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Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen

Date post: 28-Oct-2021
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Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen Ein Leitfaden für Forschungsinstitute und Hochschulen
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Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen Ein Leitfaden für Forschungsinstitute und Hochschulen

Der vorliegende Leitfaden wurde mit Förderung des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeitet. Die Verantwortung für den Inhalt tragen die

Autoren.

Impressum

Herausgeber

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Referat Grundsatzfragen, Multilaterale Zusammenarbeit,

Protokoll, Sprachendienst

53170 Bonn

Bestellungen

schriftlich an den Herausgeber

Postfach 30 02 35

53182 Bonn

oder per

Tel.: 01805 - 262 302

Fax: 01805 - 262 303

(0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz)

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.bmbf.de

Autoren

Prof. Dr. Günther Schuh

Christopher Nußbaum

Dr. Peter Ganea

Nina Sophie Klunker

Michael Lenders

Henning Möller

Bildnachweis

Scholz & Friends

Bonn, Berlin 2009

Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen Ein Leitfaden für Forschungsinstitute und Hochschulen

VORWORT

In den vergangenen Jahren hat sich die Weltkarte der Wissenschaft grundlegend verändert. Mehr als neun­zig Prozent des weltweiten Wissenszuwachses werden derzeit außerhalb Deutschlands generiert. Dieses Wissenspotenzial wollen wir für die Forschung in Deutschland erschließen. Gleichzeitig sind wir bereit, bei der Beantwortung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Energieversorgung und bei Fragen der Gesundheit mehr internationale Verantwortung zu übernehmen.

Mit der „Strategie zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung” hat die Bundesregie­rung unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) den Rahmen geschaffen, um deutsche Hochschulen und For­schungseinrichtungen noch intensiver international zu vernetzen. Diese Strategie wird entscheidend dazu beitragen die Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten zu stärken, Innovationspotenziale international zu erschließen, die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern zu stärken und gemeinsam Stra­tegien und Technologien für weltweite Herausforde­rungen zu erarbeiten.

Forschungseinrichtungen und Unternehmen sam­meln bereits seit Jahrzehnten Erfahrungen in der inter­nationalen Forschungs- und Entwicklungszusammen­arbeit. Sie gehen dabei aber immer auch wirtschaftli­che und rechtliche Risiken ein. Deshalb soll ein umfas­sendes Maßnahmenbündel aus politischen, rechtli­chen und technologischen Instrumenten einen siche­ren Rahmen schaffen, damit Forschungsergebnisse unter Wahrung des Rechts auf geistiges Eigentum möglichst schnell in Produkte, Verfahren und Dienst­leistungen umgesetzt werden.

Insbesondere frühzeitige und umfangreiche wis­senschaftliche Kooperationen bieten allen beteiligten Partnern enorme Potenziale. Der vorliegende Leitfa­den gibt konkrete Hilfestellungen, um die Chancen und Möglichkeiten einer internationalen Kooperation erfolgreich zu nutzen.

Dr. Annette Schavan, MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung

4 INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

1. ZUSAMMENFASSUNG 5

2. EINLEITUNG 6

3. AUFBAU DES LEITFADENS 10

4. DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION 13

4.1. Strategie und Zieldefinition 13

4.2. Anbahnung 14

4.3. Vertragsgestaltung 18

4.4. Durchführung der Kooperation 25

4.5. Auflösung der Kooperation 38

5. FAZIT 41

5 ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassung

Dieser Leitfaden wendet sich an deutsche Forschungs­einrichtungen und Hochschulen. Er gibt Hinweise zum Umgang mit Know-how in internationalen For­schungs- und Entwicklungskooperationen (FuE-Kooperationen), damit die erarbeiteten Ergebnisse erfolgreich verwertet werden können und das einge­brachte Know-how ausreichend geschützt wird.

Dafür zeigt dieser Leitfaden die wesentlichen recht­lichen Aspekte einer internationalen FuE-Kooperation auf und hebt die Besonderheiten der bestehenden Rechtsgrundlagen sowie der Rechtspraxis in den acht Ländern Brasilien, China, Indien, Russland, Südafrika, Südkorea, Türkei und USA hervor. Der vorliegende Leit­faden ist entsprechend der Phasen einer Kooperation gegliedert: von der Anbahnung über die Vertragsge­staltung bis zur Durchführung und Auflösung. Zu jeder Phase werden die wichtigsten rechtlichen Fall­stricke aufgezeigt und Handlungsempfehlungen vor­gestellt. Ausgewählte Beispiele aus den betrachteten Ländern, die den einzelnen Phasen zugeordnet wur­den, ergänzen den Leitfaden.

Als allgemeine Handlungsempfehlung konnten fünf Erfolgsfaktoren zum Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen identifiziert wer­den.

Klare Zieldefinition: Wohin soll diese Reise gehen?

Nur wer eine klare Zielvorstellung über die angestreb­te Kooperation besitzt, kann seine Schutzstrategie optimal auslegen. Dies beginnt schon bei der Überle­gung, welches Know-how gegenüber dem Kooperati­onspartner offengelegt werden muss, damit die Kooperationsziele erreicht werden können.

Nutzen und Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden

Allzu oft werden die Risiken einer Kooperation vor dem Hintergrund der vermuteten Potenziale ausge­blendet. Mit Blick auf die langfristigen Effekte eines möglichen Know-how-Abflusses gilt es jedoch, die Risi­ken einer FuE-Kooperation selbst bei Projekten zur Grundlagenforschung zu bewerten.

Juristische Expertise ist schon vor ersten Gesprä­chen entscheidend

Bereits wenn sich die potenziellen Kooperationspart­ner zum ersten Mal treffen, spielt der Schutz des eige­nen Know-hows eine Rolle: Oft müssen Informationen ausgetauscht werden, um den Umfang und die genau­en Ziele der Kooperation zu klären. Dabei wird dem Kooperationspartner Know-how offen gelegt. Hier ist es wichtig, im Vorfeld geeignete Schutzmaßnahmen unter Heranziehung juristischer Expertise zu definie­ren.

Festlegung von Meilensteinen und Erfolgskon­trolle während der Kooperation

Neben der kontinuierlichen Prüfung, ob die FuE-Kooperation zielgerecht abläuft, sind auch mögliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie gegebenenfalls die Beweggründe für ein ver­tragswidriges Verhalten des Kooperationspartners zu überprüfen.

Am Anfang schon ans Ende denken – Definition von Ausstiegsklauseln

Vor dem Hintergrund der bewerteten Chancen und Risiken einer FuE-Kooperation ist es unerlässlich, bereits zu Beginn der Zusammenarbeit Ausstiegsklau­seln zu definieren. Treten bestimmte, vorab definierte Ereignisse ein oder verändern sich die Rahmenbedin­gungen und beeinträchtigen dadurch die erfolgreiche Verwertung der Ergebnisse, müssen entweder die Ver­träge angepasst oder die Kooperation frühzeitig been­det werden.

Dieser Leitfaden konzentriert sich auf die rechtlichen Aspekte einer FuE-Kooperation. Diese stellen jedoch nur eine Säule einer umfassenden Schutzstrategie für das eigene Know-how dar und müssen durch faktische Maßnahmen unterstützt werden. Das gilt vor allem dann, wenn rechtliche Maßnahmen versagen oder nicht greifen. So können diese durch ökonomische Maßnahmen oder durch einen in das Produkt inte­grierten Kopierschutz ergänzt werden.

6 EINLEITUNG

2. Einleitung

Ausgangssituation

Deutschland ist traditionell ein guter Standort für Forschung und Entwicklung. Die exzellenten Rahmenbedingungen sind geprägt durch das innova­tive Marktumfeld und politische sowie rechtliche Impulse zur Förderung effizienter Forschungs- und Entwicklungskooperationen (FuE-Kooperationen). In einer globalisierten Welt greifen hier nationale, euro­päische und internationale Impulse ineinander, die einen Rahmen für die grenzüberschreitende FuE-Zusammenarbeit deutscher und anderer Forschungspartner bieten.

Politische Anreize und Rechtssicherheit sind wichtige Grundlagen für Forschungsakteure, um die Möglich­keiten der internationalen Forschungszusammenar­beit zu nutzen.

Die Europäische Kommission greift etwa die Frage des professionellen Managements von Know-how mit einem „Verhaltenskodex”1 auf, der freiwillig anwend­bare Leitlinien für Forschungspartner in nationalen, europaweiten und auch internationalen Kooperatio­nen beinhaltet. Die Schaffung eines Bewusstseins für den Umgang mit Know-how in Deutschland und in anderen Staaten ermöglicht es, Staaten, die illegalen Know-how Transfer nicht verfolgen, entgegen zu tre­ten.

Bereits jetzt vergrößert sich die Anzahl internatio­naler FuE-Kooperationen jedoch stetig. Eine aktuelle Studie des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG2 zeigt, dass Entwick­lungsprojekte inländischer wie auch internationaler FuE-Kooperationen in den nächsten fünf Jahren fast doppelt so stark zunehmen werden wie Entwicklungs­projekte, die ausschließlich durch eigene Zentralberei­che durchgeführt werden. Die Gründe dafür sind viel­fältig: Wichtigste Begründung ist jedoch die enorme Zunahme der Komplexität von Entwicklungsaufgaben sowie der starke Anstieg von Kosten für Entwicklun­gen. Einzelne Unternehmen oder Institute besitzen

1 Dokument C(2008)1329, Commission Recommendation on the manage­ment of intellectual property in knowledge transfer activities and Code of Practice for universities and other public research organisations, 10. April 2008, abrufbar unter http://ec.europa.eu/invest-in-research/pdf/ip_ recommendation_en.pdf (Stand 19. Mai 2008).

2 Studie »Erfolgreiches Standortmanagement von Forschung und Entwick­lung«, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und KPMG (2007)

oft weder das Know-how noch die Ressourcen, um Ent­wicklungsprojekte alleine durchzuführen. Grenzüber­schreitende FuE-Kooperationen dienen außerdem dazu, besser auf lokale Markt- oder Kundenanforde­rungen eingehen zu können, Entwicklungsrisiken abzuschwächen oder auch Kapazitätsspitzen abzufan­gen.

Den Vorteilen internationaler FuE-Zusammenar­beit stehen jedoch auch Risiken gegenüber. Insbe­sondere der unkontrollierte und illegale Abfluss von Know-how schädigt deutsche Unternehmen in gro­ßem Umfang. Der Verband der deutschen Maschinen und Anlagenbauer (VDMA) schätzt den Schaden, der deutschen Maschinen- und Anlagenbauern 2006 entstanden ist, auf mehr als 5 Milliarden Euro3. Welt­weit entsteht durch Plagiate ein volkswirtschaftlicher Schaden von etwa 200–300 Mrd. EUR pro Jahr (Deutschland: EUR 29 Mrd.)4. Erschwerend kommt hin­zu, dass durch Plagiate nicht nur die Wettbewerbsfä­higkeit von Unternehmen beeinträchtigt wird, son­dern auch Menschenleben in Gefahr geraten können, wenn z. B. Medikamente oder Maschinenteile gefälscht werden5.

Hier stellt sich die Frage, ob FuE-Kooperationen die Türen für den Abfluss von Know-how nicht noch weiter öffnen. Sollte aus diesem Grund nicht ganz auf inter­nationale FuE-Kooperationen verzichtet werden? Wie kann das in internationale FuE-Kooperationen einge­brachte Know-how überhaupt umfassend geschützt werden? Einige erfolgreiche Beispiele wie die Zusam­menarbeit von General Electrics und Pratt & Whitney oder die Entwicklungskooperationen von Porsche Engineering mit Harley Davidson, Opel und weiteren zeigen, dass eine Kooperation durchaus für alle Partei­en ein Gewinn sein kann.

FuE-Kooperationen bieten Unternehmen viele Chancen, um ihre eigene Wettbewerbsposition zu ver­bessern. Allerdings dürfen die Risiken einer Koopera­tion nicht außer Acht gelassen werden: Neben gegen­läufigen Interessen der Partner, mangelnder Kompe­tenz oder Ineffizienzen im Projektmanagement spielen

3 http://www.conimit.de/index.php?id=151 (Stand 22. Februar 2008) 4 http://www.plagiarius.com/d_index.html (Stand 22. Februar 2008) 5 Partnair Flug 394, Oslo – Hamburg: Absturz nach Abbruch des Leitwerks.

Die Ursache waren gefälschte, nicht zugelassene Schrauben und Buchsen. 55 Menschen kamen bei dem Absturz ums Leben. Fälschung eines Novar­tis Medikamentes: Aus Borsäure, Bohnerwachs und gelber Farbe für Far­bahnmarkierungen gefälschte Malaria-Pillen haben in Afrika 3000 Todes­fälle verursacht.

7 EINLEITUNG

rechtliche Aspekte in einer internationalen FuE-Koope­ration eine zentrale Rolle. Dabei geht es nicht alleine um den Schutz des eingebrachten Wissens, sondern vielmehr um das aktive Management des gesamten Know-hows. Dies betrifft eingebrachtes, in der Koope­ration gemeinsam entwickeltes wie in der Kooperation getrennt voneinander erworbenes Know-how.

Know-how wird in diesem Leitfaden nicht im rechtstechnischen Sinne verstanden, sondern umfasst ebenfalls formale technische Schutzrechte. In der Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission vom 27. April 2004 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von Technologie­transfer-Vereinbarungen6 wird in Art. 1 (1) (i) Know­how folgendermaßen definiert: „eine Gesamtheit nicht patentierter praktischer Kenntnisse, die durch Erfahrungen und Versuche gewonnen werden und die

geheim, d. h. nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich sind, wesentlich, d. h. die für die Produktion der Ver­tragsprodukte von Bedeutung und nützlich sind, und identifiziert sind, d. h. umfassend genug beschrieben sind, so dass überprüft werden kann, ob es die Merkmale "geheim" und "wesent­lich" erfüllt”

Know-how im rechtstechnischen Sinn umfasst damit dasjenige technische Wissen, welches nur einer bestimmten Personenzahl zugänglich gemacht wird und zu dessen Geheimhaltung sein Inhaber Vorkeh­rungen getroffen hat. In vorliegendem Leitfaden bezieht sich der Begriff jedoch auf die Gesamtheit von Fähigkeiten und Wissen, welches im Rahmen einer internationalen Kooperation relevant werden kann und entweder mittels Geheimhaltungsvereinbarun­gen oder auch mittels formaler Schutzrechte wie einem Patent oder Gebrauchsmuster geschützt wer­den kann.

Der Umgang mit Know-how ist jedoch stark von landestypischen Rahmenbedingungen wie der Rechts­kultur, der Rechtslage, aber auch der Rechtspraxis abhängig. So zeigen sich z. B. hinsichtlich der Verläss­lichkeit von Zusagen und schriftlichen Vereinbarun­gen erhebliche Unterschiede bei verschiedenen Kooperationspartnern. Einer im Zusammenhang mit diesem Leitfaden vom WZL der RWTH Aachen in

6 Amtsblatt Nr. L 123 vom 27. April 2004, S. 11–17.

Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPT und dem Munich Intellectual Property Law Center7 erstellten Studie zufolge nehmen die befragten Institute und Unternehmen im Hinblick auf Vertragsverletzungen in FuE-Kooperationen in den betrachteten Ländern deutliche Unterschiede wahr (vgl. Abbildung 1).

Somit bilden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die landestypischen Risiken zentrale Kriterien bei der Bewertung einer internationalen FuE-Koopera­tion. Allerdings geht aus der aktuellen Befragung auch hervor, dass die Kenntnisse der wissenschaftlichen Mitarbeiter (vgl. Abbildung 2) in Instituten und Unter­nehmen über Know-how-Schutz und das Bewusstsein für die Bedeutung von Know-how gering ausgeprägt sind. Hier besteht ein hoher Handlungsbedarf, um auf Mitarbeiterebene die Kenntnis der rechtlichen Aspek­te zu verbessern. Zumindest sollte ihr Bewusstsein für deren Relevanz geschärft werden, damit juristischer Rat rechtzeitig eingeholt wird. Vor allem Institute sowie kleine und mittlere Unternehmen können in der Regel keine eigene juristische Expertise aufbieten. Die im Rahmen dieser Untersuchung Befragten be­mängelten zudem, dass von öffentlicher Seite keine ausreichende Hilfe, etwa in Form von Beratungsstel­len, geleistet werde. Tatsächlich finanziert die Bundes­regierung zwar beispielsweise Patentverwertungs­agenturen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gab 2007 eine Broschüre mit Muster­vereinbarungen für Forschungs- und Entwicklungsko­operationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft heraus, die auch Empfehlungen für internationale Kooperationen beinhalten.8 Diese scheinen jedoch nicht immer bekannt und akzeptiert zu sein und rich­ten sich primär auf einen deutschen Anwendungskon­text. Daraus ergibt sich der Bedarf nach einem weite­ren Hilfsmittel, das Institute und Unternehmen bei der Anbahnung und Durchführung internationaler FuE-Kooperationen unterstützt.

7 Studie »Umgang mit Know-how in internationalen FuE-Kooperationen«, Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Munich Intellectual Property Law Center (2007). An der Studie beteiligten sich insgesamt 110 Unternehmen und Institute aus Deutschland. Die detaillierten statistischen Ergebnisse der Studie können unter http://www.internationale-kooperation.de/ heruntergeladen werden.

8 „Mustervereinbarungen für Forschungs- und Entwicklungskooperatio­nen, Ein Leitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft”, herausgegeben vom BMWi (http://www.bmwi.de/BMWi/ Navigation/Service/publikationen,did=217918.html) oder DIHK-Leitfaden zu Forschungs- und Entwicklungskooperationen (http://verlag.dihk.de/ forschungs_und_entwicklungskooperationen_382400_1.html).

8 EINLEITUNG

Abbildung 1: Häufigkeit und Schwere von Vertragsverletzungen in internationalen FuE-Kooperationen

Abbildung 2: Kenntnisstand der wissenschaftlichen Mitarbeiter aus Industrie und Forschung hinsichtlich internationaler Rechtsrundlagen

Ziel der Untersuchung

Ziel der Untersuchung war es, den vorliegenden Leitfa­den zu entwickeln. Dieser soll deutschen Hochschu­len, Forschungseinrichtungen und Unternehmen ein Instrumentarium zur Verfügung stellen, mit Hilfe des­sen sie Vorkehrungen für einen erfolgreichen Ablauf von internationalen FuE-Kooperationen treffen kön­nen.

Aufbau und Länderfokus der Untersuchung

Fehlende Rechtssicherheit und mangelnde Abspra­chen im Vorfeld einer FuE-Kooperation führen häufig dazu, dass die Forschungsergebnisse nicht ausrei­chend verwertet werden können oder das eingebrach­tes Wissen gegen den eigenen Willen weiterverwen­det oder sogar an Dritte weitergegeben wird. Gerade in den frühen Phasen einer Kooperation besteht oft

9 EINLEITUNG

große Unsicherheit darüber, welche Maßnahmen zur Geheimhaltung und zum Schutz eingebrachten Wis­sens zu treffen sind. Die Untersuchung beleuchtet des­halb alle Phasen, die in internationalen FuE-Koopera­tionen durchlaufen werden (vgl. Abbildung 3). Im Mit­telpunkt der Betrachtung stehen die Länder Brasilien, China, Indien, Russland, Südafrika, Südkorea, Türkei und USA.

Um die Ziele der Studie zu erreichen, wurde diese in die folgenden Arbeitspakete unterteilt:

Befragung führender deutscher Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen (Breitenbefragung10

10 Die im Leitfaden abgebildeten Grafiken zum Umgang mit Know-how sind Teilergebnisse der Breitenbefragung. Die vollständigen Ergebnis­se können unter: http://www.kooperation-international.de/countries/ geistiges-eigentum heruntergeladen werden.

). An der Studie beteiligten sich insgesamt 110 Institute und Unternehmen.

Rechtsrecherchen über die acht betrachteten Länder11

11 Brasilien, China, Indien, Russland, Südafrika, Südkorea, Türkei und USA. Die vollständigen Länderberichte können unter http://www. kooperation-international.de/countries/geistiges-eigentum herunter­geladen werden.

. Die Länderberichte decken inhaltlich folgende Punkte ab: – Rechtsbewusstsein und geschichtliche Ent­

wicklung des geistigen Eigentums – Rechtsgrundlage – Rechtspraxis – Einwirkung der nationalen Politik auf den

Schutz geistigen Eigentums Tiefenbefragung, die auf Basis der Erkenntnisse der Breitenbefragung und der Rechtsrecherche die identifizierten Problemfelder durch Exper­teninterviews detaillierter beleuchtet.

Abbildung 3: Phasen einer FuE-Kooperation

10 AUFBAU DES LEITFADENS

3. Aufbau des Leitfadens

Dieser Leitfaden richtet sich an Institute und Unter­nehmen, die eine internationale FuE-Kooperation pla­nen oder bereits im Begriff sind, eine solche anzubah­nen. Er stellt keinen Mustervertrag dar und enthält damit auch keine Vertragsbausteine, die der Leser übernehmen könnte. Dieser Leitfaden soll vielmehr als praxisnahe Einführung in das Thema dienen. Er zeigt dafür die wesentlichen rechtlichen Aspekte einer internationalen FuE-Kooperation auf, die zu beachten sind. Dabei orientiert sich der Leitfaden an den Phasen einer Kooperation (vgl. Abbildung 4). So kann der Leser im Leitfaden entlang der Phasen eine FuE-Kooperation planen und wird in jeder Phase auf Besonderheiten hingewiesen, die es zu beachten gilt. Zudem gibt der Leitfaden praktische Beispiele zu nationalen Regelun­gen und ihrer Umsetzung in der Rechtpraxis in den ausgewählten acht Ländern. Er zeigt außerdem beson­dere Fallstricke auf, die bei der Planung, Anbahnung und Gestaltung einer internationalen FuE-Kooperati­on zu beachten sind.

Abbildung 4: Phasen einer Kooperation und detaillierter Ablauf zum Umgang mit Know-how

Strategie und Zieldefinition

Bereits in der Strategie und Zieldefinition spielen rechtliche Aspekte eine wichtige Rolle: Abhängig von den konkreten Zielen einer Kooperation sind unter­schiedliche Aspekte bei der Vertragsgestaltung zu beachten. Auch können sich länderspezifische Rege­lungen kritisch auswirken. Als Beispiel sei hier Russ­land erwähnt, wo sich der Staat das Eigentum an Ergebnissen von FuE-Kooperationen vorbehält, wenn die Ergebnisse von besonderem staatlichem Interesse sind. Handelt es sich bei dem Ergebnis beispielsweise um eine sicherheitsrelevante Technologie, so ist das Risiko einer solchen staatlichen Inanspruchnahme vergleichsweise hoch. Dient die Kooperation auch noch dazu, den russischen Markt zu erschließen, so

kann die Kooperation durch nationale Gesetze und Bestimmungen zusätzlich erschwert werden. Verfügt eine Institution oder ein Unternehmen bereits in die­ser Phase über fundierte Kenntnisse über die länder­spezifischen Vorschriften, so kann es je nach Ziel und Zweck der Kooperation frühzeitig Partner aus be­stimmten Ländern ausschließen.

Anbahnung

In der Anbahnungsphase einer Kooperation werden geeignete Partner identifiziert und erste Gespräche zur Planung mit dem potenziellen Partner durchge­führt. Diese ersten Gespräch spielen für den Schutz des eigenen Know-hows eine besondere Rolle. Oft tau­schen die Partner in den Gesprächen bereits erste Informationen aus, um z. B. die Kompetenzen des Part­ners zu prüfen. Damit wird jedoch dem potenziellen Kooperationspartner gleichzeitig eigenes Know-how zugänglich gemacht. Häufig geschieht dies, da man sich über den Umgang mit schon bestehendem Know­how im Vorfeld der Gespräche keine Gedanken gemacht hat. Dies kann insbesondere dann kritisch werden, wenn die Kooperation nicht zustande kommt und dem Gesprächspartner zuvor keine Restriktionen im Hinblick auf den Umgang mit solchermaßen offen­barten Wissen auferlegt worden sind. Vor den ersten Gesprächen sind demnach bereits erste rechtliche Vor­kehrungen12 zu treffen.

12 Wie z. B. Geheimhaltungsvereinbarung (GHV), Letter of Intent (LOI), etc.

Dafür sind auch Kenntnisse der jeweiligen Rechtslage im Land des Kooperationspart­ners erforderlich. Für die Auswahl eines Kooperations­partners sollten die partner- und länderspezifischen Risiken den erwarteten Vorteilen aus einer solchen Kooperation gegenübergestellt werden.

11 AUFBAU DES LEITFADENS

Vertragsgestaltung

Konnte anhand der Vorgespräche ein geeigneter Kooperationspartner identifiziert werden, gilt es in einem nächsten Schritt, die Verträge auszuarbeiten. Hier müssen nicht nur Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen des entsprechenden Landes einfließen, sondern auch Informationen über die Rechtspraxis und die Rechtsmentalität. Sind die Prozesse zur Rechtsdurchsetzung langwierig und schwierig, müs­sen gegebenenfalls Sanktionen direkt vertraglich ver­einbart werden, die auch Bestand vor den jeweiligen Gerichten haben. Weiterhin wird oft auch die Ver­bindlichkeit schriftlicher Vereinbarungen in ver­schiedenen Ländern sehr unterschiedlich aufgefasst (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Verbindlichkeit schriftlicher Vereinbarungen

In der Vertragsgestaltung ist darauf zu achten, dass zur Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten Regelungen zu allem in der Kooperation relevantem Know-how vertraglich festgehalten werden. Die drei verschiedenen Kategorien von Know-how umfassen das in die Kooperation eingebrachte, das gezielt ent­wickelte sowie das durch die Kooperationspartner während der Kooperation separat entwickelte Know­how (peripheres Know-how). Darüber hinaus ist die geplante Verwertung der Ergebnisse genau festzuhal­ten. Dies betrifft auch Regelungen über die Nutzungs­rechte der Parteien an den Ergebnissen. Neben den

Rechten sind auch die Pflichten, die aus der Kooperati­on oder den Ergebnissen entstehen, vertraglich festzu­halten. Wer ist beispielsweise verantwortlich für die Durchsetzung der Rechte an den Kooperationsergeb­nissen, wenn es zu Verletzungen durch Dritte kommt?

Durchführung

Im Verlauf einer Kooperation entsteht neues Wissen. Dieses erarbeitete Know-how gilt es zu schützen. Eben­so sind die Rechte für eine gewinnbringende Verwer­tung zu sichern. Dazu müssen die unterschiedlichen Schutzmöglichkeiten, aber auch die Schutzvorausset­zungen bekannt sein, die sich in den betrachteten Län­dern zum Teil erheblich unterscheiden. Neben der Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen müs­sen zwischen den Partnern jedoch auch operative Fra­gen geklärt werden: Wer meldet zum Beispiel ein Patent an und in welchen Ländern wird es angemel­det? Wichtig ist auch die Frage, wann die Schutzrechte angemeldet werden sollen. So finden sich in den ver­schiedenen Ländern unterschiedliche Regelungen darüber, wem das Recht auf ein Patent zusteht – dem, der es als erster anmeldet oder dem ersten Erfinder? Auch die Neuheit einer Erfindung kann unterschied­lich beurteilt werden. Macht etwa ein Kooperations­partner frühzeitig Informationen öffentlich zugäng­lich, so kann dies in Abwesenheit einer Regelung zur Neuheitsschonfrist der Patenterteilung entgegen­

12 AUFBAU DES LEITFADENS

stehen, da der Erfindung die Neuheit fehlt. Darüber hinaus müssen in die Überlegungen zur Sicherung der Schutzrechte auch Kosten und Dauer der rechtlichen Verfahren einbezogen werden.

Während der Kooperation ist eine laufende Kon­trolle der rechtlichen Rahmenbedingungen ebenso erforderlich wie die Überprüfung der erreichten Ziele. Zum einen ist zu prüfen, ob sich nationale Regelungen dahingehend verändert haben, dass die Voraussetzun­gen des Kooperationsvertrages nicht mehr erfüllt sind. In diesem Fall ist der Vertrag gemäß den Änderungen anzupassen. Dies bedingt natürlich, dass bereits im Vorfeld vertraglich festgehalten wurde, bei Verände­rung der Rahmenbedingungen entsprechende Anpas­sungen vorzunehmen. Zum anderen sollte während der Kooperation die Motivation des Partners regelmä­ßig hinterfragt werden. Werden seine Ziele weiterhin erreicht? Welche zusätzlichen Optionen bieten sich dem Kooperationspartner, wenn er geschütztes Know­how anderweitig nutzt oder an Dritte weitergibt? Besteht die Gefahr einer nicht vertragsgemäßen Nut­zung durch den Kooperationspartner, so ist dies recht­zeitig zur Sprache zu bringen. Gegebenfalls müssen Maßnahmen ergriffen werden.

Auflösung

Die Ziele der Kooperation werden zu Beginn mit dem Kooperationspartner festgelegt. Dazu zählen auch Erfüllungskriterien, an die das Ende der Kooperation geknüpft ist. Das Ende der Kooperation kann beispiels­weise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach einer bestimmten Kooperationsdauer erreicht sein. Oft wer­den auch bestimmte technische Ziele definiert. Neben den Kriterien, die das Ende der Kooperation festlegen, sollten die Kooperationspartner im Vorfeld auch Abbruchkriterien vereinbaren. Der Abbruch einer Kooperation kann erforderlich werden, wenn sich etwa die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern oder Vertragverletzungen durch den Kooperations­partner festgestellt werden. Darüber hinaus ist zu defi­nieren, wie bei einem frühzeitigen Abbruch der Koope­ration mit den bisherigen Ergebnissen und dem ent­standenen Aufwand zu verfahren ist. Dies ist besonders wichtig, wenn die Kooperation wegen einer Vertrags­verletzung beendet wird.

13 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

4. Die fünf Phasen einer FuE-Kooperation

4.1. Strategie und Zieldefinition

Im vorgestellten Phasenmodell einer FuE-Kooperation dient die erste Phase der Strategie- und Zieldefinition (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Einordnung der Phase „Strategie und Zieldefinition"

Vor der Feststellung, ob Kooperationsbedarf besteht, steht zunächst die Festlegung der internen Forschungs- und Entwicklungsziele im Rahmen der übergeordneten Unternehmensstrategie. Aus dem Abgleich dieser Ziele mit den unternehmensintern vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten lässt sich der Bedarf für FuE-Kooperationen ermitteln. Daraus ergeben sich dann die konkreten Ziele und das ange­strebte Ergebnis der Kooperation. Den Ablauf zeigt Abbildung 7.

Abbildung 7: Ableitung des Kooperationsbedarfs aus der Unternehmensstrategie

Sollten zur Zielerreichung externe Ressourcen erforderlich sein, so gilt es, den Umfang der FuE-Kooperation zu definieren. Dabei wird unterschieden, welche Art von Ergebnis die Kooperation erzielen soll und auf welche Weise durch Verwertung der Koopera­tionsergebnisse übergeordnete Ziele erreicht werden

können. Das Kooperationsergebnis kann ein Produkt, ein Prozess, aber auch ein rein wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn sein. Auch lassen sich die Ergebnis­se sowohl extern als auch intern verwerten. Unter die interne Verwertung fallen beispielsweise die Patentie­rung der Ergebnisse, ihre Nutzung für nachfolgende Forschungsaktivitäten oder Übertragung auf eigene Produkte sowie deren Vermarktung. Eine externe Ver­wertung ist hingegen die Lizenzvergabe oder der Ver­kauf der Rechte von Forschungsergebnissen an Dritte.

Auf dieser Basis kann bereits ein Profil erstellt wer­den, in dem eigene Zielvorgaben und Anforderungen an die Kooperation definiert sind. Dies erleichtert die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern zur erfolgreichen Durchführung und späteren Verwer­tung der Ergebnisse.

14 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

4.2. Anbahnung

In der Anbahnungsphase wird (vgl. Abbildung 8) auf Basis des zuvor festgelegten Kooperationsprofils nach geeigneten Partnern zur Durchführung der FuE-Kooperation gesucht.

Abbildung 8: Einordnung der Phase „Anbahnung"

Abbildung 9 zeigt das Vorgehen zur Auswahl geeigneter Kooperationspartner. Zunächst wird ein Kompetenzprofil erstellt, das der Kooperationspartner aufweisen sollte, damit die Ziele der Kooperation er­füllt werden können. Je nach Zieldefinition können dies Eigenschaften wie wissenschaftliche Expertise, Marktkenntnis oder auch eine besonders gute Reputa­tion sein.

Abbildung 9: Übersicht des Vorgehens zur Auswahl eines Kooperationspartners

Anhand des erstellten Kompetenzprofils beginnt die Suche nach potenziellen Partnern. Hier gilt es bereits im Vorfeld Kompetenzen abzugleichen, um eine sinnvolle Vorauswahl zu treffen.

Die Bewertung landestypischer Einflussfaktoren und Risiken sollte bereits in diesem Stadium in die Betrachtungen einfließen. Abhängig von den Koope­rationszielen können rechtliche Aspekte oder kulturel­le Faktoren im jeweiligen Land erheblichen Einfluss auf die Anbahnung, aber auch auf die Durchführung der Kooperation ausüben. Daher ist es bereits bei der Vorauswahl von Kooperationspartnern wichtig, diese landesbezogenen Einflussfaktoren zu kennen.

Schon im Vorfeld von Gesprächen mit möglichen Partnern sollte Klarheit darüber geschaffen werden, wie mit bestehendem und innerhalb der Kooperation erarbeitetem Know-how umzugehen ist. Eine Rechts­beratung ist bereits in diesem frühen Stadium drin­gend zu empfehlen, damit Geheimhaltungsvereinba­rungen und dergleichen rechtlich einwandfrei ausfor­muliert werden. Hierfür sollte man sich auch darüber im Klaren sein, welche Informationen in den Gesprä­chen preisgegeben werden dürfen.

15 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Im Anschluss an die Gespräche mit möglichen Part­nern sollten systematisch die Chancen und Risiken erörtert werden, die eine Zusammenarbeit mit jedem der in Frage kommenden Kooperationspartner mit sich bringen kann (vgl. Abbildung 10).

Abbildung 10: Erstellung von Chancen- und Risikoprofilen potenzieller Partner

Auf der Basis der erstellen Profile können dann einer oder mehrere Kooperationspartner ausgewählt werden.

Rechtsmentalität

Unterschiedliche Rechtsmentalitäten können sich stark auf das Vertragsgebaren und die Rechtspraxis im Konfliktfall auswirken. Die untersuchten Länder las­sen sich grob in drei Rechtskreise unterteilen, die „Civil Law” Länder, die „Common Law” Länder und sol­che mit Transformationshintergrund: Am weitesten verbreitet sind der kontinentaleuropäische „Civil Law”-Ansatz und das vom angelsächsischen Einfluss geprägte „Common Law”. Ersteres fußt auf kodifizier­tem Recht. Man findet es nicht nur in Europa, sondern auch in Südamerika, weiten Teilen Asiens und in Afri­ka. Seine Wurzeln liegen im Römischen Recht. Das „Common Law” hingegen ist das in den angelsächsi­schen Ländern teilweise fortgeltende Recht, das sich nicht primär auf Gesetze, sondern auf richterliche Urteile aus der Vergangenheit (Präzedenzfälle) stützt

und entsprechend von der Rechtsprechung fortgebil­det wird. Das „Common Law” hat Züge des Gewohn­heitsrechts. Es richtet sich nicht nur nach den Geset­zen, sondern nach der Gesamtheit der Prinzipien, Richtlinien und Entscheidungen der Judikative. Teile des „Common Law" gelten in ihrer ursprünglichen Fassung noch in zahlreichen Ländern, die früher Kolo­nien der englischen Krone waren, so etwa in den USA, Kanada, Australien oder Neuseeland .

Während die Türkei neben Brasilien und auch Russ­land der römischen Rechtstradition und damit dem „Civil Law” zuzuordnen sind, sind die USA, aber auch Indien als ehemals britische Kolonie, von der angel­sächsischen Rechtsgeschichte geprägt (vgl. Abbil­dung 11).

In Südkorea und China, deren Recht ebenfalls nach dem „Civil Law” ausgestaltet ist, gilt darüber hinaus in unterschiedlichem Maße traditionelles Rechtsdenken fort, was sich vor allem auf die Praxis der Umsetzung der größtenteils auf westlichen Rechtsvorstellungen beruhenden geschriebenen Normen auswirkt.

Welchen Einfluss die verschiedenen kulturellen Rechtshintergründe auf die Anbahnung einer interna­tionalen Forschungskooperation haben können, soll nachfolgend beispielhaft dargestellt werden:

16 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Abbildung 11: Unterschiedliche rechtskulturelle Hintergründe

Allzu oft wird in Deutschland angenommen, dass einer schriftlich niedergelegten Vereinbarung in anderen Ländern derselbe Stellenwert eingeräumt wird wie hierzulande und dass man sich im Streitfall im Ausland ebenso vertrauensvoll an die Justiz wen­den kann. Dies ist jedoch mitnichten der Fall: Bereits die Zusammenarbeit mit einem Partner aus einem europäischen Nachbarland oder den Vereinigten Staa­ten von Amerika erfordert eine erhöhte rechtliche und interkulturelle Sensibilität. So ist es wichtig, bereits bei Vertragsabschluss die Gefahr eines kostspieligen, mit vielen Besonderheiten behafteten Rechtsstreits zu minimieren. Umso mehr gilt dies für Entwicklungs­und Schwellenländer wie Brasilien, Südafrika und Indien, die zwar im Verlauf ihrer kolonialen Geschich­te das kontinentaleuropäische Recht oder das britische „Common Law" übernommen haben, deren Rechts­durchsetzung jedoch aufgrund unzureichender Res­sourcen bei weitem nicht so effizient ist wie in den meisten entwickelten Industriestaaten. Schließlich fin­den sich unter den betrachteten Ländern auch solche mit Transformationshintergrund, in denen der Rechts­sprechung erst seit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft eine ähnliche Rolle zukommt wie in traditionell marktwirtschaftlich ausgerichteten Län­dern. Trotz moderner Gesetze hat sich dort meist noch keine gefestigte Rechtsprechungspraxis etabliert. Die größten Besonderheiten im Hinblick auf das „gelebte" Recht weist in diesem Zusammenhang China auf, des­sen Gesellschaft über Jahrtausende hinweg andere Mechanismen zur Absicherung von geschäftlichen Transaktionen entwickelt hat als die vom Recht flan­kierte vertragliche Vereinbarung. Hier klaffen

geschriebenes, zumeist aus dem Westen übernomme­nes Recht und der Umgang der Gerichte und Institu­tionen mit diesem Recht am weitesten auseinander.

Diese Hintergründe gilt es, sich bewusst zu machen. Sie müssen bereits in der Phase der Entschei­dung über die Aufnahme von Kooperationsbeziehun­gen in die Überlegungen einfließen, damit eine Zusammenarbeit auch unter ungewohnten Rahmen­bedingungen zum Erfolg führen kann.

Beispiel China

In China findet sich eine Reihe potenzieller Koopera­tionspartner, u.a. aufstrebende Unternehmen und staatliche Wissenschaftsinstitute. Nicht zuletzt auf­grund eines umfangreichen Pools an hervorragend ausgebildeten Ingenieuren und Naturwissenschaft­lern eignet sich eine immer größere Zahl an chinesi­schen Einrichtungen zur Zusammenarbeit im Hoch­technologiebereich. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage des häufig als unzureichend kritisierten Rechtsschutzes vertraglicher Vereinbarungen (vgl. Abbildung 5). Zwar verfügt auch China über einen rechtlichen Patent- und Know-how-Schutz auf akzep­tablem Niveau sowie über eigene vertragsrechtliche Regelungen für Technologievereinbarungen. Diese lassen sich aber im konkreten Streitfall häufig nicht durchsetzen. Der am häufigsten genannte Grund ist der so genannte Regionalprotektionismus, also der Schutz ortsansässiger Unternehmen durch Behörden

17 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

und Gerichte vor Ansprüchen Ortsfremder. Da der Vertragspartner damit rechnen kann, dass sein Gegenüber im konkreten Streitfall vor Gericht nicht in der Lage sein wird, seine Ansprüche gegen die unerlaubte Verwertung eines in die Kooperation ein­gebrachten Patents oder die Weitergabe von techni­schen Geheimnissen geltend zu machen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er dem Vertrag wenig Bedeutung beimessen wird.

Angesichts der Schwierigkeiten, die eine rechtli­che Auseinandersetzung in China mit sich bringen kann, ist es erforderlich, sich weit im Vorfeld einer Kooperation über die Rolle und die Motivation seines Kooperationspartners im Klaren zu sein.

Konkret bedeutet dies: Erkundigungen über die Verflechtungen des potenziel­len Partners mit staatlichen Einrichtungen und Unter­nehmen einholen! In China besteht normalerweise ein hoher Grad an institutionellen und personellen Verflechtungen zwischen Unternehmen und Behör­den vor Ort. So arbeiten alle Beteiligten auf Wachs­tum und Wohlstand in ihrer Region hin - die Unter­nehmen, indem sie Arbeitsplätze bereitstellen und Körperschaftssteuern zahlen und die Behörden, indem sie Investitionsentscheidungen politisch mit­tragen und zum Teil auch Schutz vor Konkurrenz aus anderen Landesteilen bieten (was gesetzlich jedoch nicht erlaubt ist). Ein Grund für diese Verflechtung besteht in der schrittweisen Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft, die die Grenzen zwischen „staatlich” und „privat” auch heute noch verwischt. Für den deutschen Partner gilt es daher, diejenigen zu ermitteln, die indirekt auf das Projekt Einfluss neh­men könnten, beispielsweise durch die Bereitstel­lung von Mitteln, die eine Durchführung von chinesi­scher Seite finanziell absichern. Diese Personen oder Institutionen könnten dann auch die in das Projekt eingebrachten technischen Geheimnisse beanspru­chen. Wie viele Institutionen an einer Kooperation unmittelbar und mittelbar beteiligt sein können, lässt sich unter anderem anhand der Liste derjenigen erahnen, die an Vorgesprächen über Vertragsver­handlungen oder an den eigentlichen Vertragsver­handlungen teilnehmen. Über die Teilnehmer an Vertragsverhandlungen und die Institutionen, denen sie angehören, sollte der deutsche Koopera­tionspartner rechtzeitig Erkundigungen einholen.

Entsprechend dem Grad der Verflechtung des poten­tiellen Partners mit weiteren regionalen und überre­gionalen Institutionen empfiehlt es sich, darauf hin­zuwirken, dass der Vertrag eine klare Vereinbarung über den Personenkreis enthält, der Kenntnis über in das Projekt eingebrachte und aus dem Projekt her­vorgegangene technische Geheimnisse erlangen darf. Solche Klarheit garantiert zwar im konkreten Streitfall noch keinen Erfolg, verringert aber den Spielraum für Parteilichkeit auf Seiten der Verfol­gungsbehörden und der Justiz.

Über die Ziele, die der potenzielle Partner mit der Kooperation verfolgt, Klarheit schaffen! In Vorgesprä­chen sollte so weit wie möglich die Ernsthaftigkeit ermittelt werden, mit der der eigentliche Verhand­lungsgegenstand verfolgt wird. Inwieweit ist der chi­nesische Partner beispielsweise bereit, sich finanziell zu engagieren und damit Risiken eines Scheiterns auf sich zu nehmen? Wie weit richten sich die Verhand­lungsbeiträge der chinesischen Seite auf das gemein­same Ziel? Und inwieweit hängt der Vertragsab­schluss davon ab, dass der Kooperationspartner tech­nisches Wissen in die Zusammenarbeit einbringt?

Ausreichend Zeit einplanen! Persönliche Bezie­hungen und der Aufbau von Vertrauensverhältnis­sen ersetzen in China nach wie vor in starkem Maße klare vertragliche Regelungen und deren Absiche­rung durch Rechtsvorschriften. Ist beispielsweise ein früherer Doktorand der eigenen Institution bei dem potenziellen Kooperationspartner tätig und wurde der Erstkontakt auf diese Weise angebahnt, so besteht eine Grundlage für den weitergehenden Auf­bau einer vertrauensvollen Beziehung. Es ist sehr wichtig, dass den Teilnehmern der chinesischen Ver­handlungsdelegation „gleichwertige” Verhand­lungspartner von deutscher Seite gegenüberstehen, dass also beispielsweise der Institutsdirektor sich nicht durch einen niederrangigen Mitarbeiter vertre­ten lässt, weil er einen anderweitigen Termin hat. Termine sollten entsprechend abgestimmt werden. Wenn Verhandlungen in Deutschland stattfinden, sollte auch an ein Rahmenprogramm gedacht wer­den. In China ist es selbstverständlich, dass Gäste zum Essen eingeladen und zu lokalen Sehenswürdig­keiten geführt werden.

Häufig sind chinesische Verhandlungspartner an einem unverbindlichen „Letter of Intent”, dass man weitergehende Kooperation beabsichtigt, interessiert. Solche unverbindlichen Vorvereinbarungen gehen in China in Statistiken über die Technologiekoopera­

18 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

tion mit dem Ausland ein und können das Ansehen einer Institution oder einer Region aufwerten. Sie bieten sich gerade dann an, wenn nicht sofort in allen Punkten Einigkeit erzielt werden kann, es sich aber um ein interessantes Projekt handelt, das wei­terverfolgt werden soll. Dann können beide Parteien mit einem Zwischenergebnis auseinander gehen, ohne das Gesicht zu verlieren. Sollte die chinesische Seite auf Eile drängen, ist Vorsicht geboten. Schutz­rechte anmelden! In Verhandlungen über FuE-Kooperationen kommen die Partner oft nicht umhin, technische Geheimnisse preiszugeben, um über­haupt eine konkrete Verhandlungsgrundlage zu schaffen. Um nicht Gefahr zu laufen, sich durch Preis­gabe eines Geheimnisses seines geistigen Eigentums zu entledigen, sollte vor Aufnahme der Vertragsver­handlungen sicherheitshalber die Patentanmeldung des geheimen Gegenstandes in China in Betracht gezogen werden. Damit sichert man sich ein Anmel­dedatum, kann aber die Anmeldung vor Offenle­gung, die erst nach 18 Monaten erfolgt, wieder zurückziehen, falls dann doch Geheimhaltung ange­zeigt sein sollte. Gem. Art. 43 des chinesischen Ver­tragsgesetzes (Contract Law of the People´s Republic of China)13 sind zudem Geheimnisse, die im Verlauf von Verhandlungen zur Sprache kommen, auch dann zu wahren, wenn ein Vertrag schließlich doch nicht zustande kommt. Wirksamer als der bloße Ver­lass auf diese Bestimmung erscheint jedoch die Patentanmeldung, aufgrund derer man im Streitfall ein klar umrissenes und damit überzeugendes Recht vorweisen kann.

Rückzugsmöglichkeiten einplanen! Aufgrund der vergleichsweise hohen Rechtsunsicherheit empfiehlt es sich, Rückzugsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen – also in Verhandlungen auf eine Kooperationsform hinzuwirken, die schrittweises, von erreichten Zwi­schenzielen abhängiges Einbringen von materiellem und immateriellem Kapital erlaubt. Verläuft später die Kooperation in anderen als in den vertraglich vorgesehenen Bahnen, so bleibt der Schaden bei einem Ausstieg begrenzt.

Vertretungen vor Ort in Anspruch nehmen! Eine Reihe renommierter deutscher und internationaler

13 In englischer Fassung abrufbar unter http://www.sipo.gov.cn/sipo_ English/laws/relatedlaws/200204/t20020420_34757.htm. Der Gesetzes­text von Art. 43 lautet folgendermaßen: »A business secret the parties learn in concluding a contract shall not be disclosed or unfairly used, not matter the contract is established or not. The party who causes the other party to suffer from losses due to disclosing or unfairly using the business secret shall be liable for damages.

Sozietäten unterhält auch Niederlassungen in China. Deutsche Anwälte arbeiten im Bereich der Rechts­durchsetzung mit ausgesuchten chinesischen An­wälten zusammen. Die Fachleute vor Ort können bei der Vertragsanbahnung und bei der Ausgestaltung von Vertragsklauseln wichtige Beratung leisten, die späteren Streit vermeiden hilft.

4.3. Vertragsgestaltung

Nachdem die Ziele einer Kooperation definiert sind und diese angebahnt ist, wird im nächsten Schritt der konkrete Vertrag mit dem Kooperationspartner ausge­handelt (vgl. Abbildung 12). Vertraglich zu regeln ist nicht nur der Umgang mit dem in die Kooperation ein­gebrachten Know-how sowie den aus der Verhand­lung hervorgehenden Forschungsergebnissen, son­dern soweit möglich auch – sozusagen in Vorwegnah­me eines möglichen Streits – das anwendbare Recht und der Gerichtsstand.

Die folgende Auflistung dient als „Checkliste”, welche Punkte die Kooperationspartner auf jeden Fall berück­sichtigen sollten:

Geheimhaltung Regelung der Eigentumsrechte Nutzungsrechte Lizenzen/Übertragungen Anmeldung von Schutzrechten Vorgehensweise bei Unstimmigkeiten oder Haftungsfällen Anwendbares Recht und Gerichtsstand Vertragsstrafen Kündigung Allgemeine Punkte

Geheimhaltung:

Im Vertrag sollte kein Zweifel daran gelassen werden, dass Innovationen und technische Geheimnisse, die in die Zusammenarbeit eingebracht werden oder aus ihr hervorgehen, nur den unmittelbaren Vertragspartei­en gehören. Jede Weitergabe über diesen Kreis hinaus muss demnach eine Vertragsverletzung darstellen. Zwischen den Kooperationspartnern stellen sich hin­sichtlich des eingebrachten und gemeinsam ent­wickelten technischen Wissens deshalb folgende Fra­gen, die bereits im Vertrag grundsätzlich zu klären sind:

19 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Abbildung 12: Einordnung der Phase „Vertragsgestaltung"

Zunächst sollten verschiedene Wissensbereiche voneinander getrennt und geschützt werden. Um nicht nur auf den sehr einzelfallbezogenen und in eini­gen Ländern recht rudimentär geregelten Schutz des Geschäftsgeheimnisses zu vertrauen, sollte ein Vertrag klare Vorschriften über den Umgang mit eingebrach­tem oder im Verlauf der Kooperation entwickeltem Know-how enthalten. Gerade im Hinblick auf den gesetzlichen Geheimnisschutz gilt es in den meisten Ländern gewisse Vorgaben zu beachten, damit über­haupt die Kriterien eines Geschäftsgeheimnisses erfüllt sind. Hier heißt es klare Geheimhaltungsregeln zu for­mulieren und Maßnahmen zu beschreiben, anhand derer belegt werden kann, dass tatsächlich versucht wird, das entsprechende Wissen geheim zu halten.

Das Wissen, das in einer Kooperationsvereinba­rung zu regeln ist, lässt sich zunächst in drei Katego­rien aufteilen (vgl. Abbildung 13):

Abbildung 13: Kategorien des Know-hows

Zur ersten Kategorie gehören die so genannten „Altschutzrechte” oder „Background Know-how”, also Wissen, das von beiden Seiten in die Kooperation ein­gebracht wird. Dieses sollte darauf begrenzt werden, was zur Durchführung der Kooperation unbedingt erforderlich ist. Auch sollte je nach Gegenstand eine Patent-, Gebrauchsmuster- oder sonstige Schutzrechts­anmeldung im Zielland in Betracht gezogen werden. Auch die bereits erwähnte Patentanmeldung aus Sicherheitsgründen kommt hier in Betracht. Entschei­det man sich für Geheimhaltung, so sollte diese im Ver­trag klar geregelt werden.

Eine weitere Kategorie bildet das von beiden Seiten im Kooperationsverlauf separat voneinander erarbei­tete Wissen. Der Vertrag sollte regeln, wie mit Wissen zu verfahren ist, das jede Partei unabhängig voneinan­der im Laufe der Kooperation aufbaut, vor allem im Hinblick auf das Wissen, das dem Kooperationspartner

20 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

zur Durchführung der Zusammenarbeit mitgeteilt werden muss.

Die dritte Kategorie ist das Wissen, das von beiden Seiten gemeinsam erarbeitet wird. Der Vertrag sollte klare Klauseln darüber enthalten, wie mit solchem Wissen zu verfahren ist, beispielsweise dass es geheim zu halten ist, bis die Parteien eine Entscheidung dar­über getroffen haben, ob eine Schutzrechtsanmel­dung erfolgt oder ob es grundsätzlich geheim zu hal­ten ist.

Regelung der Eigentumsrechte:

Wie im Fall der Geheimhaltung gilt auch hier, ver­schiedene Kategorien von Wissen auseinander zu hal­ten.

In die Kooperation eingebrachtes Wissen Generell sollten die Rechte bei demjenigen verbleiben, der das jeweilige technische Wissen in die Kooperati­on mit einbringt.

Während der Kooperation separat erworbenes Wissen Entwickeln beide Seiten im Verlauf der Kooperation getrennt voneinander neue technische Lösungen, so ist die Eigentumsfrage meist unproblematisch. Wer die technische Lösung entwickelt hat oder zu einem verwertbaren Entwicklungsergebnis gekommen ist, dem sollte auch das Eigentumsrecht daran zustehen.

Gemeinschaftlich erarbeitetes Wissen Anders verhält es sich bei Wissen, das im Zuge der Kooperation gemeinsam erarbeitet wurde: Im Vertrag sollte genau ausgeführt werden, was die Parteien unter „gemeinsamer Entwicklung” verstehen. Des Weiteren sollte der Vertrag Bestimmungen enthalten, die den Umfang, in dem beide Seiten über das gemein­same Wissen verfügen können, genau regeln. Entwe­der erhält einer der Kooperationspartner die alleini­gen Eigentumsrechte an den Entwicklungsergebnis­sen oder diese stehen beiden Kooperationspartnern gemeinschaftlich zu. Ersteres ist gerade deshalb vorzu­ziehen, da gemeinschaftliches Eigentum im Hinblick auf etwaige Einwilligungen oder gemeinsame Verfü­gungsberechtigungen deutlich öfter Uneinigkeiten auslöst.

Bevor jedoch eine wirksame Regelung über die Eigen­tumsverhältnisse getroffen werden kann, muss geklärt werden, inwiefern der Kooperationspartner über­

haupt frei über die Entwicklungsergebnisse verfügen kann.

Beispiel Deutschland

In Deutschland ist in diesem Zusammenhang an § 42 ArbnErfG zu denken, der als Folge der Freiheit der Wissenschaft in Forschung und Lehre nach Art. 5 GG Sonderregelungen für alle Hochschulbeschäftigten enthält. Mit der Gesetzesänderung vom 18. Januar 2002 ist § 42 ArbnErfG novelliert und das so genannte Hochschullehrerprivileg abgeschafft worden. § 42 ArbnErfG lautet nun folgendermaßen:

§ 42 Besondere Bestimmungen für Erfindungen an Hochschulen

Für Erfindungen der an einer Hochschule Beschäftig­ten gelten folgende besonderen Bestimmungen:

1. Der Erfinder ist berechtigt, die Diensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zu offenbaren, wenn er dies dem Dienstherrn rechtzeitig, in der Regel zwei Monate zuvor, ange­zeigt hat. § 24 Abs. 2 findet insoweit keine Anwen­dung.

2. Lehnt ein Erfinder aufgrund seiner Lehr- und For­schungsfreiheit die Offenbarung seiner Dienster­findung ab, so ist er nicht verpflichtet, die Erfin­dung dem Dienstherrn zu melden. Will der Erfin­der seine Erfindung zu einem späteren Zeitpunkt offenbaren, so hat er dem Dienstherrn die Erfin­dung unverzüglich zu melden.

3. Dem Erfinder bleibt im Fall der Inanspruchnahme der Diensterfindung ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Diensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit.

4. Verwertet der Dienstherr die Erfindung, beträgt die Höhe der Vergütung 30 vom Hundert der durch die Verwertung erzielten Einnahmen.

5. § 40 Nr. 1 findet keine Anwendung.

§ 42 ArbnErfG wurde durch Gesetz vom 18. Januar 2002 dahingehend geändert, dass Hochschulan­gehörige ihre Erfindungen nun nicht mehr grundsätzlich für sich beanspruchen können. Die

21 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Arbeitgeber-Arbeitnehmer Regelung gilt nun auch für Wissenschaftler an den Hochschulen. Das Beschneiden der Individualansprüche einzel­ner Hochschulangehöriger soll den Wissenstrans­fer zwischen öffentlichen Forschungsinstituten und der Wirtschaft erleichtern.

Beispiel USA

Auch in den USA gilt es, die Gesetzeslage betreffend der Inhaberschaft an Entwicklungsergebnissen sorg­fältig zu prüfen. Hier gilt die Grundregel, dass der Erfinder Inhaber der Diensterfindung ist. Erfinder­person ist dabei diejenige, die die Erfindung tatsäch­lich gemacht hat, mit der Folge, dass in den meisten Fällen eine „joint ownership" anzunehmen ist, zu der jeder Beteiligte entweder konzeptionell (conception) oder durch praktische Umsetzung (reduction to practice) beigetragen hat. Als Folge der gemein­schaftlichen Stellung als Eigentümer kann jeder der Eigentümer beispielsweise ein erteiltes Patent für sich und ohne die Einwilligung des anderen aus­üben, lizenzieren, übertragen etc. (35 U.S.C. Sec. 262).

Die gesetzlichen Regelungen über die Inhaber­schaft können jedoch vertraglich geändert werden. Zu diesem Zweck enthalten die meisten Arbeitsver­träge eine Regelung, die dem Arbeitgeber alle Rech­te an der Diensterfindung einräumt. Auch besteht eine Reihe von Ausnahmen: Zu berücksichtigen ist etwa die so genannte „employed-to-invent”-Doktrin, nach der alle Rechte dem Arbeitgeber zustehen, wenn der Arbeitnehmer als Erfinder eingestellt wur­de (Siehe dazu z.B. Standard Parts Co. v. Peck, 264 U.S. 53 (1924)). Darüber hinaus gilt auch die „shop-right”­Doktrin, die dann eingreift, wenn der Arbeitnehmer für seine Erfindung die Ressourcen des Arbeitgebers nutzt. In diesem Fall geht man davon aus, dass die Inhaberschaft zwar beim Arbeitnehmer verbleibt, dieser dem Arbeitgeber jedoch eine exklusive kosten­lose Lizenz erteilt. Generell ist in den USA zu beach­ten, dass das Arbeits- und Vertragsrecht in jedem Bundesstaat unterschiedlich geregelt ist.

Im Hinblick auf die Inhaberschaft an Entwick­lungsergebnissen in den USA gilt es weiterhin folgen­des zu beachten: De facto kann die Regierung zu jeder Zeit für sich oder einen Dritten ein erteiltes Patent beanspruchen. Dem Patentinhaber bleibt

dann lediglich die Möglichkeit, eine Kompensation für diese Aneignung einzuklagen. Auch wenn von dieser Möglichkeit nicht oft Gebrauch gemacht wird, sollte man sich über ihr Bestehen bewusst sein. Wird die Forschung und Entwicklung, aus welcher das Patent hervorgeht, staatlich finanziert, besteht fer­ner die Möglichkeit für die Regierung, bestimmte Eingriffsrechte („March-in Rights) auszuüben. Rele­vant sind in diesem Zusammenhang neben dem „Bayh-Dole Act” für staatlich finanzierte Forschung, welche außerhalb der Regierung stattfindet, der „Ste-venson-Wydler Act” für staatlich finanzierte For­schung, welche auch innerhalb der Regierung vorge­nommen wird. Der „Bayh-Dole Act” erlaubt bei­spielsweise Universitäten, kleineren Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen, die Ergebnisse staatlich finanzierter Forschung selber zu vermark­ten. Wie auch § 42 ArbnErfG in Deutschland liegt dem „Bayh-Dole Act” die Überlegung zugrunde, dass Eigentumsrechte in den Händen von Einrichtungen für Unternehmen deutlich attraktiver sind und eine bessere Garantie für den Technologietransfer bieten als verstreute Ansprüche in den Händen von Einzel­forschern. Interessant sind im Zusammenhang mit staatlich finanzierter Forschung beispielsweise auch die Leitlinien der „National Science Foundation – NSF”. Die NSF ist verantwortlich für die finanzielle Unterstützung von Forschung und Bildung auf allen Gebieten der Wissenschaften mit Ausnahme der Medizin. Die „Grant General Conditions” des NSF set­zen sich in Art. 21 mit Patenten auseinander. Zusätz­lich zu den bestehenden „March-in Rights” der Regie­rung nach 35 U.S.C. Sec. 203 ist in Art. 21 Buchst. b. der Leitlinien für die Regierung eine nicht exklusive, nicht übertragbare und unwiderrufliche Lizenz zu Gunsten der Regierung vorgesehen. In Art. 21 Buchst. d wird weiterhin die Inhaberschaft der Rechte für den Fall geregelt, dass sich der Geförderte gegen eine Erlangung von Schutzrechten entscheidet.

Beispiel Russland

In Russland wird die Inhaberschaft an Erfindungen grundsätzlich zwischen den Parteien auf vertragli­cher Ebene aufgeteilt. Zu diesem im Vierten Zivilge­setzbuch (ZGB 4) enthaltenen Grundsatz der Auftei­lung nach dem Parteiwillen gibt es jedoch Ausnah­men. Diese Ausnahmen finden sich in einer Reihe

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von Regierungsverordnungen, von denen die Regie­rungsverordnung Nr. 685 vom 17. November 2005 eine zentrale Rolle spielt. In ihr sind die Grundlagen für die Verteilung der Rechte an mit staatlichen Mit­teln geschaffenen Ergebnissen wissenschaftlich­technischer Tätigkeit geregelt.

Staatliche Auftraggeber sollen demnach beim Ab­schluss von Verträgen über das Schaffen von Ergebnis­sen wissenschaftlich-technischer Tätigkeit aus budge­tären Mitteln folgende Prinzipien einhalten:

Staatliche Auftraggeber müssen im Vertrag zwin­gend sicherstellen, dass die Rechte an Ergebnissen der wissenschaftlich-technischen Tätigkeit aus bud­getären Mitteln dem Staat zustehen, wenn diese Ergebnisse kraft Gesetz aus dem Verkehr gezogen oder im Verkehr beschränkt sind oder die Russische Föderation die Finanzierung der Vorbereitung dieser Ergebnisse bis zum Stadium ihrer gewerblichen Ver­wendung (einschließlich der Fertigung einer Ver­suchsserie) übernommen hat.

Staatliche Auftraggeber müssen im Vertrag fer­ner zwingend sicherstellen, dass die Rechte an Ergeb­nissen der wissenschaftlich-technischen Tätigkeit aus budgetären Mitteln dem Staat oder dem Staat und dem Auftragnehmer gemeinsam zustehen, wenn diese Ergebnisse mit der Gewährleistung der Verteidigung und Staatsicherheit sowie dem Schutz der Volksgesundheit zusammenhängen.

In anderen Fällen sollen die Rechte an Ergebnis­sen wissenschaftlich-technischer Tätigkeit aus föde­ralen Mitteln nach der Verordnung dem Auftragneh­mer zustehen. Dabei ist zu beachten, dass der staatli­che Auftraggeber berechtigt sein soll, die Ergebnisse unentgeltlich zum Zwecke der Erfüllung von Arbei­ten oder der Durchführung von Produktlieferungen für den Bedarf der Föderation zu nutzen.

Ergänzend hat am 2. März 2006 das russische Patent- und Markenamt (ROSPATENT) die so genann­ten „Methodischen Empfehlungen zur Regelung der rechtlichen Fragen des Rechtsschutzes und der Nut­zung von Ergebnissen wissenschaftlich-technischer Tätigkeit” verabschiedet. In diesen methodischen Empfehlungen sind Hinweise zur Vertragsgestaltung enthalten.

Werden Ergebnisse wissenschaftlich-technischer Tätigkeit von staatlichen Einrichtungen geschaffen, so stehen die Rechte an diesen Ergebnisse gemäß der Verordnung diesen Einrichtungen zu. Nach der Ver­ordnung sind die Nutzungsbedingungen in einem zwischen der staatlichen Einrichtung und dem „Ver­fügungsberechtigten über Budgetmittel” abzuschlie­ßenden Vertrag festzuhalten. Strebt eine deutsche Forschungsorganisation die Zusammenarbeit mit einer russischen staatlichen Einrichtung an, so sollte diese Regelung beachtet und der russische Vertrags­partner nach dem Vorliegen eines Vertrages mit dem „Verfügungsberechtigten über Budgetmittel” gefragt werden.

Auch gilt es, die nach wie vor defizitäre Rechts­durchsetzungslage im Vertrag zu berücksichtigen. Dafür ist eine Vereinbarung zu wählen, die im Falle von Hindernissen im Verlauf der Kooperation einen Ausstieg mit weitgehender Schadensbegrenzung ermöglicht. Die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten besteht vor allem im Bereich technischer Geheimnis­se, da Mitarbeiter in Russland vergleichsweise häufig den Arbeitsplatz wechseln - der Kreis derjenigen, die Kenntnis über technische Geheimnisse erlangen dür­fen, ist also entsprechend einzuschränken.

Beispiel China

In China findet sich in Art. 8 des Patentgesetzes (Patent Law of the People´s Republic of China) eine Regelung über Gemeinschaftserfindungen. Ent­wickeln mehrere Erfinder oder Einrichtungen eine Erfindung gemeinsam, so sind alle Beteiligten gemeinschaftlich berechtigt, ein Patent anzumel­den. Weiterhin ist in Art. 340 des Vertragsrechts (Contract Law of the People´s Republic of China) geregelt, dass die Parteien in diesem Fall eine ver­tragliche Abrede treffen können, wonach eine Partei beispielsweise auf ihr Anmelderecht verzichten kann. So erhält nur eine Partei das Recht, später ein Patent für die vertragsgegenständliche Erfindung anzumelden. Die verzichtende Partei hat jedoch das Recht, das später erteilte Patent ohne Gegenleistung zu nutzen. Möchte bei Gemeinschaftserfindungen eine Partei ihr Recht übertragen, so genießen die anderen Parteien ein Vorkaufsrecht.

23 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Ausgestaltung von Nutzungsrechten

Zusätzlich zu Klauseln über die Zuordnung der Inha­berschaft sollte der Vertrag auch Klauseln über die Verwertung des gemeinsam erarbeiteten Wissens ent­halten.

Vertraglich geklärt werden sollte zum einen, für welche Zwecke jede Partei die Ergebnisse nutzen darf:

Jede Partei kann sich verpflichten, das Wissen aus­schließlich zum Zweck der Zusammenarbeit zu nut­zen. Alternativ kann man sich darauf einigen, dass jede Partei die Ergebnisse für ihre eigenen, vom Kooperationsgegenstand unabhängigen Forschungs­zwecke nutzen kann.

Weiterhin sollten auch die Nutzungsrechte an dem in die Kooperation eingebrachten Wissen geregelt werden:

Geregelt werden sollte in diesem Zusammenhang nicht nur, dass das eingebrachte Wissen geheim zu halten ist, sondern auch, dass es nicht über die Zwecke der Zusammenarbeit hinausgehend genutzt werden darf.

Folgendes ist ebenfalls zu klären:

Ist eine der Parteien in ihrer Nutzung räumlich auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt?

Kann jede Partei die Ergebnisse weiterent­wickeln oder modifizieren?

Dabei ist zu beachten, dass dem Vertragspartner keine unangemessenen, womöglich kartellrechtswidrigen Bedingungen auferlegt werden. Nach Teil II, Abschnitt 8 des “Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums” (TRIPS-Übereinkom­men), dem alle der hier behandelten Länder außer Russland als WTO-Mitglieder angehören, können die Mitgliedsstaaten gesetzliche Vorkehrungen gegen die Gültigkeit solcher Verträge treffen.

Lizenzen und Übertragungen von Rechten

Werden für die Entwicklungsergebnisse Schutzrechte angemeldet, so stellen sich verschiedene Fragen:

Kann jede Partei Schutzrechte an Dritte weiter­lizenzieren oder sogar ganz übertragen?

Was geschieht mit den Lizenzeinnahmen?

Hat die eine Partei ein Vorkaufsrecht oder ein Vetorecht, wenn die andere Partei ihren Anteil an Dritte überträgt?

Gerade im Zusammenhang mit der Übertragung von Rechten sind in einigen der untersuchten Länder gesetzliche Besonderheiten zu beachten.

Beispiel China

So ist in China bei der Übertragung und Lizenzierung von Patenten Art. 10 des Patentgesetzes (Patent Law of the People´s Republic of China) zu beachten. Die­ser besagt, dass die Übertragung von Rechten an Aus­länder eine Regierungserlaubnis (von der zuständi­gen Behörde des State Council) erfordert. Die zustän­dige Patentverwaltungsbehörde ist in China das SIPO, das Chinesische Staatsamt für Geistiges Eigen­tum (Art. 3 Patent Law). Außerdem muss die Übertra­gung in einem schriftlichen Vertrag vereinbart wer­den, der dann wiederum beim SIPO registriert wer­den muss. Erst wenn die Registrierung von der Behör­de angezeigt worden ist, erlangt die Vereinbarung Rechtskraft. Der Antrag auf Registrierung kann jedoch nicht von der ausländischen Firma/Institution oder Person selbst gestellt werden, solange diese kei­nen festen Sitz in China hat oder vor Ort durch eine Tochterfirma oder ein Joint-Venture vertreten wird. Für die Eintragung müssen dann Patentanwälte vor Ort beauftragt werden.

Über die Übertragung des Rechts zur Patentan­meldung oder des Patents müssen die Parteien einen schriftlichen Vertrag abschließen und diesen bei der Patentverwaltungsbehörde des Staatsrates registrie­ren lassen, die ihn daraufhin bekanntmacht. Die Übertragung des Rechts zur Patentanmeldung oder des Patents wird mit dem Tag der Registrierung wirk­sam14 .

Die patentrechtlichen Regelungen in China wer­den ergänzt durch die „Measures on the administra­tion of recordation of patent licensing agreements" (2001), die bestimmen, dass alle Lizenzvereinba­

14 Dt. Übersetzung in GRUR Int. 2001, 541 ff.

24 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

rungen, aber auch Übertragungsverträge innerhalb von drei Monaten beim SIPO oder dessen lokalen Dependancen angezeigt werden müssen. Die Eintra­gung ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung (außer bei der Übertragung von Patentrechten), jedoch zwingend notwendig, um die Rechte gegen­über Dritten durchzusetzen oder auch, um Lizenzge­bühren außer Landes überweisen zu können. Sind in China angemeldete Patente in eine Technologie­transfer-Vereinbarung involviert, so muss dies beim SIPO angezeigt werden. Sind nur ausländische Paten­te betroffen, reicht eine Eintragung beim Handelsmi­nisterium.

Beispiel Russland

Auch in Russland ist bei der Übertragung von Rech­ten an (Erfindungs-) Patenten, Gebrauchsmustern und „industrial designs" eine Regierungserlaubnis erforderlich, ohne die die Vereinbarung nichtig ist. Im russischen Zivilgesetzbuch (ZGB 4) finden sich darüber hinaus noch Sonderregelungen, welche Klauseln ein entsprechender Übertragungsvertrag enthalten muss. Gleiches gilt auch für die Vergabe von Lizenzen.

Beispiel Brasilien

Nach Art. 211 des brasilianischen Patentgesetzes sind Technologietransfer-Verträge beim nationalen Patent- und Markenamt (INPI) zu registrieren. Dies umfasst neben der Übertragung von Rechten und Lizenzvereinbarungen auch Franchiseverträge15. Der Antrag auf Eintragung kann jedoch von beiden Par­teien gestellt werden.

15 „211. The INPI shall register the contracts involving transfer of technology, franchising and similar contracts in order that they may become effective with regard to third parties.”

Anmeldung von Schutzrechten

Wenn das Anmelderecht geklärt ist, ist auch zu regeln, welcher Partei welche Aufgaben zufallen - beispiels­weise bei der Formulierung der Ansprüche, der Beauf­tragung einer Patentvertretung oder Ähnlichem. Gebühren, Aufwendungen für patentanwaltliche Ver­tretung sowie administrative oder gerichtliche Verfah­ren, die das Patent betreffen, können erhebliche Kosten verursachen, so dass auch hier eine vertragli­che Vereinbarung angezeigt ist, um späteren Streit zu vermeiden.

Weitere in den Vertragsverhandlungen zu beachtende Punkte

Im Vertrag sollten außerdem die folgenden Fragen geklärt werden:

Nehmen die Vertragspartner vor einer gerichtli­chen Auseinandersetzung ein vorgeschaltetes Schiedsverfahren in Anspruch?

Welche Fragen können durch solch ein Schieds­verfahren geklärt werden, welche können nur durch das Gericht behandelt werden?

So ist es durchaus sinnvoll, einstweilige Maßnahmen zur Beweissicherung von einer Schiedsklausel aus­drücklich auszunehmen, damit der Kooperationspart­ner im Streitfall einem Antrag auf einstweilige Maß­nahmen - die nur das Gericht verhängen kann - nicht den Hinweis auf das Bestehen einer solchen Klausel entgegensetzen kann.

Was geschieht in Haftungsfällen?

In diesem Zusammenhang ist nicht nur an Rechtsver­letzungen, sondern auch an die Produkthaftung zu denken. Die Parteien sollten sich darüber einig sein, wie die Kosten in solchen Fällen aufzuteilen sind:

Wer ist dafür zuständig, Verletzer zu verklagen?

Gibt es eine Vertragsstrafe für den Fall des Ver­tragsbruchs?

Welche Gründe können dazu führen, die Koope­ration frühzeitig aufzulösen?

25 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

In welchen Fällen kommt es zu einer Beweis­lastumkehr? (Denkbar wäre hier etwa der Fall, dass in die Kooperation eingebrachtes Wissen in der Öffentlichkeit bekannt wird.)

Zu klären sind ferner allgemeine Punkte wie:

Definitionen Ziele und Etappen der Kooperation Dauer der Kooperation Tatsächliche Verantwortlichkeiten Gerätschaften Wettbewerbsverbotsklauseln

4.4. Durchführung der Kooperation

Während der FuE-Kooperation wird durch die Partner neues Wissen erarbeitet. Die Rechte an den Entwick­lungsergebnissen und die geplante Verwertung wur­den im Vorfeld bereits festgelegt. In dieser Phase der Kooperation (vgl. Abbildung 14) müssen die Schutz­rechte an den Ergebnissen gesichert werden. Dafür sind die jeweiligen Schutzmöglichkeiten und die Schutzvoraussetzungen zu prüfen. Darüber hinaus ist zwischen den Partnern festzulegen, wer für die Erlan­gung der Schutzrechte verantwortlich ist und wie die Kosten dafür zwischen den Partnern aufgeteilt wer­den.

Abbildung 14: Einordnung der Phase „Durchführung der Kooperation"

Schutzmöglichkeiten

Für den Schutz von Innovationen aller Art, die aus einer Forschungskooperation hervorgehen können, sieht das Recht eine Reihe von Schutzmöglichkeiten vor. Das von seiner Abgrenzungswirkung gegenüber Dritten her zweifellos stärkste Schutzrecht ist das Patent. Es wird in der Regel für eine Dauer von 20 Jah­ren ab Anmeldetag geschützt. Seine Stärke besteht darin, dass es die Idee, die einem innovativen Produkt oder innovativen Prozess zugrunde liegt, unmittelbar schützt. Dieser Schutz richtet sich nicht nur gegen die

Imitation durch Dritte, sondern auch gegenüber den­jenigen, der dieselbe Erfindung gemacht, es aber ver­säumt hat, diese rechtzeitig zum Patent anzumelden. Das Erstanmeldeprinzip, welches demjenigen das Patent zuspricht, der zuerst eine Anmeldung einge­reicht hat, gilt fast überall auf der Welt, nicht jedoch in den USA.

Beispiel USA

Nur im US-Recht gilt nach wie vor das so genannte Ersterfinderprinzip („first to invent”), das denjenigen begünstigt, der die Erfindung tatsächlich als Erster gemacht hat. Die Entscheidung darüber wird in einem gerichtsähnlichen Interferenz-Verfahren getroffen. Der Inhalt des in den USA praktizierten Ersterfinderprinzips besteht kurz zusammengefasst darin, dass nur der eigentliche und wahre Erfinder berechtigt sein soll, ein Patent für seine Erfindung zu erlangen. Das Interferenz-Verfahren zum Nachweis der Erfinderschaft ist zeit- und kostenintensiv. Nicht zuletzt aufgrund der großen Beweisschwierigkeiten in der Praxis überlegen die Vereinigten Staaten zur­zeit, ebenfalls zum Erstanmeldeprinzip überzuge­hen. Hier entscheidet lediglich das Datum der zuerst eingegangenen Anmeldung darüber, wem das Patentrecht nach der Erteilung zusteht

Zu welchem Zeitpunkt der Schutz auch einsetzt – Hauptmerkmal des Patents ist, dass es nicht nur vor Imitatoren, sondern auch unabhängigen Erfindern schützen soll. Um Letzteren nicht die Geschäftsgrund­lage zu entziehen, dürfen diese in der Regel ihre tech­nische Lösung im bis zur Anmeldung geltenden Umfang weiterverwenden. Hier unterscheidet sich das Patentrecht beispielsweise vom Urheberrecht, das den Autor lediglich vor Kopien und anderen Formen der unerlaubten Verwertung seines Werkes schützt, nicht aber vor unabhängigen Nachschöpfungen. Ein Patent zu erlangen erfordert einiges an Kosten und Zeit, denn

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das Patentamt überprüft die Erfindung mit großem Aufwand. So kann es sicherstellen, dass es das Schutz­recht tatsächlich für eine Erfindung erteilt, die neu und so erfinderisch ist, dass ein Fachmann nicht ohne weiteres auf denselben Erfindungsgedanken gekom­men wäre (Näheres zu den Patentierungsvoraussetzun­gen unter „Durchführung der Kooperation – Schutz­voraussetzungen”).

Eine Übersicht über die Anmeldehäufigkeit der befragten Unternehmen und Institute in den verschie­denen Regionen findet sich in Abbildung 15.

Eng verwandt mit dem Patent ist das Gebrauchsmu­ster. Es bietet ein „kleineres Schutzrecht” zur Förde­rung der Innovation vor allem bei kleinen und mittle­ren Unternehmen. Gebrauchsmuster sind internatio­nal nicht geregelt. Ihre Laufzeit ist zumeist kürzer als die des Patents. Sie sind rascher und billiger zu erlan­gen, da sie zumeist nur formal auf Vollständigkeit der Unterlagen und hinreichende Offenbarung des Erfin­dungsgedankens geprüft werden, nicht aber auf Neu­heit oder den so genannten „erfinderischen Schritt”. Auch wird der erfinderische Schritt bei Gebrauchsmu­stern, der zum Erlangen der Schutz-rechte erforderlich ist, in vielen Ländern niedriger angesetzt als beim Patent. Schließlich beschränkt eine Reihe von Ländern den Gebrauchsmusterschutz auf bestimmte Gegen­stände, weshalb der Schutz nur für Erzeugnisse, nicht

Abbildung 15: Anmeldehäufigkeit von Patenten

aber für Verfahren oder chemische Stoffe erlangt wer­den kann. Ebenfalls verwandt mit dem Patent ist das Geschmacksmuster, das ein ästhetisches, nicht alleine durch Eigenschaften und Funktionen vorgegebenes Design industrieller Erzeugnisse mit einem Schutz­recht belohnt. Verwandtschaft mit dem Patentrecht weist darüber hinaus das Sortenschutzrecht auf. Dieses schützt die erfolgreiche Züchtung neuer Pflanzensor­ten. Ein Patentrecht kann für Pflanzen im Normalfall nicht erlangt werden, da es sich dabei nicht um „tech­nische” Lösungen handelt.

Streng abzugrenzen vom Patentrecht, weil er auf gänzlich unterschiedlichen Prinzipien beruht, ist der Schutz des betrieblichen Geheimnisses. Handelt es sich um ein Geheimnis technischer Art, so spricht man auch von „Know-how” im eigentlichen juristischen Sinne16. Das Betriebsgeheimnis wird in den meisten Ländern durch das Gesetz gegen den unlauteren Wett­bewerb geschützt. Die internationalen Regeln zum Geheimnisschutz geben einen sehr groben Mindest­standard vor, so dass die Schutzvorschriften in den ein­zelnen Ländern stark voneinander abweichen können. Beispielsweise regeln einige Länder die Strafbarkeit der Weitergabe von Geheimnissen durch Beschäftigte oder ehemals Beschäftigte, während andere Länder hierfür gar keine Vorschriften vorsehen. Ein geschütz­

16 S. Fn.6

27 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

tes Geheimnis liegt in allen betrachteten Ländern dann vor,

wenn ein Geheimnis in dem Sinne, dass es in Wahrheit nicht schon öffentlich bekannt ist, tat­sächlich vorliegt;

wenn erkennbare Vorkehrungen zur Geheimhal­tung getroffen werden, also beispielsweise der Kreis derjenigen, die darüber Kenntnis erlangen dürfen, eingeschränkt oder Mitarbeiter zur Ver­schwiegenheit verpflichtet werden;

wenn der Gegenstand der Geheimhaltung auch tatsächlich geheimhaltenswert ist, dessen Wei­tergabe also für das betreffende Unternehmen einen Schaden mit sich bringt.

Aktuelle Wirtschaftsnachrichten berichten darüber, dass die Geheimhaltung als Schutzmöglichkeit immer attraktiver wird. Ein Grund dafür ist die wachsende weltweite Produktpiraterie. Durch die heutigen welt­umspannenden Kommunikationswege fällt es Pro­duktpiraten immer leichter, sich im Ausland veröffent­lichtes Wissen zur Herstellung nachgeahmter Produk­te anzueignen. Gerade in Asien werden immer häufi­ger Erfindungsgedanken kopiert – unabhängig davon, ob sie dort zum Patent angemeldet wurden – und die Produkte weltweit exportiert. Werden Erfindungen geheim gehalten, so besteht diese Gefahr nicht.

Allerdings bietet der Know-how-Schutz lediglich die Möglichkeit, gegen unmittelbaren Verrat und Ver­wendung des eigenen Geheimnisses vorzugehen. Dagegen, dass ein Dritter ohne Rückgriff auf geheim gehaltene Laborunterlagen dieselbe technische Lösung entwickelt oder die Öffentlichkeit auf andere Weise Kenntnis über das Know-how erlangt, wirkt es nicht. In diesem Moment – und darin unterscheidet es sich vom Patent – verliert das Geheimnis seinen Schutz und damit auch seinen Wert.

Ob man sich für Geheimhaltung oder für Patente ent­scheidet, hängt stark von der Technologie ab, die den Vertragsgegenstand bildet. Manche Produktinnovati­on lässt sich durch Rückwärtsentwicklung des Produk­tes einfach ermitteln. Das technische Geheimnis ist damit verloren. Geht es um technische Herstellungs­verfahren, so lässt sich das Geheimnis meistens für län­gere Zeit aufrechterhalten, da das Produkt nicht unbe­dingt auf das Herstellungsverfahren schließen lässt.

Neben dem Patentrecht, dem Know-how-Schutz und sonstigen Schutzrechten ist auch eine Reihe wei­terer Rechtsnormen in der Ausübungs- und Durchset­zungspraxis von Bedeutung: Das allgemeine Zivilrecht beispielsweise ist in den meisten Ländern maßgeblich für Vertragsstreitigkeiten. Einige Länder wie China sehen hier ein eigenes Vertragsgesetz vor, das sich auf verschiedene Typen von Verträgen bezieht. Das Zivil-und Strafverfahrensrecht ist von hoher praktischer Relevanz, wenn es zu Durchsetzungsstreitigkeiten kommt. So regelt es beispielsweise das Verfahren der Beweisführung und andere prozessuale Aspekte. Wie die Ausführungen zu Rechtsstreitigkeiten noch aufzei­gen werden, ist gerade ein lückenhaftes Verfahrens­recht in vielen Ländern die Ursache für die unzurei­chende Rechtdurchsetzung. Das Strafrecht sieht Sank­tionen für schuldhafte Verletzungen vor, die eine be­sondere Schwere aufweisen. Auch dieses kann im Falle der unerlaubten Weitergabe von Betriebsgeheimnis­sen relevant werden. Von großer Bedeutung ist auch das internationale Privatrecht, eine der schwierigsten juristischen Disziplinen. Es regelt die Umstände, unter denen beispielsweise ein Richter fremdes Recht an­wenden muss, wenn sich dies aus dem Ort der Verlet­zung, der Herkunft der Beteiligten oder sonstigen Um­ständen ergibt.

Um aufzuzeigen, wie geistiges Eigentum interna­tional geschützt werden kann, sollen nachfolgend einige der relevanten Internationalen Abkommen vor­gestellt werden:

Am 20. März 1883 wurde die Internationalen Über­einkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums in Paris (PVÜ) getroffen. Unterzeichnet von elf Staaten, trat diese Übereinkunft am 7. Juli 1884 für 14 Staaten in Kraft. Nach einer Vielzahl zeitlich befristeter bilatera­ler Abkommen, gilt die PVÜ als das erste multilaterale Abkommen über geistiges Eigentum. Der tragende Grundsatz der PVÜ ist das Prinzip der Inländerbehand­lung, das in Art. 2 Abs. 1 PVÜ niedergelegt ist. Danach genießen Angehörige eines jeden Mitgliedsstaates in allen übrigen Mitgliedsstaaten dieselben Rechte in Bezug auf den gewerblichen Rechtsschutz wie die eigenen Staatsangehörigen.

Als zweites ist der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patent Cooperation Treaty – PCT) aus dem Jahr 1970 zu nennen: Der PCT bietet Industrie und Erfindern eine Möglichkeit, einfach und kostengünstig internationa­len Patentschutz zu erhalten. Ein Patentanmelder hat

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die Möglichkeit, durch eine einzige internationale Anmeldung, entweder beim nationalen Amt oder einem regionalen Amt wie dem Europäischen Patent­amt, einen multinationalen Schutz für das angemelde­te Patent im Gebiet der Mitgliedsländer zu erwerben, Art. 3, 4 PCT. Allerdings wird durch den PCT nicht das Patenterteilungsverfahren insgesamt, sondern ledig­lich das Verfahren für eine internationale Anmeldung und die Neuheitsrecherche vereinheitlicht. Die Prü­fung der Patentierungsvoraussetzungen und die Ertei­lung werden von den nationalen Ämtern vorgenom­men und richten sich gesondert nach dem dort gelten­den Patentrecht.

Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) regelt den zentralen Teil der Patenterteilung europäi­scher Patente, vor allem die Anmeldung, das Verfah­ren und die Erteilung selbst. Nach Erteilung eines europäischen Patents zerfällt dieses in ein Bündel nationaler Patente. Insgesamt ist der Vereinheitli­chungseffekt des EPÜ begrenzt, denn die Wirkung des europäischen Patents und die Rechtsfolgen seiner Ver­letzung richten sich nach den jeweiligen nationalen Gesetzen. Nach der Erteilung des europäischen Patents sind die nationalen Patente hinsichtlich der weiteren Entwicklung voneinander vollständig unab­hängig.

Ein besonders wichtiges Übereinkommen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist das in die Welthan­delsorganisation (WTO) eingegliederte Übereinkom­men über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – „TRIPS-Über­einkommen”) vom 15. April 1994. Als verpflichtendes Teilübereinkommen der WTO kommen all die Länder, die am freien Handel teilnehmen möchten, nicht umhin, auch das Geistige Eigentum nach bestimmten Standards zu schützen. TRIPS verfolgt laut seiner Prä­ambel primär das Ziel, „Verzerrungen und Behinde­rungen des internationalen Handels zu verringern [...] sowie sicherzustellen, dass die Maßnahmen und Ver­fahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmä­ßigen Handel werden”. Unter anderem setzt es Min­deststandards für den Schutz von Patenten und für Geheimnisse betrieblicher und technischer Art, wie auch für Designs, Sorten, Halbleitertopographien und Computerprogramme. Zudem regelt TRIPS nicht nur den Mindestschutz, sondern enthält auch Vorgaben darüber, dass die Verfahren zur Erlangung von Schutz­rechten (z. B. Patentanmeldeverfahren) nicht übermä­

ßig kompliziert und aufwändig sein dürfen und dass Verfahren und Rechtsfolgen zur Rechtdurchsetzung fair zu sein haben und Verletzer wirksam abschrecken müssen. In der internationalen Praxis zeigt sich jedoch immer öfter, dass die Einhaltung der TRIPS-Vorgaben zur Rechtsdurchsetzung in Ländern, die allgemein über ein schwaches Rechtssystem verfügen, nur schwer eingefordert werden kann. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass ein Land nur deshalb, weil es Mitglied der WTO ist, wirksamen Schutz gegen Rechtsverletzungen vorsieht.

So zeigt die Studie auch, dass nur etwa bei jeder fünften festgestellten Patentrechtsverletzung tatsäch­lich rechtliche Schritte eingeleitet werden (vgl. Abbil­dung 16). Bezogen auf die Anzahl der festgestellten Patentrechtsverletzungen werden nur in 4 Prozent der Fälle die Ansprüche auch erfolgreich durchgesetzt. Laut Angaben der Befragten liegt dies gleichermaßen an den Kosten, dem generellen Aufwand, weil etwa die richtigen Stellen erst ermittelt werden müssen, sowie der dafür benötigten Zeit.

Schutzvoraussetzungen

Nach dieser kurzen Darstellung der Schutzmöglichkei­ten, die nationales und internationales Recht vorsehen, soll etwas konkreter auf die Voraussetzungen einge­gangen werden, die erfüllt werden müssen, um Patent­schutz zu erlangen. Diese unterscheiden sich zwischen den betrachteten Ländern zum Teil erheblich:

Sieben der untersuchten Länder sind gleichzeitig Mitglieder der WTO (USA, China, Südkorea, Brasilien, Türkei, Südafrika und Indien), so dass sich alle nach den in Art. 27 TRIPS enthaltenen Patentierungsvoraus­setzungen zu richten haben. Zwar zeigt sich Russland zuversichtlich im Hinblick auf einen baldigen Beitritt zur WTO, doch eine tatsächliche Einigung zeichnete sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht ab.

Nach Art. 27 (1) TRIPS sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik zur Verfügung zu stellen. Vor­aussetzung dafür ist, dass sie neu sind, auf einer erfin­derischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwend­bar sind. Allerdings werden diese Voraussetzungen in jedem Land unterschiedlich interpretiert – beispiels­weise im Hinblick auf die Definition einer Erfindung, aber auch auf den für die Bestimmung der Neuheit einer Erfindung relevanten Stand der Technik.

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Abbildung 16: Durchsetzung von Patentschutzrechten

Die Patentierungskriterien sollen ein Mindestmaß an Sicherheit schaffen, so dass auch nur für schützens­werte, neue Erfindungen ein Patent erteilt wird. Sinn und Zweck der Neuheitsprüfung ist, dass nichts mit einem Schutzrecht belastet werden kann, was für die Allgemeinheit bereits frei verfügbar ist. Nach Art. 54 Abs. 1 EPÜ gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Daher bemisst sich im europäischen Recht die Neuheitsbeurteilung nach einem Einzelvergleich des Anspruchs mit den Offenba­rungen im Stand der Technik, soweit dieser inhaltlich relevant ist. Nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der euro­päischen Anmeldung der Öffentlichkeit durch schrift­liche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht wurde. Eine große praktische Bedeutung hat daneben das bereits erwähnte Patentierungserfordernis der erfin­derischen Tätigkeit. Nach Art. 56 EPÜ beruht eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit, „wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt”. Weitere Vor­aussetzung, um eine Erfindung zum Patent anmelden zu können, ist nach Art. 57 EPÜ das Erfordernis der gewerblichen Anwendbarkeit. Demnach gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegen­stand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet ein­schließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann.

Folgende Beispiele sollen kurz verdeutlichen, dass nach wie vor in den verschiedenen Ländern unter­schiedliche Auffassungen darüber bestehen, was über­haupt als Patent angemeldet werden kann und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Selbst wenn Art. 27 (1) TRIPS die Patentierungskriterien vorgibt, so werden die Begriffe der „Erfindung”, aber auch der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit in den unter­suchten Ländern unterschiedlich ausgelegt. Diese Unterschiede können sich auf Forschungskooperatio­nen auswirken. So können etwa bestimmte Entwick­lungsergebnisse in einigen Ländern nicht durch das Patentrecht geschützt werden, weil es ihnen an der erforderlichen Neuheit oder Erfindungshöhe mangelt oder ihnen von vornherein kein Erfindungsstatus anerkannt wird.

Beispiel Indien, der Fall Novartis

Novartis wurde in Indien der Patentschutz für das Krebsmedikament „Glivec” unter Anführung von Sec. 3 (d) des indischen Patentgesetzes17 versagt. Besagte Vorschrift sieht vor, dass Weiterentwick­lungen und neue Anwendungsgebiete bereits bekannter Medikamente nicht als Erfindungen

17 The Patents Act, 1970, in englischer Sprache abrufbar unter http://www. patentoffice.nic.in/ipr/patent/patent_2005.pdf (zuletzt besucht im Februar 2008).

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anerkannt werden18. Der Antrag auf Patentschutz wur­de vom indischen Patentamt mit dem Argument abge­lehnt, dass „Glivec” keine echte innovative Neuheit sei, sondern es sich vielmehr um eine neue Formulierung eines bereits bekannten Stoffes handle. Das Pharmaun­ternehmen Novartis reichte daraufhin zwei Klagen ein. Die eine richtete sich gegen die Entscheidung des indi­schen Patentamts, das den Patentschutz verwehrt hat­te, die andere setzte sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Abschnitts 3 (d) und seiner Vereinbarkeit mit TRIPS auseinander.

Im Verfahren um die Vereinbarkeit von Sec.3 (d) mit Art. 27 TRIPS brachte Novartis vor, dass die indische Regelung, nur solchen Weiterentwicklungen von Medikamenten Schutz zu gewähren, die zu einer bedeutenden Verbesserung der Wirkung führen, mit Art. 27 Abs.1 TRIPS unvereinbar sei. Dieser Artikel besagt, dass der Patentschutz auf allen Gebieten der Technik und ohne Diskriminierung im Hinblick auf ein­zelne Gebiete der Technik zu gewähren sei. Im vorlie­genden Fall würde das Gesetz jedoch höhere Anforde­rungen an Weiterentwicklungen für Pharmazeutika stellen als an Erfindungen auf anderen Gebieten der Technik.

Das Gericht entschied, dass die WTO selbst die Ver­einbarkeit der umstrittenen Passage des 2005 novel­lierten indischen Patentgesetzes mit dem TRIPS-Über­einkommen zu prüfen habe. Das indische Gericht sei hier nicht zuständig, da TRIPS ein eigenes Verfahren zur Streitbeilegung im Hinblick auf seine Auslegung vorsehen würde. Dieses Verfahren sei vorrangig in Anspruch zu nehmen. Demnach müsste die Schweiz als Heimat von Novartis eine Klage gegen Indien vor dem Schieds-Panel der WTO einreichen.

18 Die englische Fassung von Sec. 3 (d) lautet: “The following are not inven­tions within the meaning of this Act [...] (d) the mere discovery of a new form of a known substance which does not result in the enhancement of the known efficacy of that substance or the mere discovery of any new property or new use for a known substance or of the mere use of a known process, machine or apparatus unless such known process results in a new product or employs at least one new reactant.”

Beispiel USA

Auch die USA weisen aus europäischer Sicht im Hin­blick auf Neuheit, „erfinderische Tätigkeit” und Patentierbarkeit einige Besonderheiten auf, die für Forschungskooperationen relevant werden können.

In den USA sind beispielsweise deutlich mehr Gegenstände dem Patentschutz zugänglich als in Europa. Dies ergibt sich aus Sec. 101 des amerikani­schen Patentrechts (35 U.S.C.). Anders als im EPÜ wird dort der patentfähige Gegenstand positiv formuliert: „Wer irgendein neues und nützliches Verfahren, Maschine, Erzeugnis oder Stoff oder davon irgendei­ne neue und nützliche Verbesserung erfindet oder entdeckt, kann dafür nach den Bedingungen und Erfordernissen dieses Titels ein Patent erlangen.” Dem Technizitätserfordernis nach dem EPÜ steht somit im amerikanischen Patentrecht das Erfordernis der „utility” entgegen. Die zu 35 U.S.C. Sec. 101 beste­henden Ausnahmen sind vom Gewohnheitsrecht herauszubilden und werden nicht explizit – wie im EPÜ – aufgezählt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Chemikalien, pharmazeuti­sche Produkte und andere Stoffe auch „als solche” patentfähig sind. Der Erfinder eines Stoffes kann demnach durch die Patentierung alle Verwendun­gen dieses Stoffes verbieten, vor allem auch solche, die zur Zeit der Erfindung noch unerkannt sind. Auch sind Algorithmen/ Computerprogramme in den USA nur dann von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn sie eine abstrakte Idee darstellen und keine praktische Anwendungsmöglichkeit entfalten (nütz­liches, greifbares und konkretes Ergebnis). Nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. c EPÜ werden Programme für Datenverarbeitungsanlagen „als solche” dagegen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Möglich ist jedoch die Patentierung computerimplementierter Erfindungen. Voraussetzung ist, dass das Computer­programm Bestandteil einer „technischen” Erfin­dung ist, was bei einem CNC-Bearbeitungszentrum der Fall sein dürfte, nicht aber bei einem Textpro­gramm.

Eine weitere Besonderheit ist die so genannte „grace period” (Neuheitsschonfrist). So enthält 35 U.S.C. Sec. 102 nicht nur Regeln darüber, was das Gesetz als „neu” ansieht („prior art provisions”), son­dern auch so genannte „statutory bar” Vorschriften, also gesetzliche Patenthinderungsgründe. Der

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Unterschied der Regelungen liegt darin, dass sich die Frage der Neuheit zum Zeitpunkt des Erfindungsda­tums entscheidet („prior art provisions”), die Frage, ob Patenthinderungsgründe („statutory bars”) grei­fen, jedoch erst zum Zeitpunkt des Anmeldedatums beurteilt werden kann.

Anknüpfend an die Definition der Neuheit ent­hält das amerikanische Patentrecht in 35 U.S.C. Sec. 102 (b) eine Regelung zur „grace period” bzw. zur Neuheitsschonfrist. Sie schützt den Erfinder gegen Vorveröffentlichungen, die innerhalb eines Jahres vor der Patentanmeldung erfolgt sind. Folgende Tat­bestände stellen nach Sec. 102 (b) neuheitsschädliche Tatbestände dar, sollte der Anmelder die fragliche Erfindung nicht innerhalb eines Jahres in den USA anmelden:

– die Beschreibung der Erfindung in einer gedruck­ten Veröffentlichung oder die Patentierung der Erfindung durch irgendjemanden, irgendwo auf der Welt.

– die öffentliche Vorbenutzung der Erfindung in den USA oder das Verfügbarmachen zum Verkauf in den USA

Durch die Regelung in Sec. 102 (b) wird der Zeit­punkt für die Prüfung der Neuheit der Erfindung effektiv um 12 Monate vorverlegt, es sei denn, eine Nutzung, Veröffentlichung oder Patentanmeldung hat vor der eigentlichen Erfindung durch den Anmel­der stattgefunden (gem. 35 U.S.C. Sec. 102 (a) oder 102 (e)).

Die Tatsache, dass manche Staaten eine Neuheits­schonfrist gesetzlich verankert haben, andere aber nicht, ist in internationalen Forschungskooperatio­nen zu berücksichtigen. So kennt beispielsweise das EPÜ keine Neuheitsschonfrist im amerikanischen Sinne. Dies kann dazu führen, dass eine frühe Vorver­öffentlichung dazu führt, dass beim Europäischen Patentamt kein Patent mehr angemeldet werden kann. Ein häufig angeführtes Beispiel ist das Pionier­patent von Cohen/Boyer, den Entdeckern der rekom­binanten DNA (künstliches DNA-Molekül, welches anhand gentechnischer Methoden neu zusammen­gesetzt wird). Die Ergebnisse wurden veröffentlicht, ohne dass rechtzeitig eine europäische Patentanmel­dung eingereicht wurde. Dank der einjährigen Neu­

heitsschonfrist in den USA konnte dort gerade noch rechtzeitig ein Patent erlangt werden, aufgrund des­sen Einnahmen um die 200 Mio. USD erzielt wurden. In Europa hingegen konnte aufgrund der neuheitsschäd­lichen Vorveröffentlichung kein Patent mehr erlangt werden.

Staatliche Intervention: Zwangslizenzen

Staatliche Intervention kann ein weiterer Faktor sein, den es bei der Durchführung einer internationalen Kooperation zu bedenken gilt. Hier gilt es insbesonde­re die staatliche Intervention mittels Vergabe von Zwangslizenzen zu beachten. Auf andere Formen, wie den staatlichen Anspruch auf technische Ergebnisse, die mit Hilfe staatlicher Fördermittel erzielt worden sind, wurde oben bereits eingegangen.

Die Patentgesetze und begleitenden Vorschriften vieler Länder erlauben unter bestimmten Voraus­setzungen die Vergabe einer so genannten Zwangs­lizenz. Dies ist eine staatlich erzwungene Verwertung des Patents zu einer als angemessen erachteten Lizenz­gebühr, etwa von Technologien, die für die nationale Sicherheit oder die Grundversorgung der Bürger essentiell erscheinen, nachdem freie Verhandlungen zwischen Patentinhaber und dem möglichen Lizenz­nehmer ohne Ergebnis geblieben sind. Die Wahr­scheinlichkeit einer Zwangslizenzerteilung ist von Land zu Land unterschiedlich. Sie kann jedoch darüber entscheiden, ob ein Schutzrecht angemeldet werden sollte. Nur in diesem Fall wird schließlich die techni­sche Lösung offenbart, so dass Dritte davon Kenntnis erlangen und Lizenzen nachfragen können.

Beispiel China, Brasilien: Angabe des Ursprungs genetischer Ressourcen

Beide Länder weisen eine große Vielfalt an heimi­schen Tier- und Pflanzenarten auf und setzen sich gemeinsam mit Indien und anderen Schwellen- und Entwicklungsländern international für eine Aufnah­me der „Angabe des Ursprungs genetischer Ressour­cen” in die Voraussetzungen für die Patentierung von Erfindungen ein, die auf genetischen Ressourcen beruhen. Hierbei müssen Patentanmelder unter anderem nachweisen, dass sie augrund einer voran­

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Abbildung 17: Definitionen des Neuheitsbegriffs

gegangenen „ Zustimmung aufgrund Inkenntnisset­zung” („prior informed consent”) durch örtliche Gemeinden oder die sie verwaltenden Einrichtungen rechtmäßig in den Besitz von genetischem Material und ggf. des dazugehörigen traditionellen Wissens gelangt sind. In Brasilien wurde diese Voraussetzung schon früh auf nationaler Ebene eingeführt, doch sah sich das Patentamt über mehrere Jahre hinweg nicht in der Lage, die Prüfung dieses Nachweises in die Patentprüfung aufzunehmen. Erst seit 2006 herrscht Einklang zwischen dem Nachweiserlangungs- und Patenterteilungsverfahren. Allerdings gestaltet sich die Erbringung des Nachweises für potenzielle Patentanmelder nach wie vor äußerst schwierig, da hierfür sowohl die Landbesitzer oder örtlichen Gemeinden als auch eine Reihe von Einrichtungen konsultiert werden müssen. Ähnlich schwierig könn­te sich alsbald die Lage in China gestalten, wo der Entwurf zur Neuregelung des Patentgesetzes eben­falls vorsieht, den Patentanmelder zur Angabe des Ursprungs genetischer Ressourcen sowie von tradi­tionellem Wissen zu verpflichten. Derzeit arbeiten mehrere Behörden unabhängig voneinander an dem Erlass von Vorschriften über die Einholung der „Zustimmung aufgrund Inkenntnissetzung”.

Beispiel China

Nach den derzeitigen Plänen zu einer umfassenden Änderung des PatG sollen die Möglichkeiten zur Zwangslizenzerteilung erheblich ausgeweitet wer­den. U.a. sollen Zwangslizenzen schon dann statthaft sein, wenn diese dem „Schutz der öffentlichen Ge­sundheit” dienen, was zumindest dem Wortlaut nach über die enger definierten Voraussetzungen der Zwangslizenzerteilung nach Art. 31 (b) TRIPS („natio­naler Notstand, andere Umstände von äußerster Dringlichkeit, öffentliche nicht gewerbliche Nut­zung”) hinausgeht. Daneben sollen in Einklang mit der Doha-Ministererklärung über das TRIPS-Abkom­men und die öffentliche Gesundheit19 vom 14. Novem­ber 2001 Zwangslizenzen nicht nur zur Versorgung der eigenen Bevölkerung, sondern auch zur Versor­gung der Bevölkerung in armen Drittstaaten erteilt werden, wenn sich diese nicht aus eigener Kraft ver­sorgen können.

19 „Declaration on the TRIPS Agreement and public health”, WTO-Dokument WT/MIN(01)/DEC/2, vom 20. November 2001.

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Beispiel Türkei

Auch in der Türkei ist die Zwangslizenzvergabe auf­grund mangelnder Ausübung des Patents im Inland oder im Fall „öffentlichen Interesses” möglich. Oft werden die Regelungen zur Zwangslizenzvergabe in der Türkei als zu weitgehend kritisiert, vor allem da der Begriff des „öffentlichen Interesses” recht dehn­bar ist. Weiterhin sieht das türkische Recht keine zeit­liche Begrenzung der Zwangslizenz für den Zeitraum vor, in dem die Voraussetzungen für ihre Erteilung gegeben sind.

Beispiel Brasilien, Fall Efavirenz

Mit der Begründung eines erheblichen öffentlichen Interesses erteilte Brasilien im Mai 2007 Zwangsli­zenzen für das von Merck hergestellte AIDS-Medika­ment „Efavirenz” auf Grundlage der „Doha-Erklä­rung über das TRIPS-Übereinkommen und die öffent­liche Gesundheit” sowie Art. 31 TRIPS. Erstmals setzte sich Präsident Luiz Inacio Lula da Silva damit über das exklusive Patent des Pharmaunternehmens Merck für das AIDS-Medikament „Efavirenz” hinweg und unterzeichnete am 4. Mai 2007 das Dekret Nr. 6.108 (im Staatsblatt vom 7. Mai 2007 bekannt gemacht) über die Vergabe zweier Zwangslizenzen. Er berief sich dabei auf Art. 71 des brasilianischen Patentrechts (No. 9,279)20 .

Hintergrund war die Auseinandersetzung über den zu zahlenden Preis für das Medikament. Per Dekret 6.108 ist nun geregelt, dass der Patentinhaber eine Lizenzgebühr von 1,5 Prozent der Herstellungs­kosten oder des Preises erhält, zu dem das Ministeri­um das Arzneimittel abnimmt.

Abgesehen von nationalem Notstand oder öffent­lichem Interesse ist in Brasilien auch die Zwangs­lizenzvergabe nach Art. 68 ff. (No. 9,279) zulässig, etwa wenn nach drei Jahren das Patent im Inland

20 Art. 71: “In cases of national emergency or of public interest, as declared in an act of the Federal Executive Power, and provided the patentholder or his licensee does not fulfill such need, a temporary and non-exclusive compulsory license for exploiting the patent may be granted, ex officio, without prejudice to the rights of the respective titleholder. The act of granting the license shall establish its term and the possibility of extension.”

nicht ausgeübt wird. Nur im Ausnahmefall kann eine solche „Ausübung” auch durch Import der patentier­ten Erzeugnisse erfolgen21.

Beispiel Indien

Ähnlich gestaltet sich die Lage in Indien, wo eine Zwangslizenzvergabe möglich ist, wenn das Patent nicht innerhalb von drei Jahren ab der Erteilung im Inland ausgeübt wird. In Indien kann darüber hinaus auch eine Zwangslizenz mit der Begründung bean­tragt werden, dass die Erfindung oder das Patent der Öffentlichkeit nicht zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stehen.

21 Art. 68 (1): “The titleholder shall be subject to having the patent licensed on a compulsory basis if he exercises his rights derived therefrom in an abusive manner, or by means thereof engages in abuse of economic power, proven pursuant to law in an administrative or judicial decision. (1) The following also occasion a compulsory license: I. non-exploitation of the object of the patent within Brazilian territory for failure to manufac­ture or incomplete manufacture of the product, or also failure to make full use of the patented process, except cases where this is not economi­cally feasible, when importation shall be permitted [...].”

34 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Erlangung von Schutzrechten

Das Verfahren zur Erlangung von Schutzrechten, das die Anmeldung, gegebenenfalls die Prüfung und schließlich die Erteilung einschließt, verursacht je nach Land Kosten in unterschiedlicher Höhe. Auch weichen die Verfahrensdauern erheblich voneinander ab. Ent­schließt man sich, eine Erfindung, die Gegenstand der Forschungskooperation ist, irgendwo auf der Welt zum Patent anzumelden, so sollte dies auch in dem Land geschehen, in dem die Kooperation stattfindet.

Will man ein Patent in mehreren Ländern anmel­den, so ist zunächst das Verfahren in Betracht zu zie­hen, welches der Vertrag über die Patentzusammenar­beit (Patent Cooperation Treaty – PCT) vorsieht. Dieser erlaubt es, bei einer von der WIPO anerkannten Anmeldebehörde eine internationale Anmeldung ein­zureichen und bei einer internationalen Recherchen­behörde (unter anderem die Patentämter Chinas, Süd­koreas, das USPTO und ROSPATENT) eine Recherche über die Patentierbarkeit zu veranlassen. Innerhalb einer im Normalfall 30-monatigen, so genannten internationalen Phase genießt die Anmeldung in allen Vertragsstaaten Priorität. Dritte dürfen nicht für den­selben Gegenstand eine Anmeldung einreichen. Aller­dings entbindet das PCT-Verfahren den Anmelder nicht von der Aufgabe, nach Ablauf dieser Frist natio­nale Anmeldungen in den Staaten einzureichen, in

denen er sein Patent verwerten möchte, und sein Patent einer nationalen Prüfung im Hinblick auf die Patentfähigkeit zu unterziehen. Der Grad, zu dem die Prüfer der nationalen Ämter den internationalen Recherchenbericht als maßgeblich betrachten (und damit der Grad an Sicherheit der Patentfähigkeit), variiert von Land zu Land. Die chinesischen Prüfer wer­den beispielsweise von den Prüfungsrichtlinien des SIPO dazu angehalten, sich auf jeden Fall nach Maßga­be der dortigen Vorschriften ein eigenes Bild von der Patentfähigkeit zu machen. Die Qualität des Anmelde­verfahrens hängt auch entscheidend von der Qualifi­kation des Personals ab, das am Procedere beteiligt ist. In Russland sollte man bei der Auswahl der Patentver­tretung auf Reputation und technische Qualifikation der Patentvertretungen besonders achten, da dort auch Patentanwälte ohne technische Ausbildung zugelassen werden.

Die mögliche Dauer und die Kosten einer Patenter­teilung sind in den Abbildungen 18 und 19 dargestellt. Die Kosten der Erteilung eines Patentes fallen in der Regel deutlich geringer aus als die Kosten, die mit der Aufrechterhaltung eines Patentes verbunden sind, da die Gültigkeit eines Patents 20 Jahre überschreiten kann. Die Kosten für die Aufrechterhaltung werden jährlich entrichtet und können mit der Zeit zuneh­men.

Abbildung 18: Durchschnittliche Dauer bis zur Patenterteilung22

22 Quellen: Die Jahresberichte der verschiedenen Patent- und Markenämter bzw. die im Rahmen dieser Studien angefertigten Länderberichte.

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Abbildung 19: Kosten einer Patenterteilung

Die unterschiedliche Dauer lässt sich zum Teil mit der Attraktivität des jeweiligen Wirtschaftsstandortes und einem entsprechend hohen Aufkommen an Anmeldungen erklären. Das SIPO beispielsweise ist personell und technisch vergleichsweise gut ausge­stattet, dennoch ist die jährliche Zunahme an Patent­anmeldungen so hoch, dass es große Schwierigkeiten hat, mit der Bearbeitung nachzukommen.

Durchsetzung von Rechten im Streitfall

Bereits in Deutschland ist eine gerichtliche Auseinan­dersetzung, etwa um die hoch komplizierte Frage, ob die technische Lösung eines Dritten den Schutzum­fang des eigenen Patents berührt, mit hohen Kosten und Unwägbarkeiten verbunden. Um ein Vielfaches schwieriger gestaltet sich ein solcher Streit, wenn er nach Maßgabe fremder Normen und vor dem Hinter­grund ungewohnter Rechtstraditionen stattfindet.

Beispiel China

In China gestalten sich Gerichtsstreitigkeiten auf­grund einer noch im Aufbau begriffenen Justiz als besonders kompliziert, denn ihre Mängel werden durch spezielle Durchsetzungsbehörden mit quasi­gerichtlichen Kompetenzen nur teilweise ausgegli­chen. Zum einen gelten für das gerichtliche und das behördliche Verfahren unterschiedliche Normen. Beamte der lokalen Patentadministrationen oder aber der für Verletzungen des Betriebsgeheimnisses zuständigen lokalen Behörden für Industrie und Handel treten vor allem auf Grundlage administrati­ver Vorschriften in Aktion, die vom Staatsrat oder den ihm untergeordneten Ministerien erlassen wer­den. Für die Volksgerichte sind hingegen die Gesetze und die zu ihrer Interpretation erlassenen Ausle­gungsvorschriften des Obersten Volksgerichts maß­geblich. Die Behörden dürfen in der Regel nur die Einstellung von Verletzungshandlungen anordnen und Strafen verhängen. Da ihre Aufgabe vor allem öffentlicher Natur ist und in der Wiederherstellung der Marktordnung besteht, kann man im Behörden­verfahren keinen Ersatz für erlittenen Schaden ver­langen. Auch weigern sich die Behörden in der Regel, die verletzte Partei als Verfahrensbeteiligte zuzulas­sen, sobald ein Antrag auf behördliches Vorgehen gestellt worden ist. Sie bleibt also im weiteren Verlauf

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des Verwaltungsverfahrens außen vor. Das Gesetz schreibt vor, dass jede Verwaltungsentscheidung vor Gericht überprüfbar sein muss, eine Regel, die erst im Verlauf der Anpassung der chinesischen Gesetzge­bung an die TRIPS-Vorgaben umgesetzt wurde. Dies kann allerdings zu lang andauernden Gesamtverfah­ren führen, die den behördlichen und den gerichtli­chen Instanzenweg einschließen.

Ein Verfahren vor Gericht ist zumeist langwieriger und kostspieliger als behördliches Einschreiten. Aller­dings wird speziell der Kompetenz und Unparteilich­keit der örtlichen Patentbehörden nicht viel Vertrau­en entgegengebracht. Daher empfiehlt sich besonders bei Patentstreitigkeiten ein gerichtliches Vorgehen.

Allerdings ist auch das gerichtliche Verfahren in China mit vielen Unwägbarkeiten behaftet: So ist es üblich, dass Richter sich im Verlauf des Verfahrens bereits mit den oberen Instanzen sowie mit dritten Parteien über einen bestimmten Verfahrensausgang abstimmen, etwa mit den örtlichen Regierungen und anderen Stellen, die am Verfahren ein Interesse haben, weil z.B. durch ein hartes Urteil Arbeitsplätze vor Ort verloren gehen könnten. Allgemein ist heute aufgrund mangelnder Unabhängigkeit der Justiz damit zu rechnen, dass die Gerichte im Zweifel zugunsten der ortsansässigen Partei entscheiden oder aber zumindest die Interessen der ortsansässi­gen Beteiligten in ihre Entscheidung einfließen las­sen. Nicht zuletzt deshalb sei auf den im Zusammen­hang mit der Vertragsanbahnung gegebenen Rat verwiesen, sich mit den Verflechtungen des poten­ziellen Vertragspartners und seinem institutionellen Umfeld vertraut zu machen.

Die Schwierigkeiten beginnen allerdings schon bei Beweisaufnahme. Von ausländischen Parteien werden vor Prozessbeginn und im Verfahren häufig konsularische Beglaubigungen aller eingereichten Dokumente verlangt und so das Verfahren erschwert und verzögert.

Zumindest lassen sich Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten, die mit dem eigentlichen Streitge­genstand zu tun haben, durch die Wahl eines geeig­neten Gerichts abmildern. Zwar unterhalten inzwi­schen fast alle Mittleren Volksgerichte in China auch spezielle Senate für geistiges Eigentum, doch trifft man je nach Region auf unterschiedliche Grade an Sachverstand und Praxiserfahrung. Am bekannte­

sten für eine ausgewogene Rechtsprechung, die auf dem Gebiet des geistigen Eigentums internationalen Standards entspricht, sind die Volksgerichte in Peking und in Shanghai. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich zwar nach dem Verletzungsort. Doch hat beispielsweise die rechtsverletzende Verwendung eines geheimen oder patentgeschützten Verfahrens in Chengdu im Westen Chinas Produkte hervorge­bracht, die auch in Peking feilgeboten werden, so kann der in Chengdu ansässige Verletzer wegen Her­stellung und Inverkehrbringung verletzender Erzeugnisse auch in Peking verklagt werden.

Weitere Unsicherheiten im Hinblick auf die Ver­fahrenspraxis könnten durch die geplante Neurege­lung des Patentgesetzes entstehen. Nach den derzei­tigen Plänen verwirkt der Rechtsinhaber nicht nur das Recht auf Schadensersatz, sondern muss auch die weitere Verwertung seines Patents durch den Verlet­zer gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzge­bühr hinnehmen, wenn er nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem er von der Verlet­zung Kenntnis erlangt hat, Klage einreicht. Die Vor­schrift soll laut chinesischer Begründung verhin­dern, dass Rechtsinhaber zunächst abwarten und den Verletzer erhebliche Investitionen in die ver­letzende Herstellung und dgl. tätigen lassen, bevor sie rechtliche Schritte einleiten. Die geplante Neure­gelung wird jedoch als zu rigoros und wenig zielfüh­rend kritisiert. Zumindest ihrem Wortlaut nach zwingt sie die Parteien in einen Rechtsstreit, anstatt sie zunächst einen Versuch der gütlichen Einigung unternehmen zu lassen.

Nicht nur aufstrebende Länder wie China, deren Rechtsentwicklung mit der rasch voranschreitenden Industrialisierung nur schwer Schritt halten kann, stellen Kooperationpartner vor besondere Heraus­forderungen. Auch in einem hoch entwickelten Land wie den Vereinigten Staaten, die auf eine lange und angesehene Rechtstradition zurückblicken, erschwe­ren Fallstricke im Verfahren die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Streitigkeiten arten dort häufig in ein finanzielles Kräftemessen zwi­schen den Parteien aus. Die Ursache ist vor allem das so genannte „discovery”-Verfahren, in dem die Par­teien sich gegenseitig im Vorfeld des gerichtlichen

Beispiel USA

37 DIE FÜNF PHASEN EINER FUE-KOOPERATION

Verfahrens mit allen erforderlichen Informationen und Unterlagen versorgen müssen. Dies wird häufig dazu ausgenutzt, der Gegenseite durch Antrag auf Vorlage immer weiterer Unterlagen von oft zweifel­haftem Beweiswert hohe Kosten zu verursachen. Die Kosten können so hoch sein, dass die schwächere Par­tei den Fall nicht weiterverfolgen kann. In kompli­zierten Fällen können die Kosten eines Rechtsstreits bis zu 12 Mio. USD betragen.

Beispiel Russland

Von den drei Arten von Gerichten, aus denen sich das russische Gerichtswesen zusammensetzt, also den Gerichten mit allgemeiner Zuständigkeit, den Schiedsgerichten für Wirtschaftsstreitigkeiten sowie den Verfassungsgerichten, sind für Streitigkeiten um geistiges Eigentum vor allem die Gerichte mit allge­meiner Zuständigkeit maßgeblich. Hier beginnt der Instanzenweg mit den Gerichten auf Magistratsebe­ne. Die letzte Instanz bildet das Oberste Gericht. Je niedriger die Instanzhierarchie, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Urteile parteiisch ausfallen bzw. regionale Politik und Wirtschaft in die Urteils­findung mit hereinspielen. Zudem ist das geistige Eigentum in Russland noch eine recht junge Rechts­disziplin. Entsprechend selten sind spezialisierte und erfahrene Richter und Anwälte anzutreffen. Es emp­fiehlt sich also auch hier, Rechtsstreitigkeiten nur als allerletztes Mittel in Betracht zu ziehen.

Beispiel Indien

Da in Indien das geistige Eigentum erst seit Mitte der neunziger Jahre mit dem Beitritt zur WTO an Bedeu­tung gewinnt, fehlt es hier vielfach an einschlägiger Rechtsprechung. Dies gilt besonders für die oft tech­nisch hoch komplizierten Fragen des Patent- und Know-how-Schutzes. Dadurch wächst auch die Unsi­cherheit über den Ausgang von Immaterialgüter­rechtsstreitigkeiten. Andererseits heben Investoren in Umfragen die vergleichsweise hohe allgemeine Rechtssicherheit hervor. Kulturelle Faktoren, die in Ländern mit starken vorkolonialen Einflüssen auf das Rechtsdenken Gerichtsverfahren häufig erschweren, spielen in Indien eine vergleichsweise geringe Rolle.

Vor allem beim Schutz von Betriebsgeheimnissen, der im Gesetz nur rudimentär geregelt ist, hat sich aufgrund einer Reihe einschlägiger Urteile eine gewisse Rechtsprechung hinsichtlich der so genann­ten nachvertraglichen Wettbewerbsverbote gegen­über ausgeschiedenen Mitarbeitern etabliert. Dem­nach hat die Freiheit der Berufsausübung Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des früheren Arbeitgebers. Ehemalige Angestellte lassen sich kaum daran hindern, ihre im Verlauf der Anstellung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nach Been­digung des Dienstverhältnisses weiter zu nutzen. Höchstens kann ihnen verwehrt werden, geheime Informationen wie beispielsweise Datensammlun­gen einem neuen Arbeitgeber oder Konkurrenten zur Verfügung zu stellen.

Beispiel Südafrika, Brasilien

Auch Südafrika und Brasilien blicken im Wirtschafts­recht auf koloniale Rechtsnormen zurück. Allerdings lassen fehlende Informationen über einschlägige Gerichtsentscheidungen auf mangelnde Praxis auf dem Gebiet des geistigen Eigentums schließen. Auch wenn man dort mit fairen Verfahren rechnen kann, so ergeben sich Unwägbarkeiten aus der Unerfahren­heit der Justiz und der Anwälte mit Immaterialgüter­rechten. Die Dauer der Verfahren hängt stark vom Entwicklungsstand der jeweiligen Region ab.

Beispiel Südkorea

In Südkorea haben bis vor einigen Jahren vor allem ausländische Unternehmen den ineffizienten Schutz des geistigen Eigentums im Zivilverfahren beanstan­det. Allerdings hat sich dort seit dem Jahr 2000 eine Reihe von Neuerungen ergeben, nicht zuletzt auf­grund der Einsicht, dass ein effizienter Schutz des geistigen Eigentums besonders der inländischen innovativen Industrie nutzt. Unter anderem ist die Rechtsprechungspraxis in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, höhere Schadensersatzsum­men zu verhängen und auf eine Vereinfachung der Verletzungsverfahren hinzuarbeiten. So legte der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung erst kürzlich fest, dass das Verletzungsgericht eine Kla­ge abweisen kann, wenn das Klägerpatent offen-

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sichtlich zu Unrecht erteilt wurde. Eine Entscheidung des Korean Intellectual Property Office (KIPO) im Nichtigkeitsverfahren muss dazu nicht mehr abge­wartet werden.

Aufgrund der Unsicherheiten, vor denen man als Anwender fremden Rechts steht, empfiehlt es sich, Rechtsstreitigkeiten so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Auch gilt es die Möglichkeiten eines Schieds­verfahrens zu prüfen, bevor ein Rechtstreit angestrebt wird. Die Einleitung des Schiedsverfahrens anstelle eines Gerichtsverfahrens ist beispielsweise in der Tür­kei ratsam. Das dortige Streitbeilegungsverfahren im Falle von Wirtschaftsstreitigkeiten wird vergleichswei­se häufig in Anspruch genommen und läuft nach inter­nationalen Standards ab. Im Verlauf der Kooperation sollte daher eine gute Zusammenarbeit oberste Priori­tät haben, die auch kleinere Rückschläge wegstecken kann. Jedenfalls sollte die deutsche Seite zu einem ver­tragsgemäßen Ablauf aktiv beitragen. Dies kann gelin­gen, indem sie darauf hinwirkt, ausscheidenden Mitar­beitern die Einhaltung nachvertraglicher Wettbe­werbsverbote durch großzügige Gegenleistungen schmackhaft zu machen.

4.5. Auflösung der Kooperation

Die letzte Phase einer Kooperation ist die Auflösung (vgl. Abbildung 20).

Abbildung 20: Einordnung der Phase „Auflösung der Kooperation”

Bei der Auflösung der FuE-Kooperation sind grund­sätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: Ziel ist in der Regel ein planmäßiges Ende der Kooperation, das an zuvor definierten Erfüllungskriterien festgemacht wird. In der Praxis werden Kooperationen jedoch oft auch außerplanmäßig beendet. Für die planmäßige Beendigung einer FuE-Kooperation werden sachliche oder zeitliche Erfüllungskriterien definiert, die wäh­rend der Durchführung regelmäßig zu überprüfen sind. Stellen beide Partner fest, dass alle Kriterien

erfüllt sind, so kann die Kooperation im Hinblick auf den in Frage stehenden Kooperationsgegenstand als beendet betrachtet werden.

Im Gegensatz zur planmäßigen Auflösung bestim­men bei der außerplanmäßigen Auflösung äußere Umstände oder das Verhalten eines der Partner das frühzeitige Ende der Kooperation. Bereits während der Kooperation sind deswegen Kontrollmechanismen zu installieren, um opportunistischem Verhalten des Kooperationspartners entgegenzuwirken.

Häufige Gründe für die frühzeitige Beendigung einer Kooperation sind technische Probleme, wirt­schaftliche Gründe, Probleme in der Zusammenarbeit, Strategieänderungen eines Partners oder andere externe Gründe. Entsprechend der definierten Erfül­lungskriterien gilt es für ein außerplanmäßiges Ende einer Kooperation im Vorfeld Abbruchkriterien zu definieren. Diese sind regelmäßig zu prüfen. Oft kün­digt sich die Erfüllung eines Abbruchkriteriums bereits im Vorfeld an, so dass mit dem Kooperations­partner vor der tatsächlichen Beendigung der Koope­ration Maßnahmen definiert werden sollten, um auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Ist das nicht möglich oder werden Abbruchkriterien kurzfri­stig erfüllt, sind Maßnahmen zum Abbruch der Koope­ration einzuleiten.

Über die Definition der Abbruchkriterien hinaus sind alle Rechte und Pflichten der Partner im Falle einer vorzeitigen Auflösung der Kooperation vertrag­lich festzuhalten, um für Streitigkeiten im Anschluss einer Kooperation gewappnet zu sein. Dies betrifft neben der Ergebnisverwertung und -nutzung auch Aspekte der Kostenübernahme für bereits durchge­führte Tätigkeiten oder auch der Haftung, wenn aus der Kooperation bereits Produkte entstanden sind, die an Dritte weitergegeben werden. Zuletzt sollte im Anschluss die Durchführung der Kooperation systema­tisch hinterfragt und das Ergebnis ausgewertet wer­den, um aus möglichen Fehlern zu lernen.

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5. Fazit

Abbildung 21: Erfolgsfaktoren für die Gestaltung einer FuE-Kooperation

Neben den Erkenntnissen zu den betrachteten Län­dern konnten besonders durch die Expertengespräche fünf Erfolgsfaktoren für die Durchführung einer inter­nationalen FuE-Kooperation aufgedeckt werden (vgl. Abbildung 21).

Klare Zieldefinition: Wohin soll diese Reise gehen?

Diese Aussage gilt selbstverständlich für alle Aspekte einer FuE-Kooperation. Jedoch trifft sie besonders auf rechtliche Aspekte zu. Nur wenn die Ziele einer FuE-Kooperation klar definiert sind, kann eine optimale Strategie zum Umgang mit Know-how erarbeitet wer­den. Dabei ist zu klären, welches Know-how dem Kooperationspartner bis zu welchem Grad zur Verfü­gung gestellt werden muss. Gerade Kooperationspart­nern, zu denen noch kein Vertrauen aufgebaut wurde, sollten nur die essentiellen Informationen zur Verfü­gung gestellt werden, die zum Erreichen der verein­barten Ziele erforderlich sind. Auch gilt es, die Abspra­chen und Verträge auf das angestrebte Ziel hin abzu­stimmen. Wichtig ist zudem, abhängig von den über­geordneten Kooperationszielen geeignete Schutz­möglichkeiten zu identifizieren und Nutzungsrechte zu sichern.

Nutzen und Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden

Oft verheißen internationale Kooperationen so große Vorteile, dass die Risiken außer Acht gelassen werden. Mit Know-how, auf dem die Wettbewerbsfähigkeit von technologieorientierten Unternehmen und Instituten zumeist beruht, ist jedoch sorgsam umzugehen. Die Auswahl eines Kooperationspartners bedarf deshalb einer detaillierten Bewertung und Gegenüberstellung von Chancen und Risiken. Dafür müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, also Rechtsgrund­lage, Rechtspraxis und Rechtskultur, im Zielland geprüft und deren Auswirkungen auf die geplante Kooperation bewertet werden.

Juristische Expertise ist schon vor den ersten Gesprächen entscheidend

Der Schutz des Wissens, das in die Kooperation einge­bracht wird, ist ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Know-how. Oft wird jedoch vergessen, dass in den ersten Gesprächen mit potenziellen Partnern bereits Wissen offengelegt wird, um überhaupt eine Grundla­ge für anstehende Verhandlungen zu schaffen. Der Umgang mit diesem Wissen wird stark durch die Rechtslage, aber auch durch den rechtskulturellen Hintergrund des Kooperationspartners beeinflusst. Daher ist in jedem Fall vor den ersten Gesprächen juri­stische Expertise zu Rate zu ziehen. Mit den juristi­

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schen Experten sollten zunächst eine Schutzstrategie und Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Know­hows festgelegt werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll, auch die kulturellen Gepflogenheiten des Partners zu kennen, um die Verhandlungen zum Erfolg zu führen.

Festlegung von Meilensteinen und Erfolgskon­trolle während der Kooperation

Eine Meilensteinplanung und Erfolgskontrolle gehört zu jedem FuE-Projekt. Die Maßstäbe der Zielerreichung und die Erfolgskontrolle beim Kooperationspartner müssen jedoch für den Know-how-Schutz um rechtli­che Aspekte ergänzt werden. So ist zum einen die Ent­wicklung der Rechtslage im Zielland regelmäßig zu prüfen, da Verträge gegebenenfalls an Änderungen angepasst werden müssen. Zum anderen besteht die Gefahr vertragswidrigen Verhaltens durch die Partei­en. Beispielsweise sollte ein aufmerksames Projektcon­trolling Änderungen im direkten Wettbewerbsumfeld, die dem Kooperationspartner neue Möglichkeiten zur Verwertung der Erkenntnisse eröffnen, frühzeitig erkennen und dadurch im gegebenen Fall die Einlei­tung rechtzeitiger Maßnahmen ermöglichen.

Am Anfang schon an das Ende denken – Definition von Ausstiegsklauseln

Entsprechend den Zielen der FuE-Kooperation legen die Partner Erfüllungskriterien fest, die das Ende der Kooperation bestimmen. Unabhängig davon kann eine erfolgreiche Kooperation natürlich auch verlängert werden. Läuft die Kooperation nicht zufriedenstellend oder verhält sich der Kooperationspartner nicht ver­tragsgemäß, ist die Kooperation gegebenenfalls früh­zeitig zu beenden. Damit dies nicht sofort in einen Rechtsstreit mündet, sind schon während der Vertrags­gestaltung durch die Partner Ausstiegsklauseln zu defi­nieren, die an veränderte Rahmenbedingungen oder Fehlverhalten des Partners geknüpft sind. Über die Ausstiegsklauseln hinausgehend sind alle Rechte und Pflichten der Partner für den Fall einer vorzeitigen Beendigung der Kooperation vertraglich zu regeln. Dies umfasst auch die Nutzungsrechte an Teilergebnis­sen sowie die Verteilung der bis dahin entstandenen Kosten.

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der Empfängerin/dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen

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als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen

verstanden werden könnte.


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