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UNAIMU VN EN wft - Moritz Meyer · 2018. 5. 10. · Zudem muss der Pilot dann über einen Ausweis...

Date post: 25-Feb-2021
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45 MEDIUM MAGAZIN [Praxis] P JOURNALISMUS VON OBEN FOTO: WWW.PARROT.COM Kleine, fliegende Kameradrohnen gibt es inzwischen für jedermann. Eröffnen sich damit ganz neue Recherchewege für Journalisten? So sieht die Drohne für jedermann aus: Die AR Drone fliegt mit vier Propellern und ist mit einer Kamera ausgerüstet. Der Pilot steuert sie mit dem Smartphone. wft Achtung, Kopf einziehen! Nachdem inzwischen nur noch wenige Journalisten am Nutzen von Social Media zweifeln und auch Datenjournalismus in den meisten Redaktionen kein Fremdwort mehr ist, soll schon der nächste große Trend buchstäb- lich im Anflug sein. Wenn man einigen technikbegeisterten Journalisten glauben darf, geht der Journalismus bald in die Luft. Bei gleich zwei Konferenzen zu Online-Journalismus im September in Bonn und Hamburg machten die Journa- listen große Augen, als ihnen Kameradroh- nen vorgeführt wurden. Die Fluggeräte eröffnen nicht nur Fotografen neue Perspektiven. Enthusiasten glauben, dass sich damit ganz neue Recherchewege auftun; und wähnen schon das Zeitalter des Drohnenjournalismus gekommen. Was steckt hinter dem Hype um die fliegenden Augen?
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Page 1: UNAIMU VN EN wft - Moritz Meyer · 2018. 5. 10. · Zudem muss der Pilot dann über einen Ausweis für Steuerer von Flugmodellen verfügen.“ Ganz wichtig: Der Pilot muss sein Fluggerät

MEDIUM MAGAZIN #10/201244 45MEDIUM MAGAZIN

[Praxis]

PJOURNALISMUS

VON OBEN

FOTO

: WW

W.P

ARRO

T.COM

Kleine, fliegende Kameradrohnen gibt es inzwischen für jedermann. Eröffnen sich damit ganz neue Recherchewege für Journalisten?

So sieht die Drohne für jedermann aus: Die AR Drone fliegt mit vier Propellern und ist mit einer Kamera ausgerüstet. Der Pilot steuert sie mit dem Smartphone.

wft

Achtung, Kopf einziehen! Nachdem inzwischen nur noch wenige Journalisten am Nutzen von Social Media zweifeln und auch Datenjournalismus in den meisten Redaktionen kein Fremdwort mehr ist, soll schon der nächste große Trend buchstäb-lich im Anflug sein. Wenn man einigen

technikbegeisterten Journalisten glauben darf, geht der Journalismus bald in die Luft. Bei gleich zwei Konferenzen zu Online-Journalismus im September in Bonn und Hamburg machten die Journa-listen große Augen, als ihnen Kameradroh-nen vorgeführt wurden. Die Fluggeräte

eröffnen nicht nur Fotografen neue Perspektiven. Enthusiasten glauben, dass sich damit ganz neue Recherchewege auftun; und wähnen schon das Zeitalter des Drohnenjournalismus gekommen. Was steckt hinter dem Hype um die fliegenden Augen?

Page 2: UNAIMU VN EN wft - Moritz Meyer · 2018. 5. 10. · Zudem muss der Pilot dann über einen Ausweis für Steuerer von Flugmodellen verfügen.“ Ganz wichtig: Der Pilot muss sein Fluggerät

MEDIUM MAGAZIN #10/201246 47MEDIUM MAGAZIN

Praxis P

MORITZ MEYERist freier Journalist in Köln.

[email protected]

„Ich sehe keine großen Einsatzmöglichkeiten für diese Technik, die den Aufwand rechtfertigen würde.“

Andreas Ewels, ZDF-Dokumentarfilmer

„Drohnen taugen für mehr als nur für schöne Bilder von oben.“

Marcus Bösch, freier Reporter, Betreiber von drohnenjournalismus.de

Eigentlich ist das Fliegen von Drohnen in Deutschland jedem überall da erlaubt, wo genug Platz ist und es ungefährlich ist. Klingt einfach, ist es aber nicht. Christoph Bremer vom Deutschen Modellfliegerverband weist auf einige Auflagen und Bestimmungen hin: „Über fünf Kilogramm Gewicht dürfen Modelle nur auf dafür zugelassenen Modellflugplätzen starten. Ab 25 Kilo Gewicht ist das Modell sogar zulassungspflichtig. Zudem muss der Pilot dann über einen Ausweis für Steuerer von Flugmodellen verfügen.“ Ganz wichtig: Der Pilot muss sein Fluggerät immer im Blick haben und darf es nicht autark, etwa nach GPS-Daten, fliegen lassen. Grundsätzlich darf auch nicht überall geflogen werden. Das gilt zum Beispiel für Städte, in der Nähe von Bebauungen oder in Einflugschneisen. Gebiete wie das Berliner Regierungsviertel sind Flugverbotszone und damit ohnehin Tabu. Auch über Menschenansamm-lungen kann man nicht einfach so drüber fliegen. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte sich vor einem Drohnenflug bei der zuständigen Landesluftfahrtbehörde informieren, die auch entsprechende FO

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Ganz banal steht Drohnenjournalismus für die Gewinnung von Informationen aus der Luft. Das kannte die Öffentlichkeit bisher eher vom Militär. Dort werden die entwe-der von einem Computerprogramm oder einem Piloten ferngesteuerten Mini-Flug-körper zur Aufklärung, aber auch als Waffe, eingesetzt. Kein Wunder, dass der Begriff „Drohne“ nicht unbedingt positiv besetzt ist. Doch inzwischen gibt es die unbe-mannten Luftfahrzeuge, wie sie bei Fachleuten eigentlich heißen, auch für den zivilen Einsatz. Günstige Modelle kosten etwa 300 Euro und sind im gut sortierten Elektrofachmarkt erhältlich. Angesichts der Drohne für jedermann beschwören

Kritiker dieser Technik schon Überwa-chungsszenarien von orwellschem Ausmaß. Tatsächlich ist der Einsatz von Drohnen sowohl rechtlich als auch ethisch nicht unproblematisch. Trotz dieser Bedenken glaubt der freie Journalist Marcus Bösch aber an das Potenzial von Drohnen. Auf der Webseite „Drohnenjournalismus.de“ sammelt er zusammen mit dem freien Journalisten Lorenz Matzat Informationen zu dem Thema, und macht sich natürlich auch selbst Gedanken, was man mit den Geräten alles anstellen könnte. „Drohnen taugen für mehr als nur für schöne Bilder von oben“, meint der

multimedial erfahrene Reporter Bösch. Ein klassisches Szenario für den Drohnenein-satz ist der Katastrophenfall, in dem es darauf ankommt, das Ausmaß der Schäden zu kennen und darüber zu informieren. US-Medien haben Drohnen bereits eingesetzt, um Tornadogebiete zu erfassen. Aber auch ein Hochwassergebiet in Deutschland könnte ein Fall für eine Drohne sein. Ein regionales Medium könnte seinen Lesern so präsentieren, welche Straßen es besonders schwer erwischt hat und welche glimpflich davon gekommen sind, ohne erst auf die Auskünfte der

Behörden warten zu müssen. Kombiniert mit anderen Tools wie Google Maps ergeben sich viele Möglichkeiten für eine multime-diale Berichterstattung. Bösch hält zukünf-tig auch eine Art Live-Street-View für denkbar. Medien könnten Drohnen auch nutzen, um jederzeit aktuelle Straßenkar-ten von ihren Verbreitungsgebieten zu erstellen, ganz unabhängig von Google und anderen Diensten. Doch es muss gar nicht immer eine Kamera an einer Drohne hängen. „Man könnte auch Messgeräte oder Sensoren daran befestigen und zum Beispiel die Emissionen eines Kraftwerks damit überprüfen“, sagt Bösch. Die ursprüngliche Funktion von Drohnen als Spionagegeräte können sich investigative Journalisten durchaus zu Nutze machen. Viele Gedan-

kenspiele also, doch noch fehlt das bahnbrechende Beispiel für den

journalistischen Einsatz von Drohnen, sieht man mal von

fragwürdigen Paparazzi-Fotos ab. Auch in den USA, dem

Vorreiterland für Medienent-wicklungen, steht der Drohnenjournalis-mus noch am Anfang. Immerhin: Eine

Stiftung gewährte dort jüngst 50.000 Dollar Kapital, um das Potenzial von Drohnen im Journalismus auszuloten. Mit einer Mischung aus Neugier und Neid blickt auch Bösch auf das Projekt „Drone Journalism Lab“, von dem er sich einige Impulse erwartet. Von einem vergleichbaren Projekt in Deutschland kann er aber nur träumen. Er und Matzat betreiben ihre Seite weiter als reines Hobby. Für Testzwecke begnügen sie sich derzeit noch mit der Sparvariante unter den Drohnen, der AR Drone.

Bitte Zwischentitel einfügenDieses einfache, mit einer HD-Kamera ausgestattete Gerät ist ein Grund für den derzeitigen Drohnenhype. Gesteuert wird die AR Drone mit einer App via Smart-phone oder Tablet. Damit können die aufgenommen Clips sofort ins Netz hochgeladen werden. Das macht die AR Drone zu einer Art Flip-Kamera für die Luft. Die kleine Taschenkamera machte vor einigen das Videofilmen fürs Internet populär und war eine zeitlang bei vielen Redaktionen im Einsatz. Sie war günstig und leicht zu bedienen, zwei Attribute, die

auch auf die AR Drone zutreffen. Die bekommt man schon für weniger als 300 Euro, das Fliegen damit ist schnell erlernt. Allerdings hat die AR Drone noch etwas mit der Flip gemeinsam: Wer professionell damit arbeiten will, stößt sehr schnell an Grenzen. So nimmt die Drohne (noch) keinen Ton auf. Ihr Akku reicht nur für wenige Minuten Flugzeit, zusätzlich wird die Reichweite durch die Verbindung ans Smartphone begrenzt. Wer ganze Häuser-blocks überfliegen will, wird mit der AR Drone schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. Professionelle Drohnen erfordern allerdings auch etwas mehr an Investition: Der Hersteller Micro-Drones etwa nennt als Einstiegspreis für ein Drohnensystem rund 8000 Euro.

wo es passtOder man greift gleich auf einen Dienstlei-ster zurück, der sich damit auskennt. Bei Fernsehproduktionen ist das schon seit einigen Jahren üblich. Beim WDR kamen Drohnen nach eigenen Angaben bislang 10- bis 15-mal zum Einsatz für Sendungen wie „Quarks & Co.“ oder die Lokalzeiten. Einer, der schon Erfahrung mit Drohnen hat, ist ZDF-Regisseur Andreas Ewels. Ende September lief seine Dokumentation „Abenteuer Rhein“, für die ein Großteil der Aufnahmen mit unbemannten Fluggeräten gemacht wurde. Zum Einsatz kamen ein ferngesteuerter Zeppelin und ein Octocopter, eine Drohne mit acht Propellern. Ewels schätzt vor allem die visuellen Möglichkeiten, die diese Geräte bieten. Ungewöhnliche Perspektiven, für die früher ein Helikopter hätte starten oder ein Kran gemietet werden müssen, lassen sich nun kostengünstiger und mit weniger Aufwand umsetzen. Manche Einstel-lungen, wie dynamische Flüge in Boden-nähe sind auch erst durch Drohnen möglich geworden. Dennoch glaubt Ewels nicht, dass bald jede Redaktion über eine eigene Drohne verfügen wird: „Ich sehe nicht viele Einsatzmöglichkeiten für diese Technik, die auch den Aufwand rechtferti-gen würde.“ Nur um eine Demonstration auch mal von oben anstatt immer nur von unten fotografieren oder filmen zu können, lohnt sich seiner Meinung nach nicht die Anschaffung einer Drohne. Und Ewels gibt noch einen wichtigen Aspekt zu bedenken: „So eine Drohne muss man

auch fliegen können. Die sind ja nicht leicht zu beherrschen.“

Beim ZDF steuerte ein erfahrener Modell-pilot die Drohne. Denn technisch sind AR Drone oder Octocopter nichts anderes als Modellhubschrauber mit mehreren Rotoren. Vom Prinzip her kann daher jeder Journalist problemlos eine Drohne starten, erklärt Christoph Bremer vom Deutschen Modellfliegerverband. „ Wenn das Fluggerät einen Elektroantrieb hat und weniger als fünf Kilo wiegt, ist das ohne Genehmigung erlaubt.“ Allerdings nur auf dafür vorgesehenen Freiflächen. Einfach mal eine Demonstration oder eine Fußgän-gerzone zu überfliegen, geht wegen der Gefahr für Menschen durch einen Absturz nicht ohne weiteres. Bremer warnt außerdem vor allzu großem Übermut. Zwar ist die Steuerung einer kleinen AR Drone schnell gelernt. „Mit größeren Geräten wie einem Octocopter sollte man aber nicht einfach losfliegen“, sagt Bremer. Um sich mit der Steuerung vertraut zu machen, empfiehlt es sich, ein paar Stunden auf einem Modellflugplatz zu üben. Erst recht, wenn parallel noch gefilmt oder fotografiert werden soll.

Wer eine Drohne fliegt, bewegt sich außerdem nicht im rechtsfreien Luftraum. Ein Privat- oder Firmengrundstück zu überfliegen und dabei auch noch zu filmen, ist trotzdem Hausfriedensbruch. Auch die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes und Persönlichkeitsrechts können nicht einfach umflogen werden. Dass also demnächst Schwärme von Drohnen den Himmel über Deutschland verdunkeln, steht angesichts dieser Einschränkungen nicht zu befürchten. Andererseits hat es dem Journalismus noch selten geschadet, sich mit den Möglichkeiten einer neuen und einfach verfügbaren Technologie genauer zu beschäftigen.

Was man über Drohnen wissen muss

LINKTIPPSwww.drohnenjournalismus.de (Das Tumblog von Marcus Bösch zum Thema)www.dronejournalismlab.com (Das amerikanische Forschungslabor zum Thema)www.dmfv.aero (Seite des Deutschen Modellfliegerverbands)

Ausnahmegenehmigungen erteilt. Bremer rät außerdem, eine zusätzliche Haft-pflichtversicherung für die Drohne abzuschließen. Schäden durch Fluggeräte werden nämlich von der normalen Haftpflicht nicht übernommen. Weitere Infos auf www.dmfv.aero


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