit der Aufgabenumwelt
4.1.9 ....................................................................... 158 Reconfiguring Capabilities
4.1.10 .................................................................................... 159 Finanzieller Erfolg
4.1.11 ........................................................................... 160 Nicht-finanzieller Erfolg
4.2 .............................................................. 162 Beurteilung der Diskriminanzvalidität
4.3 ..................................................................... 165 Ergebnisse der Hypothesentests
4.3.1 ...................................... 165 Ergebnisse zu den einzelnen EO-Dimensionen
4.3.2 ...................................... 167 Ergebnisse zu EO als Second Order-Konstrukt
4.3.3 ..................... 171 Ergebnisse zur Unabhängigkeit der fünf EO-Dimensionen
5 ...................................................................... 173 Diskussion und Schlussbetrachtung
5.1 .............................................................................. 173 Diskussion der Ergebnisse
5.1.1 .................................................................. 173 Ergebnisse der Messmodelle
5.1.2 .............................................................. 174 Ergebnisse der Strukturmodelle
5.2 ............................................................................. 181 Grenzen der Untersuchung
5.3 ................................................................................................. 183 Empfehlungen
5.3.1 ........................................................ 183 Empfehlungen für die Wissenschaft
5.3.2 ................................................................... 185 Empfehlungen für die Praxis
XIV
XV
Literaturverzeichnis........................................................................................................ 189
Anhang........................................................................................................................... 233
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Konzeptionelles Modell der RBV nach Barney (1991) ............................... 37
Abbildung 2: Zuordnung der EO-Dimensionen auf die drei Dynamic
Capabilities-Typen nach Teece (2007)............................................................................ 49
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Autonomie, POS, Arbeitszufriedenheit und
Mitarbeiterleistung............................................................................................................ 75
Abbildung 4: Beispiel für einen Moderatoreffekt .............................................................. 77
Abbildung 5: Beispiel für einen Mediatoreffekt ................................................................ 77
Abbildung 6: Forschungsmodell....................................................................................... 90
Abbildung 7: Teilnehmende Unternehmen nach Mitarbeiteranzahl................................. 97
Abbildung 8: Teilnehmende Unternehmen nach Unternehmensalter.............................. 98
Abbildung 9: Teilnehmende Unternehmen nach Branche ............................................... 99
Abbildung 10: Verfahren zur Behandlung fehlender Daten ........................................... 104
Abbildung 11: Vergleich der Unternehmensgrößen nach Mitarbeiterzahl zwischen
Stichprobe und IfM-Erhebung ........................................................................................ 106
Abbildung 12: Entscheidungsregeln für die Indikatorenspezifikation nach
Jarvis et al. (2003) ......................................................................................................... 109
Abbildung 13: Struktur-, Mess- und Strukturgleichungsmodell...................................... 124
Abbildung 14: Parameterschätzung durch den PLS-Algorithmus.................................. 128
Abbildung 15: Eine Typologisierung von Second Order-Konstrukten nach
Jarvis et al. (2003) ......................................................................................................... 141
Abbildung 16: Zusammenhang zwischen Signifikanzniveau, Effektgröße,
Teststärke und Stichprobengröße.................................................................................. 144
Abbildung 17: Ergebnisse der Hypothesentests (H1-H6, Finanzieller
Unternehmenserfolg) ..................................................................................................... 166
Abbildung 18: Ergebnisse der Hypothesentests (H1-H6, Nicht-finanzieller
Unternehmenserfolg) ..................................................................................................... 167
Abbildung 19: Ergebnisse der Hypothesentests (H7-H12, Finanzieller
Unternehmenserfolg) ..................................................................................................... 169
XVII
XVIII
Abbildung 20: Ergebnisse der Hypothesentests (H7-H12, Nicht-finanzieller
Unternehmenserfolg) ..................................................................................................... 171
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Erfolgsgrößen in der Entrepreneurship-Forschung nach
Murphy et al. (1996)......................................................................................................... 22
Tabelle 2: Unternehmenserfolgskriterien der Arbeit ........................................................ 28
Tabelle 3: Studien zum Zusammenhang zwischen EO und Unternehmenserfolg .......... 34
Tabelle 4: Hypothesen der Arbeit .................................................................................... 89
Tabelle 5: Prüfung auf „Common Method Bias“ ............................................................ 103
Tabelle 6: Operationalisierung von „Autonomie“ ........................................................... 111
Tabelle 7: Operationalisierung von „Innovativität“ ......................................................... 112
Tabelle 8: Operationalisierung von „Risikoübernahme“................................................. 113
Tabelle 9: Operationalisierung von „Proaktivität“........................................................... 114
Tabelle 10: Operationalisierung von „Aggressives Verhalten gegenüber
Wettbewerbern“ ............................................................................................................. 115
Tabelle 11: Operationalisierung von „Freigiebigkeit der Aufgabenumwelt“ ................... 116
Tabelle 12: Operationalisierung von „Feindlichkeit der Aufgabenumwelt“ .................... 117
Tabelle 13: Operationalisierung von „Reconfiguring Capabilities“................................. 117
Tabelle 14: Operationalisierung von „Innovationserfolg“ ............................................... 119
Tabelle 15: Operationalisierung von „Finanzieller Erfolg“.............................................. 120
Tabelle 16: Operationalisierung von „Nicht-finanzieller Erfolg“...................................... 121
Tabelle 17: Gütekriterien zur Beurteilung reflektiver Messmodelle ............................... 138
Tabelle 18: Gütekriterien zur Beurteilung formativer Messmodelle ............................... 140
Tabelle 19: Gütekriterien zur Beurteilung von Strukturmodellen ................................... 146
Tabelle 20: Ermittlung des kritischen t-Werts ................................................................ 146
Tabelle 21: Übliche Signifikanzniveaus und korrespondierende kritische t-Werte ........ 147
Tabelle 22: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Autonomie“ .... 149
Tabelle 23: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Innovativität“ .. 150
XIX
XX
Tabelle 24: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable
„Risikoübernahme“......................................................................................................... 151
Tabelle 25: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Proaktivität“.... 152
Tabelle 26: Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse für die
latente Variable „Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern“........................... 153
Tabelle 27: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktoranalyse zu Entrepreneurial
Orientation...................................................................................................................... 154
Tabelle 28: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Dynamik der Aufgabenumwelt“ .......................................................... 155
Tabelle 29: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Technologische Gelegenheiten“......................................................... 156
Tabelle 30: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Wahrgenommenes Branchenwachstum“ ........................................... 156
Tabelle 31: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Nachfrage nach neuen Produkten“..................................................... 157
Tabelle 32: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Feindlichkeit der Aufgabenumwelt“ .................................................... 158
Tabelle 33: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Reconfiguring Capabilities“................................................................. 159
Tabelle 34: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die
latente Variable „Finanzieller Erfolg“.............................................................................. 160
Tabelle 35: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable
„Nicht-finanzieller Erfolg“................................................................................................ 161
Tabelle 36: Korrelationsmatrix sämtlicher Modellvariablen ........................................... 163
Tabelle 37: Ergebnisse der Prüfung des FL-Kriteriums für die reflektiven Konstrukte .. 164
Tabelle 38: Ergebnisse der Hypothesentests im Überblick ........................................... 172
Abkürzungsverzeichnis
AAU Anteil der Akquisitionen am Umsatz
Abb. Abbildung
AG Aktiengesellschaft
AGFI Adjusted Goodness of Fit Index
AGG Aggressivität gegenüber Wettbewerbern
AMA Anzahl der Mitarbeiter
AMOS Analysis of Momentum Structures
AUT Autonomie
BRA Branche
bspw. beispielsweise
c Kommunalität
CE Corporate Entrepreneurship
CEO Chief Executive Officer
CFI Comparative Fit Index
d.h. das heißt
DEV durchschnittlich erfasste Varianz
df Freiheitsgrade
EM Entrepreneurial Management
EO Entrepreneurial Orientation/
Unternehmerische Orientierung
et al. et alii (lateinisch), und andere
evtl. eventuell
F+E Forschung und Entwicklung
f. folgende
FEI Feindlichkeit
ff. fortfolgende
XXI
FIE Finanzieller Erfolg
FL-Kriterium Fornell-Larcker-Kriterium
FR Faktorreliabilität
FO First Order
geg. gegenüber
GEW Gewerbe
GFI Goodness of Fit Index
ggf. gegebenenfalls
i.e. id est (lateinisch), das ist
IE/INE Innovationserfolg
IfM Institut für Mittelstandsforschung
IHK Industrie- und Handelskammer
INO Innovativität
IR Indikatorreliabilität
Jr. Junior
KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis
KI Konditionsindex
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
MIMIC Multiple-Indicators-and-Multiple-Causes
n Stichprobengröße
n.a. nicht anwendbar
NFE Nicht-finanzieller Erfolg
NFI Normed Fit Index
NNP Nachfrage nach neuen Produkten
PLS Partial Least Squares
POS Perceived Organizational Support
PRO Proaktivität
XXII
RBV Resource-Based View
REC Reconfiguring Capabilities
RIS Risikoübernahme
RMSEA Root Mean Squarer Error Approximation
ROA Return on Assets
ROE Return on Equity
ROS Return on Sales
S. Seite
SO Second Order
SPSS Statistical Product and Service Solutions
Tab. Tabelle
TSR Total Shareholder Return
u.a. unter anderem
UE Unternehmenserfolg
UNA Unternehmensalter
USA United States of America
USD US-Dollar
vgl. vergleiche
VIF Variance Inflation Factor
VRIN Value Rareness
Inimitability Non-Substitutability
WBW Wahrgenommenes Branchenwachstum
z.B. zum Beispiel
XXIII
1 Einleitung
1.1 Forschungsfrage
Unternehmertum (im folgenden auch Entrepreneurship) ist allgemein als Treiber volks-
wirtschaftlichen Wachstums anerkannt (Schumpeter 1934; Lumpkin/Dess 1996a; Brüderl
1999). Entrepreneurship umfasst dabei nicht nur die Aktivitäten neu gegründeter bzw.
junger Unternehmen sondern kann auch in etablierten Unternehmen beobachtet werden
(Zahra 1986). Unternehmerische Handlungen in etablierten Unternehmen werden als
„Corporate Entrepreneurship“ (im folgenden auch CE) bezeichnet (Zahra 1991).
Häufig wird auch die Ansicht vertreten, dass Entrepreneurship maßgeblich zum Unter-
nehmenserfolg beiträgt (Covin/Slevin 1986; McGrath et al. 1996; Hult/Snow/Kandemir
2003). Ein solcher Erfolgsbeitrag kann über Innovationen (Pinchot 1985, S. 29ff.; Zahra
1991; Kemelgor 2002), den Aufbau von Wissen zur Schaffung künftiger Umsatzströme
(Lumpkin/Dess 1996a) sowie die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
(Birkinshaw 1997) erfolgen. Auch wenn die Erfolgsfaktorenforschung mancherorts kri-
tisch gesehen wird (Hannan/Freeman 1977; Nicolai/Kieser 2002), bezeichnen Cooper et
al. (1994, S. 393) die Beschäftigung mit den Determinanten unternehmerischen Erfolgs
als „one of the most important streams of entrepreneurship research“. Was genau aber
unter Entrepreneurship zu verstehen ist, wie es greifbar gemacht werden kann, war lan-
ge Zeit unklar. Es wurden zwar zahlreiche Versuche einer Typologisierung unternommen
(Schollhammer 1982; Cooper/Dunkelberg 1986), ein Konsens blieb aber aus. Dies
hemmte zunächst den Fortschritt der Entrepreneurship-Forschung, insbesondere der
Erforschung des Zusammenhangs zwischen Entrepreneurship und Unternehmenserfolg.
Mit der Schaffung des Konstruktes der Unternehmerischen Orientierung („Entrepreneuri-
al Orientation“, im folgenden auch EO) durch Miller (1983) und in einer maßgeblichen
Erweiterung von Lumpkin und Dess (1996a) wurde ein Durchbruch erzielt. Sowohl Neu-
gründungen (Dess/Lumpkin 2005a) als auch etablierte Unternehmen können eine EO
aufweisen. Analog zur Strategieliteratur, in der strategischer Inhalt und Strategieprozess
getrennt betrachtet werden (Bourgeois 1980), wurde mit der Einführung des EO-
Konstruktes auch eine Trennung von Inhalt und Prozess des Entrepreneurship vollzogen
(Hult/Snow/Kandemir 2003). Während Unternehmertum den Inhalt, also die Gründung
bzw. bei etablierten Unternehmen den Markteintritt, bezeichnet, bezieht sich die EO auf
den Prozess, also die Art und Weise der Gründung bzw. des Markteintritts. Sie umfasst
alle Prozesse, Praktiken und Entscheidungsaktivitäten, die zum Markteintritt führen. EO
1
ist ein mehrdimensionales Konstrukt, das nach Ansicht von Lumpkin und Dess (1996a)
die Dimensionen Autonomie, Innovativität, Risikoübernahme, Proaktivität sowie Aggres-
sives Verhalten gegenüber Wettbewerbern umfasst. EO ist noch ein relativ junges Kon-
zept, das aber dennoch bereits einige theoretische wie auch empirische Beachtung fand
(Covin/Green/Slevin 2006; Rauch et al. 2009).
EO kann dazu beitragen, dass Unternehmen ihr bestehendes Geschäft, z.B. über erfolg-
reiche Innovationen, ausweiten, Ressourcen besser nutzen, Mitarbeiter besser motivie-
ren und Managementtalent halten bzw. für ihr Unternehmen interessieren können
(Pinchot 1985; Burgelman/Sayles 1986; Kanter 1989). Es ist somit naheliegend, dass
EO, etwa über eine hohe Innovativität und daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen,
den Unternehmenserfolg (im folgenden auch UE) verbessert (Chaney/Devinney/Winer
1991; Lengnick-Hall 1992). Insbesondere bei immer kürzer werdenden Produkt- und Ge-
schäftsmodellzyklen (Hamel 2000) sowie zunehmender Unsicherheit (Dreyer/Grønhaug
2004) vermag es die EO eines Unternehmens Wettbewerbsvorteile auszubauen und
neue Erlösquellen zu erschließen. Sie wird somit besonders relevant.
Die vorliegenden empirischen Befunde zum Zusammenhang zwischen EO und Unter-
nehmenserfolg sind jedoch vergleichsweise spärlich (Zahra 1993a) und vor allem sehr
widersprüchlich (Lyon/Lumpkin/Dess 2000; Wiklund/Shepherd 2005). Zwar belegen eini-
ge Studien einen positiven Zusammenhang (Covin/Slevin 1986; Zahra 1991; Zahra
1993b; Zahra/Covin 1995; Antoncic/Hisrich 2001), jedoch ist dieser bislang hinsichtlich
moderierender und mediierender Effekte noch unzureichend untersucht
(Lyon/Lumpkin/Dess 2000). Die meisten vorliegenden Arbeiten haben auch nur einen
Teil der EO-Dimensionen berücksichtigt (Rauch et al. 2009). Zudem liegt nach Kenntnis-
stand des Autors lediglich eine (Schmelter 2009) empirische Arbeit vor, die den Zusam-
menhang auch für deutsche Unternehmen betrachtet. Die vorliegende Dissertation wid-
met sich theoretisch fundiert der empirischen Untersuchung des Zusammenhangs zwi-
schen EO und Unternehmenserfolg. Im Folgenden wird aufgezeigt, weshalb diese Fra-
gestellung für Praxis und Wissenschaft gleichermaßen bedeutsam ist.
1.1.1 Relevanz für die Praxis
Führungskräfte bzw. Manager in Unternehmen interessieren sich vermehrt für Entrepre-
neurship (Hitt 2000). Dies liegt daran, dass Entrepreneurship bzw. Unternehmertum nicht
nur ein bei Unternehmensneugründungen zu beobachtendes Phänomen ist. Auch be-
stehende Unternehmen können in der Form des Corporate Entrepreneurship oder
Intrapreneurship (Burgelman 1983b; Fry 1987), bei dem Angestellte im Unternehmen zu
2
„Unternehmern“ werden oder sich zumindest unternehmerisch verhalten, von Unterneh-
mertum profitieren. Das Interesse an CE entstand bereits in den 80er Jahren
(Schollhammer 1981; Burgelman 1983b; Kanter 1984; Pinchot 1985; Rule/Irvin 1988;
McKinney/McKinney 1989). Es wurde zwar vereinzelt die Ansicht vertreten, dass Unter-
nehmertum und Bürokratie, die häufig in etablierten Unternehmen anzutreffen ist, sich
gegenseitig ausschließen (Morse 1986) und CE daher ein Oxymoron sei
(Stevenson/Jarillo 1990). Die Empirie zeigt jedoch oft ein anderes Bild. Erfolgreiche Or-
ganisationen sind häufig durch CE geprägt (Peters/Waterman 1982; Kanter 1984; Pin-
chot 1985). Typische Beispiele für Unternehmen, die sich durch CE auszeichnen sind in
den USA 3M mit dem CE-Erfolg der Post-It Note (Fry 1987) und einem systematischen
Ansatz, Neugründungen aus dem Unternehmen heraus zu fördern (Dess/Lumpkin
2005a), Hewlett-Packard und General Electric (Sathe 1989), in Japan Sony, in England
Virgin (Dess/Lumpkin 2005a) und in Deutschland Bertelsmann (Sathe/Drucker 2003, S.
353).
Führungskräfte möchten wissen, ob die Entwicklung einer derartigen EO für ihr Unter-
nehmen erstrebenswert ist. Sie interessieren sich dafür, ob eine breite EO erforderlich ist
oder eine Konzentration auf den Aufbau einzelner EO-Dimensionen erfolgen soll. Dar-
über hinaus haben sie in diesem Zusammenhang auch ein generelles Interesse an wei-
teren, externen Faktoren, welche den Unternehmenserfolg bedingen (Meffert 2000). Er-
gänzend zur Arbeit von Schmelter (2009), die sich vorwiegend mit den Details der Beein-
flussung der EO-Dimensionen beschäftigt, soll diese Arbeit insbesondere auf Basis der
empirischen Ergebnisse Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis ableiten,
welche EO-Dimensionen es sich zu beeinflussen lohnt.
1.1.2 Relevanz für die Wissenschaft
EO ist in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Literatur ein viel diskutiertes Thema
(Zhou/Yim/Tse 2005; Walter/Auer/Ritter 2006; Naldi et al. 2007; Moreno/Casillas 2008;
Runyan/Droge/Swinney 2008; Schmelter 2009; Rauch et al. 2009). Die theoretische
Fundierung des Zusammenhangs zwischen EO und Unternehmenserfolg (im folgenden
auch UE), dem sich diese Arbeit zunächst widmet, war bislang eher „common sense“-
lastig. Nur selten wurde umfassend mit bestehenden und akzeptierten Theorien argu-
mentiert. Zudem wurden moderierende Variablen des Zusammenhangs nur am Rande
und mediierende Variablen, wie etwa der Innovationserfolg, bislang kaum betrachtet
(Rauch et al. 2009). Nur vereinzelt, etwa bei Wiklund und Shepherd (2005), wurde der
Zusammenhang unter Heranziehung des Konfigurationsansatzes untersucht. Dieser er-
3
laubt es, mehrere den Zusammenhang beeinflussende Variablen parallel zu betrachten.
Die vorliegenden Arbeiten haben zudem meist nur drei (Risikoübernahme, Proaktivität,
Innovativität) der fünf akzeptierten (Lumpkin/Dess 1996a) EO-Dimensionen betrachtet, in
der Literatur wird jedoch regelmäßig eine ganzheitliche Betrachtung, die alle fünf Dimen-
sionen einschließt, gefordert (Atuahene-Gima/Ko 2001). Der Mehrdimensionalität des
Unternehmenserfolges wurde in vielen Studien nicht gebührend Rechnung getragen
(Moreno/Casillas 2008). Insbesondere der Zusammenhang von EO und den nicht-
finanziellen Aspekten des Unternehmenserfolges ist bislang nur unzureichend untersucht
worden (Dess/Lumpkin 2005a). Weiterhin ist der Zusammenhang einzelner Dimensionen
der EO mit dem UE bislang kaum analysiert worden (Rauch et al. 2009). Wie häufig kriti-
siert wurde (Zahra 1993a), ist auch die Anzahl der vorliegenden Studien noch nicht sehr
groß. Nach Kenntnisstand des Autors liegt neben der Arbeit von Schmelter (2009) insbe-
sondere noch keine Studie vor, die den Zusammenhang zwischen EO und UE bran-
chenübergreifend für deutsche Unternehmen prüft. Dies ist kritisch, da wir nicht davon
ausgehen können, dass Ergebnisse kulturübergreifend vergleichbar sind (Hofstede
2001). Verschiedentlich wurde in der Literatur gefordert, den Zusammenhang zwischen
EO und UE in weiteren Ländern zu prüfen (Zahra/Garvis 2000). Ebenfalls ist zu bemän-
geln, dass der Zusammenhang zwischen den einzelnen EO-Dimensionen bislang nur am
Rande erforscht wurde. Ob die Dimensionen voneinander unabhängig sind, ist unklar
und wird aktuell vielfach debattiert (Rauch et al. 2009). Neuere Arbeiten berichten von
Zusammenhängen zwischen einzelnen EO-Dimensionen, die im Widerspruch zum bis-
herigen Wissen stehen (Naldi et al. 2007). Zudem besteht methodisches Verbesse-
rungspotenzial bei der Messung von EO (Antoncic/Hisrich 2001; Lumpkin/Dess 2001a).
Auch der Unternehmenserfolg wurde nur in wenigen Studien mehrdimensional betrach-
tet. Nicht-lineare Wirkungsbeziehungen, wie sie in der jüngeren betriebswirtschaftlichen
Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnen (Kollmann/Herr/Kuckertz 2008), wurden
im Zusammenhang mit EO ebenfalls nur sporadisch untersucht. Bisherige Studien legen
nahe, dass der Zusammenhang zwischen EO und dem Unternehmenserfolg von mehre-
ren Variablen moderiert wird bzw. Variablen den Zusammenhang mediieren
(Covin/Slevin 1991; Lumpkin/Dess 1996a; Rauch et al. 2009).
Im Folgenden werden die grundlegenden Begriffe der Arbeit definiert.
4
1.2 Grundlegende Begriffe
1.2.1 Corporate Entrepreneurship (CE)
In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen von CE. Für Burgelman (1984, S. 154)
ist CE „extending the firm’s domain of competence and corresponding opportunity set
through internally generated new resource combinations“. Vesper (1985) versteht unter
CE lediglich das Gründen neuer „Ventures“ im bestehenden Unternehmen. Kanter
(1989) argumentiert, dass CE auch die Erneuerung von Unternehmen umfassen müsse.
CE wurde auch als Prozess betrachtet, durch welchen Individuen innerhalb von Organi-
sationen Geschäftsmöglichkeiten verfolgen, ungeachtet dessen, ob sie die notwendigen
Ressourcen bereits kontrollieren (Stevenson/Jarillo 1990). Guth und Ginsberg (1990)
bezeichnen CE als die Wahrnehmung neuer Geschäftsmöglichkeiten und die Durchfüh-
rung einer strategischen Erneuerung im Unternehmen. Mit der Dimension der strategi-
schen Erneuerung bringen sie einen neuen Aspekt in die wissenschaftliche Diskussion
ein, der allerdings im Folgenden auch nur von wenigen empirischen Arbeiten übernom-
men wurde. Kuratko et al. (1993) konzentrieren sich in ihrer Definition auf sehr große
Unternehmen und verstehen unter CE eine Infusion unternehmerischen Denkens in grö-
ßere bürokratische Strukturen. CE wurde auch ganz allgemein als Abkehr vom Gewöhn-
lichen zur Wahrnehmung neuer Geschäftsmöglichkeiten gesehen (Vesper 1990). Einer
der am weitesten gefassten Definitionen von CE ist wohl die von Antoncic und Hisrich
(2001). Die beiden Autoren bezeichnen CE als Unternehmertum innerhalb einer beste-
henden Organisation. Demnach ist CE ein Prozess innerhalb eines bestehenden Unter-
nehmens, der sowohl zu Neugründungen wie auch zu anderen innovativen Aktivitäten
wie etwa der Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte, Dienstleistungen, Techno-
logien, Verwaltungsprozessen und Strategien führt. Dieser weit gefassten CE-Definition
soll auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt werden. Voraussetzung für erfolgreiches
Corporate Entrepreneurship ist eine Unternehmerische Orientierung (Dess/Lumpkin
2005a).
1.2.2 Unternehmerische Orientierung (EO)
Der Begriff EO ist in der Entrepreneurship-Literatur wie auch in der Literatur des Marke-
tings und der Führungsliteratur häufig anzutreffen. EO hat seine Wurzeln in der Strate-
gieprozessliteratur (Rauch et al. 2009) und gehört zur Klasse der organisatorischen Ori-
entierungen. Diese werden auch strategische Orientierungen genannt. Eine strategische
Orientierung eines Unternehmens besteht dabei aus den grundlegenden Philosophien,
5
welche die Natur und den Umfang der Pläne und Aktivitäten eines Unternehmens
bestimmen (Peterson 1989). Sie kann auch als sozialer Lern- und Selektionsmechanis-
mus mit dem Ziel, die strategische Absicht des Managements mit den operativen Aktivi-
täten im Unternehmen zu verbinden, betrachtet werden. Eine strategische Orientierung
schafft ein organisatorisches Umfeld, in dem gewünschtes Verhalten gefördert und un-
terstützt wird (Atuahene-Gima/Ko 2001). Wie Hult et al. (2003, S. 403) argumentieren,
kann eine strategische Orientierung zum Teil der Unternehmenskultur werden: „Over
time, an organization develops an orientation […] that becomes embedded in its culture.“
Strategische Orientierungen beeinflussen u.a. was in der Organisation Priorität hat, wie
der Kunde gesehen wird und wie die Organisation ihr Geschäft definiert. Die strategische
Orientierung beeinflusst damit auch die Entscheidungsfindung im Unternehmen
(Miles/Arnold 1991). Sie kommt dem von Prahalad und Bettis (1986) geprägten Konzept
der „Dominant General Management Logic“ eines Unternehmens nahe. Darunter ver-
steht man „the way in which managers conceptualize the business and make critical re-
source allocation decisions – be it in technologies, product development, distribution,
advertising, or in human resource management” (Prahalad/Bettis 1986, S. 490). In der
Innovationsmanagementliteratur wird eine strategische Orientierung auch als „Corporate
Mindset“ bezeichnet (Talke 2007). Mintzberg (1987) unterscheidet in seiner Strategie-
klassifikation fünf unterschiedliche Strategie-Typen: „Strategy as Plan“, „Strategy as
Ploy“, „Strategy as Pattern“, „Strategy as Position“ und „Strategy as Perspective“. Die
„Strategy as Perspective“-Definition betrachtet Strategie als eine Art und Weise die Um-
welt wahrzunehmen, als „an ingrained way of perceiving the world“ (Mintzberg 1987, S.
16). EO ist als eine Ausprägung einer strategischen Orientierung am ehesten mit dieser
Strategie-Definition zu vereinbaren.
Die deutschsprachige betriebswirtschaftliche Literatur bezeichnet die strategische Orien-
tierung auch als Unternehmensführungskonzept. Fritz (1995, S. 31f) etwa versteht dar-
unter: „ein Programm der Globalsteuerung der Institution „Unternehmen“ […]. Dieses
Globalsteuerungskonzept ist auf der oberen Leitungsebene verankert, umfasst die un-
ternehmerischen Basiswerte, die langfristigen Unternehmensziele und –leitlinien sowie
die grundlegenden Stategien. Es gibt damit Richtlinien und Rahmenbedingungen für die
Entscheidung auf den nachgelagerten Leitungsebenen vor […].“
Die betriebswirtschaftliche Literatur, die sich mit strategischen Orientierungen beschäf-
tigt, ist sehr umfassend. Vermutlich auch deswegen, weil häufig ein Zusammenhang
zwischen dieser Orientierung und dem Unternehmenserfolg vermutet wird
(Noble/Sinha/Kumar 2002). Neben der EO existieren weitere strategische Orientierun-
6
gen. Zu den verbreiteten Orientierungen gehören die Qualitätsorientierung
(Kotler/Armstrong 1994), die Verkaufsorientierung (Noble/Sinha/Kumar 2002), die „Small
Business Orientation“ (Carland et al. 1984) und die Marktorientierung (Narver/Slater
1990; Ruekert 1992). Die Marktorientierung hat einen engen Bezug zu EO und soll daher
näher beleuchtet werden. Der Begriff Marktorientierung steht für die Orientierung eines
Unternehmens hinsichtlich der Förderung von Sammlung, Verteilung und Reaktion auf
Marktinformationen, die dazu dient, Kundenbedürfnisse zu befriedigen (Kohli/Jaworski
1990).
Zahlreiche Studien haben sich damit beschäftigt, ob es sich bei Marktorientierung und
EO um separate Konstrukte handelt (Murray 1981; Webster 1981; Zeithaml/Zeithaml
1984; Morris/Paul 1987; Miles/Arnold 1991; Slater/Narver 1995). Zeithaml und Zeithaml
(1984) gehen davon aus, dass es sich bei den beiden Orientierungen um dasselbe Kon-
strukt handelt. Beide Orientierungen beeinflussen zwar strategische Initiativen, die von
Mitarbeitern auf operativer Ebene durchgeführt werden (Atuahene-Gima/Ko 2001). Slater
und Narver (1995) argumentieren allerdings, dass das Konzept der Marktorientierung
nicht explizit auf unternehmerische Werte wie Risikobereitschaft, Proaktivität und Innova-
tivität abstellt. Auch die Ergebnisse der empirischen Arbeit von Miles und Arnold (1991)
widersprechen der Annahme, dass es sich bei Marktorientierung und EO um dasselbe
Konstrukt handelt. Miles und Arnold (1991) weisen nach, dass die beiden Orientierungen
zwar positiv miteinander korrelieren, ihnen allerdings nicht dieselbe Philosophie zu
Grunde liegt. Unternehmen können demnach eine Marktorientierung aufweisen, aber
dennoch wichtige Aspekte einer EO wie die Neigung Risiken einzugehen und proaktiv
neue Geschäftsmöglichkeiten wahrzunehmen, vermissen lassen. Dass EO und Markori-
entierung unterschiedliche Konstrukte sind, wird auch durch eine jüngere Arbeit von Atu-
ahene-Gima und Ko (2001), welche den Zusammenhang von Marktorientierung und EO
mit Produktinnovationen beleuchtet, gestützt. In der vorliegenden Arbeit wird daher
ebenfalls davon ausgegangen, dass es sich bei EO und Marktorientierung um separate
Konstrukte handelt.
Was genau hat es inhaltlich mit einer EO auf sich? Das Verhalten eines Unternehmens
lässt sich auf einem konzeptionellen Kontinuum zwischen sehr konservativ, bürokratisch,
verwaltend und sehr unternehmerisch einordnen (Barringer/Bluedorn 1999). Nach
Lumpkin und Dess (1996a) ist die genaue Position auf diesem Kontinuum die EO des
Unternehmens. Eine EO durchdringt all jene Absichten, Entscheidungsfindungen und
Handlungen von Schlüsselpersonen im Unternehmen, die bei dem Prozess, der zum
Markteintritt führt, mitwirken (Dess/Lumpkin 2005a). Der Begriff des Markteintrittes ist
7
hierbei weit gefasst. So sei es nicht entscheidend, ob der Markteintritt aus einem beste-
henden Unternehmen heraus, etwa durch ein neues Produkt oder ein neues Geschäfts-
feld, oder durch ein neu gegründetes Unternehmen erfolgt. Eine EO spiegele sich in vie-
len Strukturen und Prozessen des Unternehmens wider. Prozesse können insbesondere
die Planung, Analyse und Entscheidungsfindung umfassen. Strukturen der Organisation,
in denen die EO manifest wird, sind etwa das Wertesystem und das Leitbild der Organi-
sation (Hart 1992). Die zentrale und grundlegende Arbeit für die EO-Forschung lieferte
Miller (1983), ihn kann man auch als den Vater der EO-Forschung bezeichnen. Miller
(1983, S. 771) führt aus: „An entrepreneurial firm is one that engages in product-market
innovation, undertakes somewhat risky ventures and is first to come up with proactive
innovations, beating competitors to the punch”. Morris und Paul (1987, S. 251) definieren
EO als „the propensity of a company’s top management to take calculated risks, to be
innovative and to demonstrate proactiveness.” Die Schlüsseldimensionen einer EO sind
demnach eine Neigung, Risiken einzugehen, ein Wille zu innovieren sowie Proaktivität
zu demonstrieren, d.h. insbesondere eine vorausschauende Sichtweise einzunehmen.
Die Dimensionen der Neigung zu Autonomie und aggressivem Verhalten gegenüber
Wettbewerbern wurden durch Lumpkin und Dess (1996a), die als Millers Nachfolger in
der EO-Forschung bezeichnet werden können, deutlich später ergänzt. Die einzelnen
EO-Dimensionen werden im Folgenden noch im Detail diskutiert.
Ein Großteil der empirischen Entrepreneurship-Literatur hatte in der Vergangenheit als
Untersuchungsobjekt den Unternehmer oder das neu zu gründende Unternehmen
(Schendel 1990). Inzwischen ist es jedoch weithin akzeptiert, dass auch etablierte Un-
ternehmen eine EO haben und sich somit unternehmerisch verhalten können
(Jennings/Lumpkin 1989). Der Begriff der EO ist zudem auf Unternehmen jedes Typs
und jeder Größe anwendbar (Carrier 1994; Knight 1997; Brown/Davidsson/Wiklund
2001).
Neben dem Begriff der EO ist auch der von Covin und Slevin (1989) verwendete Begriff
der „Entrepreneurial Posture“, der synonym gesehen werden kann, anzutreffen. Ein wei-
teres Synonym für EO ist der Begriff „Entrepreneurship Orientation“, den etwa Atuahene-
Gima und Ko (2001) verwenden.
Neben den EO-Synonymen gibt es verschiedene Konzepte die EO nahe stehen. Zum
einen wäre hier der von Stevenson und Jarillo (1990) verwandte Begriff des „Entrepre-
neurial Management“ (EM) anzuführen. Sie verstehen unter „Entrepreneurial Manage-
ment“ ein Führungskonzept, das darauf ausgerichtet ist, Gelegenheiten zu erkennen und
umzusetzen. Eine Operationalisierung dieses Konzeptes erfolgte durch Brown et al. 8
(2001), die von der Konzeptualisierung von Stevenson (1983) ausgehend, die sechs Di-
mensionen „Strategic Orientation“, „Resource Orientation“, „Management Structure“,
„Reward Philosophy“, „Growth Orientation“ und „Entrepreneurial Culture“ unterscheiden.
Die Reliabilität der 20-Item-Skala wird lediglich mit zufriedenstellend angegeben. Dies ist
neben dem starken Fokus auf das Erkennen von Gelegenheiten vermutlich ein Grund
dafür, dass das EM-Konzept im Vergleich zu EO deutlich weniger akzeptiert ist. Auch der
von Dess et al. (1997) eingesetzte Begriff der „Entrepreneurial Strategy“, ist mit dem EO-
Begriff verwandt. Sie bezeichnen damit einen gewagten, gerichteten und nach Ge-
schäftsmöglichkeiten suchenden Stil, der Aspekte von Risikobereitschaft und Experimen-
tation enthält. Eine EO ist als Grundlage für die Umsetzung eines solchen Stils zuträglich
und dieser vorgelagert.
Die Literatur ist sich weitgehend darin einig, dass EO ein mehrdimensionales Konstrukt
ist, welches die Dimensionen Autonomie, Innovativität, Risikoübernahme, Proaktivität
sowie Aggressivität gegenüber Wettbewerbern umfasst (Rauch et al. 2009). Drei dieser
Dimensionen gehen auf Miller (1983) zurück. Er bezeichnet Unternehmen dann als un-
ternehmerisch, wenn sie innovativ, risikobereit und proaktiv sind. Zahlreiche Forscher
haben den Ansatz von Miller (1983) adaptiert (Ginsberg 1985; Morris/Paul 1987; Co-
vin/Slevin 1989; Naman/Slevin 1993). Lumpkin und Dess (1996a) fügen den drei Dimen-
sionen von Miller (1983) die Dimensionen „Aggressivität gegenüber Wettbewerbern“ so-
wie „Autonomie“ hinzu. Mit der Aggressivität gegenüber Wettbewerbern greifen sie
Millers (1983) „beating competitors to the punch“-Gedanken auf. Aggressives Verhalten
kann dazu dienen, von Kunden wahrgenommen zu werden. Die „Geiz ist geil“-
Werbekampagne, welche die Saturn-Elektronikmärkte vor einigen Jahren durchführten,
ist hierfür ein Beispiel. Zudem kann aggressives Verhalten größerer Unternehmen insbe-
sondere kleinere Wettbewerber abschrecken. So hat es die Deutsche Post AG durch die
Etablierung von Mindestlöhnen im reifen Postzustellmarkt geschafft, die deutlich kleinere
PIN AG von einer erfolgreichen Etablierung im Markt abzuhalten und letztlich in die In-
solvenz zu führen. Nur wenn Autonomie gegeben ist und die Organisation nicht – etwa
über bürokratische Prozesse (Kanter 1984) – einengt, können kreative Organisations-
mitglieder ihr volles Potenzial entfalten und erfolgreiche Markteintritte realisieren
(Burgelman 1983a; Kanter 1984). Antoncic und Hisrich (2001) diskutieren auch noch die
Dimensionen „Neues Geschäft erschließen“ und „Selbsterneuerung“. Die beiden Autoren
beziehen sich dabei allerdings eher auf Corporate Entrepreneurship im Allgemeinen als
auf das EO-Konzept. In der empirischen EO-Literatur bilden Arbeiten, welche auch diese
beiden Dimensionen umfassen (Schmelter 2009), eindeutig die Ausnahme. Im Folgen-
9
den werden die fünf in der Literatur weitgehend unumstrittenen EO-Dimensionen (Auto-
nomie, Innovativität, Risikoübernahme, Proaktivität, Aggressivität gegenüber Wettbewer-
bern) näher erläutert.
1.2.2.1 Autonomie
Die Autonomiedimension bezieht sich darauf, inwieweit Organisationsmitglieder (Indivi-
duen oder Teams) in Handlungen, die darauf abzielen eine Geschäftsidee oder Vision
weiterzuentwickeln und umzusetzen, frei sind. Nur wenn Mitarbeitern diese Freiheit ge-
währt wird, kommt es zu unternehmerischem Verhalten (Lumpkin/Dess 1996a).
Die Geschichte des Unternehmertums ist gefüllt mit Unternehmerpersönlichkeiten, die
zielstrebig aus einer Idee ein Geschäft entwickelten und sich dabei von keinerlei Hinder-
nissen haben aufhalten lassen. Sie waren in ihren Handlungen autonom. Von Hindernis-
sen und Zwängen, wie sie in Organisationen vorkommen können, waren sie frei. Diese
Autonomie ist nach Burgelman (1983a, S. 241) auch für Unternehmertum in Unterneh-
men maßgeblich. Er kommt zu dem Ergebnis: „the motor of corporate entrepreneurship
resides in the autonomous strategic initiative of individuals at the operational levels in the
organization.” Dieser Ansicht sind auch Fry (1987), Kuratko (1993) sowie Burgelman
(2001) in einer späteren Arbeit. Allen Autoren zufolge ist Autonomie eine Voraussetzung
für die unternehmerische Entwicklung von Ideen.
Letztlich muss jedoch die alte organisationstheoretische Frage beantwortet werden, wie
viel Entscheidungskompetenz delegiert werden sollte. Zu viel Autonomie kann zu höhe-
ren Koordinationskosten, ggf. der Duplikation von Arbeit und allgemeinem Chaos führen.
Sogenannte „skunkworks“, unabhängige Arbeitseinheiten, die häufig von der Unterneh-
menszentrale auch lokal getrennt sind (Dess/Lumpkin 2005a), sind nicht immer vorteil-
haft. Motorola etwa trennte sich wieder von seinem „skunkwork“-Konzept, nachdem 15
Teams 128 verschiedene Mobiltelefone entwickelt hatten. Dieses Konzept führte zu
deutlich höheren Kosten, zahlreichen Redundanzen und überhöhter Komplexität
(Crockett 2001). Ein derartiges „Autonomie-Risiko“ ist zu begrenzen. Dafür schlägt Sathe
(1989) vor, das Gesamtportfolio an unternehmerischen Aktivitäten eines Unternehmens
regelmäßig systematisch zu überwachen. Gelingt dies, ist die Schaffung von Autonomie
vorteilhaft. So fand Miller (1983) in einer Studie heraus, dass die unternehmerischsten
Unternehmen auch von einer Geschäftsleitung geführt wurden, die am meisten Autono-
mie gewährte. Um Autonomie zu schaffen, werden Hierarchien abgebaut und operative
Einheiten gestärkt (Pinchot 1985). Dies ist aber oft nicht ausreichend. Es bedarf auch
einzelner Organisationsmitglieder, denen explizit Autonomie gewährt wird (Quinn 1979).
10
Dies können sogenannte „Champions“ sein, die dafür sorgen, dass Innovatoren von or-
ganisationalen Normen freigestellt werden (Peters/Waterman 1982; Kanter 1984). Shane
(1994a) fand heraus, dass diese „Champions“ oft Regeln lax auslegen und im Extrem
auch Richtlinien und Budgetvorgaben umgehen. Ob so viel gewährte Autonomie in allen
Situationen dem Unternehmenserfolg zuträglich ist, muss hinterfragt werden. Ihr Zu-
sammenhang mit dem Unternehmenserfolg wird im Rahmen der Hypothesenentwicklung
in Kapitel 2.2 auch noch näher beleuchtet. Für EO jedenfalls stellt Autonomie aber eine
zentrale Dimension dar.
1.2.2.2 Innovativität
Innovativität als EO-Dimension geht bereits auf Schumpeter (1934) zurück. Für ihn war
das Realisieren eines Markteintritts durch neue Ressourcenkombinationen ein wesentli-
ches Element des Unternehmertums. Innovativität ist empirisch nachweisbar eine Quelle
von Wettbewerbsvorteilen und wird gemeinhin als wichtiger Einflussfaktor des Unter-
nehmenserfolges gesehen (Porter 1990; Hurley/Hult 1998).
Innovativität bezeichnet die Tendenz und die Fähigkeit eines Unternehmens, sich für
neue Ideen, Experimente und kreative Prozesse, die zu neuen Produkten, Dienstleistun-
gen oder internen Prozessen führen können, zu engagieren und diese zu unterstützen
(Lumpkin/Dess 1996a). Behrends (2001, S. 96) definiert Innovativität noch etwas breiter
als die „dauerhafte Fähigkeit, Möglichkeit und Bereitschaft sozialer Systeme, innovatives
Verhalten hervorzubringen und zu stabilisieren“. Damit bildet er in der deutschsprachigen
betriebswirtschaftlichen Literatur aber eine Ausnahme. Führende deutsche Innovations-
forscher betrachten den Begriff Innovativität produktbezogen als Synonym für die Radi-
kalität einer Innovation (Ernst/Gemünden 2007). Der unternehmensbezogene Innovativi-
tätsbegriff, dem die vorliegende Arbeit folgt, um in der Tradition der bislang überwiegend
englischsprachigen EO-Forschung zu bleiben, wird – wie etwa von Kock (2007) – in der
deutschsprachigen Literatur als organisationale Innovativität bezeichnet. Obwohl das
Ergebnis von Innovativität, die Innovation, im Grad ihrer Radikalität variieren kann (Hage
1980), steht Innovativität grundsätzlich für den Willen, von herkömmlichen Technologien
und Praktiken abzukehren (Kimberly 1981).
Innovativität lässt sich auf zahlreiche Weisen klassifizieren (Downs/Mohr 1976). Eine
recht gängige Unterscheidung ist die in technologische Innovativität und Produkt-Markt-
Innovativität. Technologische Innovativität schließt Produkt- und Prozessentwicklung,
Konstruktion, Forschung, technische Erfahrung und Branchenkenntnisse ein (Cooper
1971). Bei der Produkt-Markt-Innovativität liegt der Schwerpunkt auf Produktdesign,
11
Marktforschung und Werbung (Miller/Friesen 1978; Scherer 1980). Die beiden Innovativi-
tätstypen sind nicht immer trennscharf, Überlappungen sind denkbar (Lumpkin/Dess
1996a).
Innovativität kann in verschiedenen Ausprägungen auftreten. So reicht die Spannweite
vom Willen, eine neue Produktlinie testen zu wollen, bis hin zum Commitment der ge-
samten Organisation, regelmäßig neue Produkte einzuführen und Innovationsführer zu
sein (Lumpkin/Dess 1996a).
Um die gesamte Innovativitäts-Spannweite abzubilden, werden verschiedene Messme-
thoden für Innovativität angewandt. So fragten etwa Karagozoglu und Brown (1988) in
einer Studie Manager nach ihrem Willen, alte Überzeugungen zu verwerfen und neue
Alternativen zu entdecken. Ebenfalls fragten sie danach, ob und wie Experimentieren
geschätzt und belohnt wird. Meist ist ein weiterer Indikator für Innovativität das Niveau
der F+E-Ausgaben. Hage (1980) vertritt die Ansicht, dass zudem die Anzahl der Ingeni-
eure und Wissenschaftler in einem Unternehmen ein guter Proxy für Innovativität sein
kann. Miller und Friesen (1982) fanden heraus, dass ein höherer Grad an Innovativität
mit einer höheren Anzahl technisch ausgebildeter Spezialisten im Unternehmen einher-
geht. Miller (1987; 1988) verwandte die F+E-Ausgaben als Prozentsatz des Umsatzes,
um die finanziellen Ressourcen, die für Innovativität eingesetzt werden, zu messen.
Für die Messung der Produkt-Markt-Innovativität fragte Miller (1987; 1988) nach dem
Umsatzanteil, der für die Kosten des Initiierens und Implementierens von Produkt-Markt-
Innovationen eingesetzt wird. Eine weitere verbreitete Methode zur Messung von Innova-
tivität ist es, die Anzahl neuer Produkte bzw. Dienstleistungen und die Häufigkeit von
Veränderungen in Produktlinien zu erfragen (Miller/Friesen 1982; Covin/Slevin 1989).
Bei der technologischen Innovativität geht es um Kompetenzen in den neuesten Techno-
logien und Produktionsmethoden sowie die Entwicklung fortgeschrittener Fertigungspro-
zesse (Lumpkin/Dess 1996a). In den meisten Studien, die Millers (1983) Innovativitäts-
konzept einsetzen, fehlt dieser Aspekt der Innovativität. Erst später nahmen Forscher
auch die technologische Innovativität auf. So betrachten Zahra und Covin (1993, S. 452)
etwa die „technology policy“, die sie als Verpflichtung des Unternehmens zum „acquiring,
developing, and deploying technology“ definieren. Die Unternehmen wurden gefragt, in
welchem Ausmaß sie einen Schwerpunkt auf technologische Weiterentwicklung legen
und wie stark sie beabsichtigen, eine Reputation dafür aufzubauen, neue Methoden und
Technologien auszuprobieren.
12
Dess und Lumpkin (2005a) sprechen darüber hinaus von administrativer Innovativität.
Diese schließt Neuerungen in den Bereichen Managementsysteme, Controlling und Or-
ganisationsstrukturen ein.
1.2.2.3 Risikoübernahme
Risikoübernahme bezieht sich auf das Treffen von Entscheidungen und das Durchführen
von Handlungen unter Unsicherheit. Die EO-Dimension der Risikoübernahme umfasst
das Ausmaß des Risikos, das in Entscheidungen über Ressourcenallokationen und der
Auswahl von Produkten und Märkten enthalten ist (Venkatraman 1989a). Risikoüber-
nahme kann als ein definierendes Element von Entrepreneurship betrachtet werden
(Schumpeter 1934; Hisrich 1986).
Es lassen sich drei Risikotypen unterscheiden: (1) Geschäftsrisiko, (2) finanzielles Risiko
und (3) persönliches Risiko. (1) Das Geschäftsrisiko beinhaltet etwa das Erschließen
eines neuen Marktes oder die Entscheidung für noch nicht getestete Technologien. (2)
Das finanzielle Risiko umfasst die Gefahr, Geld zu verlieren – eigenes oder rückzahlba-
res fremdes. (3) Unter dem persönlichen Risiko werden etwa die negativen Auswirkun-
gen auf den Karriereverlauf eines Managers verstanden (Dess/Lumpkin 2005a). Letztlich
ist jedes Geschäftsrisiko (Typ 1) auch ein finanzielles Risiko (Typ 2). In beiden Fällen
besteht die Gefahr, Geld zu verlieren.
In der frühen Entrepreneurship-Literatur wurde Unternehmertum mit Selbständigkeit
gleichgesetzt. Mit Selbständigkeit ist Unsicherheit und damit das Eingehen eines finan-
ziellen Risikos verbunden (Cantillon 1734; Shane 1994b). Das Eingehen bzw. das Über-
nehmen von Risiken wird seitdem als eines der markantesten Merkmale unternehmeri-
schen Verhaltens gesehen (Das/Teng 1997). In Unternehmen tragen Mitarbeiter zwar
üblicherweise kein finanzielles Risiko, wenn sie unternehmerische Projekte starten. Al-
lerdings gehen sie ein persönliches Risiko ein. Ihre Karriere könnte Schaden nehmen.
Denn bleibt ihr Projekt hinter den Erwartungen zurück oder führt es sogar zu einem fi-
nanziellen Schaden für das Unternehmen, kann dies die Karriere des Mitarbeiters ge-
fährden.
In der Finanzierungslehre wird Risiko fast immer im Zusammenhang mit Rendite be-
trachtet. Es bezieht sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses
oder eines Verlustes, also auf Typ 2 nach Dess und Lumpkin (2005). Miller und Friesen
(1978, S. 923) orientieren sich an dieser Definition, wenn sie Risiko als „the degree to
which managers are willing to make large and risky resource commitments – i.e., those
which have a reasonable chance of costly failures” bezeichnen.
13
In der Strategieliteratur haben Baird und Thomas (1985, S. 231f.) drei Typen von strate-
gischen Risiken identifiziert: (1) „venturing into the unknown“, (2) „committing a relatively
large portion of assets“ und (3) „borrowing heavily“. Wiklund und Shepherd (2005) be-
zeichnen als Risikoübernahme auch, von bewährten Handlungsmustern, d.h. bekannten
Praktiken im Unternehmen abzuweichen und neues zu probieren. Nach Baird und Tho-
mas (1985) wäre dies unter „venturing into the unknown“ zu fassen. „committing a relati-
vely large portion of assets“ bedeutet, dass sich ein wesentlicher Teil der Vermögens-
werte bzw. Ressourcen eines Unternehmens einem Projekt verschreibt. Wenn dieses
Projekt scheitert, ist der Schaden entsprechend hoch. Unter „borrowing heavily“ ist zu
verstehen, dass sich das Unternehmen zu einem hohen Grad verschuldet, um ein Pro-
jekt zu finanzieren. Bleiben die Einzahlungen aus dem Projekt hinter den Erwartungen
zurück, läuft das Unternehmen Gefahr, nicht mehr für Zins und Tilgung aufkommen zu
können und ist somit insolvenzgefährdet.
Firmen, die eine hohe Ausprägung der EO-Dimension Risikoübernahme aufweisen, sind
demnach bereit, signifikante Ressourcen für neue Projekte, deren Ausgang ungewiss ist,
einzusetzen, sich stark zu verschulden und neues auszuprobieren bzw. von bewährten
Handlungsmustern abzuweichen.
Es gibt zahlreiche Methoden, Risikoübernahme zu messen. Meist erfolgt die Messung
auf der Ebene des Individuums (Brockhaus Jr. 1980). Im Zusammenhang mit EO ist je-
doch die Risikoneigung des Unternehmens maßgeblich. In der Literatur akzeptiert und
häufig verwendet wird eine Skala, die auf Millers (1983) EO-Ansatz basiert. In ihr wird
das Management zum einen nach seiner Neigung gefragt, riskante Projekte einzugehen.
Zum anderen wird gefragt, ob es eher eine Vorliebe für gewagte oder für vorsichtige
Handlungen hat, um die Unternehmensziele zu erreichen. Auch Venkatraman (1989a)
hat sich mit der Messung von Risikoneigung beschäftigt. Er verfolgt einen ähnlichen An-
satz, indem er Manager danach fragt, ob sie sich eher an bewährte Vorgehensweisen
halten und ob sie dazu tendieren, nur solche Projekte zu unterstützen, deren erwartete
Ergebnisse sicher sind. Beides spräche für eine geringe Risikoneigung.
1.2.2.4 Proaktivität
Wissenschaftler stellen schon seit langem die Bedeutung von Initiative im unternehmeri-
schen Prozess heraus. Für Penrose (1959) sind unternehmerische Manager für das
Wachstum von Firmen bedeutend. Sie verfügten über die Vision und die Vorstellungs-
kraft, die für das Wahrnehmen und Nutzen neuer Geschäftsmöglichkeiten notwendig
sind. Proaktivität kann ein effektiver Weg sein, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Die
14
Vorteile, die Unternehmen daraus haben, als erste in einen Markt einzutreten, nennt man
Pioniervorteile bzw. „first mover advantages“ (Lieberman/Montgomery 1988). Nach Lie-
berman und Montgomery (1988) ist die Pionierstrategie die am ehesten geeignete Stra-
tegie für das Nutzen von Geschäftsmöglichkeiten. Indem der Pionier Asymmetrien im
Markt nutzt, kann er Überrenditen erzielen und z.B. eine wiedererkennbare Marke auf-
bauen. Initiative zu übernehmen, indem neue Gelegenheiten antizipiert und verfolgt wer-
den, und das Erschließen neuer Märkte, wird auch mit Unternehmertum assoziiert. Die-
ses vierte Charakteristikum des Unternehmertums wird meist als Proaktivität bezeichnet.
Proaktivität wird von Webster (1991, S. 937) als „acting in anticipation of future problems,
needs, or changes“ definiert. Proaktivität steht also für eine vorausschauende Sichtwei-
se, die von innovativen Aktivitäten und neuen Geschäftstätigkeiten begleitet wird
(Lumpkin/Dess 1996a). Für Miller und Friesen (1978, S. 923) sind Firmen dann proaktiv,
wenn sie bei der Frage „Does it shape the environment by introducing new products,
technologies, administrative techniques, or does it merely react?” zu ersterem tendierten.
Miller (1983, S. 771) bezeichnet Firmen als proaktiv, die als erste mit Innovationen im
Markt vertreten sind. Ein Unternehmen kann jedoch auch dann innovativ, vorausschau-
end und schnell sein, wenn es nicht das erst im Markt ist. So fanden Miller und Camp
(1985) in ihrer Studie, die 84 strategische Geschäftseinheiten betrachtete, heraus, dass
auch noch das zweite Unternehmen, das einen neuen Markt bearbeitete, Pionier war
und genauso wahrscheinlich über Proaktivität erfolgreich war wie die ersten im Markt.
Somit steht Proaktivität, wie Venkatraman (1989a, S. 949) darlegt, für all die Prozesse,
die darauf abzielen, künftige Bedürfnisse zu antizipieren, indem sie dazu dienen „seeking
new opportunities which may or may not be related to the present line of operations, in-
troduction of new products and brands ahead of competition, strategically elminating op-
erations which are in the mature or declining stages of their life cycle.” Insgesamt ist ein
proaktives Unternehmen eher Anführer als Nachahmer, da es den Willen und die Vor-
aussicht besitzt, neue Gelegenheiten zu erschließen. Nach Lumpkin und Dess (2001a)
sind proaktive Unternehmen auch gewillt, schneller als der Wettbewerb zu handeln. Sie
seien zudem daran interessiert, die Wettbewerbsverhältnisse in ihrer Branche zu ihren
Gunsten zu verändern.
Proaktivität wurde in der Literatur häufig mit aggressivem Verhalten gegenüber Wettbe-
werbern (in der englischsprachigen Literatur als „competitive aggressiveness“ bezeich-
net) gleichgesetzt (Covin/Slevin 1989). Lumpkin und Dess (2001) behaupten jedoch,
dass es sich dabei um unterschiedliche Dimensionen handelt. Während sich Proaktivität
auf künftige Geschäftsmöglichkeiten, die Beeinflussung künftiger Trends und ggf. auch 15
die Schaffung von Nachfrage beziehe, bezeichne aggressives Verhalten gegenüber
Wettbewerbern, wie Unternehmen auf ihre Wettbewerber, bereits bestehende Nachfrage
und gegebene Trends reagierten. Proaktivität hat also damit zu tun, wie künftige Nach-
frage zu befriedigen ist, aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern handelt vom
Wettbewerb um bestehende Nachfrage. Ähnlicher Auffassung sind auch Chen und
Hambrick (1995, S. 457), die statt “competitive aggressiveness” den Begriff “responsive-
ness” verwenden: „a firm should be both proactive and responsive in its environment in
terms of technology and innovation, competition, customers and so forth. Proactiveness
involves taking the initiative in an effort to shape the environment to one’s own advan-
tage; responsiveness involves being adaptive to competitors’ challenges”. Lumpkin und
Dess (2001) liefern auch den empirischen Beweis, dass die beiden Dimensionen von-
einander unabhängig sind.
Das Beispiel des amerikanischen Rüstungsunternehmens Mason & Hangar soll den Un-
terschied verdeutlichen. Das Unternehmen belieferte die US-Streitkräfte mit Nuklearwaf-
fen. Nach dem Ende des kalten Krieges brach dieser Markt weg. Es folgte eine Konzent-
ration auf die Kernkompetenzen, man spezialisierte sich auf den Abbau atomarer Waffen
und die Produktion von Sicherheitssystemen für Öl-Felder. Mason & Hangar hat proaktiv
gehandelt, indem es die künftige Nachfrage antizipierte. Gegenüber Wettbewerbern war
jedoch kein aggressives Verhalten zu beobachten. So wurden weder Preise gesenkt
noch Kosten reduziert (Lumpkin/Dess 2001a). Stuart und Abetti (1987) kombinierten mit
ihrem Konstrukt „Strategic Aggressiveness“ Elemente von Proaktivität und aggressivem
Verhalten gegenüber Wettbewerbern. „Strategic Aggressiveness“ wurde als ein Prädiktor
für den Erfolg von neu in den Markt eintretenden Unternehmen betrachtet
(Lumpkin/Dess 1996a). Um den Unterschied zwischen Proaktivität und Aggressivität ge-
genüber Wettbewerbern weiter zu verdeutlichen, kann man auch den Gegensatz von
Proaktivität und Passivität betrachten. Nach Lumpkin und Dess (1996a) steht Passivität
für Indifferenz, die Unfähigkeit Geschäftsmöglichkeiten wahrzunehmen und im Markt zu
führen. Passivität sei jedoch nicht zu verwechseln mit Reaktivität. Reaktivität stehe für
die Antwort auf das Verhalten von Wettbewerbern.
Proaktivität auf Unternehmensebene wurde in der Literatur bislang überwiegend operati-
onalisiert, indem Manager dazu befragt wurden, ob ihr Unternehmen bei der Entwicklung
neuer Prozesse und Technologien sowie der Markteinführung neuer Produkte und
Dienstleistungen eher führend ist oder eher eine Folgerrolle einnimmt (Miller 1983; Co-
vin/Slevin 1989). Daft und Weick (1984) führten den für Proaktivität stehenden Aspekt
der Umweltbeobachtung bzw. des „Scannings“ der Umwelt u.a. mit dem Blick auf neue
16
Geschäftsmöglichkeiten in die Diskussion ein. Venkatraman (1989a) befragte Manager
auch danach, ob sie Unternehmensbereiche, die sich in einer späten Phase ihres Le-
benszykluses befinden, strategisch eliminierten. Auch dies spricht für ein proaktives Vor-
gehen.
Da ein Aspekt der Proaktivität das Initiieren von Aktivitäten darstellt, könnte man argu-
mentieren, dass sie eng mit Innovativität verbunden ist und die beiden EO-Dimensionen
somit nicht voneinander unabhängig sind. Morris und Paul (1987) führten eine Faktor-
analyse mit einer 12 Item-Skala, die Innovativität, Risikoübernahme und Proaktivität um-
fasste, durch. Sie erhielten zwar einerseits nur zwei Hauptfaktoren – der eine umfasste
Innovativität und Proaktivität, der andere Risikoübernahme. Andererseits können Pro-
dukte und Dienstleistungen, die Unternehmen in einen Markt einführen, Imitate darstel-
len oder von einem nur geringen Innovationsgrad geprägt sein. Das ist etwa dann der
Fall, wenn ein Unternehmen ein im Heimatmarkt bereits seit längerem erfolgreiches Pro-
dukt in einem Auslandsmarkt einführt. Ist dieser Markt vom Wettbewerb noch nicht er-
schlossen, ist ein solches Verhalten ein Zeichen von Proaktivität. Zahlreiche andere Ar-
beiten wiesen inzwischen zudem nach, dass die Indikatoren für Proaktivität und Innovati-
vität auf zwei unterschiedliche Faktoren laden und es sich somit um separate Konstrukte
handelt (Wang 2008; Runyan/Droge/Swinney 2008; Schmelter 2009).
Proaktivität ist auch mit verschiedenen Strategie-Typen kongruent. Insbesondere der
„Prospector Type“ von Miles und Snow (1978, S. 551ff) umfasst die Idee sehr gut: „The
Prospector’s prime capability is that of finding and exploiting new products and market
opportunities. Prospectors are frequently the creators of change in their respective indus-
tries. Change is one of the major tools used by the Prospector to gain an edge over
competitors.” Auch das „assertive strategy making“ von Miller (1987) oder der „frame-
breaking change type“ von Stopford und Baden-Fuller (1994) decken Aspekte von Pro-
aktivität ab.
Empirisch wurde bereits gezeigt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Proaktivi-
tät und Unternehmenserfolg besteht. Dieser tritt bei einer dynamischen Aufgabenumwelt
und in Branchen, die sich in einer frühen Phase ihres Lebenszyklus befinden, verstärkt
auf (Lumpkin/Dess 2001a).
1.2.2.5 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
Stinchcombe (1965) entwickelte das Konzept der „liability of newness“. Es besagt, dass
junge Unternehmen einen besonderen Nachteil haben, da sie gegenüber ihren An-
spruchsgruppen, insbesondere Kunden, Lieferanten und ggf. Fremdkapitalgebern –
17
meist über keine oder nur geringe Legitimität verfügen. Dies ist mit ein Grund, weshalb
sie deutlich häufiger scheitern als etablierte Unternehmen. Frühere Studien argumentier-
ten, dass eine aggressive Marketingstrategie und intensiver Wettbewerb für den Erfolg
und das Überleben junger Unternehmen hilfreich sind (MacMillan 1982) und dabei hel-
fen, die „liability of newness“ zu überwinden. Auch aus diesem Grund wird das aggressi-
ve Verhalten gegenüber Wettbewerbern häufig als Dimension der unternehmerischen
Orientierung angesehen (Lumpkin/Dess 1996a).
Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern steht für die Neigung eines Unter-
nehmens, seine Wettbewerber direkt und intensiv herauszufordern, um entweder den
Markteintritt zu erreichen oder die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern. Nach
Lumpkin und Dess (1996a) drückt sich aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
etwa dadurch aus, dass ein Markteintritt gleichzeitig mit Konkurrenten erfolgt. Auch
Preiswettbewerb (Vilcassim/Kadiyali/Chintagunta 1999) und die schnelle Reaktion auf
Handlungen des Wettbewerbs (Makadok 1998) sowie die Kombination dieser Maßnah-
men (Ferrier/Smith/Grimm 1999) wird unter aggressivem Verhalten verstanden. Cooper
et al. (1986) zählen dazu auch unkonventionelle Methoden, die neue Unternehmen in
einem Markt gegen etablierte einsetzen. Dazu gehören etwa die deutlich schnellere Re-
aktion auf Kundenanforderungen oder der Einsatz kostengünstiger neuer Technologien.
Auch die Analyse von Schwächen des Wettbewerbs und das gezielte Vorgehen gegen
diese gehören zu den Erscheinungsformen aggressiven Wettbewerbs (MacMillan/Jones
1984).
Fombrun und Ginsberg (1990) sowie Karnani (1984) argumentieren, dass sich die all-
gemeine Strategie eines Unternehmens auf einem Kontinuum, das von nicht aggressiv
bis sehr aggressiv reicht, einordnen lässt. Porter (1985) unterscheidet drei Ansätze, wie
Unternehmen aggressiv vorgehen können: (1) Rekonfiguration – Dinge anders zu tun als
der Wettbewerb. (2) Redefinition – den Kontext zu verändern, also bspw. das Produkt
oder die Dienstleistung oder dessen Vertriebswege zu verändern. (3) Mehrinvestition –
mehr als der Branchenführer zu investieren. Letzteres kann etwa über die Investition in
Fertigungskapazität zum Ausbau von Marktanteilen geschehen. Aber auch das Setzen
aggressiver Marktanteilsziele, die über Preisreduktionen bis hin zur Inkaufnahme negati-
ver Deckungsbeiträge erreicht werden, ist ein Beispiel für aggressives Verhalten
(Venkatraman 1989a). Das Imitieren von Praktiken und Techniken sowie die öffentliche
Ankündigung neuer Produkte und Technologien sind weitere Merkmale aggressiven
Verhaltens gegenüber Wettbewerbern. Durch die Ankündigung eines neuen Produkts,
die auch als „signalling“ bezeichnet wird, soll zum einen die Reaktion von Wettbewerbern
18
überprüft werden, zum anderen will man sie von vergleichbaren Initiativen abhalten
(Dess/Lumpkin 2005a). Unternehmen, die eine hohe Ausprägung der EO-Dimension
„aggressives Verhalten“ aufweisen, antworten meist auch auf Schritte der Wettbewerber
schnell und schlagkräftig (Lumpkin/Dess 2001a).
Um Aggressivität gegenüber Wettbewerbern zu operationalisieren, fragten Covin und
Covin (1990) Manager, ob sie eine sehr aggressive Haltung einnähmen, die darauf ab-
ziele, den Wettbewerb zu vernichten, oder eher zu einer „Leben und leben lassen“-
Haltung neigten. Auch Skalen von Ginsberg (1985) und Khandwalla (1977) beschäftigen
sich mit Prozessen, die Manager einsetzen, um aggressiv gegen ihren Wettbewerb vor-
zugehen. In Kapitel 3.2.2.5 wird die Operationalisierung von aggressivem Verhalten ge-
genüber Wettbewerbern im Detail behandelt.
Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern führt jedoch nicht immer zu den ange-
strebten Wettbewerbsvorteilen. Es kann auch die Ablehnung von Kunden und staatlichen
Einrichtungen bedingen. So können sich z.B. gerade feinsinnigere Kunden dagegen ent-
scheiden, bei einem mit besonders aggressiver Werbung am Markt auftretenden Unter-
nehmen, zu kaufen. Der Antitrust-Case gegen Microsoft ist ein Beispiel, dass auch der
Staat bzw. die Europäische Kommission zu viel Aggressivität, wie sie Microsoft durch
den gemeinsamen Verkauf von Betriebssystem und Internetbrowser gezeigt hat, auf den
Plan ruft (Dess/Lumpkin 2005a). Schließlich besteht die Gefahr, dass aggressives Ver-
halten auch die Aggressivität des Wettbewerbers erhöht. Beispiele hierfür sind Preis-
kämpfe und langwierige juristische Auseinandersetzungen, die letztlich nur Dritten (Kon-
sumenten bzw. Anwälten) und nicht den Unternehmen nützen.
Empirische Arbeiten, in denen die Aggressivitäts-Dimension von EO separat betrachtet
wird, liegen kaum vor. Lediglich Hughes und Morgan (2007) zeigen einen positiven Zu-
sammenhang zwischen dem aggressiven Verhalten gegenüber Wettbewerbern und dem
Unternehmenserfolg. Bei einer feindlichen Aufgabenumwelt tritt dieser Zusammenhang
verstärkt auf (Lumpkin/Dess 2001a).
1.2.3 Unternehmenserfolg (UE)
Unternehmenserfolg ist sowohl in der konzeptionellen und der empirischen Forschung
als auch in der Unternehmenspraxis ein zentraler Begriff. Das Kernanliegen der be-
triebswirtschaftlichen Forschung ist die wirtschaftliche Führung von Unternehmen, eine
Beschäftigung mit dem Unternehmenserfolg findet daher schon seit langem statt
(Gutenberg 1942). Über den Begriff des Unternehmenserfolges herrscht insgesamt je-
doch wenig Konsens (Brockhoff 2008). 19
Diese Uneinigkeit mag auch daran liegen, dass in der Organisationstheorie drei unter-
schiedliche Ansätze zur begrifflichen Einordnung des Unternehmenserfolgs bestehen
(Ford/Schellenberg 1982): der Zielansatz (goal approach) (Etzioni 1964), der Systeman-
satz (systems resource approach) (Yuchtman/Seashore 1967) und der interessenplura-
listische Ansatz (multi constituency approach) (Cyert/March 1963; Thompson 1967; Pfef-
fer/Salancik 1978; Connolly/Conlon/Deutsch 1980).
Der Zielansatz definiert Erfolg als Grad der Zielerreichung einer Unternehmung (Etzioni
1964, S. 261). Er geht davon aus, dass die Ziele im Unternehmen gesetzt werden. Die
Zielsetzung kann durch die Entscheidungsträger (Price 1972) oder eine „dominant coali-
tion“ (Pennings/Goodman 1977), z.B. Aufsichtsrat und Vorstand in einer Aktiengesell-
schaft, erfolgen. Problematisch ist hierbei, dass unter den Zielsetzenden oft kein Kon-
sens besteht. Dies wird durch die empirischen Arbeiten von Vroom (1960) sowie Law-
rence und Lorsch (1967a) bestätigt.
Der Systemansatz versucht das Problem, ein geeignetes Erfolgskriterium festzulegen,
zu lösen, indem er die Perspektive um die Umwelt des Unternehmens erweitert. Erfolg
nach dem Systemansatz ist die Fähigkeit, den langfristigen Fortbestand einer Unterneh-
mung durch den auf Dauer gewährleisteten Zugang zu überlebensnotwendigen Res-
sourcen und Fähigkeiten zu sichern (Yuchtman/Seashore 1967). Ob diese Fähigkeit, den
Ressourcenzugang zu sichern, vorhanden ist, lässt sich allerdings empirisch nur sehr
schwer messen (Connolly/Conlon/Deutsch 1980). Zur Umwelt des Unternehmens gehö-
ren z.B. Lieferanten, Kunden und Wettbewerber. Das System umfasst das Unternehmen
und seine Umwelt. Sowohl der Zielansatz als auch der Systemansatz basieren auf der
Annahme, dass es ein einziges Set an Erfolgskriterien gibt (Connolly/Conlon/Deutsch
1980).
Der interessenpluralistische Ansatz lockert diese Annahme, indem er mehrere Inte-
ressengruppen berücksichtigt. Die Interessengruppen (auch Anspruchgruppen oder Sta-
keholder) lassen sich in interne (z.B. Mitarbeiter, Management) und externe (z.B. Liefe-
ranten, Kunden, Aktionäre, Fremdkapitalgeber, Öffentlichkeit, Staat, Gewerkschaften)
Interessengruppen unterteilen (Schewe 2005, S. 26ff.). Jede Gruppe von Stakeholdern
hat unterschiedliche Ansprüche an das Unternehmen (Ford/Schellenberg 1982). Unter-
nehmen sind dann erfolgreich, wenn sie den Erwartungen ihrer Stakeholder gerecht
werden (Friedlander/Pickle 1968). Unternehmenserfolg im Sinne des interessenpluralis-
tischen Ansatzes ist durch die Berücksichtigung mehrerer Interessen grundsätzlich
mehrdimensional. Die Anspruchsgruppen des Unternehmens verfolgen überwiegend
unterschiedliche Ziele (Connolly/Conlon/Deutsch 1980). Folglich können die Erfolgsma- 20
ße der Anspruchsgruppen in Konkurrenz zueinander stehen (Hage 1980; Baetge et al.
2007). Für das Management sind die jeweiligen Erfolgsmaße unterschiedlich relevant
(Friedlander/Pickle 1968). Pfeffer und Salancik (1978) vertreten die Ansicht, dass die
Relevanz der Erfolgsmaße primär davon abhängt, welche Ressourcen die jeweiligen
Anspruchsgruppen kontrollieren. Wenn die Organisation von gewissen Ressourcen ab-
hängig ist und eine spezifische Anspruchsgruppe diese Ressourcen kontrolliert, werden
die Ziele dieser Anspruchgruppe stärker gewichtet. Sind Unternehmen z.B. von einigen
wenigen Kunden bzw. von deren Zahlungen abhängig, ist die Zufriedenheit dieser Kun-
den von besonderer Bedeutung.
Der interessenpluralistische Ansatz berücksichtigt sowohl den Ziel- als auch den Sys-
temansatz (Connolly/Conlon/Deutsch 1980). Einige Anspruchsgruppen (z.B. Manager)
können den Zielansatz anwenden, andere Anspruchsgruppen (z.B. der Staat) den Sys-
temansatz. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Ansätzen und dem interes-
senpluralistische Ansatz ist, dass letzterer Erfolg als mehrdimensional und abhängig von
verschiedenen Einschätzungen betrachtet. Jede Einschätzung ist abhängig vom Bewer-
tenden. Damit ist es möglich, dass ein Unternehmen in der gleichen Erfolgsdimension
(z.B. Gewinn) von einer Gruppe von Bewertenden als gut eingestuft wird, während es
von einer anderen als schlecht beurteilt wird (Hage 1980). Ein Beispiel: Die Ankündigung
von Entlassungen durch den Vorstand einer AG sollte über einen höheren erwarteten
Gewinn eine Steigerung des Börsenwertes zur Folge haben und damit von der An-
spruchsgruppe der Aktionäre als erfolgreich betrachtet werden, für die vom Arbeitsplatz-
abbau betroffenen Anspruchsgruppen der Mitarbeiter und Gewerkschaften stellt sich die
Situation jedoch nachteilig dar.
Venkatraman und Ramanujam (1987) geben eine Empfehlung, wie Unternehmenserfolg
mehrdimensional und somit alle drei organisationstheoretischen Ansätze integrierend,
gemessen werden kann. Mit dem Zielansatz vereinbar, liegt im Kern der Erfolgsmessung
der finanzielle Erfolg. Der finanzielle Erfolg ist eine notwendige, nicht aber eine hinrei-
chende Größe, um den Gesamterfolg einer Organisation zu definieren (Cameron 1978;
Chakravarthy 1986). Neben diesem Kern gibt es auch nicht-finanzielle bzw. operative
Erfolgsmaße. Dazu gehören z.B. die gewonnenen Marktanteile, der allgemeine Erfolg im
Vergleich zum Wettbewerb oder die Produktqualität bzw. der Produkterfolg. Diese Maße
sind dem finanziellen Erfolg oft vorgelagert (Kaplan 1983; Hofer/Sandberg 1987). Sie
berücksichtigen auch den Systemansatz, der das Unternehmen nicht isoliert, sondern im
Zusammenhang mit seiner Umwelt betrachtet. Als weitere Dimension sind Erfolgsmaße
hilfreich, die weitere Anspruchsgruppen des Unternehmens einbeziehen und so dem
21
interessenpluralistischen Ansatz explizit Rechnung tragen (Connolly/Conlon/Deutsch
1980; Zammuto 1984). Dazu können die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Zufriedenheit
der Kunden, die sich im Maß der Kundenbindung äußern kann, oder das Image des Un-
ternehmens in der Öffentlichkeit gehören.
Murphy et al. (1996) untersuchen in ihrer Metaanalyse zur Erfolgsmessung in der
Entrepreneurship-Forschung 51 empirische Arbeiten, die Unternehmenserfolg als ab-
hängige Variable haben. Sie zählen dabei 71 unterschiedliche Erfolgsgrößen. Dieser
Befund ist noch bemerkenswerter als die 30 verschiedenen Erfolgsgrößen, die Fritz
(1990) in seinem Literaturüberblick zum Thema Unternehmenserfolg ermittelt, und deckt
sich auch mit der Aussage Albachs (1988), dass über die Messung des Unternehmens-
erfolges in der Literatur wenig Einigkeit herrscht.
Tabelle 1 zeigt die acht Erfolgsdimensionen, die Murphy et al. (1996) unterscheiden, die
Häufigkeit deren Vorkommens in den Studien sowie beispielhafte Erfolgsgrößen für die
jeweilige Erfolgsdimension.
Erfolgsdimension Häufigkeit Beispielhafte Erfolgsgrößen
Effizienz 30 Return on Assets (ROA), Return on Equity (ROE)
Wachstum 29 Umsatzwachstum, Mitarbeiterwachstum
Gewinn 26 Return on Sales/Umsatzrendite (ROS), Vorsteuerergebnis, KGV
Größe 15 Gesamtumsatz, Gesamt-Cash-Flow
Liquidität 9 Möglichkeit, Wachstum zu finanzieren
Erfolg/Scheitern 7 Insolvenz ja/nein
Marktanteil 5 Marktanteil in der Branche
Leverage 3 Fremdkapital/Eigenkapital
Tabelle 1: Erfolgsgrößen in der Entrepreneurship-Forschung nach Murphy et al. (1996)
Die Erfolgsdimensionen Effizienz, Wachstum und Gewinn spielen demnach empirisch in
den von Murphy et al. (1996) analysierten Arbeiten die größte Rolle. Dies deckt sich mit
vielen Studien zum Zusammenhang zwischen EO und Unternehmenserfolg, in denen die
Erfolgsdimensionen Wachstum und Gewinn dominieren (Rauch et al. 2009). Die von
Venkatraman und Ramanujam (1987) empfohlenen nicht-finanziellen Erfolgsgrößen
scheinen mit Ausnahme der Dimension Marktanteil noch nicht weit verbreitet.
Nur 40% der von Murphy et al. (1996) untersuchten Arbeiten betrachten mehr als zwei
Erfolgsmaße. Keine Studie betrachtet mehr als fünf der identifizierten acht Erfolgsdimen- 22
sionen. Daily und Dalton (1992) bezweifeln, dass Unternehmenserfolg mit nur wenigen
Erfolgsgrößen hinreichend erfasst werden kann. Werden nur wenige Dimensionen des
Unternehmenserfolges betrachtet, kann dies zu irreführenden Ergebnissen führen
(Rauch et al. 2009). Zwischen den einzelnen Erfolgsdimensionen können Interdepen-
denzen bestehen (Murphy/Trailer/Hill 1996). EO-bezogene Anstrengungen, die eine Er-
folgsdimension positiv beeinflussen, können sich negativ auf andere Erfolgsdimensionen
auswirken und wiederum keinen Einfluss auf dritte Erfolgsdimensionen haben. Bei-
spielsweise mag eine Umsatzsteigerung die Folge von Investitionen in Forschung und
Entwicklung sein. Diese Investitionen wirken sich aber zumindest temporär negativ auf
die Erfolgsdimensionen Effizienz, Gewinn und Liquidität aus. Daher wird in der Literatur,
abhängig vom Lebenszyklus und dem Untersuchungszeitraum, die Betrachtung mehre-
rer Erfolgsmaße gefordert (Steers 1977; Kaplan 1983; Venkatraman/Ramanujam 1987;
Lumpkin/Dess 1996a). Dieser Forderung möchte diese Arbeit gerecht werden, indem
sie, ähnlich wie andere EO-Studien (Rauch et al. 2009), sowohl finanzielle als auch
nicht-finanzielle Dimensionen des Unternehmenserfolges betrachtet.
Murphy et al. (1996) stellen darüber hinaus fest, dass 75% der betrachteten Arbeiten auf
Primärdaten basieren. Die subjektiven Einschätzungen der befragten Unternehmen
überwiegen somit. Objektive Erfolgsmaße, die mit Sekundärdaten gemessen werden,
bilden die Ausnahme. Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Entrepreneurship-
Forscher, die als Hauptgrund hierfür die Knappheit relevanter Sekundärdatenquellen
anführen (Sapienza/Smith/Gannon 1988; Chandler/Jansen 1992). Bei subjektiven Er-
folgsmaßen gibt der Adressat seine Erfolgseinschätzung dabei meist auf einer fünf- oder
siebenstufigen Likert-Skala ab. Subjektive Erfolgsmaße sind methodisch jedoch nicht
unproblematisch. So können sie z.B. Gegenstand eines Common Method-Bias sein
(Ernst 2003b). Ein solcher Bias liegt dann vor, wenn die Varianz der betrachteten Größe
auf die Messmethode und nicht auf das tatsächliche Konstrukt zurückzuführen ist
(Podsakoff et al. 2003). Die Ursachen für einen Common Method-Bias sind vielfältig.
Beispielsweise könnte es sein, dass der Adressat beim Antworten darauf achtet, welche
Antworten sozial wünschenswert sind oder ihm persönlich einen Vorteil verschaffen
(Bagozzi/Yi/Philips 1991). Es ist auch denkbar, dass der Adressat in seinen Antworten
konsistent und rational erscheinen möchte (Osgood/Tannenbaum 1955). Dabei sucht er
nach Ähnlichkeiten zwischen den Fragen, die ihm gestellt werden. Durch seine verzerr-
ten Antworten ergeben sich Beziehungen in den Daten, die so in der Realität möglicher-
weise nicht bestehen. In der Literatur wird diese Tendenz als „consistency motif“ be-
zeichnet (Podsakoff/Organ 1986; Johns 1994). Es gibt vereinzelt Hinweise darauf, dass
23
subjektive Erfolgsmaße insbesondere bei Unternehmensinhabern stärker mit deren Per-
sönlichkeitsmerkmalen als mit objektiven Kriterien des Unternehmenserfolges zusam-
menhängen (Rauch 2003). In der Literatur wird dennoch überwiegend die Ansicht vertre-
ten, dass subjektive Erfolgsmaße mit objektiven Erfolgsmaße korrelieren und somit Vali-
dität und Reliabilität hinreichend gegeben sind (Dess/Beard 1984; Dess/Robinson Jr.
1984; Venkatraman/Ramanujam 1987; Slater/Narver 1994; Droge/Jayaram/Vickery
2004; Schenk 2007). Chandler und Hanks (1993) zeigen, dass die Einschätzung von
Eigentümern/CEOs zu Gewinnen und Umsatzwachstum mit buchhalterischen Daten
hoch korreliert. Speziell für Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang zwischen EO und
UE beschäftigen, konnten Raucht et al. (2009) nachweisen, dass subjektive Erfolgsmaße
mit objektiven Erfolgsmaßen korrelieren und zudem ähnliche Effektgrößen zeigen. Ein
weiteres Argument für subjektive Erfolgsmaße ist der Vorteil, dass sich durch sie auch
nicht-monetäre Erfolgsdimensionen berücksichtigen lassen (Rohn 2006).
Bei der empirischen Ermittlung des Unternehmenserfolges ist zudem zu bestimmen, auf
welcher Ebene der Organisation gemessen wird – auf Gesamtebene, auf der Ebene von
Organisationseinheiten, etwa Tochtergesellschaften oder auf Individualebene, also etwa
auf der Ebene eines einzelnen Projektes im Unternehmen. Im Fokus dieser Arbeit steht
das Gesamtunternehmen. Daher soll auch die Erfolgsmessung auf dieser Ebene erfol-
gen.
Sowohl Quinn und Cameron (1983) als auch Zahra (1993a) vertreten die Meinung, dass
sich die adäquaten Erfolgsmaße mit der Entwicklung von Unternehmen verändern. Die
Erfolgsmaße bei Gründungsunternehmen, über die Schmidt (2002) einen Überblick gibt
und mit denen sich auch die Arbeit von Witt und Rosenkranz (2002) befasst, sind oft an-
dere als diejenigen, die für etablierte Unternehmen Anwendung finden. Da Gründungs-
unternehmen noch keine Unternehmenshistorie vorweisen können, sind finanzielle Er-
folgsmaße wie der Jahresüberschuss oder gar ein Börsenwert oft nicht vorhanden
(Brettel/Rudolf/Witt 2005, S. 9).
Im Folgenden werden die acht Erfolgsdimensionen der Arbeit von Murphy et al. (1996)
diskutiert und mit ihrem Vorkommen in der empirischen EO-Forschung abgeglichen. Nur
wenn Erfolgsmaße verwendet werden, die auch in bisherigen empirischen Arbeiten zum
Einsatz kamen, lassen sich die Ergebnisse vergleichen. Hierbei erfolgt auch die Auswahl
der Erfolgskriterien für die vorliegende Arbeit.
Die Effizienz-Dimension umfasst zwei Erfolgsgrößen: 1) Rendite auf die Summe der
Vermögenswerte bzw. Gesamtkapitalrendite (return on assets/ROA) und 2) die Eigenka-
24
pitalrendite (return on equity/ROE). Das Ergebnis des Unternehmens wird also im ersten
Fall ins Verhältnis zur Summe der Vermögenswerte bzw. im zweiten Fall zum Eigenkapi-
tal des Unternehmens gesetzt. Das Eigenkapital eines Unternehmens muss kleiner
gleich der Summe der Vermögenswerte des Unternehmens sein. Folglich wird die Ei-
genkapitalrendite abhängig vom Verschuldungsgrad des Unternehmens höher sein als
die Gesamtkapitalrendite. Dies macht die Gesamtkapitalrendite zu einer konservativeren
Erfolgsgröße, die somit der Eigenkapitalrendite vorzuziehen ist (Murphy/Trailer/Hill
1996). Die Gesamtkapitalrendite besitzt für das Management und die Gesellschafter des
Unternehmens besondere Relevanz und berücksichtigt somit als Erfolgsgröße auch den
interessenpluralistischen Ansatz. In der empirischen EO-Forschung ist der ROA eine
verbreitere Erfolgsgröße (Zahra 1991; Zahra/Covin 1995), die auch in dieser Arbeit ver-
wendet wird.
Die Wachstums-Dimension umfasst im wesentlichen das Umsatzwachstum und das
Mitarbeiterwachstum (Murphy/Trailer/Hill 1996). Marris (1964) vertritt die Ansicht, dass
das Wachstum eines Unternehmens ein bedeutendes Ziel des Managements ist. Hierfür
führt er soziale (etwa Anerkennung durch die Peer Group), psychologische (internalisier-
tes Leistungsstreben) und ökonomische (Gehaltssteigerung und Arbeitsplatzsicherung)
Gründe an. Funkhouser und Rothberg (1989) zeigen, dass neben dem Management
auch andere Anspruchsgruppen des Unternehmens wie die Aktionäre und die Mitarbeiter
Interesse an dessen Wachstum haben. Wachstum kann jedoch erst dann als Erfolgsin-
dikator herangezogen werden, wenn es von Dauer ist (Rudolf/Witt 2002b, S. 21f.). Gera-
de bei jungen Unternehmen spielt dies eine Rolle. Die in der Literatur dominierende
komparativ-statische Sicht versteht Unternehmenswachstum als zeitraumbezogene posi-
tive Unternehmensgrößendifferenz. Diese Differenz kann durch Kennzahlen wie das Mit-
arbeiterwachstum und das Umsatzwachstum erfasst werden (Rudolf/Witt 2002b, S.
19ff.). Mit der Betrachtung beider Größen, werden sowohl Input- als auch Outputgrößen
abgebildet (Hack 2005, S. 44ff.). Umsatzwachstum ist nach der Meta-Analyse von Ca-
pon, Farley und Hoenig (1990), welche die Determinanten des Unternehmenserfolges
untersucht, ein allgemein akzeptierter Indikator für den finanziellen Unternehmenserfolg.
Umsatzwachstum korreliere zudem positiv und robust mit anderen Messgrößen des fi-
nanziellen Unternehmenserfolges. Auch die empirische Arbeit von Albach et al. (1985, S.
123ff.) stützt diese These. Daher kann das Umsatzwachstum, insbesondere wenn keine
Profitabilitätsgrößen vorliegen, zur Approximation des finanziellen Unternehmenserfolges
herangezogen werden. In der EO-Forschung sind sowohl das Mitarbeiterwachstum
(Wiklund 1999; Swierczek/Ha 2003; Wiklund/Shepherd 2005) als auch das Umsatz-
25
wachstum (Covin/Slevin 1989; Wiklund 1999; Moreno/Casillas 2008) als Erfolgsgrößen
verbreitet und werden auch in der vorliegenden Arbeit erhoben.
Die Gewinn-Dimension umfasst nach Murphy et al. (1996) im wesentlichen den Return
on Sales/Umsatzrendite (ROS), also der Nettogewinn geteilt durch den Umsatz, das
Vorsteuerergebnis und bei börsennotierten Unternehmen das Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV). Bei der Gewinnermittlung wird in der Betriebswirtschaftslehre in der Regel zwi-
schen den Gewinngrößen bilanzieller Erfolg (accounting profit) und ökonomischer Ge-
winn (economic profit) unterschieden (Baetge et al. 2007). Während der bilanzielle Erfolg
eine Zunahme des Eigenkapitals bzw. des Reinvermögens darstellt, repräsentiert der
ökonomische Gewinn eine Veränderung des Ertragswertes des Unternehmens auf Basis
seiner zukünftigen Erfolge (Barwert der Einzahlungsüberschüsse) (Coenenberg et al.
2004, S. 80). Für die Berechnung des Vorsteuerergebnisses bzw. der Umsatzrendite
wird der bilanzielle Erfolg herangezogen. Sind Unternehmen börsennotiert, kann auch
ein KGV berechnet werden. Für börsennotierte Unternehmen bietet sich als Erfolgsmaß
zudem der gesamte für die Aktionäre geschaffene Wert, also Kurssteigerung plus Divi-
dendenausschüttungen, häufig auch als Total Shareholder Return (TSR) bezeichnet, an
(Johnson/Natarajan/Rappaport 1985). Um auch für nicht börsennotierte Unternehmen
eine Wertsteigerung zu erfassen, muss eine aufwändige Unternehmensbewertung zu
unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. Bei größeren Unternehmen ist dies inzwischen
üblich (Körber 2006). Über mögliche Bewertungsverfahren geben etwa Rudolf und Witt
(2002b, S. 55ff) einen Überblick. Problematisch hierbei ist aber, dass die Verfahren oft
eine sehr große Bandbreite an Ergebnissen liefern. Weil die vorliegende Arbeit überwie-
gend nicht börsennotierte Unternehmen und zudem neben großen auch kleine und mitt-
lere Unternehmen betrachtet, sollen KGV und TSR als Erfolgsmaße keine Anwendung
finden. Bei Profitabilitätsmaßen besteht allgemein das Problem, dass unternehmensspe-
zifische (Einmal-)Effekte, die Messgrößen verzerren können (Rudolf/Witt 2002a). Zudem
unterliegen sie durch steuerliche und bilanzielle Spielräume häufig Verzerrungen
(Albach/Bock/Warnke 1985, S. 133; Nöcker 1999). Aufgrund von Verschwiegenheits-
pflichten sind sie zudem häufig nur schwer zugänglich. Gerade unternehmerische Aktivi-
täten zeigen teilweise erst mit deutlicher Verzögerung eine Beeinflussung der Profitabili-
tät. Eine Beschränkung der Erfolgsmessung auf Profitabilitätsmaße wäre daher ggf. irre-
führend (Zahra/Garvis 2000). Zahlreiche Arbeiten der EO-Forschung greifen dennoch
auf Profitabilitätsmaße zur Erfolgsmessung zurück. Der ROS wird etwa von Zahra
(1993b), Zahra und Covin (1995) sowie Lumpkin und Dess (2001a) verwendet und soll
als ein Erfolgsmaß auch in dieser Arbeit angewandt werden. Ähnlich wie die Wachs-
26
tums-Erfolgsgrößen ist auch die Umsatzrendite als Erfolgsgröße der Gewinn-Dimension
für eine Reihe von Anspruchsgruppen bedeutsam.
Murphy et al. (1996) zeigen, dass die von ihnen identifizierten Erfolgsdimensionen Grö-
ße, Liquidität, Erfolg/Scheitern, Marktanteil und Leverage, also Fremdkapital geteilt durch
Eigenkapital, empirisch kaum relevant sind. Daher werden sie hier nicht weiter vertieft.
Stattdessen sollen die von Venkatraman und Ramanujam (1987) empfohlenen nicht-
finanziellen Erfolgsgrößen eingeführt werden.
Bei nicht-finanziellen Erfolgsgrößen besteht der Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit
recht hoch ist, dass sie von den Respondenten beantwortet werden
(Runyan/Droge/Swinney 2008). Die Ergebnisse unternehmerischen Handelns können
sich in nicht-finanziellen Größen manifestieren (Pinchot 1985). So ist es denkbar, dass
der Erfolg von Produkten im Vergleich zum Wettbewerb, gerade wenn die Produkte erst
neu in den Markt eingeführt wurden, dem finanziellen Erfolg vorgelagert sind. Auch der
Kundenerfolg, der etwa den Aspekt der Kundenbindung an das Unternehmen ein-
schließt, ist eine nicht-finanzielle, dem finanziellen Erfolg vorgelagerte Erfolgsdimension,
die zudem die externe Anspruchsgruppe der Kunden des Unternehmens berücksichtigt.
Auch der allgemeine Erfolg im Vergleich zu Wettbewerbern, die in der gleichen Branche
tätig sind, ist ein Beispiel für eine nicht-finanzielle Erfolgsgröße, die regelmäßig Anwen-
dung findet (Birley/Westhead 1990; Wiklund/Shepherd 2003). Insbesondere für jüngere
Unternehmen, bei denen finanzielle Erfolgsgrößen teilweise noch nicht vorliegen oder
wenig Aussagekraft besitzen, eignen sich nicht-finanzielle Erfolgsgrößen wie der allge-meine Erfolg gegenüber Wettbewerbern, der Produkterfolg und der Kundenerfolg.
Gerade in der jüngeren EO-Literatur werden diese nicht-finanziellen Erfolgsgrößen he-
rangezogen (Walter/Auer/Ritter 2006; Hughes/Morgan 2007; Schmelter 2009). Sie integ-
rieren neben dem interessenpluralistischen Ansatz auch den Systemansatz, da sie mit
der Berücksichtigung des Wettbewerbs explizit die Umwelt des Unternehmens berück-
sichtigen.
Tabelle 2 gibt die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Erfolgskriterien wieder. Neben
der jeweiligen Erfolgsgröße sind die Erfolgsdimension, die sie abbildet, sowie die Ein-
ordnung in finanzielle und nicht-finanzielle Größen dargestellt.
27
Erfolgsgröße Erfolgsdimension Finanziell Nicht-finanziell
ROA Effizienz x
Umsatzwachstum Wachstum x
ROS Gewinn x
Mitarbeiterwachstum Wachstum x
Kundenerfolg Kunden x
Allgemeiner Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb Wettbewerb x
Produkterfolg Produkt x
Tabelle 2: Unternehmenserfolgskriterien der Arbeit
28
1.3 Empirische Befunde zum EO-UE-Zusammenhang
Zahra (1993a, S. 11) beklagt, dass „a paucity of empirical documentation of the effect of
entrepreneurship on company financial performance“ herrsche. Inzwischen mag diese
empirische Lücke etwas geschlossen worden sein (Rauch et al. 2009). Zumindest liegen
zum Zusammenhang zwischen EO und dem Unternehmenserfolg einige Studien vor.
Diese sind in Tabelle 3 überblicksweise dargestellt. Die Ergebnisse der Studien sind
nicht eindeutig. In einigen Studien wird ein stark positiver Zusammenhang festgestellt
(Covin/Slevin 1986; etwa Zahra 1991; Zahra/Covin 1995; Wiklund 1999; Yoo 2001;
Swierczek/Ha 2003; Hult/Snow/Kandemir 2003). Andere Arbeiten stellen lediglich einen
schwach positiven Zusammenhang fest (Zahra 1991; Choonwoo/Kyungmook/Pennings
2001; Yusuf 2002; Chow 2006). Zahlreiche, gerade jüngere Studien können jedoch gar
keinen signifikanten Zusammenhang nachweisen (Smart/Conant 1994; Slater/Narver
2000; Auger/Barnir/Gallaugher 2003; Walter/Auer/Ritter 2006; Moreno/Casillas 2008;
Runyan/Droge/Swinney 2008). Andere wiederum, wie etwa die Arbeit von Hughes und
Morgan (2007), weisen nur für einzelne EO-Dimensionen einen positiven Zusammen-
hang mit dem UE auf, für andere Dimensionen gar keinen und für die Dimension Risiko-
bereitschaft sogar einen negativen Zusammenhang. Letzteres bestätigt Harts (1992)
Vermutung, dass auch ein negativer Zusammenhang zwischen EO und UE existieren
könne. Ein nicht-linearer Zusammenhang zwischen EO und UE wurde bislang nach
Kenntnisstand des Autors noch nicht getestet. Die sehr unterschiedlichen empirischen
Ergebnisse legen eine weitere Beschäftigung mit dem Zusammenhang nahe: „It is a re-
search priority to understand why such marked differences have been reported“
(Hughes/Morgan 2007, S. 657).
Eine mögliche Ursache für die Unterschiede in den empirischen Befunden mag im For-
schungsdesign liegen. Die Großzahl der vorliegenden Arbeiten sind Querschnittsstudien.
Längsschnittstudien bilden die Ausnahme (Zahra 1991; Zahra/Covin 1995; Wiklund
1998; Wiklund 1999; Wiklund/Shepherd 2005). Besonders Wiklund (1998; 1999), der
allerdings in seinen Arbeiten ausschließlich schwedische Unternehmen untersucht, bildet
hier zusammen mit Zahra (1991) sowie Zahra und Covin (1995) die Ausnahme. Zahra
(1991) stellt in einer Längsschnittstudie einen positiven Zusammenhang zwischen EO
und Gewinn sowie Wachstum fest. EO weist in dieser Studie auch bei Berücksichtigung
von ein- und zweijährigen Timelags einen positiven Zusammenhang mit dem Unterneh-
menserfolg auf. Zahra und Covin (1995) belegen, dass EO und der finanzielle Unter-
nehmenserfolg positiv zusammenhängen, wobei die Stärke des Zusammenhangs im
29
Zeitverlauf anwächst. Zudem erscheint EO in einer feindlichen Aufgabenumwelt stärker
zu wirken als in einer freigiebigen.
Die unterschiedlichen Ergebnisse deuten allerdings auch darauf hin, dass der Zusam-
menhang zwischen EO und UE sehr komplexer Natur sein könnte, d.h., dass Kontroll-,
mediierende und moderierende Variablen zu berücksichtigen sind. EO kann evtl. nur in
bestimmten Situationen, z.B. bei einer entsprechenden Aufgabenumwelt, zu einer Stei-
gerung des Unternehmenserfolges beitragen. In diese Richtung weist auch die Arbeit
von Naman und Slevin (1993), die Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwi-
schen „Fit“ und Unternehmenserfolg gibt – bei „organischen“ Firmen in einer turbulenten
Aufgabenumwelt, wenn diese innovativ sind, Risiko übernehmen und von Proaktivität
geprägt sind. Es besteht allerdings kein Konsens, welche Moderatorvariablen für den
Zusammenhang zwischen EO und UE maßgeblich sind (Rauch et al. 2009).
Prüft man die vorliegenden empirischen Arbeiten auf ihre theoretische Basis, lässt sich
festhalten, dass die theoretische Fundierung häufig dünn bzw. Common Sense-lastig ist.
Mit etablierten Theorien wird selten argumentiert. Es wurden zudem nur in zwei sehr
jungen Arbeiten (Walter/Auer/Ritter 2006; Hughes/Morgan 2007) alle fünf EO-
Dimensionen betrachtet. Ansonsten beschränken sich viele Arbeiten auf die von Miller
(1983) eingeführten Dimensionen Risikoübernahme, Proaktivität und Innovativität – Au-
tonomie und Aggressivität gegenüber Wettbewerbern bleiben sehr oft außen vor. Dies,
obwohl gerade Autonomie als eine besonders bedeutsame Dimension einer EO betrach-
tet wird (Lumpkin/Dess 1996a; Lumpkin/Cogliser/Schneider 2009). Zudem ist zu bemän-
geln, dass nur wenige Studien den Zusammenhang zwischen den einzelnen EO-
Dimensionen und dem UE differenziert betrachten. Auch die Modellierung moderierender
und mediierender Variablen, obwohl in der Literatur verschiedentlich gefordert
(Lumpkin/Dess 1996a; Hughes/Morgan 2007), bildet in bisherigen empirischen Studien
die Ausnahme und erfolgt erst in jüngeren Arbeiten (Moreno/Casillas 2008; Wang 2008).
Meist wurde lediglich ein direkter Zusammenhang zwischen EO und UE unterstellt. Eine
Betrachtung der internen Zusammenhänge der EO-Dimensionen geschah bislang nur
vereinzelt (etwa Covin/Slevin 1989) und weitestgehend unsystematisch.
Methodisch handelt es sich bei den bisher vorgelegten empirischen Arbeiten um Studien,
in denen die Regressionsanalyse dominiert. Kausalmodelle wie bei Matsuno et al.
(2002), Moreno und Casillas (2008) sowie Runyan et al. (2008) bilden die Ausnahme.
EO wurde zudem meist als ein Aggregat betrachtet. Hierbei wurden Risikoübernahme,
Proaktivität und Innovativität als unabhängige Dimensionen gemessen und anschließend
zu einer kombinierten EO-Skala aggregiert. Diese Skala wurde für weitere Analysen 30
verwendet. Durch diese Vorgehensweise wird jedoch der individuelle Einfluss der jewei-
ligen Dimension vernachlässigt (Hughes/Morgan 2007). In der Literatur wird vielfach de-
battiert, ob die EO-Dimensionen voneinander unabhängig sind (Lumpkin/Dess 1996a;
Kreiser/Marino/Weaver 2002a; Moreno/Casillas 2008). Zu dieser Diskussion liefert diese
Arbeit auch einen Beitrag, indem sie theoretisch herleitet, weshalb die EO-Dimensionen
unabhängig sein müssen und dies auch testet. Sind die Dimensionen voneinander un-
abhängig, ist die Aggregation zu einer EO-Skala problematisch. Ähnliches gilt für die
abhängige Variable. Der Unternehmenserfolg wurde zwar häufig mehrdimensional ge-
messen, in vielen Arbeiten wurden die Erfolgsmaße jedoch aggregiert, so dass eine dif-
ferenzierte Aussage zu den Erfolgswirkungen nicht möglich ist.
Für Deutschland liegt nach Kenntnisstand des Autors bislang keine Studie vor, die bran-
chen- und altersübergreifend ist, alle EO-Dimensionen integriert und deren Zusammen-
hang mit mehreren Unternehmenserfolgsdimensionen differenziert betrachtet und dabei
sowohl moderierende als auch mediierende Variablen mitberücksichtigt. Die vorliegende
Arbeit soll hypothesengeleitet die folgenden Forschungsfragen beantworten:
Besteht ein Zusammenhang zwischen EO und UE?
Besteht dieser Zusammenhang direkt oder spielen auch moderierende und mediierende
Variablen eine Rolle?
Haben die jeweiligen Dimensionen der EO verschiedene Beziehungen mit
dem Unternehmenserfolg?
Besteht das EO-Konstrukt aus fünf Dimensionen, und sind diese Dimensionen vonein-
ander unabhängig?
31
32
1.4 Aufbau
Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 2 führt zunächst in die für die Arbeit relevanten
betriebswirtschaftlichen Theorien ein. Im Anschluss erfolgt die Hypothesenherleitung.
Kapitel 3 hat die empirische Untersuchung zum Gegenstand. Zunächst wird die Daten-
erhebung beschrieben. Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich mit der Operationa-
lisierung der latenten Konstrukte. Der dritte Teil des Kapitels beschreibt die Grundlagen
der Datenanalyse. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der Arbeit vorgestellt. Zunächst
wird auf die Güte der Messinstrumente eingegangen. Dann werden die Ergebnisse der
Hypothesentests präsentiert. Kapitel 5 schließt die Arbeit mit einer Diskussion der Er-
gebnisse, einer kritischen Betrachtung der Grenzen der Arbeit sowie Empfehlungen für
Wissenschaft und Praxis.
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2 Theoretische Fundierung und Hypothesenherleitung
Unternehmenserfolg hat eine sehr große Bedeutung für einzelne Unternehmer, deren
Mitarbeiter und die wirtschaftliche Entwicklung von ganzen Volkswirtschaften (Fessmann
1980). Wie der Unternehmenserfolg gesteigert werden kann, ist auch die Kernfrage der
betriebswirtschaftlichen Forschung (Gutenberg 1942). Da eine strategische Orientierung
und somit auch EO als erfolgsfördernde Fähigkeit eines Unternehmens betrachtet wer-
den kann (Lumpkin/Dess 1996a; Talke 2007), können der ressourcenbasierte Ansatz
(Resource-Based View) und dessen Weiterentwicklung, der Ansatz der dynamischen
Fähigkeiten (Dynamic Capabilities), als wesentliche theoretische Grundlage der Erfor-
schung des Zusammenhangs von EO und UE dienen. Die beiden Ansätze sind jedoch,
wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird, nicht unumstritten. Daher beschränkt sich
die Arbeit nicht auf die beiden Theorien, sondern zieht weitere Ansätze zur Erklärung
des Zusammenhangs zwischen EO und Unternehmenserfolg heran. Für die EO-
Dimensionen der Innovativität und Proaktivität besonders relevant erscheint die Theorie
der Pioniervorteile, da sie erklärt, welche möglichen Wettbewerbsvorteile sich für inno-
vierende und voranschreitende Unternehmen ergeben können. Für die Autonomiedi-
mension erscheint die Empowerment-Theorie, die dem Feld der Motivationstheorien zu-
zuordnen ist, von Bedeutung. Da der Zusammenhang zwischen EO und UE jedoch ver-
mutlich nicht einfacher, bivariater Natur ist (Lumpkin/Dess 1996a), sondern von zahlrei-
chen weiteren Variablen, die etwa in der Aufgabenumwelt des Unternehmens liegen,
abhängt (Karagozoglu/Brown 1988), bedient sich diese Arbeit weiterer Theorien. Um
auch die externen Einflüsse theoretisch abzubilden, wird der Kontingenz- und Konfigura-
tionsansatz vorgestellt. Insbesondere der Kontingenzansatz (situativer Ansatz) kann Zu-
sammenhänge zwischen Organisation und UE erklären (Burns/Stalker 1961; Schoonho-
ven 1981). Dass er sich auch für die Erklärung des Zusammenhangs zwischen EO und
Unternehmenserfolg eignet, ist in der Literatur weithin akzeptiert (Karagozoglu/Brown
1988; Covin/Slevin 1989; Zahra/Covin 1995).
Vermutet man, dass die Ursache für den Zusammenhang zwischen EO und Unterneh-
menserfolg in den einzelnen Organisationsmitgliedern begründet liegt, böten sich auch
personenorientierte Erklärungsansätze wie etwa das „Intrapreneuring“ (Pinchot 1985) an.
Der „Intrapreneur“ ist in dieser Theorie eine Art Unternehmer im Unternehmen. Pendants
aus der Innovationsliteratur sind der „Produktchampion“ (Schon 1963) bzw. der „Promo-
tor“ (Witte 1973, S. 15f). Mitarbeiter mit diesen Rollen stellen eine treibende Kraft in F+E-
Prozessen dar. Da das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit jedoch das gesam-
35
te Unternehmen und nicht der einzelne Mitarbeiter ist, werden personenorientierte An-
sätze zur Erklärung des EO-UE-Zusammenhangs hier nicht weiter verfolgt.
Zunächst werden die ausgewählten Theorien zum Zusammenhang zwischen EO und UE
vorgestellt. Im Anschluss erfolgt die Herleitung der Hypothesen der Arbeit. Dabei wird
jeweils Bezug auf die relevanten Theorien genommen.
2.1 Theorien zum Zusammenhang zwischen EO und UE
2.1.1 Resource-Based View
Zahlreiche empirische Arbeiten belegen, dass Unterschiede in der Ressourcenausstat-
tung von Unternehmen der gleichen Branche Abweichungen im Unternehmenserfolg
erklären können (Jacobsen 1988; Hansen/Wernerfeld 1990; Rumelt 1991; Newbert
2007). Die theoretische Basis hierfür bildet die Resource-Based View (RBV), die zu den
am breitesten akzeptierten theoretischen Perspektiven im Bereich des strategischen
Managements zählt (Powell 2001; Priem/Butler 2001a; Rouse/Daellenbach 2002).
Edith Penrose (1959, S. 24) hat als eine der ersten Forscher(innen) die Bedeutung der
Ressourcen eines Unternehmens für seine Wettbewerbsposition erkannt. Sie vertritt die
Ansicht, dass ein Unternehmen aus „a collection of productive resources“ besteht. Rubin
(1973, S. 937) ergänzt, dass Ressourcen für sich genommen wenig Wert besitzen, statt
dessen komme es auf deren „Verarbeitung“ an: „firms must process raw resources to
make them useful“. Auf den beiden Arbeiten aufbauend, argumentiert Wernerfelt (1984,
S. 171) in einem ersten Versuch, die RBV zu formalisieren, dass für ein Unternehmen
Produkte und Ressourcen „two sides of the same coin“ seien. Barney (1986b) stellt we-
nig später klar, dass damit gemeint sei, dass der Unternehmenserfolg direkt durch die
Produkte des Unternehmens beeinflusst werde, aber letztlich indirekt die Ressourcen für
den Erfolg maßgeblich seien, die in den Produktionsprozess eingehen. Wernerfelt (1984)
behauptet in dieser Argumentationslinie, dass diejenigen Unternehmen Überrenditen
erzielen können, denen es gelingt, jene Ressourcen zu identifizieren und zu erwerben,
die für die Entwicklung nachgefragter Produkte entscheidend sind. Wernerfelts (1984)
Gedanke wurde durch die Arbeit von Prahalad und Hamel (1990) wieder aufgegriffen.
Die beiden Autoren betrachten die Entwicklung neuer Produkte als die Kernaufgabe des
Managements. Dabei komme es auf die Nutzung der Kernkompetenzen (core compe-
tences) des Unternehmens an. Ähnlich wie Penrose (1959) und Rubin (1973) heben
Prahalad und Hamel (1990) nicht nur statische Ressourcen wie Rohstoffe, sondern auch
36
die nicht-imitierbaren Fähigkeiten, Technologien sowie das Wissen des Unternehmens
hervor.
Barney (1991, S. 101) definiert Ressourcen als „all assets, capabilities, organizational
processes, firm attributes, information knowledge, etc. controlled by a firm that enable
the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effective-
ness”. Er unterteilt sie in physische Ressourcen, Humankapitalressourcen sowie Organi-
sationskapitalressourcen. Physische Ressourcen sind etwa Maschinen oder Standorte.
Unter Humankapitalressourcen werden z.B. besondere Fähigkeiten des Managements
und der Beschäftigten verstanden. Organisationskapitalressourcen können etwa im Be-
richtssystem des Unternehmens oder den informellen Beziehungen der Organisations-
mitglieder liegen. Barney (1991) integriert die bisherigen Arbeiten zur RBV zu einem the-
oretischen Rahmen. Seine beiden Hauptannahmen sind, dass sich die Ressourcenaus-
stattung von Unternehmen unterscheidet und Ressourcen immobil sind. Auf Basis dieser
Annahmen, ist es möglich, dass Ressourcenunterschiede zwischen Unternehmen auch
im Zeitverlauf bestehen und sich hierdurch ein ressourcenbasierter Wettbewerbsvorteil
ergibt (Newbert 2007). Barney (1991) argumentiert, dass Firmen, die Ressourcen von
Wert (Value) und Knappheit (Rareness) ihr Eigen nennen, über einen Wettbewerbsvor-
teil verfügen und daher kurzfristig erfolgreicher sind. Um auch langfristig erfolgreich zu
sein, bedarf es aber Ressourcen die nicht-imitierbar (Inimitability) und nicht-
substituierbar (Non-Substiutability) sind und somit zu einem nachhaltigen Wettbewerbs-
vorteil führen. Diese vier Eigenschaften von Ressourcen haben auch als VRIN-Schema
in der Literatur Verbreitung gefunden. Abbildung 1 gibt das konzeptionelle Modell der
RBV von Barney (1991) wieder.
Wertvolle, KnappeRessource/Fähigkeit Wettbewerbsvorteil Kurzfristiger
Unternehmenserfolg
Wertvolle, Knappe, Nicht-Imitierbare,
Nicht-SubstituierbareRessource/Fähigkeit
NachhaltigerWettbewerbsvorteil
LangfristigerUnternehmenserfolg
Abbildung 1: Konzeptionelles Modell der RBV nach Barney (1991)
37
Als Werthaltigkeit wird die grundsätzliche Fähigkeit einer Ressource bezeichnet, zur
Effizienz oder Effektivität eines Unternehmens beizutragen (Barney 1991). Stünden
wertschaffende Ressourcen allen Unternehmen einer Branche zur Verfügung, könnten
sie per definitionem nicht dazu beitragen einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Daher
ist die Knappheit einer Ressource ein weiteres wichtiges Kriterium. Absolute Einzigar-
tigkeit ist nicht zwingend notwendig. Ein besonders qualifiziertes Managementteam, das
beispielsweise in der Lage ist, Wettbewerbsvorteile zu schaffen ist knapp, aber nicht ein-
zigartig (Castanias/Helfat 1991). Im allgemeinen, argumentiert Barney (1991), kann man
dann von Ressourcenknappheit und Potenzial für die Schaffung von Wettbewerbsvortei-
len sprechen, wenn die Anzahl der Firmen, welche die betreffende Ressource besitzen,
kleiner ist als die Anzahl der Firmen, die nötig ist, um perfekten Wettbewerb herzustellen
(Hirshleifer 1975).
Das Kriterium der Nicht-Imitierbarkeit ist eng mit dem der Knappheit verbunden. Wären
knappe Ressourcen imitierbar, wären sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr knapp. Es
sind also entweder Imitationsbarrieren vorhanden oder vom Management zu schaffen.
Imitationsbarrieren sind z.B. durch historische Entwicklungen vorhanden (Barney 1991).
Beispiele hierfür sind der vorteilhafte Standort eines Unternehmens oder das humane
Kapital relevanter F+E-Mitarbeiter, das sich über die Zeit aufgebaut hat (Winter 1988).
Das Management kann Imitationsbarrieren etwa durch rechtliche Instrumente wie Paten-
te oder Urheberrechte schaffen (Hall 1993). Das Konzept der kausalen Ambiguität bildet
einen weiteren Typ von Imitationsbarriere (Barney 1991). Nach Reed und DeFillippi
(1990) handelt es sich bei kausaler Ambiguität im wesentlichen um ein Informationsprob-
lem. Wettbewerber verstehen nicht, worin der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens
besteht. Ursachen für dieses Informationsproblem können etwa implizites Wissen und
Komplexität innerhalb der Organisation, etwa bezogen auf bestimmte Abläufen oder
Technologien, sein. Von implizitem Wissen spricht man dann, wenn es nicht formalisiert
ist und somit nicht direkt weitergegeben werden kann (Polanyi/Brühmann 1985). Es ent-
steht durch Erfahrung sowie Learning-by-Doing und ist personengebunden
(Picot/Dietl/Franck 1999). Komplexität ist eine Eigenschaft von Organisationsabläufen,
Technologien und sozialen Beziehungen. Sie rührt von der Anzahl und der Unterschied-
lichkeit der am Leistungserstellungsprozess beteiligten Elemente und Beziehungen her
(Reed/DeFillippi 1990). Wenn überhaupt, so sind nur wenige Personen rational dazu in
der Lage, den gesamten Leistungserstellungsprozess umfassend zu verstehen (Simon
1959). Daher kann er von Wettbewerbern nicht imitiert werden. Kausale Ambiguität kön-
nen Unternehmen etwa durch das Abwerben von Mitarbeitern reduzieren (Barney 1991).
38
Eine weitere Quelle von Nicht-Imitierbarkeit sieht Barney (1991) in der sozialen Komple-
xität der Ressourcen im Unternehmen. Dazu gehören die zwischenmenschlichen Bezie-
hungen unter Managern (Hambrick 1987), die Unternehmenskultur (Barney 1986a), die
Reputation des Unternehmens bei Lieferanten (Porter 1985) und Kunden (Klein/Leffler
1981). Diese Beziehungen lasen sich nur schwer imitieren. Während physische Res-
sourcen im Normalfall leicht imitierbar sind, ist die optimale Nutzung der physischen
Ressourcen, etwa über bestimmte Techniken, oft deutlich schwieriger zu imitieren (Bar-
ney 1991).
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Ressourcen nicht substituierbar sein dürfen,
wenn sie strategischen Wert besitzen sollen. Selbst wenn Ressourcen nicht identisch
sind, können sie strategisch äquivalent sein. Das wäre etwa dann der Fall, wenn zwei
Ressourcen oder Ressourcenbündel separat zur Implementierung derselben Strategie
eingesetzt werden könnten. Der strategische Wert der betrachteten Ressource wäre null.
Barney (1991) verwendet hierfür auch den Begriff der Äquifinalität. Strategisch äquiva-
lente Ressourcen können sehr ähnlich oder sehr unterschiedlich sein. Ein Beispiel für
eine sehr ähnliche Ressource ist das Top-Management-Team eines Unternehmens.
Zwar ist dieses Team im Normalfall für das Unternehmen wertvoll, selten und schwer
imitierbar, es lässt sich aber durch ein ähnliches Top-Management-Team ersetzen. Stra-
tegisch äquivalente Ressourcen können aber auch sehr unterschiedlich sein. Das eine
Unternehmen könnte seine Planung durch eine charismatische Führungskraft entwickeln
lassen. Ein anderes Unternehmen könnte für die Entwicklung seiner Planung ein forma-
les Planungssystem einsetzen (Pearce II/Freeman/Robinson Jr. 1987). Die charismati-
sche Führungskraft und das formale Planungssystem wären strategisch äquivalente
Ressourcen.
Zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei EO um eine Organisationskapitalressource
im Sinne von Wernerfelt (1984) handelt, ist zu prüfen, ob EO die VRIN-Eigenschaften
besitzt. EO kann als werthaltig betrachtet werden, weil sie dazu beitragen kann die Effi-
zienz und die Effektivität von Unternehmen zu steigern (Lumpkin/Dess 1996a; Wiklund
1998). EO ist knapp, weil sie nicht in allen Unternehmen zu beobachten ist. Dies wird
von einer Reihe empirischer Arbeiten bestätigt (Rauch et al. 2009). EO ist schwer zu
imitieren, da sie von kausaler Ambiguität geprägt ist. Viele Aspekte einer EO sind nicht
explizit bzw. formalisiert. Für Wettbewerber ist es somit nicht offensichtlich, was genau
die EO ausmacht, das macht sie schwer imitierbar. Die Komplexität des fünfdimensiona-
len (Lumpkin/Dess 1996a) EO-Konstruktes verstärkt das Informationsproblem auf Seiten
der Wettbewerber. EO ist außerdem schwer zu imitieren, weil sie von sozialer Komplexi-
39
tät gekennzeichnet ist. Gerade für die EO-Dimension des proaktiven Handelns bedarf es
z.B. einer engen Interaktion mit Kunden zur Antizipation ihrer künftigen Bedürfnisse
(Venkatraman 1989a). Ob EO subsituierbar ist, erscheint fraglich. Ähnliche Ressourcen
können zwar andere strategische Orientierungen sein, ob diese aber EO vollständig mit
all ihren Dimensionen substituieren können, darf bezweifelt werden. Hunt und Morgan
(1995) nehmen die Prüfung, ob es sich beim Konzept der Marktorientierung um eine Or-
ganisationskapitalressource handelt, vor. Auch sie kommen zu dem Ergebnis, dass
Marktorientierung als Ressource betrachtet werden kann und somit eine Quelle für die
Schaffung von Wettbewerbsvorteilen darstellt. Ein weiteres Indiz, dafür, dass EO als
Ressource im Sinne von Wernerfelt (1984) gesehen werden kann, findet sich bei Talke
(2007, S. 49), wo EO als „background resource“, also als eine Organisationskapitalres-
source, die im Hintergrund wirkt, bezeichnet wird.
In der Entrepreneurship-Forschung hat sich die RBV seit Mitte der 1990er fest etabliert
(Gaitanides/Westphal 1991; Wiklund 1998). Frei von Kritik ist sie allerdings nicht. Auf-
grund der mangelnden terminologischen Präzision – sowohl der Ressourcenbegriff als
auch der Begriff des Wettbewerbsvorteils werden oft unterschiedlich verwendet – erge-
ben sich in der empirischen Forschung Operationalisierungsprobleme (Welge/Al-Laham
2008, S. 96). Priem und Butler (2001a; 2001b) werfen der RBV zum einen ihre statische
Natur vor. Der Prozess, wie genau Ressourcen zu Wettbewerbsvorteilen führen, werde
nicht diskutiert. Diese theoretische Lücke wurde später durch die Theorie der Dynamic
Capabilities, die im Folgenden noch näher diskutiert wird, geschlossen. Zum anderen
werfen Priem und Butler (2001a; 2001b) der RBV Tautologie vor. Barneys Aussage „va-
luable and rare organizational ressources can be a source of competitive advantage“
berge das Problem, dass Ressourcen als wertvoll und selten charakterisiert werden,
aber andererseits argumentiert wird, dass die Ressourcencharakteristika, die zu Wett-
bewerbsvorteilen führten, Wert und Seltenheit seien. Ketchen, Hult und Slater (2007)
entgegnen dem Tautologie-Vorwurf, dass Ressourcen für sich genommen nur potenziel-
len Wert besitzen und für die Realisierung ihres Potenzials entsprechende Handlungen
notwendig seien. Welge und Al Laham (2008, S. 96) sprechen das Problem an, dass die
RBV den Erfolg nur unzureichend konzeptionalisiert. Der Wert einer Ressource werde
letztlich vom Absatzmarkt bestimmt. Demnach spiegelt sich in der Kaufentscheidung des
Kunden der Wert der gebündelten Ressourcen der Unternehmung wider. Die Kausalket-
te des Zusammenhangs von Kundenwert, Wettbewerbsposition und Ressourcen sei
aber bislang weder konzeptionell noch empirisch betrachtet worden. Auch von Poppo
und Weigelt (2000) wird die RBV kritisiert. Sie sprechen die empirische Schwierigkeit an,
40
den Erfolgsbeitrag einzelner Ressourcen zu ermitteln. Die Arbeit von Dierickx und Cool
(1989) zeigt, dass die Betrachtung isolierter Ressourcen auch zu kurz greift und statt-
dessen der Grad der Komplementarität einzelner Ressourcen zueinander sowie das
Ausmaß der Eingebundenheit einzelner Ressourcen in das soziale System „Unterneh-
mung“ zu betrachten ist. Zudem ist fraglich, auf welcher Ebene des Unternehmens Res-
sourcen die höchste strategische Relevanz erhalten (Welge/Al-Laham 2008, S. 97). Ru-
melt (1991) sieht in geschäftsbereichs-spezifischen Ressourcen die größte strategische
Erfolgswirkung, Hamel und Prahalad (1997) ordnen Ressourceneffekte der Gesamtun-
ternehmensebene zu. Da argumentiert werden kann, dass es sich EO um eine Ressour-
ce handelt, die im gesamten Unternehmen und nicht nur in einzelnen Geschäftsberei-
chen zu beobachten sein sollte, teilt diese Arbeit die Sicht von Hamel und Prahalad
(1997). Die Kritik verdeutlicht, dass die RBV nur einen Teil des Unternehmenserfolges
erklären kann. Winter (1995) führt aus, dass Ressourcen für Wettbewerbsvorteile zwar
notwendig, aber keinesfalls hinreichend sind. Der Rückgriff auf weitere theoretische An-
sätze ist somit notwendig.
2.1.2 Dynamic Capabilities
Die RBV lässt den Prozess der Ressourcennutzung unberücksichtigt (Priem/Butler
2001a). Mahoney und Pandian (1992, S. 365) meinen, „[a] firm may achieve rents not
because it has better resources, but rather the firm’s distinctive competence involves
making better use of its resources”. Ähnlich argumentiert Peteraf (1993), welcher der
Ansicht ist, dass eine Ressource wirksam eingesetzt werden muss, damit aus ihr ein
Wettbewerbsvorteil entsteht. Auch Teece (2007) sieht Ressourcen allenfalls für den
kurzfristigen Unternehmenserfolg hinreichend, um auch langfristig erfolgreich zu sein
bedürfe es sogenannter Dynamic Capabilities. Die Theorie der Dynamic Capabilities (im
Folgenden auch dynamische Fähigkeiten) schließt die theoretische Lücke der statischen
RBV, nämlich den Einsatz von Ressourcen und Kernkompetenzen im Zeitverlauf und in
dynamischen Märkten (Eisenhardt/Martin 2000).
Die Theorie der Dynamic Capabilities hat ihre Wurzeln in der Evolutionstheorie des Un-
ternehmens (Nelson/Winter 1982). Ein Grundannahme der Evolutionstheorie des Unter-
nehmens ist, dass Manager ihre Entscheidungen unter Unsicherheit treffen und daher
nur begrenzt rational sind (Alchian 1950). Bei der Suche nach Problemlösungen akzep-
tieren sie hinreichende Lösungen und suchen nicht nach dem Optimum. Die Folge sind
Lösungen, die nicht für alle Zeit gelten bzw. ideal sind. Manager entwickeln die Fähigkei-
ten, die sie aufgebaut haben, daher ständig fort. Wenn sich Unternehmen in einer dyna-
41
mischen und unvorhersehbaren Umwelt befinden, stellt die Weiterentwicklung der Fähig-
keiten eine besondere Herausforderung dar (March 1991).
Als Fundament des Dynamic Capabilities-Ansatzes gelten die Arbeiten von Amit und
Schoemaker (1993), Teece und Pisano (1994) sowie Teece, Pisano und Shuen (1997).
Während die Theorie der Dynamic Capabilities im angelsächsischen Sprachraum relativ
verbreitet ist (Teece 2007; Helfat et al. 2007), sind die Veröffentlichungen im deutschen
Sprachraum eher spärlich (Wilkens/Menzel/Pawlowsky 2004; Witt 2008). Einige Arbeiten
weisen jedoch bereits die Bedeutung von Dynamic Capabilities für die Schaffung von
Wettbewerbsvorteilen in sich wandelnden Märkten nach (Tripsas 1996; Tripsas/Gavetti
2000).
Eine Fähigkeit ist definiert als ein besonderer Ressourcentyp, der organisational einge-
bettet und nicht transferierbar ist. Er verbessert die Effizienz und Effektivität anderer
Ressourcen eines Unternehmens, indem er sie etwa neuen Verwendungen zuführt
(Eisenhardt/Martin 2000; Makadok 2001). Dynamische Fähigkeiten werden von gewöhn-
lichen Fähigkeiten, auch „ordinary capabilities“ oder „substantive capabilities“ unter-
schieden (Winter 2003). Während sich eine gewöhnliche Fähigkeit darauf bezieht, ein
Ziel zu erreichen oder ein Problem zu lösen, ist eine dynamische Fähigkeit die Fähigkeit,
„to change or reconfigure existing substantive capabilities“ (Zahra/Sapienza/Davidsson
2006, S. 921). Winter (2003) bezeichnet “substantive capabilities” auch als Fähigkeiten
höherer Ordnung. Auch Teece, Pisano und Shuen (1997, S. 516) definieren eine Dy-
namic Capability als „the firm’s ability to integrate, build and reconfigure internal and ex-
ternal competences to address rapidly changing environments“. Anstatt von „ordinary
capabilities“ sprechen sie jedoch von „competences“. Helfat (1997) fasst dynamische
Fähigkeiten etwas weiter als jene Fähigkeiten, die es dem Unternehmen erlauben, neue
Produkte und Prozesse zu schaffen und auf sich verändernde Umweltbedingungen zu
reagieren.
Eine der Prämissen von Teece, Pisano und Shuen (1997) ist, dass Schumpeter’scher
Innovationswettbewerb vorliegt. Unternehmen werden also immer wieder versuchen, die
überlegene Marktposition eines Wettbewerbers anzugreifen, um ihrerseits einen Wett-
bewerbsvorteil zu erlangen. Mueller (1990, S. 3) schildert diesen Prozess sehr anschau-
lich: „[…] innovation creating monopoly, monopoly creating profits, profits creating imita-
tors until a state of normal returns, only to be followed by new innovations and a repeat
of the cycle.” Durch die Anstrengungen des Wettbewerbs ist die Nicht-Imitierbarkeit und
damit die Knappheit einer Ressource immer wieder gefährdet und der aus ihr abgeleitete
Wettbewerbsvorteil nicht nachhaltig. Selbst deutliche Wettbewerbsvorteile können durch 42
strukturelle Revolutionen, wie sie etwa Barney (1991) beschreibt, beseitigt werden. Bei-
spiele hierfür sind technologische Umbrüche oder starke Veränderungen der Kunden-
wünsche. Vormals wertvolle Ressourcen können so an Wert verlieren, wertlose hinge-
gen an Wert gewinnen. Es stellt sich die Frage, wie unter diesen Umständen Wettbe-
werbsvorteile dauerhaft erhalten werden können.
Häufig sind dynamische Fähigkeiten in einem Unternehmen nicht vorhanden, sondern
müssen erst entwickelt werden. Das strategische Management nimmt bei der Entwick-
lung dynamischer Fähigkeiten eine Schlüsselrolle ein (Teece/Pisano/Shuen 1997), in-
dem es sich aktiv für den Aufbau dynamischer Fähigkeiten entscheiden kann (King/Tucci
2002). Die Entwicklung der Fähigkeiten ist oft kosten- und zeitintensiv
(Zahra/Sapienza/Davidsson 2006). Gelingt die Entwicklung der dynamischen Fähigkei-
ten nicht, werden ggf. Ressourcen verschwendet. Für die Entwicklung dynamischer Fä-
higkeiten ist es hilfreich, wenn das Unternehmen über eine hohe Koordinationsfähigkeit
verfügt. Eine hohe Koordinationsfähigkeit erlaubt es, evtl. Konflikte über die Auswahl der
aufzubauenden Fähigkeit sowie über die dafür notwendigen Ressourcen zu reduzieren
(Zahra/Nielsen 2002).
Dynamic Capabilities können für Unternehmen in vielfältiger Hinsicht nützlich sein
(Zahra/Sapienza/Davidsson 2006). So zeigen Bowman und Ambrosini (2003), dass sie
bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie eine Rolle spielen. Dynamische Fähig-
keiten können Unternehmen auch dabei helfen, neue Fähigkeiten zu lernen (Zollo/Winter
2002) und organisationale Trägheit zu überwinden (Repenning/Sterman 2002). Auch im
Rahmen der Neuproduktentwicklung sind dynamische Fähigkeiten von Vorteil. Sie kön-
nen z.B. die Vermarktung neuer Technologien unterstützen (Marsh/Stock 2003). Rindova
und Kotha (2001) glauben, dass dynamische Managementfähigkeiten notwendig sind,
um in dynamischen Umfeldern neue Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen. Griffith
und Harvey (2001) heben die Bedeutung von Dynamic Capabilities für die Internationali-
sierungsbemühungen von Unternehmen hervor. Auch Sapienza et al. (2006) zeigen,
dass dynamische Fähigkeiten für erfolgreiche internationale Markteintritte relevant sind.
Es wird deutlich, dass die Theorie der Dynamic Capabilities einen Beitrag zur Erklärung
des Unternehmenserfolges leisten kann. Dynamische Fähigkeiten tragen dabei nicht
zwingend per se zum Unternehmenserfolg bei (Eisenhardt/Martin 2000), vielfach kommt
es auf das Management der dynamischen Fähigkeiten an (Zahra/Sapienza/Davidsson
2006). Eisenhardt und Martin (2000) stellen zudem in Frage, ob dynamische Fähigkeiten
zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen können. Als Argument nennen sie, dass
unterschiedliche Pfade zu einer entsprechenden Ressourcenkonfiguration führen kön-
43
nen. Zahra, Sapienza und Davidsson (2006) argumentieren, dass nur dann nachhaltige
Wettbewerbsvorteile aus dynamischen Fähigkeiten resultieren, wenn auch die Wissens-
basis der Organisation entsprechend groß ist. Wenn also z.B. richtig entschieden werden
kann, wann der Aufbau dynamischer Fähigkeiten sinnvoll ist und wann er lediglich Kos-
ten verursacht. Sie entgegnen Eisenhardt und Martin (2000) zudem, dass selbst wenn
letztlich die gleiche Ressourcenkonfiguration gegeben ist, der Weg zu dieser Konfigura-
tion, eine Rolle spielt. Der Grund hierfür sei, dass es von den unterschiedlichen dynami-
schen Fähigkeiten der Unternehmen abhänge, wie diese sich künftig entwickeln werden.
In Umfeldern, die von einer Vielzahl von Innovationen und schnellem technologischem
Wandel geprägt sind, werden dynamische Fähigkeiten besonders wichtig (Teece 2000;
Teece 2007). Zahra, Sapienza und Davidsson (2006) vertreten aber die Meinung, dass
eine volatile Umwelt keine notwendige Voraussetzung für dynamische Fähigkeiten ist.
Unternehmen könnten sich in einer dynamischen Umwelt nur temporäre Vorteile erarbei-
ten. Ändern sich die Umweltbedingungen, sind oft auch die Vorteile nicht mehr gegeben.
Es ist daher entscheidend, dass Unternehmen in einer dynamischen Umwelt ständig an
der Anpassung ihrer Fähigkeiten arbeiten (Sirmon/Hitt/Ireland 2006). Das Erfordernis,
die Unternehmensfähigkeiten anzupassen, muss sich aber nicht zwingend aus der Um-
welt des Unternehmens ergeben. Auch unternehmensinterne Gründe wie z.B. starkes
Wachstum bei einem jungen Unternehmen, das die Einführung funktionaler Spezialisie-
rung erforderlich macht, kann eine entsprechende Anpassung notwendig machen
(Hambrick/Crozier 1985).
Teece (2007) unterscheidet drei Typen von Dynamic Capabilities: 1) das Erkennen und Gestalten von Gelegenheiten und Gefahren, 2) das Wahrnehmen von Gelegenhei-ten sowie 3) das Managen von Gefahren und Erhalten der Wettbewerbsfähigkeit durch
Verbesserung, Kombination, Absicherung und, wenn nötig, Re-Konfiguration der mate-
riellen und immateriellen Vermögenswerte eines Unternehmens. Beispiele für dynami-
sche Fähigkeiten sind schwer zu replizierende Fähigkeiten des Unternehmens, die nötig
sind, um sich Veränderungen in den Kundenpräferenzen und technologischen Gelegen-
heiten anpassen zu können. Dazu gehören etwa Kompetenzen in der Produktentwick-
lung, in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, im Netzwerkmanagement und im Wis-
sensmanagement. Häufig sind diese durch ein hohes Maß an implizitem Wissen, Spezi-
fizität und Komplexität charakterisiert. Daher ist es schwierig, sie zu imitieren. Zu den
dynamischen Fähigkeiten eines Unternehmens gehört es auch, das System bzw. die
Aufgabenumwelt, in der er sich befindet, zu gestalten. Wenn es Unternehmen gelingt, in
diesen „Orchestrations“-Fähigkeiten zu brillieren, sollte dies langfristig positiv auf den
44
Unternehmenserfolg wirken (Teece 2007). Aber nicht alle Antworten eines Unternehmen
auf die Gelegenheiten und Gefahren, denen es sich gegenübersieht, sind Ausprägungen
von dynamischen Fähigkeiten. Wie Winter (2003, S. 991) anmerkt, gehört das „ad hoc
problem solving“ bspw. nicht dazu. Ebenso wenig reichen Erfindungen und Innovationen
für sich betrachtet aus, um Erfolg zu haben (Teece 1986). Um zu verdeutlichen, was ge-
nau dynamische Fähigkeiten sind, werden im Folgenden die drei Typen von Dynamic
Capabilities, die Teece (2007) unterscheidet, vorgestellt und auf ihren Bezug zu EO bzw.
zu den einzelnen EO-Dimensionen überprüft.
Typ 1) Das Erkennen und Gestalten von Gelegenheiten und Gefahren
In einem sich schnell wandelnden und wettbewerbsintensiven Umfeld, ändern sich Kun-
denbedürfnisse regelmäßig, neue Gelegenheiten ergeben sich und technologische Ge-
fahren tauchen auf. Wie Teece, Pisano und Shuen (1997) zeigen, lassen sich diese Ver-
änderungen teilweise leicht erkennen. Dazu zählen etwa in der Mikrochip-Branche die
Miniaturisierung, eine höhere Chip-Dichte sowie vermehrte Digitalisierung in Kommuni-
kationsabläufen. Andere Veränderungen lassen sich aber nur schwer erkennen. Hier
bedarf es verschiedener Aktivitäten wie Scanning bzw. Beobachtung der Umwelt, Lernen
und Interpretieren neuer Erkenntnisse.
Neue Gelegenheiten lassen sich durch Unternehmen im Wesentlichen durch zwei Fakto-
ren erkennen (Teece 2007). Nach Kirzner (1978) können Unternehmer bzw. diejenigen
in einem Unternehmen, welche die Funktion des Unternehmers wahrnehmen, also etwa
Mitarbeiter des Business Developments, einen besonderen Zugang zu existierenden
Informationen erlangen. Durch diesen Zugang erkennen sie Ungleichgewichte wie z.B.
Überrenditen, die Wettbewerber erzielen, und versuchen diese zu beseitigen. Ihr Ziel ist
es also, das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Nach Schumpeter (1934) können neue Informationen und neues Wissen Gelegenheiten
erst entstehen lassen. Schumpeters Sicht ist es, dass derjenige, der die unternehmeri-
sche Funktion wahrnimmt, das Gleichgewicht zerstört. Baumol (2006, S. 4) kommentiert
die beiden Unternehmer-Rollen so: „the job of Schumpeter’s entrepreneur is to destroy
all equilibria, while Kirzner’s works to restore them. This is the mechanism underlying
continuous industrial evolution and revolution”. Das Gleichgewicht wird jedoch in den
wenigsten Fällen hergestellt (Shane 2003). Damit Unternehmen Gelegenheiten erken-
nen und gestalten können, müssen sie ständig ihre Aufgabenumwelt scannen, nach Ge-
legenheiten suchen und diese sondieren (Nelson/Winter 1982; Teece 2007). Bei diesem
Prozess ist es hilfreich, wenn sich die Unternehmen nicht nur auf ihre bestehenden
45
Märkte und aktuell eingesetzten Technologien beschränken, sondern darüber hinaus
auch die „periphery of their business system“ (Teece 2007, S. 1324) berücksichtigen. Die
Studie von Rosenkopf und Nerkar (2001), die sich mit Patentierung in der Branche opti-
scher Discs beschäftigt, zeigt, dass die Wirkung von begrenzter „Exploration“ geringer
ist, als wenn ausgedehnter gesucht wird. Für die rechtzeitige Erkennung sich wandeln-
der Kundenbedürfnisse ist es zudem wichtig, den Kunden und seine Entscheidungen
genau zu verstehen (Nonaka/Toyama 2007). Kunden sind oft auch die ersten, die das
Potenzial neuer Technologien erkennen (Teece 2007).
Die EO-Dimension der Proaktivität beinhaltet zahlreiche Elemente dieses Typs von Dy-
namic Capability. Proaktive Unternehmen sind ständig auf der Suche nach neuen Gele-
genheiten. Sie versuchen Änderungen in ihrem Umfeld rechtzeitig zu erkennen. Zudem
sind sie ständig bestrebt, den Wandel in Kundenbedürfnissen zu antizipieren. Schließlich
hinterfragen sie regelmäßig ihr bestehendes Geschäft und sind auch bereit, sich von
Geschäftsbereichen zu trennen. Auch die EO-Dimension der Autonomie kann als Dy-
namic Capability dieses Typs verstanden werden. Wie Teece, Pisano und Shuen (1997)
argumentieren, sind dezentrale Organisationen mit mehr Autonomie weniger blind für
technologische Entwicklungen und Entwicklungen im Markt und somit eher in der Lage,
neue Gelegenheiten zu erkennen. Mitarbeiter, die in ihrer Arbeit unabhängig sind, neigen
vermutlich auch eher dazu, „out of the box“ zu denken. Dadurch sollten sie dazu in der
Lage sein, neue Gelegenheiten zu erkennen und zu gestalten. Eine weitere Form von
Autonomie ist es, dass Mitarbeiter Zugang zu den für ihre Arbeit relevanten Informatio-
nen haben. Mögliche Gelegenheiten lassen sich besser beurteilen, wenn die Informati-
onsbasis breit ist. Schließlich kann auch die EO-Dimension des aggressiven Verhal-tens gegenüber Wettbewerbern als dynamische Fähigkeit des Typ 1 gesehen werden.
Indem Unternehmen aggressiv auftreten, gestalten sie ihr Wettbewerbsumfeld. Sie zwin-
gen die Wettbewerber zur Reaktion. Bspw. versuchen sie durch die Ankündigung eines
neuen Produkts Wettbewerber von der Entwicklung ähnlicher Produkte abzuhalten
(Dess/Lumpkin 2005a). Sie müssen sich so am Markt gegenüber einer geringeren Zahl
an Wettbewerbsprodukten behaupten und gestalten damit ihr künftiges Wettbewerbsum-
feld. Ganz ähnlich sprechen Atuahene-Gima und Ko (2001) von „aggressiven Initiativen“,
mit denen die Wettbewerbslandschaft verändert wird. Ein Beispiel hierfür findet sich in
der deutschen Luftfahrtbranche. Dort wurde von einigen Unternehmen das Low Cost-
Marktsegment besetzt. Die etablierten Fluglinien gerieten durch diese aggressive Initiati-
ve unter Zugzwang und mussten sich neu ausrichten, sei es durch Preissenkungen oder
die Gründung einer eigenen Low Cost-Tochtergesellschaft.
46
Typ 2) Das Wahrnehmen von Gelegenheiten
Sobald eine Gelegenheit erkannt ist, muss sie mit neuen Produkten, Dienstleistungen
und Prozessen wahrgenommen werden. Hierfür bedarf es in den meisten Fällen Investi-
tionen in die abschließende Forschung, Entwicklung und Vermarktung der Produkte. Da-
für sind in vielen Fällen auch beträchtliche finanzielle Ressourcen notwendig (Teece
2007). Bei etablierten Unternehmen tritt zudem häufig das Problem auf, dass es Wider-
stände gegen Innovationen, insbesondere gegenüber radikalen Innovationen, die z.B.
eine bestehende Technologie ablösen, gibt (Henderson/Clark 1990). Diese Widerstände
gilt es zu überwinden. Wenn Investitionsentscheidungen unter Risiko getroffen werden,
kann der „certainty effect“ (Kahnemann/Lovallo 1993) auftreten. Darunter versteht man
das Diskontieren ungewisser möglicher Ergebnisse im Vergleich zu Ergebnissen, die
sicher sind. Dieses Verhalten von Entscheidungsträgern trägt zu exzessiver Risikoaver-
sion bei, sobald eine Auswahl von Investitionsprojekten mögliche Verluste ausweist. Das
andere Extrem ist exzessiver Optimismus, der sich in verlustreichen Investitionsprojekten
niederschlagen kann. So berichtet z.B. Autretsch (1995) auf Basis seiner Untersuchung
von Investitionsprojekten von US-Unternehmen des produzierenden Gewerbes in den
Jahren 1976-1986 davon, dass über 50% der Projekte eine negative Rendite auswiesen.
Ein Mittelmaß an Risikoübernahme scheint somit vorteilhaft.
Das Wahrnehmen von Gelegenheiten als Dynamic Capability ist in der EO-Dimension
der Innovativität wiederzufinden. Unternehmen mit ausgeprägter Innovativität, setzen
Gelegenheiten auch gegen Widerstände in Innovationen um. Sie sind in der Lage den
Prozess von der Erfindung bzw. dem Erkennen der Gelegenheit bis hin zu einem markt-
reifen Produkt oder eine Dienstleistung zu managen. Zudem sie sind bereit, regelmäßig
Änderungen an ihren Produktlinien vorzunehmen (Lumpkin/Dess 1996a). Auch die EO-
Dimension der Risikoübernahme kann als Dynamic Capability, die für das Wahrneh-
men von Gelegenheiten notwendig ist, verstanden werden. Unternehmen, die Risiko
übernehmen, sind bereit, auch beträchtliche finanzielle Ressourcen für Investitionen be-
reitzustellen und sich dafür auch zu verschulden. Sie sind auch in der Lage, Neues aus-
zuprobieren bzw. von bewährten Handlungsmustern abzuweichen. Aber sie verstehen
es, Risiko zu managen, also kalkulierbare Risiken einzugehen und exzessive Risiken zu
vermeiden.
Typ 3) Das Managen von Gefahren / Re-Konfiguration des Unternehmens
Unternehmen, die Gelegenheiten erkennen und diese erfolgreich wahrnehmen, wach-
sen, erweitern ihre Basis an Ressourcen und sehen sich in der Folge verschiedenen ex-
47
ternen wie internen Gefahren ausgesetzt. Zu den externen Gefahren zählt z.B. der tech-
nologische Wandel, interne Gefahren sind z.B. Free Riding oder auch das strategische
Manipulieren von Informationen, die mit zunehmender Unternehmensgröße gehäuft auf-
treten. Um diesen Gefahren erfolgreich begegnen zu können, sind die Unternehmen zur
Umstrukturierung bzw. zur Re-Konfiguration ihrer Ressourcenbasis gezwungen (Teece
2007). So müssen etwa bestehende Regelwerke und Prozesse fortlaufend angepasst
werden (Rumelt 1995). Insbesondere die Re-Konfiguration durch Dezentralisierung hilft
Unternehmen dabei, trotz des Wachstums, Flexibilität zu wahren und schnell reagieren
zu können (Teece 2007). Verschiedene empirische Arbeiten zeigen, dass Dezentralisie-
rung den Unternehmenserfolg oft positiv beeinflusst (Armour/Teece 1978; Teece 1981).
Das Managen von Gefahren bzw. die Re-Konfiguration des Unternehmens ist in erster
Linie in der EO-Dimension der Autonomie wiederzufinden. Unternehmen mit hoher
Ausprägung der Autonomie-Dimension lassen ihren Mitarbeitern Freiräume und treffen
Entscheidungen dezentral. Nur wenn Mitarbeiter Freiräume haben, kommt es zudem zur
Initiierung unternehmerischer Projekte (Lumpkin/Dess 1996a).
Es wurde gezeigt, dass sich die fünf EO-Dimensionen einem oder mehreren Dynamic
Capability-Typen nach Teece (2007) zuordnen lassen. Die Zuordnung ist in Abbildung 2
dargestellt. Daher kann argumentiert werden, dass auch EO per se eine dynamische
Fähigkeit darstellt und ihr somit insbesondere in sich schnell verändernden Märkten be-
sondere Bedeutung zukommt. Diese Auffassung deckt sich auch mit jüngeren Arbeiten
der EO-Forschung, die EO ebenfalls als Dynamic Capability betrachten
(Wiklund/Shepherd 2003; Harms 2004, S. 50ff.).
48
Typ 1Das Erkennen und
Gestalten von Gelegenheiten und Gefahren
Typ 2Das Wahrnehmenvon Gelegenheiten
Typ 3Das Managen von
Gefahren /Re-Konfiguration
des Unternehmens
Dynamic Capabilities
• Proaktivität
EO
-Dim
ensi
on
• Autonomie
• Aggressives Verhaltengegenüber Wettbewerbern
• Innovativität
• Risikoübernahme
• Autonomie
Abbildung 2: Zuordnung der EO-Dimensionen auf die drei Dynamic Capabilities-Typen nach Teece
(2007)
Als dritte theoretische Basis der Arbeit soll nun die Theorie der Pioniervorteile dargestellt
und ihre Relevanz für den EO-UE-Zusammenhang verdeutlicht werden.
2.1.3 Theorie der Pioniervorteile
Lieberman und Montgomery (1988) gelten als die Begründer der Theorie der Pioniervor-
teile bzw. der „First Mover Advantages“. Sie definieren Pioniervorteile als „the ability of
pioneering firms to earn positive economic profits (i.e. profits in excess of the cost of
capital)” (Lieberman/Montgomery 1988, S. 41). Sie unterscheiden drei Quellen von Pio-
niervorteilen: (1) Technologieführerschaft, (2) Vorkauf von Ressourcen und (3) Wechsel-
kosten bei Käufern. Diese drei Quellen sollen im Folgenden diskutiert werden.
1) Technologieführerschaft
In der Literatur werden zwei Mechanismen diskutiert, wie Technologieführerschaft er-
langt werden kann: (1) Vorteile, die von der Lern- bzw. Erfahrungskurve abgeleitet wer-
den, und (2) Erfolg im F+E- bzw. Patentwettbewerb. Im Lernkurvenmodell sinken die
Produktionskosten je produzierter Einheit mit der kumulativen Produktionsmenge. Wenn
es dem Pionier gelingt, die Lerneffekte geheim zu halten, kann er einen Kostenvorteil
realisieren und damit seinen Marktanteil halten bzw. ausbauen. Die theoretische Arbeit
von Spence (1981) zeigt, dass ein Unternehmen durch das Geheimhalten von Lernkur-
veneffekten Eintrittbarrieren schaffen kann. Nur wenige Mitbewerber können so profita-
bel konkurrieren. Ihnen verbleibt allerdings die Option, zunächst unter Herstellkosten zu
verkaufen. So können sie Erfahrung sammeln und möglicherweise einen langfristigen 49
Kostenvorteil aufbauen. Einen empirischen Beleg für die Existenz von Lernkurveneffek-
ten erbringt etwa Ghemawat (1984), der DuPonts Entwicklung eines innovativen Prozes-
ses für Titanoxid untersucht. Auch Shaw und Shaw (1984) zeigen am Beispiel der euro-
päischen Kunstfiberbranche, dass es den Verfolgern der Pioniere nicht gelang, entspre-
chende Marktanteile und niedrige Kostenstrukturen zu erreichen und sie schließlich aus
dem Markt austreten mussten. Von einer Lernkurve abgeleitete Pioniervorteile werden
durch die Verbreitung von Technologien verringert (Ghemawat/Spence 1985). Man
spricht in diesen Fällen auch von Spill Over-Effekten. Die Technologieverbreitung kann
z.B. durch Mitarbeiterwechsel, Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, Reverse
Engineering oder Fabrikbesichtigungen erfolgen. Mansfield (1985) betrachtet zehn un-
terschiedliche Branchen und belegt, dass sich Prozesstechnologien weniger schnell
verbreiten als Produkttechnologien, aber Wettbewerber typischerweise innerhalb eines
Jahres nach Entwicklung eines Prozesses bzw. eines Produktes Zugang zu den relevan-
ten Informationen erhalten. Lieberman (1982) zeigt, dass die Verbreitung von Prozess-
technologie in verschiedenen chemischen Branchen Verfolgern trotz starker Lernkurven-
effekte den Markteintritt ermöglichte. Der Pionier sammelt aber nicht nur Erfahrung in der
Produktion, sondern auch in anderen Bereichen wie etwa dem Kundenservice und dem
Marketing. Er baut hierdurch entsprechende Fähigkeiten in seiner Organisation auf
(Lieberman/Montgomery 1998). Die Arbeit von Levin et al. (1987) zeigt, dass solche or-
ganisationalen Fähigkeiten bedeutender sein können als z.B. Patente. Sie verbreiten
sich weniger schnell als technologische Verfahren und stellen somit einen nachhaltige-
ren Pioniervorteil dar (Teece 1980).
Technologieführerschaft kann auch aus Investitionen in F+E resultieren. Wenn sich eine
Technologie patentieren lässt, kann sich hieraus ein zumindest zeitlich befristeter Vorteil
für das Unternehmen ergeben (Lieberman/Montgomery 1998). In der volkswirtschaftli-
chen Literatur wurde dieser Zusammenhang als sogenannte „patent-races“ formalisiert.
In diesen Patent-Rennen fallen die Vorteile meist ausschließlich dem Pionier zu, Mitbe-
werber werden so abgeschreckt und treten nicht in den Markt ein (Gilbert/Newbery
1982). Die Arbeiten von Reinganum (1983) und Fudenberg et al. (1983) zeigen, dass die
erfolgreiche Abschreckung durch den Pionier im Kern von zwei Faktoren abhängt. Zum
einen spielen Annahmen über die stochastische Natur des F+E-Prozesses eine Rolle.
Zum anderen sollten die Verfolger nicht über die Fähigkeit verfügen, die Technologie des
Pioniers „überspringen“ zu können. In der englischsprachigen Literatur wird das Über-
springen als „leapfrogging“ bezeichnet. Die Annahme der Patent-Rennen, dass dem Pi-
onier alle Vorteile zufallen, ist nicht haltbar und wird entsprechend häufig kritisiert
50
(Lieberman/Montgomery 1998). Empirisch sind Patent-Rennen nur in wenigen Branchen
wie z.B. der pharmazeutischen Industrie von Bedeutung. In anderen Branchen haben
Patente aufgrund des permanenten technologischen Wandels nur vorübergehenden
Wert. Mansfield, Schwartz und Wagner (1981) untersuchen 48 patentierte Produktinno-
vationen in der Pharma-, Chemie- und Elektronikbranche. Sie kommen zu dem Ergebnis,
dass Imitatoren patentierte Innovationen für im Durchschnitt 65% der Kosten der Innova-
toren kopieren können. 60% der patentierten Innovationen würden innerhalb von nur vier
Jahren imitiert. In der Pharmabranche scheint die Imitation kostenintensiver, da auch für
die Imitate aufwändige Zulassungsverfahren notwendig sind. Die Arbeit von Levin et al.
(1987) zeigt ebenfalls, dass die Imitationskosten und die Zeit, die bis zur Imitation ver-
geht, von der Branche abhängig sind. Ein weiterer Befund ihrer Arbeit ist, dass Lernkur-
venvorteile in vielen Branchen relevant sind, Patente sind es nur in wenigen. Robinson
(1988) findet in seiner Studie heraus, dass Pioniere von Patenten signifikant stärker pro-
fitieren als Verfolger. Bresnahan (1985) diskutiert die Nutzung von Patenten als Eintritts-
barriere am Beispiel des Kopiererherstellers Xerox. Xerox hat nicht nur sein Kopierver-
fahren patentieren lassen, sondern auch eine Reihe alternativer Technologien. Mitbe-
werber wurden so längere Zeit vom Markteintritt abgehalten. Erst über Anti-Kartell-
Maßnahmen gelang es ihnen, Xerox Unternehmen zur Lizenzierung seiner Technologie
zu zwingen.
2) Vorkauf von Ressourcen
Der Pionier kann gegenüber seinen Verfolgern auch durch den Vorkauf knapper Res-
sourcen einen Vorteil erlangen. In diesem Fall differenziert sich der Pionier durch die
Kontrolle von bereits bestehenden Ressourcen. Zu diesen Ressourcen können sowohl
physische Vermögenswerte, wie bspw. Rohstoffe als auch eine rechtzeitige Positionie-
rung – etwa in einem geographischen Raum oder z.B. als erster Nutzer einer Regalflä-
che, für eine neue Produktkategorie im Einzelhandel – zählen (Lieberman/Montgomery
1988).
Wenn der Pionier überlegene Informationen besitzt, kann er Ressourcen zu Preisen er-
werben, die unter den späteren Marktpreisen liegen. Beispiele für solche Ressourcen
sind Rohstoffe und erstklassige Produktionsstätten bzw. Verkaufsflächen. Die Differenz
zwischen dem Kaufpreis für den Pionier und dem späteren Marktpreis bezeichnet man
als ökonomische Renten. Main (1955) betrachtet die kanadische Nickelindustrie. Er
zeigt, dass das erste Unternehmen, das sich die Nickel-Rohstoffe sicherte, das gesamte
Nickelangebot kontrollieren konnte und dadurch über Jahrzehnte den Nickelweltmarkt
dominierte. 51
Positioniert sich der Pionier rechtzeitig, kann es für einen Verfolger ggf. unprofitabel sein,
auch in den Markt einzutreten. Lieberman und Montgomery (1988, S. 44) schreiben: „In
many markets there is ‚room’ for only a number of profitable firms; the first-mover can
often select the most attractive niches and may be able to take strategic actions that limit
the amount of space available for subsequent entrants.” „Space“ kann breit interpretiert
werden. Er schließt nicht nur die geographische Lage ein, sondern auch Regalfläche und
Produktcharakteristika. Je mehr Eigenschaften ein Pionier-Produkt bereits besitzt, desto
weniger Differenzierungsmöglichkeiten verleiben für die Verfolger. Grundlegende Arbei-
ten für die Theorie der „Spatial Competition“ lieferten Prescott und Visscher (1977)
Schmalensee (1978). Letzterer untersucht das Verhalten von Pionieren und Verfolgern in
der Müslibranche. Er demonstriert, dass Pioniere Verfolger über die Besetzung von Re-
galfläche und Produktdifferenzierung vom Markteintritt abhalten können. Wenn der Markt
wächst, besetzen die Pioniere neue Nischen, bevor der Markteintritt für Verfolger profita-
bel wird. Die Gefahr von Preiskämpfen, die intensiver verlaufen, wenn die Standorte der
Wettbewerber nahe beieinander liegen, schrecken Verfolger ab. Die Bereitschaft der
Pioniere zu Preiskämpfen wird auch durch Sunk Costs aus Investitionen in der Vergan-
genheit untermauert. Empirische Belege für die Verhinderung von Markteintritten durch
Verfolger sind allerdings selten. Johnson und Parkman (1983) finden in ihrer Betrachtung
der Zementbranche keine Hinweise, die für eine erfolgreiche Abschreckung von Verfol-
gern durch frühzeitige Sicherung geografischer Positionen sprechen. Auch Glazer
(1985), der lokale Zeitungsverlage untersucht, stellt keinen Unterschied in den Überle-
bensraten zwischen Pionieren und Verfolgern fest. Eine mögliche Erklärung für diese
Befunde ist, dass sowohl in der Zement- als auch in der Zeitungsbranche alle Unterneh-
men über ähnliche Technologien und Marktzugangschancen verfügen
(Lieberman/Montgomery 1988). Es lagen somit keine Informationsasymmetrien bzw.
zeitliche Unterschiede, die hätten genutzt werden können, vor. Ghemawat (1986) liefert
ein Gegenbeispiel: Das Unternehmen Wal-Mart siedelte sich mit Einzelhandelsflächen in
benachbarten Kleinstädten im Süden der USA an. Für Wal-Marts Mitbewerber war die
Bedienung dieser Gegenden zunächst unprofitabel. Indem Wal-Mart die geographische
Abschreckung seiner Wettbewerber mit einem sehr effizienten Distributionsnetzwerk
kombinierte, konnte es sich nachhaltig überdurchschnittliche Gewinnspannen sichern.
Auch signifikante Investitionen eines Pioniers in Produktionsanlagen können Pioniervor-
teile generieren. Der Pionier signalisiert möglichen Verfolgern durch seine Investitionen,
dass er über hohe Kapazitäten verfügt. Diese erlauben ihm einen Preiswettbewerb, der
einen Markteintritt für Verfolger unprofitabel machen könnte. Eine Reihe theoretischer
52
Arbeiten zeigt, dass Verfolger so von einem Markteintritt abgehalten werden können
(Spence 1977; Dixit 1980; Gilbert/Harris 1981). In anderen Modellen führen die Investiti-
onen des Pioniers lediglich zu geringerem Wachstum bei kleineren Verfolgern (Spence
1979; Fudenberg/Tirole 1983). Empirisch fehlt es allerdings vielen Branchen an der Kos-
tenstruktur, die ein solches Vorgehen für den Pionier effektiv machen (Lieberman 1987).
Eine Ausnahme bildet die Magnesiumindustrie. Dort gelang es Dow Chemical über meh-
rere Jahrzehnte eine monopolähnliche Stellung einzunehmen. Das Unternehmen hat
zuvor massiv in Produktionskapazität investiert (Lieberman 1983).
3) Aufbau von Wechselkosten
Schließlich können Pioniervorteile aus dem Aufbau von Wechselkosten bei Käufern re-
sultieren. Verfolger müssen bei vorhandenen Wechselkosten zusätzlich investieren, um
Bestandskunden vom Pionier abzuwerben (Lieberman/Montgomery 1988). Es gibt unter-
schiedliche Typen von Wechselkosten. Der erste Typ resultiert aus Kosten, die dem
Käufer eines Produktes entstehen, um sich an das gekaufte Produkt anzupassen. Ein
Beispiel ist eine Software, die nur auf einer bestimmten Hardware, die ggf. zusätzlich
angeschafft werden muss, läuft. Auch Schulungskosten gehören zu dieser Kategorie von
Wechselkosten. Der zweite Typ resultiert aus lieferantenspezifischem Lernen des Käu-
fers. Im Zeitverlauf gewöhnt sich der Käufer an die Eigenschaften des Produkts und
empfindet einen Wechsel als kostenintensiv (Wernerfelt 1985). Der dritte Typ sind ver-
tragliche Wechselkosten, die der Lieferant absichtlich aufbaut. Zu dieser Kategorie gehö-
ren etwa die Vielfliegerprogramme von Fluggesellschaften. Bei Produkten mit Netzwer-
kexternalitäten kommt ein vierter Typ von Wechselkosten zum tragen, wenn es dem Pio-
nier gelingt, sein Produkt als Branchenstandard zu definieren. Ein Beispiel ist die Peer-
to-Peer-Online-Telefonie. Wenn Kunden das Standardprodukt nutzen, kommen auf sie
geringere Kosten zu. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich noch mehr
Kunden für den Standard entscheiden. In der Peer-to-Peer-Online-Telefonie gelang es
Skype zum De-Facto-Standard zu werden. Skype-Nutzer haben geringe Suchkosten, da
die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass bereits eine Vielzahl ihrer persönlichen Kontakte
Skype nutzt.
Eine ähnliche Forschungsrichtung, zu deren Vertretern Schmalensee (1982) gehört, be-
schäftigt sich damit, dass Käufer in der Regel über unvollständige Informationen über die
Qualität von Produkten und Dienstleistungen verfügen. Sie tendierten daher dazu, beim
ersten Hersteller zu bleiben, mit dessen Produkt sie bereits eine positive Erfahrung ge-
macht haben. Diese Markenloyalität erschwert Verfolgern den Markteintritt – insbesonde-
re dann, wenn die Produkte des Pioniers von hoher Qualität sind. Diese Reputation für 53
Qualität kann er z.B. über eine Dachmarkenstrategie auf andere Produkte übertragen.
Die Käufer der Pionierprodukte nehmen deren Produkteigenschaften auch als typisch
war. Der Pionier hat somit die Chance, eine neue Produktkategorie zu definieren
(Lieberman/Montgomery 1988). Wie Montgomery (1975) zeigt, ist die Wahrnehmung
eines Produktes als Neuheit auch dafür entscheidend, ob es in Supermärkten gekauft
wird. Mit einer empirischen Arbeit belegen Robinson und Fornell (1985), dass bei Kon-
sumgütern die Produkte von Pionieren höhere Marktanteile verzeichnen als die Produkte
von Verfolgern. Die Markteintrittsreihenfolge erklärt in ihrer Untersuchung 18% der
Marktanteilsvarianz. Auch die Studie von Urban et al. (1986) zeigt einen positiven Zu-
sammenhang zwischen einem frühzeitigen Markteintritt und einem hohen Marktanteil.
Es gibt jedoch auch Pioniernachteile bzw. „First Mover Disadvantages“, die auch als die
Vorteile der Verfolgerunternehmen aufgefasst werden können. Ein erster Typ von Pio-
niernachteilen sind Free Rider-Probleme. Der Verfolger kann, sofern es sich nicht um
„tacit knowledge“ handelt, von F&E-Ausgaben des Pioniers, der Ausbildung von Käufern
oder der Entwicklung von Infrastruktur profitieren. Da jedoch der Pionier um diese Free
Rider Probleme weiß, hat er einen geringen Anreiz, früh hohe Investitionen vorzuneh-
men (Lieberman/Montgomery 1988). Die theoretische Literatur hierzu hat sich weitge-
hend auf Spillovereffekte aus F+E (Baldwin/Childs 1969; Spence 1985) sowie auf Lernen
basierende Produktivitätsverbesserungen (Ghemawat/Spence 1985) konzentriert. Gu-
asch und Weiss (1980) untersuchen Free Rider-Effekte auf dem Arbeitsmarkt. Sie argu-
mentieren, dass Verfolger von den Investitionen der Pioniere in die Ausbildung der Mit-
arbeiter profitieren können, indem sie bereits ausgebildete Mitarbeiter abwerben. Teece
(1986) ist der Ansicht, dass das Ausmaß der Free Rider-Effekte vom Eigentum an den
zu der Innovation komplementären bzw., wie er formuliert „co-specialised“, Ressoucen
abhängt. So ist für die Ausschöpfung des Marktpotenzials einer Innovation meist ein
adäquates Vertriebssystem notwendig. IBM war z.B. zu Beginn der PC-Ära nicht Pionier,
sondern konnte sich durch die Nutzung seiner Reputation sowie seiner Marketing- und
Vertriebsressourcen auch als Verfolger (temporär) erfolgreich im Markt etablieren
(Schnaars 1986).
Zudem haben Verfolger den Vorteil, dass zum Zeitpunkt ihres Markteintritts Marktunsi-
cherheiten sowie technologische Unsicherheiten häufig reduziert sind
(Wernerfeld/Karnani 1987). Der Eintritt in einen neuen Markt impliziert fast immer ein
Risiko. Wenerfeld und Karnani (1987) argumentieren, dass ein früher Markteintritt dann
attraktiv ist, wenn der Pionier beeinflussen kann, wie das Risiko reduziert wird. Eine
Möglichkeit zur Risikoreduktion ist die Setzung von Standards. Sobald ein Standard exis-
54
tiert, erfolgt der Wettbewerb oft primär über den Preis. Firmen, die effiziente Produkti-
onsprozesse haben, besitzen dann einen Vorteil (Teece 1986).
Pioniere laufen auch Gefahr, Technologiewechsel nicht rechtzeitig zu erkennen. Cooper
und Schendel (1976) liefern hierfür zahlreiche Beispiele, wie etwa das Nicht-Reagieren
der Dampflokomotivenproduzenten auf die Erfindung des Diesels. Christensen (1997)
beschreibt dieses Problem in seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“. Ein solches liegt
vor, wenn sich Pioniere zu sehr von den Vorschlägen ihrer Kunden leiten lassen. Kunden
denken gewöhnlich in ihnen bekannten Technologien (Christensen 1997, S. XV). Sie
neigen daher zu inkrementellen Produktverbesserungsvorschlägen. Für den Pionier be-
steht so die Gefahr, dass disruptive Technologien nicht rechtzeitig erkannt werden.
Schließlich besteht insbesondere bei erfolgreichen Pionieren das Risiko der Organisati-
onslähmung. Der Pionier greift etwa Veränderungen im Umfeld nicht auf, und investiert
weiterhin in bestehende Produktionsanlagen (Lieberman/Montgomery 1988). Das theo-
retische Modell von Tang (1988) zeigt, dass die Investition in bestehende Technologien,
die bereits hohe Investitionen erfordert haben, kurzfristig rational und gewinnmaximie-
rend sein kann. Der Verfolger verschafft sich aber mittel- bis langfristig durch rechtzeitige
Investitionen in eine weiterentwickelte Technologie einen Vorteil. Ein weiteres Problem
ist das Zögern des Pioniers, seine eigenen Produktlinien zu kannibalisieren. Das ur-
sprüngliche Argument, dass ein Monopolist nicht dazu neigt, zu innovieren, da er da-
durch den Gewinn, den er mit seinen existierenden Produkten macht, reduziert, geht auf
Arrow (1962) zurück. Bresnahan (1985) berichtet davon, dass Xerox nach Auslauf sei-
nes Kopiermaschinen-Patents solch ein Verhalten zeigte. Obwohl Xerox bei zahlreichen
Produkteigenschaften nicht Innovationsführer war, zögerten sie mit Preissenkungen. Ei-
ne Rolle spielte hierbei auch, dass sie sehr viele Kopiermaschinen vermietet hatten. Eine
Preissenkung hätte vermutlich mittelfristig auch die Mieterträge reduziert.
Barney (1991, S. 107) ist der Ansicht, dass sich die Theorie der Pioniervorteile und die
RBV integrieren lassen: “The observation that valuable and rare organizational resources
can be a source of competitive advantage is another way of describing first-mover ad-
vantages […]”. Auch Lieberman und Montgomery (1998) merken an, dass durch
Markteintritte sowohl Ressourcen als auch Fähigkeiten aufgebaut werden.
Aufgabe des Managements ist es, zu entscheiden, ob bei einer gegebenen
Markteintrittsgelegenheit etwaige Pioniervorteile mögliche Pioniernachteile überwiegen.
Insbesondere für den Zusammenhang zwischen Innovativität und UE sowie Proaktivität
55
und UE hat der Ansatz der Pioniervorteile besondere Relevanz. Im Rahmen der Hypo-
thesenherleitung wird dies weiter ausgeführt.
2.1.4 Empowermenttheorie
Die theoretische Basis für den Zusammenhang zwischen der EO-Dimension Autonomie
und dem Unternehmenserfolg wurde in der EO-Literatur bislang nur am Rande diskutiert.
So gehen etwa Lumpkin und Dess (1996a) umfassend auf die Bedeutung von Autono-
mie für Unternehmertum ein und nennen auch zahlreiche Beispiele, in denen sich auto-
nomes Verhalten als vorteilhaft erwiesen hat. Sie lassen jedoch die theoretische Basis
für die Vorteilhaftigkeit weitgehend unbeachtet. Die Empowermenttheorie, die im Feld
der Motivationstheorien anzusiedeln ist, könnte diesen Erklärungszusammenhang lie-
fern. Der Begriff Empowerment ist in den Organisationswissenschaften recht verbreitet
(Harrison 1983; Kanter 1984; Thomas/Velthouse 1990). Die Grundsteine der Empower-
menttheorie bilden die Arbeiten von Conger und Kanungo (1988) sowie Thomas und
Velthouse (1990). Die Empowermenttheorie wurde anschließend von Spreitzer (1995)
weiterentwickelt und empirisch validiert.
Unter Empowerment ist nach Spreitzer (1995) eine gesteigerte intrinsische Arbeitsmoti-
vation zu verstehen. Eine intrinsische Arbeitsmotivation umfasst positive Erfahrungen,
die Individuen direkt aus ihrer Arbeit ableiten (Thomas/Velthouse 1990). Sie zeigt sich
durch vier Dimensionen, welche die Einstellung des Individuums zu seiner Rolle in der
Arbeitswelt reflektieren. Es sind dies: (1) Bedeutung (Meaning), der Wert eines Arbeits-
ziels, bezogen auf die eigenen Ideale des Individuums. (2) Kompetenz (Competence),
der Glaube des Individuums an seine Fähigkeit, Aktivitäten mit Können durchzuführen.
(3) Selbstbestimmung (Self-Determination), das Gefühl des Individuums, Handlungen
selbst zu initiieren und regulieren zu können. (4) Wirkung (Impact), der Grad, zu dem das
Individuum strategische und operative Arbeitsergebnisse beeinflussen kann. In Summe
stehen diese vier Dimensionen für eine sehr aktive Einstellung des Individuums zu seiner
Arbeitsrolle. Die vier Dimensionen sind additiv (Thomas/Velthouse 1990), d.h. fehlt eine
Dimension, wird die Gesamtausprägung des gefühlten Empowerments verringert, aber
nicht ganz zu null. Man kann also das Fehlen einer Dimension kompensieren. Empo-
werment ist zudem eine kontinuierliche Variable (Spreitzer 1995).
Bedingungen von Empowerment sind das Selbstwertgefühl (Self-Esteem) des Indivi-
duums, sein Locus of Control (der Grad, zu welchem Menschen glauben, dass sie selbst
und nicht externe Kräfte ihr Leben beeinflussen), Informationsverfügbarkeit in der Orga-
56
nisation (über die Mission einer Organisation sowie die Ergebnisse von Organisations-
einheiten) und ergebnisabhängige Vergütungen (Spreitzer 1995).
Die Folgen von Empowerment sind Effektivität des Managements und innovatives Ver-
halten. Manager, die „empowered“ sind, führen ihre Arbeit proaktiv aus, antizipieren
Probleme und handeln unabhängig. Zudem sollte Empowerment auch für die Konzentra-
tion von Organisationsmitgliedern und das Ergreifen von Initiative förderlich sein
(Thomas/Velthouse 1990). All dies steigert die Effektivität des Managements. Da Indivi-
duen, die „empowered“ sind, glauben, autonom zu sein und etwas ausrichten zu können,
sind sie eher kreativ. Da sie auch glauben, selbstbestimmt zu handeln, erwarten sie eher
Erfolge. Beides sollte innovatives Verhalten begünstigen. Auch Kanter (1984) zeigt in
ihrer Studie unternehmerischer Organisationen, dass Empowerment und innovatives
Verhalten eng miteinander verknüpft sind. Somit sollte neben der Theorie der Dynamic
Capabilities auch die Empowermenttheorie insbesondere für den Zusammenhang zwi-
schen Autonomie und Unternehmenserfolg einen Erklärungsbeitrag leisten.
Da die Arbeit auch moderierende Variablen des EO-UE-Zusammenhangs aus der Auf-
gabenumwelt des Unternehmens berücksichtigt, sollen im Folgenden der Kontigenz- und
der Konfigurationsansatz vorgestellt werden.
57
2.1.5 Kontingenz- und Konfigurationsansatz
Der Kontingenzansatz, auch der situative Ansatz genannt, untersucht moderierende Va-
riablen der Organisations- und Führungstheorie. Er hat seine Wurzeln in der allgemeinen
Systemtheorie (Boulding 1956) und der Theorie der offenen Systeme (Katz/Kahn 1966).
Zu seinen Begründern zählen Lawrence und Lorsch (1967b). Für die betriebswirtschaftli-
che Forschung, die sich mit den Determinanten des Unternehmenserfolges beschäftigt,
hat der Kontingenzansatz eine hohe Bedeutung (Venkatraman 1989b). Erweitert wurde
der Kontingenzansatz u.a. von Child (1972), der, auf dem Kontingenzansatz aufbauend,
seine Strategic-Choice-Theorie entwickelte. Nach dieser Theorie definieren die maßgeb-
lichen Entscheidungsträger in einer Organisation nach Bewertung der Situation, in der
sich die Organisation befindet, Ziele für die Organisation und formulieren die Organisati-
onsstrategie. Dabei berücksichtigen sie auch die Umwelt der Organisation.
Nach Zeithaml et al. (1988) ist der Kontingenzansatz zwischen zwei extremen Sichtwei-
sen der Organisationstheorie angesiedelt. Die eine Sichtweise nimmt an, dass allge-
meingültige Organisations- und Managementprinzipien existieren. Die andere Sichtweise
betrachtet jede Organisation als einzigartig und fordert daher eine separate Betrachtung
der Organisationen. Der Grundgedanke des Kontingenzansatzes ist es, dass eine inter-
ne oder externe Situationsvariable, die moderierende Variable, die Wirkung einer unab-
hängigen Variable (z.B. EO) auf eine abhängige Variable (z.B. UE) nach Art und Rich-
tung beeinflussen kann (Zeithaml/Varadarajan/Zeithaml 1988). Dabei ist die Kernprämis-
se, dass der Erfolg einer Organisation auf verschiedene Arten erreicht werden kann. Ab-
hängig von der Situation der Organisation gibt es jedoch erfolgversprechendere und we-
niger erfolgversprechende Wege (Tosi/Slocum 1984).
Der Kontingenzansatz ist nicht unumstritten. Miller (1981) kritisiert, dass die Annahme
bivariater Zusammenhänge der Realität in vielen Fällen nicht gerecht wird. Zudem wird
dem Ansatz vorgeworfen, dass die Auswahl und die Operationalisierung der Situations-
variablen hinsichtlich Reliabilität und Validität oft nicht begründet werden (Kieser 1999).
Darüber hinaus wird angeführt, dass die Prämisse, Unternehmen seien situativen Vari-
ablen „ausgeliefert“, nicht immer richtig ist (Miller 1981). Wie die Strategic-Choice-
Theorie (Child 1972) und auch der Environmental Management-Ansatz
(Zeithaml/Zeithaml 1984) postulieren, sind insbesondere größere Unternehmen in der
Lage, gestalterisch zu agieren und somit einen Teil ihrer Kontextvariablen zu verändern
(Donaldson 1996). Als beispielhafte Maßnahmen nennt Pfeffer (1978, S. 151ff.) u.a. die
Beeinflussung von Wettbewerbern, Einflussnahme auf Regulierungsentscheidungen
58
durch Lobbyarbeit sowie allgemeine politische Arbeit. Trotz dieser Kritik ist der situative
Ansatz in der betriebswirtschaftlichen Forschung sehr verbreitet (Fry/Smith 1987) und
kann, wie in verschiedenen empirischen Arbeiten belegt wurde (Miller 1983;
Miller/Friesen 1983; Covin/Slevin 1989; Zahra 1991; Naman/Slevin 1993; Zahra/Covin
1995; Wiklund/Shepherd 2005), auch in der EO-Forschung einen Beitrag zur Erklärung
des Unternehmenserfolges leisten.
Miller (1981) schlägt eine Erweiterung des Kontingenzansatzes vor. Er argumentiert,
dass es für die Abbildung der Realiät ergiebiger sei, mehrere Situationsvariablen gleich-
zeitig zu betrachten. Werden mehrere Variablen parallel betrachtet, spricht man vom
Gestalt- oder Konfigurationsansatz. Macharzina (1990, S. 67) definiert die Gestalt als „in
sich stimmige Variablenkonfiguration[en] bzw. Beziehungsmuster von Variablen der Un-
ternehmensumwelt und des Unternehmens[…].“ Ähnlich auch die Definition von Miller
(1981, S. 11), der Gestalten als „configurations which may be logically, aethetically, per-
ceptually, or functionally integrated“ beschreibt. Zur Bildung von Gestalten werden nach
Ketchen, Thomas und Snow (1993) der induktive und der deduktive Ansatz unterschie-
den. Der induktive Ansatz, der häufiger zu beobachten ist, versucht Organisationen an-
hand ihrer Strukturmerkmale empirisch zu klassifizieren, um induktiv zu einer Auswahl
an Gestalten zu gelangen. Die Gestaltauswahl wird beim induktiven Ansatz als Taxono-
mie bezeichnet. Der deduktive Ansatz versucht theoriebasiert Gestalten zu ermitteln. Die
Gestaltauswahl wird beim deduktiven Ansatz als Typologie bezeichnet.
Der Kerngedanke des Konfigurationsansatzes ist es, dass Unternehmen, denen es ge-
lingt, gewisse Organisationsattribute bzw. Ressourcen mit der Unternehmensumwelt in
Einklang zu bringen, erfolgreicher sind als ihre Wettbewerber (Ketchen/Thomas/Snow
1993). Unternehmen, denen dies nicht gelingt, werden letztlich scheitern. Miller (1996)
sieht in Konfigurationen, die in sich stimmig sind und zudem mit verschiedenen Umwelt-
zuständen in Einklang stehen, einen Wettbewerbsvorteil. Auch der Konfigurationsansatz
kann somit einen Beitrag zur Erklärung des Unternehmenserfolges liefern.
Vor seiner eigentlichen Formulierung wurde der Konfigurationsansatz bereits von Miles
und Snow (1978) angewandt. Sie haben verschiedene Strategietypen-Gestalten unter-
schieden. Eine der ersten empirischen Arbeiten zum Gestaltansatz stammt von Miller
und Friesen (1983). Sie untersuchen in ihrer Studie parallel die interne Situationsvariable
„strategy-making“ sowie die externen Situationsvariablen Feindlichkeit und Dynamik der
Umwelt. Auf beide externen Situationsvariablen wird im Folgenden noch näher einge-
gangen. Der bisherige Schwerpunkt der Konfigurationsforschung lag auf den Zusam-
menhängen zwischen Umwelt, Struktur und Strategie. Die Nutzung der Ressourcen ei- 59
nes Unternehmens, um den verschiedenen Umweltzuständen optimal zu begegnen,
wurde bislang kaum beleuchtet (Zajac/Kraatz/Bresser 2000). Dies ist verwunderlich, da
in der Literatur vielfach die Bedeutung organisationaler Ressourcen für den Erfolg in un-
terschiedlichen Umfeldern hervorgehoben wurde (Snow/Hrebiniak 1980; Wernerfelt
1984; Barney 1991). Es wird daher schon länger gefordert, den Konfigurationsansatz
auch auf die Untersuchung des vermutlich komplexen Zusammenhanges zwischen EO
und UE anzuwenden (Lumpkin/Dess 1996b), indem etwa die Umwelt der Organisation
mit berücksichtigt wird. Erste Arbeiten hierzu liegen inzwischen vor (Dess/Lumpkin/Covin
1997; Wiklund/Shepherd 2005; Moreno/Casillas 2008; Schmelter 2009). In den Studien
wird deutlich, dass der inhaltlich reichhaltigere Konfigurationsansatz auch einen höheren
Erklärungswert besitzt als der Kontingenzansatz.
Die Dimensionen der Konfiguration können unternehmensintern oder –extern sein. Für
die externen Dimensionen wird der Begriff der Aufgabenumwelt bzw. der des „task envi-
ronment“ verwandt. Die Aufgabenumwelt ist ein Sammelbegriff aller Umwelteinflüsse, die
auf ein Unternehmen wirken (Dill 1958). Schreyögg (1999, S. 314) versteht darunter all
diejenigen externen Einflusskräfte, mit denen ein Unternehmen zur Erreichung seiner
Sachziele interagiert, interagieren kann oder aufgrund verbindlicher Vorschriften inter-
agieren muss.
Es ist naheliegend, dass Elemente der Aufgabenumwelt einen Einfluss auf den Unter-
nehmenserfolg haben können. Eine Reihe von Ansätzen untermauert die Relevanz der
Aufgabenumwelt für die Zielerreichung (Sharfman/Dean 1991). Auf der Seite des Be-
schaffungsmarktes beeinflusst die Aufgabenumwelt etwa die Ressourcenakquisition.
Aldrich (1979, S. 61) führt dazu aus: „Environments affect organizations through the
process of making available or withholding resources, and organizational forms can be
ranked in terms of their efficacy in obtaining resources.” Ein theoretischer Ansatz, der
hierauf näher eingeht, ist die Resource-Dependency Theorie (Pfeffer/Salancik 1978).
Nach dieser Theorie gibt es Austauschbeziehungen zwischen Akteuren (Individuen order
Organisationen). Die Akteure sind von den Ressourcen, die andere Akteure besitzen,
abhängig. Insbesondere die Abhängigkeiten, die das Überleben der Organisation ge-
fährden, sollten vermieden werden. Auf der Seite des Absatzmarktes wird die Aufgaben-
umwelt etwa von der Industrieökonomik (Waldmann/Jensen 1998) thematisiert. Insbe-
sondere die Anzahl möglicher Abnehmer für Produkte und Dienstleistungen spielt hier
eine Rolle. Es macht für eine Reihe von Entscheidungen einen großen Unterschied ob
nur wenige Abnehmer oder eine Vielzahl von Abnehmern existiert.
60
Gerade für junge Unternehmen ist die Umwelt von besonderer Bedeutung. Stinchcom-
bes (1965) Konzept der „Liability of Newness“ steht für die These, dass junge Unterneh-
men im Vergleich zu älteren Unternehmen eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit
aufweisen. Junge Unternehmen sind meist von der Kooperation Fremder abhängig. Sie
haben oft eine geringe Legitimation und sind häufig nicht fähig, mit etablierten Unter-
nehmen effektiv in Wettbewerb zu treten. Empirisch wird die „Liability of Newness“ von
Freeman, Carroll und Hannan (1983) für drei unterschiedliche Branchen (Halbleiterpro-
duzenten, Zeitungsverlage, Gewerkschaften) belegt.1 Aber auch bei etablierten Unter-
nehmen spielt die Aufgabenumwelt eine Rolle. So weisen McArthur und Nytrom (1991)
in einer Studie von Unternehmen des produzierenden Gewerbes unterschiedlicher Al-
tersklassen nach, dass Dimensionen der Aufgabenumwelt einen Einfluss auf die Bezie-
hung zwischen Strategie und UE haben.
In der Vergangenheit wurde vielfach versucht, die Aspekte der Aufgabenumwelt zu klas-
sifizieren (Child 1972; Aldrich 1979; Dess/Beard 1984; Dess/Rasheed 1991). Child
(1972) unterscheidet die drei Dimensionen „complexity“, „variability“ und „iliberality“. Die
Komplexitätsdimension beschreibt, inwieweit sich die Elemente der Aufgabenumwelt
ähneln. Die Variabilitätsdimension betrachtet, ob sich die Elemente der Aufgabenumwelt
stabil verhalten oder sich unvorhersehbar ändern. Die „iliberality“-Dimension bezieht sich
auf die Verfügbarkeit von Ressourcen vor dem Hintergrund des Wettbewerbs um die
Ressourcen in der Aufgabenumwelt. Wenn die Umwelt „iliberal“ ist, stehen entsprechend
wenig Ressourcen zur Verfügung. Aldrich (1979), dessen Arbeit auf der von Child (1972)
basiert, schlägt sechs unterschiedliche Dimensionen der Aufgabenumwelt vor, wobei
sich jeweils zwei gegensätzliche Dimensionen gruppieren lassen: (1) „geographic con-
centration und „heterogenity“, (2) „stability“ und „turbulence“ sowie (3) „domain consen-
1 Eine allgemeine „Liability of Smallness“ wird nicht nachgewiesen. Die Größe des Unternehmens bei
Gründung spielt demnach für die Überlebensfähigkeit keine Rolle.
61
sus“, der ähnlich Wettbewerb zu betrachten ist, und „capacity“. Die Dimensionen ent-
sprechen im Wesentlichen den drei von Child (1972) vorgeschlagenen: „heterogenity“
ähnelt „complexity“, „turbulence“ ähnelt „variability“ und „domain consensus“ ähnelt „ilibe-
rality“.
Aldrich (1979) hat das Forschungsfeld zur Aufgabenumwelt von Unternehmen zwar the-
oretisch vorangebracht, der empirischen Messung der Dimensionen schenkte er aller-
dings wenig Beachtung. Dess und Beard (1984) haben Aldrichs Dimensionen operatio-
nalisiert. Mit Hilfe der statistischen Methode der Faktoranalyse konnten sie die Dimensi-
onen „complexity“ (Komplexität), „dynamism“ (Dynamik) und „munificience“ (Freigiebig-
keit) ermitteln. Diese drei Dimensionen korrespondieren weitgehend auch mit Childs
(1972) Dimensionen. Sharfman und Dean (1991) kritisieren an der Komplexitätsdimensi-
on, dass in der Arbeit von Dess und Beard (1984) nur die Variablen auf den Faktor Kom-
plexität geladen haben, die „geographic concentration“ reflektieren. „geographic con-
centration“ sei zwar ein bedeutender Aspekt, aber nach Aldrich (1979) gebe es weitere
Komplexitäts-Komponenten wie z.B. der Grad des Wissens. Insofern bilde Dess und
Beards (1984) Komplexitätskonstrukt die tatsächliche Komplexität nicht vollständig ab.
Aufgrund dieser Kritik soll die Dimension Komplexität auch in der vorliegenden Arbeit
keine Beachtung finden.
Es stellt sich die Frage, ob die verbleibenden beiden Dimensionen Dynamik und Freigie-
bigkeit auch für den Zusammenhang zwischen EO und UE in Betracht gezogen werden
sollten. Mit Blick auf EO, die nach Dess und Lumpkin (2005) all jene Absichten, Ent-
scheidungsfindungen und Handlungen von Schlüsselpersonen im Unternehmen, die bei
dem Prozess, der zum Markteintritt führt, mitwirken, umfasst, sind nach Ansicht von Tsai,
MacMillian und Low (1991) die Aufgabenumwelt-Dimensionen Freigiebigkeit und Feind-
lichkeit („hostility“) (Miller/Friesen 1983) besonders relevant. Sie argumentieren mit ei-
nem Beispiel aus der Biologie. Das Unternehmen, das in einen neuen Markt eintritt, wird
mit einem Organismus verglichen, der sich eine neue Nische sucht. In der Nische gibt es
aber schon bestehende Organismen bzw. Wettbewerber. Die Freigiebigkeit spiegelt den
Reichtum an Nährstoffen in der zu betretenden Nische wieder. In der realen Unterneh-
menswelt entspricht Freigiebigkeit der Qualität der Gelegenheit. Die Feindlichkeit ent-
spricht der Populationsdichte von Organismen in der zu betretenden Nische, die um die-
selben Nahrungsmittel kämpfen. In der Unternehmenswelt steht Feindlichkeit im Kern für
die Intensität des Wettbewerbs, dem sich das Unternehmen gegenüber sieht. Freigiebig-
keit ist somit auch hinsichtlich EO von Bedeutung. Tsai, MacMillian und Low (1991) er-
gänzen die von Dess und Beard (1984) genannten Dimensionen um die Feindlichkeit der
62
Aufgabenumwelt. Tsai, MacMillian und Low (1991) erwähnen zwar die Aufgabenumwelt-
Dimension Dynamik nicht explizit. Zahra (1993b) betrachtet Freigiebigkeit aber als mehr-
dimensionales Konzept, dessen eine Dimension die Dynamik ist.
Feindlichkeit wird zwar vereinzelt als das Gegenteil von Freigiebigkeit betrachtet
(Lumpkin/Dess 2001a), diese Ansicht greife aber zu kurz, wie Tsai, MacMillian und Low
(1991, S. 12) argumentieren. Erneut bemühen sie ein Beispiel aus der Biologie: „From
the point of view of human beings, the plains of Africa are both munificient and hostile,
whereas the plains of North America are munificient and benign, there being fewer
predators, disease and so on in North America than in Africa”. Die Freigiebigkeit umfasst
die Eigenschaften des Marktes, in den der Eintritt erfolgt bzw. die Eigenschaften der Ge-
legenheit (opportunity). Die Feindlichkeit hingegen bezieht sich auf die Firmen, die sich
bereits in diesem Markt bewegen. Einige Gelegenheiten bieten ein größeres Potenzial
als andere. Wenn man das Potenzial der Gelegenheit konstant hält, gibt es Märkte, die
umkämpfter sind als andere. Die optimale Situation wäre eine Gelegenheit mit hoher
Freigiebigkeit bei gleichzeitig geringer Feindlichkeit. Ein Beispiel hierfür ist der Markt für
Energy Drinks. Die Firma Red Bull, die im Geschäftsjahr 2007 einen Umsatz von über 3
Mrd. EUR erwirtschaftete, hat das Potenzial dieses Marktes frühzeitig erkannt. Die
Feindlichkeit war zum Zeitpunkt ihres Markteintritts sehr gering. Es gab lediglich einige
kleine Mitbewerber. Etablierte Anbieter der Soft Drink-Branche sind lange Zeit nicht in
den Markt für Energy Drinks eingestiegen. Die beiden Dimensionen Freigiebigkeit und
Feindlichkeit werden im Rahmen der Hypothesenherleitung noch im Detail vorgestellt.
Auch der Konfigurationsansatz, der die theoretische Basis für die Integration der Dimen-
sionen der Aufgabenumwelt bildet, ist nicht frei von Kritik. Zahra und Pearce (1990) füh-
ren an, dass er, wie auch der Kontingenzansatz, lediglich Momentaufnahmen der Reali-
tät macht. Die Beziehungen zwischen den betrachteten Variablen dürfen daher nicht
kausal interpretiert werden. Je höher die Anzahl der untersuchten Variablen ist, desto
höher ist auch die Anzahl unterschiedlicher Gestalten. Forscher müssen demnach zwi-
schen wenig Gestalten und einer entsprechend hohen Generalisierbarkeit der Ergebnis-
se sowie vielen Gestalten und einer entsprechend geringen Generalisierbarkeit der Er-
gebnisse abwägen (Miller 1981).
Nach einer kurzen Einführung in die theoretischen Ansätze der Arbeit, folgt nun die
Hypothesenherleitung.
63
2.2 Hypothesenherleitung
„Entrepreneurship is the key element for gaining competitive advantage and conse-
quently greater financial rewards” (Schollhammer 1982, S. 210). Der Zusammenhang
zwischen EO und dem UE ist jedoch mehrstufig, potenziell nicht-linear
(Dess/Lumpkin/Covin 1997) und vom Kontext, d.h. unternehmens-
internen bzw. unternehmensexternen Variablen, abhängig (Lumpkin/Dess 1996a). Der
Zusammenhang kann verschiedene Formen annehmen. Es ist zum einen denkbar, dass
er durch eine oder mehrere dritte Variablen moderiert wird. Zum anderen ist es aber
auch möglich, dass EO mit einer anderen Variable interagiert und sich aus dieser Inter-
aktion ein Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg ergibt (Lumpkin/Dess 1996a).
Schließlich wären Nicht-Linearitäten zu erwarten. Bisherige empirische Studien zum Zu-
sammenhang zwischen EO und UE zeigen wegen ihrer sehr unterschiedlichen methodi-
schen Ansätze kein eindeutiges Bild (Wiklund/Shepherd 2005). Auch aus diesem Grund
soll hier der Versuch unternommen werden, den Zusammenhang zwischen EO und UE
theoretisch sorgfältiger zu modellieren.
2.2.1 Zusammenhang zwischen den einzelnen EO-Dimensionen und UE
2.2.1.1 Innovativität
Innovativität steht für die Neigung und die Fähigkeit eines Unternehmens, sich für neue
Ideen, Experimente und kreative Prozesse, die zu neuen Produkten, Dienstleistungen
oder internen Prozessen führen können, zu engagieren und diese zu unterstützen
(Lumpkin/Dess 1996a). Innovative Unternehmen, die neue Produkte und Technologien
schaffen und am Markt einführen, werden als der Motor wirtschaftlichen Wachstums ge-
sehen (Brown/Eisenhardt 1995). So machten auch Brüderl und Preisendörfer (2000) In-
novation als den stärksten singulären Prädiktor des Unternehmenswachstums aus. Ein
starker Fokus auf Innovativität kann den Eintritt in neue Märkte fördern, die Präsenz des
Unternehmens in bestehenden Märkten ausbauen und auch die Fähigkeit stärken, neue
Geschäftsmöglichkeiten zu sondieren (Cho/Pucik 2005).
Das Ergebnis von Innovativität können sowohl inkrementelle als auch radikale Innovatio-
nen sein (Lassen/Gertsen/Riis 2006). Unter inkrementellen Innovationen versteht man
z.B. Produktverbesserungen auf Basis sich ändernder Kundenwünsche, etwa eine neue
Geschmacksrichtung oder ein neues Produktdesign. Inkrementelle Innovationen dienen
der Sicherung und dem Ausbau von Marktanteilen in Produktmärkten (Bessant/Caffyn
1997). Radikale Innovationen beinhalten das Potenzial etablierte Technologien abzulö-
64
sen (Christensen 1997; Abetti 2000). Synonyme für radikale Innovationen sind „disrupti-
ve“, „non-linear“, „discontinous“, „break-through“ und „paradigm-shifting“
(Lassen/Gertsen/Riis 2006). Gerade für kleine Unternehmen, insbesondere für Bran-
chenneulinge, bieten disruptive Technologien große Wachstumspotenziale. Oft setzen
die etablierten Unternehmen einer Branche noch für eine gewisse Zeit auf die herkömm-
liche Technologie. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Kunden der etablierten Unter-
nehmen noch nicht nach der neuen Technologie verlangen. Die neue Technologie bringt
oft auch Umstellungskosten, die von den etablierten Unternehmen vermieden werden
wollen. Die innovativen Unternehmen können somit – zumindest für gewisse Zeit – den
Markt, den die disruptive Technologie schafft, alleine bearbeiten. Die Firma Research in
Motion (RIM), die den Blackberry entwickelte, ist hierfür ein gutes Beispiel. Sie bot ins-
besondere für Geschäftsreisende eine neuartige Alternative zur herkömmlichen Kombi-
nation aus Mobiltelefon und E-Mail-Programm auf dem Notebook. Längere Zeit war das
Unternehmen der einzige größere Anbieter eines Push-E-Mail-Dienstes, also eines
Dienstes, der E-Maisl automatisch zustellt, ohne dass sie abgerufen werden müssen, in
Kombination mit einem dafür geeigneten und nutzerfreundlichen mobilen Endgerät. RIM
gelang es mit dieser disruptiven Technologie, eine Vielzahl von Geschäftskunden mit
länger (in der Regel 24 Monate) laufenden Verträgen für sich zu gewinnen.
Eine wesentliche Motivation von Unternehmen zu innovieren, ist es, den Unternehmens-
erfolg zu steigern (Damanpour 1991). Die Theorie der Dynamic Capabilities kann zur
Erklärung dieses Zusammenhangs beitragen. Wie gezeigt wurde, kann Innovativität per
se als eine dynamische Fähigkeit aufgefasst werden (Teece 2007). Befindet sich das
Unternehmen in einer turbulenten Umwelt, ist zudem die Fähigkeit, vorhandene Res-
sourcen neuen Verwendungen zuzuführen und so die Innovativität zu wahren, eine Dy-
namic Capability.
Der Innovationsprozess mündet nicht nur in geplanten neuen Produkten und Dienstleis-
tungen, er kann – wenn man so will, in einigen Fällen als Abfallprodukt – zu völlig neuen
technologischen Gelegenheiten führen (Teece/Pisano/Shuen 1997). Darunter fallen etwa
Dienstleistungen, die im Rahmen des Innovationsprozesses notwendig sind und die
nach dessen Anschluss Dritten angeboten werden können. Ein Beispiel aus der Phar-
mabranche wäre das DNA-Screening. Dabei werden Proben von DNAs, also die Träge-
rinnen der Erbinformation, analysiert, um herauszufinden, ob Gene vorhanden sind, die
auf eine mögliche künftige Krankheit schließen lassen. Die Nutzung solch neuer Gele-
genheiten kann zur Steigerung des Unternehmenserfolges beitragen.
65
Auch die Theorie der Pioniervorteile kann einen Erklärungsbeitrag zum Zusammenhang
zwischen Innovativität und Unternehmenserfolg liefern. Innovative Unternehmen können
bei der Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen Pioniere bzw. „First Mo-
ver“ sein (Wiklund 1999). Pioniere sind empirischen Studien zufolge überdurchschnittlich
erfolgreich (Chaney/Devinney/Winer 1991). Hierfür gibt es mehrere Gründe. Sie können
Premium-Marktsegmente besetzen und entsprechend hohe Preise verlangen, sie kön-
nen Vertriebskanäle dominieren und zudem ihr Produkt als Branchenstandard
(Zahra/Covin 1995) etablieren. Darüber hinaus können sie Marken aufbauen, die später
eher wiedererkannt werden. Oft gelingt es Pionieren auch, eine Reputation als Techno-
logieführer zu erwerben. Die aus Pioniervorteilen resultierenden Pioniergewinne können
sich auch im Zeitverlauf durch Lern- und Erfahrungskurveneffekte erhöhen (Zahra/Covin
1995). Allerdings müssen die Pioniervorteile etwaige Pioniernachteile wie Free-Rider-
Probleme, Marktunsicherheiten oder bevorstehende Technologiewechsel überwiegen.
Die Ergebnisse einer Metaanalyse der empirischen Literatur zu Pioniervorteilen deuten
eindeutig darauf hin, dass dies gelingen kann und ein positiver Nettoeffekt vorliegt, also
Pioniervorteile Pioniernachteile überwiegen (Lieberman/Montgomery 1988). Ein positiver
Zusammenhang zwischen Innovativität und Unternehmenserfolg wurde bereits in mehre-
ren empirischen Arbeiten nachgewiesen (Deshpandé/Farley/Webster Jr. 1993; Calanto-
ne/Cavusgil/Yushan 2002; Hult/Hurley/Knight 2004). Diese Diskussion führt zur ersten
Hypothese.
H1: Zwischen Innovativität und dem UE besteht ein positiver Zusammen-
hang.
2.2.1.2 Proaktivität
Wie gezeigt wurde, kann auch Proaktivität als eine dynamische Fähigkeit aufgefasst
werden (Teece 2007). Daher sollte die Theorie der Dynamic Capabilities einen Erklä-
rungsbeitrag zum Zusammenhang zwischen Proaktivität und Unternehmenserfolg liefern.
Als Proaktivität wird das zukunftsgerichtete Handeln eines Unternehmens, das künftige
Nachfrage antizipiert und seine Umwelt gestaltet bezeichnet. Das Unternehmen berück-
sichtigt dabei insbesondere neue Gelegenheiten bzw. Geschäftsmöglichkeiten (Lump-
kin/Dess 2001).
Proaktive Unternehmen betreiben ein aktives Monitoring ihrer Aufgabenumwelt. Sie stel-
len dadurch Veränderungen in ihren Absatzmärkten eher fest als reaktive Unternehmen.
Die rechtzeitige Beobachtung ihres Umfeldes verschafft ihnen auch die Zeit, notwendige
Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen. Folglich werden diese Entscheidungen
66
fundierter getroffen, wie Mascarenhas (1992a; 1992b) am Beispiel internationaler
Markteintritte zeigt. Eine aktive Beobachtung ihrer Aufgabenumwelt ermöglicht es proak-
tiven Unternehmen zudem, Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und zu erschließen,
bevor dies ihre Wettbewerber tun (Zahra/Covin 1995), und dadurch auch Pioniervorteile
zu erlangen (Dess/Lumpkin/Covin 1997). Beim Erkennen neuer Geschäftsmöglichkeiten
ist das von Kirzner (1978) für den individuellen Unternehmer geprägte Konzept der
„entrepreneurial alertness“ auf die Ebene des Unternehmens übergegangen und zu einer
Fähigkeit des Unternehmens geworden. Lassen et al. (2006, S. 364) zitieren den Vor-
standsvorsitzenden eines Audioprodukteherstellers, den sie im Rahmen einer Fallstudie
zur Bedeutung von Proaktivität in seinem Unternehmen befragt haben: „Some say that
luck follows the crazy, but I strongly believe that luck follows the ones who seek it. So we
need to seek continously, and this will create possibilities of riding on entirely new waves
and gaining a unique market position.”
Proaktivität kann auch dazu führen, dass Geschäftsmöglichkeiten erst völlig neu ge-
schaffen werden (Jantunen et al. 2005). Dies ist etwa dann der Fall, wenn es dem Un-
ternehmen gelingt, von Kunden noch nicht artikulierte Bedürfnisse (Christensen/Bower
1996) rechtzeitig zu erkennen und diese auch durch entsprechendes Handeln zu befrie-
digen (Sandberg 2005). Proaktive Unternehmen antizipieren Veränderungen in ihrem
Markt eher. Hierdurch gelingt es ihnen, ihren Wettbewerbern Marktanteile streitig zu ma-
chen (Hughes/Morgan 2007). Da proaktive Unternehmen aber nicht nur Veränderungen
früher erkennen, sondern diese auch aktiv herbeiführen (Bateman/Crant 1993), wirkt
Proaktivität der Gefahr entgegen, dass im Unternehmen Trägheit entsteht
(Hughes/Morgan 2007). Proaktiven Unternehmen kann es auch gelingen, die Wettbe-
werbsregeln in ihrer Branche zu ihren Gunsten zu verändern (Dess/Lumpkin 2005a). So
kannibalisierte die Firma Videobuster ihr eigenes Kerngeschäft, den DVD-Verleih aus
Videotheken, indem sie sowohl in den Internet-DVD-Verleih als auch in das Video-on-
Demand-Geschäft einstieg. Wettbewerbsvorteile sollten durch proaktives Handeln be-
sonders effektiv erschaffen werden können, da Mitbewerber gezwungen sind, auf erfolg-
reiche Initiativen zu reagieren (Dess/Lumpkin 2005a).
Proaktive Unternehmen profitieren, wenn sie als erste in Märkte eintreten, von Pionier-
vorteilen bzw. First Mover Advantages (Lieberman/Montgomery 1988). Zum einen sind
die Gewinnspannen relativ hoch, da mangels Wettbewerbs kein Druck auf die Preise
aufkommt. Zum anderen können Pioniere, wenn es ihnen gelingt, eine Marke aufzubau-
en, vom Wiedererkennungswert der Marke nachhaltig profitieren.
67
Über so genanntes proaktives Experimentieren (March 1991) fand etwa auch Google zu
seinem Kerngeschäftsmodell, der Vermarktung bezahlter Suchergebnisse, die neben
den „normalen“, organischen Suchergebnissen angezeigt werden – ein völlig neuer
Markt, der inzwischen weltweit mehrere Milliarden Euro groß ist. Wie Stam und Elfring
(2006) ausführen, kann Proaktivität insbesondere bei jüngeren Unternehmen bedingen,
dass die Unternehmensleitung koordiniertes Handeln zwischen verschiedenen Unter-
nehmen einer Branche herbeiführt. Dies kann von einfachen Kooperationen und der Set-
zung von technologischen Standards bis hin zu für die mitwirkenden Unternehmen profi-
tablen, wenn auch in vielen Rechtsgebieten verbotenen, Preisabsprachen führen.
Schließlich ist die Unternehmensführung proaktiver Unternehmen eher geneigt, auch
branchenübergreifende persönliche Kontakte zu nutzen. Durch diese kann für die eigene
Branche relevantes Wissen erworben werden (Stam/Elfring 2006). Über die kontinuierli-
che Suche nach neuen Möglichkeiten, bei der sie sich mit anderen Branchenvertretern
austauschen, laufen proaktive Unternehmen allerdings auch Gefahr, sich in ihrer Bran-
che zu sehr zu vernetzen. Stam/Elfring (2006) sprechen hierbei von dem Phänomen der
„overembeddedness“, einer der Kehrseiten sozialen Kapitals. Diese zu starke Vernet-
zung entsteht z.B., wenn ein Fokusverlust stattfindet oder gar wettbewerbsrelevantes
Wissen preisgegeben wird.
Die angeführten positiven Aspekte von Proaktivität sollten jedoch in aller Regel überwie-
gen. Chen und MacMillan (1992) zeigen z.B., dass Unternehmen, die zuerst handeln und
Early Responder, also die Unternehmen, die direkt nach ihnen handeln, gegenüber Late
Respondern Marktanteile gewinnen können. Es existiert auch eine Reihe weiterer empi-
rischer Arbeiten, die auf einen positiven Zusammenhang zwischen Proaktivität und Un-
ternehmenserfolg hinweisen (Miller 1983; Miller/Friesen 1983; Day/Wensley 1988;
Venkatraman 1989a; Wright et al. 1995).
H2: Zwischen Proaktivität und UE besteht ein positiver Zusammenhang.
Der positive Zusammenhang zwischen Proaktivität und UE sollte bei einer feindlichen
Aufgabenumwelt stärker sein. Eine feindliche Aufgabenumwelt kann als negativ, unsi-
cher und als Quell nachteiliger Bedingungen, die sich mit den Ressourcen des Unter-
nehmens nicht bewältigen lassen, betrachtet werden (Miles/Arnold/Thompson 1993). In
einer feindlichen Aufgabenumwelt haben Manager oft weniger Zeit, um Entscheidungen
zu treffen, die Kundenbedürfnisse sind weniger leicht vorhersehbar, eine langfristige
Planung und Steuerung gestaltet sich als schwierig (Davis/Morris/Allen 1991). Eine
feindliche Aufgabenumwelt erfordert daher besonders schnelle Reaktionen (Mintzberg
1979, S. 269). Sind Unternehmen bei einer feindlichen Aufgabenumwelt proaktiv, agie- 68
ren sie also statt zu reagieren, können sie die verbleibenden Gelegenheiten schneller
erkennen, wahrnehmen, dabei ihren Wettbewerbern zuvorkommen und sich somit einen
Vorteil erarbeiten (Kreiser/Marino/Weaver 2002b). Moorman und Miner (1998) zeigen,
dass sich Unternehmen in einer turbulenten Aufgabenumwelt proaktiv verhalten, indem
sie stärker improvisieren und experimentieren als Unternehmen in einer nicht-turbulenten
Aufgabenumwelt.
McGee und Rubach (1996) analysieren in ihrer Arbeit das Verhalten kleinerer Einzel-
handelsunternehmen, nachdem WalMart in ihren Markt eingetreten und dadurch ihre
Aufgabenumwelt feindlich geworden ist. Die proaktive Senkung von Preisen bei gleich-
zeitiger Verbesserung der Servicequalität wird als eine erfolgversprechende Maßnahme
für die keinen Einzelhändler identifiziert. Calantone et al. (1997) befragen in ihrer Studie
Manager, die in der Neuproduktentwicklung tätig sind, zum Zusammenhang zwischen
Neuproduktentwicklung und Neuprodukterfolg. Sie betrachten als moderierende Variable
des Zusammenhangs eine feindliche Aufgabenumwelt und können zeigen, dass die Wir-
kung der Fertigkeiten in der Neuproduktentwicklung auf den Neuprodukterfolg stärker ist,
wenn sich die Unternehmen in einer feindlichen Aufgabenumwelt befinden. Als ein
Grund wird die Geschwindigkeit, die als Ausprägung von Proaktivität gedeutet werden
kann, genannt. Auch Eckert (2008, S. 216f.) konnte in seiner explorativen Untersuchung
zur Anpassung deutscher Familienunternehmen an sich ändernde Umweltbedingungen
zeigen, dass eine schnelle Anpassung einer langsamen vorzuziehen ist. Als Grund für
die schnelle Anpassung wurde von den untersuchten Unternehmen u.a. eine feindliche
Aufgabenumwelt genannt. Auch Covin und Covin (1990), Zahra und Covin (1995) sowie
Lumpkin und Dess (2001) berichten von einem positiven Zusammenhang zwischen Pro-
aktivität und einer feindlichen Aufgabenumwelt.
H3: Der positive Zusammenhang zwischen Proaktivität und UE ist bei einer
feindlichen Aufgabenumwelt stärker ausgeprägt.
2.2.1.3 Risikoübernahme
Firmen, die eine hohe Ausprägung der EO-Dimension Risikoübernahme aufweisen, sind
bereit, signifikante Ressourcen für neue Projekte, deren Ausgang ungewiss ist, einzuset-
zen, sich stark zu verschulden und neues auszuprobieren bzw. von bewährten Hand-
lungsmustern abzuweichen (Lumpkin/Dess 1996a). Investitionsprojekte, die für Schaf-
fung künftiger Erfolgspotenziale des Unternehmens nötig sind, erfordern in vielen Fällen
erhebliche finanzielle Mittel. Sind diese Mittel nicht verfügbar und werden auch nicht
durch Gesellschafter erbracht, sind Unternehmen gezwungen sind, sich zu verschulden.
69
Die Zins- und Tilgungszahlungen der Darlehen belasten die Liquidität der Unternehmen.
Erfolgen Einzahlungen nicht planmäßig, läuft das Unternehmen Gefahr, Zahlungsver-
pflichtungen nicht einhalten zu können und somit Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit
anmelden zu müssen. Damit bergen Investitionsprojekte Risiken. Auch die Abkehr von
bewährten Handlungsmustern birgt Risiken. Werden etwa neue Marketingmaßnahmen
ausprobiert oder ein neuer Vertriebskanal getestet, erfordert dies nicht nur den Einsatz
finanzieller Mittel, auch die Reputation des Unternehmens ist potenziell gefährdet. So
kann z.B. ein unpassender neuer Werbespot einer Marke mehr schaden als helfen. Wie
gezeigt wurde, kann auch Risikoübernahme als eine dynamische Fähigkeit aufgefasst
werden (Teece 2007). Daher sollte die Theorie der Dynamic Capabilities einen Erklä-
rungsbeitrag zum Zusammenhang zwischen Risikoübernahme und Unternehmenserfolg
liefern.
Der Wille, Risiko zu übernehmen bzw. Unsicherheit zu akzeptieren, ist eine Vorausset-
zung dafür, dass neue Projekte wie etwa Innovationsprojekte überhaupt erst initiiert wer-
den (Shane 1992). Insbesondere für die Entwicklung radikaler Innovationen bedarf es
eines gewissen Maßes an Risikoneigung. Geringe Risikoneigung kann lediglich zu in-
krementellen Innovationen führen (Lassen/Gertsen/Riis 2006). Entsprechend stellen so-
wohl Covin und Slevin (1989) als auch Naldi et al. (2007) einen positiven Zusammen-
hang zwischen der Risikoübernahmeneigung und Innovativität fest.
Wird nicht gehandelt und werden keine Risiken eingegangen, weil etwa zu lange geplant
und evaluiert wird, können herausragende Geschäftsmöglichkeiten, die häufig nur in ei-
nem bestimmten Zeitfenster oder „Window of Opportunity“ erfolgversprechend sind, nicht
wahrgenommen werden. Dickson und Giglierano (1986) bezeichnen dieses Risiko als
„missing the boat risk“. Das Eingehen von Risiken bewahrt das Unternehmen auch da-
vor, träge zu werden und evtl. zu sehr an hergebrachten Traditionen festzuhalten
(Busenitz/Barney 1997).
Die empirischen Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft und Un-
ternehmenserfolg sind widersprüchlich (Begley/Boyd 1987; Aaker/Jacobson 1987). Wäh-
rend etwa Cardozo und Smith (1983) sowie Eisenhardt (1989) einen positiven Zusam-
menhang zwischen Risikoübernahme und UE feststellt, berichtet Venkatraman (1989a)
von einem negativen Zusammenhang zwischen Risikoübernahme und der Profitabilität
des Unternehmens. Der Grund hierfür könnte sein, dass zu hohe Risiken eingegangen
werden. Im Extrem kann dadurch signifikant Wert vernichtet und der Bestand des Unter-
nehmens gefährdet werden. So wurden zwischen März 2000 und März 2001 an den US-
Aktienmärkten mehr als drei Billionen USD an Marktkapitalisierung vernichtet. Überwie- 70
gend war dies auf zu riskante Investitionen in Internetunternehmen ohne tragfähiges Ge-
schäftsmodell zurückzuführen (Dess/Lumpkin 2005a). Auch Naldi et al. (2007) berichten
von einem negativen Zusammenhang zwischen Riskoübernahme und UE in ihrer Unter-
suchung von Familienunternehmen. Den Grund dafür sehen sie primär in den eher in-
formellen und wenig systematischen Investitionsprozessen der Familienunternehmen.
Andere Arbeiten vertreten die These, dass die Wahl risikoarmer Strategien zwar zu ei-
nem höheren Durchschnittserfolg führt, riskantere Strategien trotz ihrer höheren Erfolgs-
varianz aber langfristig vorteilhafter sind (March 1991; McGrath 2001). Die Widersprüch-
lichkeit der Ergebnisse lässt vermuten, dass es sich um einen nicht-linearen Zusammen-
hang handelt. Weder die völlige Vermeidung von Risiken, noch das Eingehen zu hoher
Risiken erscheint vorteilhaft. Nur hinreichend kontrolliertes Risiko kann zur Schaffung
von Wettbewerbsvorteilen beitragen. Zur Kontrolle des Risikos müssen in einem ersten
Schritt die Risikoquellen bzw. Risikofaktoren identifiziert werden. In einem zweiten Schritt
bietet sich die Methode Szenarioanalyse an, um verschiedene mögliche Ergebnis zu
simulieren (Dess/Lumpkin 2005a). Drucker (2005b, S. 9) argumentiert, dass erfolgreiche
Unternehmer typischerweise keine „risk takers“ sind, sondern Risiken verstehen und
managen können. Rauch et al. (2009) kommen in ihrer Metaanalyse zu dem Ergebnis,
dass die EO-Dimension Risikoübernahme im Vergleich zu anderen EO-Dimensionen
einen deutlich weniger stark ausgeprägten Zusammenhang mit dem Unternehmenser-
folg aufweist. Sie bezeichnen die Verbindung zwischen Risikoübernahme und UE als
weniger offensichtlich. Auf einen nicht-linearen Zusammenhang haben sie hingegen
nicht geprüft. Der nur schwach positive Befund könnte jedoch ein Indiz für einen nicht-
linearen Zusammenhang sein.
H4: Zwischen Risikoübernahme und UE besteht ein umgekehrt U-förmiger
Zusammenhang.
2.2.1.4 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern umfasst nach Lumpkin und Dess
(2001a) die Intensität der Anstrengungen eines Unternehmens, besser zu sein als seine
Wettbewerber. Aggressive Unternehmen sehen ihre Wettbewerber als Feinde, die es zu
besiegen gilt (Hughes/Morgan 2007). Nach Davidson (1987) lässt sich Aggressivität ge-
genüber Wettbewerbern etwa dadurch implementieren, dass Unternehmen Ressourcen
für direkte Angriffe auf Wettbewerber mobilisieren. Wie gezeigt wurde, kann auch ag-
gressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern als eine dynamische Fähigkeit aufge-
fasst werden (Teece 2007). Daher sollte die Theorie der Dynamic Capabilities einen Er-
71
klärungsbeitrag zum Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten gegenüber Wett-
bewerbern und Unternehmenserfolg liefern.
Nach Ferrier (2001) erfolgt der Angriff dabei meist in einer Folge von auf den Wettbe-
werber gerichteten Handlungen. Üblicherweise reagiert der angegriffene Wettbewerber
mit einer bzw. mehreren Gegenmaßnahmen. Ferrier (2001) unterscheidet fünf Typen
von „competitive action events“, also auf den Wettbewerb gerichteten Handlungen: 1)
Pricing-Aktionen wie eine radikale Preissenkung, 2) Marketing-Aktionen wie die Gewin-
nung eines dominanten Vertriebspartners, 3) Neuprodukt-Aktionen wie eine radikale In-
novation, die ein bestehendes Produkt überflüssig macht oder die Imitation des Produk-
tes eines Mitbewerbers (Dess/Lumpkin 2005a), 4) Kapazitäts-Aktionen wie der Bau einer
neuen Produktionsanlage und 5) Signalling-Aktionen wie die Ankündigung eines Bör-
sengangs. Einige Signalling-Aktionen werden lediglich durchgeführt, um den Wettbewerb
einzuschüchtern. Der Ankündigung folgen aber keine entsprechenden Handlungen. Ein
derartiges Verhalten ist ethisch fragwürdig (Dess/Lumpkin 2005a).
Oft sollen bei den Handlungen Anstrengungen der Wettbewerber im Markt unterminiert
und gezielt deren Schwächen angegriffen werden. Oracles Anzeigenkampagne, die
mehrere Monate im Jahr 2007 auf der Rückseite der Zeitschrift The Economist zu sehen
war und sich direkt gegen die Schwächen der SAP-Software richtete, ist hierfür ein pla-
katives Beispiel. Sowohl Porters (1985) Differenzierungsstrategie als auch die Strategie
der Kostenführerschaft, letztere z.B. in der Form des für den Konkurrenten ruinösen
Preiswettbewerbs, können von aggressiven Unternehmen angewandt werden, um Wett-
bewerbsvorteile zu erlangen und zu erhalten. Atuahene-Gima und Ko (2001) diskutieren
„aggressive Initiativen“, mit denen die Wettbewerbslandschaft verändert wird. Ein Bei-
spiel hierfür findet sich in der deutschen Luftfahrtbranche. Dort hat sich Ende der Neun-
ziger Jahre mit dem Markteintritt verschiedener Fluggesellschaften, die sich durch Kos-
tenführerschaft und eine sehr kompetitive Preissetzung auszeichnen, eine stark verän-
derte Wettbewerbslandschaft – zumindest für Kurzstreckenflüge – herausgebildet. Etab-
lierte Unternehmen wie die Lufthansa mussten zur Verteidigung ihrer Wettbewerbsposi-
tion auf neue Anbieter wie Tuifly (ehemals HLX) oder Air Berlin reagieren, indem sie
Preisreduktionen (etwa „better Fly“-Angebote der Lufthansa) vornahmen oder sich an
den neuen Wettbewerbern (Lufthansa an Germanwings) finanziell beteiligten. Im Gegen-
satz zu Proaktivität äußert sich aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern auch
dadurch, dass Unternehmen nicht nur allgemein ihr Umfeld, sondern gezielt Wettbewer-
ber beobachten, um deren Schwächen zu identifizieren und auszunutzen. Generell ist
das kontinuierliche aktive Nutzen von Informationen zum Nachteil eines Wettbewerbers
72
ein Zeichen aggressiven Verhaltens. Dieses Verhalten sollte den Unternehmenserfolg
verbessern, da durch die Schwächung der Wettbewerber Marktanteile ausgebaut wer-
den können.
Je simpler und gewöhnlicher eine wettbewerbsgerichtete Maßnahme ist, desto leichter
lernen die Wettbewerber, darauf zu reagieren und entsprechend weniger wirkungsvoll
wird die Maßnahme sein (Heiner 1983). Ein Beispiel wäre eine gewöhnliche Marketing-
Aktion wie etwa eine neue Werbekampagne. Im Zweifel erfolgt darauf auch gar keine
Reaktion des Wettbewerbs. Anspruchsvolle und ungewöhnliche wettbewerbsgerichtete
Maßnahmen erfordern hingegen eine umfassende Beschäftigung des Angegriffenen mit
der Maßnahme (Lumpkin/Dess 1995). Ungewöhnliche Handlungen sind auch die von
Rothschild (1984) diskutierten „Überraschungen“ von Wettbewerbern zur Erlangung von
Wettbewerbsvorteilen. Überraschte Wettbewerber können als Folge der Komplexität der
Situation entweder mit unüberlegtem Aktivismus oder, nach Verarbeitung der Situation,
verzögert reagieren. In beiden Fällen ist ein resultierender Wettbewerbsnachteil realis-
tisch.
Wenn Unternehmen regelmäßig Wettbewerber angreifen, lernen sie daraus und bauen
Wissen in der Organisation auf, mit welchen Routinen und Maßnahmen sie ihrerseits
Angriffe erwidern können. Die Erfahrung mit Preiskämpfen ist hierfür ein Beispiel. Ent-
sprechende Erfahrung erhöht ihre Entscheidungskompetenz und -effizienz im Falle von
Angriffen (Young/Smith/Grimm 1996). Noble et al. (2002) berichten von einem positiven
Zusammenhang zwischen der „competitor orientation“, einer Dimension der Marktorien-
tierung, und ihrem betrachteten Lern-Konstrukt.
Grundsätzlich sind auch Nachteile aggressiven Verhaltens denkbar. So könnten z.B.
Vergeltungsmaßnahmen der Wettbewerber gegenüber den aggressiv auftretenden Un-
ternehmen die Folge sein. Diese Maßnahmen könnten etwa im rechtlichen Bereich lie-
gen und somit langwierige und teure Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Aber auch
marktseitige Reaktionen sind denkbar. Auf eine aggressive Preisstrategie des Aggres-
sors könnte eine Preisreduktion seitens des Wettbewerbers erfolgen. Insbesondere von
etablierten Unternehmen erwarten viele Anspruchsgruppen wie z.B. ihre Kunden, nicht
zu aggressiv aufzutreten (Chen/Hambrick 1995).
Die Ergebnisse bisheriger empirischer Arbeiten zur Auswirkung von aggressivem Verhal-
ten auf den Unternehmenserfolg sprechen aber überwiegend für einen positiven Zu-
sammenhang. Zwar hat nach Fruhan (1972) Aggressivität, die dem Marktanteilsausbau
dient, keine Auswirkung auf das Umsatzwachstum und eine negative Auswirkung auf die
73
Profitabilität. Und auch Venkatraman (1989a) stellt einen negativen Zusammenhang fest.
Hambrick, MacMillan und Day (1982) zeigen hingegen, dass sich mit aggressivem Ver-
halten Marktanteile ausbauen lassen, ohne eine reduzierte Profitabilität in Kauf nehmen
zu müssen. Lee et al. (2000) betonen die Notwendigkeit einer Vielzahl wettbewerbsori-
entierter Handlungen, um Erfolg zu haben. Auch die empirischen Ergebnisse von Noble
et al. (2002), welche die Erfolgswirkung der einzelnen Dimensionen einer Marktorientie-
rung untersuchen, sprechen für einen positiven Beitrag von Aggressivität gegenüber
Wettbewerbern für den UE. Die betrachtete Dimension der „Competitor Orientation“ hatte
als einzige Marktorientierungsdimension über alle betrachteten Modelle hinweg einen
positiven Bezug zur Umsatz- und Gesamtkapitalrendite des Unternehmens. Lumpkin und
Dess (2001a) berichten ebenfalls von einem positiven Zusammenhang zwischen ag-
gressivem Verhalten und Umsatzrendite sowie Gewinn. Ferrier (2001) betrachtet eine
Reihe von Arbeiten der „Competitive Dynamics“-Forschungsrichtung. Die Arbeiten be-
schäftigen sich mit wettbewerbsorientierten Handlungen von Unternehmen und die Re-
aktionen darauf. Er kommt zu dem Ergebnis „the main lesson drawn from these research
efforts is that aggressive competitive behavior is related to better organizational perform-
ance“ (Ferrier 2001, S. 859). Gerade in Zeiten von Deregulierung, (Kumbhakar/Lozano-
Vivas 2004), immer kürzer werdenden Produktzyklen (Hauser/Shugan 2008) und der
damit verbundenen zunehmenden Wettbewerbsintensität, erscheint es plausibel, dass
sich aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern als erfolgreiche Strategie be-
währt.
H5: Zwischen aggressivem Verhalten gegenüber Wettbewerbern und UE
besteht ein positiver Zusammenhang.
2.2.1.5 Autonomie
Die EO-Dimension der Autonomie bezieht sich darauf, inwieweit Organisationsmitglieder
(Individuen oder Teams) in Handlungen, die darauf abzielen, eine Geschäftsidee oder
Vision weiterzuentwickeln und umzusetzen, frei sind. Diese Freiheit wird von Spreitzer
(1995) auch als „Empowerment“ bezeichnet. Nur wenn den Mitarbeitern bzw. Managern
Autonomie gewährt wird, kommt es zu unternehmerischem Verhalten (Lumpkin/Dess
1996a), der ständigen Verbesserung bestehender Prozesse (Kanter et al. 1990), der
Initiierung unternehmerischer Projekte (Burgelman 1983a) und der generellen Suche
nach unternehmerischen Gelegenheiten (Ireland/Hitt/Sirmon 2003). Voraussetzungen für
Autonomie bzw. Empowerment sind offene Kommunikation, der unbeschränkte Zugang
zu Informationen und die Möglichkeit, ohne Einmischung von Vorgesetzten denken und
74
handeln zu können (Engel 1970; Spreitzer 1995). Die Arbeit in kleinen Teams begünstigt
Autonomie (Deutschman 2004).
Indem das Management Autonomie schafft, signalisiert es seinen Mitarbeitern Vertrauen
in deren Fähigkeit, effektiv zu handeln. Gellatly und Irving (2001) haben herausgefunden,
dass Manager, die autonom agieren können, von ihren Vorgesetzten überdurchschnittli-
che Beurteilungen erhalten. Dies deutet auf eine höhere Effektivität bei vorhandener Au-
tonomie hin. Wenn die Organisationsmitglieder nicht durch Normen oder bestehende
Traditionen in der Organisation behindert werden, können sie effektiver unternehmeri-
sche Gelegenheiten prüfen und vorantreiben (Burgelman 1983a; Green/Brush/Hart
1999). Wie Lassen et al. (2006) in einer Fallstudie zeigen, können sich innovative Mitar-
beiter in einem solchen Umfeld besonders gut entfalten und radikale Innovationen her-
vorbringen. Mitarbeiter, die autonom handeln können, wissen dies auch zu schätzen. So
weisen Eisenberger, Rhoades und Cameron (1999) einen positiven Zusammenhang
zwischen Autonomie und der Wertschätzung durch die Mitarbeiter, die in der arbeitspsy-
chologischen Literatur als „Perceived Organizational Support“ (POS)
(Rhoades/Eisenberger 2002) bezeichnet wird, nach. Die Metaanalyse von Rhoades und
Eisenberger (2002) zeigt, dass POS und Arbeitszufriedenheit ebenfalls positiv miteinan-
der verknüpft sind. Eine höhere Zufriedenheit wiederum steht positiv im Zusammenhang
mit der Leistung der Mitarbeiter (Amabile/Kamer 2007; Akehurst/Comeche/Galindo
2009). Abbildung 3 illustriert diese Zusammenhänge.
Autonomie POS Arbeitszufriedenheit Mitarbeiterleistung+ + +
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Autonomie, POS, Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterleistung
Sowohl Thompson (1969) als auch Hage und Aitken (1970) argumentieren, dass Auto-
nomie die Bildung von Subkoalitionen zwischen verschiedenen Organisationseinheiten
ermöglicht. Diese Subkoalitionen sind für innovative Aktivitäten förderlich. Autonomie ist
besonders häufig in Unternehmenskulturen anzutreffen, die von organischen im Gegen-
satz zu mechanistischen Prozessen geprägt sind. Die Unterscheidung in organische und
mechanistische Unternehmenskulturen wurde von Burns und Stalker (1961) vorgeschla-
gen. Im Gegensatz zu mechanistischen Unternehmenskulturen herrscht in organischen
Unternehmenskulturen ein geringer Formalisierungsgrad, Stellenbeschreibungen sind
wenig detailliert, man tauscht sich oft miteinander aus, Regeln werden häufig eher lax
75
interpretiert, die Aufgaben sind meist wenig monoton und Mitarbeiter werden in Ent-
scheidungsprozesse eingebunden (Gillen/Carroll 1985). In organischen Unternehmens-
kulturen arbeiten selbstorganisierte kleine Gruppen in dynamischer Atmosphäre zusam-
men, übernehmen Verantwortung für ihre Projekte (Lassen/Gertsen/Riis 2006) und tau-
schen auch implizites Wissen miteinander aus, woraus sich kreative Lösungen ergeben
können (Thompson 2003). Weitere Merkmale einer organischen Unternehmenskultur
sind Spontaneität und Flexibilität (Cameron/Freeman 1991). Eine organische Unterneh-
menskultur fördert auch radikale Innovationen und trägt darüber zum Erfolg des Unter-
nehmens bei (Lassen/Gertsen/Riis 2006).
In Einzelfällen kann Autonomie auch negative Folgen haben. So zeigen Covin et al.
(2006) etwa, dass Firmen, die bei der Entscheidung über unternehmerische Initiativen
übermäßig auf Konsens bedacht sind und stark partizipative Entscheidungsprozesse
aufweisen, sich finanziell schlechter stellen. Die empirischen Ergebnisse zu den positi-
ven Konsequenzen von Autonomie bilden jedoch die Mehrheit. Ernst (2003a) konnte z.B.
einen positiven Zusammenhang zwischen einer organischen Unternehmenskultur und
Innovationserfolg, sowie zwischen Innovationserfolg und Unternehmenserfolg feststellen.
Auch Burgelman (2001) und Brock (2003) konnten zeigen, dass Autonomie die Wettbe-
werbsfähigkeit von Unternehmen begünstigt. Simonetti (1974) untersucht den Zusam-
menhang zwischen dem Autonomie-Aspekt der Dezentralisierung und dem UE. Er be-
richtet, davon, dass Autonomie insbesondere bei einer feindlichen Aufgabenumwelt ei-
nen positiven Zusammenhang mit dem UE aufweist. Es wird daher vermutet:
H6: Zwischen Autonomie und UE besteht ein positiver Zusammenhang.
Auf Basis der hergeleiteten Zusammenhänge zwischen den einzelnen EO-Dimensionen
und dem UE wird folgende zentrale Hypothese für den Gesamtzusammenhang zwischen
EO und UE aufgestellt:
H7: Zwischen EO und UE besteht ein positiver Zusammenhang.
2.2.2 Moderierende und mediierende Variablen des EO-UE-Zusammenhangs
Wie schon mehrfach in dieser Arbeit angedeutet, ist der Zusammenhang zwischen EO
und Unternehmenserfolg nicht allgemein gültig, sondern abhängig von moderierenden
und mediierenden Variablen. Das Konzept moderierender Variablen wurde bereits von
Rosenberg (1968, S. 100) vorgeschlagen. Von einem Moderatoreffekt ist dann die Rede,
wenn die Wirkungsintensität einer unabhängigen Variablen (X1) auf eine abhängige Va-
riable (Y) von der Ausprägung einer zweiten unabhängigen Variablen (X2), der Modera-
76
torvariablen, abhängt (Müller 2006). Abbildung 4 zeigt ein Beispiel eines solchen Mode-
ratoreffektes.
X1 Y
X2
Abbildung 4: Beispiel für einen Moderatoreffekt
Ein Mediatoreffekt liegt vor, wenn die Wirkung einer unabhängigen Variablen (X3) auf die
abhängige Variable (Y) wenigstens teilweise über eine weitere unabhängige Variable
(X4) erfolgt und diese somit eine Art Mittlerposition einnimmt (Müller 2006). Abbildung 5
zeigt ein Beispiel eines solchen Mediatoreffektes.
X3 X4 Y
Abbildung 5: Beispiel für einen Mediatoreffekt
2.2.2.1 Aufgabenumwelt
Die Aufgabenumwelt des Unternehmens wird schon seit langem als relevante Variable in
der Organisationstheorie und im strategischen Management betrachtet (Katz/Kahn 1966;
Thompson 1967; Child 1972). Auch für die Disziplin des Entrepreneurship ist sie von
hoher Bedeutung, wie etwa aus den Arbeiten von Bruno und Tyebjee (1982) sowie Coo-
per (1986) ersichtlich wird. Führungskräfte legen in Abhängigkeit ihrer Wahrnehmung der
Aufgabenumwelt die relevanten Strategien für ihr Unternehmen fest (Zahra/Pearce
77
1990). Guth und Ginsberg (1990) behaupten, dass die Aufgabenumwelt auch für die EO
von Bedeutung ist. Sie kann Herausforderungen und Chancen bieten, auf die Unterneh-
men kreativ mittels der Förderung unternehmerischen Aktivitäten reagieren können
(Zahra 1991). Faktoren, die in der Aufgabenumwelt des Unternehmens liegen, können
die EO (Covin/Slevin 1991) und den Zusammenhang zwischen EO und UE (Zahra 1991;
Zahra 1993a) maßgeblich beeinflussen. Im Folgenden werden die zwei für EO relevan-
ten Dimensionen der Aufgabenumwelt näher untersucht, die Freigiebigkeit und die
Feindlichkeit.
2.2.2.1.1 Freigiebigkeit
Die Aufgabenumwelt eines Unternehmens ist nach Aldrich (1979) dann freigiebig, wenn
sie der Organisation Wachstum und Stabilität ermöglicht. Nach Zahra (1993b) besteht
Freigiebigkeit aus den vier Dimensionen Dynamik, technologische Gelegenheiten, Bran-
chenwachstum sowie die Nachfrage nach neuen Produkten. Dynamik bezieht sich auf
die wiederkehrenden Veränderungen in der Aufgabenumwelt eines Unternehmens. Dazu
gehören etwa der technische Fortschritt, regulative Entwicklungen etc. Dynamik schafft
Gelegenheiten für Unternehmen in bestehenden oder angrenzenden Märkten. Die Di-
mension technologische Gelegenheiten bezieht sich auf die wahrgenommene Verfüg-
barkeit neuer Nachfragepotenziale. Aktuell sollten z.B. in der Biotechnologiebranche
mehr technologische Gelegenheiten existieren als in der Stahlbranche. Die Dimension
Branchenwachstum bezieht sich auf das durch Führungskräfte wahrgenommene Bran-
chenwachstum, das sich nicht zwingend mit dem empirischen deckt. Ist das wahrge-
nommene Brachenwachstum hoch, reicht es, mit dem Markt mitzuwachsen, proaktives
Handeln und besondere Anstrengungen wie Innovationsprojekte rücken in den Hinter-
grund. Die Dimension Nachfrage nach neuen Produkten bezieht sich auf die Bedeutung
neuer Produkte für eine Branche. Ist die Bedeutung neuer Produkte gering, sind Unter-
nehmen nicht gezwungen, regelmäßig zu innovieren.
Die Vermutung liegt nahe, dass eine freigiebige Aufgabenumwelt für sich genommen für
den Unternehmenserfolg positiv ist. So wiesen Keats und Hitt (1988) nach, dass zwi-
schen Freigiebigkeit und dem Unternehmenserfolg am Kapitalmarkt ein positiver Zu-
sammenhang besteht. Eine freigiebige Aufgabenumwelt kann allerdings überschüssige
Ressourcen („slack resources“) generieren. Diese können zwar einerseits als Puffer für
Phasen schwachen oder negativen Wachstums dienen (Dess/Beard 1984) und Innovati-
onen fördern (Bourgeois 1981). Wie Cyert und March (1963) aber ausführen, kann zu
viel „Slack“, wie er bei einer freigiebigen Aufgabenumwelt denkbar ist, auch bedingen,
78
dass sehr hohe Risiken eingegangen werden. Wiseman und Catanach (1997) argumen-
tieren über die Prinzipal-Agenten-Theorie: Manager werden bei einer freigiebigen Aufga-
benumwelt weniger stark von ihren Eigentümern kontrolliert. Sie beschränken sich daher
auf ihr Tagesgeschäft und gehen keine Risiken ein. Es gibt demnach Argumente für das
Eingehen sehr geringer und sehr hoher Risiken. Kontrollierte Risiken werden aber bei
einer freigiebigen Aufgabenumwelt nicht eingegangen und damit die Aussicht auf Erfolg
geschmälert. Ist die Aufgabenumwelt freigiebig, indem z.B. das Branchenwachstum hoch
ist und zahlreiche technologische Gelegenheiten bestehen, fehlt auch der unmittelbare
Zwang, schnell zu innovieren. Eine Vielzahl technologischer Gelegenheiten könnte auch
dazu führen, dass Unternehmen völlig neue Wege beschreiten möchten, also z.B. in eine
neue Branche eintreten, dort aber der Erfolg ausbleibt. So zeigen Barnett und Pontikes
(2009), dass Unternehmen, die in einem bestehenden Markt erfolgreich sind, dazu nei-
gen, sich zu überschätzen und dann in einem neuen Markt scheitern.
Eine freigiebige Umwelt und der damit tendenziell einhergehende Erfolg können zudem
zu sogenannter „organizational inertia“ führen. Der Begriff wurde von einer Reihe von
Autoren verwandt (Kelly/Amburgey 1991; Miller 1993; Miller 1994), um das Phänomen
zu beschreiben, dass sich Unternehmen an etablierte Praktiken und Vorgehensweisen
halten, wenn sie mit diesen zuvor positive Erfahrungen gesammelt haben. Gründe für die
Lähmung der Organisation liegen in den Lernprozessen des Managements, im „Slack“,
der durch den Erfolg vorhanden ist sowie den sich selbst bewahrenden Machtstrukturen
in Unternehmen (Miller 1994). Verschiedene lerntheoretische Arbeiten legen nahe, dass
Verhalten, das zu Erfolg führt, wiederholt wird (March/Levitt/March 1988; March 1991).
Im Unternehmen wird Erfolg z.B. einer bestimmten Strategie oder einem bestimmten
Prozess zugeschrieben. Künftige Abweichungen von der erfolgreichen Strategie oder
dem erfolgreichen Prozess sind nur schwer möglich. Eine freigiebige Aufgabenumwelt
und der damit einhergehende Erfolg führen oft zu „slack resources“ (Cyert/March 1963;
Meyer 1982). Milliken und Lant (1991) beschreiben den Zusammenhang zwischen
“slack” und “organizational inertia” so:„[…] slack acts as a buffer between the organiza-
tion and environmental variation, reducing managers’ perceived need to change. Be-
cause successful performance also increases the tendency to perceive environmental
changes as temporary and unimportant, managers of successful organizations may use
their slack resources to wait out the unfavourable environmental activity”. Die überschüs-
sigen Ressourcen erlauben es somit dem Unternehmen, sich der Anpassung an eine
sich verändernde Aufgabenumwelt zu verweigern oder diese zumindest hinauszuzögern.
Schließlich sind die Machtstrukturen in Organisationen in der Regel stabil (Pfeffer 1981,
79
S. 289). Erfolgreiche Führungskräfte werden nur selten abberufen. Vom Status Quo
weicht die gelähmte Organisation fortan nur noch ab, wenn sie sich in einer Krise befin-
det. Proaktivität kann sich in solch einem Umfeld nur schwer entfalten, kalkulierte Risiken
werden nur selten eingegangen, insbesondere radikale Innovationen sind unwahrschein-
lich.
Empirisch wurde eine freigiebige Aufgabenumwelt im Zusammenhang mit EO bislang
kaum betrachtet. Lediglich Covin und Slevin (1989) untersuchten den Zusammenhang
zwischen EO und UE mit der moderierenden Variablen der Freigiebigkeit der Aufgaben-
umwelt. Sie erhielten jedoch keinen signifikanten Zusammenhang. In Summe sollten die
EO-Anstrengungen eines Unternehmens durch eine freigiebige Aufgabenumwelt unter-
miniert werden. Daher wird vermutet:
H8: Freigiebigkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE
negativ.
2.2.2.1.2 Feindlichkeit
Die zweite relevante Dimension der Aufgabenumwelt ist Feindlichkeit. Darunter werden
für das Unternehmen nachteilige externe Kräfte subsumiert (Zahra 1991; Zahra 1993b;
Zahra/Covin 1995; Zahra/Garvis 2000). Zahra (1993b) unterscheidet die beiden Feind-
lichkeits-Dimensionen „Nachteilige Veränderungen“ und „Intensität des Wettbewerbs“.
Unter nachteiligen Veränderungen versteht man etwa regulative Beschränkungen,
nachteilige demographische Entwicklungen (Miller/Friesen 1978), unvorhergesehener
technologischer Wandel sowie starke Nachfragerückgänge bzw. schrumpfende Märkte
(Zahra 1993b). Beispiele für eine hohe Wettbewerbsintensität sind etwa Preiskämpfe
und unberechenbare Handlungen von Wettbewerbern.
Feindlichkeit stellt für Unternehmen eine Bedrohung dar, die das Überleben der Unter-
nehmen gefährdet (Miller/Friesen 1984). Das Management sucht folglich nach Wegen,
die Feindlichkeit zu reduzieren (Zahra 1993b). Sowohl Khandwalla (1977) als auch Miller
(1983) argumentieren, dass Feindlichkeit den EO-UE-Zusammenhang positiv moderie-
ren sollte. Es gilt also die Frage zu beantworten, weshalb der Zusammenhang von EO
und UE bei einer feindlichen Aufgabenumwelt stärker ausgeprägt sein sollte. Bei regula-
tiven Beschränkungen sollte proaktives Handeln, etwa in der Form von Lobbyarbeit, be-
sonders ergiebig sein. Proaktive Unternehmen sollten sich gegenüber ihren Mitbewer-
bern einen Vorteil erarbeiten können, da sie durch ihre Arbeit eine höhere Chance erhal-
ten, von einer regulativen Beschränkung ausgenommen zu werden. Auch eine nachteili-
ge demographische Entwicklung sollte den Zusammenhang zwischen Proaktivität und
80
UE stärken. Im Vergleich zu weniger proaktiven Wettbewerbern, können proaktive Un-
ternehmen, etwa über das schnelle und somit rechtzeitige Erkennen und Analysieren
von Trends, die demographische Entwicklung antizipieren. Ihnen kann es so gelingen
rechtzeitig Produkte zu entwickeln, die der demographischen Entwicklung Rechnung
tragen. Auch Mintzberg (1979, S. 269) hebt hervor, dass eine feindliche Aufgabenumwelt
schnelles Handeln erforderlich macht. Das Wegbrechen von Märkten bzw. starke Nach-
fragerückgänge impliziert, dass die Anzahl der sich bietenden Gelegenheiten gering ist
(Covin/Slevin 1989). Proaktivität wird damit besonders bedeutsam. Nur die Unterneh-
men, denen es gelingt, auch unter solch herausfordernden Bedingungen Gelegenheiten
zu erkennen und nach überlegter Risikoabwägung auch wahrzunehmen, können sich bei
einer feindlichen Aufgabenumwelt nachhaltig stärken. Ein für das Unternehmen nachtei-
liger technologischer Wandel kann eine etablierte Technologie obsolet machen. Unter-
nehmen, die eine hohe Innovativität aufweisen, sollten mit solch einer Situation besser
zu Recht kommen. Ihre Innovationen können die Lücke, die sich durch die obsolete
Technologie ergibt, schließen. Im Idealfall positionieren sie sich mit der Innovation ge-
genüber dem Wettbewerb so, dass sie als Technologieführer wahrgenommen werden.
Ist die Wettbewerbsintensität hoch, spielt aggressives Verhalten gegenüber Wettbewer-
bern eine besondere Rolle. Unternehmen die eine hohe Ausprägung aggressiven Ver-
haltens zeigen, kommen mit hoher Wettbewerbsintensität besser zurecht. Sie haben
entsprechende Fähigkeiten aufgebaut und wissen z.B. Angriffe von Wettbewerbern bes-
ser zu erwidern. Eine hohe Wettbewerbsintensität, sollte zudem den Zusammenhang
zwischen Innovativität und UE verstärken. Während sich Mitbewerber auf Preiskämpfe
konzentrieren, haben innovative Unternehmen die Chance, Produkte und Dienstleistun-
gen zu differenzieren und sich dadurch ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Von
diesem Alleinstellungsmerkmal können sie über Preisaufschläge profitieren.
Die moderierende Wirkung einer feindlichen Aufgabenumwelt auf die EO-UE-Beziehung
wurde bislang nur in wenigen empirischen Arbeiten untersucht. Miller und Friesen (1983)
betrachten 50 große kanadische Unternehmen sowie 88 große US-Unternehmen. Wäh-
rend sie für das kanadische Sample eine negative moderierende Wirkung der Feindlich-
keit feststellen, erhalten sie für das US-Sample eine positive moderierende Wirkung.
Gründe für diesen widersprüchlichen Befund könnten zum einen in statistischen Ausrei-
ßern liegen, beide Samples haben eine geringe Stichprobenzahl. Zum anderen haben
die Autoren lediglich drei der fünf EO-Dimensionen betrachtet und u.a. die für eine feind-
liche Aufgabenumwelt bedeutsame Dimension der Aggressivität gegenüber Wettbewer-
bern nicht untersucht. Covin und Slevin (1989), die 161 kleine US-Unternehmen unter-
81
schiedlicher Branchen untersuchen, berichten von einer positiven moderierenden Wir-
kung einer feindlichen Aufgabenumwelt auf den EO-UE-Zusammenhang. Auch Zahra
(1991) zeigt in seiner Längsschnittstudie, dass der Zusammenhang zwischen proaktiven
und innovativen Aktivitäten und der Umsatzrendite sowie dem Umsatzwachstum bei ei-
ner feindlichen Aufgabenumwelt stärker ist als in anderen Umfeldern. Schließlich deutet
auch eine zweite Längsschnittstudie von Zahra und Covin (1995) darauf hin, dass bei
einer feindlichen Aufgabenumwelt der Zusammenhang zwischen EO und UE stärker po-
sitiv ausgeprägt ist. Zahra und Covin (1995) zeigen zudem, dass der EO-UE-
Zusammenhang bei einer feindlichen Umwelt im Zeitverlauf zunimmt. Sie begründen
dies mit dem Scheitern von Wettbewerbern, die keine EO aufweisen. Deren Aussschei-
den aus dem Markt eröffnet der verbleibenden Unternehmen mit einer EO zahlreiche
Gelegenheiten. Diese Diskussion führt zu folgender Hypothese:
H9: Feindlichkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE po-
sitiv.
2.2.2.2 Reconfiguring Capabilities
Insbesondere Unternehmen mit einer ausgeprägten EO, die risikobereit sind und proak-
tiv ihr Umfeld beobachten, bieten sich fortlaufend neue Gelegenheiten. Ein Beispiel hier-
für ist die Bearbeitung eines neuen Marktsegments mit einem bestehenden Produkt oder
die Erschließung eines neuen regionalen Marktes mit einer Innovation. Solche Gelegen-
heiten müssen zunächst erkannt werden (Penrose 1959). Hierbei ist das von Kirzner
(1978) geprägte Konzept der „Entrepreneurial Alertness“, das die Organisation durch
Prozesse wie Kunden- und Wettbewerbsbeobachtung fördern kann, hilfreich. Ist die Ge-
legenheit erkannt, ist es entscheidend, dass das Unternehmen entweder bereits die Fä-
higkeit besitzt oder diese entwickelt, seine Ressourcen so zu konfigurieren, dass die Ge-
legenheit auch genutzt werden kann. In der englischsprachigen Literatur ist hierbei in
jüngerer Zeit die Rede von „Reconfiguring Capabilities“ (Jantunen et al. 2005), einem
Typ von Dynamic Capability. Der von Penrose (1959) geprägte Begriff der „Entrepreneu-
rial Services“ meint inhaltlich dasselbe. Es bedarf oft neuer Prozesse, Geschäftsmodelle,
komplementärer Ressourcen und Methoden, um die neuen Geschäftsmöglichkeiten zu
nutzen. Möchte das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, braucht es diese Rekonfi-
gurationsfähigkeit. Der Ansatz der „Dynamic Capabilities“ (Teece/Pisano/Shuen 1997)
beschäftigt sich damit, wie der Aufbau einer solchen Rekonfigurationsfähigkeit erfolgen
kann. Die Fähigkeit zur Rekonfiguration von Ressourcen ist eine Ausprägung von dyna-
mischen Fähigkeiten eines Unternehmens (Jantunen et al. 2005; Teece 2007). Bei einer
82
sich verändernden Aufgabenumwelt, die das Unternehmen fortlaufend vor neue Heraus-
forderungen stellt, kommt der Rekonfigurationsfähigkeit für den Unternehmenserfolg be-
sondere Bedeutung zu (Teece 2007). Jantunen et al. (2005) betrachten 217 Unterneh-
men unterschiedlicher Branchen und zeigen, dass die Rekonfigurationsfähigkeit eines
Unternehmen positiv im Zusammenhang steht mit seiner Profitabilität.
Der Aufbau der Rekonfigurationsfähigkeit kann über die Durchführung einer Prozessre-
organisation im Unternehmen sowie die Förderung neuer Praktiken gelingen (Jantunen
et al. 2005). Huang und Cullen (2001) zeigen am Beispiel taiwanesischer Produktionsun-
ternehmen, dass neue Personalmanagement-Praktiken die Flexibilität einer Organisation
verbessern können. In eine ähnliche Richtung weisen die Ergebnisse von Ichniowski,
Shaw und Prennushi (1997), die einen positiven Zusammenhang zwischen neuen Per-
sonalmanagement-Praktiken und der Mitarbeiterproduktivität zeigen. Je schneller die
Rekonfigurationsfähigkeit aufgebaut werden kann, desto besser (Dierickx/Cool 1989). Da
sich Unternehmen in ihrer Fähigkeit, neue Routinen und Techniken zu implementieren,
deutlich unterscheiden (Edmondson/Bohmer/Pisano 2001), kommt es zudem auf die
Fähigkeit der Herbeiführung des Wandels an (Teece/Pisano/Shuen 1997).
Nach Covin und Slevin (1988) ist die Erfolgswirkung unternehmerischen Managements,
dessen Grundlage die EO des Unternehmens bildet, davon abhängig, inwieweit es ge-
lingt, die Ressourcen des Unternehmens immer wieder neu zu nutzen. Ist das Unter-
nehmen in der Lage, „Reconfiguring Capabilities“ zu entwickeln, kann es sich bietende
unternehmerische Gelegenheiten eher nutzen bzw. die Wirkung verschiedener EO-
Aktivitäten fördern. Sowohl für innovative, proaktive als auch Autonomie-bezogene Akti-
vitäten ist es hilfreich, wenn Unternehmen über Rekonfigurationsfähigkeiten verfügen. So
kann zum Beispiel ein neues Produkt einen neuen Produktionsprozess erfordern. Die
Bearbeitung eines neuen Auslandsmarktes kann die Änderung der Vertriebsstrategie zur
Folge haben. Und für die Arbeit in kleinen Gruppen bedarf es der Anpassung der Orga-
nisationsstruktur. Somit wird vermutet:
H10: Reconfiguring Capabilities moderieren den Zusammenhang
zwischen EO und UE positiv.
2.2.2.3 Innovationserfolg
Dass EO auch über mediierende Variablen einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg
haben kann, wurde in der Literatur bereits durch Lumpkin und Dess (1996a) in die Dis-
kussion eingebracht. In dieser Arbeit wird für die Variable „Innovationserfolg“ ein mediie-
render Zusammenhang vermutet.
83
Es ist denkbar, dass EO nicht direkt, sondern über das Erzielen von Innovationen und
somit die mediierende Variable des Innovationserfolges (IE) zum Unternehmenserfolg
beiträgt. So argumentieren Hult, Hurley und Knight (2004), dass eine EO die Entwicklung
neuer Produkte und Dienstleistungen begünstigt. Neben der Innovativitätsdimension,
sind insbesondere die EO-Dimensionen Autonomie, Risikoübernahme und Proaktivität
für den Innovationserfolg förderlich. Ein Beispiel von Autonomie in einem Unternehmen
können sogenannte „Produktchampions“ sein, die dafür sorgen, dass Innovatoren Frei-
räume erhalten bzw. von organisationalen Normen freigestellt werden (Peters/Waterman
1982; Kanter 1984). Die Fallstudie von Lassen, Gertsen und Riis (2006) zeigt, dass sich
bei gegebener Autonomie kreative Mitarbeiter besonders gut entfalten und radikale Inno-
vationen hervorbringen können. Unternehmen, die sowohl eine hohe Ausprägung ihrer
Autonomie- als auch ihrer Proaktivitätsdimension aufweisen, sollten stärker zu radikalen
Innovationen neigen. Mitarbeiter haben in diesen Unternehmen zum einen die Freiheit,
völlig Neues auszuprobieren. Zum anderen sind sie bereit, ihr Geschäft immer in Frage
zu stellen und es durch eine radikale Innovation ggf. sogar zu kannibalisieren. Thompson
(1969) sowie Hage und Aitken (1970) argumentieren, dass Autonomie die Bildung von
Subkoalitionen zwischen verschiedenen Abteilungen einer Organisation fördert. Diese
Subkoalitionen wiederum seien für innovative Aktivitäten förderlich. Innovationsprojekte
implizieren meist auch ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko. Eine kontrollierte und
moderate Übernahme von Risiken ist somit notwendig. Eine zu geringe Risikoneigung
führt oft nur zu inkrementellen Innovationen (Lassen/Gertsen/Riis 2006). Sowohl Covin
und Slevin (1989) als auch Naldi et al. (2007), die 696 schwedische Unternehmen unter-
schiedlicher Branchen untersuchen, stellen einen positiven Zusammenhang zwischen
der Risikoübernahmeneigung eines Unternehmens und seinem Innovationserfolg fest.
Proaktive Unternehmen versuchen künftige Kundenbedürfnisse und Trends rechtzeitig
zu erkennen (Connor 1999). Hieraus können sich Ideen für Innovationsprojekte ergeben,
die ein Marktbedürfnis decken. Auch das so genannte proaktive Experimentieren (March
1991) in einem Unternehmen kann letztlich in erfolgreichen Innovationen münden. Eine
EO unterstützt auch die Schaffung und Erweiterung des „Intellectual Capital“ einer Orga-
nisation (Wiklund/Shepherd 2003; Wu/Chang/Chen 2008). Unter Intellectual Capital ver-
steht man das für erfolgreiche Innovationen notwendige Wissen und die wissensbezoge-
nen Fähigkeiten einer Organisation (Nahapiet/Ghoshal 1998). Beides ist für erfolgreiche
Innovationen unabdingbar.
Atuahene-Gima und Ko (2001) betrachten 181 australische Unternehmen unterschiedli-
cher Branchen und können einen positiven Zusammenhang zwischen EO und dem Neu-
84
produkterfolg feststellen. Innovationserfolg wird in dieser Arbeit mit dem Prozentsatz der
Produkte, die in den letzten drei Jahren in den Markt eingeführt wurden gemessen und
ist somit weitestgehend deckungsgleich mit der Messung von Atuahene-Gima und Ko
(2001). Hult und Ketchen (2001) analysieren 181 multinationale Großunternehmen. Sie
stellen einen positiven Zusammenhang zwischen „Entrepreneurship“ und Innovationser-
folg fest. „Entrepreneurship“ messen sie mit der 5-Item-Skala von Naman und Slevin
(1993), welche die EO-Dimensionen Innovativität, Proaktivität und Risikoübernahme ab-
bildet. Auch die Ergebnisse von Jantunen und Hurmelinna-Laukkanen (2006) sprechen
für einen positiven Zusammenhang zwischen EO und Innovationserfolg. Chang et al.
(2006) untersuchen 122 taiwanesische Hochschulen und kommen ebenfalls zu dem Er-
gebnis, dass eine (akademische) EO den Innovationserfolg (der Hochschule) befördert.
Somit wird vermutet:
H11: Zwischen EO und IE besteht ein positiver Zusammenhang.
Dass der Innovationserfolg insbesondere in Form erfolgreich am Markt eingeführter Pro-
dukte bzw. Produktinnovationen einen Treiber für das Unternehmenswachstum darstellt,
wurde bereits von Schumpeter (1934) vermutet. Er argumentiert, dass Innovationen zu-
mindest vorübergehend Wettbewerbspositionen schaffen, die Überrenditen ermöglichen.
Die besondere Bedeutung von Innovationen zeigt sich auch im Vergleich zu anderen
strategischen Erfolgsdeterminanten wie z.B. Diversifizierung, Produktqualität und Inter-
nationalisierung (Capon/Farley/Hoenig 1990).
Innovationen sind eine Möglichkeit zum Ausbau und zur Verteidigung von Wettbewerbs-
vorteilen, die wiederum ökonomische Überrenditen ermöglichen (Porter 1980; Porter
1985; Porter 1990; Barney 1991; Eisenhardt/Martin 2000). In Porters (1980) industrie-
ökonomischer Arbeit zur Branchenanalyse und zur Wettbewerbsstrategie stellen Pro-
duktinnovationen eine Möglichkeit zur Differenzierung dar. Das Ziel, das mit ihrer Einfüh-
rung verfolgt wird, ist z.B. eine höhere Markenloyalität von Kunden oder eine geringere
Preiselastizität der Nachfrage. Innovationen können auch Markteintrittsbarrieren schaf-
fen. First Mover Advantages können somit zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen werden
(Lieberman/Montgomery 1988). Wie in Kapitel 2.1.2 gezeigt wurde, kann die Innovativität
eines Unternehmen, also der Prozess der zu Innovationen führt, als Dynamic Capability
betrachtet werden, die unmittelbar auf die Wettbewerbsposition und den Erfolg eines
Unternehmens einwirken (Teece/Pisano/Shuen 1997). Zudem werden durch Lernpro-
zesse im Rahmen von Innovationen sogenannte absorptive Fähigkeiten geschaffen, also
Fähigkeiten, die wirtschaftlich nutzbares Wissen identifizieren und anwenden lassen
(Cohen/Levinthal 1990). Innovationen können jedoch auch negative Folgen haben. Zu- 85
mindest kurzfristig könnte der Innovationserfolg, der durch hohe Aufwendungen für For-
schung und Entwicklung erreicht wird, den Gewinn schmälern. Zudem besteht das Risi-
ko, dass Innovationen vom Markt nicht akzeptiert werden. Gerade in jungen und dynami-
schen Branchen ist dies häufiger der Fall (Eisenhardt/Martin 2000).
Eine frühe empirische Arbeit zum Zusammenhang zwischen Innovationserfolg und Un-
ternehmenserfolg stammt von Schmookler (1966). Er zeigt, dass technischer Fortschritt
durch Innovationen überwiegend mit einer Gewinnerwartung einhergeht. Empirische
Beweise für den Zusammenhang zwischen Innovation und Wachstum wurden etwa
durch Albach (1965), Brockhoff (1966) und Kieser (1970) erbracht. Auch Ernst (2003a)
kann einen positiven Zusammenhang zwischen Innovationserfolg und Unternehmenser-
folg nachweisen. In seiner Untersuchung korreliert Innovationserfolg signifikant positiv
(r=0,31, p=0,05) mit der Umsatzrendite. Schließlich legt auch die Metaanalyse von
Bausch und Rosenbusch (2006) zum Zusammenhang zwischen Innovationserfolg und
Unternehmenserfolg diese Vermutung nahe. Sie erhalten eine Effektgröße von r=0,15,
diese ist zwar nach Cohen (1992) gering, aber signifikant. Es wird daher vermutet:
H12: Unternehmen, die eine höhere Ausprägung ihres IE aufweisen,
weisen auch einen höheren Gesamtunternehmenserfolg auf.
2.2.3 Unabhängigkeit der fünf EO-Dimensionen
In Abschnitt 2.2.1 wurde argumentiert, dass es sich bei EO um ein fünfdimensionales
Konstrukt handelt. Zum Verhältnis der EO-Dimensionen zueinander ist bislang nur wenig
bekannt. Es ist grundsätzlich denkbar, dass beim Auftreten einer EO immer alle Dimen-
sionen zum Tragen kommen. Nach Miller (1983, S. 780) ist dies zwingend der Fall: „In
general, theorists would not call a firm entrepreneurial if it changed its technology or
product-line (“innovated” according to our terminology) simply by directly imitating com-
petitors while refusing to take any risks. Some proactiveness would be essential as well.
By the same token, risk-taking firms that are highly leveraged financially are not neces-
sarily considered entrepreneurial. They must also engage in product-market or techno-
logical innovation.” Diese Ansicht teilen auch Covin und Slevin (1989, S. 79), indem sie
Millers (1983) ursprüngliche drei EO-Dimensionen (Innovativität, Risikoübernahme und
Proaktivität) als „a basic, unidimensional strategic orientation“ bezeichnen und damit eine
reflektive Konzeptualisierung implizieren.
Damit wären jedoch einige Typen unternehmerischen Verhaltens nicht zu erklären. So
zeigt etwa Brockhaus Jr. (1980) an Einzelunternehmern, dass diese unter bestimmten
Bedingungen sehr vorsichtig bzw. risikoavers sein können. Nelson und Winter (1982) 86
weisen nach, dass einige Unternehmen von proaktiven Imitationen stärker profitieren als
von hoher Innovativität. Das Beispiel der japanischen Wettbewerber in der Unterhal-
tungselektronikbranche, Sony und Matsushita, soll dies veranschaulichen. Sony ist ein
hoch innovatives Unternehmen, das zudem proaktiv ist und häufig versucht Pioniervor-
teile zu nutzen. Matsushita geht ganz anders vor. Sein Spitzname im Japanischen lautet
„Maneshita denki“, dies heißt etwa soviel wie „Elektronik, die kopiert wurde“. Typischer-
weise lässt Matsushita andere Unternehmen innovieren und übernimmt dann dennoch,
mit Hilfe seiner Produktions- und Marketingkompetenz, eine führende Position
(Lieberman/Montgomery 1988). Matsushita innoviert nicht selbst, übernimmt jedoch Risi-
ko, indem es etwa in große Produktionskapazität investiert, und ist proaktiv, da es früh
im Produktlebenszyklus in neue Märkte eintritt (Lumpkin/Dess 1996a).
Auch einige Unternehmertum-Typologien deuten darauf hin, dass es verschiedene Kom-
binationen der Dimensionen von EO geben kann. Schollhammer (1982) diskutiert etwa
das „acquisitive entrepreneurship“, den unternehmerischen Markteintritt durch den Kauf
von Unternehmen. Für diesen Ansatz bedarf es keiner Innovativität und insbesondere,
wenn es sich bei dem Akquisitionsobjekt um ein etabliertes Unternehmen handelt, ist
damit, wenn die Finanzierung der Akquisition mit Eigenkapital erfolgt, oft nur ein kalku-
lierbares Risiko verbunden.
Weil sich mit der Beschränkung auf Fälle, in denen alle EO-Dimensionen gleich hoch
ausgeprägt sind, zahlreiche Typen unternehmerischen Verhaltens nicht erklären lassen,
vertreten auch Lumpkin und Dess (1996a; 2005a) die Ansicht, dass die fünf EO-
Dimensionen nicht immer gleichzeitig vorhanden sein müssen und in unterschiedlichen
Kombinationen auftreten können. Daher wird auch in dieser Arbeit die Sichtweise vertre-
ten, dass die EO-Dimensionen voneinander unabhängig sind und somit nicht nur in der
Form des EO-Konstruktes sondern auch jeweils einzeln untersucht werden müssen.
Neuere Arbeiten stützen diese Einschätzung. So stellen Kreiser, Marino und Weaver
(2002b) mit Hilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse fest, dass die EO-
Dimensionen Risikoübernahme, Proaktivität und Innovativität unabhängig voneinander
sind und zudem unterschiedliche Beziehungen zur Feindlichkeit der Aufgabenumwelt
aufweisen. Stetz et al. (2000) gelangen zu der Erkenntnis, dass die einzelnen EO-
Dimensionen zumindest den Wachstumsaspekt des Unternehmenserfolges robuster
vorhersagen als das summierte eindimensionale EO-Konstrukt. Richard et al. (2004)
kommen zu dem Ergebnis, dass Innovativität und Risikoübernahme unterschiedlich mit
dem Unternehmenserfolg verknüpft sind. Auch Naldi et al. (2007), welche die drei EO-
Dimensionen Risikoübernahme, Proaktivität und Innovativität in Familienunternehmen 87
88
untersuchen, zeigen, dass die drei Dimensionen voneinander unabhängig sind. Schließ-
lich zeigt auch Schmelter (2009) mittels einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, dass
seine fünf untersuchten EO-Dimensionen voneinander unabhängig sind. Die entspre-
chenden Hypothesen lauten:
H13: Bei EO handelt es sich um ein fünfdimensionales Konstrukt.
H14: Die einzelnen Dimensionen einer EO sind voneinander unabhän-
gig.
Alle Hypothesen der Arbeit sind in Tabelle 4 überblicksweise dargestellt. Auf Basis der in
Kapitel 2.2 durchgeführten Hypothesenherleitung ergibt sich das in Abbildung 6 darge-
stellte Forschungsmodell. H13 und H14 sind darin nicht enthalten.
Nummer Hypothese Theoretische Basis
H1 Zwischen Innovativität und dem UE besteht ein positiver Zusammenhang.
Dynamic Capabilities, Theorie der Pioniervorteile
H2 Zwischen Proaktivität und dem UE besteht ein positiver Zusammenhang.
Dynamic Capabilities, Theorie der Pioniervorteile
H3 Der positive Zusammenhang zwischen Proaktivität und UE ist bei einer feindlichen Aufgabenumwelt stärker ausgeprägt.
Dynamic Capabilities, Konfigurationsansatz
H4 Zwischen Risikoübernahme und UE besteht ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang. Dynamic Capabilities
H5 Zwischen aggressivem Verhalten gegenüber Wettbewerbern und UE besteht ein positiver Zusammenhang. Dynamic Capabilities
H6 Zwischen Autonomie und UE besteht ein positiver Zusammenhang. Dynamic Capabilities, Empowerment Theorie
H7 Zwischen EO und UE besteht ein positiver Zusammenhang. RBV, Dynamic Capabilities
H8 Freigiebigkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE negativ.
Dynamic Capabilities, Konfigurationsansatz
H9 Feindlichkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE positiv.
Dynamic Capabilities, Konfigurationsansatz
H10 Reconfiguring Capabilities moderieren den Zusammenhang zwischen EO und UE positiv.
Dynamic Capabilities, Konfigurationsansatz
H11 Zwischen EO und dem IE besteht ein positiver Zusammenhang. Dynamic Capabilities, Konfigurationsansatz
H12Unternehmen, die eine höhere Ausprägung ihres Innovationserfolges aufweisen, weisen auch einen höheren Gesamtunternehmenserfolg auf.
Dynamic Capabilities, Theorie der Pioniervorteile
H13 Bei EO handelt es sich um ein fünfdimensionales Konstrukt. EO-Theorie
H14 Die einzelnen EO-Dimensionen sind voneinander unabhängig. EO-Theorie
Tabelle 4: Hypothesen der Arbeit
89
90
EO
Unternehmens-erfolg
Innovativität
Proaktivität
Risiko-übernahme
Aggressivitätgegenüber
Wettbewerbern
Autonomie
Innovationserfolg
H2(+)
H1(+)
H4(uU)
H5(+)
H6(+)
H7(+)
Freigiebigkeit
H8(-)
Feindlichkeit
H9(+)
Reconf.Capab.
H10(+)
Feindlichkeit
H3(+)
H11(+)
H12(+)
Abbildung 6: Forschungsmodell
3 Design der empirischen Untersuchung
Das dritte Kapitel hat das Design der empirischen Untersuchung zum Gegenstand. In
Abschnitt 3.1 wird auf die Datenerhebung eingegangen. Abschnitt 3.2 beschäftigt sich
mit der Operationalisierung der latenten Konstrukte der Arbeit. Das Kapitel schließt mit
Abschnitt 3.3, der Datenanalyse.
3.1 Datenerhebung
3.1.1 Vorüberlegungen zur Datenerhebung
Ziel der empirischen Untersuchung ist es, die Gültigkeit der in Kapitel 2 hergeleiteten
Hypothesen zu untersuchen. Eine ausreichend große Stichprobe soll den Einsatz geeig-
neter statistischer Validierungs- bzw. Falsifizierungsmethoden sicherstellen. Bestehen
keine strukturellen Unterschiede zwischen der Stichprobe und der Grundgesamtheit, ist
die Stichprobe repräsentativ und das Forschungsmodell kann somit als allgemeingültig
bezeichnet werden (Kaya/Himme 2006). Eine Überprüfung der Stichprobe der vorliegen-
den Arbeit findet in Kapitel 3.1.7 statt.
Eine Erhebung auf Basis von Sekundärdaten kam aufgrund der Spezifizität des For-
schungsmodells nicht in Frage. Es wurde daher eine eigene Erhebung durchgeführt. Wie
in einer Vielzahl anderer EO-Studien (vgl. Tabelle 3) war die erste Führungsebene des
Unternehmens, also das Top-Management, der Adressat der Befragung. Darunter waren
in zahlreichen Fällen auch noch die Gründerinnen und Gründer der Unternehmen. Das
Top-Management hat einen umfassenden Überblick über alle Aktivitäten des Unterneh-
mens, die für die jeweiligen EO-Dimensionen relevant sind (Hambrick 1981; Norburn
1989). Das Top-Management ist zudem am ehesten in der Lage, ganzheitlich Einblick in
die Praktiken, Prozesse und Ergebnisse zu gewähren sowie über den Unternehmenser-
folg Auskunft zu erteilen (Huber/Power 1985; Stubbart 1989).
Um eine möglichst generalistische Aussage zu den Zusammenhängen des For-
schungsmodells treffen zu können, wurden Unternehmen unterschiedlichster Branchen
und Altersklassen befragt. Sowohl die Branche als auch das Alter der Unternehmen
wurden jedoch als Kontrollvariablen aufgenommen.
Für die Erhebung wurde ein eigener Fragebogen konzipiert. Mit Ausnahme von allge-
meinen Variablen, etwa demographischen Angaben, wurden ausschließlich bereits vali-
dierte Konstrukte eingesetzt. Die einzelnen Items wurden, wie in Kapitel 3.2 noch näher
erläutert wird, aus einschlägigen Vorgängerarbeiten übernommen. Bei der Fragenanord- 91
nung wurden für die Auswertung besonders wichtige Angaben eher an den Beginn des
Fragebogens gestellt. Damit sollte der Anteil auswertbarer Antworten am Gesamtrück-
lauf erhöht werden (Fink 2003). Zudem wurde bei den Fragen zu Innovativität, Risiko-
übernahme und Aggressivität gegenüber Wettbewerbern auf semantische Differentiale
zurückgegriffen. Es wurden also zwei gegensätzliche Aussagen präsentiert, und die
Teilnehmer mussten ihre Position auf einer Likert-Skala von 1 bis 7 einordnen. Dies wur-
de auch in einer Reihe vergleichbarer Studien so gemacht (Wiklund 1999;
Wiklund/Shepherd 2005; Moreno/Casillas 2008).
Alle eingesetzten Skalen entstammen englischsprachigen Arbeiten. Fragen und Ant-
wortmöglichkeiten waren daher aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen. Dies
wurde mit der Technik der Vorwärts-Rückwärtsübersetzung durchgeführt. Eine zwei-
sprachige Person hat den Fragebogen vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Der
Wortlaut im Deutschen wurde dann wieder von einer anderen zweisprachigen Person ins
Englische zurückübersetzt („Backtranslation“). Die Abweichungen wurden auf sprachli-
che Differenzen geprüft. Mit dieser Technik konnte gewährleistet werden, dass beide
sprachlichen Fassungen inhaltlich identisch sind. Wäre dies nicht gegeben gewesen,
wäre die Übersetzung der Indikatoren anzupassen gewesen (Brislin 1970; Craig/Douglas
2000). Im Anschluss daran erfolgte zudem ein Abgleich mit den deutschsprachigen Ska-
len von Schmelter (2009). Dieser ergab für die vergleichbaren Konstrukte keine nen-
nenswerten Unterschiede.
Der Fragebogen wurde vor der Erhebung einem Pretest mit 12 Unternehmern und Wis-
senschaftlern aus dem Feld der Gründungsforschung und den Wirtschaftswissenschaf-
ten im Allgemeinen unterzogen. Dadurch wurde sichergestellt, dass der Fragebogen für
die Zielgruppe verständlich ist und keine logischen Unschlüssigkeiten etc. enthält. Die
finale Version des Fragebogens findet sich in Anhang A.
Die Befragung wurde online durchgeführt. Dabei wurde die Software „EFS Survey“ der
Firma Globalpark eingesetzt. Zwar kann an dieser Form der Befragung kritisiert werden,
dass nicht die gesamte Bevölkerung über das Internet erreichbar ist, bei den Adressaten
der Befragung, dem Top-Management der Unternehmen, sollte dieses Problem aber
vernachlässigbar sein. Dafür spricht auch, dass alle angeschriebenen Unternehmen zu-
mindest über einen rudimentären Internetauftritt verfügen. In der Literatur ist man sich
uneinig, ob der klassische Fragebogen oder eine Online-Befragung zu einer höheren
Rücklaufquote führt (Cobanoglu/Warde/Moore 2001). Einige Arbeiten deuten auf ähnlich
hohe Rücklaufquoten von Online-Befragungen im Vergleich zu Offline-Befragungen hin
(Klassen/Jacobs 2001; Boyer et al. 2002). Die Entscheidung für eine Befragung über das 92
Internet fiel letztlich aus sieben Gründen: Erstens ist die Online-Befragung der klassi-
schen Befragung hinsichtlich der Flexibilität der Befragung überlegen. So können bspw.
Folgefragen nur in Abhängigkeit der vorherigen Antworten angezeigt werden. Hierdurch
kann der Fragebogen kürzer werden, was wiederum eine höhere Quote von vollständig
beantworteten Fragebögen erwarten lässt (Drolet/Morrison 2001). Zweitens ist durch die
Nutzung der persönlichen E-Mail-Adressen der Adressaten – wo diese ermittelbar waren
– relativ sicher, dass die adressierten Ansprechpartner auch tatsächlich selbst an der
Umfrage teilnehmen und das Antworten nicht etwa delegieren. Individualisiert codierte
Links, die in der Einladungs-E-Mail enthalten waren, reduzierten zudem das Risiko von
anderen Antwortenden als den Adressaten. Drittens ist bei Online-Befragungen ein In-
terviewer-Bias, der bei persönlichen Befragungen vorkommen kann und dann auftritt,
wenn der Befragte durch die Art und Weise beeinflusst wird, wie der Interviewer die Fra-
gen stellt, zu vernachlässigen. Viertens hat Grether (2003, S. 212ff.) festgestellt, dass
Probanden mit web-basierten Befragungen zufriedener sind als mit klassischen. Man
könne vermuten, dass bei den Probanden einer Online-Befragung eine höhere Aufmerk-
samkeit vorliegt, die zu valideren Ergebnissen führen sollte. Fünftens bietet eine Online-
Befragung hinsichtlich der Datengenauigkeit verschiedene Vorteile. Zum einen sind aus-
schließlich exakte Antworten möglich und die Fragen bzw. Antwortmöglichkeiten lassen
sich logisch miteinander verknüpfen. Die Konsistenz der Antworten wird damit zumindest
teilweise bereits bei der Befragung sichergestellt. Zum anderen entfällt bei der Online-
Befragung eine potenzielle Fehlerquelle, die mit der Übertragung von klassischen pa-
piergebundenen Fragebögen in ein auswertbares Datenformat entstünde (Dillman 2000).
Sechstens gibt es Hinweise dafür, dass der Anteil fehlender Werte bei Online-
Befragungen geringer ist als bei klassischen Befragungen (Boyer et al. 2002). Siebtens
spielen auch Aufwands- bzw. Kostenüberlegungen eine Rolle. Vergleichbare schriftliche
Befragungen sind deutlich aufwändiger und teurer in ihrer Durchführung
(Granello/Wheaton 2004).
Die Adressaten der hier vorzustellenden Befragung hatten die Möglichkeit, sich den On-
line-Fragebogen als PDF-Datei, per Fax oder auf dem Postweg zusenden zu lassen.
Hierdurch wurde möglichen Sicherheitsbedenken, auf einen den Adressaten unbekann-
ten Link zu klicken, begegnet. Auch die Rücklaufquote konnte durch die Alternativen der
Beantwortung gesteigert werden. Die Verwendung unterschiedlicher Erhebungsmetho-
den kann jedoch zu Verzerrungen in der Datengrundlage, man spricht hier von einem
„Method Bias“, führen. Eine Prüfung hierauf erfolgt später.
93
3.1.2 Bildung der Stichprobe
Die Adressaten der Befragung wurden zum einen aus der Unternehmensgründerdaten-
bank gewonnen, die von Rode (2004) und Brachtendorf (2004) aufgebaut sowie von
Hack (2005), Schroeter (2007) und Merz (2008) erweitert wurde. Bei den jeweiligen Au-
toren findet sich eine ausführliche Dokumentation der Zusammenstellung der Daten-
bank. In Summe waren in der Datenbank 1.079 Unternehmen verzeichnet. Diese wurden
um 114 Unternehmen aus dem unternehmerischen Umfeld der WHU – Otto Beisheim
School of Management erweitert. Internetrecherchen zur Aktualität der Daten ergaben,
dass 221 Unternehmen dieser Datenbasis aus Gründen der Insolvenz, eines Aufkaufes
durch ein anderes Unternehmen und weiterer Gründe zum Zeitpunkt der Recherchen im
Oktober 2008 nicht mehr am Markt tätig waren. Es verblieben somit 972 Unternehmen
aus der WHU-Datenbank. Zum anderen wurden die Adressaten aus einer Datenbank der
IHK zu Hagen, die 3.225 Unternehmen aller Altersklassen und Branchen enthielt, ge-
wonnen. Internetrecherchen zur Aktualität der Daten ergaben, dass auch hier 153 Unter-
nehmen aus den genannten Gründen nicht mehr am Markt tätig waren. Es konnten somit
noch 3.072 Unternehmen aus der IHK-Datenbank angeschrieben werden. Insgesamt
verblieben somit 4.044 Unternehmen, die angeschrieben wurden. Eine Überprüfung, ob
signifikante Unterschiede zwischen den beiden Datenbasen existieren, findet in Ab-
schnitt 3.1.5.2 statt.
3.1.3 Verlauf der Datenerhebung
Die Datenerhebung wurde im Zeitraum vom 06.11.2008 bis zum 15.12.2008 durchge-
führt. Die Adressaten wurden per E-Mail zu der Befragung eingeladen. Der Einladungs-
text findet sich in Anhang B. Die Einladungs-E-Mails wurden an einem Donnerstag-
nachmittag versandt, da dieser Versandtermin eine hohe Rücklaufquote verspricht (Merz
2008, S. 75).
Die Datenerhebung orientierte sich an den Empfehlungen von Diamantopoulos und
Schlegelmilch (1996) zur Gestaltung von Befragungen:
Nennung der Institution und des beteiligten Professors: Um Vertrauen zu schaffen,
wurde sowohl die Institution (WHU – Otto Beisheim School of Management) als auch
der Erstbetreuer der Arbeit, Prof. Dr. Peter Witt, im E-Mail-Anschreiben genannt.
Persönliche Anrede: Jeder Proband, dessen E-Mail-Adresse ermittelbar war, wurde
persönlich angesprochen.
94
Teilnahmeappell und Anreiz: Der wissenschaftliche Charakter der Arbeit wurde in der
E-Mail hervorgehoben. Zudem wurde zur Steigerung der Rücklaufquote (Deutskens
et al. 2004) in der E-Mail auf die Verlosung von drei Apple iPod-Nano-MP3-Spielern
sowie die Möglichkeit der Zusendung eines Ergebnisberichts hingewiesen.
Zusicherung der Vertraulichkeit/Anonymität: Den Teilnehmern wurde im Anschreiben
versichert, dass alle Daten vertraulich und anonym behandelt werden.
Zeitbedarf und Fragenbogenlänge: Die Beantwortung des Fragebogens sollte nicht
länger als sieben Minuten in Anspruch nehmen. Der Pretest zeigte, dass dieser An-
spruch realistisch war. Da Teilnehmer von Online-Befragungen keine Möglichkeit ha-
ben, die Fragebogenlänge abzuschätzen, wurde ihnen rechts oben am Bildschirm-
rand eine Fortschrittsanzeige eingeblendet.
Obligatorische Fragen: Auf obligatorische Fragen wurde vollkommen verzichtet
(Dillman/Tortora/Bowker 1999).
Der Einladungstext der E-Mail enthielt neben den postalischen auch die telefonischen
Kontaktdaten des Befragers, so dass bei etwaigen Unklarheiten immer die Möglichkeit
zur Rückfrage bestand.
Zwei Wochen nach der ersten E-Mail wurde an die Adressaten, die bis dato noch nicht
geantwortet hatten, eine Erinnerungs-E-Mail versandt. In dieser wurde darauf verwiesen,
dass die Teilnahme von jeder Person als sehr wichtig angesehen wird. Zwei Wochen
später folgte eine erneute Erinnerungs-E-Mail. In dieser zweiten Nachfassnachricht wur-
de auch der Endzeitpunkt der Befragung hervorgehoben. Obwohl sie deren Nutzen nicht
eindeutig nachweisen können, werden Nachfassaktionen von Mitchell und Brown (1997)
empfohlen.
95
Von den 4.044 angeschriebenen Unternehmen waren 561 E-Mails falsch bzw. nicht
mehr gültig und kamen als unzustellbar zurück. 116 adressierte Probanden wollten an
der Befragung nicht teilnehmen. Meist wurden als Gründe Zeitmangel oder die grund-
sätzliche Entscheidung an Umfragen nicht teilzunehmen angeführt. Die Grundgesamtheit
reduzierte sich damit auf 3.367 Unternehmen. Von diesen antworteten 550, das ent-
spricht einer Rücklaufquote von 16,24%.2
Die Bewertung der Rücklaufquote ist bei wissenschaftlichen Arbeiten von hoher Rele-
vanz (Baruch 1999). Akzeptierte Kriterien für die Bewertung sind sowohl das Befra-
gungsmedium als auch die befragten Personen im Unternehmen. Es handelte sich um
eine Online-Befragung. Bei Online-Befragungen können Rücklaufquoten zwischen 10%
und 20% erwartet werden (Bourke/Fielder 2003, S. 16f.). In Einzelfällen können diese
aber auch deutlich niedriger liegen (Klassen/Jacobs 2001). Adressat im Unternehmen
war das Top-Management bzw. die erste Führungsebene. Diese Zielgruppe hat übli-
cherweise wenig Zeit. Daher kann die Rücklaufquote im Vergleich zu anderen Beschäf-
tigtengruppen um bis zu 50% geringer ausfallen (Baruch 1999; Bartholomew/Smith
2006). Mit 16,24% liegt somit eine sehr zufriedenstellende Rücklaufquote vor. Sie liegt
2 Von den 550 Rückläufen, stammen 241 aus der WHU-Datenbank und 309 aus der IHK-Datenbank.
Die WHU-Rücklaufquote beträgt 24,79%, die IHK-Rücklaufquote beträgt 10,05%. Eine Erklärung für
den Unterschied in der Rücklaufquote zwischen den beiden Datenbasen ist, dass die IHK-
Unternehmen vermutlich häufiger zu Befragungen eingeladen werden. Ihre Bereitschaft zur Teilnahme
an einer weiteren Befragung sollte damit geringer sein. Zudem wurde sowohl in der Einladungs-E-Mail
als auch auf dem Online-Fragebogen die Zugehörigkeit des Autors zur WHU hervorgehoben. Da zahl-
reiche in der Datenbank enthaltene Unternehmensgründer selbst WHU-Absolventen sind, könnte die
Hervorhebung der Alma Mater ihre Antwortbereitschaft erhöht haben. Auch wenn man die IHK-
Rücklaufquote von 10,05% allein betrachtet, so liegt sie zum einen im von Bourke und Fielder (2003,
S. 16f.) genannten Rahmen und zum anderen über der Quote der vergleichbaren Arbeit von Schmel-
ter (2009).
96
zudem deutlich über dem Niveau anderer europäischer EO-Studien wie etwa Schmelter
(2009) für deutsche Unternehmen mit einer Rücklaufquote von 8,8% und More-
no/Casillas (2008) für spanische Unternehmen mit einer Rücklaufquote von 10,3%.
3.1.4 Beschreibung der Stichprobe
Die Stichprobe wird im Folgenden anhand der Merkmale Unternehmensgröße, Unter-
nehmensalter und Branche näher charakterisiert. Abbildung 7 zeigt die teilnehmenden
Unternehmen nach Mitarbeiteranzahl. 60% der Unternehmen haben bis zu 50 Mitarbei-
ter, lediglich 5,09% der Unternehmen sind größer als 500 Mitarbeiter.
0
50
100
150
200
250
300
k.A. Bis 20 Bis 50 Bis 100 Bis 200 Bis 500 Bis 1000 >1000
Anzahl Mitarbeiter
Abbildung 7: Teilnehmende Unternehmen nach Mitarbeiteranzahl
Abbildung 8 zeigt die teilnehmenden Unternehmen nach Unternehmensalter. Das durch-
schnittliche Alter eines teilnehmenden Unternehmens beläuft sich auf 20,28 Jahre, das
Median-Unternehmensalter beträgt 8 Jahre.
97
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
k.A. Bis 5 Bis 10 Bis 20 Bis 50 >50
Unternehmensalter in Jahren
Abbildung 8: Teilnehmende Unternehmen nach Unternehmensalter
Abbildung 9 zeigt die teilnehmenden Unternehmen nach ihrer zugehörigen Branche. Die
IT/Software/Internet-Branche sowie die Maschinenbau-Branche sind mit 94 bzw. 55 Un-
ternehmen am stärksten vertreten. Insgesamt ist aber zu erkennen, dass Unternehmen
aus einer Vielzahl von Branchen geantwortet haben. „Sonstiges“ umfasst Unternehmen
aus Branchen, die nicht genau zu den vorgegebenen Kategorien passten.
Von den Unternehmen, die Angaben zu ihrem Gewerbe machten, sind 52,2% dem
Dienstleistungsgewerbe und 47,8% dem produzierenden Gewerbe zugehörig.
98
0
20
40
60
80
100
120
140
Sonsti
ges
IT/Software
/Inter
net
Masch
inenb
au
Keine A
ngab
e
Medien
Biotech
nologie
/Med
izinte
chnik
Elektro
industr
ie
Chemie/
Pharm
a
Energi
e/Roh
stoffe
Handel
Automob
ilindu
strie
Bau/Im
mobilie
n
Profes
sional
Service
s
Transport
/Logist
ik
Finanzd
ienstl
eistun
gen
Teleko
mmunika
tion
Abbildung 9: Teilnehmende Unternehmen nach Branche
3.1.5 Prüfung der Stichprobe auf Verzerrungen
Im Folgenden wird die Stichprobe auf verschiedene Verzerrungen oder „Bias“-Formen
untersucht. Bei Verzerrungen handelt es sich um systematische Messfehler, welche die
Ergebnisse der statistischen Auswertungsmethoden, im vorliegenden Fall die Ergebnisse
des Strukturmodells, beeinflussen können (Bagozzi/Yi/Philips 1991). So kann durch
Messfehler die eindeutige Beziehung zwischen zwei Konstrukten falsch dargestellt wer-
den (Podsakoff et al. 2003).
3.1.5.1 Non Response Bias
Ein „Non Response Bias“ resultiert aus systematischen Unterschieden zwischen antwor-
tenden und nicht antwortenden Unternehmen. Eine direkte Prüfung auf diese Verzerrung
ist nicht möglich. Armstrong und Overton (1977) vermuten allerdings, dass Teilnehmer,
die erst relativ spät antworten eher den Nicht-Antwortern gleichen als Teilnehmer, die
früh an der Befragung teilnehmen. Zur Prüfung wurden die Teilnehmer nach Eingangs-
zeitpunkt ihrer Antworten in drei gleich große Gruppen eingeteilt. Die Antworten des ers-
ten Drittels, der Frühantworter, werden mit den Antworten des letzten Drittels, der Spä-
tantworter, mittels eines t-Tests für unabhängige Stichproben auf signifikante Unter-
schiede geprüft. Bei 10 von 59 Indikatoren liegt ein Unterschied auf einem Signifikanzni-
99
veau von 5% vor. Auf Basis dieses Ergebnisses kann ein starker „Non Response Bias“
ausgeschlossen werden.
3.1.5.2 Herkunft der Kontaktdaten
Es wurde wiederum mit Hilfe eines t-Tests für unabhängige Stichproben untersucht, ob
sich die Antworten der befragten Unternehmen nach Herkunft ihrer Kontaktdaten (Unter-
nehmensgründerdatenbank, IHK-Datenbank) systematisch unterscheiden. Bei lediglich
10% der Variablen (6 Indikatoren) sind signifikante Unterschiede zwischen den Her-
kunftsdatenbanken festzustellen. 3 der betroffenen 6 Indikatoren liegen in der Aufgaben-
umwelt der Unternehmen. Die Vermutung liegt nahe, dass diese bei Gründungsunter-
nehmen andere Eigenschaften aufweist als bei etablierten Unternehmen. Eine generelle
systematische Verzerrung kann somit ausgeschlossen werden.
3.1.5.3 Single Informant Bias
Von einem „Single Informant Bias“ oder oft auch nur „Informant Bias“ (Anderson 1987;
Kumar/Stern/Anderson 1993; Ernst 2003b) spricht man, wenn eine Diskrepanz zwischen
der subjektiven Wahrnehmung des Antwortenden und dem objektiv vorliegenden Wert
eines zu messenden Sachverhalts vorliegt. Die Validität der erhobenen Daten nähme in
diesem Fall ab. Ernst (2003b) nennt als Hauptgrund für einen Informant Bias Informati-
ons- und Wahrnehmungsunterschiede zwischen verschiedenen Funktionsbereichen und
Hierarchiestufen im Unternehmen. So kann etwa die Sichtweise eines Vorstandes sys-
tematisch von der Sichtweise eines Mitarbeiters der zweiten Führungsebene abweichen
(Hambrick 1981). Ein einzelner Informant ist dann zulässig, wenn es im Unternehmen
keine andere Person gibt, die zur Teilnahme an der Befragung ausreichend gut infor-
miert wäre (Kaya 2006). Zumindest für die teilnehmenden Unternehmen mit einer gerin-
gen Unternehmensgröße ist von einem solchen Fall auszugehen (Merz 2008). Da pro
Unternehmen nur ein Fragebogen ausgefüllt wurde, ist eine Prüfung auf Ebene des Un-
ternehmens, wie sie neben Ernst (2003b) auch von Homburg (2007) angeregt wird, nicht
möglich. Es wurde somit eine Hilfsanalyse durchgeführt. Primärer Adressat der Befra-
gung war die erste Führungsebene des Unternehmens, die in 457 der 550 Fälle auch
antwortete. In 39 bzw. 6 Fällen beantworteten leitende Angestellte bzw. sonstige Mitar-
beiter die Fragen. 48 Antwortende machten keine Angabe zu ihrer Position. Analog zur
Prüfung auf den Non Response Bias wurden zwei Gruppen in Abhängigkeit von ihrer
Position im Unternehmen gebildet. Die erste Gruppe bildete die erste Führungsebene,
leitende Angestellte und sonstige Mitarbeiter bildeten die zweite Gruppe. Im Anschluss
wurde wiederum ein Mittelwertvergleich mit t-Test für unabhängige Stichproben durchge- 100
führt. Dieser ergab bei lediglich 6,7% der Variablen signifikante Unterschiede. Dies deu-
tet darauf hin, dass kein „Informant Bias“ vorliegt.
3.1.5.4 Method Bias
Da die Teilnehmer nicht nur online, sondern auch per Fax und postalisch antworten
konnten, ist zu prüfen, ob Unterschiede zwischen online und offline beantworteten Fra-
gebögen bestehen. Von den 550 Fragebögen wurden 534 online „retourniert“. 9 gingen
per Fax ein und 7 postalisch. Ein erneuter Mittelwertvergleich mit t-Test für unabhängige
Stichproben ergab keine Auffälligkeiten. Bei lediglich 8,7% der Variablen sind signifikante
Unterschiede zwischen einem alternativen Antwortweg und der Online-Beantwortung
festzustellen. Ein Method Bias ist somit ebenfalls auszuschließen.
3.1.5.5 Common Method Bias
Schließlich können die Daten von einem „Common Method Bias“ gekennzeichnet sein.
Ein solcher kann entstehen, wenn eine Auskunftsperson zum gleichen Zeitpunkt sowohl
für unabhängige als auch für abhängige Variablen Antworten gibt. Die Auskunftsperson
könnte sich dann von ihren vorherigen Antworten leiten lassen (Podsakoff et al. 2003).
Ein „Common Method Bias“ wäre etwa dann gegeben, wenn eine Auskunftsperson aus
sogenannten internen Konsistenzgründen ihre späteren Antworten an die Antworten auf
vorherige ähnliche Fragen anlehnt. Podsakoff et al. (2003) nennen vier mögliche Haupt-
ursachen für einen „Common Method Bias“:
Dieselbe Auskunftsperson für unabhängige und abhängige Variablen: Bei der Bewer-
tung einzelner Skalen kann eine Verzerrung aus Neigung zur konsistenten Beantwor-
tung, durch Bewertungen nach sozialer Erwünschtheit (Podsakoff/Organ 1986) sowie
den aktuellen Gefühlszustand der Befragten entstehen.
Irreführende Charakteristika für Indikatoren: Beispiele hierfür sind die Nutzung glei-
cher Skalen, gleiche Ankerpunkte sowie die Zweideutigkeit von Aussagen.
Enger Kontext, indem die Indikatoren zueinander stehen: Hierunter fiele eine ungüns-
tige Anordnung einzelner Fragen im Fragebogen.
Verwandter Kontext, indem die Messung durchgeführt wird: Die Verwendung des
gleichen Befragungsmediums könnte zu Verzerrungen führen. Auch eine fehlende
zeitliche Trennung der Messung unabhängiger und abhängiger Variablen könnte the-
oretisch zu einer Verzerrung beitragen. So sind Kovarianzen zwischen den Variablen
denkbar, weil der gleiche Messkontext die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass die
101
Antworten auf die gestellten Fragen zu unabhängigen und abhängigen Variablen im
Kurzzeitgedächtnis parallel zueinander existieren.
Eine gravierende Folge eines „Common Method Bias“ wäre die Fehlinterpretation von
hypothetisierten Zusammenhängen (Homburg/Klarmann 2006). Empirisch zeigt sich eine
solche Verzerrung durch deutlich erhöhte Korrelationen zwischen endogenen Variablen
bzw. Konstrukten. Aufgrund von Multikollinearität kann dies bei der Schätzung statisti-
scher Modelle zu Problemen führen (Cohen et al. 2003).
Bereits bei der Konzeption des Fragebogens wurde darauf geachtet, derartige Verzer-
rungen zu vermeiden. Zur Vermeidung eines „Response Bias“ (Cooper/Emory 1995)
bzw. einer „Response Set Contamination“ (Wiklund/Shepherd 2005) wurden negative
Formulierungen eingestreut. Zudem wurden nicht alle Fragen zu abhängigen Variablen
an das Ende des Fragebogens gestellt.
Die so erhobenen Daten können auch im Nachhinein auf einen „Common Method Bias“
geprüft werden. Podsakoff und Organ (1986) schlagen hierfür den „Harman’s Single Fac-
tor Test“ vor. Dieser erfordert eine exploratorische Faktorenanalyse über alle reflektiven
Indikatoren. Bei reflektiven Indikatoren verläuft die kausale Beziehung vom Konstrukt zu
den Indikatoren. Die Ausprägung des Konstrukts wird in den Indikatoren „reflektiert“
(Fornell/Bookstein 1982). Die unrotierte Faktorlösung gibt Aufschluss über die Anzahl
der für die Varianzerklärung der Indikatoren notwendigen Faktoren. Ein „Common Me-
thod Bias“ ist dann gegeben, wenn sich aus der Faktorenanalyse lediglich ein Faktor
ergibt oder ein einzelner Faktor den Großteil der Varianz zwischen den Indikatoren er-
klärt.
Eine solche Prüfung wurde für die vorliegende Arbeit durchgeführt. Mit Hilfe einer explo-
ratorischen Faktorenanalyse wurden aus den reflektiven Indikatoren sieben Faktoren
extrahiert. Diese erklären zusammen 60,39% der Varianz der Indikatoren. Der erste Fak-
tor allein wies einen Erklärungsanteil von 20,9% auf. Der Quotient aus den beiden Wer-
ten liegt mit 34,61% deutlich unter dem von Podsakoff und Organ (1986) geforderten
Wert von 0,50 bzw. 50%. Ein „Common Method Bias“ erscheint damit unwahrscheinlich.
102
Die nachfolgende Tabelle 5 verdeutlicht die Ergebnisse des Harman Single Factor Tests.
Es handelt sich um eine exploratorische Faktorenanalyse, im Vorfeld wurden somit keine
Faktorenanzahl hypothetisiert. Daher sind die einzelnen Faktoren auch nicht beschriftet.
Erklärte Gesamtvarianz Extraktion: Summe der quadrierten Faktor-
ladungen Faktor Gesamt % der Varianz Kumulierte %
1 5,643 20,900 20,900 2 2,999 11,106 32,006 3 2,807 10,398 42,403 4 1,459 5,403 47,806 5 1,299 4,812 52,618 6 1,092 4,045 56,663 7 1,007 3,730 60,393
Tabelle 5: Prüfung auf „Common Method Bias“
3.1.6 Umgang mit fehlenden Werten
Unvollständige Datensätze sind ein verbreitetes Phänomen in sozialwissenschaftlichen
empirischen Arbeiten. Anteile fehlender Werte von 10% (Schnell/Hill/Esser 1999) bis
30% (Roth/Switzer III 1995) werden als normal betrachtet. In der vorliegenden Arbeit
liegen die fehlenden Werte bei allen Variablen innerhalb der genannten Grenzen. Der
Median der Anteile fehlenden Werte liegt bei 1,82%. Überdurchschnittlich oft nicht ge-
antwortet wurde bei den Fragen zu den Reconfiguring Capabilities und zu den jeweiligen
Erfolgsgrößen. In beiden Fällen war dies zu erwarten. Auf Unternehmen, die in den letz-
ten drei Jahren keine Erneuerungen durchgeführt haben, trafen die Fragen zu ihren Re-
configuring Capabilities nicht zu. Obwohl bei den Erfolgsgrößen nach relativen Werten
und Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb gefragt wurde, ist es nachvollziehbar, dass hier
die Antwortbereitschaft geringer ist.
Obwohl sich in jüngster Zeit vermehrt Forscher mit dem Problem unvollständiger Daten-
sätze beschäftigt haben (Hiddemann 2007), ist nach Decker et al. (2000a) die am häu-
figsten gewählte Methode, diese zu ignorieren. Obwohl der Anteil fehlender Werte in die-
ser Studie gering ist, ist zu klären, wie mit diesen umzugehen ist (Raaijmakers 1999).
Durch ein methodisch sauberes Vorgehen können Verzerrungen vermieden werden.
Grundsätzlich lassen sich die in Abbildung 10 dargestellten Verfahren zum Umgang mit
fehlenden Werten unterscheiden.
103
Verfahren zur Behandlung
fehlender Daten
Eliminierungsverfahren Imputationsverfahren Parameterschätzverfahren
BeobachtungsweisePaarweise Einfache Multiple
Abbildung 10: Verfahren zur Behandlung fehlender Daten
Eliminierungsverfahren schließen Datensätze bzw. Variablen mit fehlenden Datensätzen
aus der Analyse aus. Bei der beobachtungsweisen Eliminierung werden komplette Da-
tensätze aus der Analyse entfernt. Es verbleiben nur die Variablen für die Auswertung,
zu denen Daten von allen Befragten vorliegen. Bei der paarweisen Eliminierung wird bei
Korrelations- und Kovarianzanalysen nur auf die Datensätze zurückgegriffen, die über
Werte für beide untersuchten Variablen verfügen (Allison 2001, S. 6ff.).
Imputationsverfahren hingegen ersetzen die fehlenden Werte. Einfache Imputationsver-
fahren greifen hierfür z.B. auf Mittelwerte oder auf Ergebnisse von Regressionsanalysen
zurück (Allison 2001, S. 11f.). Bei multiplen Imputationsverfahren werden per Simulation
mehrere Ersatzwerte ermittelt, die per Inferenz zu einem einzelnen Wert zusammenge-
fügt werden (Rubin 1976; Rubin 1987).
Parameterschätzverfahren greifen meist auf Maximum-Likelihood- bzw. Bayes-
Algorithmen zurück, um fehlende Werte zu schätzen (Bankhofer 1995, S. 156ff.). Am
häufigsten wird der „Expectation Maximization“ Algorithmus (EM-Algorithmus) verwen-
det. Dabei handelt es sich um einen iterativen Algorithmus, der in jedem Durchgang zwei
Schritte, den E(xpectation)-Schritt und den M(aximization)-Schritt ausführt: Im E-Schritt
wird der unvollständige Datensatz zum vollständigen Datensatz ergänzt. Die fehlenden
Werte der Variable X werden durch Regressionen von X auf Y ersetzt. Die Schätzungen
der Modellparameter sind dabei gegeben. Im M-Schritt werden die Modellparameter ge-
schätzt, indem die Likelihoodfunktion der vervollständigten Daten maximiert wird. Der
Algorithmus endet, wenn sich die bestimmten Parameter nicht mehr wesentlich ändern.
(Decker/Wagner/Temme 2000b).
104
Bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens sind insbesondere zwei Kriterien relevant.
Zum einen sollte das Verfahren zu möglichst geringen Verzerrungen führen. Sowohl die
Eliminierungsverfahren als auch die einfachen Imputationsverfahren können zu starken
Verzerrungen der Analyseergebnisse führen (Vriens/Melton 2002). Daher wird oft der
Einsatz der multiplen Imputation oder des EM-Algorithmus empfohlen (Schafer/Graham
2002). Kristensen und Eskildsen (2005) kommen auf Basis einer Simulationsstudie zu
dem Schluss, dass der EM-Algorithmus für die im Rahmen dieser Arbeit verwendete
Analysemethode PLS das am besten geeignete Verfahren ist.
Zum anderen sollte der Aufwand, der mit der Anwendung eines Verfahrens verbunden
ist, betrachtet werden. Die Durchführung einer multiplen Imputation ist mit einem sehr
hohen Aufwand verbunden. Es müssen zunächst separate Softwarelösungen für Vorar-
beiten eingesetzt werden. Wenn derartige Software nicht eingesetzt wird, ist die multiple
Imputation fehleranfällig. Hinzu kommt ein relativ hoher Zeit- und Rechenaufwand. Der
EM-Algorithmus ist hingegen standardmäßig im Softwarepaket SPSS (MVA-Modul) ent-
halten und kann mit geringem Aufwand geschätzt werden (Allison 2001, S. 19). Voraus-
setzung für den Einsatz des EM-Algorithmus ist, dass fehlende Werte zufällig fehlen
(„missing at random“ oder MAR) und nicht etwa von einer Variablen abhängig sind. Im
vorliegenden Datensatz ließen sich bei den fehlenden Werten keine Muster erkennen, so
dass davon auszugehen ist, dass eine MAR-Situation vorliegt. Daher wurde auch in die-
ser Arbeit der EM-Algorithmus verwendet.
3.1.7 Überprüfung der Repräsentativität
Voraussetzung für die Repräsentativität einer Stichprobe ist, dass sie in den relevanten
Merkmalsausprägungen den Ausprägungen der Grundgesamtheit gleicht
(Berekhoven/Eckert/Ellenrieder 1999, S. 50). Daher werden im Folgenden die Verteilun-
gen der Unternehmen nach Unternehmensgröße, gemessen an der Mitarbeiteranzahl, in
der Stichprobe und der Grundgesamtheit miteinander verglichen. Die Daten für die
Grundgesamtheit entstammen der Unternehmensgrößen-Statistik des Instituts für Mit-
telstandsforschung (IfM) in Bonn für das Jahr 2008. Abbildung 11 zeigt die Ergebnisse.
105
0,00%
10,00%
20,00%
30,00%
40,00%
50,00%
60,00%
1 2-9 10-19 20-49 50-99 100-249 250-499 500 undmehr
Stichprobe IfM
Abbildung 11: Vergleich der Unternehmensgrößen nach Mitarbeiterzahl zwischen Stichprobe und IfM-
Erhebung
Es wird schnell deutlich, dass Ein-Mann-Unternehmen und Kleinstunternehmen mit bis
zu neun Mitarbeitern stark unterrepräsentiert sind, wohingegen größere Unternehmen
deutlich überrepräsentiert sind. Die Erhebung kann somit nicht als repräsentativ für alle
deutsche Unternehmen eingestuft werden.
106
3.2 Operationalisierung der Variablen
Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die in der Arbeit verwendeten Konstrukte mit
ihren Indikatoren verknüpft bzw. operationalisiert wurden.
3.2.1 Grundlagen
Theoretische Konzepte, wie etwa die einzelnen Dimensionen einer EO, sind nicht unmit-
telbar beobachtbar. Sie werden daher als „Konstrukte“ oder „latente Variablen“ bezeich-
net (Bagozzi/Philips 1982; 1996). Latente Variablen können durch manifeste Variablen,
so genannte Indikatoren oder Messgrößen, direkt beobachtet und damit auch abgefragt
werden. Die Verknüpfung von Indikatoren und Konstrukten bezeichnet man als Operati-
onalisierung (Churchill 1979; DeVellis 2003).
In vielen wissenschaftlichen Arbeiten wird der Definition der Beziehungen zwischen den
theoretischen Konzepten und den Messgrößen wenig Aufmerksamkeit geschenkt
(Edwards/Bagozzi 2000). Dadurch besteht die Gefahr, dass theoretische Konzepte nur
ungenau mit realen Sachverhalten verknüpft werden. Wie Baumgartner und Homburg
(1996) in ihrer Meta-Studie zeigen, ist die daraus resultierende geringe Validität der Kon-
strukte ein verbreitetes Problem. Um diese Gefahr zu vermeiden, geben Homburg und
Klarmann (2003) verschiedene Empfehlungen:
Die Operationalisierung eines theoretischen Konzepts (Konstrukts) ist durch mehrere
Messgrößen (Indikatoren) vorzunehmen.
Die Beziehung zwischen einem Konstrukt und seinen Indikatoren ist explizit zu spezi-
fizieren.
Existieren bereits validierte Operationalisierungen, sollte möglichst auf diese zurück-
gegriffen werden. Der Einsatz sogenannter „borrowed scales“ (Churchill/Peter 1984)
ermöglicht auch die Vergleichbarkeit verschiedener Arbeiten.
Für die Operationalisierung eines Konstrukts durch mehrere Indikatoren gibt es zwei
Hauptgründe. Einerseits besteht die Schwierigkeit, aus einer Vielzahl möglicher Indikato-
ren diejenigen auszuwählen, die das Konstrukt empirisch genau abbilden. Daher werden
üblicherweise mehrere Indikatoren verwendet (Little/Lindenberger/Nesselroade 1999).
Andererseits liegt der Verwendung eines einzelnen Indikators je Konstrukt die Annahme
zugrunde, dass dieser Indikator fehlerfrei gemessen wird (Bagozzi/Yi/Philips 1991). Da
fast jede Messung aber potenziell einen Messfehler enthält, ist diese Annahme selten
erfüllt (Churchill 1987, S. 377ff.). Werden je Konstrukt mehrere Indikatoren verwendet,
107
können die durch den Messfehler hervorgerufenen Verzerrungen beurteilt werden. Man
spricht hierbei von der Beurteilung der Konstruktvalidität (Bagozzi/Yi/Philips 1991).
Bei der Spezifikation eines Konstrukts wird die Beziehung zwischen dem Konstrukt und
seinen Indikatoren festgelegt. Es werden grundsätzlich zwei Arten von Indikatoren unter-
schieden – reflektive und formative Indikatoren (Fornell/Bookstein 1982; Bollen 1989;
Bollen/Lennox 1991). Bei reflektiven Indikatoren verläuft die kausale Beziehung vom
Konstrukt zu den Indikatoren. Die Ausprägung des Konstrukts wird in den Indikatoren
„reflektiert“. Das Konstrukt „logisches Denkvermögen“ wird z.B. mit reflektiven Indikato-
ren gemessen. Diese geben jeweils Ergebnisse unterschiedlicher Logiktests wieder. Bei
formativen Indikatoren verläuft die kausale Beziehung von den Indikatoren zum Kon-
strukt, die Indikatoren bedingen somit das Konstrukt. So wird etwa das Konstrukt „Zeit-
verbrauch für soziale Interaktion“ mit den formativen Indikatoren „Zeit mit Freunden“ und
„Zeit mit der Familie“ gemessen (Bollen 2002). Die Mehrzahl sozialwissenschaftlicher
Arbeiten verwendet reflektive Indikatoren (Bollen 1989, S. 65). Zahlreiche Autoren führen
dies darauf zurück, dass die klassische Testtheorie, Reliabilitätstests und auch die Fak-
torenanalyse auf der Annahme reflektiver Indikatoren basieren (Harman 1976; Nunnally
1978). Häufig wird diese Annahme aber nicht im Rahmen einer expliziten Spezifikation
überprüft (Diamantopoulos/Winklhofer 2001). Werden formative Indikatoren als reflektiv
spezifiziert, kann dies die empirischen Ergebnisse verfälschen. Wird bei der Operationa-
lisierung eines Konstrukts ein formativer Indikator weggelassen, verändert sich die Aus-
sage des Konstrukts (Bollen/Lennox 1991). Zudem kann der Verzicht auf formative Indi-
katoren bei der Datenanalyse dazu führen, dass im Rahmen von Reliabilitäts- und Validi-
tätsprüfungen fehlspezifizierte Indikatoren unnötigerweise aus einem Konstrukt entfernt
werden (Diamantopoulos/Winklhofer 2001). Zur Vermeidung dieser Gefahren werden die
Konstrukte in dieser Arbeit bereits im Rahmen der Operationalisierung anhand von Ent-
scheidungsregeln spezifiziert. Diese qualitative Spezifikation wird im Rahmen der Daten-
analyse nochmals quantitativ überprüft. Abbildung 12 gibt einen Überblick über die die
Entscheidungsregeln nach Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003), die in der Folge für
die Spezifizierung der Indikatoren verwendet werden.
108
Entscheidungs-kriterien
Kausale Beziehung zwischen Konstrukt und Indikatoren
Kennzeichen formativer Indikatoren Kennzeichen reflektiver Indikatoren
Austauschbarkeit der Indikatoren
Kovarianzder Indikatoren
NomologischesNetz der Indikatoren
- Von den Indikatoren zum Konstrukt - Vom Konstrukt zu den Indikatoren
- Nicht unbedingt austauschbar
- Aussagekraft des Konstrukts ändert sich bei Herausnahme eines Indikators
- Austauschbar
- Keine Veränderung der Aussagekraft des Konstrukts bei Herausnahme eines Indikators
- Nicht unbedingt vorhanden
- Veränderung eines Indikators bedingt nicht unbedingt eine Veränderung der anderen Indikatoren
- Unbedingt vorhanden
- Veränderung eines Indikators bedingt unbedingt die Veränderung der übrigen Indikatoren
- Gleiche Ursachen bzw. Folgen der Indikatoren nicht unbedingt gegeben
- Gleiche Ursachen bzw. Folgen der Indikatoren gegeben
Abbildung 12: Entscheidungsregeln für die Indikatorenspezifikation nach Jarvis et al. (2003)
Es wurde bei allen Spezifikationen auf bereits etablierte Messinstrumente zurückgegrif-
fen. Der Vorteil bei diesem Vorgehen liegt zum einen darin, dass diese Messinstrumente
bereits hinsichtlich ihrer Reliabilitäts- und Validitätseigenschaften empirisch getestet
wurden. Zum anderen erleichtert dieses Vorgehen die Vergleichbarkeit von Forschungs-
ergebnissen. Der vollständige Fragebogen mit allen Indikatoren findet sich in Anhang A.
3.2.2 Unternehmerische Orientierung
Strategische Orientierungen wie EO lassen sich nicht valide über Sekundärdaten mes-
sen (Zahra/Covin 1993). Bislang wurde EO daher in der Literatur mit zwei Konstrukten
bzw. Skalen gemessen, der „Corporate Entrepreneurship Scale“ und der „ENTRESCA-
109
LE“. Beide Skalen betrachten EO als ein Konstrukt. Die „Corporate Entrepreneurship
Scale“ wurde von Zahra (1991; 1993b) entwickelt und verfeinert. Sie misst das Engage-
ment eines Unternehmens hinsichtlich Corporate-Entrepreneurship-Aktivitäten wie Grün-
dungen, Innovation und Selbsterneuerung. Die „Corporate Entrepreneurship Scale“ wur-
de nur vereinzelt in Folgestudien angewandt.3 Stärker durchgesetzt hat sich die
„ENTRESCALE“. Sie geht auf Khandwalla (1977) zurück und wurde durch Miller (1983)
sowie Covin und Slevin (1986; 1989) weiterentwickelt. EO wurde von diesen Autoren
noch als eindimensionales Konstrukt betrachtet (Covin/Slevin 1989). Die Skala beinhaltet
drei der in Kapitel 1.2.2 diskutierten Dimensionen von EO – Proaktivität, Innovativität und
Risikoübernahme. Diese Skala fand in der Literatur relativ großen Zuspruch und wurde
gemäß Wiklund (1998) in mindestens zwölf Studien verwendet. Sie wurde auch bereits
positiv auf ihre interkulturelle Reliabilität und Validität (Knight 1997) sowie ihre interne
Konsistenz und prognostische Validität (Kemelgor 2002) getestet. Dennoch ist sie um-
stritten. So herrscht etwa Uneinigkeit darüber, wie sie genau zu bezeichnen ist und ob
sie EO wirklich umfassend misst (Wiklund 1998; Brown/Davidsson 1998). Wie in den
Kapiteln 1.2.2 sowie 2.2.3 argumentiert wurde, wird in dieser Arbeit analog zu Lumpkin
und Dess (1996a) die Ansicht vertreten, dass die drei in der „ENTRESCALE“ berücksich-
tigten EO-Dimensionen Proaktivität, Innovativität und Risikoübernahme EO nur unzurei-
chend erfassen. Sie schließen weder Autonomie noch Aggressivität gegenüber Wettbe-
werbern ein. EO wird in dieser Arbeit umfassend mit allen fünf Dimensionen gemessen.
Im Folgenden wird auf die Operationalisierung der einzelnen Dimensionen eingegangen.
In der Datenanalyse wird EO zudem als ein aus den fünf Dimensionen bestehendes
3 Schmelter (2009) misst sein Konstrukt „Corporate Entrepreneurship“ mit einer Kombination aus der
„Corporate Entrepreneurship Scale“ und den EO-Dimensionen Proaktivität und Risikoübernahme.
Nach Kenntnisstand des Autors ist diese Kombinationsmessung bislang einzigartig.
110
Konstrukt höherer Ordnung, auch „Second Order Konstrukt“ genannt, gemessen
(Law/Wong/Mobley 1998).
3.2.2.1 Autonomie
Auf Basis der Arbeit von Lumpkin/Dess (1996a) sowie verschiedener anderer Arbeiten,
die sich explizit mit Autonomie-Aspekten auseinandersetzen (Engel 1970; Spreitzer
1995; Hornsby/Kuratko/Zahra 2002), entwickeln Hughes und Morgan (2007) eine Auto-
nomie-Skala und unterziehen diese auch einer inhaltlichen Validitätsprüfung. Die Arbeit
wird diese Skala übernehmen. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert. Tabelle 6 gibt die
einzelnen Items wieder.
Konstrukt: AutonomieSpezifikation: ReflektivQuellen: Engel (1970), Spreitzer (1995), Lumpkin/Dess (1996a),
Hornsby/Kuratko/Zahra (2002), Hughes/Morgan (2007)Indikatoren:aut_1 Unseren Mitarbeitern ist es erlaubt, ohne Einmischung (von
Vorgesetzten) zu denken und zu handeln.aut_2 Unsere Mitarbeiter führen solche Arbeiten durch, die es ihnen
erlauben, während ihrer Arbeitsschritte Änderungen vorzunehmen und anzuregen.
aut_3 Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit und Unabhängigkeit, selbst zu entscheiden, wie sie bei ihrer Arbeit vorgehen.
aut_4 Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit, ohne Einmischung (von Vorgesetzten) zu kommunizieren.
aut_5 Unsere Mitarbeiter haben die Autorität und die Verantwortung selbst zu handeln, wenn es im Interesse unseres Geschäfts ist.
aut_6 Unsere Mitarbeiter haben Zugang zu allen für ihre Arbeit relevanten Informationen.
Tabelle 6: Operationalisierung von „Autonomie“
3.2.2.2 Innovativität
Wie auch in vorherigen Arbeiten (etwa Covin/Slevin 1989) basiert die Innovativitätsskala
auf den Arbeiten von Khandwalla (1976) sowie Miller und Friesen (1982). Das von
Schmelter (2008) ergänzte vierte Item, der Anteil des Umsatzes, den ein Unternehmen
mit neuen Produkten macht, wird in dieser Arbeit über den Innovationserfolg, also das
Ergebnis der Innovativität erfasst. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert. Tabelle 7 gibt
die einzelnen Items wieder.
111
Konstrukt:Spezifikation:Quellen:Indikatoren:inn_1 Allgemein gesprochen
bevorzugt unser Top-Management…
...das Vermarkten von ausreichend am Markt getesteten und bewährten Produkten.
...die starke Betonung von F&E, Technologieführer-schaft und Innovationen.
inn_2 Wie viele Produkte/Dienstleistungen hat Ihr Unternehmen in den letzten drei Jahren auf den Markt gebracht?
Keine neuen Produkt- und Dienstleistungs-linien.
Sehr viele neue Produkt- und Dienstleistungs-linien.
inn_3 In den letzten drei Jahren hat unser Unternehmen Änderungen an seinen Produktlinien vorgenommen.
Die Änderungen an den Produktlinien waren tendenziell von kleinem Umfang.
Die Änderungen der Produktlinien waren tendenziell von sehr großem Umfang.
InnovativitätReflektivKhandwalla (1976), Miller/Friesen (1982), Covin/Slevin (1989)
Tabelle 7: Operationalisierung von „Innovativität“
3.2.2.3 Risikoübernahme
In der Literatur für die Messung der Risikoübernahme breit akzeptiert ist die von Miller
(1983) sowie Covin und Slevin (1986) entwickelte Skala, auf die auch in der vorliegen-
den Arbeit zurückgegriffen wird. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert. Tabelle 8 gibt die
einzelnen Items wieder.
112
Konstrukt:Spezifikation:Quellen:Indikatoren:ris_1 ...mehrheitlich Projekte
durchgeführt, die mit wenig Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf sichere, "normale" Rentabilität/Gewinne).
ris_2 ...eher eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung vollzogen, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.
ris_3 …bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen eher abgewartet und beobachtet, um keine kostspieligen Fehlinvestitionen zu tätigen.
...mehrheitlich Projekte durchgeführt, die mit viel Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf unsichere, "hohe" Rentabilität/Gewinne).
...eher große, gewagte Aktionen unternommen, um sich weiterzuentwickeln, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.…bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen mit kühnen, aggressiven Aktionen versucht, den größtmöglichen Profit aus potenziellen Möglichkeiten zu ziehen.
RisikoübernahmeReflektivMiller (1983), Covin/Slevin (1986)Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
Tabelle 8: Operationalisierung von „Risikoübernahme“
3.2.2.4 Proaktivität
Das Konzept der Proaktivität wurde in der Vergangenheit, wie etwa bei Miller (1983) häu-
fig operationalisiert, indem Manager gefragt wurden, ob ihr Unternehmen eher voran-
schreitet oder es vorzieht, Wettbewerbern zu folgen. Ein Beispiel bieten etwa Covin und
Slevin (1986, S. 631): „[Proaktivität] refers to the extent to which organizations attempt to
lead rather than follow competitors in such key business areas as the introduction of new
products or services, operating technologies, and administrative techniques“. Venkatra-
man (1989a) ergänzte bei seiner Operationalisierung den Aspekt der Aufgabenumwelt-
beobachtung. Sie ist notwendig, um auf neue Geschäftsmöglichkeiten aufmerksam zu
werden. Da Venkatraman (1989a) sein Konstrukt auch umfassend validiert hat, wird sei-
ne Skala übernommen. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert. Tabelle 9 gibt die einzel-
nen Items wieder.
113
Konstrukt: ProaktivitätSpezifikation: ReflektivQuellen: Venkatraman (1989)Indikatoren:pro_1 Unser Unternehmen sucht ständig nach Gelegenheiten, die mit den
bestehenden Unternehmensbereichen in Verbindung stehen.pro_2 Wir sind in unserer Branche gewöhnlich die ersten, die neue Marken
oder Produkte im Markt einführen.pro_3 Wir sind ständig auf der Suche nach Unternehmen, die wir
übernehmen können.pro_4(rev) Wettbewerber kommen uns häufig zuvor, indem sie vor uns
Kapazitäten aufbauen.pro_5 Unternehmensbereiche, die sich in den späten Phasen ihres
Lebenszyklus befinden, werden strategisch eliminiert.
Tabelle 9: Operationalisierung von „Proaktivität“
3.2.2.5 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern lässt sich auf verschiedenen Wegen
feststellen. Covin und Covin (1990, S. 48) etwa befragten Manager, welche Position sie
gegenüber Wettbewerbern einnehmen. Damit greifen sie den Gedanken von Khandwalla
(1977) auf und formulieren ihn lediglich sprachlich um. Eine „undo-the-competition“-
Einstellung wurde einer „live-and-let-live“-Einstellung gegenübergestellt. Auch anhand
von ambitionierten Marktanteilszielen und Preisreduktionen mit Gewinnverzicht lässt sich
derartiges Verhalten feststellen (Venkatraman 1989a). Weitere mögliche Indikatoren sind
höhere Investitionen als Wettbewerber in Marketing, Produktservice, Qualität und Ferti-
gungskapazität (MacMillan/Day 1987). Häufig wurde in der Vergangenheit für die Opera-
tionalisierung aggressiven Verhaltens gegenüber Wettbewerbern eine 2-Item-Skala, ba-
sierend auf den Arbeiten von Khandwalla (1977), Covin und Slevin (1989) sowie Lump-
kin und Dess (2001a), eingesetzt. Interessant ist die Beschränkung auf zwei Items. Um
eine Vergleichbarkeit mit Vorarbeiten zu ermöglichen, soll die Skala hier übernommen
werden. Bei der Validitätsprüfung soll die Skala jedoch einer besonderen Prüfung unter-
zogen werden. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert. Tabelle 10 gibt die beiden Items
wieder.
114
Konstrukt:Spezifikation:Quellen:Indikatoren:agg_1 ...ist unser Unternehmen sehr
aggressiv und extrem wettbewerbsorientiert.
agg_2(rev) ...versucht unser Unternehmen typischerweise Konfrontationen mit Wettbewebern aus dem Weg zu gehen und nimmt eine "Leben und leben lassen"-Haltung ein.
...nimmt unser Unternehmen typischerweise eine "Vernichtet den Wettbewerb"-Haltung ein.
...unternimmt unser Unternehmen keine besonderen Anstrengungen, um von der Konkurrenz Geschäft abzuziehen.
Aggressives Verhalten gegenüber WettbewerbernReflektivKhandwalla (1977), Covin/Slevin (1989), Lumpkin/Dess (2001)Im Umgang mit Wettbewerbern…
Tabelle 10: Operationalisierung von „Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern“
3.2.3 Moderierende und mediierende Variablen
3.2.3.1 Moderierende Variablen
3.2.3.1.1 Freigiebigkeit
Eine umfassende Skala für die Freigiebigkeit der Aufgabenumwelt wurde von Zahra
(1993b) entwickelt. Sie umfasst die Dimensionen Dynamik (dyn), technologische Gele-
genheiten (teo), wahrgenommenes Branchenwachstum (wbw) sowie Nachfrage nach
neuen Produkten (nnp). Analog Zahra (1993b) sollen die einzelnen Dimensionen separat
als moderierende Variablen, die für einzelne Aspekte einer freigiebigen Aufgabenumwelt
stehen, modelliert werden. Diese Vorgehensweise erlaubt differenziertere Aussagen zum
Einfluss der jeweiligen Aspekte einer freigiebigen Aufgabenumwelt. Jede Dimension ist
als formatives Konstrukt spezifiziert. Die einzelnen Items sind, nach den Dimensionen
geordnet, in Tabelle 11 dargestellt.
115
Konstrukt: Freigiebigkeit der AufgabenumweltSpezifikation: FormativQuellen: Zahra (1993b)Indikatoren:
Bitte bewerten Sie die Veränderungen, die im Geschäftsumfeld Ihres Unternehmens in den letzten 12 Monaten aufgetreten sind auf der u.s. Skala.
dyn_1 Technologische Veränderungendyn_2 Veränderungen in der Demographie der Konsumentendyn_3 Regulierung in unserer Branchedyn_4 Anzahl der inländischen Mitbewerberdyn_5 Anzahl der ausländischen Mitbewerberdyn_6 Branchenweite Werbeausgaben
Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
teo_1 In unserer Banche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für technische Innovationen.
teo_2 Die Nachfrage nach neuen Technologien in unserer Branche wächst.teo 3 Für Wachstum in unserer Branche bedarf es neuer Technologien.
Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
wbw_1 In unserer Branche gibt es sehr wenige Gelegenheiten für Wachstum. (rev)
wbw_2Die Branche bietet zahlreiche Gelegenheiten für künftiges Wachstum.
wbw_3 Wachstumsmöglichkeiten in dieser Branche gibt es im Überfluss.Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
nnp_1 In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Produktinnovationen.
nnp_2 In unserer Branche wächst Konsumentennachfrage nach neuen Produkten.
nnp_3 In unserer Branche wächst die Nachfrage des Gesamtmarktes nach neuen Produkten.
Tabelle 11: Operationalisierung von „Freigiebigkeit der Aufgabenumwelt“
3.2.3.1.2 Feindlichkeit
Eine validierte Skala zur Messung der Feindlichkeit der Aufgabenumwelt stammt von
Zahra (1991). Sie wurde auch in Folgestudien, etwa bei Zahra und Covin (1995), einge-
setzt. Das Konstrukt ist formativ spezifiziert. Die Items basieren auf der Arbeit von Miller
und Friesen (1984) und sind in Tabelle 12 wiedergegeben.
116
Konstrukt: Feindlichkeit der AufgabenumweltSpezifikation: FormativQuellen: Zahra (1991)Indikatoren: Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf das Wettbewerbsumfeld
Ihres Unternehmens zu?fei_1 In unserer Branche sind die Handlungen unserer Wettbewerber
unberechenbar.fei_2 In unserer Branche sind die Nachfrage und die Kundenwünsche
schwierig vorherzusagen.fei_3 Schrumpfende Märkte für unsere Produkte sind eine große
Herausforderung für unsere Branche.fei_4 Ein harter Preiswettbewerb ist in unserer Branche eine große
Herausforderung.fei_5 Die Einmischung von Regierung/Behörden stellt in unserer Branche
eine große Herausforderung dar.fei_6 Unser Geschäftsumfeld gefährdet das Überleben unseres
Unternehmens.
Tabelle 12: Operationalisierung von „Feindlichkeit der Aufgabenumwelt“
3.2.3.1.3 Reconfiguring Capabilities
Die in der Literatur nach Kenntnisstand des Autors bisher einzige Operationalisierung
von Reconfiguring Capabilities stammt von Jantunen et al. (2005) und soll auch für diese
Arbeit übernommen werden. Das Konstrukt ist formativ spezifiziert. Die einzelnen Items
finden sich in Tabelle 13.
Konstrukt: Reconfiguring CapabilitiesSpezifikation: FormativQuellen: Jantunen et al. (2005)Indikatoren: Haben Sie in Ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren die
folgenden Erneuerungen durchgeführt? Falls ja, wie erfolgreich waren diese?
rec_1 Implementierung einer neuen oder substanziell veränderten Unternehmensstrategie
rec_2 Implementierung neuer Managementmethodenrec_3 Neue oder substanziell veränderte Organisationsstrukturrec_4 Neue oder substanziell veränderte Marketingmethoden oder
Marketingstrategierec_5 Neue oder substanziell veränderte technologische Einrichtungen oder
Produktionsprozesserec_6 Substanzielle Erneuerung der Geschäftsprozesserec_7 Substanzielle Erneuerung der Produktionsprozesse
Tabelle 13: Operationalisierung von „Reconfiguring Capabilities“
3.2.3.2 Mediierende Variable
3.2.3.2.1 Innovationserfolg
Über die Operationalisierung des Innovationserfolges besteht in der Literatur keine Ei-
nigkeit (Hauschildt 1991). Es werden zahlreiche Vorschläge zur Messung des Innovati-
117
onserfolges unterbreitet (Hauschildt 1991; Griffin/Page 1993; Cooper/Kleinschmidt 1995;
Ernst 2003a). Nach Hauschildt (1991) sind bei der Messung des Innovationserfolges die
folgenden fünf Kriterien relevant: (1) Meßbereich – Auf welches Objekt bezieht sich der
Innovationserfolg?, (2) Messdimension – Anhand welcher Eigenschaften des Innovati-
onsobjektes wird der Erfolg gemessen?, (3) Messzeitpunkt – Wann wird der Innovati-
onserfolg gemessen?, (4) Referenzgröße der Messung – Womit wird der Innovationser-
folg verglichen?, (5) Messsubjekt – Wer sollte bestimmen, ob eine Innovation erfolgreich
war? Mit der Definition des Innovationserfolges als Produktinnovationsrate (Brockhoff
1981), also als Prozentsatz des Umsatzes, der mit Produkten gemacht wird, die in den
letzten drei Jahren neu in den Markt eingeführt oder wesentlich verändert wurden, ver-
sucht die Arbeit allen Kriterien gerecht zu werden. Der Messbereich erstreckt sich hierbei
auf das gesamte Unternehmen, das Untersuchungsobjekt dieser Arbeit. Die Messdimen-
sion ist der Umsatz mit Innovationen in Relation zum Umsatz mit bestehenden Produk-
ten. Der Messzeitpunkt ist nach Markteinführung der neuen Produkte. Die Referenzgrö-
ße sind die Bestandsprodukte. Messsubjekt ist das Top Management. Zwar wird hiermit
nicht dem Ideal der Messung durch eine Gruppe entsprochen. Es handelt sich bei der
Messdimension aber um eine objektiv relativ gut überprüfbare Größe. Das Management
sollte über die relevanten Umsatzdaten verfügen. Die vorgeschlagene Messung folgt
zudem den Richtlinien des OECD-Handbuches (OECD 1997). An dieser Messung könn-
te kritisiert werden, dass es sich um ein 1-Item-Measure handelt und Prozessinnovatio-
nen darin nicht berücksichtigt werden. Dass die Frage nach dem Umsatzanteil der Pro-
dukte, die in den letzten drei Jahren neu in den Markt eingeführt oder wesentlich verän-
dert wurden, das Konstrukt Innovationserfolg, das hier als Produktinnovationsrate ver-
standen wird, empirisch genau abbildet und fehlerfrei misst, ist naheliegend. Insofern ist
die Messung des Innovationserfolges mit einem Item vertretbar. Prozessinnovationen
werden in dieser Arbeit bereits implizit über das Innovativitäts-Konstrukt berücksichtigt.
Zudem wird in der Literatur auch die Ansicht vertreten, dass Prozessinnovationen Pro-
duktinnovationen unterstützen (Piper 2008). Demnach wären Prozessinnovationen als
moderierende oder mediierenden Variable zu modellieren und nicht als separate Items
im Innovationserfolgskonstrukt. Das Item zur Messung des Innovationserfolges ist in
Tabelle 14 wiedergegeben.
118
Konstrukt: InnovationserfolgSpezifikation: ReflektivQuellen: Brockhoff (1981)Indikatoren: Wie hoch ist der Prozentsatz Ihres Umsatzes mit Produkten, die in den
letzten drei Jahren neu in den Markt eingeführt oder wesentlich verändert wurden?
ine_1 %-Angabe
Tabelle 14: Operationalisierung von „Innovationserfolg“
3.2.4 Unternehmenserfolg
Im Folgenden wird auf die Operationalisierung der nach der Diskussion in Kapitel 1.2.3
diskutierten und ausgewählten finanziellen und nicht-finanziellen Erfolgsgrößen einge-
gangen.
3.2.4.1 Finanzielle Erfolgsgrößen
3.2.4.1.1 Profitabilitätsmaße
Verschiedene Arbeiten greifen zur Messung des Unternehmenserfolges auf Profitabili-
tätsmaße zurück. Den Return on Assets (ROA), also der Nettogewinn geteilt durch die
Summe der Vermögenswerte, wurde etwa von Zahra (1991) sowie Zahra und Covin
(1995) eingesetzt. Er soll auch in dieser Arbeit verwendet werden. Unabhängig von der
Aktiva des Unternehmens ist die ebenfalls häufig verwendete Umsatzrendite bzw. ROS,
also der Nettogewinn geteilt durch den Umsatz. Diese wurde etwa von Zahra (1993b),
Zahra und Covin (1995) sowie Lumpkin und Dess (2001a) verwendet und kommt auch
hier zum Einsatz.
3.2.4.1.2 Wachstumsmaße
Da bei Profitabilitätsmaßen allerdings das Problem besteht, dass unternehmensspezifi-
sche (Einmal-)Effekte, die Messgrößen verzerren können (Lumpkin/Dess 2001b), soll
zusätzlich auf Wachstumsmaße zurückgegriffen werden. Da unternehmerische Aktivitä-
ten zudem teilweise erst mit Verzögerung eine Beeinflussung der Profitabilität zeigen,
wäre eine Beschränkung der Erfolgsmessung auf Profitabilitätsmaße ggf. irreführend
(Zahra/Garvis 2000). Die Wachstumsmaße Umsatzwachstum und Mitarbeiterwachstum,
die auch schon in vorherigen Studien zum Zusammenhang zwischen EO und UE (etwa
bei Lumpkin und Dess (1996a; 2001a)) verwendet wurden, sind neben der Umsatzrendi-
te eine weitere breit akzeptierte Methode der Erfolgsmessung. Das Umsatzwachstum
spiegelt jedoch andere Aspekte des Erfolgsstrebens eines Unternehmens als die Um-
satzrendite wider (Kirchhoff 1977). Umsatzwachstum ist nach der Meta-Analyse von Ca-
119
pon, Farley und Hoenig (1990) zu den Determinanten des Unternehmenserfolges ein
allgemein akzeptierter Indikator für den finanziellen Unternehmenserfolg, der positiv und
robust mit anderen Messgrößen des finanziellen Unternehmenserfolges im Zusammen-
hang steht. Auf Umsatzwachstum, das rein auf die Akquisition von Unternehmen zurück-
zuführen ist, wird kontrolliert. Tabelle 15 gibt alle in der Arbeit eingesetzten Erfolgsgrö-
ßen des formativen Konstrukts „Finanzieller Erfolg“ wieder.
Konstrukt: Finanzieller ErfolgSpezifikation: FormativQuellen: Eigene ÜberlegungenIndikatoren:fin_1 Ungefähres Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter im Vergleich zum
Vorjahr (in %):fin_2 Durchschnittliches Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter pro Jahr seit
Gründung (in %):fin_3 Ungefähres Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr (in %):fin_4 Durchschnittliches Umsatzwachstum pro Jahr seit Gründung (in %):fin_5 Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in
% des Umsatzes):fin_6 Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in
% der Bilanzsumme):
Tabelle 15: Operationalisierung von „Finanzieller Erfolg“
3.2.4.2 Nicht-finanzielle Erfolgsgrößen
3.2.4.2.1 Erfolg im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern
Die Erfolgsmessung im Vergleich zu Wettbewerbern (aew) zeigte in früheren Studien ein
hohes Maß an Reliabilität und Validität (Chandler/Hanks 1993) und ist relativ breit akzep-
tiert (Kollmann/Herr/Kuckertz 2008; Schmelter 2009). Das Konstrukt ist reflektiv spezifi-
ziert.
3.2.4.2.2 Produkterfolg
Eine nicht-finanzielle Erfolgsgröße, die bereits in anderen Studien (etwa bei Hughes und
Morgan (2007)) angewandt wurde, ist der Produkterfolg (pew). Hughes und Morgan
(2007) messen den Produkterfolg durch zwei Items: Umsatz und Marktanteil im Ver-
gleich zu Wettbewerbsprodukten. Darüber hinaus zeigt die Metaanalyse von Capon, Far-
ley und Hoenig (1990), dass sowohl die Produktqualität, vermutlich eine relevante Vor-
aussetzung des Produkterfolges, als auch der Marktanteil einen signifikant positiven Zu-
sammenhang mit dem finanziellen Unternehmenserfolg aufweisen. Darum wird auch hier
der Produkterfolg als Dimension des Unternehmenserfolges erhoben. Das Konstrukt ist
reflektiv spezifiziert.
120
3.2.4.2.3 Kundenerfolg
Eine weitere nicht-finanzielle Erfolgsgröße, die insbesondere in jüngeren Arbeiten
(Walter/Auer/Ritter 2006; Hughes/Morgan 2007) Akzeptanz findet, ist der Kundenerfolg
(kew). Für Unternehmen ist es entscheidend, Kunden zu gewinnen und zu halten. Die
Erfolgsgröße spiegelt dies wider. Das Konstrukt ist reflektiv spezifiziert.
Tabelle 16 gibt alle in der Arbeit eingesetzten nicht-finanziellen Erfolgsgrößen wieder.
Konstrukt: Nicht-finanzieller ErfolgSpezifikation: ReflektivQuellen: Walter/Auer/Ritter (2006), Hughes/Morgan (2007), Schmelter (2009)
Indikatoren:aew_1 Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Unternehmens im Vergleich
zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…aew_2 Das Wachstum unseres Unternehmens im Vergleich zu den
wichtigsten Wettbewerbern ist…pew_1 Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Umsatz im
Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
pew_2 Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Marktanteil im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
kew_1 Die Anzahl der gewonnenen Neukunden im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
kew_2 Das Ausmaß der Bindung unserer Kunden an unser Unternehmen im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
Tabelle 16: Operationalisierung von „Nicht-finanzieller Erfolg“
3.2.5 Kontrollvariablen
Kontrollvariablen helfen bei der Fundierung der Beziehungen zwischen den untersuchten
Variablen im Forschungsmodell. Sie können die Beziehung zwischen unabhängigen und
abhängigen Variablen beeinflussen (Hughes/Morgan 2007, S. 234). In der Entrepre-
neurship-Forschung, die sich mit dem Unternehmenserfolg beschäftigt, werden als Kon-
trollvariablen meist Unternehmensgröße, Unternehmensalter und Gewerbe bzw. Bran-
che verwandt (Murphy/Trailer/Hill 1996). Unternehmen verschiedener Größe und ver-
schiedenen Alters können in der Organisation begründete Merkmale aufweisen, die auf
den Unternehmenserfolg wirken können. Größere Unternehmen haben oft mehr Res-
sourcen zur Verfügung, die sie z.B. für das Durchführen innovativer Aktivitäten verwen-
den können. Die Unternehmensgröße kann über die Anzahl der Mitarbeiter bzw. der
Vollzeitäquivalente erhoben werden (Wiklund/Shepherd 2005). Ältere Unternehmen ha-
ben häufig etablierte Routinen, die es ihnen erlauben, Wissen effektiver zu nutzen
(Calantone/Cavusgil/Yushan 2002). Für das Unternehmensalter ist der Gründungszeit-
punkt des Unternehmens relevant. Auch das Gewerbe und innerhalb des Gewerbes die
Branche eines Unternehmens können relevante Einflussgrößen für den Unternehmens-
121
erfolg sein. Beim Gewerbe wird meist zwischen produzierenden Unternehmen, Dienst-
leistungsunternehmen und Handelsunternehmen unterschieden. Nicht zuletzt könnte bei
der Betrachtung des finanziellen Erfolges eine Verzerrung durch eine kürzlich erfolgte
Akquisition eintreten. Daher soll auch der auf Akquisitionen in den letzten drei Jahren
zurückzuführende Umsatz mit erhoben werden.
Als Kontrollvariablen werden somit in dieser Arbeit analog zu ähnlichen EO-Studien
(Rauch et al. 2009) die Unternehmensgröße, gemessen an der Mitarbeiteranzahl, das
Unternehmensalter, das Gewerbe, die Branche sowie der Umsatzanteil, der auf Akquisi-
tionen zurückzuführen ist, eingesetzt.
122
3.3 Datenanalyse
3.3.1 Auswahl der Analysemethode
In dieser Arbeit wird vermutet, dass der Zusammenhang von EO und Unternehmenser-
folg komplexer Natur ist. Da das Zusammenwirken verschiedener Variablen gleichzeitig
untersucht werden soll, bietet sich ein multivariates Analyseverfahren an. Fornell (1987)
unterscheidet multivariate Verfahren der ersten und der zweiten Generation. Zu den Ver-
fahren der ersten Generation zählen etwa die multiple Regressionsanalyse, die Faktor-
und die Clusteranalyse. Diese Methoden weisen eine Reihe von Defiziten auf. Erstens ist
der Großteil dieser Methoden nur auf manifeste, also beobachtbare, Variablen anwend-
bar. Zweitens basieren diese Methoden auf der Annahme, dass die Variablen keinen
Messfehler aufweisen. Drittens setzen diese Methoden wenig komplexe Modellstrukturen
voraus (Jacoby 1978; Fornell 1987). Zwar lassen sich grundsätzlich auch anspruchsvol-
lere Modelle mit multivariaten Regressionen prüfen. Werden aber, wie in der vorliegen-
den Arbeit, eine Reihe latenter Variablen und zudem moderierende und mediierende
Variablen parallel geprüft, stellt die Anwendung multivariater Verfahren der ersten Gene-
ration eine technische Herausforderung dar.
Zu den Verfahren der zweiten Generation zählen insbesondere Strukturgleichungsmo-
delle. Diese Modelle adressieren die oben aufgeführten Defizite. Sie können zur Analyse
nicht manifester bzw. latenter Variablen eingesetzt werden, berücksichtigen Messfehler
und können auch komplexe Strukturen abbilden. Aus diesem Grund kommen sie gerade
in der jüngeren betriebswirtschaftlichen Forschung häufig zur Anwendung
(Homburg/Baumgartner 1995).
Mit Strukturgleichungsmodellen lassen sich kausale Zusammenhänge zwischen latenten
Variablen identifizieren. Hierzu werden Abhängigkeiten zwischen manifesten und laten-
ten sowie zwischen mehreren latenten Variablen analysiert (Fornell/Bookstein 1982).
Strukturgleichungsmodelle bestehen grundsätzlich aus einem Messmodell und einem
Strukturmodell. Im Messmodell werden die manifesten Variablen (Indikatoren) mit den
latenten Variablen (Konstrukten) verknüpft. Im Strukturmodell werden die aus der Theo-
rie abgeleiteten Beziehungen zwischen den Konstrukten dargestellt (Götz/Liehr-Gobbers
2004). Aus der Kombination der beiden Modelle ergibt sich das Strukturgleichungsmo-
dell. Abbildung 13 stellt die drei Modelltypen dar.
123
x1 x2
x2x1
y1 y2
Strukturmodell
Messmodell
Strukturgleichungsmodell
y1 y2
y1 y2 y1 y2
y1 y2
y1 y2
x2x1
x1 x2
x1 x2
x2x1
y1 y2
Strukturmodell
Messmodell
Strukturgleichungsmodell
y1 y2
y1 y2 y1 y2
y1 y2
y1 y2
x2x1
x1 x2
Abbildung 13: Struktur-, Mess- und Strukturgleichungsmodell
Im Strukturmodell bezeichnet der griechische Buchstabe die unabhängige, latente Va-
riable. Der Buchstabe steht für die abhängige, latente Variable. Der Pfeil zwischen den
beiden Variablen bildet eine Regressionsbeziehung ab. Der Buchstabe stellt den Pfad-
koeffizienten dar, der die Stärke der Korrelation angibt. Das Strukturmodell enthält zu-
dem den Fehlerterm , da die unabhängige Variable in der Regel die abhängige Variable
nicht perfekt vorhersagen kann.
Das Messmodell beschreibt die Beziehungen zwischen den latenten Variablen und
und den ihnen zugeordneten manifesten Variablen x1-2 sowie y1-2. Dabei wird die bereits
im Rahmen der Operationalisierung beschriebene Unterscheidung zwischen formativen
und reflektiven Konstrukten deutlich. Die latente Variable wird durch die formativen In-
dikatoren x1-2 gebildet. Die Stärke der Beziehung wird durch die multiplen Regressions-
koeffizienten 1-2 dargestellt. Der Buchstabe steht für die Residuen der multiplen Reg-
ression. Die latente Variable wird durch reflektive Indikatoren modelliert. Wie die Pfeil-
richtung bereits andeutet, wirkt diese Variable über die einfachen Regressionskoeffizien-
ten 1-2 auf die beiden Indikatoren y1-2. Da die beiden Indikatoren in der Regel jeweils
Messfehler aufweisen, wird der Fehlerterm mitberücksichtigt.
Zur Schätzung eines Strukturgleichungsmodells können sowohl kovarianz- als auch va-
rianzbasierte Verfahren verwendet werden. Der kovarianzbasierte Ansatz, der auf den
Arbeiten von Keesling (1972), Jöreskog (1973) und Wiley (1973) basiert, zielt darauf ab,
124
den Unterschied zwischen der theoretischen und der empirischen Kovarianzmatrix der
Indikatorvariablen zu minimieren. Meist wird dabei das Maximum-Likelihood-
Schätzverfahren eingesetzt. Kovarianzbasierte Verfahren werden im Rahmen von be-
triebswirtschaftlichen Forschungsarbeiten häufig verwendet (Scholderer/Balderjahn
2005). Dies wird primär auf die einfache Verfügbarkeit von intuitiv anzuwendenden Soft-
warelösungen wie etwa AMOS oder LISREL zurückgeführt (Chin 1998). Der varianzba-
sierte Ansatz hat das Ziel, die Varianz aller abhängigen latenten Variablen zu minimie-
ren. Die Partial Least Square (PLS)-Methode ist das gängigste varianzbasierte Verfahren
(Wold 1980; Lohmöller 1989).
Für die Entscheidung, ob ein kovarianz- oder ein varianzbasiertes Verfahren anzuwen-
den ist, ist die jeweilige Forschungssituation maßgeblich. Die Unterschiede zwischen
den beiden Verfahrensarten lassen sich entlang des Ablaufs einer kausalanalytischen
Untersuchung aufzeigen. Eine kausalanalytische Untersuchung kann in die vier Schritte
der Modellspezifikation, der Parameterschätzung, der Modellbeurteilung/-anpassung
sowie der Ergebnisinterpretation unterteilt werden (Homburg/Pflesser 2000).
Im Rahmen der Modellspezifikation werden die Beziehungen zwischen manifesten und
latenten Variablen sowie zwischen den latenten Variablen definiert. Die Beziehung zwi-
schen manifester und latenter Variable wird je nach kausaler Richtung als formativ oder
reflektiv bezeichnet. Als varianzbasierte Methode kann PLS sowohl für formative als
auch für reflektive Indikatoren verwendet werden. Kovarianzbasierte Verfahren sind da-
gegen primär für die Analyse reflektiver Indikatoren geeignet. Formative Indikatoren kön-
nen in kovarianzbasierten Verfahren nur aufwändig berücksichtigt werden
(Albers/Hildebrandt 2006). Es ist möglich, die formativen Indikatoren zu einer Indexvari-
able zusammenzufassen. Der Einfluss des einzelnen Indikators ist bei dieser Indexbil-
dung jedoch nicht ermittelbar (Fassott 2005). Außerdem muss bei der Einbindung forma-
tiver Konstrukte in kovarianzbasierte Verfahren darauf geachtet werden, dass das zu
schätzende Modell hinreichend komplex ist. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das
Modell wegen einer Unteridentifizierung nicht geschätzt werden kann
(Christophersen/Grape 2006, S. 120).
Bei dem zweiten Schritt einer Kausalanalyse, der Parameterschätzung, werden die
Pfadkoeffizienten, die Faktorladungen sowie die Gewichte der Indikatoren ermittelt. Ko-
varianzbasierte Verfahren beruhen überwiegend auf dem Maximum-Likelihood-
Schätzverfahren. Dieses Verfahren benötigt eine relativ große Stichprobengröße (Sellin
1995). Bollen (1989, S. 254ff.) empfiehlt bereits für ein relativ einfaches Strukturglei-
chungsmodell mit zwei Konstrukten einen Stichprobenumfang von 100 bis 150. Ist dieser 125
nicht gegeben, besteht die Gefahr, dass ein Identifikationsproblem bzw. so genannte
„Heywood Cases“ entstehen. Ein Identifikationsproblem tritt dann auf, wenn eine empiri-
sche Kovarianzmatrix durch keine theoretische Kovarianzmatrix abgebildet werden kann
(Homburg/Baumgartner 1995). Treten „Heywood Cases“ ein, liegen negative Werte für
die Parameter vor (Boomsma/Hoogland 2001). Beim Einsatz des PLS-Verfahrens tritt
dieses Problem nicht auf. Der verwendete Algorithmus konvergiert auch bei geringen
Stichprobengrößen (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Der von den kovarianzbasierten Verfah-
ren größtenteils eingesetzte Maximum-Likelihood-Algorithmus basiert zudem auf der
Annahme, dass die manifesten Variablen normalverteilt sind. In den meisten For-
schungssituationen ist diese Annahme nicht haltbar (Dijkstra 1983). Mit varianzbasierten
Verfahren ist das Problem verbunden, dass diese Verfahren Faktorladungen tendenziell
überschätzen und Pfadkoeffizienten unterschätzen. Dieses Problem, das „Consistency at
Large“ genannt wird, kann durch eine gleichzeitige Erhöhung der Stichprobe und der
Indikatoranzahl behoben werden (Chin/Marcolin/Newsted 2003).
Bei dem dritten Schritt einer Kausalanalyse, der Modellbeurteilung, werden lokale und
globale Gütemaße unterschieden. Lokale Gütekriterien beziehen sich auf das Messmo-
dell, globale Gütekriterien beziehen sich auf die Gesamtanpassung des Modells an die
empirischen Daten. Bezüglich der Beurteilung reflektiver Messmodelle unterscheiden
sich kovarianz- und varianzbasierte Verfahren nicht. Bei varianzbasierten Verfahren wer-
den zusätzlich lokale Gütekriterien für die Beurteilung formativer Messmodelle verwen-
det. Auf globaler Ebene unterscheiden sich die beiden Verfahren dagegen hinsichtlich
ihrer Gütekriterien signifikant. Kovarianzbasierte Verfahren können auf eine Vielzahl von
Kriterien zurückgreifen. Da bei varianzbasierten Verfahren keine Annahmen hinsichtlich
der Datenverteilung getroffen werden, können – anders als bei den kovarianzbasierten
Verfahren – keine inferenzstatistischen Tests auf Basis von Verteilungen verwendet
werden. Es stehen lediglich das Bestimmtheitsmaß R² sowie der Stone-Geisser-Test Q²
zur Verfügung (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Die Interpretation des R² entspricht der einer
traditionellen Regressionsanalyse. Seine Größe gibt den Anteil der erklärten Streuung an
der Gesamtstreuung wieder (Panten/Thies 2006, S. 324). Das Q2 zeigt, ob das Modell
auch Prognoserelevanz hat. Es gibt an, inwieweit die empirischen Daten durch das Mo-
dell rekonstruiert werden können (Götz/Liehr-Gobbers 2004).
Bei dem vierten und abschließenden Schritt einer Kausalanalyse, der Ergebnisinterpre-tation, bestehen zwischen kovarianz- und varianzbasierten Verfahren keine wesentli-
chen Unterschiede. Beide Verfahren stellen Gewichte, Faktorladungen und Pfadkoeffi-
zienten bereit. Auf abstrakter Ebene ergibt sich zwischen den beiden Verfahren insofern
126
ein Unterschied, als dass kovarianzbasierte Verfahren primär ein Erklärungsziel verfol-
gen, wohingegen mit varianzbasierten Verfahren auch Prognosen möglich sind (Chin
1998). Für Prognosen wird das sogenannte Data Splitting-Verfahren eingesetzt. In die-
sem Verfahren werden die Modellschätzung und dessen Validierung voneinander ge-
trennt. Dabei kann entweder die Erhebung zweier unabhängiger Samples erfolgen oder
der Datensatz geteilt werden (Panten/Thies 2006, S. 325). Eine genaue Beschreibung
des Verfahrens folgt in Abschnitt 3.3.4.
In dieser Arbeit wird das varianzbasierte PLS-Verfahren (Software: SmartPLS Version
2.0 M3) eingesetzt. Der Hauptgrund hierfür ist die Möglichkeit, damit sowohl formative
als auch reflektive Indikatoren abzubilden (Hänlein/Kaplan 2004). Beide Indikatortypen
werden in dieser Arbeit verwendet. Im Unterschied zu kovarianzbasierten Verfahren
können mit PLS formative Konstrukten direkt modelliert werden. PLS erleichtert zudem
die Abbildung moderierender Effekte, wie sie in der vorliegenden Arbeit angenommen
werden. Das „Consistency at Large“ Problem, das als Nachteil des PLS-Verfahrens gilt,
wird durch eine hohe Anzahl an Indikatoren sowie eine große Datengrundlage vermie-
den.
PLS schätzt drei Typen von Parametern: die Gewichte bzw. Ladungen der Indikatoren
zur Bildung der latenten Konstrukte, die Pfadkoeffizienten, welche die Stärke der Bezie-
hungen zwischen den latenten Konstrukten beschreiben sowie die Konstanten der Reg-
ression der Indikatoren und der latenten Variablen (Chin/Newsted 1999).
127
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
Generierung der Ausgangslösung
Beginne bei Schritt 4 und wiederhole Schritte 1-4 biszur Konvergenz
1. Berechnung der inneren Gewichte
2. Berechnung des inneren Modells
3. Berechnung der äußeren Gewichte
4. Approximation des äußeren Modells
Schätzung der Pfadkoeffizienten des inneren sowie der Gewichte und Ladungen des äußeren Modells mit Kleinstquadratgleichungen
Abbildung 14: Parameterschätzung durch den PLS-Algorithmus
PLS schätzt die Parameter in einem dreistufigen iterativen Prozess. Abbildung 14 gibt
diesen wieder. In der ersten Stufe wird die Ausgangslösung generiert. Dabei wird jede
latente Variable als standardisierte Linearkombination ihrer Indikatoren aufgefasst
(Götz/Liehr-Gobbers 2007, S. 5). In der zweiten Stufe wird die Schätzung sukzessive
durch innere und äußere Approximation verbessert. Für jede latente Variable wird also
ein Schätzwert aus dem Strukturmodell (innere Approximation) und dem Messmodell
(äußere Approximation) gebildet. Das Ziel der inneren Approximation ist die Minimierung
der Varianz der Fehlervariablen der endogenen Variable(n) im Strukturmodell
(Chin/Newsted 1999). Somit sind die Modellteile, die nicht die Indikatoren der latenten
Variable darstellen, aber dennoch zur latenten Variable in Beziehung stehen, Gegens-
tand der inneren Approximation. Die äußere Approximation gibt eine gewichtete Summe
der Indikatoren wieder und hat die Minimierung des Messmodellmessfehlers zum Ziel.
Wird ein Konvergenzkriterium erreicht, wird der Iterationsprozess abgebrochen
(Götz/Liehr-Gobbers 2007, S. 6). In der dritten Stufe werden die Pfadkoeffizienten des
Strukturmodells geschätzt. Dabei wird mit jeder abhängigen Variable und den jeweiligen
unabhängigen Variablen eine Kleinstquadrat-Regression berechnet (Chin/Newsted
1999). Auf die formalanalytische Darstellung des PLS-Schätzalgorithmus, die sich z.B.
bei Panten und Thies (2006) findet, soll an dieser Stelle verzichtet werden.
128
3.3.2 Gütebeurteilung von Konstrukten
3.3.2.1 Grundlagen
Die Güte von Konstrukten lässt sich grundsätzlich anhand ihrer Reliabilität und Validität
bestimmen. Reliabilität gibt Auskunft darüber, ob Messinstrumente fehlerfrei sind und
somit konsistente Ergebnisse liefern (Churchill 1979; Peter 1979). Peter (1979, S. 6) ver-
steht unter Reliabilität „[…] the degree to which measures are free from random error
and therefore yield consistent results“. Reliabilität ist somit ein Indikator für die Bezie-
hung zwischen beobachteten und wahren Werten (Venkatraman/Grant 1986). Reliabilität
wird auch als interne Konsistenz bezeichnet. Konzeptionell kann sie als die Korrelation
des Messinstruments mit sich selbst verstanden werden (Peter 1981). In der Literatur
werden meist drei Arten von Reliabilität unterschieden:
„Test-Retest-Reliabilität: Korrelation mit einer Vergleichsmessung desselben Messin-
struments zu einem zweiten Zeitpunkt,
Parallel-Test-Reliabilität: Korrelation mit einer Vergleichsmessung auf einem äquiva-
lenten Messinstrument,
Interne-Konsistenz-Reliabilität: Korrelation zwischen zwei Hälften der Indikatoren ei-
nes Messinstruments“ (Hildebrandt 1998, S. 88).
Die beiden ersten Reliabilitätsarten lassen sich empirisch nur mit sehr großem Aufwand
überprüfen. Daher kommt insbesondere der internen Konsistenz-Reliabilität eine hohe
Bedeutung bei der Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle zu. Sie ist dann als gut zu
betrachten, wenn die Indikatoren eines Konstrukts hoch korrelieren (Hildebrandt 1998).
Ein Messmodell ist dann valide, wenn „[…] the differences in observed scores reflect true
differences on the characteristic one is attempting to measure and nothing else”
(Churchill 1979, S. 65), wenn es also das misst, was es messen soll (Homburg/Giering
1996). Es lassen sich die Inhaltsvalidität und die Konstruktvalidität überprüfen:
Die Inhaltsvalidität gibt an, inwieweit die Indikatoren des Konstrukts das zu messende
Konstrukt inhaltlich tatsächlich abbilden (Nunnally 1978, S. 101ff). Die verschiedenen
theoretischen Inhalte und Facetten eines Konstrukts sollten vollständig erfasst werden.
Ob ein Konstrukt inhaltlich valide ist, unterliegt der subjektiven Einschätzung (Churchill
1979). Die Inhaltsvalidität wird meist durch die Einholung von Expertenmeinungen über-
prüft (Venkatraman/Grant 1986).
129
Die Konstruktvalidität stellt den anspruchsvollsten Maßstab zur Validitätsüberprüfung
dar. Sie drückt sich in dem Grad aus, zu dem die Messung Richtung und Größe einer
repräsentativen Auswahl der Konstrukteigenschaften abbildet und die Messung nicht
durch Elemente anderer Konstrukte oder systematische Messfehler verfälscht wird. Die
Konstruktvalidität lässt sich in drei Teilbereiche gliedern (Peter 1981):
Konvergenzvalidität (convergent validity): Sie ist an dem Grad, zu dem weitgehend
unterschiedliche Messungen desselben Konstrukts miteinander korrelieren, abzule-
sen. Ist ein reflektives Messmodell gegeben, zeigt sich die Konvergenzvalidität in ei-
ner hohen Korrelation der einzelnen Indikatoren (Homburg/Giering 1996).
Diskriminanzvalidität (discriminant validity): Sie ist der Grad, zu dem das gleiche
Messinstrument bei unterschiedlichen Konstrukten unterschiedliche Ergebnisse liefert
(Churchill 1979). Liegt ein reflektives Messmodell vor, sollte die Korrelation zwischen
zwei Indikatoren, die unterschiedlichen Faktoren zugehören, geringer sein als zwi-
schen zwei Indikatoren, die demselben Faktor zugehören.
Nomologische Validität (nomological validity): Sie ist dann gegeben, wenn sich eine
Beziehung zwischen zwei Konstrukten wie in der zuvor aufgestellten Theorie zeigt.
Zur Prüfung der nomologischen Validität ist also ein theoretischer Rahmen notwendig
(Ruekert/Churchill 1984). Liegen verschiedene Theorien zur Erklärung der hypotheti-
sierten Zusammenhänge vor und kommen diese zu unterschiedlichen Zusammen-
hangsvermutungen, wird die Prüfung der nomologischen Validität erschwert. In der
vorliegenden Arbeit werden zwar verschiedene Theorien zur Erklärung der Zusam-
menhänge herangezogen, sie unterscheiden sich allerdings nicht in ihren Zusam-
menhangsvermutungen.
Im Folgenden soll die Gütebeurteilung bei reflektiven und formativen Messmodellen im
Detail vorgestellt werden.
3.3.2.2 Reflektive Messmodelle
Auch bei der Beurteilung von Messmodellen lassen sich Verfahren der ersten Generati-
on (varianzbasierte Verfahren) und der zweiten Generation (kovarianzbasierte Verfah-
ren) unterscheiden. Verfahren der ersten Generation zur Beurteilung reflektiver Mess-
modelle sind insbesondere:
die exploratorische Faktorenanalyse,
das Cronbach’sche Alpha und
130
die Item-to-Total-Korrelation.
Mit der exploratorischen Faktorenanalyse lässt sich die Faktorenstruktur des Messmo-
dells ermitteln. Es ist nicht notwendig, vorher Hypothesen über die Faktorenstruktur auf-
zustellen. Die exploratorische Faktorenanalyse verdichtet sämtliche reflektiven Indikato-
ren auf eine möglichst geringe Anzahl an Faktoren und versucht dennoch, die Indikato-
ren in ihrer Gesamtheit möglichst gut wiederzugeben. In einem zweiten Schritt wird die
explorativ generierte Faktorenstruktur mit der zuvor theoretisch abgeleiteten Faktoren-
struktur verglichen.
Die Korrelationsmatrix der Indikatoren bildet die Grundlage der Faktorenanalyse. Ob ei-
ne Korrelationsmatrix geeignet ist, lässt sich mit zahlreichen Kenngrößen überprüfen.
Wesentlich sind die Signifikanzniveaus der Korrelationen, die Prüfung der inversen Kor-
relationsmatrix, der Bartlett-Test, die Anti-Image-Kovarianzmatrix sowie das Kaiser-
Meyer-Olkin-Kriterium (Backhaus et al. 2003, S. 273ff.).
Grundüberlegung der Faktorenanalyse ist, dass sich die Korrelationsmatrix durch die
Faktorladungen und die Korrelationen zwischen den Faktoren reproduzieren lässt. Zur
Faktorextraktion werden meist die Verfahren der Hauptkomponenten- und Hauptachsen-
analyse herangezogen. In der vorliegenden Arbeit wurde zur Ermittlung der Faktoren-
struktur der reflektiven Indikatoren auf die Hauptkomponentenanalyse zurückgegriffen.
Diese berücksichtigt explizit Messfehler. Die Assoziation der einzelnen Indikatoren mit
den Faktoren lässt sich in der Faktorladungsmatrix ablesen. Um die Interpretation der
Faktorladungsmatrix zu erleichtern, werden Rotationsverfahren verwendet. Da auf Basis
theoretischer Überlegungen von unabhängigen Faktoren ausgegangen wird, wurde in
der vorliegenden Arbeit die Rotationsmethode Varimax mit Kaiser-Normalisierung einge-
setzt (Backhaus et al. 2003, S. 291ff.).
Nach dem Kaiser-Kriterium entspricht die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren der
Anzahl der Faktoren, die einen Eigenwert größer eins aufweisen. Der Eigenwert eines
Faktors ist das Maß der durch den Faktor anteilig erklärten Varianz der Indikatoren. Er
errechnet sich als Summe der quadrierten Ladungen eines Faktors im Hinblick auf alle
Variablen (Backhaus et al. 2003, S. 295). Liegen die Eigenwerte nahe eins, wird als zu-
sätzliches Entscheidungskriterium zur Bestimmung der Faktoren der Scree-Test heran-
gezogen. Hierzu werden die Eigenwerte der Faktoren absteigend geordnet. Sind die Ei-
genwerte so angeordnet, lässt sich die Stelle einer besonders hohen Differenz zwischen
den benachbarten Faktoren ablesen. Somit lässt sich die Anzahl der zu extrahierenden
Faktoren bestimmen (Backhaus et al. 2003, S. 296).
131
Mit den Ergebnissen der exploratorischen Faktoranalyse können bereits erste Aussagen
zur Konvergenz- und Diskriminanzvalidität getroffen werden. Konvergenzvalidität liegt
dann vor, wenn sich alle Indikatoren einer latenten Variable eindeutig auf einen Faktor
verdichten lassen. Diese eindeutige Zuordnung eines Indikators auf einen Faktor ist ab
einer Faktorladung von 0,4 gegeben. Lädt derselbe Indikator gleichzeitig auf die anderen
Faktoren geringer, deutet dies zudem auf Diskriminanzvalidität hin. Daneben ist der Er-
klärungsanteil an der Varianz der ihm zugeordneten Faktoren ein weiteres Gütemaß für
den Faktor. Dieser Anteil sollte mindestens bei 50% liegen. Zudem sollte die Kommunali-
tät c jedes Indikators betrachtet werden. Sie gibt an, welcher Teil der Varianz eines Indi-
kators durch die dahinter liegenden Faktoren erklärt wird. Für sie ist ebenfalls ein Wert
größer 0,4 wünschenswert (Homburg/Giering 1996).
Die Interne-Konsistenz-Reliabilität der Indikatoren eines Faktors kann mittels Cronbachs
Alpha gemessen werden (Cronbach 1951). Das Alpha gibt an, zu welchem Grad einzel-
ne Items, die ein Konstrukt messen sollen, miteinander in Verbindung stehen (Peter
1979). Die möglichen Werte für das Alpha umfassen den Bereich von 0 bis 1. Hohe Wer-
te sind Ausdruck einer hohen internen Konsistenz. Ein Alpha >0,70 gilt üblicherweise als
akzeptabel (Himme 2006, S. 388).
Anders als die vorgenannten Gütemaße wird die Item-to-Total-Korrelation auf Ebene der
einzelnen Indikatoren berechnet. Sie ist definiert als die Korrelation eines Indikators mit
der Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind. Wird der Indikator
mit der geringsten Item-to-Total-Korrelation eliminiert, verbessert sich in der Regel die
Reliabilität des Messmodells, gemessen an Cronbachs Alpha. Eine Indikatoreliminierung
ist jedoch nur bei reflektiven Messmodellen sinnvoll (Homburg/Giering 1996).
Neben den vorgestellten Verfahren der ersten Generation zur Beurteilung reflektiver
Messmodelle wird zudem auf Verfahren der zweiten Generation zurückgegriffen. Dies
liegt darin begründet, dass die Verfahren der ersten Generation verschiedene Nachteile
aufweisen (Bagozzi/Yi/Philips 1991), z.B. restriktive Annahmen, Validitätsprüfungen an-
hand von Faustregeln sowie die Nicht-Berücksichtigung von Messfehlern
(Gerbing/Anderson 1988). Diese Nachteile lassen sich mit der konfirmatorischen Fakto-
renanalyse, einer Sonderform der Kovarianzstrukturanalyse, ausgleichen (Panten/Thies
2006). Im Gegensatz zur exploratorischen Faktoranalyse wird bei der konfirmatorischen
Faktoranalyse bereits vor der Berechnung eine bestimmte Faktorstruktur erwartet
(Homburg/Giering 1996). Mit der hypothetischen Zuordnung der Indikatoren zu jeweils
genau einem Faktor wird dann das Messmodell geschätzt. Die latenten Variablen wer-
den im Messmodell als fehlerbehaftete Messung durch die jeweils zugeordneten Indika- 132
toren erfasst. Aufgrund dieser Messfehlererfassung sollte auch bei der Anwendung von
PLS zur Analyse des Pfadmodells die Güteprüfung reflektiver Messmodelle mit kovari-
anzbasierten Verfahren erfolgen (Herrmann/Huber/Kressmann 2006).
Um eine entsprechende Parameterschätzung vornehmen zu können, bedarf es der Iden-
tifikation des entsprechenden Messmodells. Die Identifikation ist nur möglich, wenn im
vorliegenden Datensatz ausreichende Informationen zur eindeutigen Schätzung der Pa-
rameter vorhanden sind. Dies ist erst ab einer Mindestzahl von drei Indikatoren der Fall.
Liegen weniger als drei Indikatoren vor, kann eine konfirmatorische Faktoranalyse nicht
durchgeführt werden (Homburg/Hildebrandt 1995).4 Nach der Parameterschätzung wer-
den verschiedene Maße zur Gütebeurteilung des Messmodells herangezogen. Diese
lassen sich in lokale und globale Anpassungsmaße aufgliedern. Lokale Anpassungsma-
ße beziehen sich auf einzelne Elemente des Modells, während globale Anpassungsma-
ße angeben, inwieweit das Gesamtmodell mit den empirischen Daten übereinstimmt
(Homburg/Baumgartner 1995). Die in dieser Arbeit auf Basis der Vorschläge von Hom-
burg und Baumgartner (1995) sowie Panten und Thies (2006) verwendeten Anpas-
sungsmaße werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Der 2-Test zählt zu den am häufigsten verwendeten inferenzstatistischen Anpas-
sungsmaßen. Er überprüft die Richtigkeit des spezifizierten Gesamtmodells. Die vom
Modell erzeugte Kovarianzmatrix wird dabei mit der empirischen Kovarianzmatrix vergli-
chen. Die Nullhypothese des 2-Test besagt, dass die beiden Matrizen übereinstimmen
(Homburg/Baumgartner 1995). Der p-Wert steht für die Wahrscheinlichkeit, bei zutref-
fender Nullhypothese einen 2-Wert zu erhalten, der größer als der tatsächliche Wert
4 Da zwei Konstrukte in der vorliegenden Arbeit (Aggressivität gegenüber Wettbewerbern, Innovati-
onserfolg) mit weniger als drei Indikatoren gemessen wurden, ist für diese eine konfirmatorische Fak-
toranalyse nicht möglich.
133
ist. In der Literatur wird ein p-Wert von 0,05 oder größer als akzeptabel angesehen
(Homburg/Giering 1996). Am 2-Test wird zum einen kritisiert, dass er nicht auf die rela-
tive, sondern die absolute Richtigkeit des Modells abzielt. Zum anderen wird kritisch ge-
sehen, dass die Wahrscheinlichkeit für die Annahme der Nullhypothese mit zunehmen-
der Stichprobengröße sinkt. Daher wird empfohlen, den Quotienten aus 2-Wert und der
Anzahl der Freiheitsgrade heranzuziehen (Homburg/Baumgartner 1995).
Ein weiteres inferenzstatistisches Anpassungsmaß, für das einige Restriktionen des 2-
Tests entfallen (Steiger 1990), ist die RMSEA (Root Mean Squared Error Approximati-
on). Sie berechnet sich wie folgt (n: Stichprobengröße, df: Freiheitsgrade, 2: Chi-
Quadrat-Teststatistik):
RMSEA = )1(
2
ndfdf
(1)
Mit dem RMSEA-Test wird die Übereinstimmung des Modells mit der Grundgesamtheit,
nicht die absolute Richtigkeit des Modells überprüft (Homburg/Baumgartner 1995). Werte
von bis zu 0,05 werden in der Literatur als guter, Werte bis 0,08 als zufriedenstellender
Fit bezeichnet. Werte größer 0,1 deuten auf eine eher schlechte Modellanpassung hin
(Browne/Cudeck 1993; MacCallum/Browne/Sugarawa 1996; Hu/Bentler 1999).
Deskriptive Anpassungsmaße beurteilen die Modellgüte anhand von Faustregeln. Sie
beruhen nicht auf inferenzstatistischen Tests. Diese Maße lassen sich danach unter-
scheiden, ob sie von Freiheitsgraden des Modells abhängen oder nicht. Werden Frei-
heitsgrade mit berücksichtigt, so bietet dies den Vorteil, dass ein Hinzufügen eines Mo-
dellparameters nicht automatisch zu einer Verbesserung der Anpassungsmaße führt
(Homburg/Baumgartner 1995). Es sollen hier zwei deskriptive Anpassungsmaße, der
GFI (Goodness of Fit Index) sowie der AGFI (Adjusted Goodness of Fit Index) vorgestellt
werden.
Der GFI gibt an, inwieweit sich das Modell an die empirischen Daten anpasst. Für die
Maximum-Likelihood-Schätzung berechnet er sich nach folgender Formel (mit sp: Spur,
d.h. Summe der Diagonalelemente einer quadratischen Matrix, : vom Modell gene-
rierte Kovarianzmatrix, S: Kovarianzmatrix auf Basis der empirischen Daten, I: Einheits-
matrix):
134
GFI=1-2
1
2
1
Ssp
ISsp
(2)
Der GFI kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Je höher der Wert, desto besser die Anpas-
sungsgüte. Werte ab 0,9 werden als zufriedenstellend betrachtet (Homburg/Baumgartner
1995).
Im Unterschied zum GFI beinhaltet der AGFI einen Strafterm, der von der Anzahl der
Parameter abhängt. Bei gleicher Anpassungsgüte werden Modelle mit wenigen Parame-
tern besser bewertet als Modelle mit vielen Parametern. Die Interpretation der Ausprä-
gung des AGFI erfolgt analog zum GFI: Er kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Je höher
der Wert, desto besser die Güte. Werte ab 0,9 werden als zufriedenstellend betrachtet
(Bagozzi/Yi 1988; Homburg/Giering 1996). Sharma (1996, S. 152) und Kiedaisch (1997,
S. 73) halten bereits einen Schwellenwert von 0,8 für ausreichend. Das Modell wird im
Vergleich zu einem Basismodell anhand der inkrementellen Anpassungsmaße beurteilt
(Bentler/Bonett 1980). Für das Basismodell wird die Unabhängigkeit aller Indikatorvariab-
len angenommen. Oft werden als inkrementelle Anpassungsmaße der NFI (Normed Fit
Index) und der CFI (Comparative Fit Index) verwendet. Der CFI entspricht dem NFI. Er
berücksichtigt aber zusätzlich Freiheitsgrade. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der
CFI verwendet. Der CFI berechnet sich nach der folgenden Formel (mit : Chi-
Quadrat-Statistik des zu prüfenden Modells, : Chi-Quadrat-Statistik des Basismo-
dells, : Freiheitsgrade des zu prüfenden Modells, : Freiheitsgrade des Basis-
modells):
2mod el
2null
eldfmod nulldf
CFI=1-}0;;max{
}0;max{
mod2mod
2mod
2mod
elelnullnull
elel
dfdfdf
(3)
Der CFI kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Hohe Werte deuten auf eine hohe Anpas-
sungsgüte hin. Für den CFI wird in der Literatur ein Mindestwert von 0,9 gefordert
(Hu/Bentler 1995, S. 91).
Neben den dargestellten globalen Anpassungsmaßen werden zur Bewertung von Mo-
dellteilen zudem lokale Anpassungsmaße eingesetzt. Diese lokalen Anpassungsmaße
135
lassen sich in Maße auf Indikator- und Maße auf Faktorebene unterteilen. In dieser Ar-
beit werden als Maße auf Indikatorebene die Indikatorreliabilität (IR) sowie der t-Wert der
Faktorladung betrachtet. Als Maße auf Faktorebene werden die Faktorreliabilität (FR)
sowie die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) eingesetzt.
Die Indikatorreliabilität (IR) gibt an, welcher Varianzanteil eines Indikators durch den Fak-
tor erklärt wird (Bagozzi/Yi 1988). Sie wird nach folgender Formel berechnet (mit ij :
geschätzte Faktorladung des Indikators i auf den Faktor j; jj : geschätzte Varianz der
latenten Variable j; jj : geschätzte Varianz des Messfehlers):
IR(Xj)=jjjjij
jjij2
2
(4)
Die IR kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei höheren Werten ist von besseren Reliabili-
tätseigenschaften auszugehen. Meist wird 0,4 als Schwellenwert angegeben
(Homburg/Baumgartner 1995).
Mit dem t-Wert der Faktorladung lässt sich prüfen, ob sich die Faktorladung signifikant
von Null unterscheidet (Bagozzi/Yi/Philips 1991). Er wird berechnet als Quotient aus dem
unstandardisierten Wert der jeweiligen Faktorladung und dem zugehörigen Standardfeh-
ler der Schätzung. Eine Faktorladung gilt auf einem Niveau von 5% als signifikant, wenn
der t-Wert mindestens 1,645 beträgt (einseitiger Test). Die standardisierte Faktorladung
sollte zudem einen Wert von 0,4 nicht unterschreiten (Homburg/Giering 1996).
Die Faktorreliabilität (FR) gibt an, wie gut der Faktor durch die Indikatoren gemessen
wird. Sie wird nach folgender Formel berechnet (mit j :Faktor j, sonst Notation wie
oben):
FR( j )=k
ijjjj
k
iij
jj
k
iij
1
2
1
2
1
(5)
Die FR kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei höheren Werten ist von besseren Reliabi-
litätseigenschaften auszugehen. Meist wird 0,6 als Schwellenwert angegeben (Nunnally
1978, S. 245).
136
Die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) misst, welcher Varianzanteil durch die Fak-
torladung erklärt wird bzw. wie hoch der Anteil des Messfehlers ausfällt. Sie wird nach
folgender Formel berechnet (Notation wie oben):
DEV(
j )= k
ijj
k
ijjij
k
ijjij
11
2
1
2
(6)
Die DEV kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Es wird ein Schwellenwert von 0,5 gefordert
(Bagozzi/Yi 1988).
Die bisher vorgestellten Anpassungsmaße eignen sich primär zur Prüfung der Reliabilität
und der Konvergenzvalidität. Es sollen daher nun noch Maße zur Prüfung der Diskrimi-
nanzvalidität vorgestellt werden. In der Literatur haben sicht vornehmlich zwei Maße be-
währt – der -Differenztest und das Fornell-Larcker-Kriterium (FL-Kriterium). Das FL-
Kriterium gilt als das strengere Anpassungsmaß und wird daher in dieser Arbeit verwen-
det. Nach dem FL-Kriterium soll die durchschnittlich erfasste Varianz eines Faktors grö-
ßer sein als jede quadrierte Korrelation dieses Faktors mit einem anderen Faktor. Wird
das FL-Kriterium erfüllt, ist der Erklärungsanteil jedes Faktors an der Varianz der ihm
zugehörigen Indikatoren höher als sein Erklärungsanteil an der Varianz der anderen Fak-
toren (Fornell/Larcker 1981).
2
Tabelle 17 gibt einen Überblick über die Beurteilungskrite-
rien für reflektive Messmodelle.
137
Kriterien der 1. Generation
Erklärte Varianz der exploratorischen FaktoranalyseCronbach'sches AlphaItem-to-Total-KorrelationKommunalität c
Kriterien der 2. Generation
RMSEAGFIAGFICFIIndikatorreliabilitätFaktorladungt-Wert der Faktorladung 1,645 (Signifikanzniveau: 5%, einseitiger Test)FaktorreliabilitätDEVFL-Kriterium ; für alle i=j
0,4
0,6 0,5
Anspruchsniveau
Anspruchsniveau
3
0,1
> quadrierte Korrelation
0,5
0,7Kriterium zu Eliminierung von Indikatoren 0,4
0,9 0,9 0,9 0,4
df/2
)( jDEV ji ;
Tabelle 17: Gütekriterien zur Beurteilung reflektiver Messmodelle
3.3.2.3 Formative Messmodelle
Für die Güteprüfung formativer Messmodelle kommen andere Verfahren als bei der Gü-
teprüfung reflektiver Messmodelle zum Einsatz. In Anlehnung an Diamantopoulos und
Winkelhofer (2001) sowie Götz/Liehr-Gobbers (2004) werden die für fomative Messmo-
delle geeigneten Verfahren im Folgenden kurz beschrieben.
Während die Inhaltsvalidität bei reflektiven Konstrukten mit der Faktorenanalyse beurteilt
werden kann, steht für formative Messmodelle ein solches statistisches Verfahren nicht
zur Verfügung. Daher muss die Inhaltsvalidität bereits bei der theoretischen Herleitung
des formativen Konstrukts sichergestellt werden (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Somit
kommt der Konzeptualisierung des Konstrukts eine höhere Bedeutung zu (Nunnally
1978, S. 307). Die verwendeten Indikatoren müssen alle inhaltlichen Facetten des Kon-
strukts abbilden. Eine Eliminierung von Indikatoren, wie sie bei reflektiven Messmodellen
vorgenommen werden kann, verbietet sich bei formativen Konstrukten. Ließe man bei
einem formativen Messmodell einen Indikator weg, änderte man es in seinen inhaltlichen
Dimensionen: „Omitting an indicator is omitting part of the construct“ (Bollen/Lennox
1991, S. 308).
Formative Indikatoren müssen nicht notwendigerweise hoch miteinander korrelieren.
Daher kommt die bei reflektiven Messmodellen übliche Prüfung der Indikatorreliabilität
nicht zum Einsatz. Stattdessen wird eine Analyse der Gewichte der formativen Indikato-
138
ren vorgenommen. Damit lässt sich beurteilen, welche Indikatoren besonders stark zur
Bildung des Konstrukts beitragen (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Die Gewichte der formati-
ven Indikatoren sind dabei meist deutlich geringer als die Ladungen für reflektive Indika-
toren. Eine mangelnde Spezifikation des Konstrukts kann man daraus jedoch nicht ablei-
ten (Chin 1998). Ringle (2004, S. 334) schlägt zwar vor, Indikatoren, deren Gewichte
kleiner als 0,2 sind, zu eliminieren. Aufgrund der diskutierten inhaltlichen Veränderung
des Konstrukts kommt dies jedoch in der vorliegenden Arbeit nicht zum Einsatz.
Eine Indikatoreneliminierung ist nur dann vertretbar, wenn die Indikatoren in einem linea-
ren Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. In einem solchen Fall wäre bei der mul-
tiplen Regressionsanalyse, die zur Prüfung des formativen Messmodells eingesetzt wird,
die Annahme linear unabhängiger Einflussvariablen verletzt. Es läge also Multikollineari-
tät vor. Der Einfluss der einzelnen Indikatoren des Messmodells wäre so nicht mehr ein-
deutig zu bestimmen. Ob Multikollinearität vorliegt, lässt sich in einem ersten Schritt mit
Hilfe der Pearson’schen Korrelationskoeffizienten der Indikatoren prüfen. Koeffizienten
größer als 0,5 deuten auf Multikollinearität hin. Allerdings lässt sich diese auch bei gerin-
geren Koeffizienten nicht ausschließen, da die Koeffizienten lediglich paarweise Abhän-
gigkeiten messen (Backhaus et al. 2003, S. 88f.). Es sind also weitere Verfahren zur
Prüfung auf Multikollinearität heranzuziehen. Häufig zum Einsatz kommen der Variance
Inflation Factor (VIF) sowie der Konditionsindex (KI) (Belsley/Kuh/Welsch 1980, S.
104f.). Die untere Grenze der VIF-Werte ist 1. In diesem Fall sind die Indikatoren voll-
kommen linear unabhängig (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Ab einem Schwellenwert von 10
sind hingegen Maßnahmen zur Reduktion der Multikollinearität einzuleiten
(Diamantopoulos/Winklhofer 2001). Für den KI wird ein Wert kleiner 30 verlangt
(Belsley/Kuh/Welsch 1980, S. 104f.)
Da die interne Konsistenz eines Messmodells ebenfalls von der Korrelation seiner Indi-
katoren abhängt, ist diese Art der Gütebeurteilung für formative Messmodelle ungeeignet
(Nunnally 1978, S. 489). Alternativ lässt sich die Güte eines formativen Konstrukts mit
Hilfe des Multiple-Indicators-and-Multiple-Causes-Modells (MIMIC-Modell) prüfen. Das
MIMIC-Modell basiert auf der Überlegung, dass ein und dasselbe Konstrukt sowohl re-
flektiv als auch formativ gemessen werden kann (Diamantopoulos/Winklhofer 2001). Ist
es, wie in der vorliegenden Arbeit, nicht möglich, ein formatives Konstrukt auch reflektiv
abzubilden, lässt sich die nomologische Validität auch anhand der Bezüge des formati-
ven Konstrukts zu anderen, reflektiven Konstrukten bestimmen. Hierfür wird eine theore-
tisch fundierte Beziehung zwischen je einer formativ und je einer reflektiv gemessenen
Variable betrachtet. Als Hinweise für nomologische Validität werden die Pfadkoeffizien-
139
ten und deren Signifikanz verwendet. Die Verfahren, die bei reflektiven Messmodellen
zur Prüfung der Diskriminanzvalidität eingesetzt wurden, lassen sich bei formativen
Messmodellen aufgrund der nicht vorhandenen Annahme hoher Korrelationen nicht ver-
wenden (Götz/Liehr-Gobbers 2004). In Tabelle 18 sind die in dieser Arbeit eingesetzten
Gütekriterien zur Beurteilung formativer Messmodelle zusammenfassend dargestellt.
Gütekriterien
Pearson'sche KorrelationskoeffizientenVariance Inflation Factor (VIF)Konditionsindex (KI)Interpretation der GewichteSignifikanzniveau der Gewichte
30 10
qualitative Analyse, kein quantitativer Schwellenwert 1,654
Anspruchsniveau
0,5
Tabelle 18: Gütekriterien zur Beurteilung formativer Messmodelle
3.3.3 Analyse von Second Order-Konstrukten
EO wurde bei der Operationalisierung der Messmodelle als Konstrukt höherer Ordnung
bzw. Second Order-Konstrukt erstellt. Konstrukte höherer Ordnung werden nicht durch
eigenständige Indikatoren, sondern durch die Indikatoren ihrer Subkonstrukte gemessen.
EO wird in dieser Arbeit als fünfdimensionales Konstrukt, bestehend aus den Dimensio-
nen Autonomie, Innovativität, Risikoübernahme, Proaktivität sowie Aggressivität gegen-
über Wettbewerbern verstanden.
Analog zur Unterscheidung von reflektiven und formativen Konstrukten, lassen sich auch
Second Order-Konstrukte typologisieren. In der Literatur wird dabei meist auf die in
Abbildung 15 wiedergegebene Typologisierung von Jarvis, MacKenzie und Podsakoff
(2003) verwiesen.
140
SO
FO FO
Y1 Y3 Y4Y2
e1 e2 e3 e4
SO
FO FO
Y1 Y3 Y4Y2
e1 e2 e3 e4
SO
FO FO
Y1 Y3 Y4Y2
e1 e2 e3 e4
SO
FO FO
Y1 Y3 Y4Y2
e1 e2 e3 e4
Typ I
Typ III Typ IV
Typ II
Abbildung 15: Eine Typologisierung von Second Order-Konstrukten nach Jarvis et al. (2003)
SO steht darin für das Second Order-Konstrukt, während FO die Abkürzung für das First
Order-Konstrukt bzw. das Subkonstrukt ist. Vom Konstrukt weisende Pfeile implizieren
ein reflektives Konstrukt, zum Konstrukt weisende Pfeile ein formatives Konstrukt. Yn
stehen für die Indikatoren der Subkonstrukte, en für die Fehlerterme. Das in dieser Arbeit
verwendete EO-Konstrukt gehört dem Typ II an.
Zur Berechnung von Second Order-Konstrukten können zwei Verfahren angewandt wer-
den. Für Typ I und Typ II greift man auf das von Wold (1982) eingeführte „Hierarchical
Component Model“ zurück. Hierbei werden die Indikatoren des Subkonstrukts auch für
die Messung des Second Order-Konstrukts eingesetzt. Typ III und Typ IV werden mittels
eines zweistufigen Verfahrens berechnet (Agarwal/Karahanna 2001). In einem ersten
Schritt werden die Werte der Subkonstrukte geschätzt. Hierfür wird ein Strukturglei-
chungsmodell berechnet, indem nur die Subkonstrukte enthalten sind. Die Beziehungen
verlaufen somit direkt von den Subkonstrukten zu den endogenen Variablen. In einem
zweiten Schritt werden die ermittelten Werte als Indikatoren für das Second Order-
Konstrukt verwendet (Lohmöller 1989, S. 128ff.).
3.3.4 Beurteilung von Strukturmodellen
Die Beurteilung von Strukturmodellen erfolgt mittels der globalen Gütemaße
Bestimmtheitsmaß R2, 141
Stone-Geisser-Test-Kriterium Q2 sowie dem
Pfadkoeffizienten (Chin 1998).
Die Ausprägung des Bestimmtheitsmaßes R2 gibt den Anteil der erklärten Varianz der
endogenen latenten Variable durch die exogenen latenten Variablen an. Es misst somit
die Güte der Anpassung der Regressionsfunktion an die empirisch gewonnenen Daten
(Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005), die „goodness of fit“ (Henseler 2005, S. 74). Es kann
Werte zwischen 0 und 1 annehmen (Gujarati 2003, S. 86). Je höher der Wert, desto
besser die Erklärungsgüte des Modells. Ein allgemein akzeptierter Schwellenwert exis-
tiert nicht. Eine Bewertung sollte vor dem Hintergrund der gegebenen Problemstellung
erfolgen (Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005). Chin (1998) hält ein R2 von 0,64 bzw. 0,67 für
gut, ein R2 von 0,3 für moderat und ein R2 von 0,12 bzw. 0,19 für niedrig. Amoroso und
Cheney (1991) betrachten 0,45 als Schwellenwert für ein gutes R2. Falk und Miller
(1992) erachten jedes R2 größer 0,1 als akzeptabel. Mit zunehmender Anzahl an
Regressoren kann der Anteil der erklärten Varianz allein durch zufällige Einflüsse der
neuen Regressoren steigen (2003, S. 64ff.). Das korrigierte Bestimmtheitsmaß , das
sich nach der folgenden Formel berechnet, berücksichtigt diesen Effekt (mit K: Anzahl
der Beobachtungswerte, J: Zahl der Regressoren, K-J-1: Zahl der Freiheitsgrade):
2korrR
1)1( 2
2
JKRJ
StreuungStreuungR
gesamt
erklärtkorr
(7)
Mit dem Stone-Geisser-Test-Kriterium Q2 lässt sich überprüfen, ob das Modell auch
Prognoserelevanz hat. Es gibt an, inwieweit die empirischen Daten durch das Modell
rekonstruiert werden können (Götz/Liehr-Gobbers 2004). Dabei bleibt mit Hilfe der soge-
nannten Blindfolding-Technik in einem ersten Schritt ein Teil der empirischen Daten, die
„Omission Distance“, bei der Parameterberechnung unberücksichtigt. Mit den berechne-
ten Parametern wird in einem zweiten Schritt versucht, die ausgelassenen Rohdaten zu
rekonstruieren. Das Q2 steht dabei für die Güte der Rekonstruktion. Ein Wert größer Null
lässt auf eine Prognoserelevanz des Modells schließen, wohingegen ein Wert kleiner
Null angibt, dass keine Prognoserelevanz gegeben ist (Chin 1998). Das Q2 wird nach
folgender Formel berechnet (mit E: Vorhersagefehler, O: Vorhersagefehler bei Verwen-
dung des Durchschnitts, D: Omission Distance):
142
D
dd
D
dd
O
EQ
1
12 1
(8)
Das Stone-Geisser-Test-Kriterium lässt sich allerdings nur sinnvoll für reflektiv spezifi-
zierte endogene Konstrukte, im vorliegenden Modell also für den nicht-finanziellen Un-
ternehmenserfolg, berechnen (Fornell/Bookstein 1982). Alternativ wird für die Prüfung
der Prognoserelevanz daher der Miller’sche F-Test bzw. die mittels „Jackknifing“ ermittel-
te Standardabweichung vorgeschlagen (Fornell/Bookstein 1982). Bei der Nutzung von
PLS sind diese Vorschläge jedoch nur bedingt tauglich, da es sich bei dem F-Test nach
Miller um einen parametrischen Test handelt. Für die vorhandenen Daten kann dieser
nicht angewandt werden. Die mittels „Jackknifing“ ermittelten Standardabweichungen
haben bislang noch keine weite Verbreitung erlangt, so dass noch keine Gütekriterien für
dieses Verfahren vorliegen.
Die Vorzeichen sowie die Höhe der Pfadkoeffizienten können direkt zur Überprüfung der
theoretisch abgeleiteten Hypothesen eingesetzt werden. Hinsichtlich der Ausprägung der
Pfadkoeffizienten fordert Chin (1998), dass diese über dem Wert 0,2 liegen sollten.
Pfadkoeffizienten nahe Null bringen einen schwachen Erklärungswert, Pfadkoeffizienten
nahe Eins bzw. minus Eins einen hohen Erklärungswert (Ringle/Spreen 2007). Voraus-
setzung ist allerdings, dass die Pfadkoeffizienten signifikant sind.
Um ein angemessenes Signifikanzniveau zu ermitteln, kann die Analyse der Teststärke
verwendet werden. Diese Analyse beruht auf dem Zusammenhang zwischen dem Signi-
fikanzniveau, der Teststärke, der Effektgröße – auch Effektstärke genannt
(Ringle/Spreen 2007) – und der Stichprobengröße (Cohen 1992). Der Zusammenhang
ist in Abbildung 16 illustriert.
143
Signifikanz-niveau ( )
Effektgröße(f)
Teststärke (1- )
Stichproben-größe (N)
Abbildung 16: Zusammenhang zwischen Signifikanzniveau, Effektgröße, Teststärke und Stichproben-
größe
Das Signifikanzniveau bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, eine Nullhypothese zurück-
zuweisen, obwohl sie zutrifft. Die falsche Zurückweisung einer zutreffenden Nullhypothe-
se wird auch als Fehler 1. Ordnung (Alpha-Fehler) bezeichnet. Die Definition der Test-
stärke, die auch statistische Power genannt wird, bezieht sich dagegen auf den Fehler 2.
Ordnung (Beta-Fehler). Ein Fehler 2. Ordnung liegt vor, wenn eine nicht zutreffende
Nullhypothese angenommen wird. Die Wahrscheinlichkeit einen Fehler zweiter Ordnung
zu begehen, wird durch symbolisiert. Die Teststärke ist als 1- definiert. Die Effektgrö-
ße gibt an, wie stark die Beziehungen zwischen den Variablen in der Grundgesamtheit
ausgeprägt sind. Selbst minimale Unterschiede bzw. Zusammenhänge zwischen Variab-
len werden bei hinreichend großer Stichprobe statistisch signifikant. Bedeutsam sind sie
deswegen nicht unbedingt (Biemann 2006, S. 164). Um das adäquate Signifikanzniveau
144
mit Hilfe der Analyse der Teststärke zu ermitteln, ist es bei gegebener Stichprobengröße
erforderlich, Annahmen hinsichtlich der Teststärke und der Effektgröße zu treffen. Ba-
roudi und Orlikowski (1989) argumentieren, dass in frühen Forschungsstadien – und die
EO-Forschung ist ein relativ junges Forschungsfeld5 – ein Fehler 2. Ordnung genauso
negative Konsequenzen hat wie ein Fehler 1. Ordnung. Der Grund hierfür sei die Gefahr,
dass bei Ablehnung einer richtigen Nullhypothese keine Forschungsanstrengungen mehr
unternommen werden. Aus dieser Überlegung folgt, dass das Verhältnis von zu eins
betragen sollte, beiden Fehlern kommt somit die gleiche Bedeutung zu. In Bezug auf die
Effektgröße stellt Cohen (1992) mehrere Referenzwerte zur Verfügung. Häufig wird an-
genommen, dass die Effektgröße in der Managementforschung zwischen niedrigen
(0,10) und mittleren (0,25) Werten liegt (Cashen/Geiger 2004). Ferguson und Ketchen
(1999) erwarten für die strategische Managementforschung eher niedrige Effektgrößen.
Da diese Arbeit, insbesondere durch die Einbeziehung der Aufgabenumwelt des Unter-
nehmens und die Mitberücksichtigung etablierter Unternehmen, eher im Feld der Strate-
gischen Management-Forschung als in der klassischen Entrepreneurship-Forschung
anzusiedeln ist, wird ein niedriger Wert von 0,125 in dieser Arbeit verwendet.6
Für die Ermittlung der Signifikanzen wird das Bootstrap-Verfahren eingesetzt. Im ersten
Schritt generiert dieses Verfahren durch Ziehen mit Zurücklegen aus der vorhandenen
Datenbasis N zusätzliche Stichproben. Für jede dieser Stichproben wird das Strukturglei-
chungsmodell durch PLS geschätzt. Somit liegen schließlich N Schätzwerte für jeden
Parameter vor. Anhand dieser Schätzwerte werden die Signifikanzen der durch PLS ge-
5 Zwar geht die grundlegende Arbeit zu EO auf Miller (1983) zurück, maßgeblich theoretisch erweitert
wurde das Konzept aber erst durch Lumpkin und Dess (1996). Die Anzahl empirischer Arbeiten zu EO
hat erst ab dem Jahr 2000 deutlich zugenommen.
6 Schmelter (2009) verwendet in seiner vergleichbaren Arbeit einen Effektgrößen-Wert von 0,17.
145
schätzten Parameter ermittelt (Chin 1998). Tabelle 19 gibt alle Kriterien zur Beurteilung
von Strukturmodellen mit ihren Anspruchsniveaus wieder.
Gütekriterien Anspruchsniveau
R2 Keine exakte GrenzeQ2 0Pfadkoeffizienten 0,20
Tabelle 19: Gütekriterien zur Beurteilung von Strukturmodellen
Zwar wird in der betriebswirtschaftlichen Forschung meist ein Signifikanzniveau ( -
Niveau) von 1% bis 5% angenommen, dabei handelt es sich aber im Grunde um eine
willkürliche Festlegung. Mit Hilfe der statistischen Kompromiss-Poweranalyse lässt sich,
wenn die Inputfaktoren Stichprobengröße, Effektgröße sowie das Alpha/Beta-Verhältnis
vorliegen, das adäquate Signifikanzniveau bzw. der zu diesem korrespondierende kriti-
sche t-Wert errechnen. Der kritische t-Wert ist somit der rationale Kompromiss zwischen
den Anforderungen eines geringen Alpha-Risikos und eines geringen Beta-Risikos bei
gegebener Stichprobengröße. Für die Analyse wurde die Software G^Power 3.0.10 ein-
gesetzt (Erdfelder/Faul/Buchner 1996). Gegeben waren die Stichprobengröße von 550,
die Effektgröße von 0,125 sowie das Alpha/Beta-Verhältnis von 1. Tabelle 20 gibt das
Ergebnis, den kritischen t-Wert bzw. das angemessene Signifikanzniveau und die Input-
faktoren zur der Kompromiss-Poweranalyse wieder.
Größe Kompromiss-Poweranalyse
Stichprobengröße (N)Alpha/Beta-VerhältnisEffektgrößeAlphaBetaKritischer t-Wert
0,070,931,47
55010,125
Tabelle 20: Ermittlung des kritischen t-Werts
Gemäß der Kompromiss-Poweranalyse liegt der kritische t-Wert der vorliegenden Arbeit,
mit dem die Interpretation der Hypothesentests erfolgt, bei 1,47. Das korrespondierende
angemessene Signifikanzniveau bzw. Alpha liegt bei 0,07. Die Wahrscheinlichkeit bei
diesen Rahmenbedingungen, einen Alpha-Fehler zu begehen, liegt bei 0,07, die einen
Beta-Fehler zu begehen, ebenfalls bei 0,07. Somit liegt das Alpha/Beta-Verhältnis, wie
vorgegeben, bei eins.
Zum Vergleich sind in Tabelle 21 die kritischen t-Werte, die den herkömmlichen Signifi-
kanzniveaus (0,0001; 0,01; 0,05; 0,1) entsprechen und sich aus einer anschließenden
Post Hoc-Poweranalyse ergeben, dargestellt. Vorgegeben sind auch hier wieder die 146
Stichprobengröße, das Alpha/Beta-Verhältnis sowie die Effektgröße. Es zeigt sich, dass
bei Übernahme des üblichen Signifikanzniveaus bzw. Alphas von 0,05 ein höherer t-Wert
zur Ablehnung der Nullhypothese notwendig gewesen wäre.
Größe
Stichprobengröße (N) 550 550 550Alpha/Beta-Verhältnis 1 1 1Effektgröße 0,125 0,125 0,125Alpha 0,05 0,01 0,001Beta 0,95 0,99 0,999Kritischer t-Wert 1,64 2,33 3,1
Post Hoc-Poweranalyse
0,10,91,28
550
0,1251
Tabelle 21: Übliche Signifikanzniveaus und korrespondierende kritische t-Werte
147
4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden in drei Abschnitten dargestellt.
Zunächst wird auf die Güte der Messmodelle eingegangen. Anschließend werden die
Messmodelle auf ihre Diskriminanzvalidität geprüft. Im dritten Abschnitt werden die Er-
gebnisse der Hypothesentests vorgestellt.
4.1 Güte der jeweiligen Messmodelle
4.1.1 Autonomie
Die Ergebnisse der Faktoranalysen für das Konstrukt „Autonomie“ sind in Tabelle 22
aufgeführt. Es zeigt sich, dass der 6. Indikator „Unsere Mitarbeiter haben Zugang zu al-
len für ihre Arbeit relevanten Informationen“ nicht in ausreichendem Maße auf den hypo-
thetisierten Faktor lädt. Der Indikator wurde daher für die weiteren Auswertungen ausge-
schlossen. Das Cronbach’sche Alpha liegt mit einem Wert von 0,802 deutlich über dem
Schwellenwert von 0,7. Der Faktor erklärt 55,89% der Varianz der Indikatoren und liegt
damit über dem Mindestwert von 50%. Alle Kommunalitäten liegen deutlich über dem
geforderten Niveau von 0,4. Die Faktorladungen sind allesamt auf hohem Niveau signifi-
kant. Dass – wie auch bei den folgenden reflektiven Maßen – der t-Wert für einen Indika-
tor („Unseren Mitarbeitern ist es erlaubt, ohne Einmischung (von Vorgesetzten) zu den-
ken und zu handeln“) nicht angegeben ist, liegt an den Parameterrestriktionen für das
jeweilige konfirmatorische Modell (Byrne 2001, S. 57ff.). Die Indikatorreliabilitäten liegen
deutlich über dem Schwellenwert von 0,4. Die durchschnittlich erklärte Varianz liegt mit
0,62 über dem Mindestniveau von 0,5. Die Faktorreliabilität liegt mit 0,892 ebenfalls
deutlich über dem Grenzwert von 0,6. Auch die GFI- und CFI-Indizes liegen über den
Schwellenwerten von 0,9. Der AGFI-Index liegt mit einem Wert von 0,891 nur knapp un-
ter dem Grenzwert von 0,9. Auch der RMSEA liegt mit 0,11 nur gering über dem gefor-
derten Niveau von 0,10. Das Anspruchsniveau kleiner gleich drei des 2/df-Wertes wird
nicht erreicht. In der Literatur wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass die
Wahrscheinlichkeit für die Annahme der Nullhypothese mit zunehmender Stichproben-
größe sinkt (Homburg/Baumgartner 1995). Die hier verwendete Stichprobe ist mit N=550
recht groß.
Blickt man auf die guten bis sehr guten Werte aus der exploratorischen Faktorenanalyse
und die überwiegend guten Werte aus der konfirmatorischen Faktorenanalyse, lässt sich
zusammenfassend die Güte des Messmodells „Autonomie“ als gut bezeichnen.
148
Konstrukt:Autonomie
Spezifikation: Reflektiv
Indikatoren:aut_1 Unseren Mitarbeitern ist es erlaubt, ohne
Einmischung (von Vorgesetzten) zu denken und zu handeln.
6,03 1,185 0,621 0,765 55,89% 0,600 0,706 - 0,674
aut_2 Unsere Mitarbeiter führen solche Arbeiten durch, die es ihnen erlauben, während ihrer Arbeitsschritte Änderungen vorzunehmen und anzuregen.
6,08 1,148 0,604 0,77 0,570 0,688 13,002 0,672
aut_3 Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit und Unabhängigkeit, selbst zu entscheiden, wie sie bei ihrer Arbeit vorgehen.
5,45 1,359 0,588 0,774 0,607 0,731 14,052 0,640
aut_4 Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit, ohne Einmischung (von Vorgesetzten) zu kommunizieren.
6,22 1,141 0,551 0,781 0,468 0,573 11,695 0,524
aut_5 Unsere Mitarbeiter haben die Autorität und die Verantwortung selbst zu handeln, wenn es im Interesse unseres Geschäfts ist.
5,89 1,200 0,593 0,772 0,550 0,646 12,706 0,601
Cronbach'sches Alpha: 0,802 = 7,94 (p<0,05), RMSEA=0,11, GFI=0,972, AGFI=0,891, CFI=0,915, DEV=0,627, FR=0,892
*: Standardisierte Faktorladung, R2**: Indikatorreliabilität
t-Wert R2**
Eliminierter Indikatoraut_6: Unsere Mitarbeiter haben Zugang zu allen für ihre Arbeit relevanten Informationen.
Exploratorische Faktorenanalyse
Konfirmatorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität c *Sx
Item-to-Total
Cronbach-sches Alpha
ohne ItemX
df/2
Tabelle 22: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Autonomie“
4.1.2 Innovativität
Die Ergebnisse der Faktorenanalysen für das Konstrukt „Innovativität“ sind in Tabelle 23
aufgeführt. Das Cronbach’sche Alpha liegt zwar mit einem Wert von 0,676 unter dem
Schwellenwert von 0,7, im Kontext der anderen Gütemaße ist es aber noch als ausrei-
chend zu betrachten und würde sich durch die Eliminierung von Indikatoren nicht
verbessern. Der Faktor erklärt 60,86% der Varianz der Indikatoren. Die Kommunalitäten
liegen deutlich über dem geforderten Niveau von 0,4. Auch die Faktorladungen sind auf
hohem Niveau signifikant. Die Indikatorreliabilitäten liegen über dem Schwellenwert von
0,4. Die durchschnittlich erklärte Varianz liegt mit 0,52 über dem Mindestniveau von 0,5.
Die Faktorreliabilität liegt mit 0,759 ebenfalls deutlich über dem Grenzwert von 0,6. Die
Maße 2/df, RMSEA, GFI, AGFI und CFI aus der konfirmatorischen Faktoranalyse las-
sen sich für Konstrukte mit weniger als vier Indikatoren nicht berechnen. Sie werden da-
her hier und bei den weiteren Gütebeurteilungen reflektiver Konstrukte nicht aufgeführt.
Da mit Ausnahme des Cronbach’schen Alphas alle Anspruchsniveaus eingehalten wer-
den, lässt sich die Güte des Messmodells „Innovativität“ als gut bezeichnen.
149
Konstrukt:
Spezifikation:
Indikatoren:inn_1 Allgemein
gesprochen bevorzugt unser Top-Management…
das Vermarkten von ausreichend am Markt getesteten und bewährten Produkten.
...die starke Betonung von F&E, Technologieführer-schaft und Innovationen.
4,90 1,695 0,406 60,86% 0,491 0,49 - 0,445
inn_2 Wie viele Produkte/Dienst-leistungen hat Ihr Unternehmen in den letzten drei Jahren auf den Markt gebracht?
Keine neuen Produkt- und Dienstleistungs-linien.
Sehr viele neue Produkt- und Dienstleistungs-linien. 4,77 1,665 0,542 0,677 0,745 8,239 0,547
inn_3 In den letzten drei Jahren hat unser Unternehmen Änderungen an seinen Produktlinien vorgenommen.
Die Änderungen an den Produktlinien waren tendenziell von kleinem Umfang.
Die Änderungen der Produktlinien waren tendenziell von sehr großem Umfang.
4,73 1,726 0,523 0,658 0,701 8,511 0,534
DEV=0,52, FR=0,759
*: Standardisierte Faktorladung, R2**: Indikatorreliabilität
Innovativität
Reflektiv
Eliminierte IndikatorenKeine
SxItem-to-
Total
Cronbach'sches Alpha: 0,676
Konfirmatorische Faktorenanalyse
* t-Wert R2**
Exploratorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität cX
Tabelle 23: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Innovativität“
4.1.3 Risikoübernahme
Die Ergebnisse der Faktorenanalysen für das Konstrukt „Risikoübernahme“ sind in
Tabelle 24 aufgeführt. Das Cronbach’sche Alpha liegt mit einem Wert von 0,82 über dem
Schwellenwert von 0,7. Es würde sich durch eine Eliminierung von Indikatoren nicht
verbessern. Der Faktor erklärt 72,63% der Varianz der Indikatoren. Alle Kommunalitäten
liegen deutlich über dem geforderten Niveau von 0,4. Die Faktorladungen sind auf ho-
hem Niveau signifikant. Die Indikatorreliabilitäten liegen über dem Schwellenwert von
0,4. Die durchschnittlich erklärte Varianz liegt mit 0,726 klar über dem Mindestniveau von
0,5. Die Faktorreliabilität liegt mit 0,887 ebenfalls deutlich über dem Grenzwert von 0,6.
Insgesamt lässt sich die Güte des Messmodells „Risikoübernahme“ als sehr gut be-
zeichnen.
150
Konstrukt:
Spezifikation:
Indikatoren:ris_1 Unser
Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
...mehrheitlich Projekte durchgeführt, die mit wenig Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf sichere, "normale" Rentabilität/ Gewinne).
...mehrheitlich Projekte durchgeführt, die mit viel Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf unsichere, "hohe" Rentabilität/ Gewinne).
4,58 1,680 0,622 73,63% 0,677 0,692 - 0,676
ris_2 Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
...eher eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung vollzogen, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.
...eher große, gewagte Aktionen unternommen, um sich weiterzu-entwickeln, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.
4,19 1,794 0,708 0,772 0,833 15,342 0,734
ris_3 Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
…bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen eher abgewartet und beobachtet, um keine kostspieligen Fehlinvestitionen zu tätigen.
…bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen mit kühnen, aggressiven Aktionen versucht, den größtmöglichen Profit aus potenziellen Möglichkeiten zu ziehen.
4,30 1,640 0,697 0,759 0,809 15,367 0,760
Cronbach'sches Alpha: 0,82
Konfirmatorische Faktorenanalyse
* t-Wert R2**
Exploratorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität c
Risikoübernahme
Reflektiv
Eliminierte IndikatorenKeine
SxItem-to-
Total
DEV=0,726, FR=0,887
*: Standardisierte Faktorladung, R2**: Indikatorreliabilität
X
Tabelle 24: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Risikoübernahme“
4.1.4 Proaktivität
Die Ergebnisse der Faktorenanalysen für das Konstrukt „Proaktivität“ sind in Tabelle 25
aufgeführt. Das Cronbach’sche Alpha liegt auch nach der Eliminierung zweier Indikato-
ren, welche die geringste Item-to-Total-Korrelation aufweisen, mit einem Wert von 0,365
deutlich unter dem Schwellenwert von 0,7. Der Faktor erklärt lediglich 44,08% der Vari-
anz der Indikatoren und liegt damit auch unter dem Mindestniveau von 50%. Zwei der
drei Kommunalitäten liegen über dem geforderten Niveau von 0,4. Die Faktorladungen
sind signifikant, ein Indikator erreicht allerdings nicht den Schwellenwert von 0,4. Die
Indikatorreliabilitäten liegen unter dem Schwellenwert von 0,4. Die durchschnittlich er-
klärte Varianz liegt mit 0,274 unter dem Grenzwert von 0,5. Auch die Faktorreliabilität
liegt mit 0,521 unter dem Grenzwert von 0,6. Insgesamt muss die Güte des Messmodells
„Proaktivität“ somit als unbefriedigend bezeichnet werden. Ein Erklärungsversuch hierfür
folgt im Diskussionsteil der Arbeit.
151
Konstrukt:Proaktivität
Spezifikation: Reflektiv
Indikatoren:pro_1 Unser Unternehmen sucht ständig nach
Gelegenheiten, die mit den bestehenden Unternehmensbereichen in Verbindung stehen.
5,56 1,314 0,193 44,08% 0,395 0,345 - 0,377
pro_3 Wir sind ständig auf der Suche nach Unternehmen, die wir übernehmen können. 2,46 1,801 0,216 0,449 0,406 3,026 0,249
pro_5 Unternehmensbereiche, die sich in den späten Phasen ihres Lebenszyklus befinden, werden strategisch eliminiert. 3,46 1,650 0,228 0,478 0,456 2,843 0,273
Cronbach'sches Alpha: 0,365DEV=0,274, FR=0,521 *: Standardisierte Faktorladung, R2**: Indikatorreliabilität
t-Wert R2**
Eliminierte Indikatorenpro_2: Wir sind in unserer Branche gewöhnlich die ersten, die neue Marken oder Produkte im Markt einführen.pro_4 (rev): Wettbewerber kommen uns häufig zuvor, indem sie vor uns Kapazitäten aufbauen.
Exploratorische Faktorenanalyse
Konfirmatorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität c *Sx
Item-to-TotalX
Tabelle 25: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Proaktivität“
4.1.5 Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern
Die Ergebnisse der exploratorischen Faktoranalyse für das Konstrukt „Aggressives Ver-
halten gegenüber Wettbewerbern“ sind in Tabelle 26 aufgeführt. Der zweite Indikator war
revers kodiert. Er ist daher mit „rev“ gekennzeichnet. Für die Auswertung wurde er um-
kodiert. Für Konstrukte mit nur zwei Indikatoren ist das Cronbach’sche Alpha nicht mehr
interpretierbar. Hilfsweise wurde der Pearson’sche Korrelationskoeffizient herangezogen.
Dieser beträgt 0,442 und ist auf dem 1%-Niveau signifikant. Der Faktor erklärt 72,11%
der Varianz der Indikatoren und liegt damit deutlich über dem Mindestniveau von 50%.
Die Kommunalitäten liegen über dem geforderten Niveau von 0,4. Insgesamt kann die
Güte des Messmodells „Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern“ als gut be-
zeichnet werden.
152
Konstrukt:
Spezifikation:
Indikatoren:agg_1 Im Umgang mit
Wettbewerbern…...ist unser Unternehmen sehr aggressiv und extrem wettbewerbs-orientiert.
...unternimmt unser Unternehmen keine besonderen Anstrengungen, um von der Konkurrenz Geschäft abzuziehen.
3,62 1,653 0,442 72,11% 0,721
agg_2 (rev) Im Umgang mit Wettbewerbern…
...versucht unser Unternehmen typischerweise Konfrontationen mit Wettbewebern aus dem Weg zu gehen und nimmt eine "Leben und leben lassen"-Haltung ein.
...nimmt unser Unternehmen typischerweise eine "Vernichtet den Wettbewerb"-Haltung ein. 4,34 1,571 0,442 0,721
Aggressives Verhalten geg. Wettbewerbern
Reflektiv
Eliminierte IndikatorenKeine
SxItem-to-
Total
Pearson'scher Korrelationskoeffizient: 0,442
Exploratorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität cX
Tabelle 26: Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse für die latente Variable „Aggressives
Verhalten gegenüber Wettbewerbern“
4.1.6 EO als Second Order-Konstrukt
Für das Second Order-Konstrukt EO wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse
durchgeführt. Diese zeigt, dass es sich bei EO, wie im Theorieteil der Arbeit argumen-
tiert, um ein fünfdimensionales Konstrukt handelt. Jeder Indikator lädt auf einen von fünf
diskreten Faktoren. Interessant ist allerdings, dass drei der Proaktivitäts-Indikatoren
(pro_1, pro_2, pro_4) stärker auf den Innovativitäts- als auf den Proaktivitätsfaktor laden.
Zwei dieser drei Indikatoren, pro_2 und pro_4, die sogar negativ auf den Proaktivitätsfak-
tor laden, wurden bereits, wie in Kapitel 4.1.4 beschrieben, aufgrund einer geringen Item-
to-Total-Korrelation von den weiteren Berechnungen ausgeschlossen. Für die später
folgende Diskussion scheint also insbesondere der verbleibende Indikator pro_1, der
sowohl auf den Innovativitäts- als auch auf den Proaktivitätsfaktor positiv lädt, von Inte-
resse.
Das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium liegt mit 0,81 über dem geforderten Grenzwert von 0,5
(Backhaus et al. 2003, S. 273ff.). Tabelle 27 zeigt die Ergebnisse der konfirmatorischen
153
Faktorenanalyse. Als Extraktionsmethode wurde die Hauptkomponentenanalyse ver-
wendet.
Indikatoren Autonomie Innovativität Risikoübernahme Proaktivität
Aggressives Verhalten gegenüber
Wettbewerbern
aut_1 ,756 -,020 ,061 -,020 -,010aut_2 ,737 ,063 -,009 -,093 -,055aut_3 ,725 ,013 ,112 -,128 ,015aut_4 ,694 ,020 ,093 ,007 ,076aut_5 ,734 ,056 ,037 ,020 -,028aut_6 ,613 ,056 -,108 ,156 -,089inn_1 ,075 ,621 ,237 ,008 ,135inn_2 -,091 ,755 ,180 ,117 -,006inn_3 -,007 ,619 ,351 ,143 ,024ris_1 ,097 ,299 ,739 ,013 -,035ris_2 ,069 ,223 ,792 ,100 -,188ris_3 ,031 ,175 ,809 ,016 -,190pro_1 ,144 ,459 -,261 ,198 -,352pro_2 ,111 ,678 ,151 -,071 -,175pro_3 -,049 ,115 -,071 ,622 -,249pro_4 ,188 ,342 -,115 -,568 -,255pro_5 ,091 ,195 ,120 ,669 -,031agg_1 ,005 -,007 -,137 ,012 ,774agg_2 -,025 -,021 -,237 -,131 ,769
Faktoren
Tabelle 27: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktoranalyse zu Entrepreneurial Orientation
Da das Second Order-Konstrukt EO das zentrale Konstrukt dieser Arbeit ist, soll auch
eine Konvergenzvaliditätsprüfung durchgeführt werden. Dazu wurde EO im Fragebogen
auch als Single-Item-Measure erhoben („Insgesamt ist unser Unternehmen sehr unter-
nehmerisch geprägt, d.h. es wird proaktiv, innovativ und risikobereit gehandelt.“). EO als
Single-Item korreliert mit dem Second Order-Konstrukt EO mit 0,49 sehr stark und auf
dem 0,1%-Niveau signifikant. Dies deutet auf eine hohe Konvergenzvalidität hin.
4.1.7 Freigiebigkeit der Aufgabenumwelt
4.1.7.1 Dynamik
Wie bereits dargelegt, werden die einzelnen Konstrukte, welche die Freigiebigkeit der
der Aufgabenumwelt abbilden, formativ gemessen. Die Gütekriterien zur Beurteilung
formativer Messmodelle finden sich in Tabelle 18. Wie Tabelle 28 zeigt, liegen beim
Konstrukt „Dynamik“ alle VIF-Werte unter 10, somit ist das Konstrukt hinsichtlich Multi-
kollinearität als unbedenklich einzustufen. Die negativen Koeffizienten-Vorzeichen liegen
154
in der Funktionsweise des PLS-Algorithmus begründet und sind daher nicht weiter über-
raschend. Je höher die Anzahl der Indikatoren, desto geringer ist grundsätzlich die
Wahrscheinlichkeit, dass alle Indikatoren signifikante Gewichte besitzen
(Diamantopoulos/Winklhofer 2001). Im vorliegenden Fall liegen jedoch nur drei der sechs
t-Werte über dem Schwellenwert von 1,654 (einseitiger Test, 5%-Signifikanzniveau). Das
Konstrukt ist daher als bedenklich einzustufen. Bei den weiteren Berechnungen wird es
somit nicht betrachtet. Eine Ursachenanalyse für die geringe Validität des Konstrukts
folgt im Diskussionsteil der Arbeit.
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Bitte bewerten Sie die Veränderungen, die im Geschäftsumfeld Ihres Unternehmens in den letzten 12 Monaten aufgetreten sind auf der u.s. Skala.
dyn_1 Technologische Veränderungen 4,93 1,810 1,076 0,7075 6,2642dyn_2 Veränderungen in der Demographie der
Konsumenten 3,48 1,770 1,173 -0,0698 0,4398
dyn_3 Regulierung in unserer Branche 3,43 1,894 1,079 -0,2246 1,5543dyn_4 Anzahl der inländischen Mitbewerber 3,57 1,819 1,497 0,3444 2,0907dyn_5 Anzahl der ausländischen Mitbewerber 3,66 1,928 1,386 -0,0707 0,4329dyn_6 Branchenweite Werbeausgaben 3,72 1,660 1,341 0,3969 2,542
Dynamik der Aufgabenumwelt
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 28: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Dy-
4.1.7.2 Technologische Gelegenheiten
bei dem formativen Konstrukt „Technologische
namik der Aufgabenumwelt“
Tabelle 29 ist zu entnehmen, dass auch
Gelegenheiten“ Multikollinearität kein Problem darstellt. Jedoch hat von den drei Indika-
toren nur der Indikator „In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für techni-
sche Innovationen“ ein signifikantes Gewicht. Damit ist auch das Konstrukt „Technologi-
sche Gelegenheiten“ als bedenklich einzustufen. Es wird daher ebenfalls von den weite-
ren Berechnungen ausgeschlossen.
155
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
teo_1 In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für technische Innovationen.
5,35 1,687 3,202 0,6978 3,1728
teo_2Die Nachfrage nach neuen Technologien in unserer Branche wächst.
5,25 1,621 3,559 0,3457 1,41
teo_3 Für Wachstum in unserer Branche bedarf es neuer Technologien. 4,92 1,747 1,646 -0,0044 0,0258
Technologische Gelegenheiten
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 29: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Tech-
nologische Gelegenheiten“
4.1.7.3 Wahrgenommenes Branchenwachstum
Tabelle 30 zeigt, dass auch bei dem formativen Konstrukt „Wahrgenommenes Bran-
chenwachstum“ keine Hinweise auf Multikollinearität erkennbar sind. Zwei der drei Indi-
katoren („In unserer Branche gibt es sehr wenige Gelegenheiten für Wachstum“,
„Wachstumsmöglichkeiten in dieser Branche gibt es im Überfluss“) weisen ein signifikan-
tes Gewicht auf. Die Güte des Konstrukts ist somit als zufriedenstellend zu bezeichnen.
Es wird daher in den weiteren Berechnungen berücksichtigt. Da aus theoretischen Grün-
den, wie in Abschnitt 3.3.2.3 bereits ausgeführt, von einer Indikatoreneliminierung abzu-
raten ist, werden in den weiteren Berechnungen alle drei Indikatoren des Konstrukts
verwendet.
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
wbw_1 In unserer Branche gibt es sehr wenige Gelegenheiten für Wachstum. (rev) 2,8318 1,70247 1,943 -0,6298 3,6293
wbw_2 Die Branche bietet zahlreiche Gelegenheiten für künftiges Wachstum. 3,04 1,849 2,166 -0,1322 0,6365
wbw_3 Wachstumsmöglichkeiten in dieser Branche gibt es im Überfluss. 4,15 1,854 1,719 0,6083 3,8899
Wahrgenommenes Branchenwachstum
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 30: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Wahr-
genommenes Branchenwachstum“
156
4.1.7.4 Nachfrage nach neuen Produkten
Auch bei dem formativen Konstrukt „Nachfrage nach neuen Produkten“ sind, wie aus
Tabelle 31 zu entnehmen ist, keine Hinweise auf Multikollinearität erkennbar. Zwei der
drei Indikatoren („In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Produktinno-
vationen“, „In unserer Branche wächst die Nachfrage des Gesamtmarktes nach neuen
Produkten“) weisen ein signifikantes Gewicht auf, sie liegen über dem t-Wert-
Schwellenwert von 1,654 (einseitiger Test, 5%-Signifikanzniveau). Die Güte des Kon-
strukts ist somit als zufriedenstellend zu bezeichnen. Es wird in den weiteren Berech-
nungen berücksichtigt.
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Bitte geben Sie an, wie wahr oder unwahr die folgenden Aussagen bezogen auf die Situation Ihres Unternehmens sind.
nnp_1 In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Produktinnovationen.
3,05 1,759 2,021 0,6294 4,7859
nnp_2 In unserer Branche wächst Konsumentennachfrage nach neuen Produkten.
3,56 1,652 3,567 -0,0061 0,0308
nnp_3 In unserer Branche wächst die Nachfrage des Gesamtmarktes nach neuen Produkten.
3,47 1,585 3,781 0,4608 2,4691
Nachfrage nach neuen Produkten
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 31: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Nach-
frage nach neuen Produkten“
Nachdem die Gütemaße für die Konstrukte „Dynamik“ sowie „Technologische Gelegen-
heiten“ als nicht zufriedenstellend eingestuft wurden, verbleiben mit „Wahrgenommenes
Branchenwachstum“ und „Nachfrage nach neuen Produkten“ für die weiteren Berech-
nungen zwei Dimensionen einer freigiebigen Aufgabenumwelt.
4.1.8 Feindlichkeit der Aufgabenumwelt
Auch das Konstrukt „Feindlichkeit der Aufgabenumwelt“ wird formativ gemessen. Alle
VIF-Werte liegen unter 10, somit ist das Konstrukt hinsichtlich Multikollinearität als unbe-
denklich einzustufen. Lediglich zwei der sechs t-Werte liegen unter dem Schwellenwert
von 1,654. Es handelt sich dabei um die beiden Indikatoren „In unserer Branche sind die
Handlungen unserer Wettbewerber unberechenbar“ und „Die Einmischung von Regie-
rung/Behörden stellt in unserer Branche eine große Herausforderung dar“. Die Güte des
Konstrukts ist somit als gut zu bezeichnen.
157
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf das Wettbewerbsumfeld Ihres Unternehmens zu?
fei_1 In unserer Branche sind die Handlungen unserer Wettbewerber unberechenbar. 3,90 1,582 1,220 -0,1776 0,8374
fei_2 In unserer Branche sind die Nachfrage und die Kundenwünsche schwierig vorherzusagen.
3,88 1,718 1,255 0,1728 2,8975
fei_3 Schrumpfende Märkte für unsere Produkte sind eine große Herausforderung für unsere Branche.
3,71 2,114 1,243 0,0733 2,5386
fei_4 Ein harter Preiswettbewerb ist in unserer Branche eine große Herausforderung. 4,81 1,858 1,307 0,1296 3,0595
fei_5 Die Einmischung von Regierung/Behörden stellt in unserer Branche eine große Herausforderung dar.
3,60 2,203 1,099 -0,1766 0,7158
fei_6 Unser Geschäftsumfeld gefährdet das Überleben unseres Unternehmens. 2,72 1,681 1,242 0,9353 18,4471
Feindlichkeit der Aufgabenumwelt
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 32: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Feind-
lichkeit der Aufgabenumwelt“
4.1.9 Reconfiguring Capabilities
Das Konstrukt „Reconfiguring Capabilities“ wird ebenfalls formativ gemessen. Tabelle 33
zeigt, dass alle VIF-Werte unter 10 liegen. Das Konstrukt ist somit hinsichtlich Multikolli-
nearität als unbedenklich einzustufen. Zwei („Implementierung neuer Managementme-
thoden“, „Neue oder substanziell veränderte Organisationsstruktur“) der sieben t-Werte
liegen knapp, einer („Substanzielle Erneuerung der Produktionsprozesse“) deutlich unter
dem Schwellenwert von 1,654. Die Güte des Konstrukts ist als gut zu bezeichnen.
158
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Haben Sie in Ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren die folgenden Erneuerungen durchgeführt? Falls ja, wie erfolgreich waren diese?
rec_1 Implementierung einer neuen oder substanziell veränderten Unternehmensstrategie
5,01 1,160 1,523 0,5153 2,7147
rec_2 Implementierung neuer Managementmethoden 4,59 1,032 1,522 -0,2924 1,3283
rec_3 Neue oder substanziell veränderte Organisationsstruktur 4,93 1,080 1,586 -0,2871 1,2828
rec_4 Neue oder substanziell veränderte Marketingmethoden oder Marketingstrategie
4,77 1,141 1,323 0,3766 1,9434
rec_5 Neue oder substanziell veränderte technologische Einrichtungen oder Produktionsprozesse
4,94 1,180 1,848 0,4002 1,7702
rec_6 Substanzielle Erneuerung der Geschäftsprozesse 4,76 1,042 1,620 0,4608 2,1366
rec_7 Substanzielle Erneuerung der Produktionsprozesse 4,66 1,116 1,873 -0,1055 0,4439
Reconfiguring Capabilities
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 33: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Re-
configuring Capabilities“
4.1.10 Finanzieller Erfolg
Das Konstrukt „Finanzieller Erfolg“ wird auch formativ gemessen. Tabelle 34 zeigt, dass
alle VIF-Werte deutlich unter 10 liegen. Das Konstrukt kann somit hinsichtlich Multikolli-
nearität als unbedenklich eingestuft werden. Drei der sechs t-Werte liegen unter dem
Schwellenwert von 1,654. Es handelt sich dabei um die Indikatoren „Durchschnittliches
Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter pro Jahr seit Gründung (in %)“, „Durchschnittliches
Umsatzwachstum pro Jahr seit Gründung (in %)“ und „Ungefähres Ergebnis vor Steuern
im abgelaufenen Geschäftsjahr (in % der Bilanzsumme)“. Die Güte des Konstrukts ist als
befriedigend einzustufen.
159
Konstrukt:
Spezifikation: Formativ
Indikatoren:
Haben Sie in Ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren die folgenden Erneuerungen durchgeführt? Falls ja, wie erfolgreich waren diese?
fin_1 Durchschnittliches Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter pro Jahr seit Gründung (in %):
92,65 354,332 1,050 0,021189 1,1507
fin_2 Ungefähres Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr (in %):
22,00 48,754 1,251 0,884516 5,0109
fin_3 Durchschnittliches Umsatzwachstum pro Jahr seit Gründung (in %): 982,82 15156,844 1,007 0,199808 0,9983
fin_4 Ungefähres Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr (in %): 41,36 139,739 1,263 0,716674 1,7842
fin_5 Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in % der Bilanzsumme):
13,74 18,339 1,196 0,010489 1,0371
fin_6 Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in % des Umsatzes):
7,58 47,157 1,145 -0,25645 1,7682
Finanzieller Erfolg
t-WertSx VIF Koeffi-zientenX
Tabelle 34: Koeffizienten und Ergebnisse der Multikollinearitätsanalyse für die latente Variable „Finan-
zieller Erfolg“
4.1.11 Nicht-finanzieller Erfolg
Die Ergebnisse der Faktorenanalysen für das Konstrukt „Nicht-finanzieller Erfolg“ sind in
Tabelle 35 aufgeführt. Die Analyse hat gezeigt, dass der Indikator „Das Ausmaß der Bin-
dung unserer Kunden an unser Unternehmen im Vergleich zu den wichtigsten Wettbe-
werbern ist deutlich schlechter/deutlich besser“ nicht in ausreichendem Maße auf den
hypothetisierten Faktor lädt. Der Indikator wurde daher für die weiteren Auswertungen
ausgeschlossen. Das Cronbach’sche Alpha liegt mit einem Wert von 0,913 deutlich über
dem Schwellenwert von 0,7. Der Faktor erklärt 74,4% der Varianz der Indikatoren und
liegt damit über dem Mindestwert von 50%. Alle Kommunalitäten liegen deutlich über
dem geforderten Niveau von 0,4. Die Faktorladungen sind allesamt auf hohem Niveau
signifikant. Die Indikatorreliabilitäten liegen deutlich über dem Schwellenwert von 0,4.
Die durchschnittlich erklärte Varianz liegt mit 0,844 weit über dem Mindestniveau von
0,5. Die Faktorreliabilität liegt mit 0,964 ebenfalls deutlich über dem Grenzwert von 0,6.
Auch die GFI- und CFI-Indizes liegen über den Schwellenwerten von 0,9. Der AGFI-
Index liegt mit einem Wert von 0,771 unter dem Grenzwert von 0,9. Auch der RMSEA
liegt mit 0,19 über dem geforderten Niveau von 0,10. Das Anspruchsniveau kleiner
160
gleich 3 des 2/df-Wertes wird mit einem Wert von 20,92 nicht erreicht, was eben ver-
mutlich an der großen Stichprobe liegt.
Blickt man auf die guten bis sehr guten Werte aus der exploratorischen Faktorenanalyse
und die guten lokalen Maße aus der konfirmatorischen Faktorenanalyse, lässt sich zu-
sammenfassend die Güte des Messmodells „Nicht-finanzieller Erfolg“ als gut bezeich-
nen.
Konstrukt:Nicht-finanzieller Erfolg
Spezifikation: Reflektiv
Indikatoren:aew_1 Die wirtschaftliche Entwicklung unseres
Unternehmens im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
5,09 1,174 0,803 74,40% 0,777 0,867 - 0,891
aew_2 Das Wachstum unseres Unternehmens im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 5,03 1,176 0,817 0,793 0,877 28,183 0,894
pew_1 Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Umsatz im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
4,98 1,148 0,827 0,804 0,871 26,017 0,894
pew_2 Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Marktanteil im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
4,82 1,193 0,791 0,758 0,82 23,167 0,831
kew_1 Die Anzahl der gewonnenen Neukunden im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist…
4,89 1,128 0,659 0,589 0,681 17,956 0,669
Cronbach'sches Alpha: 0,913 = 20,92 (p<0,05), RMSEA=0,19, GFI=0,924, AGFI=0,771, CFI=0,95, DEV=0,844, FR=0,964
*: Standardisierte Faktorladung, R2**: Indikatorreliabilität
t-Wert R2**
Eliminierter Indikatorkew_2: Das Ausmaß der Bindung unserer Kunden an unser Unternehmen im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist deutlich schlechter/deutlich besser.
Exploratorische Faktorenanalyse
Konfirmatorische Faktorenanalyse
Erklärte Varianz
Kommu-nalität c *Sx
Item-to-TotalX
df/2
Tabelle 35: Ergebnisse der Faktorenanalysen für die latente Variable „Nicht-finanzieller Erfolg“
Der Innovationserfolg wurde mit einem Indikator und somit als Single-Item-Measure er-
hoben. Eine vergleichbare Güteprüfung ist für dieses Maß nicht möglich.
161
162
4.2 Beurteilung der Diskriminanzvalidität
Diskriminanzvalidität ist dann gegeben, wenn die verwendeten Variablen auch wirklich
unterschiedliche Aspekte messen. Für die reflektiven Messmodelle wurde bereits mit
Hilfe einer exploratorischen Faktorenanalyse nachgewiesen, dass diese sich – mit Aus-
nahme einzelner eliminierter Indikatoren – trennscharf zeigen. Zur Prüfung, ob auch die
mit formativen Messmodellen gemessenen Variablen, die Single-Item-Measures sowie
die Kontrollvariablen grundsätzlich unabhängig von den anderen Modellvariablen
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A
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sind, wird die Korrelationsmatrix sämtlicher Modellvariablen, die in Tabelle 36 wiederge-
geben ist, betrachtet. Wären hohe Korrelationen unter den Variablen gegeben, wäre die
Diskriminanzvalidität zu hinterfragen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Es liegen keine
hohen signifikanten Koeffizienten vor. Somit kann Diskriminanzvalidität angenommen
werden.
Für die reflektiven Konstrukte lässt sich zusätzlich anhand des Fornell-Larcker-Kriteriums
(FL-Kriterium), das als strengste Größte zur Beurteilung der Diskriminanzvalidität gilt,
prüfen, ob sie trennscharf sind (Fornell/Larcker 1981). Das Kriterium gilt dann als er-
reicht, wenn die Quadratwurzel der DEV einer Variablen größer ist als jede ihrer Korrela-
tionen mit einer anderen Variablen. In Tabelle 37 sind die reflektiven Konstrukte des Mo-
dells, für die ein DEV-Wert bestimmt werden konnte, sowie ihre Korrelationen zu den
anderen reflektiven Messmodellen dargestellt. Es zeigt sich, dass das FL-Kriterium für
alle reflektiven Konstrukte erfüllt wird.
AUT INO NFE PRO RIS
Autonomie (AUT) 0,79 1,00
Innovativität (INO) 0,72 0,05 1,00
Nicht-finanzieller Erfolg (NFE) 0,92 0,20 0,19 1,00
Proaktivität (PRO) 0,52 0,10 0,27 0,22 1,00
Risikoübernahme (RIS) 0,85 0,13 0,45 0,17 0,17 1,00
0,79 0,72 0,92 0,52 0,852 DEV
Tabelle 37: Ergebnisse der Prüfung des FL-Kriteriums für die reflektiven Konstrukte
164
4.3 Ergebnisse der Hypothesentests
Die Ergebnisse der Hypothesentests sind in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Ab-
schnitt beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen den einzelnen EO-
Dimensionen und den abhängigen bzw. moderierenden Variablen (H1-H6). Der zweite
Abschnitt befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen EO als Second Order-
Konstrukt und den abhängigen bzw. moderierenden und der mediierenden Variablen
(H7-H12). Als abhängige Variable wird jeweils der finanzielle und der nicht-finanzielle
Unternehmenserfolg betrachtet. Im dritten Abschnitt wird geprüft, ob EO ein fünfdimensi-
onales Konstrukt ist, dessen Dimensionen voneinander unabhängig sind.
4.3.1 Ergebnisse zu den einzelnen EO-Dimensionen
Die Ergebnisse zu den Hypothesen 1-6 für die abhängige Variable „Finanzieller Unter-
nehmenserfolg“ sind in Abbildung 17 wiedergegeben. Das (korrigierte) R2 von 0,18 ist als
niedrig einzustufen (Chin 1988). Da es sich bei der abhängigen Variable um ein formati-
ves Konstrukt handelt, lässt sich das Stone-Geisser-Test-Kriterium nicht berechnen
(Fornell/Bookstein 1982).
Die Hypothesen 1, 2, 5 und 6 müssen abgelehnt werden. Ein direkter Zusammenhang
zwischen den EO-Dimensionen Innovativität, Proaktivität, Aggressives Verhalten gegen-
über Wettbewerbern und Autonomie und dem finanziellen Unternehmenserfolg besteht
nicht. Für die EO-Dimension Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern besteht
auf einem Signifikanzniveau von 5% sogar ein negativer Zusammenhang.
Für das Testen von Hypothese 3 wurde der moderierende Einfluss, der durch den Inter-
aktionsterm abgebildet wird, durch die Multiplikation der standardisierten Konstruktwerte
modelliert (Chin/Marcolin/Newsted 2003). Proaktivität moderiert den Zusammenhang
zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg bei einer feindlichen Aufgaben-
umwelt positiv. Das R2 erhöht sich durch die Hinzunahme des Terms von 0,15 auf 0,18.
Der Zusammenhang ist aber nicht signifikant. H3 muss also auch abgelehnt werden.
Hypothese 4, die einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen Risikoüber-
nahme und dem Unternehmenserfolg vermutet, kann bestätigt werden. Für den Test des
umgekehrt U-förmigen Zusammenhangs wurde wie von Nohria und Gulati (1996) vorge-
schlagen vorgegangen. Risikoübernahme (Beta: 0,386, t-Wert: 1,844) sowie der quad-
rierte Term der Risikoübernahme (Beta: -0,682, t-Wert: -3,255) wurden in einer Kleinst-
quadratsregression auf den finanziellen Unternehmenserfolg als abhängige Variable
165
regressiert. Beide Koeffizienten sind signifikant, Risikoübernahme auf dem 5%-Niveau
und der quadrierte Term auf dem 0,1%-Niveau.
Innovativität
Proaktivität
Risikoübernahme
Aggressivität geg. Wettbew.
Autonomie
FinanziellerUnternehmenserfolg
(R2=0,18)
H1: -0,001 (n.s.)
H2: 0,068 (n.s.)
H5: -0,097**
H6: 0,004 (n.s.)
Feindlichkeit
Proaktivität *Feindlichkeit
-0,236**
H3: 0,164 (n.s.)
**** Sig. auf 0,001*** Sig. auf 0,01** Sig. auf 0,05* Sig. auf 0,10
H4: bestätigt
Abbildung 17: Ergebnisse der Hypothesentests (H1-H6, Finanzieller Unternehmenserfolg)
Die Ergebnisse zu den Hypothesen 1-6 für die abhängige Variable „Nicht-finanzieller
Unternehmenserfolg“ sind in Abbildung 18 wiedergegeben. Das (korrigierte) R2 von 0,27
ist als moderat einzustufen (Chin 1988). Da es sich bei der abhängigen Variable um ein
reflektives Konstrukt handelt, lässt sich das Stone-Geisser-Test-Kriterium Q2 berechnen.
(Fornell/Bookstein 1982). Das Strukturmodell hat mit einem Q2 von 0,174 eine akzeptab-
le Prognosegüte (Fornell/Bookstein 1982).
Die Hypothesen 1, 2 und 6 können bestätigt werden. Es besteht ein direkter, hoch signi-
fikanter Zusammenhang zwischen den drei EO-Dimensionen Innovativität, Proaktivität
und Autonomie und dem nicht-finanziellen Unternehmenserfolg. Das Signifikanzniveau
beträgt in allen drei Fällen 0,1%. Interessant ist, dass die Pfadkoeffizienten nahezu die
gleiche Höhe aufweisen. Die Autonomie-Dimension liegt mit 0,161 lediglich gering über
Innovativität (0,154) und Proaktivität (0,153). Die Bedeutung der EO-Dimensionen
scheint somit ähnlich groß.
Für das Testen von Hypothese 3 wurde der moderierende Einfluss, der durch den Inter-
aktionsterm abgebildet wird, wiederum durch die Multiplikation der standardisierten Kon-
struktwerte modelliert (Chin/Marcolin/Newsted 2003). Es kann kein positiver Moderati-
166
onseffekt von Proaktivität auf den Zusammenhang zwischen EO und dem finanziellen
Unternehmenserfolg bei einer feindlichen Aufgabenumwelt festgestellt werden. Zwar
erhöht sich das R2 durch die Hinzunahme des Terms von 0,24 auf 0,27, der Zusammen-
hang ist aber nicht signifikant. Zudem hat der Pfadkoeffizient ein negatives Vorzeichen.
H3 ist also auch für den nicht-finanziellen Unternehmenserfolg abzulehnen.
Der umgekehrt U-förmige Zusammenhang zwischen Risikoübernahme und dem nicht-
finanziellen Unternehmenserfolg (H4) kann nicht bestätigt werden. Zwar ist der Risiko-
übernahme-Term (Beta: 0,025, t-Wert: 4,036) auf dem 0,1%-Niveau signifikant, der
quadrierte Term der Risikoübernahme (Beta: -0,682, t-Wert: 0,592) ist jedoch nicht signi-
fikant.
Für die EO-Dimension Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern besteht auf
einem Signifikanzniveau von 0,1% ebenfalls ein negativer Zusammenhang. Somit ist H5
ebenfalls abzulehnen.
Innovativität
Proaktivität
Risikoübernahme
Aggressivität geg. Wettbew.
Autonomie
Nicht-finanziellerUnternehmenserfolg(R2=0,27, Q2=0,174)
H1: 0,154****
H2: 0,153****
H5: -0,147****
H6: 0,161****
Feindlichkeit
Proaktivität *Feindlichkeit
-0,277**
H3: -0,166 (n.s.)
**** Sig. auf 0,001*** Sig. auf 0,01** Sig. auf 0,05* Sig. auf 0,10
H4: nicht bestätigt
Abbildung 18: Ergebnisse der Hypothesentests (H1-H6, Nicht-finanzieller Unternehmenserfolg)
4.3.2 Ergebnisse zu EO als Second Order-Konstrukt
Die Ergebnisse zu den Hypothesen 7-12 für die abhängige Variable „Finanzieller Unter-
nehmenserfolg“ sind in Abbildung 19 wiedergegeben. Das (korrigierte) R2 von 0,29 ist als
moderat einzustufen (Chin 1988).
167
H7, eine der zentralen Hypothesen der Arbeit, kann bestätigt werden. Der Zusammen-
hang zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg ist positiv und auf dem 5%-
Niveau signifikant. Der Pfadkoeffizient liegt allerdings mit 0,117 unter dem von Chin
(1988) geforderten Niveau von 0,2, der direkte Zusammenhang ist somit eher schwach
ausgeprägt.
Für die Prüfung von H8, welche einen negativen Moderationseffekt einer freigiebigen
Aufgabenumwelt auf den Zusammenhang zwischen EO und dem finanziellen Unterneh-
menserfolg vermutet, wurden die Freigiebigkeits-Dimensionen „Wahrgenommenes Bran-
chenwachstum“ sowie „Nachfrage nach neuen Produkten“ herangezogen. In keinem der
beiden Fälle ist ein signifikant negativer Zusammenhang festzustellen. Damit kann H8
nicht bestätigt werden.
H9 nimmt einen positiven Moderationseffekt der Feindlichkeit der Aufgabenumwelt auf
den Zusammenhang zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg an. Erneut
wurde der Interaktionsterm durch die Multiplikation der standardisierten Konstruktwerte
modelliert (Chin/Marcolin/Newsted 2003). Der Pfadkoeffizient des Interaktionsterms
(0,139) hat ein positives Vorzeichen und ist auf dem 10%-Niveau signifikant. H9 kann
damit bestätigt werden. Allerdings ist die Ausprägung des Pfadkoeffizienten unter dem
geforderten Niveau von 0,2, es liegt somit lediglich ein schwacher Zusammenhang vor.
Der positive Moderationseffekt der „Reconfiguring Capabilities“ auf den Zusammenhang
zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg (H10) ist zwar vorhanden (Pfad-
koeffizient: 0,098), der Zusammenhang ist allerdings sehr schwach und nicht signifikant.
Damit muss H10 abgelehnt werden.
Der Zusammenhang zwischen EO und dem Innovationserfolg (R2=0,21) ist sehr stark
(Pfadkoeffizient: 0,457) und hoch signifikant (0,1%-Niveau). H11 kann somit bestätigt
werden.
Auch H12, wonach Unternehmen, die eine höhere Ausprägung ihres Innovationserfolges
aufweisen, auch einen höheren Gesamtunternehmenserfolg ausweisen, kann ebenfalls
bestätigt werden. Der Zusammenhang ist mit einem Pfadkoeffizienten von 0,256 eben-
falls recht hoch ausgeprägt und auf dem 1%-Niveau signifikant.
Der Korrelationsmatrix aller Modellvariablen, die in Tabelle 36 wiedergegeben ist, kann
man entnehmen, dass eine geringe (Korrelationskoeffizient: 0,17) auf dem 1%-Niveau
signifikante Korrelation zwischen dem Gewerbe (Produzierendes Gewerbe, Dienstleis-
tungen) und dem finanziellen Unternehmenserfolg besteht. Man kann somit vermuten,
dass der finanzielle Unternehmenserfolg auch vom Gewerbe des Unternehmens beein- 168
flusst wird. Die übrigen Kontrollvariablen (Anteil der der Akquisitionen am Umsatz, Un-
ternehmensalter, Anzahl der Mitarbeiter und Branche) weisen keine signifikante Korrela-
tionskoeffizienten – auch nicht zu dem nicht-finanziellen Unternehmenserfolg – auf.
**** Sig. auf 0,001*** Sig. auf 0,01** Sig. auf 0,05* Sig. auf 0,10
Innovationserfolg(R2=0,21)
EOFinanzieller
Unternehmenserfolg(R2=0,29)
Reconf. Capabilities
EO * Feindlichkeit
EO * Reconf. Capabilities
Nachfrage nachneuen Produkten
Wahrgen. Branchenwachstum
EO * Wahrgen. Branchenwachstum
EO * Nachfrage nachneuen Produkten
H7: 0,117**
H11: 0,457**** H12: 0,256***
H9: 0,139* -0,003 (n.s.)0,113 (n.s.)
H10: 0,098 (n.s.)
-0,049**
-0,016 (n.s.)
0,031 (n.s.)
0,116 (n.s.)
Feindlichkeit
Abbildung 19: Ergebnisse der Hypothesentests (H7-H12, Finanzieller Unternehmenserfolg)
Die Ergebnisse zu den Hypothesen 7-12 für die abhängige Variable „Nicht-finanzieller
Unternehmenserfolg“ sind in Abbildung 20 wiedergegeben. Das (korrigierte) R2 von 0,37
ist als moderat bis gut einzustufen (Chin 1988). Da es sich bei der abhängigen Variable
um ein reflektives Konstrukt handelt, lässt sich das Stone-Geisser-Test-Kriterium Q2 be-
rechnen. Das Strukturmodell hat mit einem Q2 von 0,26 eine gute Prognosegüte
(Fornell/Bookstein 1982).
H7 kann auch für die abhängige Variable nicht-finanzieller Unternehmenserfolg bestätigt
werden. Der Zusammenhang zwischen EO und dem nicht-finanziellen Unternehmenser-
folg (Pfadkoeffizient: 0,237) ist positiv und auf dem 0,1%-Niveau signifikant.
Für die Prüfung von H8, welche einen negativen Moderationseffekt einer freigiebigen
Aufgabenumwelt auf den Zusammenhang zwischen EO und dem nicht-finanziellen Un-
ternehmenserfolg vermutet, wurden ebenfalls die Freigiebigkeits-Dimensionen „Wahrge-
169
nommenes Branchenwachstum“ sowie „Nachfrage nach neuen Produkten“ herangezo-
gen. In keinem der beiden Fälle ist ein signifikant negativer Zusammenhang festzustel-
len. Damit kann H8 auch für den nicht-finanziellen Unternehmenserfolg nicht bestätigt
werden.
H9 nimmt einen positiven Moderationseffekt der Feindlichkeit der Aufgabenumwelt auf
den Zusammenhang zwischen EO und dem nicht-finanziellen Unternehmenserfolg an.
Erneut wurde der Interaktionsterm durch die Multiplikation der standardisierten Kon-
struktwerte modelliert (Chin/Marcolin/Newsted 2003). Der Pfadkoeffizient des Interakti-
onsterms (-0,08) hat nicht das vermutete positive Vorzeichen und ist auch nicht signifi-
kant. H9 wird somit abgelehnt.
Der positive Moderationseffekt der „Reconfiguring Capabilities“ auf den Zusammenhang
zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg (H10) ist auch bei der abhängi-
gen Variable nicht-finanzieller Unternehmenserfolg vorhanden (Pfadkoeffizient: 0,168),
der Zusammenhang ist allerdings nicht signifikant. Damit muss H10 abgelehnt werden.
Der Zusammenhang zwischen EO und dem Innovationserfolg (R2=0,16) ist sehr stark
ausgeprägt (Pfadkoeffizient: 0,395) und hoch signifikant (0,1%-Niveau). H11 kann somit
bestätigt werden.
H12, wonach Unternehmen, die eine höhere Ausprägung ihres Innovationserfolges auf-
weisen, auch einen höheren Gesamtunternehmenserfolg ausweisen, muss hingegen für
den nicht-finanziellen Unternehmenserfolg abgelehnt werden. Der Zusammenhang ist
mit einem Pfadkoeffizienten von -0,037 praktisch nicht gegeben und nicht signifikant.
170
**** Sig. auf 0,001*** Sig. auf 0,01** Sig. auf 0,05* Sig. auf 0,10
Innovationserfolg(R2=0,16)
EONicht-finanzieller
Unternehmenserfolg(R2=0,37, Q2=0,26)
Reconf. Capabilities
EO * Feindlichkeit
EO * Reconf. Capabilities
Nachfrage nachneuen Produkten
Wahrgen. Branchenwachstum
EO * Wahrgen. Branchenwachstum
EO * Nachfrage nachneuen Produkten
H7: 0,237****
H11: 0,395**** H12: -0,037
H9: -0,08 (n.s.)-0,053**
0,295***
H10: 0,168 (n.s.)
-0,04 (n.s.)
-0,038 (n.s.)
0,034 (n.s.)
-0,098 (n.s.)
Feindlichkeit
Abbildung 20: Ergebnisse der Hypothesentests (H7-H12, Nicht-finanzieller Unternehmenserfolg)
4.3.3 Ergebnisse zur Unabhängigkeit der fünf EO-Dimensionen
Den Ergebnissen der konfirmatorischen Faktoranalyse der fünf EO-Dimensionen, die in
Tabelle 27 dargestellt sind, lässt sich entnehmen, dass die einzelnen Indikatoren auf fünf
unterschiedliche Faktoren laden. H13 kann somit bestätigt werden. Lediglich der Indika-
tor „pro1“ lädt nicht wie hypothetisiert auf den Faktor „Proaktivität“ sondern auf „Innovati-
vität“. Dieser Befund bedarf im Anschluss der weiteren Diskussion.
Aus der Korrelationsmatrix aller Modellvariablen, die in Tabelle 36 wiedergegeben ist,
wird ersichtlich, dass zwar jede EO-Dimension signifikant positiv mit der EO-Single-Item-
Measure korreliert. Es sind jedoch keine signifikanten Korrelationen zwischen den fünf
EO-Dimensionen zu beobachten. Damit kann auch H14 bestätigt werden.
Tabelle 38 gibt einen Überblick über die durchgeführten Hypothesentests. H1-H12 sind
aufgegliedert nach den beiden abhängigen Variablen der Arbeit.
171
Nummer Hypothese Finanzieller Unternehmens-erfolg
Nicht-finanzieller Unternehmens-erfolg
H1 Zwischen Innovativität und dem UE besteht ein positiver Zusammenhang. x
H2 Zwischen Proaktivität und dem UE besteht ein positiver Zusammenhang. x (n.s.)
H3 Der positive Zusammenhang zwischen Proaktivität und UE ist bei einer feindlichen Aufgabenumwelt stärker ausgeprägt.
x (n.s.) x (n.s.)
H4 Zwischen Risikoübernahme und UE besteht ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang. x
H5 Zwischen aggressivem Verhalten gegenüber Wettbewerbern und UE besteht ein positiver Zusammenhang.
x x
H6 Zwischen Autonomie und UE besteht ein positiver Zusammenhang. x (n.s.)
H7 Zwischen EO und UE besteht ein positiver Zusammenhang.
H8 Freigiebigkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE negativ. x x (n.s.)
H9 Feindlichkeit moderiert den Zusammenhang zwischen EO und UE positiv. x
H10 Reconfiguring Capabilities moderieren den Zusammenhang zwischen EO und UE positiv. x (n.s.) x (n.s.)
H11 Zwischen EO und dem IE besteht ein positiver Zusammenhang.
H12 Unternehmen, die eine höhere Ausprägung ihres Innovationserfolges aufweisen, weisen auch einen höheren Gesamtunternehmenserfolg auf.
x
H13 Bei EO handelt es sich um ein fünfdimensionales Konstrukt.
H14 Die einzelnen EO-Dimensionen sind voneinander unabhängig.
Weitere
Tabelle 38: Ergebnisse der Hypothesentests im Überblick
172
5 Diskussion und Schlussbetrachtung
5.1 Diskussion der Ergebnisse
Zunächst sollen ausgewählte Ergebnisse der Messmodelle diskutiert werden. Im An-
schluss werden die Ergebnisse der Strukturmodelle diskutiert.
5.1.1 Ergebnisse der Messmodelle
Die Güte der Messmodelle für Autonomie, Innovativität, Risikoübernahme und aggressi-
ves Verhalten gegenüber Wettbewerbern ist gut bis sehr gut. Die bestehenden Skalen
konnten somit validiert werden. Lediglich die Ergebnisse zum Messmodell Proaktivität
sind enttäuschend. Trotz der Eliminierung zweier Indikatoren („Wir sind in unserer Bran-
che gewöhnlich die ersten, die neue Marken oder Produkte im Markt einführen“ sowie
dem umgekehrt codierten Indikator „Wettbewerber kommen uns häufig zuvor, indem sie
vor uns Kapazitäten aufbauen“), liegt das Cronbach’sche Alpha bei lediglich 0,365 und
damit deutlich unter dem Schwellenwert von 0,7. Die von Venkatraman (1989) entwickel-
te und in dieser Arbeit eingesetzte Proaktivitätsskala scheint somit Verbesserungspoten-
zial zu bieten. Eine Idee wäre, in künftigen Studien die bislang kaum verbreitete Skala
von Hughes und Morgan (2007) zu verwenden. Sie basiert auf den Arbeiten von Bate-
man und Crant (1993), Hult und Ketchen (2001) sowie Morgan und Strong (2003). In der
durchgeführten konfirmatorischen Faktoranalyse lädt zudem der Proaktivitäts-Indikator
„Unser Unternehmen sucht ständig nach Gelegenheiten, die mit den bestehenden Un-
ternehmensbereichen in Verbindung stehen“ auf den Faktor Innovativität. Letzteres
könnte damit erklärt werden, dass die Respondenten „Gelegenheiten“, die Übersetzung
von „Opportunities“, als Innovationen bzw. Innovationsaktivitäten interpretiert haben.
Auch auf diesen Punkt ist künftig zu achten.
Nur drei der sechs t-Werte für Indikatoren des „Dynamik“-Konstrukts und einer der drei t-
Werte des Konstrukts für „Technologische Gelegenheiten“ lagen über dem Schwellen-
wert von 1,654. Folglich wurden beide Konstrukte von den weiteren Untersuchungen
ausgeschlossen. Alle Freigiebigkeitskonstrukte wurden der Arbeit von Zahra (1993b)
entnommen. Zahra macht darin lediglich Angaben zu Reliabilitätsmaßen, nicht aber zu
Validitätsmaßen. Sollen auch in künftigen Arbeiten Konstrukte aus der Aufgabenumwelt
des Unternehmens, welche auf deren Freigiebigkeit gerichtet sind, modelliert werden,
wäre es ratsam, diese Konstrukte neu zu konzeptualisieren. Dabei könnte gleichzeitig
eine Verdichtung zu einem Freigiebigkeits-Konstrukt stattfinden. So könnte diskutiert
werden, ob sich „Technologische Gelegenheiten“, „Wahrgenommenes Branchenwachs-
173
tum“ und „Nachfrage nach neuen Produkten“ nicht zusammenfassen lassen. Alle drei
Dimensionen beschäftigen sich schließlich mit der künftigen Marktgröße.
Die Güte der Messung des finanziellen Erfolges ist lediglich als befriedigend einzustufen.
Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen der Arbeit, die sich auf einen Zusammen-
hang mit dem finanziellen Unternehmenserfolg beziehen, mit Vorsicht zu betrachten.
Zwei Indikatoren, die nicht signifikant luden, sind „Durchschnittliches Umsatzwachstum
pro Jahr seit Gründung (in %)“ sowie „Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen
Geschäftsjahr (in % der Bilanzsumme)“. Im ersten Fall ist es denkbar, dass die Antwor-
tenden sich nicht die Mühe machen wollten, das durchschnittliche Umsatzwachstum seit
Gründung des Unternehmens zu berechnen. Gerade bei älteren Unternehmen dürfte
sich die Berechnung auch als schwierig erweisen. Im zweiten Fall steht zu vermuten,
dass die Respondenten die Bilanzsumme ihres Unternehmens zum Zeitpunkt der Be-
antwortung nicht parat hatten und somit einen Schätzwert abgaben. Obwohl der Großteil
der Respondenten Geschäftsführer bzw. Vorstände waren, ist die Bilanzsumme im Ge-
gensatz zum Umsatz und Gewinn eines Unternehmens ein Kriterium, das z.B. in der ex-
ternen Kommunikation weniger häufig von Bedeutung ist. Für die künftige Messung des
finanziellen Unternehmenserfolges mit Primärdaten sind diese beiden Aspekte zu be-
rücksichtigen.
5.1.2 Ergebnisse der Strukturmodelle
Hinsichtlich der untersuchten Strukturmodelle bedürfen gerade die aus der Theorie ab-
geleiteten Hypothesen, die nicht bestätigt werden konnten, der Diskussion. Zunächst ist
auffällig, dass mit Ausnahme des umgekehrt U-förmigen Zusammenhangs zwischen Ri-
sikoübernahme und dem finanziellen Unternehmenserfolg, keine der weiteren vier EO-
Dimensionen den vermutet positiven Zusammenhang mit dem finanziellen Unterneh-
menserfolg aufweist. Das Second Order-Konstrukt EO weist hingegen einen, wenn auch
mit einem Pfadkoeffizienten von 0,117 schwachen, Zusammenhang mit dem finanziellen
Unternehmenserfolg auf. EO scheint also moderat als Second Order-Konstrukt, nicht
aber über die einzelnen Dimensionen auf den finanziellen Unternehmenserfolg zu wir-
ken. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte die mediierende Variable des Innovationser-
folges sein. EO führt offenbar primär zu Innovationen und damit zu Innovationserfolg. Bei
der abhängigen Variable „Finanzieller Unternehmenserfolg“ beträgt der Pfadkoeffizient
0,457 und ist auf dem 0,1%-Niveau signifikant. Bei der abhängigen Variable „Nicht-
finanzieller Unternehmenserfolg“ beträgt der Pfadkoeffizient 0,395. Er ist auf dem 0,1%-
Niveau signifikant. Der Befund von EO als begünstigender Faktor für Innovationserfolg
174
fügt sich in die Arbeiten von Atuahene-Gima und Ko (2001) sowie von Jantunen und
Hurmelinna-Laukkanen (2006) ein, die den gleichen Zusammenhang nachweisen kön-
nen. EO ist somit ein Konzept, das Innovationen begünstigt. Dabei sind vermutlich pri-
mär die EO-Dimensionen Innovativität, Proaktivität, Risikoübernahme und Autonomie
bzw. ihr Zusammenspiel und weniger die Aggressivität gegenüber Wettbewerbern die
Treiber des Innovationserfolges.
Der Innovationserfolg wiederum beeinflusst den finanziellen Unternehmenserfolg (Pfad-
koeffizient: 0,256, signifikant auf dem 1%-Niveau). Erfolgreiche Innovationen führen nicht
nur zu Umsatz- und Mitarbeiterwachstum, sie sind auch die Basis für die Verbesserung
der Ertragssituation von Unternehmen, indem sie, etwa über bessere Produkteigenschaf-
ten oder eine neuartige Technologie, entsprechende Preise rechtfertigen. Einen positi-
ven Zusammenhang zwischen Innovationserfolg und Unternehmenserfolg konnte auch
Ernst (2003a) feststellen.
Die schwache direkte Beziehung zwischen EO und dem finanziellen Unternehmenserfolg
kann nicht den einzelnen EO-Dimensionen geschuldet sein. Mit Ausnahme des umge-
kehrt U-förmigen Zusammenhangs zwischen Risikoübernahme und dem finanziellen
Unternehmenserfolg, weist keine der EO-Dimensionen einen positiven Zusammenhang
mit dem finanziellen Unternehmenserfolg auf. Eine mögliche Erklärung für den schwa-
chen Zusammenhang könnte allerdings ein Kombinationseffekt der Dimensionen sein.
So könnte erst aus einer Kombination von Innovativität, Proaktivität, Risikoübernahme,
Autonomie und Aggressivität gegenüber Wettbewerbern ein positiver Effekt erwachsen.
Dies wäre etwa dann der Fall, wenn Autonomie und Innovativität für sich betrachtet noch
nicht zur Schaffung eines Wettbewerbsvorteils führen, sondern es zusätzlich moderater
Risikoübernahme und einer proaktiven Einstellung bedarf. Ein Beispiel hierfür wäre die
weitgehend autonome Innovationsabteilung eines Unternehmens, die den proaktiven,
aber auch mit gewissen Risiken behafteten Schritt in einen bislang noch nicht bearbeite-
ten neuen Markt unternimmt. Ein Beispiel aus der Praxis ist das Unternehmen Apple.
Apple gelang mit der Einführung des iPod nicht nur der Einstieg, sondern sogleich die
Dominanz des Marktes für MP3-Player. Bis dato war Unterhaltungselektronik für das
Unternehmen, das historisch PCs produzierte, ein unbearbeiteter Markt. Somit war der
Markteintritt mit einem Risiko behaftet. Apple konnte diesen Schritt mit der Dominanz
des Marktes für MP3-Downloads (iTunes) und der Markteinführung des iPhones im An-
schluss zweimal wiederholen. Apple scheint über eine unternehmensspezifische Fähig-
keit zu verfügen, die es dem Unternehmen erlaubt, diese Erfolge zu wiederholen. Wo-
möglich handelt es sich bei der Fähigkeit um einen EO-Kombinationseffekt. Ein derarti-
175
ger Kombinationseffekt spräche für den Wert des EO-Konstruktes per se. EO wäre somit
mehr als die bloße Summe seiner einzelnen Dimensionen. EO wäre dann die dynami-
sche Fähigkeit eines Unternehmens, verschiedene für den Unternehmenserfolg relevan-
te Fähigkeiten, die EO-Dimensionen, so miteinander kombinieren zu können, dass sie
optimal zum Unternehmenserfolg beitragen. Dabei ist es nicht zwingend nötig, alle fünf
EO-Dimensionen miteinander zu kombinieren. Es kann Situationen geben, in denen die
richtige Kombination von nur zwei oder drei EO-Dimensionen die am besten geeignete
Strategie darstellt. Wenn sich z.B. die Gelegenheit für die Bearbeitung eines neuen
Marktes ergibt, kann es angezeigt sein, sehr proaktiv und ein moderates Risiko über-
nehmend zu handeln, um für das Unternehmen das beste Ergebnis zu erzielen. Diese
Erkenntnis wäre eine maßgebliche Weiterentwicklung der bestehenden EO-Theorie.
Könnte der empirische Befund dieser Arbeit auch in Folgestudien bestätigt werden, kä-
me EO vermutlich noch eine weitaus größere Relevanz in der betriebswirtschaftlichen
Forschung zu.
Der umgekehrt U-förmige Zusammenhang zwischen Risikoübernahme und dem finan-
ziellen Unternehmenserfolg ist ein in der EO-Literatur neuer Befund. Er soll exemplarisch
nochmals die Notwendigkeit einer differenzierten Beschäftigung mit den EO-
Dimensionen verdeutlichen.
Zum nicht-finanziellen Unternehmenserfolg, der sich aus allgemeinem Erfolg gegenüber
Wettbewerbern, Produkterfolg und Kundenerfolg zusammensetzt, weisen drei der fünf
EO-Dimensionen (Innovativität, Proaktivität und Autonomie) einen positiven Zusammen-
hang auf. Ein positiver Zusammenhang zwischen Proaktivität und dem Unternehmenser-
folg wurde bereits früh durch Miller und Friesen (1983) nachgewiesen. Venkatraman
(1989a) stellte ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen Proaktivität und dem
Unternehmenserfolg fest. Interessant ist, dass die Stärke der Zusammenhänge mit ei-
nem Pfadkoeffizienten von 0,154 für Innovativität, 0,153 für Proaktivität und 0,161 für
Autonomie ähnlich groß ist. Die Bedeutung der einzelnen EO-Dimensionen für den nicht-
finanziellen Unternehmenserfolg ist somit annähernd gleich hoch. Der umgekehrt U-
förmige Zusammenhang zwischen Risikoübernahme und dem nicht-finanziellen Unter-
nehmenserfolg (H4) kann jedoch nicht bestätigt werden. Lediglich der einfache Term der
Risikoübernahme ist mit einem Beta von 0,172 auf dem 0,1%-Niveau signifikant. Das
spricht für einen schwach positiven Zusammenhang zwischen der Risikoübernahme-
Dimension und dem nicht-finanziellen Unternehmenserfolg. Risikotolerantes Verhalten
scheint also für den Produkt- und Kundenerfolg ergiebig, für den finanziellen Erfolg ist
hingegen eine moderate Risikoübernahme die beste Empfehlung. Womöglich ist das
176
Eingehen eines hohen Risikos für das Hervorbringen radikaler Innovationen eine Vor-
aussetzung. Aus diesen radikalen Innovationen können überlegene Produkte, die von
Kunden geschätzt werden, entwickelt werden. Bis sich die radikalen Innovationen aller-
dings auch nachhaltig in den finanziellen Kennzahlen des Unternehmens widerspiegeln,
dauert es vermutlich einige Zeit.
Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern scheint weder für den finanziellen
noch für den nicht-finanziellen Unternehmenserfolg vorteilhaft. Dieser Befund bestätigt
einige ältere Arbeiten (Fruhan 1972; Venkatraman 1989a). Eine nahe liegende Erklärung
wären Vergeltungsmaßnahmen der Wettbewerber gegenüber den aggressiv auftreten-
den Unternehmen. Diese Maßnahmen könnten einerseits im rechtlichen Bereich liegen
und somit z.B. langwierige und teure Prozesse nach sich ziehen. Aber auch marktseitige
Reaktionen sind denkbar. Auf eine aggressive Preisstrategie des Aggressors könnte ei-
ne Preisreduktion seitens des Wettbewerbers erfolgen. Die Folge wären niedrigere Mar-
gen für beide Unternehmen. 60% der Unternehmen im Sample haben bis zu 50 Mitarbei-
ter. Kleine Unternehmen verhalten sich im Allgemeinen aggressiver als größere Unter-
nehmen (Chen/Hambrick 1995). Treten die kleinen Unternehmen gegenüber den größe-
ren Unternehmen ihrer Branche jedoch zu aggressiv auf, müssen sie mit Vergeltungs-
maßnahmen und Preiskriegen rechnen, die finanziell erhebliche Schäden nach sich zie-
hen können (Chen/Hambrick 1995). Diese Vermutung stützen die empirischen Ergebnis-
se von Chen und Miller (1994), die zeigen, dass der finanzielle Erfolg aggressiver Unter-
nehmen umso schlechter ist, je mehr Gegenmaßnahmen bzw. Vergeltungsmaßnahmen
ihre Angriffe provozieren. Lassen et al. (2006) argumentieren, dass eine zu starke Beto-
nung aggressiven Verhaltens gegenüber Wettbewerbern Unternehmen davon abhält,
radikale Innovationen zu entwickeln. Es wird zu viel Zeit darauf verwendet, darüber
nachzudenken, wie man sich die Schwachstellen der Wettbewerber zu Nutze machen
kann. Stattdessen wäre es vorteilhafter über radikale Innovationen und neue Märkte
nachzudenken. Ferrier (2001) argumentiert, dass die Entwicklung von wettbewerbsge-
richteten Maßnahmen wie z.B. der Übernahme eines Mitbewerbers signifikant kognitive
Ressourcen im Unternehmen in Anspruch nehmen kann. Diese Ressourcen stehen wäh-
rend der Entwicklungsphase der aggressiven Maßnahmen nicht für andere Tätigkeiten
zur Verfügung. Dess und Lumpkin (2005a) führen aus, dass aggressives Verhalten von
Unternehmen sowohl bei deren Kunden als auch bei öffentlichen Institutionen kritisch
gesehen werden kann. Als Beispiel nennen sie Microsoft. Dessen aggressives Image
führe zur Abwanderung von Kunden und sei auch im Anti-Trust-Fall, den die US-
Regierung gegen Microsoft führte, von Nachteil gewesen.
177
H3, die eine positiv moderierende Wirkung einer feindlichen Aufgabenumwelt auf den
Zusammenhang zwischen Proaktivität und Unternehmenserfolg vermutete, muss für bei-
de Unternehmenserfolgsdimensionen abgelehnt werden. Zwar ist in beiden Fällen ein
positiver Zusammenhang zu beobachten, jedoch ist er nicht signifikant. Es zeigt sich,
dass die Aufgabenumwelt praktisch keinen Einfluss auf die Beziehungen zwischen EO
und den abhängigen Variablen ausübt. EO scheint also unabhängig von der Aufgaben-
umwelt eine „universelle“ Bedeutung zu haben.
Die betrachteten Freigiebigkeits-Dimensionen (Wahrgenommenes Branchenwachstum,
Nachfrage nach neuen Produkten) weisen für keine der endogenen Variablen einen mo-
derierenden Effekt auf. Zu diesem Ergebnis kommt auch Schmelter (2009), der in seiner
Arbeit den Dynamik-Aspekt der Freigiebigkeit betrachtet. Diese Befunde stehen jedoch
im Widerspruch zu den Ergebnissen der Metaanalyse von Rauch et. al (2009), die von
einem positiven Moderationseffekt der Dynamik auf die EO-UE-Beziehung berichten.
Rauch et. al (2009) untersuchen allerdings hinsichtlich der Aufgabenumweltvariablen
ausschließlich Arbeiten aus anderen Kulturräumen als dem deutschen und hegen die
Vermutung, dass das kulturelle Umfeld die EO-UE-Beziehung beeinflussen könnte. Auch
vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die theoretische Herleitung der moderie-
renden Wirkung einer freigiebigen Aufgabenumwelt auf den Zusammenhang zwischen
EO und Unternehmenserfolg zu überprüfen und ggf. weiterzuentwickeln.
Auch die Reconfiguring Capabilities haben zwar für sich genommen einen positiven Ef-
fekt auf die abhängigen Variablen, moderieren aber nicht signifikant den Zusammenhang
zwischen EO und dem Unternehmenserfolg. Dies ist ein weiterer Beleg für die eher uni-
verselle Bedeutung einer EO. Lediglich für das Konstrukt Feindlichkeit konnte eine signi-
fikant positive moderierende Wirkung zwischen EO und dem finanziellen Unternehmens-
erfolg festgestellt werden. Auch Schmelter (2009) fand diesen Zusammenhang. Gerade
in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten scheint eine EO für die Verbesserung des finan-
ziellen Unternehmenserfolges, der dann auch nur das reine Überleben bedeuten kann,
besonders bedeutsam.
Der Innovationserfolg weist einen signifikant positiven Zusammenhang (Pfadkoeffizient:
0,256, signifikant auf dem 1%-Niveau) mit dem finanziellen Unternehmenserfolg auf.
Dieser Befund steht im Einklang mit der Metaanalyse zu Innovationserfolg und Unter-
nehmenserfolg von Bausch und Rosenbusch (2006). Interessant ist jedoch, dass der
Zusammenhang mit dem nicht-finanziellen Unternehmenserfolg nicht besteht. Die Ursa-
che hierfür könnte in der Messung des Innovationserfolges und des nicht-finanziellen
Unternehmenserfolges liegen. Zur Messung des Innovationserfolges wurde gefragt, wie 178
viel Prozent des Umsatzes mit Produkten, die in den letzten drei Jahren neu in den Markt
eingeführt oder wesentlich verändert wurden, gemacht wird. Da der nicht-finanzielle Un-
ternehmenserfolg im wesentlichen den Produkt- und den Kundenerfolg im Vergleich zu
den Wettbewerbern umfasst, ist es denkbar, dass der durch Innovationen erzielte abso-
lute Umsatz nicht zwingend auch höhere Marktanteile bzw. einen stärker ausgeprägten
Neukundenerfolg im Vergleich zum Wettbewerb impliziert. Dies sollte gerade in jungen
und schnell wachsenden Branchen besonders relevant sein. Das Median-
Unternehmensalter der Stichprobe beträgt 8 Jahre. Die Branche, die in der Stichprobe
am stärksten vertreten war, ist die relativ schnell wachsende IT/Software/Internet-
Branche. Beide Aspekte stützen somit diese Vermutung.
Mit der Bestätigung von H13 und H14 wird gezeigt, dass eine EO aus fünf voneinander
unabhängigen Dimensionen besteht. Dieser Befund bringt die wissenschaftliche Debatte,
ob es sich bei EO um ein ein- (Covin/Slevin 1989; Knight 1997) oder mehrdimensionales
(Lumpkin/Dess 1996a; Stetz et al. 2000; Covin/Green/Slevin 2006; George 2009) Kon-
zept handelt und die EO-Dimensionen somit einen ähnlichen oder unterschiedlichen Zu-
sammenhang mit dem Unternehmenserfolg aufweisen, voran. Der Befund könnte in der
EO-Forschung dazu führen, dass künftige Arbeiten alle EO-Dimensionen betrachten und
sich nicht, wie in der Vergangenheit so häufig der Fall, auf drei Dimensionen (meist Risi-
koübernahme, Proaktivität und Innovativität) beschränken. Diese ganzheitliche Betrach-
tung wäre für die adäquate Messung der EO und die Vergleichbarkeit der Forschungser-
gebnisse wünschenswert.
Dass teils unterschiedliche Ergebnisse für den finanziellen und den nicht-finanziellen
Unternehmenserfolg zu beobachten sind, unterstreicht die Bedeutung der mehrdimensi-
onalen Unternehmenserfolgsmessung. Zahlreiche Arbeiten ließen in der Vergangenheit
den nicht-finanziellen Unternehmenserfolg außer Acht. Die einzelnen EO-Dimensionen
zeigen allerdings vornehmlich einen Zusammenhang zum nicht-finanziellen Unterneh-
menserfolg, nicht aber zum finanziellen Unternehmenserfolg. Diese Erkenntnis läge bei
der rein finanziellen Erfolgsbetrachtung nicht vor. Bevor bei der Betrachtung des Einflus-
ses der einzelnen EO-Dimensionen der finanzielle Erfolg als abhängige Variable aber
künftig außen vor bleibt, wäre es wünschenswert, den Befund zu replizieren.
Interessant ist, dass die R2-Werte der beiden Forschungsmodelle mit 0,29 für die abhän-
gige Variable des finanziellen Unternehmenserfolgs und 0,37 für die abhängige Variable
des nicht-finanziellen Unternehmenserfolgs über dem Wert von 0,24 liegen, von dem
Rauch et. al (2009) in ihrer Meta-Analyse zu EO-UE-Studien berichten. Dieser Befund
spricht dafür, dass die Forschungsmodelle dieser Arbeit den EO-UE-Zusammenhang 179
besser zu erklären helfen als der Durchschnitt der Modelle bisheriger Arbeiten. Die
Gründe hierfür könnten in der Betrachtung mehrerer moderierender und mediierender
Variablen sowie in der Messung von EO mit fünf statt der in vielen Arbeiten verwandten
drei EO-Dimensionen zu suchen sein.
Ein Blick auf die Kontrollvariablen der Arbeit (Anteil der der Akquisitionen am Umsatz,
Unternehmensalter, Anzahl der Mitarbeiter, Gewerbe und Branche), die mit Ausnahme
des Gewerbes (Korrelationskoeffizient: 0,17, 1%-Signifikanzniveau) allesamt nicht signi-
fikant sind, stützt die bisherige Argumentation einer universellen EO-Wirkung. Insbeson-
dere die betrachteten Kontrollvariablen Unternehmensgröße und Unternehmensalter
spielen in anderen Studien, die den Zusammenhang zwischen Organisationsvariablen
und dem Unternehmenserfolg betrachten, nach Aussage von Hult et. al (2003) eine Rol-
le. Das macht den Befund umso bemerkenswerter. Die schwache Signifikanz der Kon-
trollvariable „Gewerbe“ könnte sich durch die Sample-Struktur erklären lassen. Es ist zu
vermuten, dass sich die leicht überrepräsentierten Dienstleistungsunternehmen durch
eine stärkere Dynamik – zumindest hinsichtlich Mitarbeiter- und Umsatzwachstum –
auszeichnen.
180
5.2 Grenzen der Untersuchung
Die Arbeit stellt durch eine Reihe interessanter Ergebnisse einen Fortschritt in der EO-
Forschung dar. Nichtsdestotrotz soll auch eine kritische Auseinandersetzung mit den
Grenzen der Untersuchung erfolgen. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine
Querschnittsstudie. Querschnittdaten erlauben keine kausalen Schlüsse hinsichtlich des
langfristigen Zusammenhangs zwischen den untersuchten Konstrukten. Selbst umge-
kehrte kausale Zusammenhänge zwischen den analysierten Konstrukten sind vorstell-
bar. So könnte Erfolg dazu führen, dass dem Unternehmen besonders viele Ressourcen
zur Verfügung stehen (Guth/Ginsberg 1990). Mit diesen Ressourcen kann das Unter-
nehmen experimentieren und schließlich Innovationen herbeiführen. So stellt Mansfield
(1963) fest, dass erfolgreiche Unternehmen in stärkerem Maße radikale Innovationen
sowie Produkt- und Prozessinnovationen verzeichnen. Zudem kann ein Unternehmen
mit einer hohen Ressourcenausstattung leichter proaktiv neue unternehmerische Gele-
genheiten verfolgen. Sind Ressourcen reichlich vorhanden, ist es auch weniger drama-
tisch, wenn unternehmerische Initiativen scheitern. Eine Lähmung der Organisation oder
gar eine Existenzgefährdung des Unternehmens bleibt aus. Dieser Sachverhalt sollte
das Eingehen von Risiken bzw. die Risikoübernahme begünstigen (Zahra/Covin 1995).
Für eine weiterführende Beschäftigung mit der Problematik umgekehrt kausaler Zusam-
menhänge in einem allgemeinen Kontext sei auf die Arbeit von March und Sutton (1997)
verwiesen.
Eine extrem starke Ausprägung der EO-Dimension Risikoübernahme kann Unternehmen
in ihrer Existenz bedrohen und im Extrem zum Scheitern der Unternehmen führen
(Rauch et al. 2009). Es ist schwierig, ehemalige Führungskräfte nicht mehr existenter
Unternehmen für die Teilnahme an Befragungen zu gewinnen. Die Stichprobe enthält
somit nur Unternehmen, die zum Erhebungszeitpunkt noch existierten. Diese Verzerrung
wird in der Literatur als „Survivor Bias“ bezeichnet (VanderWerf/Mahon 1997). Nur durch
ein Panel-Design oder die Durchführung einer Längsschnittstudie wäre er zu vermeiden.
Neben dem separat untersuchten nicht-linearen Zusammenhang zwischen Risikoüber-
nahme und Unternehmenserfolg könnten weitere nicht-lineare Zusammenhänge beste-
hen. Diese wurden in der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet.
Es ist weithin akzeptiert, dass eine EO keine stabile strategische Orientierung ist
(Atuahene-Gima/Ko 2001). Sie kann sich also im Zeitverlauf ändern. Die Dynamik ihrer
Entwicklung ist in der Studie nicht berücksichtigt. Zudem könnte das Problem bestehen,
dass sich die Ergebnisse unternehmerischen Handelns erst zeitverzögert zeigen
181
(Biggadike 1979; Miller/Camp 1985). Block und MacMillan (1993) sprechen jedoch da-
von, dass sich unternehmerische Aktivitäten üblicherweise schnell in finanziellen Größen
niederschlagen.
Die R2-Werte der beiden Forschungsmodelle liegen mit 0,29 und 0,37 auf moderatem bis
gutem Niveau (Chin 1988). Durch die Ergänzung des Forschungsmodells um weitere
Prädiktorvariablen des Unternehmenserfolges, wie etwa Managementfähigkeiten (Pettus
2001) oder Unternehmensstrategie, könnte das Bestimmtheitsmaß vermutlich gesteigert
werden.
Wie bei der Betrachtung der Kontrollvariablen gezeigt wurde, weist das Gewerbe des
Unternehmens eine signifikante schwach positive Korrelation mit dem finanziellen Unter-
nehmenserfolg auf. Somit ist nicht auszuschließen, dass das Gewerbe die hypothetisier-
ten Zusammenhänge für den finanziellen Unternehmenserfolg mit beeinflusst.
Die Ergebnisse der Arbeit können nicht als repräsentativ für alle deutsche Unternehmen
angesehen werden. Kleine Unternehmen sind in der Stichprobe unterrepräsentiert, mitt-
lere und größere Unternehmen sind in der Stichprobe überproportional vertreten. Auf
andere Länder sind die Ergebnisse nicht übertragbar. Hierfür müssten insbesondere kul-
turelle Unterschiede, etwa über die Miterhebung der jeweiligen Unternehmenskultur, be-
rücksichtigt werden.
Aus methodischer Perspektive ist zudem anzumerken, dass die Messmodelle teilweise
nur befriedigende Ergebnisse lieferten. Die Validität der Konstrukte ist in den diskutierten
Fällen kritisch zu hinterfragen. Die Konvergenzvalidität wurde für das EO-Konstrukt, das
zentrale Konstrukt der Arbeit, mit einer zusätzlichen 1-Item-Measure überprüft. Für die
restlichen Konstrukte erfolgte keine Prüfung auf Konvergenzvalidität. Die Messung von
EO erfolgte auf Ebene des Top-Managements bzw. der ersten Führungsebene. Das
Top-Management sollte einen umfassenden Überblick über alle Aktivitäten des Unter-
nehmens, die für die jeweiligen EO-Dimensionen relevant sind, haben (Hambrick 1981;
Norburn 1989). Ein Informant-Bias (Anderson 1987; Kumar/Stern/Anderson 1993; Ernst
2003b) kann trotz des negativen Ergebnisses bei der Prüfung auf signifikante Unter-
schiede zwischen den antwortenden Gruppen (erste Führungsebene vs. andere Organi-
sationsmitglieder) nicht vollständig ausgeschlossen werden. Auch ein Common Method
Bias, kann trotz negativem Ergebnis des Harman-Tests nicht gänzlich ausgeschlossen
werden.
182
5.3 Empfehlungen
5.3.1 Empfehlungen für die Wissenschaft
Im Folgenden soll dargelegt werden, welche Ansatzpunkte sich aus der Arbeit für künfti-
ge Forschungsarbeiten im EO-Umfeld ergeben.
Es wurde theoretisch hergeleitet, dass es sich bei EO um eine Organisationskapitalres-
source im Sinne von Wernerfelt (1984) handelt und die einzelnen EO-Dimensionen als
dynamische Fähigkeiten betrachtet werden können (Teece 2007). Künftige Arbeiten der
EO-Forschung können hierauf aufbauen und als theoretische Basis statt der in der Ver-
gangenheit so häufig verwandten Common Sense-Argumentation die RBV und die Theo-
rie der Dynamic Capabilities verwenden.
Wie vermutet und empirisch bestätigt wurde, besteht eine EO aus fünf Dimensionen, die
voneinander unabhängig sind. Diese Erkenntnis sollte als Basis für künftige Arbeiten
dienen. Nur so ist die Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse gewährleistet. Eine
Partialbetrachtung von EO mit etwa nur drei Dimensionen ist unzureichend.
Das Forschungsmodell der Arbeit könnte in verschiedene Richtungen erweitert werden.
So ist einerseits eine weitergehende Beschäftigung mit den Prozessen und Organisati-
onseigenschaften, die eine EO begünstigen, denkbar. Die Arbeit von Schmelter (2009)
liefert hierfür einen ersten Ansatz. Da das Forschungsfeld, das sich mit den Einflussfak-
toren einer EO beschäftigt, aber noch vergleichsweise jung ist, wäre es wünschenswert,
diese Prozesse im Detail zu untersuchen. Dafür ist vermutlich der Fallstudienansatz am
ehesten geeignet (Harrigan 1983). So könnten etwa Unternehmen, die in bisherigen
Studien eine hohe EO-Ausprägung aufwiesen, erneut angesprochen und zu strukturier-
ten Interviews gebeten werden. In diesen Interviews müsste das Ziel verfolgt werden, im
Einzelnen zu erfahren, wie sie eine EO in ihrem Unternehmen geschaffen haben. Zudem
ist denkbar, dass Eigenschaften wie etwa die emotionale Intelligenz und Verhalten des
Managements einzelne EO-Dimensionen beeinflussen können (Dess/Lumpkin 2005a).
Wie von Atuahene-Gima und Ko (2001) gefordert, wäre es darüber hinaus sinnvoll, EO
im Kontext anderer strategischer Orientierungen, etwa der Marktorientierung
(Miles/Arnold 1991), zu betrachten. In eine ähnliche Richtung geht das von
Hult et. al (2003) vorgeschlagene Konstrukt einer „Cultural Competitiveness“, die EO u.a.
zusammen mit Marktorientierung und organisationalem Lernen betrachtet. Dies könnte
insbesondere Aufschluss über die relative Bedeutung einer EO gegenüber anderen stra-
tegischen Orientierungen geben.
183
Die vorliegende Arbeit prüfte lediglich den nicht-linearen Zusammenhang zwischen Risi-
koübernahme und Unternehmenserfolg. Aber auch weitere nicht-lineare Zusammenhän-
ge sind denkbar. So könnte etwa auch Autonomie umgekehrt U-förmig mit dem Unter-
nehmenserfolg verknüpft sein. Weder eine extreme Einschränkung des Freiraumes der
Organisationsmitglieder, noch ein völliges „Laissez Faire“ scheint auf den ersten Blick
sinnvoll. Zumindest mit dem finanziellen Unternehmenserfolg weist Autonomie ja in der
vorliegenden Studie keinen positiven Zusammenhang auf.
Die Arbeit betrachtete bereits eine Reihe moderierender Variablen des Zusammenhangs
zwischen EO und Unternehmenserfolg. Weitere moderierende Variablen, die auch in-
nerhalb der Organisation liegen können, wie etwa Unternehmensstrategie und Unter-
nehmenskultur, sind denkbar und sollten in künftigen Arbeiten getestet werden
(Lumpkin/Dess 1996a; Rauch et al. 2009).
Da sich die vermuteten Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ländern bzw. Kultu-
ren unterscheiden können (Hofstede 2001), wäre eine Replizierung der Untersuchung in
einem anderen Kulturraum wünschenswert. Insbesondere der Befund des negativen Zu-
sammenhangs zwischen der Aggressivität gegenüber Wettbewerbern und Erfolg könnte
in Teilen auf eine deutsche Konsensorientierung zurückzuführen sein und somit in ande-
ren Kulturräumen keinen Bestand haben.
Die Arbeit hat Unternehmenserfolg mehrdimensional mit verschiedenen finanziellen und
nicht-finanziellen Indikatoren gemessen. McGrath (1999) zeigt, dass insbesondere durch
unternehmerisches Scheitern sogenannte Lernplattformen geschaffen werden. Lernplatt-
formen stellen eine Form humanen Kapitals dar. Humankapital als nicht-finanzielle Er-
folgsdimension könnte in künftigen Arbeiten mit berücksichtigt werden.
Die Arbeit wählte für die Erklärung der hypothetisierten Zusammenhänge die in Abschnitt
2.1 eingeführten Theorien. Diese Theorieauswahl ist eventuell erweiterbar. Denkbar sind
z.B. eine Erweiterung um die Lerntheorie (Wang 2008), mit Hilfe derer möglicherweise
gezeigt werden könnte, dass schnell lernende Unternehmen eine EO wirkungsvoller für
sich ausschöpfen können als Nachzügler.
Aus methodischer Sicht ist neben einer Längsschnitt- oder Panelstudie sowie dyadi-
schen Arbeiten (Wagner/Rau/Lindemann 2009) eine Verfeinerung der Skalen, welche
die Dimensionen der Aufgabenumwelt messen sowie der EO-Skalen wünschenswert.
Gerade die EO-Dimension Proaktivität bedarf einer verbesserten Messung. Ansatzpunk-
te hierfür könnten sich evtl. aus den Arbeiten zur Messung der Miles und Snow-
Typologie (Zahra/Pearce 1990) und Arbeiten, die sich mit der Messung von „Prospec-
184
tors“ beschäftigen (Conant/Mokwa/Varadarajan 1990) ergeben. Für eine verbesserte
Messung der Autonomie-Skala gibt die Arbeit von Lumpkin et al. (2009) Hinweise, die
künftige Arbeiten aufgreifen sollten. Die Messung der Innovativitäts-Dimension könnte
durch die Berücksichtigung von Prozessinnovationen und administrativen Innovationen
verbessert werden. Aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern wurde bislang
lediglich mit einer 2-Item-Skala gemessen. Eine Erweiterung der Skala könnte sinnvoll
sein. Für die künftige Überprüfung der Konvergenzvalidität eines verfeinerten EO-
Konstrukts könnte neben der in dieser Studie eingesetzten 1-Item-Measure auch das
von Walter et al. (2006) verwandte 6-Item-EO-Konstrukt dienen.
5.3.2 Empfehlungen für die Praxis
Praktiker interessieren konkrete Handlungsempfehlungen, wie sie den Erfolg ihres Un-
ternehmens verbessern können. Zunächst ist festzuhalten, dass eine EO per se erstre-
benswert ist. Sie weist einen positiven Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg auf
und kann als Quelle für die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen dienen. Daher ist es
ratsam, im Unternehmen Maßnahmen zu entwickeln, welche eine EO fördern. Dabei
muss allerdings nach den jeweiligen EO-Dimensionen unterschieden werden. Hilfreich
sind insbesondere Maßnahmen, welche Proaktivität, Innovativität und Autonomie be-
günstigen. Einige Maßnahmen sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Für die Steigerung der Proaktivität ist eine aktive Beobachtung der Umwelt des Unter-
nehmens notwendig (Dess/Lumpkin 2005a). Dazu gehört das Beobachten von Trends.
Hierzu können z.B. „Scouts“ eingesetzt werden. Scouts können rechtzeitig sich wan-
delnde Kundenbedürfnisse erkennen und ggf. neue Geschäftsmöglichkeiten daraus ab-
leiten. Wenn das Budget für einen Vollzeitmitarbeiter, der neue Geschäftsmöglichkeiten
sichtet, nicht ausreicht, können auch Studenten zum Einsatz kommen. Wenn diese
Branchenkenntnis und ein entsprechendes Technologieverständnis besitzen, sind sie
dafür geeignet, über neue Entwicklungen in der Branche zu berichten. Ergebnis ihrer
Recherchen könnten zumindest Denkanstöße für neue Geschäftsfelder sein. In der
jüngsten Entrepreneurship-Literatur ist auch von sogenannten „Entrepreneurial Alert In-
formation Systems“ die Rede (Simsek et al. 2009). Dabei handelt es sich um Informati-
onssysteme, die von den Mitarbeitern eines Unternehmens bei strategischen Entschei-
dungen eingebunden werden, um insbesondere Marktinformationen bei den Entschei-
dungen zu berücksichtigen. Die Systeme, die aus Hardware- und Softwarekomponenten
bestehen, helfen dabei, relevante Informationen zu sammeln, zu analysieren und zu
prognostizieren. Simsek et. al (2009) untersuchen 495 kleine und mittlere US-
185
Unternehmen und zeigen, dass die Implementierung von „Entrepreneurial Alert Informa-
tion Systems“ auch zur Förderung von Proaktivität im Unternehmen beitragen kann. Für
das rechtzeitige Erkennen sich wandelnder Kundenbedürfnisse bietet sich auch ein re-
gelmäßiger und strukturierter Austausch mit Kunden an. Auch der Austausch mit erfolg-
reichen jungen Unternehmen der eigenen Branche im Rahmen von Messen oder bei
Verbandsveranstaltungen ist eine Möglichkeit, sich über neue Entwicklungen zu infor-
mieren und Gelegenheiten zu erkennen. Gerade junge Unternehmen sollten durch ihren
erfolgreichen Markteintritt die Fähigkeiten besitzen, die es den etablierten Unternehmen
erlauben, sich zu erneuern, um am Markt zu bestehen. In größeren Unternehmen, wäre
sogar an Wettbewerbe, in denen die beste interne Geschäftsidee prämiert wird, zu den-
ken. Zudem ist an Frühwarnsysteme für die rechtzeitige Erkennung von Risiken wie
neue Wettbewerber oder Technologien, die bestehende Technologiren ablösen können,
zu denken. Ein Frühwarnsystem sollte möglichst umfassend konzipiert sein, um die ge-
samte Aufgabenumwelt des Unternehmens abzubilden (Teece 2007). Wettbewerber soll-
ten systematisch beobachtet werden. Die Daten, die über das Frühwarnsystem und die
Wettbewerbsbeobachtung gesammelt werden, sind vom Management zu filtern und rich-
tig zu interpretieren. Proaktivität impliziert auch, das eigene Geschäft ständig zu hinter-
fragen und dabei auch nicht davor zurückzuschrecken, das Stammgeschäft durch eigene
Innovationen zu kannibalisieren. Wenn es Unternehmen gelingt, als erste in neue Märkte
einzutreten, können sie von Pioniervorteilen profitieren. Dazu gehören höhere Gewinn-
margen und der Aufbau einer Marke mit Wiedererkennungswert (Lieberman/Montgomery
1988).
Für die Beförderung der Innovativität ist eine Grundvoraussetzung, dass im Unterneh-
men Innovationen positiv gesehen werden (Dess/Lumpkin 2005a). Gerade bei administ-
rativen Innovationen und Prozessinnovationen besteht die Gefahr, dass diese von zu
vielen Organisationsmitgliedern behindert werden. Die grundsätzliche Bereitschaft, Er-
probtes und Bewährtes zu hinterfragen und ggf. auch davon abzuweichen, ist entschei-
dend. Zudem soll die Arbeit so genannter „Champions“ erwähnt werden. Deren Aufgabe
ist es u.a., Innovationen durch die Organisation zu treiben und den Innovatoren durch die
hierarchisch exponierte Position der „Champions“ auch eine gewisse Bedeutung
beizumessen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen, Kun-
den und Lieferanten sinnvoll, um Innovativität zu fördern (Teece 2007). Selbst in Phasen
sinkender Umsätze ist es ratsam, auf Kürzungen bei F&E-Aufwendungen zu verzichten.
Ansonsten läuft das Unternehmen Gefahr, in einem folgenden Aufschwung weniger stark
zu profitieren.
186
Autonomie wird z.B. von einer Unternehmenskultur, die es den Mitarbeitern erlaubt, sich
zu entfalten, begünstigt. Kontrollsysteme im Unternehmen sind zu überprüfen und insbe-
sondere auf ihre evtl. die Autonomie hemmenden Wirkungen zu hinterfragen. Auch klei-
nere Teams fördern Autonomie. In diesen Teams kann in dynamischer Atmosphäre zu-
sammengearbeitet werden. Die Teammitglieder kleinerer Teams übernehmen tenden-
ziell mehr Verantwortung als Mitglieder in größeren Teams und tauschen sich auch eher
miteinander aus. Durch die intensive Kommunikation in kleineren Teams wird auch im-
plizites Wissen vermittelt. So können sich kreative Ideen und Lösungen ergeben. Denk-
bar sind auch zeitliche Freiräume, etwa ein halber Tag je Arbeitswoche, für Mitarbeiter in
der Entwicklungsabteilung, die sie auf sogenannte „pet projects“ verwenden können.
Unter „pet projects“ versteht man Projekte, welche die Mitarbeiter faszinieren, die aber
nicht unmittelbar etwas mit dem Tagesgeschäft zu tun haben. Google gelang es darüber
zahlreiche Anwendungen zu entwickeln, die keinen Bezug zum Kerngeschäft der Suche
haben, aber dennoch Erfolgspotenziale beinhalten. Schließlich kann Autonomie auch
durch Spin-Offs gefördert werden. In Spin-Offs können z.B. vielversprechende Gelegen-
heiten, die wenig mit dem Kerngeschäft zu tun haben, weiterentwickelt werden. Später
ist es möglich, die erfolgreichen Spin-Offs zu verkaufen oder sie, wenn entsprechende
Synergien gehoben werden können, wieder ins Mutterunternehmen zu integrieren.
Die Risikoübernahme im Unternehmen sollte moderat sein. Weder dürfen alle Risiken
vermieden, noch dürfen unkalkulierbare Risiken eingegangen werden. Zur Umsetzung
dieser Empfehlung ist zunächst eine gewisse Risiko- und Fehlertoleranz im Unterneh-
men notwendig. Nur wenn Risiko nicht per se als schlecht betrachtet wird und Fehler
gemacht werden dürfen, werden Mitarbeiter es wagen, kalkulierbare Risiken einzugehen.
Zur Entwicklung eines Risikoverständnisses, müssen Ressourcen zur Recherche und
Planung risikobehafteter Investitionen zur Verfügung stehen. Es ist hilfreich, Entschei-
dungsträgern einen Überblick über die verschiedenen Typen kognitiver Verzerrungen,
die beim Treffen von Investitionsentscheidungen auftreten können, an die Hand zu ge-
ben (Kahnemann/Lovallo 1993). Zur Risikokontrolle wäre der Einsatz eines Investment-
gremiums sinnvoll. Dieses Gremium, dem idealerweise auch externe Mitglieder angehö-
ren, prüft bei Investitionen, die eine zu definierende Höhe überschreiten, explizit das Ri-
sikopotential der Investition. Dabei könnte die Technik der Szenarioanalyse oder auch
Simulationsmodelle zum Einsatz kommen. Bei der Betrachtung der Einzahlungen aus
Investitionsprojekten, darf nicht allein auf die monetäre Ebene abgestellt werden. Das
Unternehmen kann, selbst wenn das Projekt finanziell nicht erfolgreich ist, Erfahrungen
sammeln und seine Fähigkeiten weiterentwickeln (Lassen/Gertsen/Riis 2006).
187
Aggressivität gegenüber Wettbewerbern ist grundsätzlich zu vermeiden. Dies gilt ins-
besondere dann, wenn der Aggressor kleiner ist als der Wettbewerber. Zu groß sind
dann die Gefahren, die von möglichen Vergeltungsmaßnahmen der Wettbewerber aus-
gehen. Diese können z.B. rechtlicher Natur sein, aber auch in Margen vernichtenden
Preiskämpfen münden. Zu aggressives Verhalten gegenüber Wettbewerbern verhindert
zudem die Einigung auf Standards. Erst kürzlich war dies in der Filmindustrie (HD DVD
Format vs. Blu-ray Format) zu beobachten. Dabei wurde Zeit verschenkt, in der man mit
dem neuen Standard höhere Gewinnspannen hätte erzielen können. Generell ist die Be-
schäftigung mit den Schwachstellen der Wettbewerber weniger ratsam als die Beschäfti-
gung mit neuen Märkten und radikalen Innovationen. Die Erfolgspotenziale in diesen
Bereichen sind beträchtlich größer.
Die explizite Betrachtung der Aufgabenumwelt des Unternehmens zeigt, dass eine EO
gerade in einem eher feindlichen Umfeld, wie den aktuellen wirtschaftlich turbulenten
Zeiten, besonders bedeutsam ist.
188
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ZHOU, Kevin Z./YIM, Chi K./TSE, David K. (2005): The Effects of Strategic Orienta-tions on Technology- and Market-Based Breakthrough Innovations, in: Journal of Marketing, 69, S. 42-60.
ZOLLO, Maurizio/WINTER, Sidney G. (2002): Deliberate Learning and the Evolution of Dynamic Capabilities, in: Organization Science, 13, S. 339-351.
233
Anhang
Anhang A
Erfolgswirkung der Unternehmerischen Orientierung
Was wird erforscht? Was haben Sie davon? Mit Ihrer Teilnahme unterstützen Sie ein wichtiges wissenschaftliches Forschungsvorhaben und eine Dissertation der WHU Otto Beisheim School of Management (WHU): Welche Wirkung hat die Unternehmerische Orientierung auf den Erfolg? Wie unterscheidet sich die Erfolgswirkung in verschiedenen Umfeldern?
Sie profitieren von einer praxisorientierten Auswertung dieser Untersuchung, die konkrete Handlungsempfehlungen zur Steigerung des Erfolges aus den Daten vergleichbarer Unternehmen ableitet. Sie erfahren insbesondere, welche Aspekte einer Unternehmerischen Orientierung zum Erfolg beitragen und können so entsprechende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen einleiten.
Wenn Sie es wünschen, nehmen Sie an der Verlosung von drei iPod Nano teil.
Was ist zu beachten? Wen kann ich ansprechen?
Alle von Ihnen bereitgestellten Informationen dienen rein wissenschaftlichen Zwecken und werden streng vertraulich behandelt (d. h. keine Veröffentlichung von Informationen, die Rück- schlüsse auf einzelne Unternehmen erlauben).
Die Untersuchung erfordert rund 5-7 Minuten Zeit.
Der Fragebogen enthält aus methodischen Gründen teilweise ähnliche Fragen. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.
Bitte lassen Sie keine Frage aus, auch wenn die Antwort einmal schwer fällt. Ein guter Schätzwert ist wertvoller als ein unvollständiger Fragebogen.
Bei Rückfragen können Sie sich gerne jederzeit an den zuständigen Doktoranden wenden:
Dipl.-Kfm. Gerald Schönbucher
E-Mail: [email protected]
Internet: www.whu.edu
Telefon: 0160/72 78 293
Telefax: 0221/272 407 22
Informationen über den Lehrstuhl Innovations- und Gründungsmanagement des Betreuers der Doktorarbeit, Prof. Dr. Peter Witt, erhalten Sie unter http://www.wiso.uni-dortmund.de/igm/de/.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung!
234
Teil I: Unternehmerische Orientierung
I.1. Unternehmerische Orientierung – Teil 1
Bitte geben Sie an, inwieweit die folgenden Aussagen auf Ihr Unternehmen zutreffen: Trifft gar Trifftnicht zu voll zu
Unseren Mitarbeitern ist es erlaubt, ohne Einmischung (von Vorgesetzten) zu denken und zu handeln. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Mitarbeiter führen solche Arbeiten durch, die es ihnen erlauben, während ihrer Arbeitsschritte Änderungen vorzunehmen und anzuregen. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit und Unabhängigkeit, selbst zu entscheiden, wie sie bei ihrer Arbeit vorgehen. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Mitarbeiter haben die Freiheit, ohne Einmischung (von Vorgesetzten) zu kommunizieren. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Mitarbeiter haben die Autorität und die Verantwortung selbst zu handeln, wenn es im Interesse unseres Geschäfts ist. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Mitarbeiter haben Zugang zu allen für ihre Arbeit relevanten Informationen. 1 2 3 4 5 6 7
I.2. Unternehmerische Orientierung – Teil 2
Bitte geben Sie an, welcher der folgenden Aussagen zu Ihrem Unternehmen Sie eher zustimmen:
Allgemein gesprochen bevorzugt unser Top-Management…
...das Vermarkten von ausreichend am Markt getesteten und bewährten Produkten.
1 2 3 4 5 6 7 ...die starke Betonung von F&E, Technologieführerschaft und Innovationen.
Wie viele Produkte/ Dienstleistungen hat Ihr Unternehmen in den letzten drei Jahren auf den Markt gebracht?
Keine neuen Produkt- und Dienstleistungslinien. 1 2 3 4 5 6 7
Sehr viele neue Produkt- und Dienstleistungslinien.
In den letzten drei Jahren hat unser Unternehmen Änderungen an seinenProduktlinien vorgenommen.
Die Änderungen an den Produktlinien waren tendenziell von kleinem Umfang.
1 2 3 4 5 6 7 Die Änderungen der Produktlinien waren tendenziell von sehr großem Umfang.
I.3. Unternehmerische Orientierung – Teil 3
Bitte geben Sie an, welcher der folgenden Aussagen zu Ihrem Unternehmen Sie eher zustimmen:
Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
...mehrheitlich Projekte durchgeführt, die mit wenig Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf sichere, "normale" Rentabilität/Gewinne).
1 2 3 4 5 6 7
...mehrheitlich Projekte durchgeführt, die mit viel Risiko behaftet waren (mit Aussichten auf unsichere, "hohe" Rentabilität/Gewinne).
Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
...eher eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung vollzogen, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.
1 2 3 4 5 6 7
...eher große, gewagte Aktionen unternommen, um sich weiterzuentwickeln, weil dies am besten zu unserer Umwelt passt.
235
Unser Unternehmen hat in den letzten drei Jahren…
…bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen eher abgewartet und beobachtet, um keine kostspieligen Fehlinvestitionen zu tätigen.
1 2 3 4 5 6 7
…bei Entscheidungen unter unsicheren Voraussetzungen mit kühnen, aggressivenAktionen versucht, den größtmöglichen Profit aus potenziellen Möglichkeiten zu ziehen.
I.4. Unternehmerische Orientierung – Teil 4
Bitte geben Sie an, inwieweit die folgenden Aussagen auf Ihr Unternehmen zutreffen: Trifft gar Trifftnicht zu voll zu
Unser Unternehmen sucht ständig nach Gelegenheiten, die mit den bestehenden Unternehmensbereichen in Verbindung stehen. 1 2 3 4 5 6 7
Wir sind in unserer Branche gewöhnlich die ersten, die neue Marken oder Produkte am Markt einführen. 1 2 3 4 5 6 7
Wir sind ständig auf der Suche nach Unternehmen, die wir übernehmen können. 1 2 3 4 5 6 7
Wettbewerber kommen uns häufig zuvor, indem sie vor uns Kapazitäten aufbauen. 1 2 3 4 5 6 7
Unternehmensbereiche, die sich in den späten Phasen ihres Lebenszyklus befinden, werden strategisch eliminiert. 1 2 3 4 5 6 7
Insgesamt ist unser Unternehmen sehr unternehmerisch geprägt, d.h. es wird proaktiv, innovativ und risikobereit gehandelt. 1 2 3 4 5 6 7
I.5. Unternehmerische Orientierung – Teil 5
Bitte geben Sie an, welcher der folgenden Aussagen zu Ihrem Unternehmen Sie eher zustimmen:
Im Umgang mit Wettbewerbern…
…ist unser Unternehmen sehr aggressiv und extrem wettbewerbsorientiert.
1 2 3 4 5 6 7 …unternimmt unser Unternehmen keine besonderen Anstrengungen, um von der Konkurrenz Geschäft abzuziehen.
Im Umgang mit Wettbewerbern…
…versucht unser Unternehmen typischerweise Konfrontationen aus dem Weg zu gehen und nimmt eine "Leben und leben lassen"-Haltung ein.
1 2 3 4 5 6 7 …nimmt unser Unternehmen typischerweise eine "Vernichtet den Wettbewerb"-Haltung ein.
236
Teil II: Umfeld, Fähigkeiten und Innovationen des Unternehmens
II.1. Umfeld – Teil 1
Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf das Wettbewerbsumfeld Ihres Unternehmens zu? Trifft gar Trifftnicht zu voll zu
In unserer Branche sind die Handlungen unserer Wettbewerber unberechenbar. 1 2 3 4 5 6 7
In unserer Branche sind die Nachfrage und die Kundenwünsche schwierig vorherzusagen. 1 2 3 4 5 6 7
Schrumpfende Märkte für unsere Produkte sind eine große Herausforderung für unsere Branche. 1 2 3 4 5 6 7
Ein harter Preiswettbewerb ist in unserer Branche eine große Herausforderung. 1 2 3 4 5 6 7
Die Einmischung von Regierung/Behörden stellt in unserer Branche eine große Herausforderung dar. 1 2 3 4 5 6 7
Unser Geschäftsumfeld gefährdet das Überleben unseres Unternehmens. 1 2 3 4 5 6 7
II.2. Umfeld – Teil 2
Bitte bewerten Sie die Veränderungen, die im Geschäftsumfeld Ihres Unternehmens in den letzten drei Jahren aufgetreten sind:
Sehr Sehrgeringe großeVeränderung Veränderung
Technologische Veränderungen 1 2 3 4 5 6 7
Veränderungen in der Demographie der Konsumenten 1 2 3 4 5 6 7
Regulierung in unserer Branche 1 2 3 4 5 6 7
Anzahl der inländischen Mitbewerber 1 2 3 4 5 6 7
Anzahl der ausländischen Mitbewerber 1 2 3 4 5 6 7
Branchenweite Werbeausgaben 1 2 3 4 5 6 7
II.3. Umfeld – Teil 3
Bitte geben Sie an, inwieweit die folgenden Aussagen auf die Situation Ihres Unternehmens zutreffen: Trifft gar Trifftnicht zu voll zu
In unserer Banche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für technische Innovationen. 1 2 3 4 5 6 7
Die Nachfrage nach neuen Technologien in unserer Branche wächst. 1 2 3 4 5 6 7
Für Wachstum in unserer Branche bedarf es neuer Technologien. 1 2 3 4 5 6 7
In unserer Branche gibt es sehr wenige Gelegenheiten für Wachstum. 1 2 3 4 5 6 7
Unsere Branche bietet zahlreiche Gelegenheiten für künftiges Wachstum. 1 2 3 4 5 6 7
Wachstumsmöglichkeiten in unserer Branche gibt es im Überfluss. 1 2 3 4 5 6 7
In unserer Branche gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Produktinnovationen. 1 2 3 4 5 6 7
In unserer Branche wächst die Konsumentennachfrage nach neuen Produkten. 1 2 3 4 5 6 7
In unserer Branche wächst die Nachfrage des Gesamtmarktes nach neuen Produkten. 1 2 3 4 5 6 7
237
II.4. Fähigkeiten
Haben Sie in Ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren die folgenden Erneuerungen durchgeführt? Falls ja, wie erfolgreich waren diese?
Waren Warenüberhaupt nicht sehrerfolgreich erfolgreich
Implementierung einer neuen oder substanziell veränderten Unternehmensstrategie 1 2 3 4 5 6 7
Implementierung neuer Managementmethoden 1 2 3 4 5 6 7
Neue oder substanziell veränderte Organisationsstruktur 1 2 3 4 5 6 7
Neue oder substanziell veränderte Marketingmethoden oder Marketingstrategie 1 2 3 4 5 6 7
Neue oder substanziell veränderte technologische Einrichtungen oder Produktionsprozesse 1 2 3 4 5 6 7
Substanzielle Erneuerung der Geschäftsprozesse 1 2 3 4 5 6 7
Substanzielle Erneuerung der Produktionsprozesse 1 2 3 4 5 6 7
II.5. Innovationen
Wieviel Prozent des Umsatzes macht Ihr Unternehmen mit Produkten, die in den letzten drei Jahren neu in den Markt eingeführt oder wesentlich verändert wurden?
_____________ %
238
239
Teil III: Angaben zum Unternehmen
III.1. Zufriedenheit mit der Unternehmensentwicklung
Bitte vervollständigen Sie die folgenden Aussagen zur Entwicklung Ihres Unternehmens gegenüber Ihren wichtigsten Wettbewerbern:
Deutlich Deutlich-schlechter besser
Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Unternehmens im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
Das Wachstum unseres Unternehmens im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Umsatz im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
Der Erfolg unserer Produkte/Dienstleistungen hinsichtlich Marktanteil im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
Die Anzahl der gewonnenen Neukunden im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
Das Ausmaß der Bindung unserer Kunden an unser Unternehmen im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern ist… 1 2 3 4 5 6 7
III.2. Unternehmenserfolg
Bitte ordnen Sie Ihr Unternehmen in die unten aufgeführten Kategorien ein: (Zur Erinnerung: Alle Angaben werden streng vertraulich behandelt und nur im Rahmen dieses wissenschaftlichen Projekts verwendet.)
Ungefähres Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr (in %):
Durchschnittliches Wachstum der Zahl fester Mitarbeiter pro Jahr seit Gründung (in %):
Ungefähres Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr (in %):
Durchschnittliches Umsatzwachstum pro Jahr seit Gründung (in %):
Der Anteil von Akquisitionen an unserem Umsatzwachstum betrug (in %):
Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in % des Umsatzes):
Ungefähres Ergebnis vor Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr (in % der Bilanzsumme):
III.3. Sonstige Angaben
Bitte machen Sie abschließend folgende wichtige Angaben zu Ihrem Unternehmen:
Unser Unternehmen wurde gegründet im Jahr: _____________ (JJJJ)
Die Anzahl fester Mitarbeiter (in Vollzeitstellen) beträgt in unserem Unternehmen aktuell:
(Anzahl fester Mitarbeiter _____________ in Vollzeitstellen)
Ich nehme in unserem Unternehmen folgende Funktion war: Geschäftsführer/Vorstand Leitende Position Mitarbeiter
Unser Unternehmen gehört zu folgendem Gewerbe: Produzierendes Gewerbe Dienstleistungsgewerbe
Unser Unternehmen ist in folgender Branche angesiedelt:
Automobilindustrie Biotechnologie/Medizintechnik Elektroindustrie Finanzdienstleistungen (Banken,
Versicherungen o.ä.) IT/Software/Internet Medien
Telekommunikation Sonstiges: _______________________
Bau/Immobilien Chemie/Pharma Energie/Rohstoffe Handel
Maschinenbau Professional Services
(Beratung, StB, WP o.ä.) Transport/Logistik
Anhang B: Einladungstext der Serien-E-Mail
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im Rahmen meines Dissertationsvorhabens bei Prof. Dr. Peter Witt, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Innovati-
ons- und Gründungsmanagement an der Universität Dortmund und Dozent an der Wissenschaftlichen Hochschu-
le für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar, untersuche ich das Thema „Erfolgswirkung der Unternehmeri-
schen Orientierung“. In diesem Zusammenhang sind für mich Führungskräfte der ersten Führungsebene mit
ihrem umfassenden Erfahrungsschatz von besonderem Interesse.
Auf der Suche nach geeigneten Persönlichkeiten bin ich auf Sie aufmerksam geworden. Ich spreche Sie als er-
folgreiche Führungskraft an, um mit Ihrer Hilfe herauszufinden, welche Wirkung eine unternehmerische Orientie-
rung auf den Erfolg eines Unternehmens hat und ob sich dieser Zusammenhang ggf. in unterschiedlichen Umfel-
dern verändert.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich auch Sie für die Studie gewinnen könnte. Sie können mir bei dem Disserta-
tionsvorhaben mit Ihrer kurzen Einschätzung sehr weiterhelfen. Dazu habe ich einen bewusst knapp gehaltenen
Online-Fragebogen konzipiert. Die Beantwortung der Fragen ist noch bis zum 15.12.2008 möglich und in maximal
5 - 7 Minuten erledigt. Selbstverständlich behandele ich sämtliche Angaben anonymisiert und vertraulich. Natür-
lich ist die Untersuchung für Sie mit keinen Kosten verbunden.
Wenn Sie es wünschen, erhalten Sie nach dem Abschluss der Befragungsphase eine praxisorientierte Auswer-
tung der Ergebnisse der Dissertation mit konkreten Handlungsempfehlungen zur Steigerung des Erfolges. Zudem
verlose ich unter allen Teilnehmern drei iPod nano. Wenn Sie die Teilnahme an der Verlosung wünschen, tragen
Sie bitte auf der letzten Seite der Befragung Ihre Kontaktdaten ein, damit ich Sie ggf. als Gewinner benachrichti-
gen kann.
Sollten Sie noch Fragen haben, erreichen Sie mich telefonisch unter (0160) 72 78 293 oder per E-Mail (ge-
Herzlichen Dank bereits vorab für Ihre Mitarbeit und die Unterstützung des Projekts! Durch Ihre Hilfe ermöglichen
Sie erst die Durchführung einer solchen Studie.
Um an der Befragung teilzunehmen, klicken Sie bitte auf den unten stehenden Link:
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Herzliche Grüße
Gerald Schönbucher
PS: Alternativ kann ich Ihnen den Fragebogen auch gerne als PDF per E-Mail, auf dem Postweg oder per Fax
zukommen lassen.
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