+ All Categories

Umschau

Date post: 05-Jan-2017
Category:
Upload: vananh
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
6

Click here to load reader

Transcript
Page 1: Umschau

UmschauSource: Monatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik, Vol. 10, No. 1 (Jan., 1909), pp. 22-26Published by: University of Wisconsin PressStable URL: http://www.jstor.org/stable/30159822 .

Accessed: 21/05/2014 09:48

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

University of Wisconsin Press is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toMonatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Umschau

Monatshefte fiir deutsche Sprache und Pdidagogik.

nser Dichter wurde am 30. Dezem- ber 1819 zu Neuruppin als der Sohn ei- nes Apothekers geboren und sollte, dem Wunsche seines Vaters gemlss, sich demselben Berufe widmen. Er tat dies gegen seine pers$nliche Neigung. So- bald es jedoch seine Verhltniese er- mr.glichten, kehrte er diesem unsympa- thischen Berufe den Ricken und wid- mete sich ausschliesslich seinen literari- schen Bestrebungen. Von 1859-1870 war er Redakteur der Kreuzzeitung und spitterhin Theaterkritiker an der Vossi- schen Zeitung.

Seine Heimat, die Mark, liebte er fiber alles und machte Land und Leute der- selben zu seinem besonderen Studium. Er liess sich Geschichten von den bie- deren Volke erzlihlen, die er alsdann in seine Schilderungen einflocht. Seine ,,Wanderungen durch die Mark Bran- denburg" erhalten dadurch das Geprlige einer Mosaikarbeit voller Licht nd Le- ben.

Mit der Schilderung von Personen gibt sich der Dichter nicht ab; statt desaen Ilsst er seine Helden sprechen und de- ren Charakter in diesen Zwiegesprichen in kstlicher Weise zum Ausdruck kom- men. Im Dialog ist er ein Meister er- sten Ranges. Selne Sprache ist schlicht und einfach, ohne jeden Bombast; das Sensationelle war ihm verhasst; doch ist sein Stil mit einer feinen, entzfik- kenden Ironie kstlich gewirzt.

Neben dem Landvolk waren es die preussischen Junker mit ihren patrioti- schen Bestrebungen, denen er aufrich- tige Bewunderung zollte. Besonders zelgt dies sein 1878 ersehienes Werk ,,Vor dem Sturm", das als einer der be- sten historischen Romane angesehen werden darf.

Aber auch das Ausland liess er zur Geltung kommen. Seinem mehrjiihrigen Aufenthalt in England und Schottland haben wir eine Reihe herrlicher Balla- den und Romranzen zu danken, unter de- nen ,,James Monmouth" als eine Perle der Dichtung dasteht.

Der alte Fontane war ein Meister im Anekdotenerzihlen und vererbte diese

Kunst auf seinen Sohn; so kommt es, dass die Mehrzahl seiner Balladen und patriotischen Gedichte eine Art poetisch angeschauter Anekdoten sind.

Das Beste leistete Fontane in seinem achtzigsten oder Todesjahre; der Ro- man ,,Effi Briest" darf als die Krone sei- ner Erziihlungen angesehen werden, in der uns der Dichter ganz herrliche, un- vergessiche Gestalten vor Augen ftihrt.

Fontane war unstreitig einer der grassten Erzshlungakinstler; doch war er weder Streber noch Erfolganbeter, und, ie es eine derartige Persinlich- keit mit sichi bringt, war ihlm wenig Er- folg im Leben beshieden. Die Wahl sei- ner Stoffe stempelt ihn in erster Linie zumn mirkischen Dichter; ebenso sind die Gestaten seiner Romnane meist dem mirkischen Boden erwachsen; aber sie sind echt deutsch.

Fontane und Bismarclk berihren sich in manchen Punkten. Beide sind in der Mark geboren, waren Meister auf dem- selben schriftstellerischen Gebiete, dem Briefstil, und starben in dem gleichen Jahre. Der Dichter war ein aufrichti- ger Bewunderer des grossen Kanzlera, dessen Riesenschatten unverkennbar in seine Dichtungen hineinragte.

Die Fontanegemeinde ist noch klein; aber sie ist nim Wachsen begriffen, und die Zeit wird konmen, wo er zu den po- pulirsten ichtern ziihlen wird. Seine Grisse und Bedeutung liegt in seiner Prosa, die auch nach hundert Jahren noch geschtitzt werden wird.

Die Diskussion, die den Ausfiihrunen des Redners folgte, fiirderte sehr wider- prechende Ansichten zutage. Dr. Her-

zog ging so weit, die ,,Wanderungen durch die Mark Brandenburg" mit einer den Wste zu vergleichen, wo man hier

und dort einer erfrischenden Oase be- gegne. Dr. Knig zollte dem Dichter ei- nen warmen Tribut, w whrend Dr. Mon- teser bemerkte, dass vor allem Effi Briest eine bhchst genussreiche Lektiire bilde. Die fibrigen Herren behielten sich ein Urteil iber den Dichter vor; - sie woiten ihn erst lesen.

L. H.

II. Imschau.

In der New Yorker Staatszeitung vom 13. Dezember 1908 veriffentlichte Herr Dr. A. Hoelper einen ilingeren Arti- kel fiber das Nationale Deuts ch ameri kanis ch e L e h- rersemina r, worin er auch des Leh-

rerbundes, seiner Geschichte und des nilchstjahrigen Lehrertages gedachte. Wir erwiihnen diese Besprechung mit Befriedigung und erachten es fir wfln- schenswert im Interesse der Wirdigung unsrer Bestrebungen, dass derartige Be-

22

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Umschau

Umschau.

riehte recht oft in deutchen und ameri- kanischen Zeitungen zu lesen wiiren.

Ein neuer Pri sident ftir das ,,M a s s ach u s e t t s Institute of Technology" hat sich endlich gefunden. Es ist Dr. Richard C. Maclau- rin, der seit einem Jahre als Professor der Physik an der Columbia Universitit zu New York tiitig ist. Geboren ist er in Schottland, verbrachte aber seine Ju- gend in New Zealand, wo er auch seine erste Schulbildung empfing. Seine Stu- dien vollendete er auf der Universittit Cambridge in England und zeichnete sich dort bereits durch seine Tiichtig- keit aus, erwarb sich auch den D.S. und D.LL. Ferner hat sich Dr. Maclaurin einen Namen geschaffen durch Heraus- gabe eines grSsseren WVerkes fiber die Optik.

Die Berufung eines Mannes, der sich erst ein Jahr im Lande befindet, zu ei- ner Stellung von solcher Verantwort- lichkeit, ist umso tiberraschender, als friiher ein derartiger Schritt kaum ge- tan worden wire. Der neue Prisident wird seine Tiitigkeit am Ende des ge- genwiirtigen Schuljahres aufnehmen.

Der oberste Gerichtshof von Massa- chusetts hat entschieden, dass dem Staate die Macht zusteht, die E i s e n - bahnen zu zwingen, Schulkin- der auf ihrem Wege nach und von der Schule zu halbem Preise zu beftirdern. Diese Ent- scheidung stfitzt sich auf den allgemei- nen Grundsatz des Staates, die Erzie- hung seiner Biirger auf jede gesetzlich erlaubte Weise zu begiinstigen. Der Protest der Eisenbahnen, die bei einem solchen Preise Geld zu verlieren behaup- teten, wurde mit der Bemerkung abge- wiesen, dass die Kinder weniger Raum einnehmen und iberdies den Zug zu ei- ner Zeit bentitzen, wenn Erwachsene durch ihre Geschiifte noch in Anspruch genommen sind.

Die Versammlung des ,,De- partment of Superintend- ence" der ,,National Educa-- tion Association", welche am 23. Februar in Oklahoma City zusammen- treten sollte, musste nach Chicago ver- legt werden, weil das erste Hiotel in Oklahoma niederbrannte. Die Tagung wird vom Auditorium Hotel aus geleitet werden, woselbst das Chicagoer Haupt- quartier aufgeschlagen wird. Das Pro- gramm der Februarversammlung zu Chi- cago, sowie dasjenige fir die diesjlihrige Konvention zu Denver, Colorado, ist be- reits ausgegeben.

Der deutsche Verein der Cor- n e lluniv e r s i ti t ftihrte ktirzlich auf einer der deutschen Btihnen von New York das bekannte Sttck ,,Alt Heidelberg" mit grossem Beifall auf. Die Schauspieler, im ganzen 46, waren slmtlich Studenten von Cornell und Mitglieder des deutschen Vereins. Es ist begreiflich, dass eine derartige Leistung in New York helle Begeiste- rung anfachen musste, die denn auch bei einem der Auffiihrung folgenden Kom- mers im ,,Deutschen Liederkranze" sich Luft machte. Die Anenkennung musste um so grtisser sein, als die Mitwirken- den zur Hilfte Stockamerikaner waren. Das Hauptverdienst dabei gebihrt Prof. Dr. A. B. Faust, der die mfihevolle Ar- beit der Einstudierung nicht scheute. Von seinem Eifer fir deutsche Bestre- bungen hat er auch Zeugnis abgelegt in dem binnen kurzemrn von ihm erecheinen- den Buche ,,The German Element in the United States", mit welchem er den er- sten Preis der Seipp-Stiftung im ver- gangenen Jahre gewann.

Prof. Faust beffirwortet entachieden solche Theaterauffiihrungen in fremder Sprache, weil er darin eine gute Mithilfe beimU fremdsprachlichen Unterricht auf der Universittit sieht, wo sehr oft aus Mangel an Zeit literarische Werke sozu- sagen ,,durchgehetzt" werden mfissen. Erst durch die Aufftihrung eines Stfickes kommnt die Kunst wieder zu ihrem Recht, die Sprache wird lebendig und hirt auf, hiilzern und trocken zu sein. Auch ist das Auswendiglernen grosser Abschnitte eines Wirerkes geeignet, Si- cherheit in Aussprache und im Gebrauch der Redensarten zu zeitigen. Eine sol- che Leistung und ein solches Streben kann nicht beiflilig genug aufgenommen werden.

Ein Sonderabdruck aus ,,Deutschame- rikanische Geschichtsbliitter", betitelt D e u t s ch amerikanische For- s ch u n g e n, berichtet fiber Wachstum und Benutzung der Deutschamerikani- schen Sammlung der ~iffentlichen Bibli- othek in New York wiihrend des Jahr- gangs 1906/7. Wie wir daraus ersehen, erfiillt die Abteilung die gehegten Er- wartungen, und sichelich wird die eif- rige T~itigkeit des Bibliothekars Richard E. Helbig eine Gewiihr sein, dass ihre Wirksamkeit und Wert weiter steigen; eine immer grissere Anerkennung des Unternehmens ist dann unausbleiblich.

Eine neue Kritik der ameri- kanischen Schule. ,,Amerikani- sche Kinder sind zu sauber, zu eitel und zu herausgeputzt. Die Lehrerinnen sind

23

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Umschau

Monatshefte filr deutsche Sprache und Piidagogik.

zu sehr der Mode ergeben, und die El- tern sind zu eifrig auf den Gelderwerb aus." Diese Ansichten spricht Fritz Koch, Professor an der neuen Schule zu Genf, aus als Ergebnisse seines Studi- umrns der amerikanischen Schulverhliit- nisse, welche er in einem Artikel ,,The Conservation of Childhood" in der No- vembernummer des ,,Elementary School Teacher" zusammenfasst.

Prof. Koch ist der Ansicht, dass die Kinder einen Teil ihrer Eitelkeit verlie- ren wilrden, wenn die allzu modisch ge- putzten Lehrerinnen aus dem Schulzim- mer verbannt wtrden. Erst sollte die Schule kommen, dann erst der Kleider- luxus, wenn eine solche Pflege der Eitel- k'eit und Putzsucht nicht iberhaupt als grosse Schiidigung der nattirlichen Ent- wickelung des Kindes zu verwerfen wi- re. Die sklavische Sucht, alle Verirrun- gen und Verrticktheiten der Mode mit- zumachen, scheint viel stiirker zu sein als der Wunsch, anstfindig und einfach aufzutreten.

Man verlangt von dem Fabrikarbeiter nicht, dass er bei der Arbeit immer sau- ber bleibe, Kinder aber schimpft man bestaindig, wenn sie beim Spiel HIlnde oder Kleider beschmutzen. Daher wer- den sie nur zu hiiufig von ihrem so ei- gentlich kindlichen Leben weggerufen, um geputzt zu werden, bloss weil der Vater das Geld dazu hat und es der Mutter so gefallt. Die Folge davon ist, dass naturgemlsses, wildes Spielen, wo das Kind ganz dabei ist, nach und nach verdriingt wird durch Beschiiftigungen von geringerem Werte wie Tennis, Bas- ketball und Fussball. Gesunde und wirk- liche Knaben und Miidchen lieben es, in Wald und Feld, in Strassen und sonst gefiihrlichen Orten herumzustreifen, nicht aber als gezierte Puppen herum zu paradieren.

SuperintendentCo ole y von Chicago iussert sich wie folgt ii ber die Lehrergehalt sfrage: Der Mangel an miinnlichen Lehrern ist eine der beunruhigendsten Folgen der unge- niigenden Besoldung. Chicago zahlt Schmieden und Eisengiessern $1400.00, kann aber selbst Lehrern in akademi- schen Flichern nicht mehr als $1200.00 bieten. Eine solche Lage der Dinge ver- hindert, dass das L'ehrfach als Lebens- beruf aufgenommen wird. Die schwache Besetzung des Lehrkrpers in den Volksschulen und die daraus hervorge- henden Enttiuschungen inbezug auf die Ergebnisse des Unterrichts sind nicht allein auf die Rechnung der Mehrheit an Lehrerinnen zu schreiben. Misserfolg

und Mangel an Kraft in der Lehrtiitig- keit kommen nur zu oft daher, weil viele sich zum Unterricht herandriingen, um sich mit dem hier zu verdienenden Gelde fiir andere eintriglichere Berufe vorzu- bereiten, andere benutzen den Lehrerbe- ruf, urn eine etwaige Liicke zwischen ihrem Studium und dem eigentlichen Lebenseruf bequem auszufiillen. We- nige wiihlen das Lehrfach als eigentli- chen Beruf. Die meisten betrachten es als einen Gelderwerb wie irgend einen anderen auch. Wirkliche Fachleute auf dem Unterrichtsgebiet, die Neigung zu ihrem Berufe gefiihrt hat, iinner so- wohl als Frauen, sollten deshalb durch angemessene Bezahlung gehalten wer- den.

Dass auch das Volk Versttindnis hat ftir die gegenwiirtige ungeniigende Leh- rerbesoldung, geht daraus hervor, dass iiberall Pensionsvorlagen eingebracht und unterstiitzt werden. Allein wenn ein solches System auch einen Teil der bestehenden Notlage mildern wtirde, so dirfte es sich doch als eine Umgehung der gerechten Forderungen des Erzie- hungssystems und des Lehrberufs dar- stellen, eine Umgehung, weil man eben dadurch die angemessene Ver iitung vorenthalten will.

Das preussische Lehrerbe- soldungsgeset z ist so ausgefal- len, wie es Kundige nicht anders erwar- tet haben. Es ist ein Ausdruck der in Preussen bestehenden Verhiiltnisse und des Kulturstandpunktes der Machtha- ber. Die Vorlage verlangt fir alle Leh- rer ein Grundgehalt von 1350 M., fiir Lehrerinnen 1050 M. und 9 Alterszula- gen von 200 bezw. 150 M., so dass das Lehrergehalt in 31 Dienstjahren auf 3150 M., das der Lehrerinnen auf 2400 M. steigt. Gegen die jetzige Mindestbe- soldung ist das ein wesentlicher Fort- schritt. Das sind aber auch die einzi- gen annehmbaren Bestimmungen. Ganz abgesehen davon, dass die erhoffte Gleichstellung mit den niederen Staats- beamten nicht erfolgt ist, bestimmte das alte Gesetz nur den Mindestbetrag; die neue Vorlage will aber den Grund- satz einer einheitlichen Besoldung im ganzen Land zur Geltung bringen. Wie sie das tut, das ist bezeichnend ftir den Geist der preussischen Unterrichtsver- waltung. Das jetzt noch geltende Be- soldungsgesetz liisst den Gemeinden die allerdings oft willkiirlich eingeschrlink- te Freiheit in der Festsetzung der Be- soldung nach oben hin, in Zukunft soll diese Freiheit den Gemeinden genom- men werden. Nur den Gemeinden mit

24

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Umschau

Umschau.

mehr als 25,000 Einwohnern soil es in der Form von Ortszulagen geatattet sein, tiber die Mindestslitze hinauszuge- hen. In Stadten mit 25--50,000 Einwoh- nern darf die Ortszulage fuir Lehrer 200 M., fiir Lehrerinnen 100 M., in Stiidten mit 50--100,000 Einwohnern 400 M. bezw. 800 M. in Stidten mit tiber 100,- 000 Einwohnern 750 bezw. 300 M. betra- gen. Ein Hinausgehen tiber diese Satze soil unter keinen Umstiinden stattfin- den. (Neue Bahnen.)

tiber die Befihigung der Miidchen fiir Mathematik ver- 6ffentlicht die Frankfurter Zeitung Ur- teile, die von Schulen gewonnen worden sind, in denen Knaben und Miidchen ge- meinsam unterrichtet werden, und nur von solchen Lehrern, die den Gemein- samunterricht erteilen. Im Grossherzog- turn Baden ist in den Mittelschulen ge- meinsame Erziehung eingefihrt; diese hat sich aber fiir den Unterricht in Ma- thematik nicht bewlihrt, weil sich bei den Miidchen eine Minderbefihigung ge- geniiber den Knaben herausstellte. Schiilerinnen, die Zierden der Klassen bildeten und in alien anderen Fiichern die Note 1 erhielten, mussten sich trotz alien Fleisses in Mathematik (auch Physik) mit einer 3 begntigen. Ahnli- ches berichtete aus Amerika David Eu- gen Smith auf dem Mathematikerkon- gress in Rom im Friihjahr 1908. Auf der unteren Stufe sei die gemeinsame Erzie- hung noch immer vorgeschrieben, auf der mittleren Stufe sei sie gestattet, auf der oberen Stufe verboten. Alle im Laufe der Jahre in amerikanischen Schulen gemachten Erfahrungen lassen als feststehend erscheinen, dass in ,,Ge- dlichtniswissensehaften" eine Minder- befiihigung der Midchen nachweisbar nicht vorhanden ist; eine bedeutende Minderbefithigung in ,,produktiven Fii- chern", wie Mathematik und Physik, ist dagegen unverkennbar.

Die Analphaten unter den franz Ssischen Rekruten bezif- ferten sich im letzten Jahre auf nicht weniger als 10,000 Mann; dieselbe An- zahl wie im vergangenen Jahre. Ausser- dem gibt es darunter noch 5000 junge Soldaten, die zwar lesen, aber nicht schreiben kiinnen. Bei einer jiihrlichen Aushebung von etwa 300,000 Mann er- gibt diese Tatsache einen Prozentsatz von 5% fiir die mi~nnliche Bev5lkerung. Fiir die gesamte Nation wtirde die Zif- fer eine noch hihere sein, da die Frauen eine noch groissere Anzahl stellen. Im Jahre 1904 befanden sich unter den Re-

3 PM X

25

kruten des deutschen Heeres nur ein Fiinfundzwanzigstel vom Hundert, die weder lesen noch schreiben konaten. Angesichts dieser Verhiiltnisse erliess der franz6sische Unterrichtsminister ei- nen ernsten Aufruf, worin er alle zur Mitarbeit auffordert, um dem iTbel so viel als mglich abzuhelfen.

Ein in Stockholm kiirzlich verstorbe- ner Grosskaufmann namens Sunnerdahl vermachte 4 Millionen Kronen zur Griindung von liindlichen S ch ul k olo n i e n, wo unbemittelte Volksschulkinder neben dem Unter- richte eine praktische Ausbildung in der Landwirtschaft und in anderen Be- rufszweigen erhalten sollen.

Deutsche Schulen in Argen- t i n i e n. Die erste eigentliche deutsche Kolonie in Argentinien wurde 1822 gleich nach der Losreissung der Repu- blik von Spanien gegriindet. Die Kolo- nie vergrsserte sich rasch besonders nach demn Krieg mit Brasilien; in dem Biirgerkrieg von 1858 sollen allein in Buenos Aires 300 Deutsche mitgekiimpft haben.

Die deutsche evar gelische Gemeinde in Buenos Aires trat 1842 ins Leben. Ihr erster Pastor, Siegel, berichtet dartiber wirtlich, wie folgt: Bei der Griindung der deutschen evangelischen Gemeinde gab es hier auf 7 Leguas (35 kmin) im Lande zerstreut nur 30-40 rein prote- stantische Familien. Die iibrigen lebten tells in gemischten, tells in wilden Ehen oder waren gar nicht verheiratet. Bei den meisten war das wenige, was sie noch von Religion aus Deutschland mit- gebracht hatten, total verschwunden, manche waren giinzlich verwildert." Der Bericht erztihlt welter, dass die meisten dieser Deutschen Handwerker oderVieh- ziichter, nur ganz wenige Kaufleute wa- ren.

Den Anstoss zur Anstellung des Pa- stors hatte eine Zeichnungsliste gege- hen, die 113 Unterschriften ergab mit 4336 M. Dabei hatten sich die meisten verpflichtet, ihre Beitriige auch ffir die folgenden Jahre zu bezahlen. 1843 wur- de die Schule mit 7 Schiilern eriiffnet; schon 1844 waren es 27. Es wurde des- halb ein Hilfslehrer angestellt, dessen Unverdrossenheit und Eifer der Pastor rithmt trotz des geringen iusseren Vor- teils. Als Frucht seiner Bem ihung ftihrt er besonders an: Dass unsere Schulkinder schon im Singen etwas ver- magen und beim Gesang in der Kirche frahlich und riistig mitwirken."

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Umschau

Monatshefte fiir deutsche Sprache und Piidagogik.

Aus dieser Gemeindeschule ist die Germania - Schule geworden, die sich unter Leitung des Direktors Dr. Ruge nicht nur zur ersten Schule Stidameri- kas, sondern zu einer der eraten deut- schen Auslandschulen ihberhaupt entwik- kelt hat. Die Zahl der Deutschen in Buenos Aires ist jetzt sehr schwer an- zugeben, da der Wechsel sehr stark ist. Die Schiitzungen schwanken zwischen 10, und 15,000. Ausser der Germania- Schule gibt es noch drei Ziffentliche und mehrere Privatschulen. In den ersteren werden rund 1200 Kinder unterrichtet.

Noch viel schwankender werden die Zahlen, wenn man die Deutschen in Ar- gentinien tiberhaupt zu schitzen sucht. Doch sind etwa 60 deutsche evangelische Schulen mit etwa 105 Lehrkriiften und 3250 Kindern, und 27 deutsche katholi- sche Schulen mit 64 Lehrkraften und 2241 deutschen und 516 nichtdeutschen Kindern geziihlt worden.

Der gute Fortschritt hiingt von fol- genden Fnktoren ab: 1. von der Opfer- willigkeit der Deutschen im Lande, 2. von dem Schulvorstand und der PersiSn- lichkeit des Leiters der Schule, 3. von

der Unterstiltzung durch das Reich, 4. von der Landesregierung.

Allein ftr die Germania - Schule mit 400 Kindern sind im vergangenen Jahre an Schulgeld $45,000 und an freiwilli- gen Beitrigen $22,000 aufgebracht wor- den. ($1=1.78 M.) Ausserdem wurde vor einigen Jahren ein prflchtiges Schul- gebtiude aufgeffihrt fir 400,000 M.

Was die Landesregierung betrifft, so ist es am besten, wenn sie sich ma5g- lichst passiv verhlilt. Die argentinische Regierung hat dies nicht immer getan. Gleich nach der Eraiffnung der Schule, 1843, machte sie Schwierigkeiten. Im- mer wieder ist davon die Rede, dass die Unterrichtssprache in alien Fichern, abgesehen von den Sprachen, Spanisch sein sollte. Ausserdem besteht die Be- stimmung, dass die Leiter der auslindi- schen Schulen ein Examen in der spa- nischen Sprache abzulegen httten, und es ist natfirlich nicht schwer, die Un- liebsamen durchfallen zu lassen. Bis jetzt stehen die Bestimmungen auf dem Papier, und wir wollen hoffen, dass sie dort bleiben. (Dr. Walter Hauff in Deutscher Erde.) G. L.

Ill. Vermischtes.

In Winternacht.

Es wachst viel Brot in der Winternacht, Weil unter dem Schnee frisch grinet tie

Saat; Erst wenn im Lenze die Sonne lacht, Sptirst du, was Gutes der Winter tat. Und deucht die Welt dir l5d und leer, Und sind die Tage dir rauh und schwer: Sei still und habe des Wandels acht: Es wiichst viel Brot in der Winternacht.

F. W. Weber.

Star' nicht den Traum der Kinder, Wenn eine Lust sie herzt; Ihr Web schmerzt sie nicht minder, Als dich das deine schmerzt.

Es trligt wohl mancher Alte, Des Herz liingst nicht mehr flammt, Tm Antlitz eine Falte, Die aus der Kindheit stammt.

Schau in dich und schau um dich; lern in dem eig'nen Wesen Die Welt und in der Welt Die eig'ne Seele lesen!

J. Hammer.

Das Jahrhundert des Kindes. Das Kind ward Mode !- We man htrt

und schaut, Zeigt alle Welt sich plitzlich kindsver-

stlndig. Langst ward die ,,Sehnsucht nach dem

Kinde" laut, Sogar der ,,Schrei" nach ihm t$nt hachst

lebendig; Vom ,,Recht des Kindes" predigt man

erbaut, Und auf die Schule schilt man ganz un-

bandig. Des Kindes Kfinstlerschaft ward frtih

gen~ihrt, Und bald wird es getchlechtlich aufge-

klrt.

Viel. Gutes, traun, bringt dieser Zug der Zeit -

Doch artet er nicht aus in Sport und Faxen I-

Es gab doch Kinder schon seit Ewig- keit,

Seit sich die Erde dreht um ihre Ach- sen;

26

This content downloaded from 194.29.185.65 on Wed, 21 May 2014 09:48:19 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions


Recommended