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Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Date post: 11-Sep-2021
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Lucke I Nissen-Baudewig Internationale Wettbewerbsfahigkeit
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Page 1: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Lucke I Nissen-Baudewig

Internationale Wettbewerbsfahigkeit

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Institut fur Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitions­forschung der Georg-August-Unversitat Gottingen

Prof. Dr. Wolfgang Lucke

Bereits erschienen:

Lucke / Dietz (Hrsg.) Innovation und Controlling

Lucke / Dietz (Hrsg.) Problemorientiertes Management

Lucke / Achtenhagen / Biethahn / Bloech / Gabisch Europaische Wirtschaft der 90er Jahre

Lucke / Schulz (Hrsg.) Umweltschutz und Investitionen

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Wolfgang Lucke / Gisela Nissen-Baudewig (Hrsg.)

Intemationale Wettbewerbsfahigkeit

Personal, Kooperationen, Investitionen

GABLER

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Internatlonale Wettbewerbsrlihigkeit : Personal, Kooperationen, Investitionen 1 [Institut filr Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung der Georg-August-Universitiit Gl>ttingen]. Wolfgang LUcke; Gisela Nissen-Baudewig (Hrsg.). - Wiesbaden: Gabler, 1993

ISBN-13: 978-3-409-13883-3 e-ISBN-13: 978-3-322-84604-4 DOl: 10.1007/978-3-322-84604-4

NE: LUcke, Wolfgang [Hrsg.] ; Institut fUr Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung <Gl>ttingen>

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.

© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1993 Lektorat: Silke Specht

Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzullissig und strafbar. Das gilt insbe­sondere fiir Vervielfliltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hl>chste inhaltliche und technische Qualitiit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf sliurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Siune der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften.

ISBN-13: 978-3-409-13883-3

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Vorwort Der vorliegende Sammelband ist nach ''Innovation und Controlling", ''Pro­blemorientiertes Management", "Standort Deutschland" und "Umweltschutz und Investi­tionen" der fiinfte aus der Reihe von Seminarbanden des "Instituts fUr Betriebs­wirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung", Abteilung "Industrielles Management" an der Georg-August-Universitat Gottingen. Die in dieser Reihe erschei­nenden Bande enthalten insbesondere Beitrage von vomehmlich aus der Wirtschaft stammenden Personlichkeiten, die im Rahmen des alljahrlich im Wintersemester statt­findenden Seminars vor Studenten hOherer Semester und geladenen Gasten vorgetragen wurden. Die Redner berichten in den Veranstaltungen, die im AnschluB an den Vortrag eine ausfUhrliche Diskussion der Thematik mit dem Auditorium beinhalten, aus der Praxis und geben ihre Erfahrungen weiter. Das Seminar dient somit als Plattform des Know-How-Transfers zwischen Wissenschaft und Praxis.

Die Seminarbande enthalten eine Mischung von Aufsatzen - yom praktischen Erfah­rungsbericht bis zum theoretischen Beitrag - und richten sich somit sowohl an Praktiker als auch an Studenten und Wissenschaftler.

Der Band "Intemationale Wettbewerbsfahigkeit" bezieht sich auf das Seminar des Win­tersemesters 1991/92. Die Beitrage gehen auf die Bereiche Personal, Kooperationen und Investitionen ein, lassen jedoch auch andere Aspekte im intemationalen Wettbewerb nicht auBer Acht.

Die Bedeutung der Humanressourcen fUr die Wettbewerbsfahigkeit von Untemehmen ruckt immer starker in den Vordergrund der betriebswirtschaftlichen Betrachtungen. Die Beitrage zu personalwirtschaftlichen Aspekten beziehen sich zum einen auf Moglichkei­ten der Ffihrungskrafteentwicklung in Form der Corporate Identity. Es bietet sich durch eine Untemehmenspersonlichkeit als Teil der Untemehmensstrategie ein Anhaltspunkt zur einheitlichen Gestaltung der Untemehmung nach innen und auBen und damit auch zur Identifikation der Mitarbeiter mit dem Untemehmen. Zum anderen wird fiber Arbeitnehmeruberlassung als Flexibilisierungsinstrument berichtet. Es werden gesetzli­che Bestimmungen und praktische Erfahrungen erlautert. Letztere zeigen sowohl Vor­teile aus Arbeitnehmer- alS auch aus Arbeitgebersicht auf. Die Behandlung von Human­ressourcen in der Rechnungslegung stellt einen interessanten Aspekt im Grenzgebiet zwischen Personalwirtschaft und Rechnungslegung dar. Hierbei sind von gesetzgebe­rischer Seite Regelungen vorgegeben, so daB der Gestaltungsspielraum abgesteckt ist. Weiterhin wird die Intention und Konzeption des Human Ressource Accounting darge­stellt. Hierbei wird auf die Betrachtung des Personals als Gegenstand der betrieblichen Investionstatigkeit eingegangen. Ein Vergleich der Besonderheiten in der Personalwirt­schaft japanischer und deutscher Untemehmen rundet die AusfUhrungen zu diesem Themenbereich abo

Kooperationen, sei es als strategische Allianz oder durch Beteiligung mit Venture Capi­tal, richtig positioniert und betreut, konnen den beteiligten Untemehmen Potentiale fUr den zukiinftigen Erfolg sichem. Entscheidungen fiber Kooperationen mfissen jedoch Uberlegungen vorangestellt werden, die sich mit moglichen Risikobereichen befassen. Hierzu zahlen bei intemationale.n Kooperationen ebenso Unterschiede in der Mentalitat der jeweiligen Mitarbeiter/Ffihrungskdifte wie schwer prognostizierbare Technologie­Diskontinuitaten. Durch die Schaffung des EG-Binnenmarktes bedarf es einer einheit-

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lich giiltigen Rechtsform flir supranational Hitige Untemehmen. Ein Vorschlag flir eine Verordnung iiber das Statut der Societas Europaea wurde im Mai 1991 vorgelegt. Dieser Vorschlag wird aus betriebswirtschaftlicher Sicht analysiert und mit den geltenden natio­nalen Regelungen verglichen. Des weiteren werden die wahrungspolitschen Beschliisse von Maastricht erortert. Den Vorteilen - verringerte Transaktionskosten, AusschluB des Wechselkursrisikos im intemationalen Handel von Waren, Diensten und Kapital etc. -werden die Nachteile auf nationaler Ebene gegeniibergestellt. Zu letzteren zablt die Aufgabe der Autonomie in der Geldpolitik und dadurch den Verzicht auf die Moglich­keit, die nationale Inflationsrate selbst zu bestimmen.

Investitionsentscheidungen sind, nicht zuletzt im intemationalen Wettbewerb, aufgrund ihrer langfristigen Natur ausschlaggebend flir den Untemehmenserfolg und -bestand. Die Beitrage, die sich explizit mit Investitionen beschiiftigen, sind dem theoretischen Feld zuzuordnen. So werden Uberlegungen zur Einbindung von Lem- und Erfah­rungskurven in die Investitionsrechnung angestellt. Dieser Beitrag stellt eine Fortflihrung des Aufsatzes zu diesem Thema von Prof. Dr. Dr. h. c. Liicke im vorausgegangenen Band "Umweltschutz und Investitionen" dar. In einem weiteren Beitrag wird der Einsatz der Sensitivitatsanalyse im Rahmen des Entschei­dungsbaumverfahrens zur Beurteilung von Investitionsobjekten herangezogen. Dabei wird ein flexibles Modell vorgestellt, das die Auswirkung von Variationen mehrerer InputgroBen beriicksichtigt.

Auf die Bildung thematischer Gruppen wurde aufgrund der vielschichtigen Betrachtung der Aufsatze verzichtet; die Beitrage sind nach den Autorennamen alphabetisch geord­net. Leider sahen sich einige Referenten des Seminars aufgrund der starken beruflichen Belastung nicht in der Lage, ihre Ausflihrungen flir diese Veroffentlichung zusammen­zustellen. Die Herausgeber wissen urn die zeitliche Anspannung und bedanken sich an dieser Stelle deshalb urn so mehr bei denen, die trotzdem die Miihe auf sich genommen und so die Fortfiihrung des Transfer-Gedankens im Rahmen dieser Veroffentlichung ermoglicht haben. Denn gerade in der heutigen Zeit sollte die Zusammenarbeit zwi­schen Wissenschaft und Praxis, wie beispielsweise durch diese Gottinger Veranstaltungs­reihe, zum beiderseitigen Nutzen gefOrdert und derartige Vortrage einer weiteren Offentlichkeit - sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis - zuganglich gemacht werden. Dank sei auch allen Mitarbeitem gesagt , die an der Herstellung dieses Bandes beteiligt waren, insbesondere Herm Dr. Wolfgang KrUger und Frau Petra Liischen.

Die Herausgeber und Autoren hoffen, daB auch dieser Band Anregungen flir untemeh­merische wie wissenschaftliche Vorhaben und Entscheidungen gibt; sie sehen einer offentlichen Diskussion mit Interesse entgegen.

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WOLFGANG LOCKE GISELA NISSEN-BAUDEWIG

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Inhaltsiibersicht

Human Capital in der Recbnungslegung ................................................................................... 9

VON DR. JORGEN BRINKMANN, WP /STB DIEKHOLZEN

Projektmanagement - Grundziige und ausgewihlte Instrumente ...................................... 25

VON MA'ITHIAS FREILING GESELLSCHAFf FOR PERSONALENTWICKLUNG UND WIRTSCHAFI'SPADAGOGIK, ERFURT

Der Einsatz der Sensitivititsanalyse im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens ........................................................................................... 55

VON DR. UWE GOTZE, INSTITUT FOR BETRIEBSWIRTSCHAFIUCHE PRODUIcrIONS- UND iNvEsrmONSFORSCHUNG, UNIVERSITAT GOTTINGEN

UND MICHAEL HUNDESROGGE, SIEMENS AG, MONCHEN

Wachstumsrisiken bei Beteiligungen ........................................................................................ 81

VON STEFAN HERZOG VCM, VENTURE CAPITAL MANAGEMENT UND BETEILIGUNGSGESELLSCHAFfMBH MONcHEN

Human Resource Accounting als integraler Bestandteil des operativen Controlling ......................................................................................................... 95

VON DR. STEFAN HOYER ROBERT BOSCH GMBH, STUTIGART

Zeitarbeit (Arbeitnehmeriiberlassung) aus rechtlicher, betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht. ................................................... 129

VONWOLFGANGMATZ KLAus BINDAN GMBH & Co., STUHR/BREMEN

Lemkurve, Erfahrungskurve und Investitionsplanung ....................................................... 141

VON KLAus E. MEYER PHD PROGRAMME, LoNDON BUSINESS SCHOOL

Die Europiische Aktiengesellschaft - Analyse des Vorschlags fUr ein SE-Statut yom Mai 1991 aus betriebswirtschaftlicher Sicht... .............................. 161

VON DR. BETTINA REINKENSMEIER PRICE WATERHOUSE GMBH, WIRTsCHAFTSPROFUNGSGESELLSCHAFf, HAMBURG

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DM ade? Die wahrungspolitischen Beschliisse von Maastricht ........................................ 197

VON PROF. DR. PETERROHMANN VOLKSWIRTSCHAFfLICHES SEMINAR, UNIVERSITAT GOTTINGEN

Wettbewerbsrlihiger durch Allianzen: Illusion oder Wirklichkeit? ................................... 211

VON IAN WALSH IAN WALSH CONSULTING, WIESBADEN

Fiihrungskrafteentwicklung als praktizierte Form der Corporate Identity ..................... 221

VON DR. HANs-RODIGER WILKENING DR. HANs-RODIGER WILKENING UNTERNEHMENSBERATUNG, FRANKFURT

Die Merkmale der Personalwirtschaft in der Unternehmung -Deutschland und Japan im Vergleich .................................................................................... 243

VON PROF. DR. OSAMuYOSHIDA UNIVERSITAT SmGA, HIKONE

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Human Capital in der Rechnungslegung

WP jSTB DR. JORGEN BRINKMANN

DIEKHOLZEN

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Inhaltsverzeichnis

1. Begriff und Bedeutung des Humankapitals

2. Beriicksichtigung des Humankapitals in der Rechnungslegung

2.1. Aktivierungsmoglichkeiten von Aufwendungen flir das Humankapital

2.1.1. Aktivierungsverbot von Aufwendungen flir das Humankapital 2.1.2. Aktivierungsmoglichkeiten des Humankapitals im Rahmen des

Geschiifts- und Firmenwertes 2.1.3. Aktivierungsmoglichkeiten von Humankapitalinvestitionen im Rahmen

der Herstellungskosten

2.2. Passivierung von Verpflichtungen und Lasten im Zusammenbang mit dem Humankapital

2.2.1. Pensionsriickstellungen 2.2.2. Sonstige Rlickstellungen flir Verptlichtungen gegenliber Arbeitnehmern

2.3. Die Aufwendungen fiir das Humankapital in der Gewinn- und Verlustrechnung

2.4. Angaben liber das Humankapital im Anbang

2.5. Berichterstattung liber das Humankapital im Lagebericht

2.5.1. Sozialbericht 2.5.2. Humankapitalrechnung

3. Zusammenfassender Ausblick

literaturverzeichnis

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1. Begriff und Bedeutung des Humankapitals

Gutenberg hat in seiner klassisch gewordenen Einteilung der Produktionsfaktoren der menschlichen Arbeitskraft die Stellung eines Produktionsfaktors zugewiesen. Der Pro­duktionsfaktor "Arbeit" wird haufig auch als "Human Capital" oder "Humankapital" eines Untemehmens bezeichnet, um eine ParalleliHit zu dem Produktionsfaktor "Betriebsmittel und Werkstoff' herzustellen, bei dem ein erheblicher Einsatz von Kapital naturgemaB erforderlich ist. Der Begriff des Humankapitals hat sich erst sehr spat und sehr langsam in der moderneren Literatur herausgebildet, weil es lange Zeit, und bis­weilen auch heute noch, eine weitverbreitete Abneigung gab, das menschliche Leben unter okonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Schon Johann Heinrich von Thtinen schreibt tiber die okonomische Betrachtungsweise menschlichen Lebens folgendes:1

"Eine innere Scheu scheint die Schriftsteller und tiberhaupt alle von der Betrachtung, was der Mensch kostet, welches Kapital in ihm enthalten ist, abzuhalten. Der Mensch scheint uns so hoch zu stehen, und wir fiirchten eine Entwiirdigung zu begehen, wenn wir eine solche Betrachtungsweise auf ihn anwenden."

Gleichwohl muG man erkennen, daB dem Humankapital eine dominierende Rolle in der Wirtschaft zukommt. Aus dies em Grunde ist es erforderlich, den Begriff des Human­kapitals zu umreiBen.

Humankapital wird unterschiedlich definiert. Einmal versteht man darunter nur die Qualifikation der Arbeitskrafte eines Unternehmens. Andererseits mochte man auch neben dem Ausbildungsstand die Leistungsmotivation, Leistungsbereitschaft und -fahig­keit wie auch samtliche andere Eigenschaften eines Mitarbeiterstammes in den Begriff des Humankapitals einbeziehen. Der weitere Begriff des Humankapitals scheint des­wegen angemessen, weil man damit das gesamte Mitarbeiterleistungspotential einschlieBt, das ein Unternehmen zum Einsatz zur Verfiigung hat. Damit lassen sich das Humankapital oder auch die Humaninvestitionen wie folgt definieren:2

"Als Humankapitalinvestitionen (human resource investment) sind prinzipiell alle jene Tatigkeiten anzusprechen, die, bedingt durch Veranderungen der physischen und geisti­gen Fahigkeiten von Arbeitskraften, Produktivitatssteigerungen bewirken oder zumin­dest zu erzielen trachten. Die Akkumulation samtlicher solcher tiber einen bestimmten Zeitraum erfolgter Humaninvestitionen stellt dabei das zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellte bzw. feststellbare Humankapital dar."

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Zitiert nach Voigt, F., Das volkswirtschaftliche Humankapitai, in: Schmidt, H. (Hrsg.), Humanvermo­gensrechnung, Instrumentarium zur Ergiinzung der untemehmerischen Rechnungslegung - Konzepte und Erfahrungen (irn folgenden zitiert ais Hurnanvermogensrechnung, a.a.O.), Berlin/ New York 1982, S. 399-417. Hier S. 399 zitiert aus dem Werk Thiinen, J.H., Der isolierte Staat in Beziehung auf Land­wirtschaft und Nationaiokonomie. Hrsg. Schuhmacher-Zarchlin, H., 3. Aufi., TI. Teil, TI. Abtlg., Berlin 1875,S. 145f. Weiermair, K., Zur Theorie der betrieblichen Hurnankapitaibildung, in: Zeitschrift fur betriebswirt­schaftliche Forschung, 27. Jg. (1975>, S. 384. Vgl. auch Lindemaun, P., Der Firmenwert eines Unter­nehmens bei Beriicksichtigung seines Humankapitais, in: Humanvermogensrechnung, a.a.O., Berlin/ New York 1982, S. 484.

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Unter "betrieblichem Humankapital" ist damit die Summe der einem Unternehmen durch Arbeitsvertrag zur VerfUgung gestellten Leistungspotentiale seiner Mitarbeiter zu verstehen. Dabei werden sich die Leistungspotentiale je nach Ausbildungsstand, Fach­wissen sowie korperlicher und psychischer Verfassung unterscheiden. Ein einmal erreichter Leistungsstand kann sich durchaus vermindern, umgekehrt aber auch zu­nehmen, wenn in Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmer investiert wird oder auch Sozialleistungen in jeglichem Umfange den Mitarbeitern gewahrt werden?

Das Humankapital wird in zweierlei Hinsicht gekennzeichnet. Einmal bestehen quantita­tive Merkmale wie Beschiiftigtenzahl, Alter der Belegschaftsmitglieder, geleistete Arbeitszeit wie auch Mengenleistungskennziffern. Auf der anderen Seite sind qualitative Kennzeichen vorhanden wie Personalentwicklungs und BildungsmaBnahmen, Aus­bildungsstand sowie Leistungsbereitschaft und Entscheidungsfreude der Mitarbeiter. Das Humankapital eines Unternehmens stellt damit den "Wert" einer Belegschaft, d. h. der Gesamtheit aller in einem Unternehmen Beschaftigten, dar. Neben dem rein zah­lenmiiBigen Umfang wird der "Stellenwert des Humankapitals" durch "Leistungsbereit­schaft, Intelligenz, Kreativitat, Erfindungsgeist, Wissen, Erfahrung, Initiative, Entschei­dungsfreude, Verantwortungs- und Risikobereitschaft" der Belegschaft gekennzeiehnet.4

Zu den Aufwendungen des Humankapitals zahlen damit nieht nur Aufwendungen fur Weiter- und FortbildungsmaBnahmen und Seminare sowie der Einsatz fur ganze Fort­bildungsprogramme, sondern auch Lern- und Einarbeitungsaufwendungen von Mitarbei­tern wahrend ihrer Tatigkeit in den ersten Wochen und Monaten, die als "Investition in die Person" anzusehen sind und auch LOhne und Gehalter wahrend der Zeit der Ein­arbeitung umfassen.5 Zu den Aufwendungen des Humankapitals geh6ren nieht nur Kosten der Fortbildung und Einarbeitung von Mitarbeitern, sondern auch samtliche Aufwendungen, die darauf abzielen, die Mitarbeiter starker an den Betrieb zu binden. Dazu rechnen neben den gesetzlichen Personalzusatzkosten, wie Sozialversi­cherungsbeitrage und Aufwendungen fur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, tarifliche sowie freiwillige soziale Leistungen. Hierzu gehOren Gratifikationen und Pramien, zusatzliche Pensionsversicherungen, Wohnungshilfe, zusatzliches Urlaubsgeld und Entlassungsentschadigungen. Zu den freiwilligen sozialen Leistungen sind auBerdem zu rechnen: Werksverpflegung, Gesundheitsbetreuung, Beihilfen und Arbeitskleidung. Aber auch Abfindungen, Weiterzahlung von Lohn und Gehalt in Todesfiillen, Betriebs­ausfluge und Betriebsfeste, Kuren, Heilverfahren, Werkszeitschriften, Vergiitung von Umzugskosten, Weiterzahlungen an Kranke uber die gesetzlichen Vorschriften hinaus und Trennungsgelder sind zu nennen, urn die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu erhOhen und die Leistungsbereitschaft und Leistungswilligkeit der Mitarbeitern zu starken.6 Zu den Aufwendungen fur das Humankapital mussen weiterhin in breitem Umfang LOhne und Gehalter gerechnet werden, denn mit steigendem Bildungsstand eines Menschen ist im Arbeitsleben in der Regel ein wachsendes Einkommen verbunden, das den besser qualifizierten, leistungsbereiteren

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Vgl. Schmidt, H., Humanvermogensrechnung der Unternehmen, in: Humanvermogensrechnung, a.a.a., S.6. Vgl. Schmidt, H., a.a.O., S. 7. Brummet, R.L., Die Erfassung des Humankapitals im Unternehmen, in: Humanvermogensrechnung, a.a.a., S. 68. 1m einzelnen dazu vgl. Schmidt, H., a.a.a., S. 9.

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und entscheidungsfreudigeren Arbeitnehmern gewahrt wird. Damit stellen im groBen Umfang hOhere LOhne und GehaIter "Investitionen in das Humankapital" dar.7

Zu den Investitionen in das Hurnankapital zahlen aber auch organisatorische Auf­wendungen, urn den Fiihrungsstil zu verandern, urn die produktiven Krafte in den einzelnen Mitarbeitern gewinnbringend fUr das Unternehmen auszulosen. Auch Aufwendungen flir Personalinformationssysteme, wie Einstell- und Entlassungsplane, Aus-, Fort- und Weiterbildungs- sowie Personalentwicklungsplane, Stellenbildungs- und Stellenbesetzungsplane, gehOren zu den Investitionen in das Humankapital.

Beim Hurnankapital kann ein externes wie auch ein internes Humanpotential unter­schieden werden. Das externe Humanpotential umfaBt samtliche menschliche Leistungs­reserven, die auBerhalb der Unternehmung nicht offen zur Verfiigung stehen und die durch entsprechendes Personalmanagement erschlossen werden konnen. Das interne Humanpotential umschlieBt alle menschlichen Leistungsressourcen innerhalb der Unternehmen, die in ungenutzter Form bei leitenden Mitarbeitern wie auch sonstigen Arbeitnehmern vorhanden sind. Die internen Leistungsreserven konnen durch Moti­vation sowie visionare Fiihrung des Managements sowie auch durch andere FiihrungsmaBnahmen im Rahmen des Personalbereichs, wie flexible Arbeitszeit, erfolgsabbangiges Gehalt wie auch Gewahrung von Unternehmensbeteiligungen, erschlossen werden. Zu diesem internen Humanpotential zahlen alle MaBnahmen, die geeignet sind, bisher noch nicht aktivierte Krafte innerhalb einer Belegschaft zu mobilisieren.8

In der neueren Betriebswirtschaftslehre wird in zunehmenden MaBe das Gewicht des betrieblichen Humankapitals flir die betriebliche Leistungserstellung herausgestellt.9

Henry Ford solI einmal auf die Frage, worin sich ein ertragskraftiges von einem verlust­bedrohten Unternehmen unterscheide, sinngemaB geantwortet haben: Der Zugang zu den Betriebsmitteln und Werkstoffen und der entsprechenden Technologie sei flir beide Unternehmen in gleichem MaBe moglich, also konne darauf auch nicht der Unterschied zwischen ertragsstarkem und ertragsschwachem Unternehmen beruhen. Ford meint, daB allein die Mitarbeiter mit ihren Erfahrungen, ihrer Qualifikation, ihrer Leistungsfahig­keit und ihrer Leistungsbereitschaft den Unterschied zwischen guten und ertragskrafti­gen und schlechten und verlustbedrohten Unternehmen bewirken.10 Das betriebliche Humankapital gehOrt damit zu den wichtigsten Ertragsquellen, die die Wettbewerbs­und die Leistungsfahigkeit eines Unternehmens bestimmen. Es ist damit dem traditio­nellen Anlage- und Umlaufvermogen in seiner Bedeutung mindestens gleichzusetzen.

Die Bedeutung des Humankapitals flir die betriebliche Leistungserstellung laBt die Frage auftreten, in welchem Umfange die unternehmerische Rechnungslegung das

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Marr will zwischen ·periodenbezogenen" und "investiven" Personalkosten unterscheiden. Vgl. Marr, R., Humanvermogensrechnung - Entwicklung von Konzepten fUr eine erweiterte Rechenschaftslegung der Unternehmen, in: Humanvermogensrechnung, a.a.O., S. 48. Vgl. Piimpin, C.I Imboden, C., Unternehmensdynamik, Bern 1991, S. 15 und S. 18. Vgl. Domsch, M., Systemgestiitzte Planung, Verwaltung und Kontrolle des betrieblichen Humanver­mogens, in: Humanvermogensrechnbng, a.a.O., S. 508. Vgl. Bisani, F., Betriebliche Sozialindikatoren aus der Arbeitswirtschaft a1s Bestandteil der Humanvermogensrechnung, in: Humanvermogensrechnung, a.a.O., S. 580.

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Humankapital beriicksichtigen soIl. Dabei lassen sich zwei Fragestellungen unter­scheiden:11

Einmal kann das Humankapital oder, genauer formuliert, das "Humanvermogen" als Aktivposten in der Handelsbilanz angesetzt werden mit der Folge, daB dadurch auch der ausgewiesene Gewinn verandert wird, was Auswirkungen fUr die Ausschiittungspolitik an die Kapitalgeber hat und fUr die Besteuerung Konsequenzen nach sich zieht. Wenn man eine derartige Moglichkeit in Betracht zieht, bedeutet dies, daB das Humankapital als quasi "Humanvermogensgegenstand" in der Rechnungslegung erfaBt werden muB.

Ein zweiter Ansatz zur Erfassung des Humankapitals in der betrieblichen Rechnungs­legung kann dahin gehen, daB Auskiinfte iiber die Hohe und den Urnfang des Humankapitals auBerhalb der Handelsbilanz in Form einer Zusatz- oder Nebenrech­nung entweder im Anhang des Jahresabschlusses oder im Lagebericht gegeben werden. Ein solcher Ansatz wiirde bedingen, daB eine entsprechende FestIegung iiber den Urnfang der gewiinschten Auskiinfte moglich sein muB.

1m folgenden sol1en nun diese beiden Moglichkeiten, das Humankapital im Rahmen der Rechnungslegung der Unternehmen zu erfassen, weiter erortert werden.

2. Beriicksichtigung des Humankapitals in der Rechnungslegung

2.1. Aktivierungsmoglichkeiten von Aufwendungen f'tir das Humankapital

2.1.1. Aktivierungsverbot von Aufwendungen f'tir das Humankapital

Will man Aufwendungen fUr das Humankapital aktivieren, so kame beispielhaft der Ansatz von Personalbeschaffungskosten einschlieBlich der Einarbeitungskosten von ein­zelnen Mitarbeitern als Aktivposten in Betracht; als Anschaffungskosten im Sinne des § 253 HGB konnten dann die entsprechenden Zahlungen fUr die Personalbeschaffung und die Einarbeitung angesehen werden. Die Nutzungsdauer eines derartigen "Aktiv­postens" ware zeitlich begrenzt, so daB die Aufwendungen auf den voraussichtIichen Zeitraum der Nutzung zu verteilen sind und daher abgeschrieben werden miissen.12 Als Abschreibungsdauer kame dabei die durchschnittliche BetriebszugehOrigkeit eines Mitarbeiters in Ansatz, wobei allerdings dann nach dem Grundsatz der Einzelbewertung die moglichen Kiindigungsfristen individuell beriicksichtigt werden miiBten. Eine der­artige Aktivierung ist bereits im professionellen Sport z. B. im ProfifuBball durchaus realistisch, da jetzt schon Ablosesummen fUr Spieler als deren Marktwert angesehen werden und deswegen auch als Aktivposten mit einer kurzfristigen Abschreibungs­verpflichtung in die Bilanzen der entsprechenden FuBballvereine eingesetzt werdenP Ein derartiger aktivischer Ansatz von Personalaufwendungen ist nach den derzeitigen bilanzrechtlichen Vorschriften nur dann denkbar und moglich, wenn in den entsprechenden Aufwendungen fUr das Humankapital ein Vermogensgegenstand im

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Vgl. dazu Bisani, F., a.a.D., S. 583. Vgl. Bisani, F., a.a.D., S. 578. Vgl. Bisani, F., a.a.D., S. 578. Eine Aktivierungsmogliehkeit sieht das FG Dusseldorf im Urteil vom 28.11.1990 nieht, vgl. o.V., Ablosesumme: Immaterielles Wirtsehaftsgut?, in: Betriebs-Berater, 46. Jg. 1991, H. 3, S. 1896.

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Sinne des Handelsrechts zu erblicken ist, der aktiviert werden konnte. Damit hangt die Frage einer Aktivierung von Investitionen in das Humankapital ausschlieBlich davon ab, ob in diesen Aufwendungen in das Humankapital, wie zum Beispiel in Personalbeschaf­fungsmaBnahmen oder auch in AusbildungsmaBnahmen, ein aktivierungsfahiger Vermo­gensgegenstand erblickt werden kann.

Als Vermogensgegenstand im Sinne des Handelsrechts zahlen aIle Sachen und Rechte, also aIle Gegenstfulde im Sinne des Biirgerlichen Gesetzbuches, soweit sie aktivierbar sind. Aktivierbarkeit liegt dann vor, wenn die einzelnen Gegenstande voneinander sau­ber abgegrenzt und auch im Rechtsverkehr selbstfuldig und einzeln verauBert werden konnen. 1m iibrigen miissen die entsprechenden Aufwendungen objektiv einem bestimm­ten Vermogensgegenstand zugeordnet werden konnen.14 Erst wenn diese Voraussetzun­gen vorliegen ist eine selbstfuldige Bewertbarkeit gegeben.

Priift man unter der Begriffsbestimmung des Vermogensgegenstandes im Handelsrecht die Frage, ob Aufwendungen fUr das Humankapital aktiviert werden konnen, so ergibt sich, daB die entsprechenden Aufwendungen keine Vermogensgegenstfulde im Sinne des Handelsrechts darstellen und damit eine Aktivierung fUr Investitionen von Humankapi­tal nicht in Betracht kommt. Dies liegt einmal daran, daB mit diesen Aufwendungen kei­neswegs Rechte im Sinne des Biirgerlichen Gesetzbuches erworben werden, da mit den fUr das Humankapital getatigten Aufwendungen keinerlei entsprechende Anspriiche gegeniiber einzelnen Mitarbeitern des jeweiligen Unternehmens oder Dritten erworben werden. Zum anderen zeigt sich, daB eine Aktivierungsfahigkeit auch deswegen nicht gegeben ist, weil die einzelnen Mitarbeiter und die von ihnen erworbenen Fahigkeiten nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein konnen. Allerdings ergibt sich die bereits erwahnte Ausnahme in den besonderen Ablosesummen bzw. Transferzahlungen bei den ProfifuBbaIlvereinen. Ferner sind die Aufwendungen fUr Investitionen in das Human­kapital nicht einzeln abzugrenzen. Wie will man die Aufwendungen fUr die Einarbeitung von einzelnen Mitarbeitern gegeniiber ihrer normalen Arbeitstatigkeit abgrenzen? Es laBt sich im einzelnen absolut nicht bestimmen, wann Mitarbeiter als voll eingearbeitet angesehen werden konnen und ab welchem Zeitpunkt sie als volle Leistungskraft im betrieblichen LeistungsprozeB mitwirken. An der Objektivierbarkeit, also der eindeu­tigen Zuordnung von einzelnen Aufwendungen zu bestimmten Vermogensgegenstanden, mangelt es bei den Investitionen in das Humankapital ebenfalls. Werden zum Beispiel bestimmte AusbildungsmaBnahmen fUr die Unterweisung von Auszubildenden vorge­nommen, so lassen sich die entsprechenden Aufwendungen dem einzelnen Mitarbeiter nicht zuordnen. Damit sind die entsprechenden Aufwendungen fUr das Humankapital einer besonderen Bilanzierung und Bewertung nicht zuganglich. Eine Aktivierung als Vermogensgegenstand kommt damit nicht in Betracht.

141m einzelnen vgl. Moxter, A., Selbstiindige Bewertbarkeit als Aktivierungsvoraussetzung, in: Betriebs­Berater, 42. Jg. 1987, H. 27, S. 1846ff.

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2.1.2. Aktivierungsmoglichkeit des Humankapitals im Rahmen des Geschiifts- und Finnenwertes

Aufwendungen, die als Vermogensgegenstande Dieht bilanziert werden konnen, gehen in der Regel im selbstgesehaffenen, also originaren Gesehafts- und Firmenwert unter. Ein derartiger selbstgesehaffener Gesehafts- und Firmenwert darf allerdings in der Handels­bilanz als Aktivposten Dieht angesetzt werden. Dies ergibt sieh daraus, daB der Gesetz­geber im § 255 Abs. 4 HGB ausdrUeklieh nur einen Ansatz des derivativen, also des aus der Ubernahme eines Untemehmens stammenden Gesehafts- und Firmenwertes als Aktivierungswahireeht zugelassen hat. Damit ist aueh die Mogliehkeit verseblossen, Investitionen in das Humankapital im Rahmen eines Gesehafts- und Firmenwertes, der yom Untemehmen selbst gesehaffen wird, zu aktivieren. Es gibt allein die Mogiiehkeit, derartige Aufwendungen in das Humankapital dann zu aktivieren, wenn sie von fremden Untemehmen getatigt worden sind, die ~ann kauflich iibemommen werden. 1m Falle des Erwerbs eines Untemehmens im ganzen wird namlich der Kaufpreis im wesentliehen yom Ertragswert des Untemehmens, das gekauft werden solI, bestimmt. Dieser Ertrags­wert wird urn so hOher sein, je groBer die Leistungsbereitsehaft, der Leistungswille, der Ausbildungsstand, die Untemehmenstreue (geringe Fluktuationsrate) und die Motiva­tion der Fiihrungskrafte und sonstigen Mitarbeiter ist. Dieser "Wert des Humankapitals" wird sich in jedem Falle im Ertragswert und damit im Kaufpreis niedersehlagen. Hiermit ergibt sieh aber, daB der Kaufpreis eines Untemehmens hOher ist als der Wert der ein­zelnen, zu aktivierenden Vermogensgegenstande abziiglieh der Sehulden zum Zeitpunkt der Ubemahme; auf diese Weise ergibt sieh ein kauflieh erworbener Gesehafts- und Firmenwert, fUr den ein Aktivierungswahlreeht besteht. Damit konnen Investitionen in das Humankapital bei kauflieh erworbenen Untemehmen im Rahmen eines derivativen Gesehafts- und Firmenwertes aktivierungsfahig sein.

2.1.3. Aktivierungsmoglichkeiten von Humankapitalinvestitionen im Rahmen der Herstellungskosten

1st also eine unmittelbare Aktivierung von Aufwendungen fUr das Humankapital im Rahmen der derzeitigen handelsreehtliehen Bilanzierungs- und Bewertungsvorsehriften ausgesehlossen, so stellt sieh die Frage, ob indirekt Aufwendungen fUr das Humankapital bei der Bewertung von Vermogensgegenstanden Berueksiehtigung finden konnen. Dies ist insbesondere bei dem Ansatz der Herstellungskosten im Rahmen der Bewertung von Vorraten durehaus moglieh. Die Herstellungskosten gemaB § 255 Abs. 2 HGB werden in der Regel naeh dem Schema der Zuseblagskalkulation ermittelt. 1m Rahmen dieses Kalkulationsverfahrens sind Fertigungseinzelkosten in Form der Fertigungseinzellohne anzusetzen, wobei dann die notwendigen Fertigungsgemeinkosten im Rahmen eines Zuseblages auf die Fertigungslohne in Ansatz gebraeht werden. Die Fertigungseinzel­lohne werden im besonderen MaBe dureh Humaninvestitionen beeinfluBt; ihre Hohe bestimmt sieh weitgehend yom Ausbildungsstand, von der Qualifikation und der damit verbundenen Arbeitsproduktivitat der Mitarbeiter. Aueh bei den Fertigungslohn­gemeinkosten haben die Humaninvestitionen einen groBen EinfluB. Hier spielen die Personalzusatzkosten eine besondere Rolle. Diese Personalzusatzkosten setzen sich ins­besondere aus den drei &roBen Kostengruppen zusammen, namlich den gesetzliehen Leistungen, den tarifliehen Leistungen und den freiwilligen betriebliehen Sozialleistun-

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gen. Der Anteil dieser Zusatzkosten macht im produzierenden Gewerbe Ende 1989 85,4 % des durchschnittlichen Stundenlohns aus.1S

Weiterhin ist festzustellen, daB je 100,-- DM Direktentgelt yom produzierenden Gewerbe in 1990 noch einmal 82,90 DM an Personalzusatzkosten aufgewandt werden mussen; im Dienstleistungssektor macht diese Zahl immerhin 82,50 DM aus. Mitte der 60er Jahre betrugen diese Personalzusatzkosten lediglich 43,40 DM, so daB sich inner­halb der letzten 25 Jahre nahezu eine Verdoppelung der Personalzusatzkosten ergeben hat.16 In diesen Personalzusatzkosten, insbesondere den tariflichen und betrieblichen Sozialleistungen, kommen die Humankapitalinvestitionen im Bereich der Schulung und Fortbildung sowie der sozialen Sicherung mit dem Effekt der sHirkeren Bindung an das Unternehmen sowie der damit verbundenen hOheren Leistungsfahigkeit der Mitarbeiter zum Ausdruck. International gesehen sind die Arbeitskosten je Stunde mit insgesamt 37,88 DM flir die verarbeitende Industrie die hOchsten aller Staaten der Erde. Von den 37,88 DM entfallen 20,43 DM auf Direktentgelte, wiihrend 17,45 DM auf die Personal­zusatzkosten anzusetzen sindP Damit ubertrifft die Bundesrepublik Deutschland 1990 die Schweiz sowie Schweden, die bisher die Spitze mit den Arbeitskosten je Stunde eingenommen hatten.

2.2. Passivierung von Verpflichtungen und Lasten im Zusammenhang mit dem Humankapital

2.2.1. Pensionsriickstellungen

Entscheidend ist, daB keineswegs juristisches oder auch wirtschaftliches Eigentum im Gegensatz zu den materiellen Gegenstiinden am Produktionsfaktor "Arbeit" erworben werden kann. Es bestehen lediglich zwischen der Unternehmung und den Mitarbeitern einzelvertraglich oder auch tarifvertraglich festgelegte Rechte und Verpflichtungen. Allein aufgrund dieser arbeitsrechtlichen Bindungen ergeben sich fUr das Unternehmen Moglichkeiten, auf den einzelnen Mitarbeiter wie auf das gesamte Humankapital insge­samt EinfluB zu nehmen, wobei sich allerdings aufgrund der arbeitsrechtlichen Bedin­gungen lediglich zeitlich begrenzte Anspriiche auf die Nutzung der Leistungsfiihigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter herleiten lassen.18

Wiihrend nur iiuBerst begrenzte Aktivierungsmoglichkeiten der in das Humankapital getiitigten Investitionen auf der Aktivseite bestehen, ja sogar ein deutliches Aktivie­rungsverbot vorliegt, da mit den Investitionen in das Humankapital weder ein materiel­ler Vermogensgegenstand noch ein entgeltlich erworbenes immaterielles Anlagegut ge­schaffen wird, sieht es bei den Verpflichtungen, die sich aufgrund der arbeitsrechtlichen

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16

17

18

Vgl. Hemmer, E., Personalzusatzkosten im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich, Koin 1991, S. 1. Vgl. Hemmer, E., a.a.D., S. 1. Vgl. Salowsky, H., Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich 1970 -1990, Koln 1991, S. 2. Von den Gesamtkosten einer Arbeitsstunde im Handwerk von durchschnittlich 65,-- DM entfallen gegenwiirtig mehr als 35,-- DM auf Steuern und Sozialabgaben. Der Nettolohn Mitarbeiters macht etwa 13,-- DM pro Stunde aus. Vgl. o.V., Den Faktor Arbeit nicht noch weiter belasten, in: Die Welt Yom 11.10.1991, S. 27. Vgl. Reuter, E., Moglichkeiten und Grenzen betrieblicher Vermogensrechnung und Berichterstattung im Bereich des Humankapitals aus der Sicht der Praxis, in: Humanvermogensrechnung, a.a.D., S. 242.

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Festlegungen im Rahmen des Einsatzes des Humankapitals ergeben, anders aus. Ver­pflichtungen, die sich durch den Mitarbeitereinsatz ergeben, bestehen insbesondere in Altersversorgungsverpflichtungen, die von den Unternehmungen zur Verbesserung des Leistungseinsatzes des Produktionsfaktors "Arbeit" gewahrt werden. Fur diese Pensions­verpflichtungen besteht seit dem 01.01.1987 ein klares Passivierungsgebot. Fur Zusagen, die vor dem 01.01.1987 getatigt worden sind, gilt nach wie vor ein Passivierungswahl­recht.

2.2.2. Sonstige Ruckstellungen fUr Verpflichtungen gegenuber Arbeitnehmem

Sonstige Ruckstellungen fUr Verpflichtungen gegenuber Arbeitnehmern kommen dann in Betracht, wenn die arbeitsvertraglichen Leistungen der Arbeitnehmer nicht mehr in einem ausgewogenen Verhaltnis zu den geldlichen Gegenleistungen des Unternehmens stehen und somit drohende Verluste aus schwebenden Arbeitsvertragen zu befUrchten sind. Derartige Verlustruckstellungen sind dann passivierungspflichtig, wenn aus dem Dauerarbeitsverhaltnis ein negatives Ergebnis zu erwarten ist und diesem auch unmit­telbar zugeordnet werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Abbau des Humankapitals aufgrund von Sozialplanen oder auch durch Regelungen im Rahmen von Vorruhestandsvertragen vorgesehen wird. Insoweit sind Verpflichtungen aus Sozial­planen und Vorruhestandsverpflichtungen passivierungspflichtig.

Bei allen ubrigen Arbeitsvertragen wie auch Ausbildungsvertragen wird vermutet, daB sich die Leistungen des Arbeitnehmers und die Gegenleistungen des Unternehmens gleichwertig gegenuberstehen, so daB eine Riickstellungsverpflichtung des Unter­nehmens nicht entsteht. Diese Ausgeglichenheitsvermutung wird insbesondere auch bei Ausbildungskosten im Rahmen der Berufsausbildung fUr angebracht gehalten;19 aus die­sem Grunde werden auch Ausbildungskosten von der Rechtsprechung des Bundes­finanzhofes als nicht ruckstellungspflichtig angesehen. Eine Passivierung von Verpflich­tungen aufgrund des Einsatzes des Humankapitals kommt deswegen nach dem derzeiti­gen Bilanzrecht nur dann in Frage, wenn die Verpflichtungen bereits in der Vergangen­heit yom Unternehmen iibernommen und die Ertrage in Form des Einsatzes der Mit­arbeiter bereits schon vereinnahmt worden sind, auf der anderen Seite aber die Verpflichtungen, die yom Unternehmen ubernommen worden sind, erst in der Zukunft erfUllt werden miissen; insoweit ist nur Raum fUr die Passivierung von Pensionsver­pflichtungen sowie von drohenden Verlusten aus schwebenden Arbeitsvertragen.

Soweit Berufsgenossenschaftsbeitrage, Gewinnbeteiligungen, Gratifikationen, Tantie­men und Jubilaumsgelder zuruckgestellt werden, handelt es sich hier keineswegs darum, besondere Verpflichtungen aus dem Leistungseinsatz des Humankapitals zu passivieren; vielmehr geht es darum, eine entsprechende Periodenabgrenzung von bestimmten Aufwendungen im Rahmen des Einsatzes von Arbeitskraften vorzunehmen.

19

18

Vgl. Hofer, R./ Meyer-Wegelin, Eo, in Kiiting, K./ Weber, c.-Po (Hrsgo), Handbuch der Rechnungs­legung, 3. Auflo, Stuttgart 1990, § 249, Rn 46. Vgl. zur Frage der Aufwandsruckstellungen im Personal­bereich Adler, H.I Diiring, W./ Schmaltz, K., Rechnungslegung und Priifung der Unternehmen, Stuttgart 1987, § 249, Rn 209.

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2.3. Die Aufwendungen f"tir das Humankapital im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung

Der Einsatz des Humankapitals schHigt sich insbesondere in den Personalaufwendungen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung verrechnet werden, nieder. Sie sind folgender­maBen aufzuteilen:

LOhne und Gehalter

soziale Abgaben und Aufwendungen fUr Altersversorgung

und fUr Unterstiitzung

Der Aufwand fUr Altersversorgung ist im Rahmen eines Vermerks in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert anzugeben.

Zu den Personalaufwendungen zahlen samtliche Aufwendungen, die dem jeweiligen Geschaftsjahr wirtschaftlich zugerechnet werden kannen, unabhangig davon, wann die entsprechenden Auszahlungen stattfinden.20

Die absolute Hahe der Personalaufwendungen trifft noch keine Aussage iiber deren Produktivitat und damit indirekt iiber das Leistungspotential des eingesetzten Humankapitals. Allerdings lassen sich durch Personalkennziffern Aussagen iiber die Produktivitat der Personalaufwendungen treffen. Eine besondere Kennziffer fUr die Beurteilung der Personalaufwendungen ergibt sich dadurch, daB der Personalaufwand ins Verhaltnis zum Rohertrag gestellt wird; dies geschieht in der Weise, daB der Roh­ertrag, das ist das Rohergebnis unter Abzug der sonstigen betrieblichen Ertrage, durch die Personalaufwendungen dividiert wird. Das Ergebnis dieser Division trifft dariiber eine Aussage, wieviel Ertrag pro 1,-- DM Personalaufwand erwirtschaftet wird. Nach einer Faustformel gilt fUr die produzierenden Unternehmen sowie fUr die Dienst­leistungsbetriebe des Handels, daB ein Wert von 2,-- DM Rohertrag pro 1,-- DM Per­sonalaufwand als sehr gut anzusehen ist. Ein Wert zwischen 1,80 DM und 2,-- DM muB als gut, aber ein Wert unter 1,40 DM als vallig ungeniigend angesehen werden.21 Auf­grund dieser sehr groben Einteilung Hillt sich zumindest eine Beurteilung der Personal­aufwendungen und damit auch ein Urteil iiber das eingesetzte Humankapital fallen, soweit es in dem betreffenden Geschaftsjahr eingesetzt worden ist. Allerdings lassen sich aufgrund der Personalaufwendungen eines einzelnen Geschaftsjahres keinerlei Aussagen iiber das. gesamte im Unternehmen befindliche Humankapital treffen, so daB durch die Angaben des Personalaufwandes in der Gewinn- und Verlustrechnung nur ein­schrankende Aussagen iiber das im Unternehmen investierte Humankapital getroffen werden kannen.

20

21

Vgl. Schiining, H., Personalaufwand, in: Beck'sches Handbuch der Rechnungslegung, Miinchen 1991, B 333, S.l. Vgl. Guthe, J., Verluste fallen nicht vom Himmel- Friihindikatoren fUr Bankvorstande, Miinchen 1991, S.9.

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2.4. Angaben tiber das Humankapital im Anhang

Sieht man die Anbangangaben daraufhin durch, ob sie eine Aussage fiber das Human­kapital treffen, so ist erkennbar, daB nur eine einzige Angabe einschUigige Auskiinfte fiber das Humankapital gewahrt. Es handelt sich um die in § 285 Ziff. 7 HGB erforderliche Angabe fiber die Durchschnittszahl der wahrend des Geschaftsjahres beschaftigten Arbeitnehmer, wobei eine Aufteilung getrennt nach Gruppen vorzuneh­men ist. Ffir die Gruppeneinteilung der Arbeitnehmer werden hauptsachlich Arbeiter und Angestellte unterschieden. Insoweit wird die Struktur der Belegschaft eines Untemehmens nur sehr grob dargestellt, so daB sich nahere Aufschlfisse auBer einer quantitativen Angabe fiber die Zusammensetzung der Belegschaft aus der Anbangangabe nicht ergeben.

2.5. Berichterstattung fiber das Humankapital im Lagebericht

2.5.1.. Sozialbericht

Der Lagebericht hat die Aufgabe, den Geschaftsverlauf und die Lage des Untemehmens so darzustellen, daB ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild des Unter­nehmens vermittelt wird (§ 289 HGB). Diese Aufgabe umreiBt den Mindestumfang des Lageberichts, fiber den hinauszugehen ein gesetzlicher Zwang nicht besteht. Daher ist es nicht zwingend erforderlich, Angaben, die das Humankapital betreffen, im Lagebericht vorzunehmen. Allerdings mfissen Ereignisse, die einen bedeutenden EinfluB auf das abgelaufene Geschaftsjahr besitzen, oder auch besondere Ereignisse von Bedeutung, die nach Ablauf des Geschaftsjahres eintreten, angegeben werden. Zu diesen berichtspflich­tigen Tatbestanden konnen Erlauterungen zu wesentlichen Veranderungen in der Zahl der Beschaftigten, die Einfiihrung von Kurzarbeit und der AbschluB von wichtigen Tarif­vertrage oder von Betriebsvereinbarungen zu Fragen der Entlohnung, Arbeitszeit und Alterssicherung gehoren; auch Auswirkungen von Arbeitskampfen sowie wesentliche Auswirkungen der Sozialgesetzgebung auf das Untemehmen konnen durchaus berichts­pflichtige Tatbestande darstellen.22

Wenn auch der berichtspflichtige Umfang fiber das Humankapital im Lagebericht auBerst eng eingegrenzt ist, so hat sich gleichwohl bei einer Reihe insbesondere groBerer Untemehmen eine Ubung herausgebildet, einen sogenannten Sozialbericht im Rahmen des Lageberichtes aufzufiihren. In diesem Sozialbericht wird ein weiterer AufschluB fiber die Struktur der Belegschaft gegeben, insbesondere wird fiber die Alterszusammen­setzung der BetriebsangehOrigen sowie fiber das Verhaltnis von mannlichen und weib­lichen Arbeitnehmem berichtet. Weiterhin wird dargelegt, inwieweit eine Fluktuation innerhalb der Belegschaft stattgefunden hat. Vielfach wird fiber besondere soziale Leistungen zugunsten der BetriebsangehOrigen wie Werkswohnungen, Siedlungen, Erholungsheime, Werksverpfiegung, betriebliche Gesundheitsfiirsorge, Unfallschutz und ArbeitssicherheitsmaBnahmen sowie fiber Weihnachts- und AbschluBgratifikationen

22 VgI. Muller, E., Inhalt des Lageberichts, in: Beck'sches Handbuch der Rechnungslegung, Munchen 1991, B 510, S. 10; Luck, W., in: Kuting, K./ Weber, C.-P. (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 3. Aufl., Stuttgart 1990, § 289, Rn 37.

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sowie Jubllaumsgelder, Sonderzuwendungen und Gewinnbeteiligung der Betriebsange­bOrigen berichtet.23 Diese tiber den berichtspflichtigen Tell hinausgehenden freiwilligen Angaben im Lagebericht dienen in der Regel dazu, die besondere soziale Einstellung des Untemehmens gegeniiber der Belegschaft aufzuzeigen. Sie haben keineswegs den Zweck, Aussagen iiber das Humankapital und die Humankapitalinvestitionen zu geben. Aus diesem Grund vermogen es die Angaben des Lageberichtes kaum, weitergehende Aufschliisse iiber das Humankapital zu liefem.

2.5.2. Humankapitalrechnung

Wegen der besonderen Bedeutung ist man in den USA dazu iibergegangen, zumindest fUr interne Zwecke eine Humankapitalrechnung neben der iiblichen Rechnungslegung vorzunehmen. Unter Humankapitalrechnung wird dabei ein Verfahren verstanden, das nicht nur den Umfang des Humankapitals erfassen, sondem auch seine Entwicklung zu iiberwachen hat. Der US-amerikanische Ansatz eines Human resource accounting schlieBt "die Erfassung und Messung aller personalbezogenen Aufwendungen eines Untemehmens wie Kosten der Personalakquisition, Auswahl, Einstellung, berufliche Bil­dungsmaSnahmen (menschliche Aktiva)" ein;24 ''weiterhin zablen dazu die Fluktua­tionskosten bzw. aIle Aufwendungen des Untemehmens, die ihm beim Ersatz ausschei­dender Mitarbeiter entstehen." Gleichzeitig gebOrt dazu "die Erfassung und Messung des okonomischen Wertes der Belegschaft flir die sie beschiiftigende Organisation; sowohl individuelle wie Gruppenbewertungen werden propagiert."25

Eine derartige Humankapitalrechnung hat damit nicht nur die mittelbar und unmittelbar durch die Belegschaft verursachten Aufwendungen zu erfassen und zu verrechnen. Es sind auch der Wert laufender investiver Ausgaben flir das Humankapital zu ermitteln. Lohn- und Lohnnebenkosten konnen dabei nur Hilfswerte fUr eine grobe Darstellung des Leistungspotentials des Produktionsfaktors "Arbeit" eines Untemehmens bieten. In den Lohn- und Lohnnebenkosten kommt n3.mlich nur teilweise der Aufwand zum Ausdruck, den eine Untemehmung flir den Produktionsfaktor "Arbeit" einsetzt. Keines­wegs kann mit Hilfe dieser quantitativen GroBen der Aufwand flir leistungsfordemde Faktoren, wie ein gutes Betriebsklima oder andere qualitative, die Leistungsbereitschaft unterstiitzende FiihrungsmaSnahmen, erfaSt werden.

Hat man schon Schwierigkeiten, die rechnungsmaBige Erfassung samtlicher Aufwendun­gen des Humankapitals sicherzusteIlen, so treten noch groBere Probleme auf, wenn man die verursachungsgerechte Zuordnung der Ertrage aus den Humankapitalinvestitionen und vor allem deren rechenhafte Quantifizierung vomehmen wiIl.26 Damit stoBt eine

23

24 25 26

Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), WP-Handbuch 1985/86, Bd. II, 4. Aufl., Dusseldorf 1986, § 249, Rn 266. Vgl. auch Luck, W., a.a.O. und Adler, H./ DUring, W./ Schmaltz, K, a.a.O., § 289, Rn 82. Uber die Angaben im Sozialbericht nach altem Handelsrecht berichten anhand einer empirischen Untersuchung Dierkes, M./ Hoff, A, Das Humanvermogen in der Sozialbilanz des Unternehmens, in: Humanvermogensrechnung, a.a.O., S. 677-719. Vgl. Schmidt, H., a.a.O., S.12; auch Reuter, E., a.a.O., S. 242. Vgl. Schmidt, H., a.a.O., S.12. Vgl. dazu im einzelnen: Reuter, E., a.a.O., S. 250.

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unternehmerische Humankapitalrechnung an eng gezogene Grenzen, so daB sie zur Zeit kein ausreichendes Instrument darstellt, urn betriebswirtschaftlich fundierte Aussagen fiber das Humankapitalverm6gen eines Unternehmens zu geben.27 Aus diesem Grunde hat sich bisher eine Humankapitalrechnung in der Bundesrepublik Deutschland kaum durchgesetzt. Auch in den USA werden derartige Humankapitalrechnungen flir eine externe Berichterstattung nicht eingesetzt, sondern dienen vielmehr fUr interne Uber­legungen.

3. Zusammenfassender Ausblick

Dem Humankapital kommt bei der betrieblichen Leistungserstellung eine beherr­schende Rolle zu. Das Leistungspotential der Belegschaft eines Unternehmens, das sich durch Leistungswilligkeit und Leistungsfahigkeit auszeichnet, hat flir das Ergebnis der unternehmerischen Tatigkeit und flir den Wert eines Unternehmens im ganzen einen maBgebenden EinfluB. Gleichwohl schlagt sich bei der traditionellen Rechnungslegung, insbesondere der Bilanzierung, diese Bedeutung des Humankapitals nur auBerst begrenzt und meistens nur indirekt nieder. Festzustellen bleibt, daB im JahresabschluB ein Vermogensgegenstand flir das Humankapital nicht angesetzt werden darf. Anderer­seits mfissen Verpflichtungen, die von den Unternehmen bereits vor dem Jahres­abschluBstichtag eingegangen worden sind, aus denen jedoch Leistungen erst in der Zukunft flieBen, in Form von Rfickstellungen passiviert werden. Festzuhalten bleibt wei­terhin, daB im Anhang wie im Lagebericht nur in geringem Umfange Aussagen zu Struk­tur und Umfang des Humankapitals getatigt werden mfissen und daB sich auch die Un­ternehmen nur in geringem Umfang dazu entschlieBen, freiwillig fiber das Humankapital Aussagen zu treffen. Dies hangt insbesondere damit zusammen, daB eine betriebswirt­schaftlich fundierte Humankapitalrechnung, insbesondere eine Humaninvestitions­rechnung, nicht vorhanden ist. Uberspitzt kann man sagen, daB das Humankapital flir den Erfolg eines Unternehmens Olein Riese", jedoch bei der externen Rechnungslegung Olein Zwerg" ist.

27 1m Ergebnis gleicher Ansicht: Reuter, E., a.a.O., S. 250.

22

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Page 25: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Projektmanagement -Grundziige und ausgewahlte Instrumente

MATIHIAS FREILING

GESELLSCHAFf FOR PERSONALENTWICKLUNG UNO WIRTSCHAFfSPADAGOGIK

ERFURT

Page 26: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.

3.

26

1.1. Projektmanagement: Der Konflikt als Chance

1.2. Merkmale von Projekten

Aspekte des Projektmanagements

2.1. Zeit

2.2. Kosten

2.3. Ziel

2.4. Komplexitat

2.5. Organisation

2.6. Neuartigkeit und Einmaligkeit

Zusammenfassung

Page 27: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Einleitung

1.1. Projektmanagement: Der Konflikt als Chance

Dagobert Blau sei Student der Betriebswirtschaftslehre an einer deutschen Universitat. Drei Semester des okonomischen Grundstudiums hat er bereits hinter sich gebracht, bis zur Diplomvorpriifung ist also noch ein halbes Jabr zu absolvieren. Die bisherige Studi­enzeit war gekennzeichnet durch verhaltnismaBig klare Vorgaben: Studienfiihrer, Studi­enplane, Studienordnungen, Veranstaltungskataloge usw. benannten ziemlich genau, wann was zu tun ist.

In diesem BewuBtsein wendet sich Herr Blau der Planung seines Hauptstudiums zu. Ziemlich schnell merkt er, daB er in dieser Phase wesentlich mehr Freibeitsgrade hat, daB man von einer Verschulung keinesfalls sprechen kann. Ziemlich schnell merkt er aber auch, daB mit dieser neuen Situation eine Fiille gestalterischer Aufgaben auf ibn zukommen, die streckenweise nicht einfach zu losen sind.

Herr Blau iibernimmt mit dem Ubergang ins Hauptstudium die Rolle eines Projektlei­ters in eigener Sache. Dies sei im folgenden erUiutert.

I Fachbereich WiWi I

IlnstitutAI I InstitutBI Iinstitutci . ·llnstitut Z I

I Studienplan A I ... ~

Funktion der Siudionplanunil

SinnvoJlc !Combination I Studienplan B ... ~ derFiCber

... Ablauf des StudiulD8 I Studienplan C ~

I Studienplan Z ... ~

." ." ." U

Institutsfunktionen: Lehrveranstaltung PrOfungsplanung Forschung PrUfung Semesterplanung

Abbildung 1: Das Studium der Betriebswirtschaftslehre

Das Studium der Betriebswirtschaftslehre vollzieht sich am Fachbereich Wirtschaftswis­senschaften. Dieser Fachbereich besteht aus mehreren Instituten, die jeweils flir spezifi-

27

Page 28: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

sche Fachinhalte oder Gruppen von Fachinhalten stehen. Die Aufgaben der Institute sind vielfaltig und reichen von der Planung und Durchflihrung verschiedener Lehrveran­staltungen iiber ForschungsHitigkeiten bis zu den unterschiedlichsten Priifungsaufgaben.

Qualitat von Forschung und Lehre ist letztlich das Ziel, das Handlungen und Initiativen bestimmt. Jedes Institut wird flir sich dieses Ziel auf sein Fach beziehen und ist dabei im wesentlichen autonom, wobei Rahmenbedingungen diese Autonomie begrenzen. Jedes Institut tragt flir die Qualitat seiner Arbeit entsprechende Verantwortung.

1.2. Merkmale von Projekten

Wie stellt sich diese Situation flir Herm Blau dar?

Er tragt die Verantwortung daflir, sein Studium in angemessener Zeit und mit vemiinf­tigem Ergebnis abzuschlieBen. In der Ausgestaltung dieser Verantwortung ist auch er prinzipiell autonom. Es gelten auch hier Rahmenbedingungen, die einzuhalten sind.

Herr Blau wird sich Gedanken machen iiber die geeignete Facherkombination, zweck­miiBigen Studienablauf, Examensstrategie und -taktik usw. Dabei wird er die Institute als Dienstleister flir Bildung betrachten, deren Angebot er nach seiner Zielvorstellung kombinieren kann. Seine Verantwortung liegt darin, diese Aufgabe innerhalb gegebener Rahmenbedingungen m6glichst gut zu l6sen - in seinem eigenen Interesse.

Er definiert also iiber alle Institute ein fachiibergreifendes, individuelles Paket: sein Studium! Es entsteht ein neuer Verantwortungsbereich; dieser ist v611ig anders als die durch die Fachbereichsstruktur bereits vorhandenen.

Ein derart neuer Verantwortungsbereich, der aus einer bestehenden Organisation bestimmte Elemente herausgreift und sie in neuer Form zusammenfligt, ist ein Projekt. Derjenige, der sich darum "kiimmert", es voranbringt, also der Promotor, ist der Pro­jektleiter oder -manager, im genannten Beispiel Herr Blau.

Er hat die Aufgabe, die gegebene Situation zu erfassen, zu beurteilen und einen Studi­enplan zu erstellen. Dieser Studienplan hat im einzelnen genau vorzugeben, welche Vorlesungen zu besuchen sind, in welcher Reihenfolge, bei welchen Hochschullehrern, welche Literatur erforderlich ist, usw. Er beinhaltet also konkrete Handlungsemp­fehlungen. Verfiigte Herr Blau iiber Projektmanagementsoftware mit der entsprechen­den Ausstattung, k6nnte er einen solchen Ablaufplan auch graphisch darstellen. Es ent­stiinde ein optischer Terminplan, der die einze1nen Aktivitaten iiber einer Zeitachse darstelltl.

Hinter den Verben 'erfassen, beurteilen und planen' steckt im Detail eine wesentlich schwierigere Aufgabe, als es auf den ersten Blick scheint. Nach den Vorgaben der Prii­fungsordnung (Rahmenbedingung) existieren iiber 12.000 m6gliche Hicherkombinatio­nen, unterschiedliche Geriichte und Aussagen iiber Sinn und Unsinn bereits praktizierter StudienabHiufe, Kapazitatsengpasse, Neigungen, finanzielle Restriktionen, usw. Es

siehe hierzu auch Abbildung 4

28

Page 29: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

handelt sich also um eine auBerst komplexe Situation, die es zu bearbeiten gilt: ein wei­teres, wesentliches Element von Projekten.

Herr Blau konnte eine "Wunschliste" fiir die Bedingungen seines Projektes aufschreiben, die folgende Positionen beinhaltet:

keine Dberschneidungen bei Vorlesungen

unbegrenzte Kapazitat bei Priifungen

keine Vorlesung vor 9:30 Uhr

unbegrenzte Verfiigbarkeit von Literatur

keine Engpasse bei Beratung und Betreuung

weniger Inhalte

mehr Geld

Diese Wunsche orientieren sich zweifellos an der Sache und wiirden das Gelingen sichern, mindestens fordern. Sie erweisen sich indes als nicht realistisch. Vorlesungs­uberschneidungen sind entweder objektiv unvermeidbar oder mit dem praktizierten Planungssystem nicht auszuschalten. Unbegrenzte Kapazitat bei Priifungen, Beratung und Betreuung steht - mindestens teilweise - im Widerspruch zu den Moglichkeiten der Institute oder im Widerspruch zu deren Prioritaten. Gleiches gilt fiir Vorlesungszeiten. Die Bibliothek stellte gern mehr Bucher zur Verfiigung, aber finanzielle, raumliche und personelle Engpasse machen dies unmoglich. Bei dem Wunsch nach mehr Geld steht eine Auseinandersetzung mit dem Amt fiir Ausbildungsforderung ins Haus. Der zustan­dige Sachbearbeiter sieht aus seiner Perspektive die Angelegenheit vollig anders und weist das Ansinnen ab, weil er nach den einschlagigen gesetzlichen Vorgaben keinen Handlungsspielraum sieht.

Aus dieser kurzen Betrachtung lassen sich drei weitere Wesensmerkmale von Projekten ableiten.

1. Herr Blau findet nicht die Bedingungen vor, die seiner Sicht gemaB am besten sind: Er muB mit dem EngpaB leben.

2. Herr Blau kooperiert mit Partnern, die aus ihrer Sichtweise Sachverhalte vollig anders beurteilen, mit denen er aber dennoch zusammenarbeiten muB: Er muB sich dieser Situation stellen und gegebenenfalls einen Konflikt in Kauf nehmen.

3. Herr Blau hat trotzdem sein Projekt zu Ende zu fiihren, will er sich letztlich nicht selbst schaden: Er wird Abstimmung suchen und Kooperation anbieten.

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Komplexitat, EngpaB, Konflikt, Abstimmung und Kooperation sind Wesensmerkmale einer Tatigkeit Projektmanagement, die - wie fUr Dagobert Elau - auch in der industri­ellen Praxis existieren. Das Organigramm des Fachbereichs HiBt sich, wie in Abbildung 2 dargestellt, entsprechend modifizieren.

--+--ProJekl-Verantwortung/Kompelenz

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Abbildung 2: Projektmanagement

Projekt.funktlonen :

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Gezeigt ist auch hier eine Matrixorganisation, die in der Vertikalen aus den Linienfunk­tionen, in der Horizontalen aus einzelnen Projekten besteht. Jede Linienfunktion ist hier als operativer Bereich dargestellt. Der Leiter tragt die Verantwortung fUr seinen Bereich, er hat Erfolge wie MiBerfolge zu vertreten. Er wird und muB sich fUr seine Arbeit an Bedingungen orientieren, die fUr seine Linienfunktion vorgegeben sind (Budget, Personal, Ausstattung, Kompetenz, usw.). So wird der Leiter des Bereichs Pro­duktion an einer optimalen Maschinenauslastung und hoher Produktqualitat interessiert sein. Der Leiter des Projektes A dagegen hat Interesse daran, seinen Produktionsauftrag moglichst zligig zUrUckzubekommen, findet aber beim Kollegen der Produktion wenig Verstandnis dafUr, weil sein Wunsch die Maschinenbelegungsplanung umwirft und Leerzeiten bewirkt.

Auch hier ergeben sich analoge Problemfelder; sie sind fUr das industrielle Projektma­nagement in der gezeigten Matrixorganisation typisch. Sie resultieren daraus, daB tiber die vorhandene Organisationstmktur als Linienorganisation eine zweite horizontale Stmktur, die Projektorganisation gelegt wird. Dadurch wird neben der Linienverantwor­tung eine weitere autonome Projektverantwortung definiert. Dies hat Vor- und Nach­teile. Einige Schwierigkehen sind benannt: Projekte und Projektmitarbeiter bzw. -leiter dtirfen nicht als Storfaktor miBverstanden werden.

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Demgegeniiber ist folgender Aspekt zu sehen: Initiativen, die fachiibergreifend wirken, kommen sehr haufig schlecht voran, 'diimpeln so var sich hin' und fiihren zu unbefriedi­gendem Ergebnis. Sie verfangen sich im Netz von Kompetenzen, Zustandigkeiten und Meinungsunterschieden. Erneuerung und Dynamik liegen aber weniger darin, einzelne Funktionen zu perfektionieren als mehr darin, ihr Zusammenspiel effektiver zu gestal­ten.

Der Gedanke einer Projektorganisation setzt genau dort an. Er versucht, diesen fach­iibergreifenden Aspekt zu institutionalisieren, indem er neue Verantwortung und Zustandigkeiten auf Zeit definiert. Foiglich liegt es in der Natur der Sache, daB Pro­jektleiter im Rahmen ihrer Tatigkeiten auf Widerstande stoBen und Konflikte entstehen. Dieser Umstand ist ausdriicklich gewollt - es handelt sich nicht urn etwas, das es zu vermeiden gilt. Aus dem geschickten Umgang mit dieser Aufgabe entstehen bessere Ergebnisse fiir Projekte, als sie ohne die ausdriickliche Definition solcher Aufgaben ver­bunden mit der Zustandigkeit zu erreichen waren.

Projektmanagement in der hier geschilderten Matrixorganisation2 liiBt sich dariiber hin­aus auch als Teil einer Organisationsentwicklung sehen. Werden Projektteams auf Zeit gebildet, finden sich Mitarbeiter zusammen, die sonst keinen Kontakt haben. Neue Ver­bindungen und informelle Kontakte entstehen, die einer flexiblen Organisation niitzen k6nnen. AuBerdem besteht die M6glichkeit, Strukturen zu hinterfragen und Bereichse­goismus abzubauen. Diese Uberlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Projekte sind bereichsiibergreifend definierte komplexe Aufgabenstellungen;

2. sie definieren eine neue, autonome Zustandigkeit auf Zeit.

3. Projektmanagement definiert Ziele, Projektinhalte bzw. Projektgegenstande und de­finiert ein konkretes d. h. handlungsorientiertes Vorgehen.

4. Projektmanagement lebt mit dem EngpaB, dem Konflikt und dem Mangel,

5. schafft aber den groBen Vorteil kiirzerer Entwicklungszeiten, interdisziplinarer Zusammenarbeit und ist damit auch Aspekt einer Organisationsentwicklung.

2. Aspekte des Projektmanagements

Mit den bisher aufgezeigten Aspekten ist Projektmanagement natiirlich nicht vollstandig beschrieben. Vollstandigkeit wiirde aber bedeuten, alle Elemente dieser Fiihrungstatig­keit darzustellen und dabei eine Fiille von Facetten zu beleuchten, die sich aus unter­schiedlichem Projektverstandnis und unterschiedlichen Projekttypen ergeben. Der Qua­litatszirkel in einem mittelstandischen Unternehmen zur effektiveren Organisation des zentralen Sekretariats ist ebenso ein Projekt, wie der Umzug des Miinchner Flughafens. Gleiches gilt flir den Bau einer Verkehrsverbindung von Berlin nach Hamburg oder die Planung und Ausrichtung eines Universitatsballes. Zu vielseitig und unterschiedlich sind

2 Projektorganisationen konnen auch ganzlich anders aufgebaut sein. Vgl. dazu S. 50 und die dort ange­gebene Literatur.

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die Aufgabenstellungen im einzelnen, das Ergebnis ware ein Kompendium zum Pro­jektmanagement. Dennoch ist es Intention, einen Eindruck iiber die Vielseitigkeit dieser anspruchsvollen Aufgabe zu vermitteln. Dazu solI es aber ausreichen, einige Schlaglich­ter zu benennen.

Sehelle liefert in seinem Handbueh Projektmanagement einen Uberbliek dariiber, was Projekte kennzeichnet.3 Unabhiingig von der dort diskutierten Frage naeh dem Sinn einer solchen Klassifizierung sol1en diese Kennzeichen hier als roter Faden dienen.

Fiir Projekte sind folgende Merkmale typisch:

1. zeitliehe Determination (Zeit)

2. aufgabenbezogenes Budget (Kosten)

3. aufgabenmaBige Determination (Ziel)

4. Komplexitiit

5. Organisation

6. Neuartigkeit und Einmaligkeit.

Aus der praktisehen Arbeit des Autors ergeben sich zu dies en Punkten einzelne Aspekte, die im folgenden benannt und diskutiert werden sollen.

2.1. Zeit

Projekte zeichnen sich regelmiiBig dadureh aus, daB ein konkreter Endtermin definiert ist. Um diesen Termin mit der notwendigen Konsequenz durehzusetzen, ist er abge­siehert. (z. B. Konventionalstrafen bei Bau- und Anlagenprojekten). Unabhiingig von einem mogliehen Kostennaehteil fUhrt es immer aber zu Reehtfertigungszwang oder lund Gesichtsverlust, wird der geplante Zeitpunkt der Fertigstellung iiberschritten. Die Aufgabe fUr einen Projektleiter besteht also darin, die Planung und Abwieklung auf diesen Endzeitpunkt hin auszuriehten.

Dieses Problem ist prinzipiell nur dann zu 16sen, wenn alle im einzelnen abzuwiekelnden Teilaufgaben des Projektes nach Art, Umfang, gegenseitiger Beziehung, Dauer usw. bekannt sind. Diese Arbeitspakete gilt es dann in eine zeitliehe Reihenfolge zu bringen die sicherstellt, daB der Endtermin eingehalten werden kann.

Was hier in der globalen Formulierung reeht simpel klingt, ist in realiter ein hOehst komplexes, aber aueh ungemein interessantes Gebiet. Es enthiilt 3 Sehritte:

3

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vgl. Schelle, H., Zur Lehre vom Projektmanagment, in: Reschke, H., Schelle, H., Schnopp, R. (Hrsg.), Handbuch Projektmanagement, Band 1, Koln 1989, S. 4ff.

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1. Schritt:

Zerlegen des komplexen Gebildes Projekt in moglichst klar abgegrenzte Teilauf­gaben. Das Ergebnis dieses Analyseprozesses ist ein Projektmodell, das die logische Struktur abbildet. (logische Analyse)

2. Schritt:

Obertragen dieser logischen Struktur in eine Ablaufstruktur. Dies ergibt ein Pro­jektmodell, aus dem die zeitlich Folge der einzelnen Schritte hervorgeht. (zeitliche Analyse)

3. Schritt:

Oberwachen und Steuern dieses Ablaufes. (Abwicklung)

Wahrend die ersten beiden Schritte Planungscharakter haben, ist der dritte Schritt abwicklungsorientiert.

Es sei angenommen, daB der Endtermin feststeht und die beiden ersten Schritte abge­schlossen sind. Dann ist die letzte Phase des Projektes die Abwicklung, also die eigent­liche Erstellung des Projektgegenstandes (z. B. Fertigung eines neuen Produktes). Unter dem Aspekt des Endtermins hat der Projektleiter die Aufgabe, die einzelnen Vorgange oder Arbeitspakete zu fiberwachen und auf Abweichungen zu reagieren.4 Welche Hilfs­mittel stehen dabei zur VerfUgung?

Die Kontrollfunktion laBt sich mit Hilfe eines Projektterminkalenders, auch GANTT­Diagramm genannt, durchfiihren. Es handelt sich dabei um eine Graphik, die fiber einer Zeitachse die einzelnen Projektvorgange darstellt. Diese Vorgange sind exakt definiert, d. h. es ist klar

- wer daran beteiligt ist,

- wer sie verantwortlich leitet,

- wie lange sie dauern,

- was an Material und Kapazitat erforderlich ist,

- wie teuer sie folglich sind,

- wann sie beginnen und

- wann sie beendet sind.

4 Die Begriffe Vorglinge und Arbeitspakete werden synonym benutzt, ebenso der Begriff Projektaufga­ben.

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Das GANTI-Diagramm liefert dem Projektleiter eine vollstandige Ubersicht fiber die zeitliche Struktur seines Projektes (Ergebnis des 2. Schrittes). Dieses Hilfsmittel ist ebenso einfach wie fibersichtlich. Es genfigt damit einer Forderung nach einfachen und zweckmiiBigen Werkzeugen (KISS = keep it simple stupid). Je nach Einsatzgebiet lassen sich auBerdem verschiedene Informationen in diesen Plan integrieren. Farbig gekennzeichnete Balken etwa sagen etwas dariiber aus, wie weit ein Vorgang fortge­schritten ist, senkrechte Linien stehen flir regelmiiBig wiederkehrende Uberpriifungen, sogenannte Meilensteine oder flir das aktuelle Datum.

Auf einen Blick stehen Informationen zur Verfiigung, mit denen z. B. folgende Fragen beantwortet werden konnen:

wieviel V organge sind gleichzeitig aktiv?

welche Vorgange sind das?

welches sind die nachsten Aktivitaten?

wann beginnen sie?

wieviel Zeit bleibt bis zum Projektende?

wieviel Zeit bleibt bis zum nachsten Uberpriifungszeitpunkt?

Dieses Diagramm liefert dem Projektleiter also zunachst Statusinformationen fiber einen Sollzustand. Die tatsachliche Entwicklung liiBt sich ebenfalls eintragen, so daB auch Informationen fiber den IST-Zustand abgelesen werden konnen und damit ein SOLL-1ST Vergleich moglich wird. Die eigentlich entscheidende Aufgabe des Projekt­managements beginnt aber erst an dieser Stelle mit der Frage, wie auf bekannt gewor­dene Abweichungen zu reagieren ist.

Projektabwicklung beschreibt namlich eine Tatigkeit, bei der es im wesentlichen urn Reaktionen auf Planabweichungen geht. Kein Projekt verlauft 'nach Plan'. Immer gibt es irgendwelche Abweichungen; Termine werden nicht eingehalten, Kosten werden fiberschritten, Leistung fehlt oder reicht nicht aus. Die Motivation der Mitarbeiter sinkt, Aufgaben sind nicht genau definiert, Kapazitaten stehen nicht oder nicht ausreichend zur Verfligung u. a ..

Der Projektleiter braucht Informationen fiber AusmaB und Ursachen dieser Abwei­chungen und hat zu entscheiden, wie darauf zu reagieren ist und wie schnell. Damit ist die Projektabwicklung ein operatives Controlling im Sinne einer Steuerung. Das oben beschriebene Instrument "GANTI-Digramm" reicht flir diese Aufgabe nicht aus. Dies sei am Beispiel des Zeitverzugs erklart. Projektaufgaben verz6gern sich aus den unter­schiedlichsten Griinden:

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verspatete Materiallieferung,

Mitarbeiter erkranken,

Mitarbeiter werden nieht freigestellt,

BehOrdengenehmigungen kommen nieht reehtzeitig,

Programmierfehler treten auf,

Umweltsehutzauflagen verlangern einzelne Vorgange oder

unklare Zielvorgabe fiihrt zu falsehen Ergebnissen.

Wer entseheiden soH, wie auf eine Verzogerung zu reagieren ist muB wissen, wie sich diese Verzogerung auf den Projektablauf auswirkt und ob genug Zeit bleibt urn abzu­warten. Diese Frage laBt sieh mit dem bisher besehriebenen Mittel GANTf-Diagramm nieht beantworten, wohl aber mit einer anderen Methode, der Netzplanteehnik. Der Netzplan zeigt, wie die einzelnen Aufgaben des Projektes ursaehlieh zusammenhangen, also z. B. welehe Aktivitat welcher anderen folgt oder ihr vorangeht oder aueh welche Vorgange voneinander unabhangig sind.

Abbildung 3: Netzplan

Abbildung 3 zeigt einen Netzplan. Die Knoten (Kreise) zeigen Anfangs- und End­zustande der dazwisehenliegenden AktiviHiten an, die dureh Pfeile gekennzeiehnet sind. Die Zahlen an den Pfeilen geben die Vorgangsdauern in Zeiteinheiten an. So ist ein Vorgang von drei Zeiteinheiten notwendig, urn von Zustand A zum Zustand B zu kom­men. Diese DarsteHung wird als Vorgangspfeilnetz (CPM) bezeiehnet.

Wie die bisherige DarsteHung aueh, liefert dieses Bild eine voHstandige Ubersicht tiber die auszufiihrenden Tatigkeiten. 1m Gegensatz dazu lassen sich aber absolute Zeitan­gaben wie Anfang- und Endtermin nieht ablesen. Vielmehr ist die Beziehung oder Vernetzung siehtbar wie unmittelbarer Vorganger und Naehfolger. Daraus ergibt sieh z. B., daB der Vorgang DE unabhangig von Vorgang CF laufen kann, daB aber FG erst

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beginnen kann, wenn CF beendet ist.5 Verzogert sieh der Vorgang CF, so hat das aus­schlieBlich Auswirkungen auf den Vorgang FG. AIle anderen Tatigkeiten sind davon unberiihrt. Dies ist eine Information aus dem Netzplan.

Eine andere Information ware: Der Zustand F so11 nach 4 Zeiteinheiten erreieht sein. Erkennt der Projektleiter, daB eine Verzogerung von 2 Zeiteinheiten auftritt, kann er getrost abwarten, da die Vorgangskette ABEG 3 + 9 + 6 = 18 Zeiteinheiten dauem wird. Wenn FG eine Zeiteinheit dauert, kann er diese Vorgangskette nach 17 Zeitein­heiten anstoBen ohne daB sieh der Endtermin des Projektes verzogert. Dies ist eine wei­tere wesentliche Information. 1st eine solche Entscheidung auch zu treffen, wenn sieh DE verzogert? Sieher nicht, wenn dadurch das Projekt langer dauert.

Die Gesamtdauer des Projektes laBt sieh recht einfach berechnen durch Addition der Zeitangaben a11er moglichen Vorgangsfolgen. ABEG dauert 18 Zeiteinheiten. ACFG nUT 5 Zeiteinheiten. ACDEG nimmt 26 Zeiteinheiten in Anspruch. Es gibt keine Vor­gangsfolge, die langer dauert, das gesamte Projekt dauert folglich mindestens 26 Zeiteinheiten. Jede Tatigkeit, die auf diesem Weg oder Pfad liegt, ist kritisch, zusatzlich benotigte Zeit verzogert das Projekt. DE liegt auf diesem kritischen Weg; der Projekt­leiter wird deshalb versuchen, eine Verzogerung zu verhindem.

Die Netzplantechnik erMfnet nicht nUT die Moglichkeit, kritische Vorgange aufzuzeigen. Mit ihrer Rilfe laBt sich fUr jeden nichtkritischen Vorgang der maximal mogliche Spiel­raum berechnen. Ein solcher zeitlicher Spielraum ergibt sich daraus, daB ein Vorgang zu einem bestimmten Zeitpunkt friihestens anfangen kann, zu einem anderen - spateren -Zeit,punkt spatestens anfangen muS. Die Differenz dieser beiden Zeitpunkte ist der Puf­fer6, • Sind diese "Reservezeiten" fUr a11e Vorgange bekannt, laBt sieh das gesamte Pro­jekt unter Kapazitatsgesiehtspunkten optimieren.

Abbildung 4 auf Seite 37 zeigt ein Projekt in drei verschiedenen Darste11ungsformen: Aus dem Netzplan ergibt sieh das Balkendiagramm. Jedem Vorgang sind verschiedene RessoUTcen und Mitarbeiter zugeordnet. Die nicht eingerahmten Zahlen im Netzplan geben die erforderliche Menge an. Unter dem Kapazitatsaspekt Personen sind fUr den Vorgang A drei Mitarbeiter, fUr den Vorgang D fUnf Mitarbeiter usw. erforderlieh. Dauer, Lage und erforderliche Bindung von Ressourcen lassen sieh in einem Belastungsdiagramm darstellen. Fur die Tatigkeit A wird hier aus dem Balken ein Rechteck. Es ergibt sich aus der Kombination von Mitarbeitem und Zeit.

5

6

7

36

Die Netzplantechnik ist eine komplexe Materie, die iiber den hier dargestellten Bereich betriichtlich hinausgeht. Anordnungsbeziehungen, Unschiirfen, Darstellungsphilosophien u.v.a.m. konnen hier aber vernachliissigt werden, da es nur urn einige elementare Ubedegungen geht. Eine ausgezeichnete, dar­iiber hinaus didaktisch gut aufbereitete und praxisorientierte Darstellung liefern Groh, H.I Gutsch R.W. (Hrsg.), Netzplantechnik, Eine Anleitung zum Projektmanagement fur Studium und Praxis, 3., neubearbeitete Auflage, Diisseldorf 1982. 1st die Differenz 0, handelt es sich um einen kritischen Vorgang. Auf die Differenzierung der verschiedenen Puffertypen sei verzichtet; sie ist rur den Gedankengang nicht wesentlich. Niiheres vgl. Bloech, J.I Pinkas W, Graphentheorie und Netzplantechnik - Skripturn-, Gottingen 1989, S. 120 ff. und 150 ff.

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Die Pufferzeiten erlauben verschiedene Anfangstermine. Die 'KapaziHitsblOcke' lassen sich gleichsam auf der Zeitachse verschieben. Das gesamte Projekt kommt damit mogli­cherweise zu einer gleichmlilligeren Auslastung und damit zu einer Reduzierung der Hochstbelastung von 14 auf 10 Einheiten.

Die Moglichkeiten der Netzplantechnik in Verbindung mit der Datenverarbeitung sind uniibersehbar vielfaItig.8 Die Erfahrung des Autors belegt trotzdem viele Akzeptanz­probleme, die sich insbesondere durch den ausgepragten Formalismus im Umgang mit diesen Instrumenten ergeben.

2.2. Kosten

Sich mit Kosten eines Projektes zu beschiiftigen, hat naturgemaB viele Griinde. Einige davon konnen sein:

jemand mochte wissen, wie teuer ein Projekt ist,

es ist eine Entscheidung fUr oder gegen ein Projekt zu treffen,

es gilt, ein Projekt unter mehreren auszuwahlen,

es ist ein Finanzplan aufzustellen,

die Geschiiftsleitung braucht einen Liquiditatsplan,

das Projekt ist zu kalkulieren oder

SOLL- und 1ST-Kosten sind zu vergleichen.

Daraus entstehen fUr das Projektmanagement unterschiedliche Aufgaben, von denen einige kurz skizziert werden sollen.

Projektkosten antizipieren

Ein Aspekt zum Thema Kosten ist oben bereits benannt: jemand mochte wissen, wie teuer ein Projekt ist.

Beispiel: Ein mittelstandisches Unternehmen fragt in einem Softwarehaus an, wie teuer es ist, ein EDV-gestiitztes System der Kostenrechnung einzufUhren. Der fUr solche Auf­gaben zustandige Projektleiter oder der GeschiiftsfUhrer wird eine Kalkulation durch­fUhren und ein Angebot abgeben, soweit das Projekt hinreichend genau beschrieben ist. Fiir den Preis einer solchen Dienstleistung wird es z. B. interessant sein zu wissen, wofUr im einzelnen Kosten entstehen, wieviel und wann. Diese Fragen lassen sich dabei urn so besser beantworten, je praziser im einzelnen bekannt ist, was wann zu tun ist, wer es tut

8

38

Dworatschek stellt dies mit seinem Martkspiegei Projektmanagement Software eindrucksvoll unter Beweis: Dworatschek. S.I Hayek A., Marktspiegei Projektmanagment Software; Kriterienkatalog und Leistungsproflle, 2. vollig iiberarbeitete Auflage, Koin 1989.

Page 39: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

und welche Hilfsmittel erforderlich sind. Uegt fUr ein Projekt ein Netzplan vor, sind diese Voraussetzungen prinzipiell emllt. So wie im Beispiel weiter oben Kapazitiits­diagramme erstellt werden, lassen sich auch zum Thema Kosten vergleichbare Aussagen machen. So laBt sich z. B. unter Beriicksichtigung der Pufferzeiten ein Zeitplan erstellen, der die Finanzierungskosten durch giinstige Positionierung der Zahlungszeitpunkte minimiert.

Einen solchen Netzplan aufzustellen, erfordert erheblichen Aufwand. Urn ein Software­projekt auf eine netzplanfahige Ebene 'herunterzubrechen' ist oft mehr als die Hiilfte des Gesamtaufwandes erforderlich. Zwingend ist die Frage, ob die damit verbundenen Kosten zu rechtfertigen sind, wenn die Entscheidung gegen das Projekt fallt.

Probleme ergeben in diesem Hinblick Vorhaben, die sich so genau gar nicht beschreiben lassen, weil es zu viele Unschiirfen und Unwagbarkeiten gibt, wie etwa bei Organi­sationsprojekten oder im F&E Bereich? Hier bleibt die Moglichkeit der Analogie, die auf der Grundlage iihnlicher Projekte also auf der Grundlage von Erfahrungswerten Prognosen abgibt. (Das Projekt x wird voraussichtlich das 1,5-fache des Projektes y kosten) Die Basis solcher Analogien konnen technisch physikalische GroGen sein wie Gewicht, Menge, Frequenz, Geschwindigkeit etc ..

Es gibt Ansiitze, die diesen Zusammenhang funktional beschreiben und somit bere­chenbare Schiitzungen ermoglichen. Solche parametrischen Kostenschiitzungen (CER = cost estimating relationship) werden insbesondere bei GroGprojekten eingesetzt.9

Welche Technik fUr dieses Aufgabenfeld eingesetzt wird, ist letztlich keine Frage der Genauigkeit, sondern der ZweckmaBigkeit. Welche Aussage solI die Kostenanalyse stUt­zen oder widedegen, wie weit ist das Projekt fortgeschritten, fUr welchen Zweck werden die Werte weiterverwendet, usw. An solchen Fragen wird sich die Auswahl der Instru­mente orientieren.

Je komplizierter die Verfahren zur Kostenanalyse sind, desto aufwendiger sind sie. Mit dem Aufwand steigt auch der Aufwand bei der Datenerhebung und die Fehlerwahr­scheinlichkeit. Kostenanalysen werden dariiber hinaus qualitativ auch danach beurteilt, wie gut sie lesbar sind, bzw. wie aussagekiiftig sie prasentiert werden. Auch diese Argu­mente miissen bei der Auswahl der geeigneten Methode beriicksichtigt werden.

Projektkosten verrechnen

Projektmanagement ist eine Tiitigkeit, die Verantwortung fUr einen plangerichteten Projektablauf iibernimmt. Dazu sind Informationen iiber die tatsachliche Entwicklung notig, deren Abgleich mit den Planwerten Abweichungen aufdeckt. Es gibt verschiedene Parameter, die zur Steuerung herangezogen werden konnen, z. B. die Zeit. Sind Projekte zedegt auf die Ebene der Arbeitspakete und ist ein Netzplan aufgestellt, lassen sich Fertigstellungstermine als 1ST und SOLL gegeniiberstellen. Damit sind zeitliche Dispositionen und rechtzeitige Interventionen moglich.

9 Madauss, B. J., Handbuch Projektmanagment, 3. Auflage, Stuttgart 1990, S. 243 ff.

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Ein anderer Parameter sind die Kosten. Projekte sollen innerhalb der festgelegten Zeit, aber auch innerhalb des verfiigbaren Budgets ablaufen. Foiglich ist ein SOLL-IST Ver­gleich auch fUr diesen Parameter notwendig.

Steuem kann nur der, der neben der Ursache und Aktualitat einer Abweichung auch sehr genau weill, wo sie aufgetreten ist, also welches Detail mehr gekostet hat als geplant. Dies erfordert eine moglichst genaue Zuordnung von Kosten zu Projektteilen. Je detaillierter die Zuordnung, umso differenzierter und damit besser die Entscheidun­gen des Projektmanagements - aber um so aufwendiger des Controllingsystem. Die Zuordnung birgt im Detail eine Hille von Problemen in sich, die auch auBerhalb des Projektmanagements jedem anderen Kostenrechner und Controller hinreichend bekannt sein diirften.

An dieser Stelle sei ein Konzept geschildert, das in einem groBen Chemieuntemehmen in Frankfurt/Hoechst praktiziert wird: das Kontieren.

Die Zuordnung von DienstIeistungen zu Projekten oder Projektteilen ist besonders dann ein Problem, wenn die betreffenden Mitarbeiter nicht mit 100 % ihrer Arbeitszeit zur VerfUgung stehen. Dies ist insbesondere dann anzutreffen, wenn Mitarbeiter neben ihrer "Linienaufgabe" in ein oder mehrere Projekte eingebunden sind oder wenn sie ahnliche Aufgaben fUr verschiedene Projekte wahmehmen.

1m hier geschilderten Fall handeIt es sich um eine Abteilung von etwa 120 Ingenieuren und Technikem sowie Softwareentwicklem, von denen jeder standig an mehreren Pro­jekten arbeitet. Die Projekte werden in verschiedene Phasen (etwa Entwicklungs­module) aufgeteilt und jede Phase bekommt ein Kostenbudget. Die DienstIeistungen fUr Mitarbeiter werden bewertet. Dadurch entsteht eine Art innerbetrieblicher Preis bzw. eine Verrechnungseinheit fUr DienstIeistungen. Die Dimension ist Kosten pro Mitarbei­terstunde. Letztlich existiert ein DV-System, mit dem geleistete Arbeit erfaBt und ein­zelnen Projekten zugeordnet werden kann.

Jeder Einzelne ist nun verpflichtet, in regelmaBigen Abstanden zu kontieren, d. h. Rechenschaft dariiber abzulegen, wieviel Zeit er welchem Projekt gewidmet hat. Diese Zeit wird bewertet und vom Kostenbudget des zugehOrigen Projektes abgezogen. Es exi­stiert somit laufend eine Ubersicht dariiber, wieviel Zeit noch bleibt, um die Aufgabe fUr ein bestimmtes Projekt zu erledigen. Jeder Einzelne erkennt auch rechtzeitig, wenn er in Verzug gerat.

Die projektbezogene Aggregation dieser Information liefert einen Uberblick dariiber, wieviel der geplanten Kosten fUr eine Phase bereits 'verbraucht' sind. Uber den Projekt­fortschritt lassen sich dann anhand des Quotienten aus Zeit und Kosten etwas Aussagen treffen.

Projektmanagement kann sich darauf beschranken, SOLL-IST Vergleiche jeweils durch­zufUhren, wenn Vorgange abgeschlossen sind. Solche Vorgange konnen aber durchaus mehrere Wochen dauem und fUnfstellige Kostensummen verursachen. Es ist unter Umstanden zu spat, Planabweichungen erst zu entdecken, wenn das Kostenbudget aus­geschOpft oder die PLAN-Zeit abgelaufen ist. Unter diesem Aspekt bringt das Kontieren deutliche Vorteile, denn eine laufende Kontrolle der Projektkosten ist moglich.

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Es sei jedoeh Dieht versehwiegen, daB dieses Verfahren neben unbestreitbaren Vorteilen viele Probleme beinhaltet. Einige dieser Probleme sind;

Es ist prinzipiell unklar, in welehem Abhangigkeitsverhaltnis der Kostenverlauf wahrend einer Aufgabe und der Zeitverlauf stehen. Foiglieh ist es sehwierig, aus dem o. g. Quotienten ohne weiteres den Projektfortsehritt abzuleiten. Die bier betraehteten Kosten stehen fUr geleistete Arbeit, Dieht aber fUr das mit der Arbeit verbundene Ergebnis. Gerade in der Softwareentwieklung ist es baufig sehwierig, verbrauehte Zeit und konkrete Ergebnisse zu verkniipfen (z. B. Fehlersuehe).

Die Wirkung einer solehen Regelung auf die Motivation der Mitarbeiter ist sehwie­rig vorherzusehen.

Die Beurteilung dieses Verfahrens sind sehr untersehiedlieh. Der eine lobt die Transparenz, der andere wittert Oberwaehung.

Es ist Dieht moglieh, 'riehtige' Mitarbeiterstundensatze zu definieren.

Die Aktualitat der Daten hangt von der GroBe der Eingabeintervalle ab, und davon, ob sieh jeder Mitarbeiter an das Verfahren halt.

Steigerungen vorhersehen

Ein gut gefiihrtes System der Kontierung ermoglieht effektive Kosteniiberwaehung, weil dem Projektmanagement kurzfristig Abweiehungen bekannt werden. Dennoeh ist die Siehtweise vergangenheitsbezogen, denn UnregelmaBigkeiten werden erst sichtbar, naehdem sie aufgetreten sind.

Hier spielt die Erfahrung eines Projektleiters ein groBe Rolle. Er kennt Umstande, die wahrseheinlieh zu Planabweiehungen fUhren werden. Diese Erfahrung begriindet eine Art von individuellem Friihwarnsystem, das z. B. auf folgenden Aspekten foBt:

Oft sind Projekte oder einzelne Aufgaben Dieht exakt besehrieben. Dann besteht die Gefahr, daB Arbeiten ausgefUhrt werden, die Dieht notig waren. Andere werden vergessen und miissen mit iiberhohtem Kostenaufwand naehgeholt werden.

Kosten werden bewuBt zu niedrig angesetzt, um Auftrage zu erhalten.

Zeit sparen oder Zeitverzug aufzuholen heiSt, mehr Kapazitat und damit hOhere Kosten einzusetzen.

Ungenaue Abgrenzung einzelner Arbeitspakete ersehwert die exakte Kostenzuord­nung zu Projektteilen. Jeder Kostenverantwortliehe neigt auBerdem dazu, fUr Ko­stenverreehnung andere Trager zu finden, also sein Budget naeh Mogliehkeit nieht zu belasten.

Die Kostensebatzung krum von wenig erfahrenen Mitarbeitern oder auf ungenauer Reehengrundlage durehgefUbrt worden sein.

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Unwagbarkeiten wie Ergebnisse von Analysen, Fehlersuche, preissteigerungen und Wechselkursrisiken verursachen haufig Kostensteigerungen.

2.3. Ziel

Der Begriff des Ziels hat im Projektmanagement unterschiedliche Bedeutung. Sie ergibt sich aus einem differenzierten Verstandnis dariiber, was ein Projekt ist. 1m klassischen Sinne ist das Projekt ein Produkt, ein Gebaude, eine technische Anlage o.a. Es handelt sich also urn einen Gegenstand, den es zu erzeugen gilt und fUr den eine mehr oder weniger genaue Beschreibung vorliegt (Leistungsbeschreibung, Pflichtenheft, Spezifika­tion, Submission o.a.).

Ein Beispiel:

Die Firma Dynamit Nobel fertigt fUr das 'face-lifting' der 124er Reihe von Mercedes­Benz einen neuen StoBfanger. Der Automobilhersteller gibt bis ins Detail vor, wie das Produkt spezifiziert ist. Das WeiSenburger Unternehmen legt das Produkt als Projekt auf (definiert also z. B. eine fachbereichsiibergreifende Zustandigkeit) und verfolgt das Ziel, die Vorgaben genau einzuhalten.

Bevor dieser Auf trag erteilt wird, muB allerdings Mercedes-Benz klaren, wie der kiinf­tige StoBfanger iiberhaupt aussehen solI, was er kosten darf, ob eine Fremdvergabe in Frage kommt, welcher Lieferant in Betracht kommt usw ..

Wer sich mit diesen Fragen beschaftigt, hat weniger das Ziel, eine Vorgabe zu erfUllen, er will eher eine Vorgabe definieren. Ausgangspunkt fiir dieses Projektverstandnis ist ein Problem, das Projekt selber liefert die Lasung. 1m Beispiel ist das Ergebnis des Projektes bei Mercedes-Benz die Produktbeschreibung und der Vergabemodus, bei Dynamit Nobel der fertige StoBfanger.

Das Projektmanagement im produktorientierten Sinne ist stark abwicklungsorientiert, im problemorientierten Sinne starker konzeptionsorientiert. Daraus ergeben sich v611ig unterschiedliche Inhalte und Aufgaben. Die Zielplanung z. B. ist ein typisches Element der problemorientierten Sichtweise. Es handelt sich urn einen ProzeB, deren Ergebnis die genaue Beschreibung eines angestrebten gewiinschten Zustandes ist. Dieser ProzeB lauft seIber in verschiedenen Etappen ab, die natiirlich je nach Problemstellung unter­schiedlich sind. Einen m6glichen Ablauf zeigt Abbildung 5:

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Fortschritt

Bedarf Idee Problem

ZUndung

Situation beschrei­ben

Abbildung 5: Phasen der Zielplanung

Problem­ursache klaren

Ziel beschrei­ben

Zeit

Angenommen, es soIl in einer Gemeinde ein Kulturzentrum gebaut werden. Dann ist die Zielplanung ein ProzeB, der ausgehend vom aktuellen Zustand der kulturellen Situation der Gemeinde beschreibt, welcher Zustand erreicht werden solI. Nachdem das Kulturzentrum ein kommunalpolitisches Thema ist, (Ziindung) ware zunachst die aktu­elle Situation zu beschreiben:

was solI unter Kultur verstanden werden?

welche Einrichtungen gibt es bereits?

wie sind diese ausgelastet?

belasten sie den offentlichen Haushalt und wenn ja, wie stark?

wer nimmt sie in Anspruch?

welche unmittelbare Wirtschaftskraft geht von ihnen aus (Gastronomie, Hotels, usw.)?

wie ist die Situation in vergleichbaren Kommunen?

wie hat sich das Verstandnis von Kultur entwickelt und wie wird sich diese Ent­wicklung fortsetzen?

Nach der moglichst wertneutralen Beschreibung dieses Zustandes folgt eine Analyse mit dem Versuch, Probleme zu benennen und Ursachen zu finden:

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fehlen kulturelle Einrichtungen?

haben die vorhandenen Einrichtungen das richtige Angebot?

ist das Angebot quantitativ ausreichend?

sind andere Kommunen 'besser'?

ist Kultur zu teuer?

reicht die Infrastruktur flir eine Erweiterung?

Die Zielformulierung liefert letztlich Erkenntnis tiber den gewiinschten Zustand, also tiber die Frage, welche Art von Kultur gewiinscht ist und wi~viel.

Entscheidend flir ein Projektmanagement ist es dabei, diesen Zustand durch einzelne Zielfaktoren zu beschreiben und dabei ein HochstmaB an Operationalitiit zu erreichen. Die Zielbeschreibung dient letztIich auch dazu, den Erfolg eines Projektes zu messen und das ist nur moglich, wenn sehr konkrete Angaben existieren.

Der Zielfaktor "Attraktivitat der Kommune" etwa ist blaB und unscharf. Erforderlich sind genaue Vorgaben tiber zu erreichende Besucherzahlen, Auslastungsgrade der Hotels, Umsatzziffern der Gastronomie, Zielwerte flir kommunale und staatliche Zuschtisse usw ..

Als Gedachtnissttitze fUr Eigenschaften existiert der Begriff AROMA. Er steht flir Aus­sagefahig, Realistisch, Objektiv tiberpriifbar, MeBbar und Akzeptabel. Ahnlich die angelsachsische Variante SMART flir Specific, Measurable, Acceptable, Realistic und Time fixed.

Die Zielfaktoren definieren Vorgaben, sagen aber prinzipiell nichts dariiber aus, was zu tun ist, urn diese Vorgaben zu erreichen. Konzepte oder alternative Wege sind nicht Gegenstand der Zielplanung. Die Untersuchung einer kulturellen Situation und die Definition von Vorgaben wird urn so weniger objektiv sein, je mehr sie vom Wunsch nach einem neuen Kulturzentrum als mogliche LOsung gepragt ist. Dieser Wunsch kann Aus16ser flir eine Zielplanung sein, nicht aber der MaBstab. Aus diesem Grunde ist die LOsungsneutralitat wichtiges Kennzeichen flir eine effektive Zielplanung.

Ein wichtiger Aspekt der Zielplanung ist es, einen MaBstab flir die Erfolgskontrolle von Projekten zu bekommen. Ein anderer Aspekt ergibt sich aus der Erkenntnis, daB durch die damit verbundene systematische Vorgehensweise komplexe Situationen oder Phii­nomene sehr sauber strukturiert werden. In der Literatur zum Projektmanagement wird dies em Aspekt in Form der systemtheoretischen Betrachtung von Projekten und oko­nomischer Zusammenhiinge zunehmend Raum gegeben.

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2.4. Komplexitat

Der Anfang dieses Aufsatzes beschrieb die Situation des Kommilitonen Dagobert Blau. Sein Problem ist komplex oder anders gesagt, seine Aufgabe ist verwickelt, vielfaItig, umfassend, zusammengesetzt oder auch vernetzt. Die Ursachen zur Erinnerung:

es existieren iiber 10000 mogliche Hicherkombinationen,

Zielkonflikte treten auf (Pradikatsexamen mit wenig Aufwand),

unterschiedliche Partner und Interessen sind zu koordinieren (Lehrstiihie, Prii­fungsamt, Studentenwerk, Studentensekretariat, Bibliothek, Mensa, Kopierladen),

Unwagbarkeiten sind zu beriicksichtigen (Betreuungskapazitat, Verfiigbarkeit von Biichern, Reaktion auf StreB, Veranstaltungsiiberschneidungen)

Annahmen sind erforderlich, (Annahmen iiber die Bedeutung der Facherkombina­tion in der Praxis und der Examensnote, der Prioritat eines Praktikums in den Augen zukiinftiger Arbeitgeber)

Dagobert Blau kann das Problem der Komplexitat fiir sich nur lOsen, indem er eine Struktur schafft, aus der sich ein 'Fahrplan' fiir seine Zukunft ergibt. Die Komplexitat ist nur zubewaltigen, wenn eine Struktur darin geschaffen wird.

Betrachten wir ein anderes Problem am Beispiel der gesetzlichen Erbfolge:

Geschwister, Personen, die gemeinsame Eltern haben, sind nach deutschem Biirgerli­chern Gesetzbuch (§1925) in der gesetzlichen Erbfolge gegeniiber Geschwistern von der Erbfolge ausgeschlossen, wenn be ide Eltern noch leben.

Lebt Vater oder Mutter nicht mehr, so fallt, ohne daB zwischen vaterlichem oder miit­terlichem Vermogen unterschieden wird, die eine Halfte des Nachlasses des Geschwi­sterteils an den iiberlebenden Elternteil, die andere an die Abkommlinge des verstorbe­nen Elternteils. Leben beide Eltern nicht mehr, so erhalten die Abkommlinge des Vaters die eine, die der Mutter die andere Halfte.

Vollbiirtige Geschwister des Erblassers, d. h. solche, die mit ihm Vater und Mutter gemeinsam haben, nehmen also an beiden Half ten, halbbiirtige (Halbgeschwister, unrichtig: Siefgeschwister) d. h. solche, die mit ihm nur Vater oder nur Mutter gemein haben, nur an der einen oder anderen Halfte teil. Geschwister haben gegenseitig kein Pflichtteilsrecht.

Wer erbt welchen Teil im Falle eines Todes?

Dieser Sachverhalt ist komplex, hat aber zweifellos eine Struktur.

Das Projekt Dagobert Blaus beginnt mit einem Problem, entwickelt sich weiter iiber sehr konkrete Handlungsanweisungen (Vorlesungstermine, etc.) und endet mit dem Diplom. Abstrakt formuliert handelt es sich bei diesem Projekt urn einen ProzeB aufein-

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anderfolgender Erkenntnissituationen, die zunehmend konkreter und damit handlungs­orientierter werden. Eine Struktur ergibt sich, wenn man diesen ProzeB in einzelne Zeitabsehnitte zerlegt, die eine eigene Identitat haben.

Solche Zeitabsehnitte werden als Phasen bezeichnet. Ibre IdentiHit erhalten sie entweder dureh eine Aufgabenstellung oder die Definition von Zustanden, die es zu erreichen gilt. So entstehen Projekte, die eher vorgangsorientiert (die Phase X besteht aus folgenden Aufgaben) oder eher ereignisorientiert sind (am Ende der Phase X steht folgendes Ereignis ).10

Zwar sind Projekte prinzipiell einmalig und damit untersehiedlieh; dennoeh lassen sie sich klassifizieren. Daraus ergeben sieh Projekttypen und eine gewisse Vergleiehbarkeit in der Ablaufstruktur. So ist jedes EDV-Projekt anders als ein vorhergehendes, aueh das Ergebnis ist jeweils untersehiedlieh, dennoeh Hiuft jeder ProzeB zur Erstellung einer Software naeh einem prinzipiell ahnlichen 'Striekmuster' abo Darur hat sich aueh der Begriff Phasensehema herausgebildet.

Aufgabe des Projektmanagements ist es nun, Projekten eine Ablaufstruktur zu geben, die die effektive Abwieklung unterstiitzt und ein optimales Ergebnis gewahrleistet. Das Projekt ist also in Phasen zu unterteilen. Dies kann entweder projektindividuell erfolgen oder in Anlehnung an Erfahrungswerte. Aueh die Literatur halt eine Fiille untersehied­Heher Phasenmodelle bereit, die als Hilfestellung dienen k6nnenY

In der wissensehaftliehen Literatur nicht enthalten (zumindest ist es dem Autor nicht bekannt) ist ein sehr praxisorientiertes Phasensehema fur Projekte, das sechs Abschnitte definiert:

1. Enthusiasmus

2. Desillusionierung

3. Panik

4. Suche naeh dem Sehuldigen

5. Bestrafung der Unschuldigen

6. Auszeichnung der Unbeteiligten

Festzulegen, nach welchem 'Strickmuster' Projekte prinzipiell ablaufen sollen, ist eine strategische Frage, insbesondere wenn diese Entseheidung unternehmensweit und damit fur mehrere Projekte gilt. GroBe Unternehmen gehen haufig diesen Weg, urn das Pro­jektmanagement zu vereinheitlichen. Dabei gibt es beispielsweise folgende Fragen zu klaren:

10

11

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Diesen Umstand reflektie~t auch die Netzplantechnik mit ergebnis- oder vorgangsorientierten Netz­planphilosophien. (z. B. CPM = vorgangsorientiert, PERT = ereignisorientiert). Schelle, H. (Hrsg), Symposium Phasenorientiertes Projektmanagment, Arbeitstexte der Gesellschaft fiir Projektmanagment, Koln 1989 und Madauss, B. J., a.a.O. S. 66.

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- wieviel Zeit steht fUr die einzelnen Aufgaben zur VerfUgung?

- wie teuer ist ein solcher Abschnitt?

- welche Bindungswirkung geht yom Ergebnis einer Phase aus? M. a. W. ist es zuUtS­sig, ein Phasenergebnis zu revidieren und unter welchen Voraussetzungen?

Phasen definieren Aufgaben, die projektzugehOrig sind und grenzen im Umkehr­schluB andere, nicht genannte Aufgaben aus.

Aufbau- und Ablauforganisation der Projekte werden determiniert.

Ein Phasenschema, das sowohl fUr problem- als auch fUr produktorientierte Projekte Pate stehen kann, hat sich aus der Praxis des Autors ergeben:

1. Zielplanung

Situation erfassen

Problem und Ursachen finden

Ziel formulieren

2. Projektplanung

EntwurfjDesign

- Projektaltemativen erarbeiten - bewerten und auswahlen - beschreiben

Analyse

- Systemstruktur (Projektgegenstand) - Projektstruktur (Aufgaben) - Ressourcen und Kosten (Aufwand)

Ablaufplanung

- Dauer -Termine

3. Projektabwicklung

4. Nutzerbetreuung

5. Entsorgung

Vorhandene Struktur erkennen

Das Projekt Kulturzentrum (vgl. Abschnitt 2.3.) befindet sich in der politischen Diskus­sion. Um die Meinungsbildung zi1 unterstiitzen, wird eine Analyse in Aufirag gegeben,

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die die Bedarfsstruktur kiinftiger Nutzer ermitteln solI. Ergebnis dieser Analyse ist eine Marktstudie.

Die Ausschreibung des Projektes ist vorzubereiten. Dazu ist es erforderlich zu wissen, aus welchen einzelnen Komponenten es besteht. Ergebnis ist die Massenberechnung.

1m Rahmen der Abwicklung gilt es, mit den Einzelgewerken Termine abzustimmen. Der Verantwortliche benOtigt Informationen iiber die Terminstruktur. Als Ergebnis liegen letztlich konkrete Vertrage vor. Die Beispiele zeigen, welche unterschiedlichen Bedeu­tungen der Begriff Struktur hat.

Aufgabe des Projektmanagements ist es in diesem Zusammenhang, je nach Betrach­tungshorizont unterschiedliche Strukturaussagen zum gleichen System (Projekt) zu lie­fern. Die Unterschiede ergeben sich wiederum aus der jeweiligen AufgabensteIlung. Aus der Vielfalt der unterschiedlichen Betrachtungsebenen und -perspektiven kommt dem Projektstrukturplan (work breakdown structure) zentrale Bedeutung zu. Er hat eine gewisse Basisfunktion, weil er Voraussetzung fUr die ErsteIlung anderer Plane ist. Dieser Projektstrukturplan liefert eine voIlstandige Ubersicht iiber aIle Elemente eines Projektes und ihre Beziehung zueinander.

Welchen Charakter ein Element hat, hangt von der Betrachtungsweise ab: Der Bau eines Hauses Hillt sich beschreiben als eine Menge von Aufgaben bzw. Gewerken. Dann bezeichnen die Elemente Tatigkeiten wie ElektroinstaIlation, Maurerarbeiten, Schlosserarbeiten usw .. Eine andere M6glichkeit ist, das Haus als System von Objekten zu betrachten; dann ergeben sich Elemente wie KeIlergeschoB, Dach, Wande, usw .. Auch hier findet sich wieder eine mehr aufgabenorientierte im Gegensatz zu einer ereignisorientierten Sichtweise.

In der Regel lassen sich Projekte treffend beschreiben, wenn unterschiedliche Betrach­tungshorizonte wie in Abbildung 6 dargesteIlt auf den einzelnen Strukturebenen ver­wendet werdenP

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Reschke, H. (Hrsg), Symposium Projektstrukturierung, Arbeitstexte der Gesellschaft fiir Projektmana­gement, K6ln 1989.

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I I

~ Teilplan

Abbildung 6: Projektstrukturplan

-== == Arbeilspaket­beschreibung

i StrukIurebene

Arbeilspaket­identilikation

Der Projektstrukturplan ist damit das zentrale Steuerungselement des Projektmanage­ments. Die Voraussetzungen dafiir, einen PSP zu erstellen und wesentliche Planungs­iibedegungen, die sich daraus ergeben zeigt Abbildung 7.

Obj~ Jaren Projektstrukturplan

~~~ Ablauf Kapazitaten Kosten

Ressourcen Dauer

1 Termine

Abbildung 7: Projektplanung

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Jede Strukturebene stellt das gesamte Projekt auf unterschiedlichen Detaillierungsebe­nen dar. Die "Spitze" benennt das Gesamtprojekt, die unterste Ebene enthalt Arbeitspa­kete, also konkrete Aufgabenbescbreibungen. Damit ist die feinste Steuerungsebene definiert. ProjektstrukturpUine sind Voraussetzung fiir weitere Planungsschritte:

Terminplanung

Kostenplanung

Konfigurationsplanung

Dokumentation

Informationssystem

Qualitatskontrolle

Vertrags- und Beschaffungsmanagement

Testkoordination

Kontrolle des Projektfortschritts

Aufbau von Projektdatenbanken

industrielles worksharing

2.5. Organisation

Projekte definieren eigenstandige Aufgabenfelder, schaffen Zustandigkeiten und Ver­antwortungsbereiche. Sie sind sozusagen ein Untemehmen auf Zeit. Das erfordert Organisation in klassischem Sinne als Aufbau- und Ablauforganisation.

Von den Sachverhalten, die in diesem Zusammenhang zu klaren sind, seien einige genannt:

Fiir ein Projekt laBt sich eine Stabsstelle installieren, es kann auch als Matrix- oder reine Projektorganisation aufgebaut werdenP

Wem ist der Projektleiter unterstellt und welchen Status hat er gegeniiber seinen Projektmitarbeitem? Diese Frage ist bereits behandelt: sie regelt die Beziehung von Projektleiter und Linienverantwortlichem in der Matrixorganisation. (vgl. S.30)

Nach welchem Verfahren werden Projektleiter und -mitarbeiter ausgewahlt?

13 Reschke, R., Formen der Aufbauorganisation in Projekten, in: Reschke, R. (Hrsg.), Symposium Pro­jektstrukturierung, Arbeitstexte der Gesellschaft fUr Projektmanagment, Koln 1989, S. 1-8.

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Werden Mitarbeiter vollstandig flir Projekte freigestellt, ist zu klaren, wie sie wieder in die Linienorganisation zuriickgeflihrt werden sollen. Gleichfalls bietet diese Fra­gestellung einen Ansatzpunkt, Projekttatigkeiten als Bestandteil einer Personalent­wicklung zu betrachten und daflir ein Konzept zu entwickeln. Zu denken ware etwa auch an ein projektgebundenes Beurteilungssystem, insbesondere dann, wenn Pro­jekttatigkeiten stark yom sonstigen Tagessgeschiift abweichen (analytisches Denken, Teamfahigkeit, Fuhrungseigenschaften, usw.).

Die Vertragsgestaltung im Umgang mit Lieferanten ist insbesondere bei beschaf­fungsintensiven Projekten zu regeln, ggf. zu standardisieren. (Vertragsmanagment)

Wer wird wann auf welche Weise woriiber informiert? (Informationsmanagement)

Wie wird dokumentiert? (Dokumentations- und Konfigurationsmanagement)

Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn mehrere Projekte gleichzeitig laufen? (Multiprojektmanagement) Eine Verfahrensweise dazu ist mit dem "Kontieren" wei­ter oben beschrieben. (vgl. SAO)

Aus dieser - natiirlich unvollstandigen - Aufzahlung wird deutlich, daB mit dem Begriff Projektmanagement zwei sehr verschiedene Aspekte benannt werden konnen, die ganz unterschiedlicher Natur sind:

Projektmanagement betreibt derjenige, der die Verantwortung daflir iibernimmt, einen Projektgegenstand fertigzustellen oder ein Konzept vorzulegen. Projektmanagement betreibt aber auch derjenige, der die Rahmenbedingungen daflir festlegt.

2.6. Neuartigkeit und Einmaligkeit

Nach der Definition sind Projekte neue und einmalige Vorhaben. An einem Beispiel sei iiberlegt, welche Konsequenzen dieser Gesichtspunkt flir das Projektmanagement hat.

Ein Unternehmen fertigt PriizisionsmeBinstrumente. Die Kundenberater beklagen zu lange Entwicklungszeiten bei der Realisierung von Kundenwiinschen. M. a. W.: Die Ent­wicklungsarbeit flir neue Produkte dauert zu lange. Der EntwicklungsprozeB durchlauft verschiedene Abteilungen, die voneinander unabhiingig sind. Der InformationsfluB ist schlecht. Jede Abteilung legt Prioritaten und Arbeitsablaufe vollig autonom fest. Das Unternehmen beschlieBt deshalb, eine Projektorganisation einzufiihren und diesen Pro­zeB selbst als Projekt zu organisieren. Zweifellos handelt es sich hier urn einen neuen und einmaligen Vorgang; ein typisches Organisationsprojekt.

Das Hochbauamt einer Kreisstadt plant den Bau einer Turnhalle. Der Architektenwett­bewerb liefert ein Gebaude, das es vorher nirgendwo gab. Die Bedingungen dieses Pro­jektes lassen vermuten, daB eine solche Halle auch spater nicht wieder gebaut wird. Ebenfalls sind hier die Bedingungen neu und einmalig erflillt, dennoch hat dieses Projekt einen ganzlich anderen Charakter als das vorher beschriebene, unabhiingig davon, daB es sich urn einen vollig andere~ Projekttypus handelt: Der Leiter des Hochbauamtes

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dieser Kreisstadt hat bereits 15 andere Turnhallen und 3 Sportzentren gebaut, verfiigt also tiber einen fundierten Erfahrungssehatz.

Er findet Rahmenbedingungen vor, die aueh flir andere Bauten gaIten, er wird eine glei­ehe Methodik zur Projektplanung und -abwieklung wahlen oder sogar dazu verpfliehtet sein (Flaehennutzungsplan, Bauordnungsverfahren, Aussehreibung, Vergabeverfahren, usw.). Er wird gleiehe Methoden anwenden (Netzplanteehnik, projektstrukturierung) und er wird vielleicht sogar einzelne Projektmodule unverandert aus vorangegangenen Objekten ubernehmen konnen (Elektrogewerk, Genehmigungsverfahren flir offentliehe Mittelo.a.).

1st also davon die Rede, daB Projekte neu und einmalig sind, gilt das prinzipiell nur flir den Projektgegenstand, nieht aber flir Rahmenbedingungen, Methodik der Projektab­wieklung, Methoden zur Projektunterstutzung oder standardisierte Projektmodule. Fur das Projektmanagement ergibt sieh daraus die Konsequenz, diejenigen Aspekte zu 'konservieren', die aueh flir spatere Zeiten relevant sind. Dies gesehieht iiblieherweise durch Dokumentation; es wird ein Projekthandbuch angelegt. In der Praxis ist die Beur­teilung dieser "Naehsehlagewerke" sehr ambivalent:

Die Gegner sehen einen zu hohen Aufwand, eine solche Dokumentation zu erstel­len, und sie standig auf aktuellem Niveau zu halten. Sie beflirchten auBerdem, daB sieh daraus Regelwerke, starre Strukturen und Burokratismus ergeben.

Den Beflirwortern ist regelmiiBig ein Erlebnis gemeinsam: Sie haben nach stunden­oder tagelangem Uberlegen zur Kenntnis nehmen mussen, daB eszu ihrem Problem bereits klare LOsungen oder Aussagen gibt. Zu wissen, wer es weill oder wo es steht, hatte vieI Zeit erspart.

Ftir diesen Gegensatz gibt es nieht die richtige LOsung. Viele Unternehmen gehen dazu tiber, Projekthandbticher unterschiedliehen Niveaus und Umfang zu erstellen. Einen denkbarer Aufbau gibt die folgende Gliederung wieder. Sie ist entstanden als Ergebnis des Projektes "Einfiihren einer Projektorganisation" im oben genannten Industriebetrieb:

1. Vorwort

2. Projektablauf - Ubersieht

3. Aufgabenzuordnung

ProjektaussehuB Bereichsleiter Projektleiter Vorbereitungsteam (Mitglieder;

4. Projektstrukturplan

5. Vorbereitungsphase

6. Durehflihrungsphase

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7. Erstserie bzw. Einfi.ihrungsphase

8. ProjektabschluB

9. Anlagen

Projektordner Pflichtenheft Statusbericht Verteilerschliissel rur Dokumente Projektbesprechungen und ihre Teilnehmer (wer nimmt daran teil?) Richtlinien rur die effektive Gestaltung von Besprechungen Anderungsantrag

3. Zusammenfassung

Die genannten Aspekte geben einen sehr unvollstiindigen Einblick in die Fiille der Pro­jektmanagementaufgaben aber vielleicht einen Eindruck iiber die Vielseitigkeit dieser Disziplin. Das ist auch der Grund rur die Schwierigkeit, Projektmanagement zu definie­ren: entweder die Definition beleuchtet nur einen oder zu wenige Aspekte oder sie ist bis zur Inhaltsleere verallgemeinert. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Aspekte die­ser Aufgabe.

Jede Teildisziplin rur sich betrachtet ist auch nicht neu, wird nur anderen Disziplinen zugeordnet: Verrechnungsprobleme kennt die Betriebswirtschaftslehre in der Kosten­rechnung, Strukturierungsfragen sind Planungskomponenten, ein Team zu leiten ist Aspekt einer Fiihrungslehre oder Managementtheorie. Einzig - und auch das nur mit Einschrankungen ware die Netzplantechnik als typische Methode rur Projektmanage­ment zu nennen.

So laBt sich Projektmanagement selbst als eine Disziplin auffassen rur die die Struktur von Projekten gilt, wie sie anfangs benannt war, namlich als neuer Verantwortungsbe­reich, der aus bestehenden Disziplinen bestimmte Elemente herausgreift und sie in neuer Form zusammenfiigt.

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Der Einsatz der Sensitivitatsanalyse im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens

DR. UWE GOTZE

INSTITUT FOR BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE PRODUKTIONS- UNO INvEsrrrrONSFORSCHUNG,

UNIVERSrrA.T G6TTINGEN

MICHAEL HUNDESROGGE

SmMENsAG

MONcHEN

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Inbaltsverzeicbnis

1. Problemstellung

2. Sensitivitiitsanalyse

3. Entscheidungsbaumverfahren

4. Ansatzpunkte fUr Sensitivitiitsanalysen im Entscheidungsbaum

5. Sensitivitiitsanalyse der Absatzmengen im Entscheidungsbaum

5.1. Systematische Inputvariation

5.2. Bestimmung kritischer Werte

6. Sensitivitiitsanalyse der Eintrittswahrscheinlichkeiten im Entscheidungsbaum

7. SchluBbetrachtung

literaturverzeichnis

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1. Problemstellung

In Untemehmen sind haufig Entscheidungen zu treffen, die langfristige und bedeutende Auswirkungen auf den Untemehmenserfolg nach sich ziehen. Beispiele sind Standort­wahl, Akquisitionen, Markt- und Produktstrategien sowie Investitionen in Fertigungs­anlagen und Gebaude.

Die Vorbereitung dieser Entscheidungen ist fUr die beteiligten Personen aus verschie­denen Grunden zumeist eine schwierige Aufgabe. So sind in der Regel mehrere Ziele im EntscheidungsprozeB zu beriicksichtigen, und die Wirkungen der Entscheidungsalter­nativen werden durch eine Vielzahl von Untemehmens- und Umweltfaktoren beeinfluBt. Die zwischen diesen GroBen bestehenden Interdependenzen lassen sich nur schwer er­fassen und quantifizieren. Ein besonders gravierendes Problem ist die Unsicherheit der zukunftsbezogenen Daten, die in die Entscheidungsfindung eingehen.

Die Komplexitat derartiger Entscheidungssituationen laBt es ratsam erscheinen, zur Ent­scheidungsvorbereitung eine Modellanalyse durchzufUhren. 1m Rahmen einer Mo­dellanalyse kann eine hOhere Anzahl von Faktoren einbezogen werden als bei einem in­tuitiven Vorgehen. Die Entscheidungsfindung laBt sich zudem strukturieren und objek­tivieren.

Allerdings wird auch eine Modellanalyse durch die oben angesprochenen Aspekte erschwert. Die Einbeziehung mehrerer Ziele und einer hohen Zahl von EinfluBgroBen sowie der Interdependenzen zwischen diesen kann zu einem umfangreichen Modell und damit zu Problemen in bezug auf die Rechenbarkeit und die Datenermittlung fiihren. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die - hier nicht weiter betrachtete - Frage der "optimalen" Modellkonstruktion.1 Ein Hauptproblem der Modellanalyse ist die Beriick­sichtigung der Unsicherheit.

Der letztgenannte Aspekt soIl in diesem Beitrag aufgegriffen werden. Dabei wird unter­stellt, daB ein Kapitalwertmodell zur Beurteilung einzelner Investitionsobjekte vorliegt. In der literatur zur Investitionsrechnung werden zur Beriicksichtigung der Unsicherheit bei der Konstruktion und Analyse derartiger Modelle vor allem die Sensitivitatsanalyse, die Risikoanalyse und das Entscheidungsbaumverfahren vorgeschlagen. Diese Verfahren weisen neben Vorteilen jeweils auch spezifische Nachteile auf, aufgrund derer die Aussagekraft der mit ihnen erzielbaren Ergebnisse begrenzt ist.2 1m folgenden wird eror­tert, inwieweit ein Einsatz der Sensitivitatsanalyse im Rahmen des Entscheidungs­baumverfahrens weitergehende Aussagen erlaubt.

1

2 Vgl. Bretzke, W.-R.: (problembezug); Bitz, M.: (Strukturierung); Schneeweill, C.: (Elemente). Zu den Verfahren sowie deren Vor- und Nachteilen vgl. Blohm, H., Liider, K.: (Investition), S. 231 ff.; Kruschwitz, L.: (Investitionsrechnung), S. 262 fC.; Perridon, L., Steiner, M.: (Finanzwirtschaft), S. 95 ff.

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2. Sensitivitatsanalyse

Mit Hilfe von Sensitivitatsanalysen wird versucht, Zusammenhange zwischen den Ziel­funktionswerten von Altemativen und den Eingangsdaten von Modellrechnungen zu identifizieren.3 In bezug auf Entscheidungsmodelle zur Beurteilung einzelner Objekte bei Vorliegen einer ZielgroBe dienen Sensitivitatsanalysen der Beantwortung zweier Fragestellungen:4

(a)

(b)

Wie verandert sieh der Zielfunktionswert bei vorgegebenen Variationen einer InputgroBe oder mehrerer InputgroBen?5

Welchen (kritischen) Wert darf eine InputgroBe bzw. welche (kritischen) Wertekombinationen diirfen mehrere InputgroBen annehmen, wenn ein vor-gegebener Zielfunktionswert mindestens erreicht werden solI?

Die Durchfiihrung einer Sensitivitatsanalyse basiert auf der Konstruktion eines Ent­scheidungsmodells und der Ermittlung der flir das Modell erforderlichen Daten. Es sind dann die Art und die Zahl der zu untersuchenden InputgroBen sowie Bezugszeitraume flir die Analyse festzulegen. Dabei ergibt sieh eine Reihe von Wahlmoglichkeiten. Falls beispielsweise eine Investition in die Fertigung und den Absatz von Produkten erfolgt, kann es sieh bei der (den) zu untersuchenden InputgroBe(n) urn die Absatzpreise, die Produktions- bzw. Absatzmengen, die produktions- bzw. absatzmengenabhiingigen Aus­zahlungen, die mengenunabhangigen Auszahlungen, den Liquidationserlos, die Nutzungsdauer und den Kalkulationszinssatz sowie ggf. Bestandteile dieser GroBen han­deln. Die Analyse laBt sieh auf eine Periode oder mehrere Period en des Planungszeit­raums beziehen oder auf dies en insgesamt. Weiterhin ist es moglich, eine InputgroBe isoliert zu betrachten oder gleiehzeitig mehrere GroBen zu analysieren. 1m folgenden wird lediglich auf die isolierte Untersuchungjeweils einer InputgroBe eingegangen.

Es ist von der Form einer SensitiviHitsanalyse abhiingig, wie diese durchgefiihrt wird.6

Kritische Werte oder kritische Wertekombinationen lassen sich bei Beurteilung der ab­soluten Vorteilhaftigkeit eines Investitionsobjektes bestimmen, indem die Zielfunktion mit einem vorgegebenen Wert gleiehgesetzt wird, eine Auflosung nach der unsieheren InputgroBe oder den unsicheren InputgroBen erfolgt und die als konstant an­genommenen Werte der anderen InputgroBen eingesetzt werden. Eine Besonderheit er­gibt sieh, falls Veranderungen in mehreren Perioden analysiert werden und eine Input­groBe in diesen Perioden unterschiedliche Werte annimmt. Es wird dann mit Hilfe eines

3

4

5

6

58

Vgl. Heinhold, M.: (Sensibilitatsanalysen), S. 1000 ff.; Blohm, H., Liider, K: (Investition), S. 234 f.; Lii­der, K: (Investitionsplanung), S. 512; Kruschwitz, L.: (Investitionsrechnung), S. 267. Vgl. Blohm, H., Liider, K: (Investition), S. 235 ff.; Liicke, W.: (Investitionslexikon), S. 344 ff.; Dinkel­bach, W.: (Sensitivitatsanalysen), S. 25 ff.; Heinhold, M.: (Sensibilitatsanalysen), S. 1000 ff.; Kilger, W.: (Werte), S. 338 ff. Die Frage nach der Zielfunktionswertanderung bei vorgegebenen Inputvariationen kann in zwei For­men gestellt werden. Zum einen ist es moglich, von einem urspriinglichen Wertansatz auszugehen und diesen schrittweise zu verandern. Zum anderen konnen von vornherein mehrere alternativ mogliche In­putwerte (z. B. ein minimaler, ein mittlerer und ein maximaler) in jeweils einer Rechnung untersucht werden. Vgl. Weinrich, G., Hoffmann, U.: (Investitionsanalyse), S. 149. Zwischen diesen beiden For­men wird im folgenden nicht differenziert. Vgl. dazu Blohm, H., Liider, K: (Investition), S. 235 ff.; Kilger, W.: (Werte), S. 340; DaumIer, K-D.: (Grundlagen), S. 162.

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Variationsparameters die durchschnittlich zuUissige Abweichung von den ursprtinglichen Werten berechnet.

Auch bei einer Sensitivitatsanalyse der Form (a) ist Konstanz der nicht analysierten GroBen unterstellt. Bei dieser werden zunachst entweder die Abweichungen der Werte der InputgroBe (n) vom Ausgangswert oder die altemativen Werte flir die InputgroBe (n) festgelegt. Fur die jeweiligen Inputwerte sind dann spezifische Zielfunkti­onswerte zu berechnen. Auf diese Weise kann die Abhangigkeit der Kapitalwerte von den EingangsgroBen differenziert untersucht werden, 7 es lassen sich Kapitalwertverlaufe in Abhangigkeit von den Veranderungen der Werte einzelner InputgroBen bestimmen. Fiir ein fiktives Beispiel sind derartige Kapitalwertverlaufe in Abbildung 1 dargestellt.

KW[in%]

Verkaufspreis (p) 600

500

400 Absatzmenge (x)

300

200 Nutzungsdauer (T)

100 Variation der EinfluBgrliBe

[in%]

·1 Kalkulationszinssatz (i)

fixe Betriebskosten (Ke) ·2 Anschaffungsausgabe (10)

variable StUckkosten (kv )

·500

·600

Abbildung 1: Kapitalwertverlaufe in Abhangigkeit von Veranderungen der Werte einzelner InputgroBen8

In der Abbildung wird deutlich, wie empfindlich die ZielgroBe auf Veranderungen ein­zeIner InputgroBen reagiert. Je steiler der Kapitalwertverlauf ist, desto starker wirken sich Variationen der InputgroBenwerte auf die ZielgroBe Kapitalwert aus. In diesem Beispiel haben vor allem der Absatzpreis (p), die Absatzmenge (x) und die absatzmen

7

8

Zur Abhiingigkeit der Ergebnisse eines Kapitalwertmodells von den Eingangsdaten vgl. auch Bloech, J.: (Untersuchung), S. 41. ' Quelle: zu analogen Darstellungen vgl. Busse von Colbe, W., LaBmann, G.: (Betriebswirt· schaftstheorie), S. 164; Kellinghusen, G.: (Investitionsanalyse), S. 1206.

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genabhangige Auszahlung {~)9 einen nachhaltigen EinfluB auf den Kapitalwert. Die dargestellte Analyse erlaubt es, die Bedeutung der InputgroBen fiir die Entscheidung zu beurteilen. Daraus resultieren Hinweise fUr weitere Planungsaktivitaten beziiglich der InputgroBen und der Faktoren, die diese beeinflussen.

Die Kapitalwertverlaufe in Abhangigkeit von den Werten einzelner InputgroBen lassen sich zudem bei der Entscheidungsfindung nutzen. Mit Hilfe des Kapitalwertverlaufs konnen die mittels einer Sensitivitatsanalyse der Form (b) berechenbaren kritischen Werte abgeschatzt werden. Als Basis fiir die graphische Ableitung oder die Berechnung sollte ein Kapitalwert vorgegeben werden, der einen Grenzwert fUr die Entscheidung darstellt. Der korrespondierende kritische Wert der InputgroBe bildet eine Ober- oder Untergrenze fiir die Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Alternative. Er gibt an, wie weit der Wert der InputgroBe yom ursprtinglichen Wertansatz - z. B. dem erwarteten oder wahrscheinlichsten Wert - abweichen darf, ohne daB sich die Vorteilhaftigkeit andert. Der Abstand des Werts yom ursprtinglichen Wertansatz und die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Abweichung sind Anhaltspunkte fiir die Vorteilhaftigkeit einer Alternative bzw. die Gefahr einer Fehlentscheidung.1o

Die bisherigen Ausfiihrungen haben sich lediglich auf ein Investitionsobjekt bezogen. Bei Beurteilung der relativen Vorteilhaftigkeit von Investitionsobjekten konnen die auf­gefiihrten Analysen fiir aIle Objekte vorgenommen werden. Zudem lassen sich fiir jeweils zwei Investitionsobjekte auch direkt SensitiviHitsanalysen beziiglich der relativen Vorteilhaftigkeit durchfiihren. Dabei konnen fiir jede InputgroBe unterschiedliche Typen kritischer Werte bestimmt werden. Eine Art kritischer Werte ergibt sich, wenn der aus den Ausgangsdaten resultierende Zielfunktionswert eines Objekts die Basis fiir die Bestimmung kritischer Werte beziiglich des anderen Investitionsobjektes bildet. Dieses Vorgehen erscheint bei GroBen sinnvoIl, die in unterschiedlicher Form in die Beur­teilung der beiden Objekte eingehen. Fur unsichere GroBen, die in gleicher Weise bei beiden Objekten wirken, z. B. die Absatz- bzw. Produktionsmenge eines Produkts, das auf beiden Objekten gefertigt wird, ist es moglich, den kritischen Wert zu ermitteln, bei dem beide Objekte gleiche Zielfunktionswerte erbringen. Damit konnen Vorteilhaftig­keitsbereiche beziiglich der Werte jeweils einer InputgroBe abgesteckt werden.

Sensitivitatsanalysen lassen sich zur Auswertung von Entscheidungsmodellen fiir Ein­zelentscheidungen in vielfaltiger Form einsetzen. Ihre Resultate vermitteln einen Ein­blick in die Struktur eines Modells und erlauben die Analyse der Einflusse unsicherer Modelldaten. Sie tragen zur Auswahl von Alternativen und zur Steuerung von Planungs­aktivitaten bei. Sensitivitatsanalysen konnen mit relativ geringen Kosten durchgefiihrt werden, vor allem bei Nutzung der EDV. Diese erscheint zur Durchfiihrung einer Viel­zahl von Berechnungen erforderlich.

In der Literatur zur Investitionsrechnung bei Einzelentscheidungen werden Sensitivitats­analysen nach Kenntnis der Verfasser nur fiir Modelle dargesteIlt, in denen eine Alter­native ohne Berticksichtigung umweltzustandsabhangiger Folgeentscheidungen zu wah­len ist. Derartige Folgeentscheidungen werden im Rahmen des nachfolgend erorterten Entscheidungsbaumverfahrens einbezogen.

9

10

60

Es wird hier und im folgeriden vereinfachend davon ausgegangen, daB Kosten und Auszahlungen in gleicher Rohe anfallen. Vgl. Busse von Colbe, W., Lafimann, G.: (Betriebswirtschaftstheorie), S. 162.

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3. Entscheidungsbaumverfahren

Mit Hilfe des Entscheidungsbaumverfahrens laBt sich unter Beriicksichtigung von unter­schiedlichen moglichen Umweltzustanden und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie von Folgeentscheidungen, die im FaIle des Eintritts bestimmter Umweltzustande zu tref­fen sind, eine optimale Entscheidung fiir den Beginn des Planungszeitraums ermitteln. Die dem Verfahren zugrunde liegenden Modelle bzw. das entsprechende planerische Vorgehen werden auch als "flexibel" bezeichnetY

Ein entsprechendes mehrstufiges Entscheidungsproblem kann durch einen ungerichteten Graphen, einen sog. Entscheidungsbaum, dargestellt werden. Die Festlegung der Struk­tur des Entscheidungsbaumes, d. h. die Bestimmung des Planungszeitraums und seiner Untergliederung sowie der Entscheidungsalternativen und der moglichen Umweltzu­stande in den einzelnen Zeitpunkten, kann als Grundlage oder erster Schritt des Entscheidungsbaumverfahrens angesehen werden. Darauf aufbauend wird die Datener­mittIung vorgenommen, die alternativen- und zustandsspezifisch zu erfolgen hat und auch die ErmittIung von Eintrittswahrscheinlichkeiten fiir die moglichen Umweltzu­stande umfaBt.

Als ZielgroBe wird bei der Anwendung des Entscheidungsbaumverfahrens in der Investi­tionsrechnung zumeist der Erwartungswert des Kapitalwertes beriicksichtigt.u Zur Be­stimmung optimaler zustandsabhiingiger Entscheidungsfolgen kann in dies em Fall das auf dem Optimalitatsprinzip der dynamischen Optimierung beruhende Rollback-Ver­fahren von MAGEE verwendet werden.13 Beim Rollback-Verfahren wird zunachst der spateste Zeitpunkt betrachtet, in dem Entscheidungen zu fiillen sind. Die in dies em Zeit­punkt moglichen Entscheidungssituationen kommen jeweils durch eine spezifische Ab­folge von Entscheidungen und Zufallsereignissen zustande. Fur jede Entscheidungssi­tuation wird auf der Grundlage der Umweltzustande, die im weiteren Verlauf des Planungszeitraums eintreten konnen, und der darauf basierenden Daten die erwartungs­wertmaximale Alternative bestimmt und ausgewahlt. Allein sie geht in die weiteren Un­tersuchungen ein. AnschlieBend wird fiir die Entscheidungssituationen des vorletzten Entscheidungszeitpunkts unter Beriicksichtigung der ggf. zuvor ausgewahlten Hand­lungen und der dies en zugeordneten Erwartungswerte des Kapitalwertes jeweils die optimale Alternative ermittelt und festgelegt. Die sukzessive Fortsetzung dieses Vor­gehens fiihrt zur Auswahl der optimalen Alternative zu Beginn des Planungszeitraums.14

Das beschriebene Vorgehen zur ErmittIung der optimalen Alternative und des zugehOri­gen erwartungswertmaximalen Kapitalwertes in einem Zeitpunkt t' solI im folgenden formal veranschaulicht werden. Es wird dazu unterstellt, daB mit den zur Wahl stehen­den Investitionsobjekten jeweils ein Produkt gefertigt wird und die Einzahlungen einer Periode sich als Produkt aus Produktions- bzw. Absatzmenge und Verkaufspreis zusam-

11 12

13

14

Vgl. Kruschwitz, L.: (Investitionsrechnung), S. 285; Hax, H., Laux, H.: (Planung), S. 319 ff. Vgl. Blohm, H., Liider, K.: (Investition), S. 265. Zu weiteren ZieigroJ3en vgl. Strebel, H.: (Entscheidungsbaumtechniken), Sp.'379. Vgl. Magee, J.F.: (Decision), S. 132; Magee, J.F.: (Trees), S. 91. Vgl. Gotze, U., Bloech, J.: (Investitionsrechnung), S. 336 ff.

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mensetzen; zusatzlich fallt am Ende der Nutzungsdauer ein Liquidationserios an. Die Auszahlungen einer Periode ergeben sich als Produkt aus Produktions- bzw. Ab­satzmenge und produktionsmengenabhangigen Auszahlungen pro Srock zuruglich men­genunabhangiger Auszahlungen. Es wird dabei von Identitiit zwischen Produktions- und Absatzmengen ausgegangen. Des weiteren wird unterstellt, daB aIle Alternativen bis zum Ende des Planungszeitraums genutzt werden konnen.lS

T V t EKW t' = max [-It' 1 +

leL ' L L Wt,u,l' [xt,u,l' (Pt,u,l - kvt,u,U - Kft,u,l] . q.t+t'

t=t'+l u=l

mit:

EKW I w x P kv Kf R 1 L u t u t t' T

u=l

WT l·RT l'q-T+t' ,u, ,u, + T V t

L L t=t'+lu=l

Erwartungswert des Kapitalwerts Anschaffungsauszahlung Eintrittswahrscheinlichkeit des U mweltzustands Absatz- bzw. Produktionsmenge Absatzpreis

Wt,u,l . EKWt,u,l • q-t+t' ]

produktions- bzw. absatzmengenabhangige Auszahlungen produktions- bzw. absatzmengenunabhangige Auszahlungen Liquidationserliis am Ende der Nutzungsdauer Index fur die Entscheidungsalternativen zu Beginn des Planungszeitraums (l E L) Indexmenge fur die Entscheidungsalternativen zu Beginn des Planungszeitraums Index fur die Umweltzustande, U= 1,2, ... ,Ut Zeitindex, t = t' + 1, t' + 2, ... ,T Anzahl der Umweltzustande in t Betrachtungszeitpunkt Ende des Betrachtungszeitraums

Die in der Formel enthaltenen Eintrittswahrscheinlichkeiten von Umweltzustiinden stellen bedingte Wahrscheinlichkeiten dar, die sich jeweils als Produkt aus der Wahr­scheinlichkeit des unmittelbaren Vorgangerzustandes und der Eintrittswahrschein­lichkeit eines etwaigen unsicheren Ereignisses ergeben. Die Indizierung der Umweltzu­stande muG flir jede Periode unterschiedlich erfolgen, da die Anzahl (Ut) der Umwelt­zustande in jeder Periode unterschiedlich sein kann. Fur jede nachfolgende Entschei­dungssituation, die durch den Zeitpunkt t, den Umweltzustand u und die Ausgangsalter­native I charakterisiert wird, ist mittels einer erneuten Anwendung der Formel16 der erwartungswertmaximale Kapitalwert EKWt u 1 zu berechnen. , ,

15

16

62

Diese Annahme durfte - vor aHem fur die Folgealternativen - haufig nicht zutreffen. Es sind dann Restwerte fur das Ende des Planungszeitraums zu bestimmen. Vgl. dazu Adam, D.: (Bedeutung). Dabei muB eine Anpassung der Indizierung erfolgen.

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Als Grundlage fUr die folgenden Untersuchungen solI nun ein Fallbeispiel eingefiihrt werden. Der Einfachheit halber wird in diesem nur ein Planungszeitraum von zwei Peri­oden betrachtet. Zu Beginn des Planungszeitraums kann die Alternative A oder B reali­siert werden. Bei Wahl von Alternative B ist es moglich, zu Beginn der nachsten Periode zwei Folgeinvestitionen (Bl' B.,) vorzunehmen. Fiir die mengenabhangigen und -unab­hangigen Auszahlungen sowie die Verkaufspreise wird angenommen, daB sie sicher sind und in jeder Periode die gleiche Hohe aufweisen. Sicherheit wird im Ausgangsbeispiel auch fUr die Anschaffungsauszahlung, den Kalkulationszinssatz, der 10% betragt, und die Uquidationserlose unterstellt. Die letzteren fallen am Ende des Planungszeitraums an, da angenommen wird, daB die Nutzung zu diesem Zeitpunkt endet. Als unsichere GroBe wird die Absatz- bzw. Produktionsmenge angesehen. Beziiglich dieser kann in jeder Pe­riode eine giinstige oder eine ungiinstige Entwicklung eintreten. Die Ein­trittswahrscheinlichkeiten dieser Entwicklungen und die bei den Entwicklungen reaH­sierbaren Absatz- bzw. Produktionsmengen sind zusammen mit den weiteren Daten in Tabelle 1 enthalten.

Inputgrii8en Allematlven

A B Bl Hz AnschaftlJngs-

1.000.000 500.000 550.000 300.000 auszahlung

Mengenunabhllnglge Auszahlnngen 120.000 50.000 50.000 50.000

Mengenabhllnglge 50 50 50 SO Auszahlnngen

Verkautspreis 100 100 100 100

Liquidationserlos 100.000 50.000 55.000 30.000

Absatz- bzw. Produktlonsmenge

1=1: ~tige Nachfrage 20.000 10.000 - -w=0.6)

I1Dgilnstige Nachfrage 12.500 8.000 - -(w=O,4)

1=2: falls gilnsti~e Nachfrage m t= 1:

~tige Nachfrage 20.000 10.000 16.000 10.000 w=O,6)

ungilnstige Nachfrage 12.500 8.000 12000 8.000 (w=0.4)

falls ungilnstige Nachfrage in t= 1:

~tige Nachfrage 20.000 10.000 16.000 10.000 w=0.4)

ungilnstige Nachfrage 12.500 8.000 12.000 8.000 (w=O,6)

Tabelle 1: Dat«n des Fallbeispiels zum Entscheidungs­bauIilVerfahren

63

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Den Entscheidungsbaum zum Fallbeispiel zeigt die Abbildung 2,17 wobei E einen Ent­scheidungsknoten, Z einen Zufallsknoten und R einen Ergebnisknoten charakterisiert; R/E beschreibt eine Situation, in der ein Ergebnis vorliegt und eine Entscheidung zu fmen ist.

1<0 ---- I' P.r1Odel -------- 'I' _____ -112 PerI.d.I------_t~2 I

I

Abbildung 2: Entscheidungsbaum zum Fallbeispie118

Tabelle 2 gibt die den einzelnen Entscheidungsaltemativen zugeordneten Erwartungs­werte des Kapitalwertes an, die auf den Beginn des Planungszeitraums bezogen sind.19

Die Kapitalwerte der Unterlassensaltemative sind jeweils nicht aufgefiihrt. Wie in

17

18

19

64

1m Entscheidungsbaum sind die Absatzmengen der Alternative B in Periode 2 der Ubersichtlichkeit halber nicht aufgefiihrt. Zur Darstellung von Entscheidungsbiiumen vgl. auch Blohm, H., Luder, K.: (Investition), S. 264; Lucke, W.: (Investitionslexikon), S. 69 f. Bei der Berechnung der Kapital"verte wurden - z. B. hinsichtlich der Zuordnung der laufenden Ein- und AuszahIungen zum Ende einer Periode - die ublichen Priimissen eines Kapitalwertmodells unterstellt. VgI. dazu Blohm, H., LUder, K.: (Investition), S. 74 f.; Busse von Colbe, W., LaBmann, G.: (Betriebswirtschaftstheorie), S. 92.

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Abbildung 2 dargestellt, besteht die optimale Entscheidungsfolge darin, zunachst Alter­native B zu realisieren und dann - je nach Umweltentwicldung - entweder Alternative B1 (bei giinstiger Entwicldung) oder Alternative B2 (bei ungiinstiger Entwicldung).

Alternative Erwartungswert des KagitaI-wertes (bezogen auf t = )

A 324.793,32 B 335.537,14

bei~tiger Nac age in t= 1

Bl 99.173,55 B2 90.909,09

bei ungiinstiger N acbfiage in t = 1

Bl 66.115,70 B2 74.380,16

Tabelle 2: Erwartungswerte des Kapitalwertes der Entscheidungsalternativen im Fallbeispiel

Das Entscheidungsbaumverfahren ist zur Auswertung flexibler Modelle pradestiniert. Zur Bestimmung optimaler Entscheidungsfolgen fiir die hier dargestellte Form eines Entscheidungsmodells sind neben dem Rollback-Verfahren auch die vollstandige Enumeration, die dynamische Optimierung sowie die ganzzahlige Optimierung ge­eignet.2O Probleme ergeben sich hinsichtlich Optimierung und Datenermittlung, falls eine groBere Anzah! von Entscheidungen, Entscheidungsalternativen und moglichen Umwelt­zustanden zu beriicksichtigen ist. Daraus resultiert die Forderung nach Begrenzung der Anzah! erfaBter Umweltzustande. In der hier dargestellten Form ist das Entscheidungs­baumverfahren nur durchfiihrbar, falls relativ wenige unsichere GroBen vorliegen.21 Ein weiterer Nachteil besteht darin, daB nur wenige Auspragungen der unsicheren GroBe(n) beriicksichtigt werden konnen. In die Entscheidung gehen nur die erwarteten Werte ein und nicht auch die Hohe moglicher Abweichungen von diesen. GemaB dem Bernoulli­Prinzip setzt dies Risikoneutralitat beim Entscheidungstrager voraus.22 Beziiglich der Be­deutung einzelner InputgroBen sind zudem keine Riickschliisse moglich. 1m folgenden soll daher untersucht werden, wie zusatzliche Aussagen mit Hilfe der Durchfiihrung von Sensitivitatsanalysen im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens ermoglicht werden.

20 Zur Formulierung eines Entscheidungsbaumproblems als ganzzahliges Optimierungsproblem vgl. Blohm, H., Liider, K: (lnvestition), S. 266 f.

21 Vgl. Blohm, H., LUder, K: (Investition), S. 269. 22 Vgl. Blohm, H., Liider, K: (Investition), S. 269; Perridon, L., Steiner, M.: (Finanzwirtschaft), S. 127.

65

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4. Ansatzpunkte fUr Sensitivitatsanalysen im Entscheidungsbaum

Die Verbindung der Sensitivitatsanalyse mit dem Entscheidungsbaumverfahren, die auch als sensitives Entscheidungsbaumverfahren bezeichnet werden kann, ist nach Kenntnis der Verfasser in der Uteratur bisher nicht dargestellt worden. Sensitivitatsanalysen in einem Entscheidungsbaum weisen einige Besonderheiten auf. So ergibt sich durch die explizite Einbeziehung verschiedener moglicher Umweltzustande und zustandsabhan­giger Folgeentscheidungen eine Reihe zusatzlicher Ansatzpunkte flir die Durchflihrung der Sensitivitatsanalysen. Einige wesentliche Ansatzpunkte sollen im folgenden anhand des in Kapitel 3 beispielhaft diskutierten Entscheidungsbaums dargestellt werden. Als Grundlage dafiir wird dieser Entscheidungsbaum in einer veranderten Notation, die die Anschaulichkeit erhOhen solI, in Abbildung 3 dargestellt.

1.0----11 PenodeJ------- t .. 1------12 PC!'rlodel------- h:2 I I : I I I I I I I I I

Symbole

A.S :I: Allernative in der 1 Periode C •... j= 2 Pertode

1 :I: gute Nochfrogeentwicklung

2 :: schlechte

c

o

Abbildung 3: Modifizierter Entscheidungsbaum im Fallbeispiel

AC-"

AC -12

AO- 21

AO_' 2

BE- "

8E-12

SF _ "

SF -11

86- 11

86-12

8H- 21

BH-n

Bl - 21

81_ 2 2

8J .21

8J -2 2

In Tabelle 3 sind die wichtigsten Ansatzpunkte flir die Durchflihrung von SensitiviHits­analysen enthalten. Zur Charakterisierung dieser Ansatzpunkte werden jeweils die An­zahl der einbezogenen Alternativen, die Anzahl der beriicksichtigten Umweltentwicklun­gen, die Bezugsperiode(n) und - gemiiB der in Abbildung 3 dargestellten Notation - ein Beispiel angegeben. Auch die Zahl der unterschiedlichen Sensitivitatsanalysen, die bei einem Ansatzpunkt durchflihrbar sind, ist in Tabelle 3 erfaBt. Nicht differenziert wird im Hinblick auf die zweite Peri ode zwischen der Ausgangsinvestition B und den Folgeinve­stitionen bzw. der UnterHlssensalternative. Eine entsprechende Unterscheidung wiirde zu weiteren Arten von Sensitivitatsanalysen flihren.

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1

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5. Sensitivitatsanalyse der Absatzmengen im Entscheidungsbaum

5.1. Systematische Inputvariation

Als Beispiel fijr eine Sensitivitatsanalyse im Entscheidungsbaumverfahren sollen zunachst die Absatzmengen betrachtet werden. Eingegangen wird dabei zuerst auf eine systematische Inputvariation (Sensitivitatsanalyse der Form (a». Ausgegangen wird des weiteren von Ansatzpunkt (12), das heiSt, es wird in beiden Perioden eine gleichzeitige Variation der Absatzmenge bei allen Alternativen und allen Umweltzustanden vorge­nommen. Diese erfolgt hier fijr aIle Alternativen und Umweltzustande jeweils in identi­scher prozentualer Hohe. Die Kapitalwerte der Alternativen A und B, die Vorteilhaftig­keitswechsel und die optimalen Investitionsfolgen, die sich bei einer - hier beispielhaft gewahlten - stufenweisen Variation von -10 % bis 10 % ergeben, sind in Tabelle 4 darge­stellt.

Der Tabelle laBt sich entnehmen, daB bereits relativ geringfiigige Veranderungen der Absatzmenge zu Vorteilhaftigkeitswechseln fijhren. Die Absatzmenge stellt daher fijr die Entscheidung eine bedeutende GroBe dar, deren Entwicklung intensiv beobachtet und ggf. beeinfluBt werden sollte. Der Vorteilhaftigkeitswechsel von B nach A erfolgt im Bereich einer AbsatzmengenerhOhung urn 5 % - 10 %; entsprechende Bereiche fijr den Vorteilhaftigkeitswechsellassen sich auch hinsichtlich der Folgealternativen bestimmen. Diese konnen unter anderem als Hinweise fijr eine etwaige spatere Strategieanpassung genutzt werden.23 Die Tabelle zeigt weiterhin, daB sich der Kapitalwert bei Alternative A proportional zur Variation der Absatzmenge verandert,24 wahrend dies bei Alternative B nicht der Fall ist. Die nichtlineare Beziehung zwischen Absatzmengen und Kapitalwert, die bei Alternative B vorliegt, ist auf die Einbeziehung von Folgeinvestitionen und die Vorteilhaftigkeitswechsel bei diesen zuriickzufijhren. Dieser Effekt stellt eine Beson­derheit der Sensitivitatsanalyse im Entscheidungsbaum dar.

Die hier dargestellte Analyse bezieht sich auf gleichzeitige und gleichgerichtete Varia­tionen bei allen Alternativen und Umweltzustanden. Vor allem, falls sehr stark differie­rende Konstellationen von InputgroBen bei den verschiedenen Umweltzustanden vorlie­gen, erscheint eine gleichgerichtete Veranderung bei allen Entwicklungen nicht wahr­scheinlich. Es sollten dann unterschiedliche Annahmen beziiglich der Variationen bei den verschiedenen Alternativen und Umweltzustanden getroffen werden. Dariiber hin­aus ist es moglich, Sensitivitatsanalysen auch hinsichtlich anderer Ansatzpunkte durch­zufijhren und dabei alternativen- und/oder zustandsspezifische Aussagen beziiglich der Sensitivitat zu gewinnen.

23

24

68

Bei dieser sollten allerdings eine Uberpriifung und ggf. eine Revision der Struktur des Entscheidungs­baums und der Daten erfofgen. Eine entsprechende Beziehung zwischen Kapitalwert und Absatzmenge wiirde sich auch bei einem nicht-flexiblen Modell ergeben.

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Vedi.nderun~ der erwarteten Kapitalwerte in der 1. Penode (t=O)

Ax Prozentuale EKWA Prozentuale EKWB Veranderung Veranderung

-10% -44,66% 179.752,04 -36,21% 214.049,59 -5% -22,33% 252.272,71 -18,84% 272.314,05 0% 0,00% 324.793,32 0,00% 335537,14 5% 22,33% 397.314,02 19,48% 400.909,06

10% 44,66% 469.834,65 39,95% 469586,72

Wechsel der Vorteilhaftigkeit in t = 0 und t = 1 bei Variation der InputgroBe

ja/nein ja/nein Optimales Investitions-

ja/nein programm t=l (E2) t= 1 (E3) t=O t=1 t=O

ja nein nein F oderl B Ja nein nein F oder I B - - - E oder I B

nein ja nein E oderH B nein Ja ja - A

Tabelle 4: Auswirkungen der stufenweisen Variation aller Absatzmengen25

Hier wurde mit der Absatz- bzw. Produktionsmenge die GroBe einer Sensitivitiitsanalyse unterzogen, deren Entwicklung im Fallbeispiel als unsicher angenommen wurde. Auch die weiteren InputgroBen, deren Verlauf bisher als sicher unterstellt wurde, konnen analysiert werden. Dies ermoglicht Vergleiche zwischen den InputgroBen hinsichtlich der Bedeutung flir die Entscheidung.26

5.2. Bestimmung kritischer Werte

1m folgenden soIl am Beispiel der Absatzmengen analysiert werden, inwieweit eine rechnerische Bestimmung kritischer Werte (Sensitivitiitsanalyse der Form (b» im Rah­men des Entscheidungsbaumverfahrens moglich ist. Fiir diese ist eine Bestimmungs-

25 Es soil noch einmal darauf hingewiesen werden, daB die Altemativen E und Hinder Ausgangssituation Bl entsprechen, F und I repras-~ntieren B2, G und H schlieBlich kennzeichnen die Unter­laSsensalternative BU.

26 Vgl. Kapitel2.

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formel flir den erwarteten Kapitalwert von Alternativen erforderlich. Eine derartige Formel entpricht weitestgehend der in Kapitel3 dargestellten FormelP

Auf der Basis dieser Formellassen sich grundsatzlich die in Kapitel2 angesprochenen Typen kritischer Werte bestimmen. Relativ unproblematisch ist die Ermittlung kritischer Werte, hier kritischer Absatzmengen, aber nur in einem speziellen Fall. Dieser liegt vor, falls lediglich die Unsicherheit beziiglich der zu Beginn des Planungszeitraums realisier­baren Alternativen untersucht werden solI. Probleme treten hingegen auf, wenn auch Daten einbezogen werden solI en, die die erwarteten Kapitalwerte der Folgealternativen bestimmen. Diese Daten, hier die Absatzmengen der Folgealternativen, sind in der in Kapitel 3 angegebenen Formel nicht explizit aufgeflihrt. Sie treten aber implizit auf, indem sie die Hohe der erwarteten Kapitalwerte der Folgealternativen beeinflussen und auch bedingen, welche Folgealternative in einem spezifischen Umweltzustand erwar­tungswertmaximal und damit allein relevant ist.

Die Bestimmung einer kritischen Absatzmenge unter Einbeziehung von Folgealter­nativen erfordert daher Fallunterscheidungen. Es muB zunachst flir jede nachfolgende Entscheidungssituation ermittelt werden, welche Folgealternativen in welch en Absatz­mengenbereichen erwartungswertmaximal und damit relevant sind. Die Bestimmungs­gleichungen flir die Kapitalwerte dieser Folgealternativen lassen sich dann - gewichtet mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten der zugehOrigen Umweltzustande - explizit be­rucksichtigen, so daB die Formel nach den Absatzmengen aufgelost werden kann.28

Beispielhaft solI dieses Vorgehen flir die Bestimmung der Absatzmengenveranderung verdeutlicht werden, bei der die Kapitalwerte der beiden Alternativen A und B gleich sind. Es wird damit unterstellt, daB die Unsicherheit bezuglich der Absatzmengen bei beiden Alternativen und den Folgealternativen in gleicher Weise wirkt, d. h. in Form einer gleich hohen prozentualen Veranderung der Absatzmengen. Aus den Beispiel­daten und den Ergebnissen in Abschnitt 5.1. laBt sich ableiten, daB diese kritische Absatzmengenveranderung positiv sein muB. 1m Fallbeispiel liegt sie zwischen 5 und 10%; denn in diesem Bereich wechselt die Vorteilhaftigkeit zwischen den beiden Alter­nativen.

Es ist nun zu ermitteln, welche Folgealternativen der Alternative B in dies em Bereich relevant sind. Es kann hierzu ebenfalls auf die Resultate aus Abschnitt 5.1. zurUckge­griffen werden, die darJegen, daB es sich dabei urn die Folgealternativen E und H han­delt. Die Bestimmungsgleichung flir den erwarteten Kapitalwert von B kann nun urn die mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Bestimmungsgleichungen flir die Kapital­werte von E und H erganzt werden. Da die Absatzmengen bei allen Alternativen bzw. Folgealternativen in der Ausgangssituation unterschiedliche Hohen annehmen, ist in den Bestimmungsgleichungen flir A und B ein Variationsparameter flir die Absatzmenge einzuflihren. Der kritische Wert flir diesen Variationsparameter bzw. die Absatz­mengenvariation laBt sich dann berechnen, indem die Bestimmungsgleichungen flir A und B gleichgesetzt werden. In diesem Beispiel betragt er 109,68 %. Damit laBt sich aus-

27

28

70

In Kapitel 3 ist lediglich der erwartungswertmaximale Kapitalwert bei mehrerell zur Verfiigung ste­henden Alternativen angegeben worden, wahrend hier der erwartete Kapitalwert eiller Alternative dar­zustellen ist. Falls Alternativen in mehr als zwei Zeitpunkten realisiert werden konnen, ist diese Verfahrensweise mehrfach anzuwenden.

Page 71: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

sagen, daB die Alternative A bei einer durchschnittlichen AbsatzmengenerhOhung urn mehr als 9,68 % vorteilhafter ist als die Alternative B.

Die Berechnung kritischer Werte in einem Entscheidungsbaum ist also grundsatzlich moglich, aHerdings bei Beriicksichtigung von Folgealternativen mit erheblichem Auf­wand verbunden. Bei einer hohen Zahl von Folgealternativen in unterschiedlichen Peri­oden durfte sie kaum noch praktikabel sein.

6. Sensitivitatsanaiyse der Eintrittswahrscheinlichkeiten im Entscheidungsbaum

1m folgenden soH relativ ausfUhrlich auf eine Sensitivitatsanalyse der im Entscheidungs­baum beriicksichtigten Eintrittswahrscheinlichkeiten eingegangen werden. Dies wird damit begriindet, daB die bei strategischen Entscheidungen einzubeziehenden Umweltentwicklungen zumeist einmaligen Charakter haben, so daB ihre Eintrittswahr­scheinlichkeiten sich nur subjektiv bestimmen lassen. Dabei ergeben sich besondere Schwierigkeiten.29 Zudem tritt bei der Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeiten die Besonderheit auf, daB beziiglich einer unsicheren Entwicklung die Summe der verander­ten Eintrittswahrscheinlichkeiten stets Eins ergeben muB. Der letztgenannte Aspekt fUhrt dazu, daB von den in TabeHe 3 aufgefUhrten Ansatzpunkten nur (7) bis (12) unter­sucht werden konnen.

Wenn zusatzlich davon ausgegangen wird, daB alle Alternativen vor dem Hintergrund der gleichen Eintrittswahrscheinlichkeiten fUr die Umweltentwicklungen beurteilt wer­den, dann verbleiben fUr eine Variation der Wahrscheinlichkeiten von den in TabeHe 3 dargesteHten Moglichkeiten nur die Ansatzpunkte (10) bis (12). Urn die Interpretation zu erleichtern, wird zunachst auf isolierte Wahrscheinlichkeitsvariationen in der ersten Periode (Ansatzpunkt 10) und in der zweiten Periode (Ansatzpunkt 11) eingegangen, bevor gleichzeitige Veranderungen in beiden Period en (Ansatzpunkt 12) vorgenommen werden.

Bei einer schrittweisen Veranderung der Wahrscheinlichkeiten in der 1. Peri ode liegen - wie Abbildung 4 zeigt - fUr beide Alternativen lineare Verlaufe des Kapitalwertes in Abhangigkeit von der Wahrscheinlichkeitskonstellation vor. NaturgemaB steigen die Ka­pitalwerte, wenn die Wahrscheinlichkeit einer giinstigen Entwicklung erhoht wird. Bei einer Wahrscheinlichkeit von etwa 65 % fUr die giinstige Nachfrage erfolgt ein Vorteil­haftigkeitswechsel zwischen den Alternativen A und B. Diese Wahrscheinlichkeits­konstellation laBt sich als kritischer Wert interpretieren. Aufgrund des steileren Verlaufs der Kapitalwertfunktion laBt sich folgern, daB der Kapitalwert der Alternative A starker als der der Alternative B von der Wahrscheinlichkeitskonstellation abhangig ist.

29 Zu Ansiitzen und Problemen der Bestimmung subjektiver Wahrscheinlichkeiten vgl. Wild, J.: (Entscheidungen), S. 84 ff.; Schneider, D.: (Me13barkeitsstufen), Bunn, D.W.: (Estimation); Spetzler, C.S., Stiiel von Holstein, c.-A.: (Probability); Gottwald, R.: (Entscheidung), S. 79 ff.

71

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EKW lGEI

400'

380'

360'

340'

320'

300'

280'

260'

240'

220'

200'

Abbildung 4:

EKW [GEl

400'

360'

340'

320'

300'

280'

260'-

S~tnbOl.:

Abbildung 5:

72

"-,., , '.

Ausgangssiluolion IB vorleilhaller als A I . EKW A' 324.793.32 G£ EKW •• 335.537.14 OE

All.

Wahrscheinlichkeiten in der 1. Periode

80/20 70/30 60/40 50/50 40/60 30170 20180 lWo/w5)

KapitalwertverHi.ufe in Abhangigkeit von den Eintrittswahrscheinlich­keiten in der ersten Periode

[BJ" Kapdalwtrte In eel' Ausgangaslluatlon I

' __ 7"::.::~."JiI ...... -----------'" Alta ...... -.-.--..--............ AU5gong5situotion IB IIOrteilhoflerals Al .-....... - AltA

EKWA = 324.793.32 GE

EKWe =335.537.14 GE

50/50 50/50

40/60 60/40

30/70 70/30

Wahrscheinlichkeiten in der 2. Periode [wG/wsl

20180 wenn gute Nach rage in der 1. Periode

80/20 wenn schlechte Nachfrage in der 1. Peri ode

KapitalwertverUiufe in Abhangigkeit von den Eintrittswahrscheinlich­keiten in der zweiten Periode

Page 73: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Bei der Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeiten in der zweiten Periode und dabei der Ansatzpunkte (11) und (12) tritt das Problem auf, daB gleichzeitig die Wahrscheinlich­keitskonstellationen fiir Umweltzustande geandert werden mussen, die aus einer vorhe­rigen giinstigen oder aber einer vorherigen ungiinstigen Entwicklung resuitieren. Es ist daher eine Annahme beziiglich des VerhaItnisses dieser Variationen zueinander erfor­derlich. 1m foigenden wird unterstellt, daB in der zweiten Periode fUr Umweltentwick­Iungen, die auf eine giinstige Entwicklung in der ersten Periode foigen, und solche, de­nen eine ungiinstige Situation in der ersten Periode vorausgeht, entgegengesetzte Wahr­scheinlichkeitsverhaltnisse vorliegen.

Bei einer alleinigen Variation der Wahrscheinlichkeitskonstellation in der zweiten Peri­ode ergibt sich fiir Alternative A - wie Abbildung 5 zeigt - wiederum ein linearer VerIauf. Die Kapitalwertfunktion von B setzt sich aus zwei linearen Teilstiicken zusarnrnen; bei einer Wahrscheinlichkeitskonstellation von 50/50 liegt ein Steigungs­wechsel vor. Dies ist darauf zuriickzufiihren, daB bei diesem Wahr­scheinlichkeitsverhaltnis - sowohl bei giinstiger ais auch bei ungiinstiger Nachfrage in der Vorperiode - ein Vorteilhaftigkeitswechsel zwischen den Foigealternativen Bl und B) erfoigt. In einem der beiden durch den Steigungswechsel getrennten Bereiche verHiuft die Kapitalwertfunktion der Alternative B parallel zur Abszisse. Eine Wahrscheinlichkeitsvariation hat in diesem Bereich keinen EinfluB auf die Rohe des Kapitalwerts. Dieser Effekt durfte auf die Beispieidaten und die gewahlte Variationsform zuriickzufiihren sein. Da der Kapitalwert der Alternative B stets h6her ist als der von A, haben die Wahrscheinlichkeitsvariationen keinen EinfluB auf die Vorteilhaftigkeit zu Beginn des Planungszeitraums.

1m foigenden sollen gemeinsame Veranderungen der Eintrittswahrscheinlichkeiten in der ersten und der zweiten Periode betrachtet werden. Dabei wird fiir die Wahrschein­lichkeiten der zweiten Periode wiederum die angesprochene Variationsform gewahit. Die Veranderungen der Kapitalwerte der Investitionen A und B bei stufenweisen Variationen der Wahrscheinlichkeiten in beiden Perioden sind aus Griinden der Uber­sichtlichkeit in den Abbildungen 6 und 7 getrennt dargestellt.

Abbildung 6 zeigt fiii den Kapitalwert der Alternative A, daB sich fiir jede Wahrschein­lichkeitskonstellation der ersten Periode bei Variationen der Wahrscheinlichkeiten der zweiten Periode ein linearer VerI auf ergibt. Bei einer Wahrscheinlichkeitskonstellation von 50/50 fiir die erste Periode handelt es sich bei der Kapitalwertfunktion urn eine Parallele zur Abszisse. In diesem Fall bIeibt eine Wahrscheinlichkeitsveranderung in der zweiten Periode ohne Auswirkungen auf den Kapitalwert. Weiterhin gilt bei der hier gewahlten Variationsform und fiir das ZahienbeispieI, daB die Geraden eine negative (positive) Steigung aufweisen, falls die Eintrittswahrscheinlichkeit einer giinstigen Ent­wicklung in der ersten Periode mehr ais (weniger aIs) 50 % betragt.

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EKW[GE]

460'

440' (j)

420'

400' a>

380'

360'

340'

320'

300'

280' ©

260'

Wahrschelnlichkeiten in der 1. Peri ode [%]

Ausgangssituation I B vorteilhafter als Al EKW.=324.793,32 GE EKWs =335.537. 14 GE

Symoole

CD Alt. fUr I<%> -,,-:0) -,,-I©-"­I@ I@ I

WG/wS 80/20 70/30 60/40

50/50 40/60 30/70

[B)=Kopr:OI'Het'te In I der Ausgongssltuot1on I

1 1 1 1 _______ _

wenn gu e Nachfrage in der 1. Periode

20/80 30170 40/60 50/50 60/40 80/20 wenn schlechte Nachfroge In der 1. Perl ode

Abbildung 6: Kapitalwertverlaufe der Alternative A bei Vedinderungen der Ein­trittswahrscheinlichkeiten in beiden Perioden

Diese Aussage beziiglich der Steigung der Kapitalwertfunktionen gilt auch flir die Alter­native B. Die Funktionen wei sen hier - wie Abbildung 7 zeigt - bei einer Wahr­scheinlichkeitskonstellation von 50/50 in der zweiten Peri ode jeweils einen Stei­gungswechsel auf. Dies ist darauf zurUckzufiihren, daB sich - unabhangig von der Wahr­scheinlichkeitskonstellation der ersten Periode - bei dieser Konstellation fiir die Folgeal­ternativen ein Vorteilhaftigkeitswechsel ergibt.

Hinsichtlich der Alternative B ist ferner darauf hinzuweisen, daB sich aIle Kapitalwert­funktionen bei einer bestimmten Wahrscheinlichkeitskonstellation (etwa 27,5/72,5 bzw. 72,5/27,5) der zweiten Periode schneid en. Bei diesem Wahrscheinlichkeitsverhaltnis weist die Alternative B fiir aIle Wahrscheinlichkeitskonstellationen der ersten Periode den gleichen Kapitalwert auf. Auch dieser Effekt diirfte auf die gewahlte Variationsform und die Eingangsdaten zurUckzufiihren sein.3O

30

74

Es ist darauf hinzuweisen, daB sich auch die Kapitalwertfunktionen der Alternative A in einem Punkt schneiden; dieser liegt allerdings nicht im Bereich von Wahrscheinlichkeiten zwischen 0 und 100 %.

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EKW [GEl

460'

440'

420'

400' @

380' @

360' © 340'

:::@ 320'

® 300'

280' CD

260' @

Wahrscheinl ichkei te n in der 1. Periode [%1 I

J I I

\E,.<oculalwert. In I let AusgongssltuQtlon I .---~..,---:-:---:-:::-:-:::---::---:-'"7Ol

Ausgangssltuation (Bvorteilhafterals AI

EKW. : 324.793.32 GE

EKWa : 335.537.14 GE

I I I I I I

WG/wS @ Alta f(jr 80/20 @ 70/30

© 60/40 @ 50/50 ® 40/60

CD 30/70

® 20/80

: Wahrscheinlichkeiten I in der 2. Periode [wG/wsl

80/20 70/30 60/40 SO/50 40/60 30170 20/80 ~e:r~u~~~refrage 20/80 30170 40/60 SO/50 60/40 70/30 80/20 ~~~r sf~:~~~ Nachfrage

Abbildung 7: Kapitalwertverlaufe der Alternative B bei Vedinderungen der Ein­trittswahrscheinlichkeiten in beiden Perioden

Beim Vergleich der Alternativen lii.J3t sich bestatigen, daB der Kapitalwert der Alter­native A starker auf Veranderungen der Eintrittswahrscheinlichkeiten reagiert als jener der Alternative B. Die Vorteilhaftigkeitswechsel zwischen den Alternativen lassen sich aus den Abbildungen 6 und 7 nieht direkt ablesen. Fur die verschiedenen betrachteten Kombinationsmoglichkeiten der Wahrscheinlichkeitskonstellationen in der ersten und der zweiten Periode ist die jeweils vorteilhafte Alternative in Tabelle 5 aufgefiihrt.

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Wahrscheinlichkeitsverhaltnisse der 2. Periode (wo/wJ

... Falls giinstige Entwicklung in der 1. Periode <1)

"0 80/20 70/30 60/40 50/50 40/60 30/70 20/80 .8 Falls ungiinstige Entwicklung in der 1. Periode :::

<1) 20/80 30/70 40/60 50/50 60/40 70/30 80/20 .~~ .;..: ~

80/20 A A A A A A A ..c::-u I;) 70/30 A A A A A B B :.:: ~ ::: ""--' 60/40 B B B B B B B '0 ~ 50/50 B B B B B B B -5 0 '" .- 40/60 B B B B B B B ... ... ..c:: <1) 30/70 B B B B B B B <:';10-.

~...: 20/80 B B B B B B B

Tabelle 5: Vorteilhafti~keitsvergleich bei Veranderungen der Eintritts­wahrscheinhchkeiten in beiden Perioden

Eine derartige Darstellung kann dern Entscheidungstrager die Maglichkeit bieten, die Auswirkungen unterschiedlicher Annahrnen beziiglich der Eintrittswahrscheinlichkeiten zu beurteilen. Als Basis flir die Entscheidungsfindung kannte die Tabelle auch noch urn Kapitalwertdifferenzen erganzt werden. Einschrankend ist zu bernerken, daB die Ergeb­nisse auf einer spezifischen Annahrne beziiglich der gleichzeitigen Veranderung von Wahrscheinlichkeiten in der zweiten Periode und auf der Pramisse der Konstanz aller anderen Daten beruhen.

Zurn AbschluB dieses Kapitels solI darauf hingewiesen werden, daB auch andere Varia­tionsforrnen flir die Eintrittswahrscheinlichkeiten in Folgeperioden denkbar sind. So kannte unterstellt werden, daB die Wahrscheinlichkeit giinstiger Entwicklungen in einer Periode sich bei allen Entwicklungen der Vorperiode urn bestirnrnte Prozentsatze ver­bessert bzw. verschlechtert. Es ergeben sich dann ahnliche Ergebnisse wie oben darge­stellt; eine derartige Variation flihrt tendenziell eher zu Vorteilhaftigkeitsverschiebun­gen zwischen den Alternativen.

Zu erwahnen ist auch, daB sich die Zahl der rnaglichen Wahrscheinlichkeitsvariationen deutlich erhOht, falls rnehr als zwei Urnweltentwicklungen eintreten kannen. In dies ern Fall diirfte sich auch die Bestimmung kritischer Wahrscheinlichkeiten als sehr schwierig erweisen, die bei Vorliegen zweier Entwicklungen noch durchaus realisierbar erscheint.31

31

76

In die BestimmungsgieichuJ'rgen fUr die erwarteten KapitaIwerte kann dann eine kritische Wahrschein­lichkeit w' explizit eingesetzt werden, die WaIlrscheinlichkeit der anderen Entwicklung liiBt sich aIs 1 - w' darstellen.

Page 77: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

7. Schlu6betrachtung

Es konnten in diesem Beitrag Moglichkeiten der Durchfiihrung von Sensitivitiitsanalysen im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens aufgezeigt werden. Bei diesen ergeben sich - vor allem aufgrund der Einbeziehung von Folgeentscheidungen - einige Besonder­heiten gegeniiber nicht-flexiblen Modellen. Es lassen sich aber auch bei flexiblen Modellen Aussagen beziiglich der Bedeutung von InputgroBen und der Sicherheit von Vorteilhaftigkeitsaussagen gewinnen. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten bedeutend. Eintrittswahrscheinlichkeiten konnen bei stra­tegischen Entscheidungen nur subjektiv bestimmt werden. Mit Hilfe von Sensitivitats­analysen laBt sich ihr Einflu6 auf die Vorteilhaftigkeit von Alternativen herausarbeiten, und es konnen Vorteilhaftigkeitsbereiche fUr die Alternativen abgegrenzt werden.

Eine systematische Inputvariation im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens erfor­dert eine relativ hohe Zahl von Berechnungen. Der damit verbundene Aufwand kann durch die Nutzung der EDV verringert werden. Ein prototypisches EDV-Programm ist entwickelt und bei der Berechnung der Beispielergebnisse angewendet worden. 32 Die weitere Entwicklung entsprechender Software erscheint angesichts der steigenden Leistungsfahigkeit der EDV und der sinkenden Kosten der Datenverarbeitung moglich und sinnVOll'

Erweiterungen der hier dargestellten Untersuchungen bieten sich in verschiedenen Rich­tungen an. So lieBe sich analysieren, inwieweit Sensitivitatsanalysen bei der Nutzung anderer LOsungsverfahren fUr Entscheidungsbaumprobleme - z. B. der ganzzahligen Optimierung - durchfUhrbar sind.33 Auch konnte untersucht werden, niit welchen Vor­und Nachteilen eine Beriicksichtigung von Fuzzy Sets im Entscheidungsbaumverfahren in bezug auf Modellierung, Datenermittlung, Modellosung und Ergebnisinterpretation verbunden ist.34 Des weiteren erscheint in bezug auf die Modellkonstruktion interessant, wann der Durchfiihrung von Sensitivitiitsanalysen der Vorrang gegeniiber Erweiterungen eines Entscheidungsbaumes urn Zufallsereignisse und deren Auspragungen zu geben ist. Au6erdem bieten sich Untersuchungen hinsichtlich der Frage an, wie die Ergebnisse einer Sensitivitatsanalyse sinnvollerweise bei der Entscheidungsfindung zu beriicksich­tigen sind.35

Sensitivitatsanalysen miissen im Rahmen eines sensitiven Entscheidungsbaumverfahrens nicht auf Untersuchungen einer einzelnen InputgroBe beschrankt bleiben, es lassen sich auch gleichzeitige Veranderungen mehrerer GroBen durchfUhren. Ein Nachteil der Sen­sitivitatsanalyse ist es, daB die Konstanz der Werte nicht analysierter GroBen unterstellt wird. Diese Annahme diirfte haufig nicht realistisch sein, da sich die Werte nur selten unabhangig voneinander verandem.36 Weitere Nachteile bestehen darin, daB nur einige mogliche Inputwerte explizit analysiert und iiber die Wahrscheinlichkeit von Ab

32 Vgl. auch Hundesriigge, M.: (Einsatz), S. 59 ff. und S.158 ff. 33 Vgl. dazu auch Aden, R.: (Konzeption), S. 89 ff. 34 Zu Fuzzy Sets und ihrer Beriicksichtigung in Entscheidungsbiiumen vgl. Hanuscheck, R.:

(Investitionsplanung). 35 Zur Entscheidungsfmdung bei Unsiclterheit vgl. z. B. Hanf, C.-H.: (Entscheidungslehre), S. 40 ff.; Bam­

berg, G., Coenenberg, A.G.: (Entscheidungslehre), S. 66 ff.; Koch, H.: (Theorie). 36 Vgl. Liicke, W.: (Investitionslexikon), S. 345; Wagener, F.: (Risikoanalyse), S.l23.

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weichungen keine Aussagen getroffen werden konnen.37 Diese Nachteile werden bei einer Risikoanalyse vermieden, so daB sich eine Kombination der hier dargestellten Konzepte mit einer Risikoanalyse anbietet. Einen Ansatzpunkt darur konnen die Uber­legungen von HESPOS und STRASSMANN zu einem sogenannten stochastischen Ent­scheidungsbaumverfahren darstellen.38 AuBerdem sollte untersucht werden, wie eine Verbindung zwischen SensitiviHitsanalyse und Risikoanalyse hergestellt werden kann.39

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37

38

39

78

Zum letztgenannten Aspekt vgl. SchneeweiB, H.: (Entscheidungskriterien), S. 2 f. Vgl. Hespos, R.F., Strassmapn, P A.: (Decision); Hoitsch, H.-J., Backes, M.;(Bewertung), S. 44ff. Zur Kombination von Sensitivitatsanalyse und Risikoanalyse vgl. Gotze, U.: (Szenario-Technik), S. 324 ff.

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Page 81: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Wachstumsrisiken bei Beteiligungen

STEFAN HERZOG

VCM VENTURE CAPITAL MANAGEMENT- UNO BETEIUGUNGSGESELLSCHAFrMBH

MONcHEN

Page 82: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Beteiligungsfinanzierungen mit Venture Capital (VC)

2.1. Definition

2.2. Der InvestitionsprozeB

2.3. Phasen einer idealtypischen VC-Finanzierung

2.3.1. Die Aufbauphase 2.3.2. Die Wachstumsphase 2.3.3. Die Desinvestitionsphase

3. Risikoprofile

3.1. Der Lebenszyklus als bestimmendes Element der Risikostruktur

3.2. Kernbereiche flir Wachstumsrisiken

3.2.1. Management 3.2.2. MarketingjVertrieb 3.2.3. Interne Organisation 3.2.4. LiquidiHit 3.2.5. Timing

4. Folgerungen flir den Venture Capital Investor

4.1. Risikobegrenzung durch Portfolio-Ansatz

4.2. Die VC-Management-Gesellschaft - Erfahrung ist Trumpf

4.3. Marktreife

5. SchluBbetrachtungen

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Page 83: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Einleitung

Der Anspruch, das gesamte Spektrum von Risiken bei Untemehmensbeteiligungen abdecken zu wollen, muB von vornherein zum Scheitem verurteilt sein. Zu breit sind die vor allem fiber die letzten 20 Jahre entwickelten Formen von Beteiligungsfinanzie­rungen, und zu einzigartig ist in der Praxis jeder Einzelfall, als daB eine gesamthafte Darstellung dieser Problematik moglich ware.

Deshalb beschrankt sich der vorliegende Beitrag auf einige wesentliche Risikoquellen, wie sie sich bei einer typischen Venture-Capital-Finanzierung darstellen. Da die Risi­kostruktur einer Beteiligung selbst im Rahmen einer klassischen VC-Finanzierung nach amerikanischem Muster stark yom Reifegrad und Lebenszyklus des zu finanzierenden Untemehmens abbangt, liegt es nahe, die Ausgangssituation des jeweiligen Untemeh­mens naher zu beleuchten.

Neben ''untemehmens-endogenen'' Faktoren hangt das Risiko einer Beteiligung fiir einen Investor aber auch bedeutend von "exogenen" Faktoren wie der Qualitat der Management-Gesellschaft sowie der Reife und Struktur des Beteiligungsmarktes abo Die richtige Konstellation dieser Faktoren im Umfeld einer Beteiligung sowie die richtige Analyse und Strukturierung der untemehmensintemen Risiken sind nicht zuletzt dafiir verantwortlich, daB Venture Capital in den USA den Ruf der langfristig erfolgreichsten "Asset Class" genieSt.

2. Beteiligungsfinanzierungen mit Venture Capital (VC)

2.1. Definition

Die Vielfalt der in Wissenschaft und Praxis anzutreffenden Definitionen des Begriffs "Venture Capital" ist groS. Sie spiegelt damit einerseits das divergierende Verstandnis der Begriffsinhalte, andererseits die Entwicklung der Venture-Capital-Branche im Zeit­ablauf wider. 1m Hinblick auf eine klare Abgrenzung gegenfiber anderen Beteiligungs­formen ist der Begriff naher zu definieren. Grundlage hierfiir ist das typische Investi­tionsverhalten amerikanischer Venture-Capital-Gesellschaften, welches in Teilbereichen mit unterschiedlicher Auspragung auch in der Bundesrepublik Deutschland vorzufinden ist. Unter Venture Capital (VC) sei deshalb eine Finanzierungsform zu verstehen, die sich durch folgende Charakteristika auszeichnet:1

1. Beteiligungs- oder beteiligungsahnliches Kapital:

haftendes Eigenkapital ohne Kreditsicherheiten

langfristige, zeitlich begrenzte Beteiligungsdauer (4-10 Jahre)

in der Regel Minderheitsbeteiligungen

Vgl. Reiter, M., Venture Capital in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland - ein kritischer Vergleich, 1989, S. 2f.

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Page 84: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

2. Innovatives, nicht emissionsfahiges Unternehmen mit erkennbarem Wachstums-potential:

ausgepdigtes Risiko/Chancen-Potential (hohes Ausfallrisiko bei gleichzeitig her­vorragenden Erfolgsaussichten)

in der Regel kleine bis mittlere Unternehmen

Risikoreduzierung flir den VC-Geber durch Fondsbildung und Beteiligung an Unternehmen verschiedener Branchen, Entwicklungsphasen und Regionen

3. Aktive Managementunterstiitzung durch die Venture-Capital-Gesellschaft (Management -Gesellschaft):

Betreuung und Beratung in den Bereichen Strategieplanung, Organisation, Finanzen, Marketing und Personal, bei weitgehendem Verzicht auf Eingriffe in die laufende Geschaftsflihrung

Kontroll- und Mitspracherechte bei Entscheidungen von strategischer Bedeutung

4. Realisierung der Rendite durch Partizipation an der Wertsteigerung des Unter­nehmens und VerauBerung der Beteiligung:

keine regelmiiBige Verzinsung des eingesetzten Kapitals, die zu einer Schwachung der Liquiditat des Portfolio-Unternehmens flihren wiirde

die durch den VerauBerungsgewinn erzielte Rendite muB mit dem Risiko und der Beteiligungsdauer positiv korreliert sein

2.2. Der Investitionsproze6

Das Ziel der Renditemaximierung bzw. Risikominimierung bei Eingehen einer Beteili­gung kann nur durch sorgfaltige Auswahl der Beteiligungsobjekte realisiert werden. Der Priifungs- und AusleseprozeB erstreckt sich dabei iiber drei Stufen, nachdem bereits im Rahmen der Kontaktaufnahme ca. 60 Prozent der Anfragen mangels Seriositat und nicht ausreichender Marktchancen abgelehnt wurden. Bei diesem mehrstufigen Priifungs­prozeB wird in der Regel nach jeder Priifungsstufe eine Entscheidung iiber die Fortfiih­rung des Priifungsprozesses getroffen. Basis jeder Beteiligungspriifung ist der Geschafts­plan. Er gibt Auskunft iiber alle relevanten organisatorischen, funktionalen und strategi­schen Aspekte eines Unternehmens.

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Page 85: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Einfiibrung

Brlauterung des Geschiiftsvorschlags sowie der damit verbundenen Chancen und Risiken

2. Gesellschaft und Management

Bntwicklungsgeschichte der Gesellschaft Aufbau und Organisation Namen und Beteiligungsverhaltnisse der Gesellschafter Beruflicher Werdegang des Managements und wicbtiger Mitarbeiter

3. Produkte und Dienstleistungen

Beschreibung der angebotenen Produkte bzw. Dienstleistungen Besonderheiten der Produkte, des Know-how oder Technologievorsprungs gegenUber Mitbewerbern Patente und Uzenzen

4. Markt/Marketing

Welche Zielgruppen werden mit dem Produkt angesprochen? Welches Volumen haben diese Marktsegmente und wie werden sie sicb entwickeln? Wer sind die wichtigsten Mitbewerber? Wie verteilen sich di~ Marktanteile? Welche Faktoren beeinfluBen den Markt entscheidend? Aus welchen Quellen stammen diese Informationen? Welche Vertriebsorganisation wird genutzt? Welche Preispolitik wird betrieben und wie verhalten sich die Mitbewerber? Wie wird die Werbung gestaltet?

5. Produktion/Betriebsablauf

Detaillierte Angaben liber Ablauf und Organisation des Produktionsvorgangs bzw. der Leistungserstellung Wer sind die Hauptlieferanten, bestehen Abhangigkeiten?

6. Finanzen

Wie ist die Kosten- und Brtragsstruktur des Unternehmens? Welche Deckungsbeitrage/Margen werden erzielt? Welche Investitionen sind kurz- bis mittelfristig geplant? Die JahresabschlUsse der letzten drei Jahre Der Finanzplan fUr die nachsten 3 - 5 Jahre (inkl. Uquiditatsrechnung)

Abbildung 1: Struktur eines Geschiiftsplans

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Page 86: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Nach AbschluB der Vorpriifung und Feststellung der prinzipiellen Eignung der Beteili­gung im Rahmen des Portefeuilles der VC-Gesellschaft erfolgt die Hauptpriifung. Hier wird auf der Basis des in der Vorpriifung erarbeiteten Untemehmensprofils naher auf Problemlosungen, Umsetzungsstrategien sowie die Qualitat des vorhandenen Manage­ments eingegangen. Sind alle mit der Hauptpriifung zusammenhangenden Sachverhalte geklart und zufriedenstellend strukturiert, beginnt die Phase der Beteiligungsverhand­lung. Dabei werden nicht nur der Preis, sondem auch die Rechte der jeweiligen Parteien naher definiert. Gerade das so festgelegte AusmaB der EinfluBmoglichkeit von seiten der VC-Gesellschaft hat sich spater nicht selten als entscheidender Grund fi.ir den Erfolg oder den Nichterfolg einer Beteiligung herausgestellt.

2.3. Phasen einer idealtypischen VC-Finanzierung

Ein idealtypischer FinanzierungsprozeB mit Venture CapitallaBt sich in drei Abschnitte unterteilen. In dies en im wesentlichen vom jeweiligen Reifegrad des zu finanzierenden Untemehmens abhangigen Phasen sind von seiten der VC-Gesellschaft Finanzierungs­instrumente und Mitspracherechte den Bediirfnissen und der Risikostruktur des Unter­nehmens anzupassen.

Venture Aulbauphase Desinvestinent Capital· Wachstumsphase

Phasen Griindungs· I EntllicklungS.\ Anfang ..

------finanzierung Ilnanzierung Ilnanzierung

Unter· Erstellung des Griindung des Aufnahme Auf- und Ansbau nehmens Produktkonzepts I Unternehmens I der Produktion der Vertriebskanale I phase

I Markteinfilhrung I Ideeniiberpriifung I Fortentwicklung des Produkts

I Produktions-I I

Erwei= des Produktions-Unteroehmens- erste Verkaufs· konzeption I vorbereitung I erfolge I und Vertri ssystems/

Ansnutzung des Marktpotentials Marktanalyse I detailliertes I I

Gewinn I Marketingkonzept·

1 / I Verlust

~-~ Snche nach ge- Aufkommen der Konkurrenz

I allgemeines MiBtrauen eigneten Fremd- I Or.ganisationsschwierig-Schwierigkeiten Such der Kapitalgeber kapitaJgebern kelten beim Erreichen bei der I der gOo Suche und Anfban eines I neuer Gr6Benordnungen

Auftre. Einschiitzung von eigneten des ge- ljDages in der des Unternehmens tende Idee und Markt I Fiihrungs- eigneten Offentlichkeit I Probleme ktiifte Personals

Finan- Eigenmittel ~ + + Bfuse -zierungs- Fiirdermittel I + Weitere Kapital- I verstirkt Emission von funnen person!. Kredite Weitere Fiirdermittel ~erste Bankkredit Aktienoder

der GrUnder I Venture Capital edite I GenuBscheinen Venture Capital

Abbildung 2: Venture-Capital-Phasen

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Page 87: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

2.3.1. Die Autbauphase

Die Aufbauphase laBt sich im wesentlichen in zwei weitere Finanzierungsstufen unter­teilen. Die eigentliche Griindungstinanzierung (oder seed-financing) bei High-Tech Untemehmen dient der Finanzierung des Forschungs- und Entwicldungsprozesses bis zur Erstellung von Prototypen. Konzepte und Marktanalysen werden erstellt, urn Marktchancen realistisch einschatzen zu konnen. In dieser Phase wird der in den meisten Industrien zumeist noch relativ geringe Kapitalbedarf zusatzlich durch Eigen- und Fordermittel gedeckt.

Hat das Untemehmen die mit der ersten Finanzierung verbundenen Erwartungen emllt, so erfolgt in der zweiten Stufe die Entwicklungs-/Anfangsfmanzierung (oder start-up financing). Diese dient im wesentlichen dem Aufbau der Operationsfahigkeit des Untemehmens wie z. B. der Produktion und des Vertriebs. Der starke Aufbau des Fixkostenblocks bei erst langsam anlaufenden Umsatzen fiihrt in dieser Phase in der Regel zu hohen Verlusten, die erhebliche Kapitalzufiihrungen von seiten der VC­Gesellschaft notwendig machen.

2.3.2. Die Wachstumsphase

liegt das junge Untemehmen mit seinem Produkt richtig und besteht eine hohe Nach­frage am Markt, so stoBt das Unternehmen in Vertrieb und Produktion sehr schnell auf seine Grenzen. Damit das vorhandene Marktpotential ausgenutzt werden kann, bedarf es einer weiteren Finanzierung (sog. Expansion-Financing), da der cash-Flow des Untemehmens den hohen Kapitalbedarf zumeist noch nicht deckt. Dabei wird die Finanzierung der Erweiterungsinvestitionen zumeist von Fremdkapitalgebern und VC­Gesellschaften gemeinsam dargestellt.

2.3.3. Die Desinvestitionsphase

Da die VC-Gesellschaft in der Regel keine laufenden Ausschiittungen aus ihren Port­foliountemehmen bezieht, kommt dem Verkauf der Beteiligung eine zentrale Rolle im VC-ProzeB zu. Zeitpunkt und Durchfiihrung des Verkaufs bestimmen im wesentlichen AusmaB den Erfolg der Investition. Es gibt grundsatzlich drei verschiedene Moglich­keiten der BeteiligungsverauBerung (Exit):

1. Die VerauBerung iiber die Borse, wobei die VC-Gesellschaft Hilfe bei der recht­lichen Umwandlung und der Borseneinfiihrung der beteiligten Gesellschaft bietet. Die Going-Public-Vorbereitungen konnen wiederum eine gesonderte Finan­zierungsphase darstellen - das Bridge-Financing.

2. Die VerauBerung an Dritte, wobei hier neben ertragswirtschaftlichen hauptsachlich strategische und politische Aspekte ausschlaggebend seien konnen.

3. Riickkauf der Beteiligungsanteile durch den VC-Nehmer. Der Riickkauf kann dabei in mehrere Stufen aufgeteilb werden, um dem Unternehmen nicht die notwendige liquiditat zu entziehen.

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3. Risikoprofile

3.1. Der Lebenszyldus als bestimmendes Element der Risikostruktur

Das Ausfallrisiko einer Beteiligung ist negativ korreliert mit seiner Reife. Aufgrund be­grenzter Markt-, Produkt- und Management-Informationen bei Untemehmen in der seed- oder start-up-Phase wird die Risikoanalyse beim Eingehen einer Beteiligung sehr erschwert. In der Praxis fallen durch Fehlinterpretationen von GeschaftspUinen in dieser Phase mehr Untemehmen aus, als dieses bei etablierten Untemehmen in spateren Pha­sen der Fall ist. Die Untemehmensreife bestimmt aber nicht nur das Ausfallrisiko, son­dem zu einem groBen Teil auch die jeweilige Risikostruktur. So nimmt mit zunehmen­dem Wachstum eines Untemehmens zwar dessen Ausfallrisiko kontinuierlich ab, Uqui­ditats- und Entwicklungsrisiken in den Friihphasen folgen jedoch zumeist wachstums­induzierten Organisations- und Managementproblemen in der Expansions-Phase.

3.2. Kernbereiche fUr Wachstumsrisiken

1m folgenden sollen einige Risikoquellen aufgezeigt werden, wie sie sich in der taglichen Praxis einer Venture-Capital-Beteiligung ergeben kannen. Die nachfolgend dargestellten Sachverhalte erheben nicht den Anspruch, das jeweilig angesprochene Problemfeld voll­standig abzudecken. Vielmehr sollen sie aufzeigen, welche Probleme abseits der oft in Lehrblichem angesprochenen Risikoquellen bei einem Untemehmen in der Wachs­tumsphase auftauchen und die wirtschaftliche Entwicklung des Untemehmens maS­geblich beeinflussen kannen.

3.2.1. Management

1m Rahmen der Vor- und Hauptpriifung einer Investition kommt dem Management des zu finanzierenden Untemehmens eine bedeutende Rolle zu. Dabei konzentriert sich der BeurteilungsprozeB zumeist auf die berufliche Erfahrung der Manager, ihre Ausbildung und ihre Erfolge. Gerade in Untemehmen, in denen es mehr als einen Geschaftsfiihrer gibt, sind aber auch andere Kriterien zu beachten. Folgende Priifungsaspekte sind naber zu beleuchten:

a. Wie ist das Verbaltnis der Geschaftsfiihrer untereinander, sowohl im geschaftlichen als auch privaten Bereich?

b. Wie verandert sich das Verhalten der beteiligten Personen unter StreB?

c. Wie sind die jeweiligen Tatigkeitsfelder voneinander abgegrenzt? Gib( es ein Poten­tial fiir Kompetenzstreitigkeiten?

d. Wie wird der einzelne Geschaftsfiihrer kontrolliert? Besteht ein Hang zu eigen­machtigem Handeln? Inwieweit werden Kollegen oder Mitgeschaftsfiihrer liber die Tatigkeiten informiert?

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Page 89: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

e. Wie ist das Verhiiltnis von GeschiiftsfUhrem zu Mitarbeitem? Welches Ansehen genieBt der Chef in der Belegschaft?

Haufig kommt es vor, daB die VC-Gesellschaft nur dann eine Beteiligung eingeht, wenn ein zweiter GeschaftsfUhrer in das Untemehmen eingebracht wird. In diesem Fall ist zu priifen, inwieweit beim bestehenden Management eine Integrationswilligkeit und -fahig­keit anzunehmen ist. Da diese Fragen zum Teil sehr komplexe Analysen erfordem, gehen mittlerweile viele VC-Gesellschaften dazu fiber, GeschiiftsfUhrer potentieller Beteiligungsuntemehmen der Priifung eines Personalberaters oder Psychologen zu unterziehen.

3.2.2. Marketing/Vertrieb

Die Analyse der Absatzseite konzentriert sich im wesentlichen auf die quantitative Dar­stellung der Nacbfrage- und Angebotsstrukturen sowie der unbefriedigten Marktbedfirf­nisse. Gerade bei jungen, sich im Aufbau befindlichen Untemehmen ist jedoch zu fra­gen, mit wem und mit welchem Timing der Markt angegangen werden soIl. D. h. im ein­zelnen:

a. Welche Werbe- und PR-Agenturen werden benutzt? Wie sieht die Kompetenzrege­lung der Agenturen im Verhaltnis zum Management aus? Aus welchem Grund wur­den gerade diese Agenturen vom Management ausgewahlt? Gerade bei aus privaten Kontakten herriihrenden Agenturvertragen ist Vorsicht geboten.

b. Vor allem bei jungen Unternehmen wird der zeitliche Aufwand fUr den Aufbau einer schlagkraftigen Vertriebsmannschaft unterschatzt. Dieses hat nicht selten zur Folge, daB sich der Markteintritt verzogert und als Reaktion darauf Auswahl und Ausbildung des Vertriebspersonals nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenom­men wird. Da die Absatzseite maBgeblichen EinfluB auf die Finanzierung der Firma hat, kommt es durch Verzogerungen und Qualitatsverluste im Vertriebsbereich nicht sehen zu Liquiditatsschwierigkeiten fUr das gesamte Untemehmen.

c. Markt- und Absatzanalysen basieren zumeist nur auf Daten, die auf den Zielmark­ten erhoben wurden. Gerade bei Produkten, die international gehandelt werden, ist es von Bedeutung, Veranderungen auf anderen Markten und deren Wirkung auf die Zielmarkte des Beteiligungsunternehmens zu schiitzen. In diesen Rahmen fallt auch die Frage, mit welchen Penetrationsstrategien auslandische Anbieter auf den Ziel-markten aktiv werden konnten. .

3.2.3. Interne Organisation

Auch fUr den Bereich der internen Organisation ist die Frage des richtigen Timings von groBer Bedeutung. Sehr oft stehen die im Geschiiftsplan aufgezeigten Vorgaben hin­sichtlich des Aufbaus von Produktion und Personal unter zu groBem Zeitdruck und las­sen keinen Raum fUr mit groBer Sicherheit aufkommende Verzogerungen.

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Dieses Problem wird noch dadurch verscharft, daB in vielen jungen Unternehmen die Kompetenzabgrenzung nicht geniigend geregelt ist und die Leitungsspanne der Vor­gesetzten weit iiberschritten wird. Einarbeitungs- und Anlernphasen bei der Erweiterung des Personals werden in der Regel ebensowenig beachtet wie die in dieser Zeit auf­tretenden erhohten Fehlerquoten.

Auch die Strategie, ein magisches Wort in jedem Geschaftsplan, ist nur so gut wie die Struktur/Organisation, die dahinter steht. Ein groBer Vorteil junger Unternehmen ist ihre Hihigkeit, ihre Strategie sehr schnell an Veranderungen am Markt anzupassen. Lei­der wird der strategie-gerechten Veranderung der Unternehmensorganisation (structure follows strategy) zumeist nicht die geniigende Aufmerksamkeit zuteil. Die Folge hiervon sind verfehlte UmsatzpHine sowie eine allgemeine Demotivation in den operativen Bereichen des Unternehmens.

3.2.4. Liquiditat

Liquiditat ist das zentrale Thema in jedem Geschaftsplan und wird auch dement­sprechend von VC-Gesellschaften gepriift. Der Kontrolle der Liquiditat in einem jungen Unternehmen kommt deshalb eine sehr groBe Bedeutung zu. Hierzu werden in der Regel monatliche, zum Teil auch wochentliche Liquiditatsplane entwickelt und standig iiberpriift.

Auch die genauesten Liquiditatsprognosen helfen jedoch nichts, wenn junge Unter­nehmen in der Anfangsphase langfristige Vertrage abschlieBen, die zum Zeitpunkt des Beteiligungseintritts nicht offengelegt werden. Ein so verfehlter LiquidiHitsplan kann gerade in der Wachstumsphase Produktion und Marktprasenz deutlich negativ beein­flussen und zu einer starken StOrung im WachstumsprozeB des Unternehmens fiihren.

3.2.5. Timing

Oft hat sich gezeigt, daB Produkt und Strategie einer Unternehmung prinzipiell gut, jedoch nicht der Situation und den Bediirfnissen am Markt angepaBt sind. Diese Gefahr ist besonders groB in solchen Markten, in denen eine neue Technologie weit verbreitete, technisch iiberholte Verfahren abzulosen versucht. Viele High-Tech-Unternehmen haben diese Erfahrung machen miissen. Fiir die VC-Gesellschaft bedeutet dies einen erhohten Kapitaleinsatz, urn die Unternehmung bis zu einer Veranderung am Markt zu finanzieren, sowie verlangerte Kapitalbindungszeiten. Beides fiihrt zu einer Verringe­rung der Rendite auf das eingesetzte Kapital.

Das richtige Timing ist auch bei Kauf und Verkauf der Beteiligung von groBer Bedeu­tung. Durch Abpassen des richtigen Zeitpunktes fiir den Einstieg in ein Investment, z. B. in einer Phase der Rezession und niedrigen Kapitalangebots, sowie beim Ausstieg laBt sich der "Return on Investment" unabhangig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Beteiligungsunternehmens wesentlich verbessern.

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Page 91: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

4. Folgerungen fUr den Venture-Capital-Investor

4.1. Risikobegrenzung durch Portfolio-Ansatz

Trotz intensivster Priifung und Kontrolle durch die Venture-Capital-Gesellschaft lassen sich Ausfalle bei Beteiligungsunternehmen nicht verhindern. In der Regel werden 10 - 20 Prozent der Beteiligungen einer VC-Gesellschaft zumeist relativ froh nach der Erstinvestition abgeschrieben. Da das Risiko einer Einzelbeteiligung fUr den Investor in der Regel zu hoch ist, sind VC-Gesellschaften schon seit langem dazu iibergegangen, Beteiligungen ahnlich einem Aktienfonds in Venture Capital Fonds einzubringen. Einen solchen typischen VC-Fonds mit den jeweiligen Investitionen und den dazugehOrigen Riickfliissen stellt Abbildung 3 dar.

Realisierung von Verausserungsgewinnen in einem typischen Venture Capital Fonds

Millionen US $ 10

(m6glicher 8eispielfa ll)

Ruck­fliisse

S • Inveslierles KapUat us $ 10 Mio.

a • Zahl de, Bele~igungen: 10

7 • KapilalriicktiOsse gesamt: us $ 30 Mio.

6 • 91 Kapilalelnsal"dauer, 5 Jahre

5

4

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Investi- -1 lion 3 Tolatveriusl 2 Unl..,- 2 Unler-

nehmen nut nehmen

Quel\e: Maluschka &uppe Einslands- 3-Iach

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10 : 1

3 Unler­nehmen

6 bis IG-fach

Abbildung 3: Realisierung von VerauBerungsgewinnen in einem typischen Venture Capital Fonds

Diese geschlossenen Beteiligungs-Fonds bestehen in der Regel aus 20 - 50 Unternehmen und haben eine Laufzeit von ca. 10 Jahren. Dabei werden in den ersten 3 - 4 Jahren der Fondslaufzeit Portfolio-Unternehmen akquiriert und ab dem 5. bis 6. Jahr wieder verauBert. Da VC-Beteiligungen iiberhaupt nur bei einer projizierbaren Mindestrendite auf das eingesetzte Kapital von 25 Prozent eingegangen werden, ergeben sich flir einen Fonds trotz zum Teil hoher Ausfallraten weit iiberdurchschnittliche Renditen (Abbildung 4).

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'l6

D 0 = :;; " 5 · C (; 10 ... · 15 c: · E

20 E 0 c

25 · D c: < 30

Durcb diversifizierte Portfolio-Struktur

uberdurcbscbnittlicbe Rendite auch bei bohen AusfaJlraten Renditevorgaben

5.00 7.50 10.00 12.50 15.00 17.50 20.00 22.50 25.00 27 .50

5.00 7.50 10.00 12.50

4.75 7 .13 9 .50 11 .88

4 .50 6.75 9 .00 11.25

4.25 6.38 8 .50 10.63

4.00 6.00 8.00 10 .. 00

3.75 5.63 7.50 9 .38

3.50 5.25 7 .00 8 .75

_ Erzielte Rendite von 15% und mehr

~M~ Annehmon: • AIle PonfoIio4nvatitionen haben cIas gIeidIe Volumen • K ...... TlW1aktionslcosten --- . ~ Rcndit'-"""!I bei VC.8c'd~cn

Abbildung 4: Venture-Capital-Renditen in Abhiingigkeit von Ausfiillen bei Portfolio-Beteiligungen

30.00

Die Annahmen, die bei der Berechnung der obigen Renditen getroffen wurden, sind:

AIle Portfolio-Investitionen haben das gleiche Volumen.

Es fallen keine Transaktionskosten an.

Die Renditeerwartungen bei VC-Beteiligungen stehen fest.

4.2. Die VC-Management-Gesellschaft - Erfahrung ist Trumpf

Die in den letzten 101ahren gemachten Erfahrungen mit Venture-Capital-Investitionen in Deutschland zeigen deutlich, daB Erfahrungen und Mechanismen amerikanischer Venture-Capital-Gesellschaften nicht ohne wei teres auf Deutschland zu ubertragen sind. Die Vergangenheit in Amerika und Deutschland hat auch gezeigt, daB Venture-Capital­Gesellschaften in der Regel erst einmal Lehrgeld zahlen mussen, bevor sie anfangen, in nennenswertem Umfang in attraktive Beteiligungen mit gutem Gewinnpotential zu investieren.

Fur den Investor ist es hinsichtlich des Risikos einer Venture Capital Beteiligung ent­scheidend, mit wem er sich bei der Beteiligungssuche in ein Boot setzt. Ein langfristiger "Track-Record" uber mehrere Konjunkturzyklen hinweg sowie ein etabliertes "Deal­Flow"-Netzwerk (zur Generierung von genugend Beteiligungsmoglichkeiten) sind die besten Anhaltspunkte, bei ,:lenen sich gute VC-Gesellschaften yom Durchschnitt unter­scheiden.

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4.3. Marktreife

Erfoige, wie sie von amerikanischen und japanischen Venture-Capital-Gesellschaften in der Vergangenheit erzielt wurden, sind in Deutschland leider noch die Ausnahme. Zu unterschiedlich sind die MentaliHit der Unternehmer und die Struktur des hiesigen Kapitalmarktes, als daB sich mit dem gleichen Konzept Erfolge in nennenswertem Urnfang erzielen lieBen.

Zudem sind Venture-Capital-Finanzierungen in Deutschland eher noch die Ausnahme, da sich deutsche Unternehmen in wesentlich hOherem MaBe auf Fremdkapitalfinanzie­rungen stiitzen, als dieses in Amerika der Fall ist.

Da zudem bis auf einige wenige Daten des Bundesverbandes der deutschen Kapital­beteiligungsgesellschaften (BVK) keine Notierungen und Fondsergebnisse erhoben und publiziert werden, ist eine Investition in Venture Capital in Deutschland im Vergleich zu den USA mit einer vergleichsweise geringeren Transparenz und damit mit einem hOhe­ren Risiko verbunden.

5. Schlu6betrachtungen

Die in der VCM gemachten Erfahrungen zeigen, daB Venture-Capital-Investitionen im Rahmen von Beteiligungsfonds in Bezug auf das Risiko durchaus mit den bekannten Aktienfonds zu vergleichen sind. Die Rendite der Fonds liegt jedoch, vor allem bei steu­erlich optimierter Strukturierung der Fonds, deutlich tiber der eines Aktienfonds.

iller die letzten 10 Jahre haben die Gesellschafter der VCM 10 VC-Fonds in den USA und Japan aufgelegt. Die dabei erzielten Renditen lagen (bei den bis heute abgeschlos­senen oder nahe der Auflasung stehenden Fonds) bei ca. 12 - 20 Prozent nach Steuern. Ausschlaggebend fUr den Erfolg dieser Anlageprogramme war dabei die Erkenntnis, nur mit den nachweislich besten VC-Gesellschaften zusammenzuarbeiten, die im Durchschnitt wesentlich hahere Renditen erzielten als der Marktdurchschnitt.

Diese Unternehmen betreiben ihr Geschaft auf der Basis strikter Investitionskriterien und einer in vielen Jahren aufgebauten Erfahrung in der Finanzierung, Management­Betreuung und optimierten VerauBerung von Beteiligungsunternehmen. Nicht zuletzt haben diese Unternehmen gelernt, einmal in der Vergangenheit gemachte Fehler bei Beteiligungs-Finanzierungen nicht zu wiederholen.

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Human Resource Accounting als integraler Bestandteil des operativen Controlling

DR. STEFAN HOYER

ROBERT BOSCH GMBH

STU'ITGART

Page 96: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Inhaltsverzeichnis

1. Personal als Gegenstand der betrieblichen Investitionstlitigkeit

1.1. Investitionsbegriff und Investitionsarten

1.2. Investitionscharakter des Personals

1.3. Wertstrome von Personalinvestitionen

1.4. Personalinvestitionen in der Investitionsrechnung

2. Intention und Konzeption des Human Resource Accounting·

2.1. Entstehung und Begriffsbestimmung

2.2. Aufgaben und Ziele

2.3. Humanvermogen als Abbildungsobjekt

3. Methoden des Human Resource Accounting

Literaturverzeichnis

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Page 97: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Personal als Gegenstand der betrieblichen Investitionstatigkeit

1.1. InvestitionsbegritT und Investitionsarten

1m allgemeinen wird die Investition in Sachgiiter als Standardfall der Investition verstan­den. Daneben kommen allerdings noch eine Reihe weiterer Investitionsarten in Betracht. Abbildung 1 soIl die im Rahmen dieses Beitrags zugrunde gelegte Systematik der Investitionsarten verdeutlichen. Als Gliederungskriterium dient dabei die Art der Wirtschaftsgiiter, auf die sich die Investitionstiitigkeit bezieht.1

1 2

3

Finanzinvestitionen (NominalgOter)

Forschung unci Entwicklung (III ssenspoten-tiale)

INVESTITIONEN

I

inmaterielle Real investitionen

Fi rmen-Goodwl II lIerbung (externe Poten-tiale)

Real investitionen (RealgOter)

Personal (Mi tarbei ter­potentiale)

materielle Real investitionen

SachgOter

• 2 Integration

Abbildung 1: Personalinvestitionen in der Systematik der Investitionsarten3

Vgl. Matthes, W., Wirtschaftsgut 1981, Sp.1808-1812; Kruschwitz, L., Investitionsrechnung 1990, S.16f. Da im weiteren die Personalinvestitionen isoliert betrachtet werden, ist an dieser Stelle darauf hinzu­weisen, daB zwischen den Personalinvestitionen und den anderen Investitionsarten vielfiiltige Interde­pendenzen bestehen. Zur Erfassung dieser Interdependenzen sind in Wissenschaft und Praxis Ansiitze einer Integration von Personal- und Sachgiiterinvestitionen entwickelt worden. Neben den Simultan­planungsmodellen von DOMSCH ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die seit 1978 bei der AUDI AG praktizierte sukzessive Personal- und Sachinvestitionsplanung hinzuweisen. Vgl. Domsch, M., Personalplanung 1970, S.24ff.; Cieplik, U., Personalplanung 1985, S.45ff.; Hoff, A., Personalplanung 1984, S.96ff.; Hoff, A., Personalplanung 1983, S.304ff. Vgl. Kern, W., Investitionsrechnung 1974, S.11f.; Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.7-20; Lucke, w. (Hrsg.), Investitionslexikon 1991, S.154 u. 323; Witte, E., Investitionen 1962, S.237f.; Witte, E., Forschung 1962, S.210-214

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In der Literatur finden sich durchaus unterschiedliche Investitionsbegriffe4, auf deren Erorterung hier allerdings verzichtet werden kann. Vielmehr solI den weiteren Ausruh­rungen die folgende Definition vorangestellt werden:

"Eine Investition ist eine fUr langere Frist beabsichtigte Bindung finanzieller Mittel in materiellen oder immateriellen Objekten mit der Absicht, diese Objekte in Verfolgung einer individuellen Zielsetzung zu nutzen."s

Der Investitionsbegriff umfaBt somit alle finanziellen Vorleistungen des Unternehmens mit periodeniibergreifender Wirkungsdauer, die mit der Absicht der Erzielung von Nettoerfolgen getatigt werden.6 Da ein so verstandener Investitionsbegriff explizit die immateriellen Investitionen einbezieht, sind diese von den materiellen Investitionen ab­zugrenzen. Wahrend bei den materiellen Investitionen die Substanz des Investitions­objektes die maBgebliche Wertkomponente darstellt, werden durch immaterielle Investi­tionen Werte geschaffen, die sich nicht in sichtbarer Substanz niederschlagen?

1.2. Investitionscharakter des Personals

Die Personalinvestitionen stellen im Rahmen der immateriellen Investitionen einen Themenkreis mit ganz spezifischen Problemen dar. Rier sind zunachst moralische Widerstande zu erwahnen, die ihre Begriindung darin haben, daB es als unwiirdig be­trachtet wird, die menschliche Arbeit entsprechend den anderen Produktionsfaktoren zu behandeln und das Personal dadurch zum leblosen, maschinengleichen Einsatzfaktor zu degradieren.8 AuBerdem wird zum Teil bestritten, daB Finanzleistungen rur das Personal Investitionscharakter tragen konnen.9

HAMEL versucht den Investitionscharakter personalbezogener Wertstrome nachzu­weisen, indem er anhand von runf Elementen des Investitionsbegriffs untersucht, ob das Personal als Investitionsobjekt zu qualifizieren ist. Erstes Merkmal einer Investition ist danach das "Reihenfolge-Element", welches besagt, daB rur gewohnlich die finanziellen Leistungen (Vorleistungen) des Unternehmens zeitlich vor der Ertragswirkung erfolgen. Gegen den Investitionscharakter des Personals wird hier angeruhrt, daB das Entgelt im allgemeinen erst nach AbschluB der Leistungsperiode dem Personal gezahlt wird und sornit nicht das Unternehmen, sondern im Gegenteil die Arbeitnehmer eine Vorleistung erbringen.

Gegen dieses Argument kann eingewandt werden, daB immer dann, wenn der finanzielle ZufluB aus der marktlichen Verwertung der Betriebsleistung zeitlich nach dem dazuge­hOrigen Entgeltzahlungsterrnin liegt, die Unternehmung eine finanzielle Vorleistung er­bringt. Der Fall, daB das Unternehmen von seinen Abnehmern friiher bezahlt wird, als

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8 9

98

VgI. Lucke, W. (Hrsg.), Investitionslexikon 1991, S.151f. Kern, W., Investitionsrechnung 1974, S.8 VgI. Hamel, W., Personal 1987, S.1082; Kern, W., Investitionsrechnung 1974, S.8f. VgI. Gas, B., WirtschaftIi,chkeitsrechnung 1972, S.7-12; Witte, E., Forschung 1962, S.21Of.; Witte, E., Investitionen 1962, S.237 VgI. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.33-38 VgI. Witte, E., Forschung 1%2, S.214-220; Hamel, W., Persona11987, S.1082-1084

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die Mitarbeiter ihr Entgelt fUr die vom Abnehmer bezahlte Betriebsleistung erhalten, diirfte - zumindest bei Industrieuntemehmen - die Ausnahme darstellen.

Dariiber hinaus sind teilweise auch abweichende Entgeltzahlungsmodalitaten ublich. So wird beispielsweise im offentlichen Dienst die Beamtenbesoldung am Monatsanfang im voraus und die Angestelltenvergiitung zur Monatsmitte bewirkt. Es wird deutlich, daB bei dieser Betrachtungsweise der Investitionscharakter des Personals beispielsweise von Leistungserstellungsdauer, Lagerhaltungspolitik, Zahlungsverhalten der Kunden und Entgeltzahlungsmodalitaten des Untemehmens abhangig ware.10

Als zweites Merkmal des Investitionsbegriffes wird das "Zeit-Element" genannt, welches besagt, daB eine Investition eine mehrperiodige Nutzungsdauer hat und somit einen mittel- bis langfristigen Charakter aufweist. Gegen eine Langfristigkeit der Wirkung per­sonalbezogener Finanzleistungen des Untemehmens scheint zu sprechen, daB die Ver­weildauer eines Mitarbeiters im Untemehmen ohne weiteres einen kurzfristigen Charakter haben kann.

Sowohl der Mitarbeiter als auch das Untemehmen haben die Moglichkeit, im Rahmen der bestehenden Kundigungsschutzbestimmungen das BeschaftigungsverhaItnis inner­halb eines relativ kurzen Zeitraumes zu beenden. Weiterhin werden ArbeitsverhaItnisse vielfach bewuBt nur fUr einen relativ kurzen Zeitraum eingegangen, urn dadurch tem­porare Engpasse zu uberbriicken (z. B. Urlaubs- oder Mutterschaftsvertretungen).H

Entgegen dieser an juristischen Gegebenheiten orientierten Sicht zeichnen sich in Deutschland die Arbeitsverhaltnisse durch ihren langfristigen Bestand ausP Neben den zahlreichen juristischen, finanzieIlen, aber auch gesellschaftlichen Restriktionen, die mit der Beendigung von Arbeitsverhaltnissen verbunden sind, "entspricht Langfristigkeit der Mentalitat der deutschen Arbeitsbeziehungen. Firmentreue auf der einen und Stamm­belegschaftsdenken auf der anderen Seite sind tragende Saulen des Selbstverstandnisses unserer Arbeitswelt."13 Es bleibt festzuhalten, daB eine mehrperiodige Verweil- bzw. Nutzungsdauer der Mitarbeiter de facto als gegeben unterstellt werden kann.14

Das "Zahlungs-Element" des Investitionsbegriffs stellt auf den Umstand ab, daB eine In­vestition in der Regel mit einer hohen Anfangsausgabe verbunden ist. Obwohl durch die Einstellung eines Mitarbeiters Personalbeschaffungskosten verursacht werden, fehlt diesen die relative betragliche Hohe im Hinblick auf die finanzielle Gesamtver­pflichtung, die durch die Einstellung begriindet wird. Da bei dieser Sichtweise das "Zahlungs-Element" regelmiiBig nicht erfiiIlt sein durfte - gegenteilige FaIle wie bei­spielsweise die AblOsesummen bei Profisportiem konnen vemachlassigt werden -, wird die Investitionseigenschaft des Personals teilweise verneint.15

10 Vgl. Hamel, W. Personal 1987, S.1082 u. 1085 11 Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.44; Hamel, W., Personal 1987, S.1082 12 Der Langfristcharakter der Arbeitsbeziehungen wird in einer extremen Form in Japan praktiziert. Dort

ist es ublich, das gesamte Arbeitsleben einem einzigen Untemehmen anzugehOren. Vgl. Lucke, W., Oktogon 1988, S.199

13 Hamel, W., Personal 1987, S.1085 '. 14 Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.44 15 Vgl. Hamel, W., Personal 1987, S.1082

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Gegen diesen Einwand kann angefiihrt werden, daB die yom Personal bereitgestellte Arbeitsleistung, statt durch eine hohe Anfangsausgabe, durch laufende Zahlungen er­worben wird. Die Personalinvestitionen ahneln insoweit Sachinvestitionen, die durch Leasingvertrage finanziert werden. Die Parallelitat zum Leasing macht deutlich, daB das Fehlen einer hohen Anfangsauszahlung nieht gegen eine Investitionseigenschaft spricht, sondem als Finanzierungsaspekt interpretiert werden kann. Zudem ist es obne weiteres denkbar, aus den Zahlungsverpflichtungen der gesamten Beschaftigungsdauer einen Barwert abzuleiten, der als einer Anfangsauszahlung aquivalenter Betrag gewertet wer­denkann.16

Unter Berufung auf das "Besitz-Element" wird die Investitionseigenschaft des Personals vemeint, weil das Untemehmen durch das Beschaftigungsverhaltnis weder Besitz noch Eigentum an den Mitarbeitem erwirbt.

Auch in diesem Zusammenhang sei auf das Leasing von Sachgiitem hingewiesen, bei denen der Investitionscharakter trotz des Fehlens des Eigentums bejaht wird. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, daB nicht die Person des Mitarbeiters, sondem das von ihm ver­k6rperte Leistungspotential Gegenstand des Beschaftigungsverhaltnisses ist.

Durch den Arbeitsvertrag erwirbt das Untemehmeu iiblicherweise das Exklusivrecht auf die Nutzung des Leistungspotentials des Mitarbeiters. 1m Rahmen der arbeitsrechtlichen und arbeitsvertraglichen Bestimmungen erhalt das Untemehmen sornit ein Verfiigungs­recht iiber die Arbeitskraft des Mitarbeiters. Foiglich ist hier nicht die Person des Mitar­beiters, sondem vielmehr das von ihm verk6rperte Leistungspotential als Investitions­objekt zu betrachten. Personalinvestitionen sind deshalb als Investitionen in das Leistungspotential der Belegschaft zu interpretieren.17

Als letzten Bestandteil des Investitionsbegriffs nennt HAMEL das "Ertragszurechnungs­Element". Dem hierrnit umrissenen Erfordemis, den Investitionsobjekten neben den ne­gativen auch die positiven Erfolgskomponenten eindeutig zuzurechnen, geniigen die Per­sonalinvestitionen meist nieht. Bei naherer Analyse kann allerdings festgestellt werden, daB die Zurechnungsproblematik kein spezifisches Problem der Personalinvestitionen ist, sondem vielmehr ein allgemeines Problem der Investitionstheorie darstellt.18

Zudem ist fiir die Begriindung der Investitionseigenschaft nicht die kardinale Zurechen­barkeit von Erfolgsbeitragen, sondern die beabsiehtigte und faktische Nutzung der Personalinvestition zur zukiinftigen Erfolgserwirtschaftung ausschlaggebend. Das "Ertragszurechnungs-Element" zielt somit auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang von Personalinvestition und Erfolgserwirtschaftung.

1m Personalbereieh miindet die Zurechnungsproblematik in das Anwendungsgebiet der Arbeitsbewertung und Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter ein. Fiir die korrekte Erfolgszurechnung zu den einzelnen Personalinvestitionen ist es erforderlich, das mone­tare Aquivalent der Leistungsabgabe der Mitarbeiter zu errnitteln.

16

17

18

100

Vgl. Aschoff, c., Humanvertnogen 1978, S.30-33; Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.43f. Vgl. Hamel, W., Personal 1987, S.1082f. u. 1086; Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.29-33 Vgl. Liicke, W. (Hrsg.), Investitionslexikon 1991, S.429; Kruschwitz, L., Investitionsrechnung 1990, S.3O

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Erschwerend kommt bier hinzu, daS die individuelle Leistungsabgabe, und damit der Erfolg aus der Arbeitsleistung, neben dem ohnebin schwer zu messenden Leistungs­potential des Mitarbeiters und den jeweiligen Arbeitsbedingungen auch maBgeblich von der individuellen Leistungsbereitschaft abhangig ist. Die resultierende Unsicherheit des Investitionskalkiils ist wiederum nicht personalspezifisch, sondem mehr oder minder als systemimmanenter Faktor jedes Investitionskalkiils zu bezeichnen.19

"FaSt man die Uberlegungen zusammen, so zeigt sich, daS es keinen Grund geben muS, an der Investitionseigenschaft personalwirtschaftlicher Entscheidungen zu zweifeln."2O

1.3. Wertstrome von Personalinvestitionen

Zur adaquaten Beriicksichtigung des investiven Charakters personalwirtschaftlicher Ent­scheidungen scheint es erforderlich, deren okonomische Zielwirkungen starker zu beto­nen. Neben den personalwirtschaftlichen Sachzielen und den humanen (sozialen, perso­nellen) Zielen sind auch die okonomischen bzw. finanziellen Ziele als Entscheidungs­kriterien personalwirtschaftlichen Handelns zu betrachten. Die finanziell-okonomische Fundierung personalwirtschaftlicher Entscheidunyen erfolgt wegen deren Investitions­eigenschaft im Rahmen der Investitionsrechnung.2

Die investitionsrechnerische Beurteilung personalwirtschaftlicher Entscheidungen hat sich auf deren gesamte finanzielle Wirkungsdauer zu erstrecken. 1m Extrem (z. B. Einstellungsentscheidung) kann dadurch ein Zeitraum erfaSt sein, der mit der Anwer­bung eines Mitarbeiters beginnt und erst mit dessen Ausscheiden aus dem Untemehmen endet. Eine dariiber hinausgehende Wirkungsdauer ist dann gegeben, wenn der Mitar­beiter beispielsweise einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung erworben hat. "Die Beurteilung der okonomischen Effizienz einer personalwirtschaftlichen Entschei­dung verlangt ( .. ) stets die Gesamtbetrachtung,,22, wobei sowohl die positiven als auch die negativen Erfolgsbeitrage der Entscheidung in den Kalkiil einzubeziehen sind.

Bei den negativen Erfolgsbeitragen (Auszahlungen, Kosten) ist zu unterscheiden, ob diese investiven Charakter besitzen oder vielmehr als Leistungsentgelte flir die laufen­den Betriebsprozesse anzusehen sind. Obwohl diese Leistungsentgelte keinen investiven Charakter haben, sind sie dennoch in den Investitionskalkiil einzubeziehen, da sie zusammen mit den investiven Erfolgskomponenten der bewerteten Outputleistung des Mitarbeiters gegeniiberzustellen sind.23Anders als die Leistungsentgelte sind die investiven Wertstrome auf die Schaffung und Erhaltung der Leistungspotentiale einzelner Mitarbeiter oder der Gesamtbelegschaft gerichtet. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die MaSnahmen zur Personalbeschaffung und Personalentwicklung zu nennen.24

19 Vgl. Hamel, W., Personal 1987, S.1082-1087; Witte, E., Forschung 1%2, S.218f.; Lucke, W. (Hrsg.), Investitionslexikon 1991, S.389; Kern, W., Investitionsrechnung 1974, S.85

20 Hamel, W., Personal 1987, S.1087 21 Vgl. Hamel, W., Personal 1987, S.1087; Kruschwitz, L., Investitionsrechnung 1990, S.l1 22 Hamel, W., Personal 1987, S.108O " 23 Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.47-52; Domsch, M., Personalplanung 1970, S.27-29 24 Vgl. Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.82f.; Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.44-47

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Page 102: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

"Die Personalbeschaffung dient dazu, menschliche Arbeitskrafte vom betriebsextemen Arbeitsmarkt fiir eine langfristige Beschaftigung im Betrieb zu gewinnen."25 Finanzielle Belastungen erwachsen dem Untemehmen dabei aus der Personalanwerbung (z. B.lnse­rate, Head-Hunter), der Personalauswahl (z. B. Bearbeitung von Bewerbungsunterlagen, Durchfiihrung von Assessment-Centem) und der Personaleinstellung (z. B. Umzugsbei­hilfe, VerwaltungsformalWiten). In Abhangigkeit von der jeweiligen Arbeitsmarkt­situation und der zu besetzenden Stelle kann die Personalbeschaffung erhebliche Kosten bzw. Auszahlungen verursachen.26

"Die betrieblichen Personalentwicklungs-MaBnahmen zielen darauf ab, die Arbeitskrafte auf ihre Aufgaben im Betrieb vorzubereiten."27 Hierzu zahlen insbesondere die Einfiih­rung und Einarbeitung neuer Arbeitnehmer in den Betrieb sowie die Aus- und Weiter­bildung vorhandener Mitarbeiter.

Die im Rahmen der Einfiihrung neuer Mitarbeiter dem Untemehmen entstehenden finanziellen Belastungen haben Einmalcharakter und sind somit der Gesamtdauer der Beschaftigung zuzurechnen. Hierbei handelt es sich urn Unterrichtungen iiber das Untemehmen im ganzen sowie urn allgemeine Informationen iiber den Arbeitsplatz.

Dem Untemehmen erwachsen in der Einfiihrungsphase beispielsweise Kosten bzw. Aus­zahlungen fiir Filmvorfiihrungen, Werksbesichtigungen oder Einfiihrungsseminare. Da die neuen Mitarbeiter auBerdem im betreffenden Zeitraum keine Arbeitsleistungen erbringen und dennoch ihre volle Vergiitung erhalten, besitzen die auf den Zeitraum der Einfiihrung entfallenden Personalkosten der neuen Mitarbeiter investiven Charakter.28

1m AnschluB an die Einfiihrung erfolgt die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter. Die Einarbeitung kann sich jedoch auch mehrfach wiederholen, falls der Mitarbeiter auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt wird oder sich die Anforderungen an seinem bishe­rigen Arbeitsplatz verandem.

Die Problematik der Einarbeitung laBt sich durch die Lem- bzw. Erfah­rungskurventheorie beschreiben. Diese besagt, daB der neue Mitarbeiter erst nach einer gewissen Zeit der Eingewohnung und Einarbeitung imstande ist, die normale Arbeits­leistung zu erbringen.29 Die Einarbeitungszeit ist somit durch Minderleistungen des Mit­arbeiters gekennzeichnet, wodurch ein Teil der Personalkosten, die auf den neuen Mit­arbeiter entfallen, investiven Charakter haben. Zudem konnen finanzielle Belastungen durch die Einarbeitung unterstiitzendes Personal, erhOhte Unfallgefahr sowie ver­mehrten Verschleill und AusschuB entstehen.3O

1m engen Zusammenhang mit der Einarbeitung stehen Aus- und Weiterbildung. Wah­rend jedoch der einzuarbeitende Mitarbeiter grundsatzlich die erforderlichen Qualifi­kationen bereits besitzt, dient die Ausbildung dem Erwerb dieser berufsspezifischen Kenntnisse und Fahigkeiten.

25 Kropp, W., Recbnungswesen 1979, S.83 26 VgJ. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.45-48; Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.83-89 27 Kropp, W., Recbnungswesen 1979, S.84 28 Vgl. Kropp, W., RechnungSwesen 1979, S.89-92 29 VgJ. Lucke, W., Arbeitsleistung 1986, S.224-227 30 Vgl. Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.92-103

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Die Weiterbildung unterscheidet sich von der Einarbeitung und der Ausbildung dadurch, daB sie einerseits auBerhalb des Arbeitsplatzes stattfindet und SOlnit keine produktiven Leistungen erbracht werden konnen. Andererseits bezieht sich die Weiterbildung nur auf Teilbereiche oder Teilaspekte gegenwartiger oder zukiinftiger Tatigkeiten des Mitar­beiters. Dem Unternehmen erwachsen durch Aus- und Weiterbildung finanzielle Bela­stungen, die sowohl auf die Minderleistung der zu bildenden Person als auch auf Aus­bildervergiitungen, Lehrgangsgebiihren, Mieten flir Ausbildungsraume, Unterrichts­material, Reisekosten u. a. m. zuriickgehen.31

"Dem Input, den Beschaffung und Erhaltung der Mitarbeiterpotentiale erfordern, steht als Output derjenige Teil der Arbeitsleistung gegenuber, der auf die planungsmaBige Ausbildung und Erhaltung der Belegschaft zuriickzuflihren iSt."32 Da ein solcher Output kaum exakt zu quantifizieren ist, scheint es geboten, den aus der Leistungsabgabe des Mitarbeiters resultierenden positiven Erfolgskomponenten samtliche negativen (Leistungsentgelte und investive Wertstrome) gegenuberzustellen. Wie bereits an ande­rer Stelle33 dargelegt wurde, sind aber auch !nit diesem Vorgehen nicht unerhebliche Schwierigkeiten (Erfolgsspaltung) verbunden.34

GAS versucht anhand einer grafischen Darstellung die typische Auspragung des finan­ziellen Verlaufs einer Personalinvestition zu verdeutlichen. Vereinfachend wird dabei unterstellt, daB der betroffene Mitarbeiter im Alter von 16 Jahren im Unternehmen seine Ausbildung beginnt, sein gesamtes Arbeitsleben im selben Unternehmen verbringt und nach Erreichen der Altersgrenze Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung bezieht.

Wegen dieser vereinfachenden Annahmen, des ausgesprochen langen zeitlichen Hori­zonts und der enormen Quantifizierungsprobleme kann das in Abbildung 2 wieder­gegebene Beispiel nur als schematisches Bild einer Personalinvestition gelten. Dabei ergeben sich die "Einnahmen (Ausgaben) aufgrund von Mehr- (Minder-) Leistungen" aus der Saldierung der flir die Arbeitsleistung gewahrten Vergiitung !nit dem monetaren Aquivalent der dem Mitarbeiter zuzurechnenden Outputleistung (Anteil am Markt­erfolg).35

Eine investitionsrechnerische Gesamtbeurteilung der Beschaftigungsverhaltnisse eines Unternehmens durfte aufgrund der groBen methodischen Probleme und der besonderen Unsicherheitsproblematik praktisch kaum moglich sein. Dennoch find en sich in der Lite­ratur Versuche, zu!nindest theoretisch die okono!nische Vorteilhaftigkeit von Personal­investitionen zu ermitteln. Dabei werden im allgemeinen die klassischen Methoden der Investitionsrechnung (z. B. Kapitalwertmethode, Kostenvergleichsrechnung) auf die Per-sonalinvestitionen angewendet.36 .

31 32 33

34

35 36

Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.4E-52; Witte, E., Forschung 1%2, S.214 Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.52 Vgl. Kap. 1.2. (Ertragszurechnungs-Element) dieses Beitrags. Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.52f.; Hamel, W., Personal 1987, S.1080 Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.52-55 Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.71-108; Domsch, M., Personalplanung 1970, S.27-29; Acker· mann, K..F./ Maier, K.·D., Stand 1976, S.309ff.

103

Page 104: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Geldeinhei ten pro Periode

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15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Lebensalter (t)

Abbildung 2: MoneHires Bild einer Personalinvestition37

1.4. Personalinvestitionen in der Investitionsrechnung

Der investive Charakter bestimmter personalbezogener Finanzleistungen des Unter­nehmens macht es erforderlich, personalwirtschaftliche Entscheidungen als Investitions­entscheidungen zu betrachten. Deshalb ist bei PersonaHnvestitionen - genau wie bei allen anderen Investitionen - die okonomische Vorteilhaftigkeit zu untersuchen.

Es liegt nahe, sich hierzu des herkommlichen Instrumentariums der Investitionsrechnung zu bedienen. In einer eingehenden Untersuchung hat GAS allerdings nachgewiesen, daB die traditionellen Methoden der Investitionsrechnung fUr die okonomische Beurteilung von Personalinvestitionen kaum geeignet sind.38

Ebenso erweisen sich die anderen Zweige des Rechnungswesens als ungeeignet, den investiven Charakter des Personals adaquat abzubilden. In Finanz-, JahresabschluB- und Kostenrechnung werden samtliche Finanzleistungen fUr das Personal den Entstehungs­perioden und nicht dem Wirkungszeitraum zugerechnet. Hierdurch geht der erfolgsrech­nerische Ursache-Wirkungs-Zusammenhang der Personalinvestitionen verloren39 und

37

38

39

104

QueUe: Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.54 Vgl. Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.146-183 Vgl. Witte, E., Forschu~g 1%2, S.220-222; Hamel, W., Personal 1987, S.1083; Gas, B., Wirtschaftlichkeitsrechnung 1972, S.86-100; Conrads, M., Accounting 1976, S.%-100

Page 105: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

das Rechnungswesen erweckt smnit den Eindruck, als seien es "andere Elemente des Systems Untemehmung, denen das Verdienst zukommt, ertragreich zu sein.'t40

Als moglicher Ausweg aus diesem Dilemma wurde ab den 60er Jahren das Human Resource Accounting bzw. die Humanvermogensrechnung entwickelt. Ausgehend von der Erkenntnis, daB die personelle Ausstattung eines Untemehmens als wesentlicher Erfolgsfaktor anzusehen ist, das Rechnungswesen demgegeniiber diesen Erfolgsfaktor nicht oder nur verzerrt darzustellen imstande ist, soUte dem Rechnungswesen ein neues Instrument hinzugefiigt werden, welches insbesondere die positiven Erfolgskomponenten von Personalinvestitionen erfaBt.41

Das yom Human Resource Accounting abzubildende Humanvermogen ist als Ergebnis der Investitionen in Mitarbeiterpotentiale anzusehen. Der Erfolg von Personal­investitionen schlagt sich somit als Wertanderung des Humanvermogens der Untemeh­mung nieder. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Personalinvestitionen kann durch eine Gegeniiberstellung der investiven Finanzleistung mit der aus ihr resul­tierenden Veranderung des Humanvermogens erfolgen. Abbildung 3 solI die dargestell­ten Zusammenhange schematisch illustrieren.

40

41

I N PUT (Ursache)

OUTPUT (Wi rkung)

investive Finanzleistung ---~> Personal -----:> Veriinderung des HunanverrnBgens

Messung

> Buchhaltung -----> Investitions- <--- Hunan < rechnung Resource

Accounting

Messung

Abbildung 3: Human Resource Accounting als Sonderrechnung zur Beurteilung von Personal-Investitionen

Hamel, W., Persona11987, S.1083 " Vgl. Gadomski, R., Investitionen 1974, S.216f.; Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.20-24

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Page 106: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

2. Intention und Konzeption des Human Resource Accounting

2.1. Entstehung und BegritTsbestimmung

Die Auseinandersetzung mit den Fragen einer Bewertung des Menschen ist annahernd so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit fanden flir die Zwecke des Sklavenhandels Bewertungen des Menschen in groBem Umfange statt.42

Insofern ist es nicht erstaunlich, daB die Volkswirtschaftslehre schon relativ fruhzeitig begann, sich mit dem okonomischen Wert des Menschen auseinanderzusetzen. Die ersten diesbeziiglichen Anstrengungen reichen bis in das 17. Jahrhundert zuruck und wurden von Nationalokonomen wie ADAM SMITH und WILliAM PETrY getragen.43

"Neben diesen historischen Ansatzen ist ( .. ) die Frage nach der Bewertung des Menschen oder seines Leistungsvermogens im Zusammenhang mit der Untersuchung des Wirt­schaftswachstums"44 von SCHULTZ und BECKER Ende der SOer Jahre dieses Jahrhun­derts wieder aufgegriffen worden. Die hieraus entstandene Forschungsrichtung, die die Ermittlung des Wertes des Menschen flir eine Volkswirtschaft zum Ziel hat, wurde unter dem Oberbegriff "Human Capital Accounting" bekannt.45

Annahernd zeitgleich begannen in der Betriebswirtschaftslehre, sich Forschungen zu entwickeln, die auf die Ermittlungen des Wertes der menschlichen Ressourcen von Unternehmen abstellten und flir die der Begriff "Human Resource Accounting" gepragt wurde. Der Ursprung des Human Resource Accounting geht zuruck auf die Farschungen LIKERTs, der 1961 zu der Erkenntnis gelangte, daB die Abbildung menschlicher Res­sourcen im betrieblichen Rechnungswesen die Entscheidungstrager unter Umstanden zu Fehlentscheidungen verleiten kann.46

Zwar war auch schon varher die besondere Bedeutung des Personals als wichtiger Erfolgsfaktor des Unternehmens47 bekannt; es war allerdings LIKERT, der anhand einer Umfrage unter Unternehmern in den USA den herausragenden okonomischen Wert der personellen Ausstattung des Unternehmens offenlegte. Danach wiirde der vollstandige Ersatz samtlicher Mitarbeiter eines Unternehmens ungefahr Ausgaben in Hohe des Zwei- bis Fiinffachen der jahrlichen Lohn- und Gehaltssumme verursachen. Bezogen auf den Unternehmensgewinn wiirde dieser Betrag sogar etwa dem lSfachen des durch­schnittlichen jahrlichen Gewinns entsprechen.48

"Obwohl ganz offensichtlich die personelle Ausstattung einer Unternehmung einen erheblichen Wert reprasentiert, kommt dieser Wert im betrieblichen Rechnungswesen an keiner Stelle zum Ausdruck."49 Dieses MiBverhaltnis zwischen der Bedeutung des

42

43 44 45

46

Vgl. Schoenfeld, H.-M., Rechnungslegung 1974, S.l; Marr, R., Humanvermogensrechnung 1982, S.45 Vgl. Voigt, F., Humankapita11982, S.399f.; Schoenfeld, H.-M., Rechnungslegung 1974, S.1-3 Schoenfeld, H.-M., Rechnungslegung 1974, S.3 Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, S.17f. u. 52; Weiermair, K., Bewertung 1976, S.256; Ackermann, K.­F./ Maier, K.-D., Stand 1976, S.314-318; Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.26 Vgl. Likert, R., Patterns 1%1, S.61-76; Likert, R., Organization 1967, S.101-115

47 Vgl. Schoenfeld, H.-M., Accounting 1975, Sp.996f.; Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.18; Hoyer, S., Informationen 1991, S.105-113

48 Vgl. Likert, R., Introduction 1969, S.7f. 49 Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.l

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Personals fiir eine erfolgreiche Unternehmensfiihrung und der UnzuHinglichkeit seiner Abbildung im betrieblichen Informationssystem RechnunPowesen stellt den Ansatzpunkt fiir die Entstehung des Human Resource Accounting dar. 0

Da das betriebliche Rechnungswesen offenkundige Liicken bei der Abbildung der menschlichen Ressourcen bzw. des Humanvermogens der Unternehmung aufweist, ist es die allgemeine Aufgabe des Human Resource Accounting, als integraler Bestandteil des betrieblichen Rechnungswesens, diese Informationsliicken zu schlieBen. Das Human Resource Accounting stellt somit eine Erganzung des traditionellen Rechnungswesens urn die Informationen iiber das Humanvermogen dar.51

AbschlieBend solI noch auf die in diesem Themenkomplex vorzufindende Begriffsvielfalt eingegangen werden. Wie bereits dargelegt, solI dieses Kapitel die Abbildung der menschlichen Ressourcen in einem erweiterten Rechnungswesen zum Gegenstand haben. Das entsprechende Abbildungsobjekt wird im weiteren als Humanvermogen und das Abbildungsinstrument als Human Resource Accounting bezeichnet.

Diese Begriffswahl ist an dem im deutschen Sprachraum iiblichen Sprachgebrauch orien­tiert. Abbildung 4 solI demgegeniiber einen Uberblick iiber die Fiille der in der Litera­tur52 vorzufindenden und weitgehend synonym verwendeten Begriffe geben. Es ist darauf hinzuweisen, daB im betriebswirtschaftlichen Schrifttum leider auch eine synonyme Ver­wendung volkswirtschaftlich gepragter Begriffe (z. B. Humankapital) festzustellen ist.

50

51

52

Vgl. Weiermair, K., Bewertung 1976, S.257f.; Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, S.453f.; Likert, R., Organization 1967, S.l46; Committee on Human Resource Accounting, Report 1973, S.169f.; Flamholtz, E.G., Accounting 1986, SX-XII. Zur Beriicksichtigung menschlicher Ressourcen im tradi­tionellen Rechnungswesen: Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.57-60; Freiling, J., Accounting 1978, S.112-121 Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.14 u. 25; Conrads, M., Accounting 1974, S.378f.; Freiling, J., Accounting 1978, S.4 u. 119; Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.24 Einen Uberblick iiber die Litenitur ermoglichen die folgenden Bibliographien: Schneider, K.R., Accounting 1981; Flamholtz, E.G., Accounting 1986, S.356ff.

107

Page 108: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Begriffe

Sprache

Deutsch

Englisch

Abbildung 4:

HUMAN RESOURCE ACCOUNTING HUMANVERMOGEN

Hunanvermi)gensrechnung Persona l vermi)gen

Persona l vermi)gensrechnung mensch l i che Ressourcen

Hunanpersons l vermi)gensrechnung hunane Ressourcen

Hunankapi ta l rechnung Arbei tsvermi)gen

Hunanpotent i a l rechnung Geistkapital

Hunanrechnungslegung Sozialpotential

Rechnungslegung uber den Produk· Wert der mensch lichen KOIJ1Xlnente

tionsfaktor Arbeitsleistungen ei nes Unternehmens

Soz i alpotenti a lberi cht Hunankapi ta l

Buchfuhrung uber Hunanvermi)gen menschl iche Aktiva

u.a.m. u.a.m.

Hunan Asset Account i ng Hunan Assets

Account i ng for Hunan Resources Hunan Resources

HlIllan Resource Measurement Hunan Resource Va l ue

HlIllan Capi ta l Account i ng HlIllan Capi ta l

u.s.m. u.a.m.

Synonyma der Begriffe Human Resource Accounting und Hu­manvermogen53

2.2. Aufgaben und Ziele

Entsprechend seiner Funktion, das betriebliche Rechnungswesen urn die Aspekte der personellen Unternehmensressourcen zu erganzen, ist das Human Resource Accounting als derjenige Teil des Rechnungswesens zu verstehen, der der aufgabenorientierten Abbildung des Humanvermogens eines Unternehmens dient. Es stellt sornit ein Instru­ment "zur Errnittiung, Darstellung und Auswertung monetarer Informationen fiber tatsachliche und mogliche Zustande des betrieblichen Humanvermogens"54 dar.55

53

54 55

108

Vgl. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.8; Fischer-Winkelmann, W.F./ Hohl, E.K., Konzepte 1982, S.2637; Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.26 u. 61; Eichhorn, P., Unternehmens· rechnung 1974, S.25; Marr, ~, Sozialpotential1979, S.55 Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.64 Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.14 u. 28f.; Conrads, M., Accounting 1974, S.380

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Die jeweils erforderliche konkrete Gestaltung des Human Resource Accounting, die sieh in seinen Methoden widerspiegelt, hat sieh an den Bediirfnissen und Rechnungszwecken derjenigen Zweige des betrieblichen Rechnungswesens zu orientieren, fiir die das Human Resource Accounting gerade seine "Liickenfiiller-" bzw. Erganzungsfunktion wahrzunehmen hat. Dabei ist das Human Resource Accounting "grundsatzlich als Uber­tragung von Methoden und Verfahren"56 des traditionellen Rechnungswesens auf das Humanvermogen einer Unternehmung zu sehen. Human Resource Accounting stellt folglich weitgehend den Versuch dar, das Humanvermogen in einer den Sachgiitern analogen Weise abzubilden.S7

Dementsprechend wird im Rahmen des Human Resource Accounting eine groBere Anzahl von Methoden diskutiert. Diese sollen, in Abhangigkeit von der jeweiligen Pro­blemstellung, die aufgabenorientierte Ermittlung und Bereitstellung von Informationen iiber den Wert der Investitionen in das Humanvermogen garantieren. Als generelle Ziel­setzung des Human Resource Accounting kann folglich die Erfassung der monetaren GroBe "Wert des Humanvermogens" im Hinblick auf deren Verwendungszwecke festge­halten werden.S8

Die schon mehrfach aufgeworfene Frage der Aufgaben- bzw. Zweckorientierung des Human Resource Accounting zerfallt in zwei Teilbereiehe. Es handelt sieh dabei einer­seits urn einen unternehmensinternen Aufgabenkomplex (Entscheidungszwecke) und andererseits urn einen unternehmensexternen Aufgabenkomplex (Bilanzierungs­zwecke).S9

Diese beiden Aufgabenkomplexe stehen jedoch nieht gleiehrangig nebeneinander, son­dern es ist hier eine Dominanz der Entscheidungszwecke zu konstatieren. Diese Domi­nanz hat ihre Begriindung sowohl in der urspriinglichen Intention des Human Resource Accounting - namlieh die Entscheidungsgrundlagen des Managements zu verbessern - als auch in dessen Anwendungsschwerpunkten, welche insbesondere in der Investitions­rechnung, aber auch in der Kosten- und Leistungsrechnung zu suchen sind.60

Da sieh in den Entscheidungs- und Bilanzierungszwecken die Anforderungen der Zweige des Rechnungswesens an das Human Resource Accounting widerspiegeln, ist durch sie die Einbindung des Human Resource Accounting in das betriebliche Rechnungswesen charakterisiert. Wahrend das Verhaltnis zur JahresabschluB- sowie Kosten- und Leistungsrechnung einseitig durch die Zufiihrung von Humanvermogensinformationen gepragt ist, besteht zur Investitionsrechnung eine zweifache Verbindung.

56 Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.64 57 Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.61-64 58 Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, S.7f.; Neubauer, F.-F., Entwicklungen 1974, S.265; Flamholtz, E.G.,

Accounting 1986, SX-XII; Wunderer, R./ Sailer, M., Aufgabe 1987, S.323f. 59 Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.28f.; Conrads, M., Accounting 1974, S.382ff.; Weiermair, K.,

Bewertung 1976, S.258-261; Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, 8.454f. Vgl. Brummet, R.L./ F1amholtz, E.G./ Pyle, W.C., Tool 1969, 8.12ff.; Fischer-Winkelmann, W.F./ Hohl, E.K., Konzepte 1982, 8.2637-2639; Marr, R., Soziaipotentiai1979, 8.54f.

60

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Von der Investitionsrechnung bezieht das Human Resource Accounting die originaren Daten fiber die Personalinvestitionen und liefert im Gegenzug benotigte Entscheidungs­werte zu. Abbildung 5 solI die Einbindung des Human Resource Accounting in das betriebliche Rechnungswesen veranschaulichen.61 Dabei ist mit (I) die Verbindung fiber den Entscheidungszweck und mit (II) die Verbindung fiber den Bilanzierungszweck gekennzeichnet.

gesetzlich Jahresabsch luB- Sozi al- (II) -> geregel tes -> rechflU'lg <-> bilanz <:-----,

Personal­bezogene Finanz- -leistun-gen

Rechnungswesen

frei -> gestaltbares -

Rechnungs-wesen

(I): Entscheidungszweck (II): Bilanzierungszweck

nicht investive Kosten- (I) HUMAN ,--> Finanz- --> und <-- RESOURCE <-

lei stungen Lei stungs- ACCOUNTING rechnung

'---> investive Finanz­leistungen

Investi- JI) --> tionsrech- <

nung

L

Abbildung 5: Integration des Human Resource Accounting in das betriebliche Rechnungswesen

Die beim Human Resource Accounting im Vordergrund stehenden Entscheidungs­zwecke leiten sich aus den Informationsbedfirfnissen der unternehmensinternen Ent­scheidungstrager ab und konnen im weitesten Sinne als die "Unterstiitzung des Fiih­rungssystems bei Personalentscheidungen,,62 charakterisiert werden.63 Durch die Nutzung des Human Resource Accounting solI die okonomische Effizienz der die menschlichen Ressourcen betreffenden Managemententscheidungen gesteigert werden.

61

62 63

110

Vgl. Aschoff, c., Humanvermogen 1978, S.65ff.; Conrads, M., Accounting 1976, S.59ff.; Conrads, M., Accounting 1974, S.382ff.; Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, S.454f. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.IO Vgl. Committee on Accounting for Human Resources, Report 1974, S.118-123

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AuGerdem wird durch das Human Resource Accounting der okonomische Wert des Mit­arbeiterstamms herausgestellt und infolgedessen moglicherweise eine veranderte Ein­stellung des gesamten Managements gegeniiber dem Personal bewirkt. Das BewuBtsein fUr den Wert und die Bedeutung des Personals kann somit gesHirkt werden und wird dadurch EinfluG auf die gesamte Bandbreite von Managemententscheidungen gewin­nen.64

Zu den Anwendungsgebieten und dem Nutzen des Human Resource Accounting flir das Management wurde 1976 von PUEIT und ROMAN das Ergebnis einer Befragung in 47 Unternehmen veroffentlicht. Die Befragung erstreckte sich auf 117 Fiihrungskrafte unterschiedlicher Ebenen und Abteilungen. Abbildung 6 gibt das Befragungsergebnis geordnet nach der Haufigkeit der Nennungen wieder.

64

65

Use of Benefits

Mangement tool Measure value of change in human organization Market value of organization Capital budgeting decision Turnover frequency and cost Selection and replacement decisions Training need decisions Return-on-investment decisions Capital asset decisions Age distribution changes Salary reviews Potential worth of individuals Potential management needs Profit review Assessment of managerial style Skill-level reviews Marketing decisions Personnel audits Organizational weakness Potential worth of organization

Executives (n = 117)

115 103 98 86 85 73 73 71 70 66 61 57 55 44 34 31 30 28 25 15

Percentage

98,2 87,7 83,5 73,4 72,3 62,0 61,9 60,2 59,9 56,5 52,2 48,9 47,2 37,8 28,6 26,8 25,8 24,2 21,7 12,7

Abbildung 6: Anwendungspotentiale des Human Resource Accounting aus Managementsicht65

Vgl. Fischer-Winkelmann, W.F./ Uohl, E.K., Konzepte 1982, S.2637 u. 2639; Dierkes, M./ Freund, K.P., Aktivposten 1974, S.6O; Conrads, M./ Goetzke, W./ Sieben, G., Accounting 1982, S.494f. QueUe: Puett, J.F./ Roman, D.D., Valuation 1976, S.659

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Das Befragungsergebnis bestatigt die in der Literatur iiberwiegend vertretene Ansicht, daB flir das Human Resource Accounting der Anwendungsbereich "Personalmanage­ment" bzw. "Personalwirtschaft" eindeutig dominant ist.66 Die Informationen des Human Resource Accounting dienen somit primar der Planung, Entscheidung und Kontrolle in der betrieblichen Personalwirtschaft. FLAMHOLTZ stellt hierbei die folgenden Anwen­dungsschwerpunkte besonders heraus:

Personalbeschaffung,

Personalentwicklung,

Personalallokation,

Personalerhaltung,

Personalnutzung,

Personalbewertung,

Personalentlohnung.67

Da die Aufbereitung und Bereitstellung der Managementinformationen flir die genann­ten Anwendungsgebiete weitgehend in Kosten- und Leistungs- bzw. Investitionsrechnung erfolgt, werden die erforderlichen Humanvermogensinformationen in diese Rechen­werke iiberfiihrt.

Die Investitionsrechnung hat dabei Entscheidungen von grundsatzlicher Bedeutung und mit langerfristiger Wirksamkeit zu unterstiitzen. Es handelt sich hierbei primar urn Personalinvestitionsentscheidungen, die in den Anwendungsbereichen Personalbeschaf­fung, Personalentwicklung und Personalerhaltung zu treffen sind.68

Da die Investitionsrechnung einerseits dem Human Resource Accounting die Personalinvestitionsdaten, die die Entstehung von Humanvermogen begriinden, zur Ver­fligung stellt und andererseits den hieraus resultierenden, langfristig erwarteten moneta­ren Nutzen (Humanvermogen) im Gegenzug iibernimmt, kann in diesem Zusam­menhang von einer originaren Ermittlung des Humanvermogens gesprochen werden.

Demgegenliber benotigt die Kosten- und Leistungsrechnung Humanvermogensinfor­mationen mit Kurzfristcharakter, die sich auf die ohnehin vorhandenen menschlichen Unternehmensressourcen beziehen. "Zwar liegen der Investitionsrechnung bereits kon­krete Vorstellungen liber die zuklinftige Verwendung betrieblicher Faktoren zugrunde, aufgrund unsicherer Informationen ist jedoch diese Verwendung nicht im einzelnen vor­hersehbar, so daB die Kostenrechnung der Kontrolle und Korrektur der Investitions­rechnung dient."69 Insofern ist flir die Zwecke der Kosten- und Leistungsrechnung eine

66 Vgl. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.13 67 Vgl. Flamholtz, E.G., Rechnungslegung 1982, S.74-79; Flamhoitz, E.G., Accounting 1986, S.7-18; Dier­

kes, M.I Freund, K.P., Personalaufwandsplanung 1975, S.315-319 68 Vgl. Aschoff, C., Humanve~ogen 1978, S.65f.; Wunderer, R.I Sailer, M., Aufgabe 1987, S.323f. 69 Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.112

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derivative Ermittlung des Humanvermogens gegeben. Die dabei bereitzustellenden Managementinformationen haben sich auf die Bereiche Personalallokation, Personal­nutzung und Personalentlohnung zu erstrecken.

Der untemehmensexteme Aufgabenkomplex des Human Resource Accounting (Bilanzierungszwecke) ist im engen Zusammenhang mit der JahresabschluBrechnung zu sehen, da sich beide an denselben Adressatenkreis richten. Zu diesem Adressatenkreis gehOren im wesentlichen Belegschaft, aktuelle und potentielle Anteilseigner, Glaubiger, Ueferanten, Abnehmer und die sonstige interessierte Offentlichkeit?O

Die Bilanzierungszwecke sind allerdings als sekundarer Aufgabenbereich des Human Resource Accounting zu betrachten. Es sind die Entscheidungszwecke, die hier im Vor­dergrund stehen und bei deren gezielter Entwicklung sich die Moglichkeit zu einer offensiven extemen Informationspolitik quasi als Nebenprodukt eroffnet hat.

Ausgangspunkt der Uberlegungen beziiglich der Bilanzierung des Humanvermogens war die Feststellung, daB die menschlichen Ressourcen ebenso wie ein modemer Maschi­nenpark als Leistungsreserve des Untemehmens zu betrachten sind. Wahrend sich jedoch die maschinelle Ausstattung als Aktivposten in der handelsrechtlichen Bilanz wiederfindet, bleibt das Humanvermogen ganzlich unberiicksichtigt.

Die sich hier anschlieBende Forderung, das Humanvermogen gleichermaBen zu akti­vieren, ist allerdings mit den handelsrechtlichen Bilanzierungsnormen nicht vereinbar.71

Das Humanvermogen stellt keinen Vermogensgegenstand im Sinne der Handelsbilanz dar.72

Urn dennoch zu einer Bilanzierung des Humanvermogens zu gelangen, wird im allge­meinen die Einbeziehung in die Sozialbilanz vorgeschlagen.73 Obwohl Sozialbilanz und Human Resource Accounting im Grundsatz sehr unterschiedlich ausgerichtet sind (Gesellschaftsorientierung adversus Managementorientierung)74, kann durch die Einbe­ziehung geeigneter Humanvermogensinformationen die Aussagefiihigkeit der Sozial­bilanzen erheblich verbessert werden. DIERKES und HOFF haben in einer einge­henden Untersuchung nachgewiesen, daB "das Humanvermogen einen zentralen Stel­lenwert in der Sozialbilanz einnimmt."75

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Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.18 u. 4Of.; Weiennair, K., Bewertung 1976, S.259f. Gleichwohl ware eine Aktivierung des Humanvermogens als ausschiittungsgesperrte Bilanzierungshilfe in Analogie beispielsweise zu den Ingangsetzungskosten (§ 269 HGB), wenn auch nicht zuliissig, so doch zumindest denkbar. Ein solches Vorgehen wiirde auch mit der dynamischen Bilanzinterpretation in Einklang stehen (Ausgabe jetzt, Aufwand spater) und der Auffassung SCHMALENBACHs von der Bilanz als Kriiftespeicher der Unternehmung entsprechen. Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.162-170; Kafer, K., Bilanz 1976, S.2O-25; Schmalenbach, E., Bilanz 1988, S.67f. u. 74 Vgl. Neubauer, F.-F., Entwicklungen 1974, S.263f.; Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, S.46O-462; Conrads, M., Accounting 1974, S.387-391 Vgl. Lang, H., Accounting 1977, S.35; Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, S.461; Schmidt, H., Humanvermogensrechnung 1982, S.38-4O; Reuter, E., Moglichkeiten 1982, S.251f. Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, ~.21-51; Conrads, M.I Goetzke, W.I Sieben, G., Accounting 1982, S.495f.; Hoyer, S., Informationen 1991, S.168-197 Dierkes, M.I Hoff, A., Humanvermogen 1982, S.717

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Es bleibt festzuhalten, daB dem externen Adressatenkreis, im Rahmen einer offensiven Informationspolitik, Einblick in Bestand und Veranderung der personellen Ressourcen des Unternehmens gegeben werden soIl. Dadurch soIl zum einen Rechenschaft tiber die MaBnahmen im Personalbereich und das AusmaB der dem Personal zugute kommenden Anstrengungen abgelegt werden. Zum anderen soIl die Moglichkeit der externen Betrachter, zu einer Bewertung des Unternehmens, des Managements oder der zukiinftigen Erfolgschancen zu kommen, verbessert werden?6

2.3. Humanvermogen als Abbildungsobjekt

1m vorangegangenen Kapitel ist dargelegt worden, daB das Human Resource Accounting die Abbildung des Wertes des Humanvermogens zum Gegenstand hat. Hieran ankntip­fend ist nun die Frage zu betrachten, was konkret unter Humanvermogen zu verstehen ist und was dessen Wert ausmacht. In dieser Betrachtungsweise zerfallt die ZielgroBe "Wert des Humanvermogens" somit in eine Mengenkomponente und in eine Wertkom­ponente. Der "Wert des Humanvermogens" ergibt sich als Summe samtlicher bewerteter Humanvermogenselemente, die flir den jeweiligen Abbildungszweck Relevanz be­sitzen.77

Bei einer ersten Annaherung kann der Begriff "Humanvermogen" definiert werden als der Inbegriff aller menschlichen Ressourcen des Unternehmens, von denen erwartet werden kann, daB sie zukiinftig Nutzen stiften bzw. Beitrage zum Unternehmenserfolg leisten werden.

Diese auf die Mengenkomponente abstellende Definition begrenzt den Inhalt des Humanvermogens auf den Teil des menschlichen Leistungspotentials, der flir das betref­fende Unternehmen nutzbar ist. Es werden somit nicht alle durch die Mitarbeiter ver­korperten, und damit dem Unternehmen zur Nutzung zur Verfiigung gestellten, Eigen­schaften, Fahigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen erfaBt, sondern lediglich derjenige Teil hiervon geht in das Humanvermogen ein, den das Unternehmen auch tatsachlich nutzen kann oder will.

Das Humanvermogen erstreckt sich folglich nicht auf alle denkbaren Attribute der menschlichen Unternehmensressourcen, sondern nur auf diejenigen, die flir das Unter­nehmen okonomische Bedeutung und damit Entscheidungsrelevanz besitzen. Aus dem Gesagten wird deutlich, daB es beim Human Resource Accounting nicht urn die Bewer­tung des Menschen und seiner Leistungsfahigkeit per se geht, sondern daB die Erfassung der Bedeutung der menschlichen Komponente flir den Unternehmenserfolg beabsichtigt ist.78

Bei der Bestimmung des Humanvermogensbegriffs ist weiterhin die Menge der einzube­ziehenden Individuen zu klaren. So wird zum Teil vorgeschlagen, neben den Mitarbei­tern des Unternehmens "auch die anderen Koalitionsteilnehmer, wie Glaubiger, Anteils-

76 Vgl. Rumpf, H., Humanvermogensrechnungen 1978, S.455; Lang, H., Accounting 1977, S.35 77 Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, S.8-17; Hoss, G., Personalcontrolling 1989, S.289f. 78 Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.20f.; Streim, H., Accounting 1981, Sp.743; Schmalen, H., Accoun­

ting 1977, S.807; Hoss, G., Personalcontrolling 1989, S.289

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eigner, Ueferanten und Kunden"79 zum Humanvermogen zu rechnen. Zwar tragen die genannten Personenkreise direkt oder indirekt zum wirtschaftlichen Erfolg des Unter­nehmens bei, eine ZugehOrigkeit zum Humanvermogen wird aber aus pragmatischen Grunden weitgehend abgelehnt.

Ein derartig weit gefaBter Humanvermogensbegriff wiirde das Human Resource Accounting bei der Erfassung der Mengen- und Wertkomponente vor kaum losbare Schwierigkeiten stellen. AuBerdem gehoren die externen Personengruppen rucht zum Verfiigungsbereich des Unternehmens, weshalb dieser Teil des Humanvermogens von den betrieblichen Entscheidungstragern nicht unmittelbar beeinfluBt werden kann. Die Entscheidungsrelevanz solcher Humanvermogensdaten ware somit auBerst schwierig einschiitzbar. Aus den genannten Grunden wird - im Einklang mit der herrschenden Meinung - die Mengenkomponente des Humanvermogens auf den unternehmens­internen Personenkreis (Mitarbeiterstamm, Belegschaft) begrenzt.80

Das Mengengerust des Humanvermogens bedarf noch hinsichtlich zweier weiterer Aspekte einer Konkretisierung. So ist fraglich, ob nur das bereits vorhandene (aktuelle) Mitarbeiterpotential oder aber zusatzlich hierzu auch das zukiinftig erwartete (potentielle) Mitarbeiterpotential zum Humanvermogen zu rechnen ist.

Grundsatzlich diirfte - wiederum aus pragmatischen Grunden - eine Beschrankung auf das aktuelle Mitarbeiterpotential geboten sein. Die Einbeziehung zukiinftig angestreb­ter, erwarteter oder erwiinschter menschlicher Ressourcen ware kaum befriedigend zu lasen. Gleichwohl ist in Abhiingigkeit von der konkreten Entscheidungssituation auch die Erfassung von potentiellen Humanressourcen m6glich, soweit diese klar umrissen und abgegrenzt sind. Eine solche Entscheidungssituation ist naturgemiiB bei jeder Beur­teilung einer Personalinvestition (z. B. Einstellung) gegeben.81

SchlieBlich ist bei der Bestimmung der Mengenkomponente des Humanvermogens noch auf die zeitliche Dimension einzugehen. Nachdem der Personenkreis und dessen Eigen­schaften, die fiir die Bestimmung des Humanverm6gens relevant sind, festgelegt wurde, stellt sich die Frage nach dem Zeitraum, in dem dieses Mitarbeiterpotential dem Unter­nehmen zur Nutzung zur Verfiigung steht.

Hier wird einerseits die Restlaufzeit der zugrunde liegenden Arbeitsvertrage vorge­schlagen. Da die tatsachliche BetriebszugehOrigkeitsdauer zumeist dies en Zeitraum urn ein Vielfaches iibersteigt, wiirde die Bezugnahme auf die Vertragsrestlaufzeiten zu unbe­friedigenden Ergebnissen fiihren. Der Ermittlung des Humanverm6gens sollte insofern die auf Erfahrungswerten beruhende voraussichtliche BetriebszugehOrigkeitsdauer (betriebliche Nutzungsdauer) zugrunde gelegt werden.82

Insgesamt bleibt festzuhalten, daB sich die Mengenkomponente des Humanverm6gens auf samtliche entscheidungsrelevante Eigenschaften und Pers6nlichkeitsmerkmale des

79

80

81 82

Freiling, J., Accounting 1978, S.9 Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.41f. u. 45; Freiling, J., Accounting 1978, S.9-12; Conrads, M., Accounting 1976, S.21f.; Schoenfeld, H.-M., Rechnungslegung 1974, S.6-9 Vgl. Aschoff, c., Humanvermogen 1978, S.45f.; Freiling, J. Accounting 1978, S.12 Vgl. Aschoff, C., Humanvermogen 1978, S.46f.; Freiling, J., Accounting 1978, S.12f.

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vorhandenen Mitarbeiterstamms erstreekt, wobei als Nutzungsdauer die voraussichtliehe BetriebszugehOrigkeit unterstellt wird.

Aus dieser Charakterisierung des Humanvermogensbegriffs lassen sich dessen wesent­Hehe BestimmungsgroBen ableiten. Dabei ist allerdings zu beaehten, daB in Abhiingig­keit von der jeweiligen Entseheidungssituation die Erfassung des Humanvermogens auf einzelne Mitarbeiter, auf Mitarbeitergruppen oder auf die gesamte Untemehmens­belegsehaft bezogen sein kann. Abbildung 7 gibt die wiehtigsten Teilbereiche der BestimmungsgroBen des Humanvermogens wieder. Zudem werden flir jeden dieser Teilbereiehe beispielhaft Ursaehen sowohl der Vermehrung als aueh der Verminderung des Humanvermogens angefiihrt.83

83

~ HUMANVERMOGEN von: Ursachen eines Ursachen ei ner - E i nzelpersonen Hl.m8nvermOgens- Hl.m8nvermOgens-- Mi tarbei ter- zuwachses vermi nderung

Kategorien gruppen der Bestim- - Gesamtbeleg-mungsgroBen schaft

Qua l i tat der Aus- und Verges sen Lei stungen nach lIei terbi ldung erworbener Art, Glite und Fahigkeiten und Menge (Leistungs- Kenntnisse fahigkeit)

LEISTUNGS-

ANGEBOT Leistungs- Quantitiit der Einstellung Entlassungen, Leistungen neuer Mitarbeiter Outplacement

der / des potential (Anzahl der Mitarbeiter)

Mitarbeiter/s

Erwartete Langfristige N i cht markt-Betriebsver- Bindung durch gerechte bleibdauer Pens i onszusage Entlohnung (Restnutzungs-dauer)

Lei stungs- Leistungs- Leistungsanreize, Mangel in der bereitschaft, z.B. Pramien Menschenflih rung

wi II igkeit Leistungs-verhal ten

LE I STUNGSNACHFRAGE Personal verwen- Opt i mi erung des Veral ten dung/-einsatz, Personaleinsatzes vorhandener

des Unternehmens Arbei tsanforde- Fahigkeiten und rungen, Arbei ts- Kenntnisse bedingungen

Abbildung 7: Determinanten des Humanvermogens

Vgl. Flamholtz, E.G., Accounting 1986, S.10-12 u. 184; Aschoff, c., Humanvermogen 1978, S.47f.; Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.52 u. 193; ZiiIch, G., Ansiitze 1976, S.13

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Es wird deutlieh, daB schon allein die Erfassung der Mengenkomponente des Human­vermogens ein auBerst vielschichtiges Problem darstellt. In jeder beliebigen Entschei­dungssituation sind die entscheidungsrelevanten EinfluBgroBen auf das Humanvermogen aus dem gesamten Komplex der Determinanten zu selektieren. Hierbei ist jede geplante MaBnahme, die Auswirkungen auf die BestimmungsgroBen des Humanvermogens hat, im Rahmen des Human Resource Accounting auf ihre okonomischen Implikationen hin zu untersuchen.84

Hier schlieBt sieh unmittelbar als zweiter Problemkomplex die Bestimmung der Wert­komponente des Humanvermogens an. Denn flir die okonomische Beurteilung der das Humanvermogen tangierenden Entscheidungsaltemativen ist es erforderlich, monetare Entscheidungswerte zu ermitteln. Diese haben der Aggregation samtlicher bewerteter und als entscheidungsrelevant erkannter Humanvermogenselemente zu entsprechen. Somit schlieBt sieh an die Selektion der entscheidungsrelevanten BestimmungsgroBen des Humanvermogens deren kardinale Messung und monetare Bewertung an.

1m ersten Schritt muB flir aIle Entscheidungsaltemativen eine kardinale Messung der jeweiligen Auspragungen der BestimmungsgroBen des Humanvermogens erfolgen. Hiermit ist bereits ein methodisch kaum losbares Problem umrissen. Merkmale wie Eig­nungspotential oder Motivationsgrad entziehen sieh einer kardinalen Messung. Da die BestimmungsgroBen des Humanvermogens weit iiberwiegend von diesem Quantifizie­rungsproblem betroffen sind, konnen kardinale Daten aIlenfaIls im Wege der Schatzung oder der Transformation nominaler und ordinaler Daten ermittelt werden.85

1m AnschluB an die Quantifizierung der Merkmalsauspragungen hat deren monetare Bewertung sowie abschlieBende Aggregation zu erfolgen. "Aufgabe der Bewertung ist es, den Altemativen bzw. Gegenstanden Wertziffem derart zuzuordnen, daB sieh daraus eine Rangfolge der Vorziehenswiirdigkeit der einzelnen Altemativen im Hinblick auf die gegebene Zielfunktion ergibt.,,86

Da der Wert von Zielfunktion, Entscheidungsproblem und Entscheidungsfeld abhangig ist, kann die Bewertungsproblematik des Human Resource Accounting nieht abschlie­Bend geklart werden. Es kann aIlerdings festgehalten werden, daB es keine aIlgemeingiil­tigen Wertansatze flir das Humanvermogen geben kann, sondem die Bewertung den unterschiedlichen Entscheidungssituationen zu entsprechen hat.87

Infolgedessen sind beliebig viele "Werte des Humanvermogens" denkbar, die - obgleieh sie unterschiedlich sind - aIle hinsiehtlich ihres Entscheidungszwecks als riehtig angese­hen werden konnen. Dementsprechend sind flir das Human Resource Accounting eine Reihe von Wertermittlungskonzeptionen entwickelt worden, die flir unterschiedliche Anwendungsbereiehe zum "Wert des Humanvermogens" flihren. 1m folgenden Kapitel solI auf die Problematik dieser Wertermittlungsmethoden naher eingegangen werden.

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Vgl. Conrads, M., Accounting 1976, S.2lf. Vgl. Conrads, M., Accounting 1974, S.380f.; Freiling, J., Accounting 1978, S.154ff.; Szyperski, N./ Rich­ter, U., Messung 1981, Sp.1207ff.; Kontner, P., Humanvermiigensrechnung 1980, S,47-51 Aschoff, C., Humanvermiigen 1978,;~.8f. Vgl. Fischer-Winkelmann, W.F./ Hohl, E.K., Konzepte 1982, S.2638; Szyperski, N./ Richter, U., Mes­sung 1981, Sp.1211; Kontner, P., Humanvermiigensrechnung 1980, S,47-51

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3. Methoden des Human Resource Accounting

In den vorangegangenen Kapiteln ist deutlich geworden, daB die Wertermittlung des Humanvermogens auf den erwarteten zukiinftigen Beitrag des Personals zum Unter­nehmenserfolg abzustellen ist. Die Wertermittlung hat grundsatzlich zukunftsorientiert und outputbezogen zu sein. Der Wert des Humanvermogens entspricht dem Nutzungs­potential, das die Mitarbeiter verkorpern, bzw. dem Gegenwartswert ihrer zukiinftigen Leistungsbeitrage.

Da die Ermittlung einer derartigen WertgroBe kaum losbare methodische Probleme aufwirft, wurden in Wissenschaft und Praxis eine Reihe von Wertermittlungsmethoden entwickeIt, die eine mehr oder weniger gute Annaherung an die idealtypische Bewer­tungskonzeption ermoglichen. Die Forschungsanstrengungen auf dies em Gebiet wurden maBgeblich von den friiheren Angeh6rigen der University of Michigan LIKERT, BRUMMET, FLAMHOLTZ, PYLE und HERMANSON initiiert und vorangetrieben.

Urn eine gewisse Transparenz hinsichtlich der Charakteristika der verschiedenen Wertermittlungsmethoden zu erreichen, scheint es hilfreich, diese zunachst gemiiB bestimmter Kriterien in Gruppen zu untergliedern. Aus der Hille der moglichen Gliede­rungskriterien88 werden hier die folgenden drei ausgewahlt und im weiteren erlautert:

Gliederung nach der Bewertungsbasis,

Gliederung nach dem Bewertungsobjekt,

Gliederung nach der Bewertungsdimension.

GemiiB der Bewertungsbasis lassen sich Ansatze des Cost- und des Value-Accounting unterscheiden. Wahrend eigentlich nur das Value-Accounting, welches auf dem zukiinf­tigen Output der Mitarbeiter basiert, der Konzeption des Human Resource Accounting entspricht, werden hiervon in den vorgeschlagenen Verfahren unterschiedliche Abstriche gemacht.

Abbildung 8 solI die im Rahmen dieses Beitrags zugrunde gelegte Abgrenzung der Begriffe Cost- und Value-Accounting deutlich machen. Dazu werden die hierbei rele­vanten Bezugsgro8en der Wertermittlung (Zeitbezug, Erfassungsobjekt) zu den Be­griffen Cost- und Value-Accounting in Beziehung gesetzt.

Bei den Erfassungsobjekten handelt es sich einerseits urn die dem Personal zugute kommenden Zuwendungen bzw. die vom Personal verursachten Kosten (Inputs) und andererseits urn die Leistungsbeitrage des Personals (Outputs). Hinsichtlich des Zeitbe­zugs der Verfahren kommen Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsorientierung in Betracht. Die Giite und Aussagefahigkeit einer Wertermittlungsmethode ist urn so h6her einzuschiitzen, je weiter sie im Schaubild rechts zu positionieren ware und somit im Ide­alfall dem okonomischen Wert entsprechen wiirde.

88

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Vgl. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.8f.; Freiling, J., Accounting 1978, S.I60-167; Con­rads, M., Accounting 1976, S.53-58; Streim, H., Accounting 1981, Sp.744-748

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METHOOEN DES HUMAN RESOURCE ACCOUNTING

Cost Accounting Value Accounting

Inputs Outputs

Vergangenhei t Gegenwart Zukunft

Zei twerte von Surrogatwerte okonomi scher Personal investitionen Wert

Abbildung 8: Abgrenzung von Cost- und Value-Ansatzen des Human Resource Accounting

In der hier zugrunde gelegten Terminologie umfaBt Human Resource Cost-Accounting alle jene Werterrnittlungsmethoden, die auf eine Erfassung und Verrechnung der Personalinvestitionen abstellen. Nicht die zukiinftigen Leistungsbeitrage der Mitarbeiter, sondern die in sie investierten Finanzrnittel sind Gegenstand der Betrachtung.

Dabei werden neben den auf historischen Wertansatzen beruhenden Methoden auch Umbewertungen friiherer Investitionen vorgeschlagen. Als UmbewertungsmaBstabe werden einerseits die aktuellen Wiederbeschaffungskosten und andererseits die innerbe­trieblichen Opportunitatskosten vorgeschlagen. Das Cost-Accounting stellt sornit auf die Errnittlung des Gegenwartswerts friiherer Personalinvestitionen abo Grundsatzlich wer­den dabei, ahnlich wie in der Anlagenrechnung, die fortgeschriebenen "Anschaffungs­und Herstellungskosten" verrechnet.89

Da beim Cost-Accounting lediglich die investiven Finanzleistungen in das Humanver­mogen und deren Wertentwicklung (Abschreibungen) betrachtet werden, ist die Aus­sagefiihigkeit hinsichtlich der zukiinftigen Leistungsbeitrage relativ gering einzuschatzen. Den Ergebnissen des Cost-Accounting kann allenfalls eine Bedeutung als Indikator des Humanvermogens beigemessen werden.

Bine Personalinvestition kann sowohl hOhere als auch niedrigere Zukunftserfolge zeiti­gen, als fur sie selbst aufgewendet wurde. Die vom Cost-Accounting unterstellte Situa­tion, daB der Investitionsbetrag genau dem Zukunftserfolg entspricht, ist als unrealistisch zu bezeichnen. Zudem unterliegt die Berechnung der Abschreibungen einer gewissen Willkiir.9O

89

90 Vgl. Streim, B., Accounting 1981, Sp.744f.; ZUlch, G., Ansiitze 1976, S.13f. Vgl. Wunderer, R./ Sailer, M., Aufgabe 1987, S.324; Marr, R., Soziaipotentiai1979, S.6O-66

119

Page 120: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Das Human Resource Value-Accounting solI demgegeniiber die Ermittlung des okono­mischen Werts der Mitarbeiter ermoglichen. ZielgroSe ist somit nicht der Zeitwert frU­herer Personalinvestitionen, sondern der "BalWert aller Gewinnbeitrage, die ein Beschaftigter vom Betrachtungszeitpunkt aus bis zu seinem Ausscheiden aus der Unter­nehmung erbringen wird."91

Urn das diesem Wertansatz innewohnende Ouantifizierungsproblem zu umgehen, wird in verschiedenen Methoden versucht, durch die VelWendung von Surrogatwerten eine Naherungslosung zu erreichen. Wertermittlungsmethoden, die auf Surrogatwerten beru­hen, flihren dann zu brauchbaren Lasungen, wenn sie sowohl betragsmaBig als auch hin­sichtlich der Sensitivitat dem okonomischen Wert annahernd entsprechen.92

Als Surrogatwerte finden in den Wertermittlungsmethoden InputgroSen VelWendung, die entweder zukiinftig elWartet werden oder zumindest aus GegenwartsgroBen abgelei­tet werden konnen. 1m allgemeinen werden als Surrogatwerte Lahne und Gehalter, kapi­talisierte Zusatzgewinne und Marktpreise vorgeschlagen.93

1m Gegensatz zu den Wertansatzen des Cost-Accounting (Vergangenheits-, Wiederbe­schaffungs-, Opportunitatskosten) stellen die Surrogatwerte mehr als nur einen Indikator des Humanvermogens dar. Insofern sind die Surrogatwerte hinsichtlich ihrer Aussagefa­higkeit zwischen dem Okonomischen Wert und den Wertansatzen des Cost-Accounting angesiedelt.

Als zweites Kriterium zur Differenzierung der Wertermittlungsmethoden ist das Bewer­tungsobjekt genannt worden. Als mogliche Bewertungsobjekte sind hier einzelne Mitar­beiter, Mitarbeitergruppen und die Gesamtbelegschaft zu betrachten. Da allerdings bei der Bewertung von Mitarbeitergruppen und der Gesamtbelegschaft eine gleichartige Problemlage gegeben ist und die hierfiir konzipierten Methoden zur Wertermittlung beider Bewertungsobjekte vorgeschlagen werden, kann eine Differenzierung nach Mit­arbeitergruppen und Gesamtbelegschaft unterbleiben.94

Eine Unterscheidung der Wertermittlungsmethodik flir Einzelpersonen und Personen­mehrheiten ist allerdings geboten, denn die bei Personengruppen auftretenden Interde­pendenzen und Synergieeffekte zwischen den Gruppenmitgliedern sind zweifelsohne als wichtige Determinanten des Gruppenwertes zu betrachten. Gleichwohl wird bei einigen Methoden, die primar auf die Wertermittlung von Einzelpersonen abstellen, vorge­schlagen, Gruppenwerte durch einfache Addition der Individualwerte zu ermitteln.95 Da ein solches Vorgehen die gruppenspezifischen Wertkomponenten vernachlassigt, scheint mit den betreffenden Wertermittlungsmethoden eine adaquate Bewertung von Perso­nenmehrheiten nicht moglich.96

91

92

93

94

95 96

120

Streim, H., Accounting 1981, Sp.746 Vgl. Fischer-Winkelmann, W.F./ Hohl, E.K., Konzepte 1982, S.2638; Schoenfeld, H .• M., Accounting 1975, Sp.999; Freiling, J., Accounting 1978, S.148-154; FlamhoItz, E.G., Accounting 1986, S.205-211 Vgl. Schoenfeld, H •• M., Accounting 1975, Sp.999; Ziilch, G., Ansiitze 1976, S.73£. Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, S.161; Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.52 Vgl. Lang, H., Ansiitze 1977, S.6; Neubauer, F .• F., Entwicklungen 1974, S.265-270 Vgl. Ziilch, G., Ansiitze 1976, S.73; FlamhoItz, E.G., Accounting 1986, S.211

Page 121: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Als drittes Gliederungskriterium der Wertermittlungsmethoden dient die Bewertungs­dimension. Hiermit wird auf die Unterscheidung von primar monetaren und primar nicht-monetaren Bewertungsmethoden abgestellt.

Wie bereits dargelegt wurde, ist das Human Resource Accounting entwickelt worden, urn das betriebliche Rechnungswesen hinsichtlich des Humanvermogens zu ergiinzen. Infolgedessen sind die hierzu konzipierten Methoden weitgehend monetar gepragt. Die Entwicklung nicht-monetarer Methoden rur das Human Resource Accounting entsprang der Erkenntnis, daB trotz der unbestreitbaren Vorteile97 auch erhebliche Probleme und Schwachen mit einer monetaren Abbildung des Humanvermogens verbunden sind.

"Eine nicht-monetare Darstellung diirfte zum einen dem Abbildungsobjekt adaquater sein, zum anderen besitzt eine monetare GroBe nur eine scheinbare Operationalitat, die mit erheblichem Informationsverlust erkauft werden muS.,,98 Hiermit ist der auSerst schwierige Komplex der Messung, Bewertung und Aggregation der Wertkomponenten des Humanvermogens angesprochen.

Durch die Aggregation samtlicher Wertkomponenten zu einer eindimensionalen (monetaren) WertgroBe ist die Zusammensetzung des Humanvermogens nicht mehr erkennbar und damit eine Analyse der Wertelemente und deren Entwicklung nicht moglich. Die Aggregation ruhrt zur Kompensation positiver und negativer Wertent­wicklungen. 99

AuSerdem setzt eine monetare Bewertung voraus, daB samtliche Wertdeterminanten sowohl quantifizierbar als auch monetarisierbar sind. Hierbei stellt sich insbesondere das Problem der Quantifizierung "gewisser Merkmale, die haufig Forschungsobjekte der Verhaltenswissenschaften sind wie z. B. Eignung, Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Effizienz von verschiedenen Fiihrungsstilen."lOO Die kardinale Messung solcher Wertde­terminanten des Hurnanvermogens muB als nicht realisierbar angesehen werden. Eine Beriicksichtigung dieser Wertkomponenten scheint allein mit verhaltenswissenschaft­lichen Methoden moglich. 1m Rahmen der monetaren Wertermittlungsmethoden wer­den diese schwer oder gar nicht quantifizierbaren Wertdeterminanten entweder ver­nachlassigt oder anhand vereinfachender Annahmen behelfsma6ig erfaBt.lOl

Insofem wird von den Kritikem der monetaren Bewertungsmethoden angeruhrt, daB nur bei nicht-monetarer Abbildung des Humanvermogens eine annahemd vollstandige Erfassung samtlicher Wertdeterminanten moglich ist. Hierbei konnen samtliche Arten von Skalen (nominal, ordinal, kardinal) zur Anwendung gelangen. SchlieBlich wird noch darauf hingewiesen, daB bei Anwendung nicht-monetarer Methoden die Bewertungs-

97

98 99

Vgl. Freiling, J., Accounting 1978, S.86; Conrads, M., Accounting 1976, S.48f. Marr, R., Humanvermogensrechnung 1982, S.555f. Vgl. Marr, R., Sozialpotential1979, S.67f.; Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.113f.

100 Conrads, M., Accounting 1976, S.50 '-. 101 Vgl. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.19f. u. 47f; Conrads, M., Accounting 1976, S.50f.;

Committee on Human Resource Accounting, Report 1973, S.175-177

121

Page 122: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

problematik stark reduziert werden kann, da die unterschiedlichen MaBgro6en nicht samtlich in Einheiten einer einzigen Basisdimension (Geld) transformiert werden miissen.1OO Es bleibt festzuhalten, daB bei Anwendung nicht-monetarer Methoden einige Schwachen der monetaren Methoden vermieden werden konnen. Gleichwohl vermogen sie die monetaren Methoden nicht zu ersetzen.

~ Personervnehrhei ten

Bewertungs- Einzelpersonen (Personengruppen,

dimension und -basis Gesamtbe l egschaf t)

Ver- 1) Personalkostenverfahren

gangen- auf Basis

heit Anschaffungskosten

Cost-

Accoun- 2) Personalkostenverfahren 8) Personalkostenverfahren

ting auf Basis Wieder- auf Basis

beschaftungskosten Fluktuati onskosten

Inputs 3) Personalkostenverfahren

Gegen- auf Basis

monetiire wart Opportuni tatskosten

Modelle

9) Verfahren der

ranggewi chteten

Personalkosten

4) Verfahren der 10) Verfahren der

zukunftigen Einkunfte efti zi enzgewi chteten

der Mitarbeiter Persona l kosten Value-

Accoun-5) Verfahren der 11) Fi rmenwert - Methode

ting zukunftigen

12) Verfahren der zukunf-Zukunft Lei stungsbei trage

tigen Leistungsbeitrage

Outputs homogener Gruppen

6) Verfahren der 13) Methode der nicht-

individuellen Verhal tensvari ablen monetiire

Wertdeterminanten Modelle

7) Vektorervnethode 14) Sozialpotentialbericht

Abbildung 9: Systematik der Wertermittlungsmethoden des Human Resource Accounting

102 Vgl. Marr, R., Humanvermogensrechnung 1982, S.556; Kropp, W., Rechnungswesen 1979, S.25f.

122

Page 123: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Zusammenfassend wird in Abbildung 9 versucht, anhand der erorterten Gliederungs­kriterien eine Systematisierung der gelaufigsten Wertermittlungsmethoden des Human Resource Accounting zu erreichen. Die Darstellung beschrankt sich auf die wichtigsten Grundmodellel03 und verzichtet wegen der anzustrebenden Transparenz auf eine Einbe­ziehung der auf diesen Grundmodellen aufbauenden Verbesserungsvorschlage und Modifikationen. Aus Grunden der Eindeutigkeit erfolgt die Zuordnung in Zweifelsfallen nach der iiberwiegenden ZugehOrigkeit zu einer Gliederungskategorie.104

103 Von einer Erlauterung und Analyse der angefiihrten WertermittIungsmethoden mull im Rahmen dieses Beitrags abgesehen werden. Es wird hierzu auf die einschlagige Literatur verwiesen. VgI. Kontner, P., Humanvermogensrechnung 1980, S.52ff.; Eichhorn, P., Unternehmensrechnung 1974, S.27ff.; Freiling, J., Accounting 1978, S.175ff.; Flamholtz, E.G., Accounting 1986, S.59ff.; Schoenfeld, H.-M., Rechnungs­legung 1974, S.9ff.; Fischer-Winkelmann, W.F./ Hohl, E.K., Konzepte 1982, S.2639ff.

104 Die einzelnen WertermittIungsmethoden gehen auf die nachfolgend angefiihrten Literaturquellen zu­rtick. VgI.

zu 1):

zu2): zu 3): zu4): zu5): zu6): zu 7):

zu8): zu 9): zu 10): zu 11): zu 12): zu 13): zu 14):

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Page 129: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Zeitarbeit (Arbeitnehmeriiberlassung) aus reehtlieher, betriebswirtsehaftlieher und volkswirtsehaftlieher Sieht

WOLFGANG MATZ

KLAus BINDAN GMBH & CO.

STUHR/BREMEN

Page 130: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Inhaltsverzeichnis

1. Zeitarbeit - Definition und historischer AbriB

2. Zeitarbeit in Deutschland

2.1. Gesetzliche Regelungen

2.2. Der "Markt" fiir Zeitarbeit

2.3. Das Zeitarbeitsunternehmen

2.4. Argumente fiir die Zeitarbeit

2.4.1. Die Sicht des Zeitarbeitnehmers 2.4.2. Die Sicht des Entleihers 2.4.3. Die volkswirtschaftlicherSicht

3. Ausblick auf die kiinftige Entwicklung der Zeitarbeit

130

Page 131: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Zeitarbeit· Definition und historischer AbriB

Unter "Zeitarbeit" (auch Personal-Leasing) ist die gewerbsnUi.6ige, zeitlich befristete, also voriibergehende Uberlassung von festbeschaftigten Arbeitskraften (Zeit- oder Leih­arbeitnehmer) an Dritte (Entleiher) zu Zwecken der Arbeitsleistung zu verstehen. Diese dem Gesetz entnommene Definitionl ist jedoch nur wenigen Eingeweihten und Interes­sierten bekannt. In der Regel ist in der breiten Offentlichkeit fiber die Zeitarbeit nur eine sehr diffuse Vorstellung vorhanden, die sich zudem noch mit Vorurteilen mischt und dazu fiihrt, daB das Image der Zeitarbeit, der in ihr tatigen Untemehmen und der wiederum von diesen Beschiiftigten eher negativ gesehen wird. Die Griinde dafiir sind vielschichtig.

Die Zeitarbeit ist iilter, als meistens angenommen wird. Ihre Urspriinge liegen im 18. Jahrhundert in Frankreich. Die sog. ''bourses du travail", von den franzosischen Friihsozialisten entwickelte Einrichtungen, befaBten sich mit gewerkschaftlich organi­sierter Vermittlung von Arbeitsplatzen (nicht im Sinne von Festanstellungen, sondem von "Jobs"). Etwas Ahnliches praktizieren noch heute die auch in den deutschen Seehii­fen tatigen "Hafenbetriebsgesellschaften". Sie sind jedoch funktionell wie Zeitarbeits­untemehmen organisiert. Es werden Hafenarbeiter beschiiftigt, die fiir LOsch- und Lade­arbeiten bei diversen privaten Unternehmen der Hafenwirtschaft als temporiire Verstar­kung des stiindig vorgehaltenen Arbeitskraftepotentials zum Einsatz kommen.

Die Idee der "Zeitarbeit" im modemen Sinne wurde vor rd. 50 Jahren mit sog. 'Temporary Help Firms" in den USA entwickelt. Sie fand ein Jahrzehnt spater - Anfang der sechziger Jahre - in Westeuropa und auch schon in der Bundesrepublik Nachahmer.

2. Zeitarbeit in Deutschland

2.1. Gesetzliche Regelungen

Die Einfiihrung der "Zeitarbeit" war in der Bundesrepublik mit Schwierigkeiten verbun­den; das Bundesverfassungsgericht muBte zunachst abklaren, inwieweit gewerbsmiiBige Arbeitnehmeriiberlassung mit dem Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt fiir Arbeit in Nfimberg vereinbar war. Der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 196 fiihrte aus:

"Die Arbeitsvermittlung ist letztlich darauf gerichtet, daB zwischen einem eine Arbeit suchenden Arbeitnehmer und einem einen Arbeitsplatz anbietenden Arbeit­geber ein Arbeitsverhiiltnis zustande kommt ... Beim Arbeitnehmer-Uberlassungs­vertrag dagegen sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Uberlassenden und dem fiberlassenen Arbeitnehmer von anderer Art: sie sind nicht auf einen einzelnen Fall beschriinkt, sondem sind von Dauer und bleiben insbesondere wahrend der Zeit, in der der Arbeitnehmer in dem fremden Betrieb tatig wird, weiter bestehen ... "

1 vgl. Gesetz zur Regelung der gewerbsmiiBigen Arbeitnehmeriiberlassung - AUG v. 07.08.1972, Art.!

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Mit dieser Entscheidung war flir die Zeitarbeit in der Bundesrepublik eine wichtige Weichenstellung erfolgt.

1970 wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes durch das Bundessozialgericht prazisiert. D;lS Bundessdzialgericht stellte folgende Merkmale flir eine erlaubte Arbeit­nehmeriiberlassung auf:

der Verleiher muB das Arbeitgeberrisiko tragen,

zwischen dem Verleiher und dem Zeitarbeitnehmer muG ein Dauerschuldver­haltnis begriindet sein,

das Dauerschuldverhaltnis muB wahrend der Beschaftigung im Entleihbetrieb fortbestehen,

das Dauerschuldverhaltnis muB die Beschaftigung im Entleihbetrieb uberdauem,

der Verleiher muB verpflichtet sein, den Lohn auch dann zu zahlen, wenn die Arbeitskraft zeitweise nicht ausgeglichen werden kann.

Diese Kriterien fanden schlieBlich Eingang in das vom Gesetzgeber 1972 erlassene "Gesetz zur Regelung der gewerbsmaBigen Arbeitnehmeriiberlassung" (AUG). Es hat das vorangige Ziel, den Arbeitnehmer vor unseriosen Praktiken von Zeitarbeitsunter­nehmen zu schutzen. Es soIl aber auch Bedenken von Arbeitnehmer-Organisationen zer­streuen, durch dauerhaften Einsatz von Zeitarbeitnehmem in den Betrieben wiirden Neueinstellungen zusatzlicher Arbeitskrafte umgangen. So verbietet das AUG die Zeit­arbeit generell im Bauhauptgewerbe, und es laBt die Dberlassung von Leiharbeit­nehmem an ein und denselben Entleiher in allen anderen Branchen nur bis zu maximal 6 Monaten zu. Zeitarbeitsuntemehmen durfen Arbeitskrafte zur Arbeitnehmeriiberlas­sung in der Regel nur unbefristet, also auf Dauer gerichtet, einstellen; es sei denn, der Grund flir eine Befristung lage in der Person des betreffenden Arbeitnehmers (wie z. B. bei Studenten in dem Ende seiner Semesterferien). SchlieBlich bedarf es bei Zeitarbeit­nehmem wahrend der Laufzeit eines Arbeitsvertrages rnindestens zweier Einsatze bei rnindestens zwei verschiedenen Entleihem, wobei der zweite Einsatz rnindestens 25 % der Zeit des ersten Einsatzes betragen muB.

Die Tatigkeit der Zeitarbeitsuntemehmen unterliegt strengen Kontrollen durch die Landesarbeitsamter, die flir Zeitarbeitsunternehmen zustandige Verwaltungs-Berufsge­nossenschaft, die Finanzamter, die AOK oder andere Krankenkassen und die Gewerbe­Aufsicht. Die Landesarbeitsamter erteilen den Zeitarbeitsunternehmen nach § 3 des AUG eine zunachst auf ein Jahr befristete Erlaubnis zur gewerbsmaBigen Arbeitneh­meriiberlassung. Nach drei Jahren unbeanstandeter und jahrlich wiederholter Erlaubnis erhalt das Zeitarbeitsunternehmen eine unbefristete Erlaubnis seitens des Landesar­beitsamtes, ohne daB damit die fortlaufende Kontrolle hinfallig wiirde. Aber diese unbe­fristete Erlaubnis stellt ein Qualitatssiegel flir das betreffende Untemehmen dar. AuGer­dem haben sich seriose und namhafte Zeitarbeitsunternehmen auch in berufsstandischen Vereinigungen zusammen~eschlossen, urn aus eigenen Reihen die Einhaltung von Wett­bewerbsregeln und gesetzltcher Normen zu uberwachen.

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1m Rahmen dieses Beitrages wird lediglich eine beispielbafte Aufzahlung der Vorschrif­ten und MaBnahmen zur Einschdinkung des MiBbrauchs der Arbeitnehmeriiberlassung vorgenommen. Es bleibt indes festzuhalten, daB das Image der Zeitarbeit in der Offent­lichkeit iiberwiegend negativ geblieben ist. Zum einen hangt das sicherlich damit zusammen, daB genau das, was der Gesetzgeber und die seriosen Zeitarbeitsunter­nehmen zur Imageverbesserung getan haben oder immer noch tun, in der Offentlichkeit nicht hinreichend bekannt ist oder durch polemische und Vorurteile stimulierende Kommentare von gewerkschaftlicher oder parteipolitischer Seite oder von den Medien unter Hinweis auf unbedeutende Branchen-Outsider und Ausnahmefa1le konterkariert wird. Hierzu stellt allerdings die Bundesregierung in ihrem 6. Erfahrungsbericht zum AUG yom 07.07.1988 fest: "Die legale Arbeitnehmeriiberlassung bewegt sich in geord­neten Bahnen ... Das vorhandene gesetzliche Instrumentarium reicht aus, um vereinzelt auftretende MiBstande wirksam zu bekampfen. Weitere Einschrankungen der Arbeit­nehmeriiberlassung sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht angezeigt." Dabei sollte betont werden, daB der Hauptvorwurf der Gewerkschaften, Zeitarbeit wirke dem Abbau der Arbeitslosigkeit entgegen und unterlaufe die Mitbestimml,lng in den Entleih­untemehmen, nicht zutrifft. Vielmehr tragt die Zeitarbeit den Anforderungen des modemen Arbeitsmarktes, der yom Mangel an Fachkraften gepragt ist und ein hohes MaB an Flexibilitat und Mobilitat der Arbeitnehmer fordert, sogar in besonderer Weise Rechnung. Auf diesen Punkt wird spater eingegangen. Der Begriff "Zeitarbeit" wird aber auch miBverstandlich gebraucht. So spricht selbst die Bundesanstalt fur Arbeit in Niim­berg in einer Werbekampagne, bei der es um befristete Teilzeitarbeitskrafte geht, davon, daB sich vOriibergehend mitarbeitende Ehefrauen durch "Zeitarbeit" ihr Urlaubsgeld verdienen konnen. .

2.2. Der "Markt" fiir Zeitarbeit

Zeitarbeitsuntemehmen erbringen Dienstleistungen. Das Problem des Vertriebes von Dienstleistungen liegt vor aHem darin, daB diese Leistung im allgemeinen Gegensatz zur Produktionswirtschaft erst verkauft und dann produziert wird. Das Produkt ist nicht lagerfahig, und der Kaufer kann die Qualitat erst beurteilen, wenn er die Dienstleistung in An-spruch genommen hat.

Arbeitnehmeriiberlassung findet - auBer im Bauhauptgewerbe - in allen Bereichen von Industrie, Handwerk, Verwaltung und in der Sozialwirtschaft statt. Zeitarbeitsunter­nehmen sind ohne berufsmaBige Beschrankung als "Allround-Untemehmen" tatig. Es gibt sie aber ebenso auch als Spezialuntemehmen, unterschieden nach den Berufs­gruppen, aus denen die Zeitarbeitnehmer kommen. SchlieBlich sind die Untemehmen nach lokaler, regionaler oder iiberregionaler bis intemationaler Verbreitung zu unter­scheiden.

Der Zeitarbeitsmarkt in der Bundesrepublik hat sich in den zuriickliegenden Jahren standig ausgeweitet. Der Gesamtumsatz der Branche wird auf gegenwartig ca. 6 Mrd. DM geschatzt. Eine Erlaubnis zur Arbeitnehmeriiberlassung besitzen Z. Zt. etwa 5.500 Firmen (bezogen auf die alten Bundeslander). Hierbei handelt es sich aber groB­tenteils um Firmen, die innerhalb ihrer jeweiligen Branche fallweise Arbeitskrafte untereinander austauschen, um '.Auftragsspitzen abzubauen bzw. Auftragsliicken zu iiberbriicken. "Echte" Zeitarbeitsuntemehmen gibt es ca. 1.000 (ebenfalls bezogen auf

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die alten BundesHinder). Die Zahl der Bescbaftigten per 30.06.1990 auf die wichtigsten Berufsgruppen verteilt zeigt die Abbildung 1.

Berufe in der Zeitarbeit (Stand: 30. Juni 1990)

Schlosser, Mechaniker und zugeordnete Berufe

Hilfsarbeiter (ungelernte und angelernt Arbeitskrafte)

Organisations-, Verwaltungs-, Btiroberufe

Elektriker

Montierer und Metallberufe (einschlieBlich Metallerzeuger und -bearbeiter)

Dienstleistungsberufe

Technische Berufe

sonstige

Zeitarbeitnehmer

QueUe: Statistisches Bundesamt

Abbildung 1: Berufe in der Zeitarbeit

gesamt

28,5 %

17,3 %

11,9 %

11,0%

10,0%

7,7%

4,6%

9,0%

100,0 %

Vor dem Hintergrund des weitverbreiteten Fachkraftemangels, der naturgemaB die Marktchancen der Zeitarbeitsunternehmen gegentiber der Arbeitskrafte nachfragenden Wirtschaft erhOht, stellt sich fUr die Zeitarbeitsunternehmen zunehmend die Frage, wie sie ihrerseits an freie Arbeitskrafte herankommen. Hieraus ergeben sich auch wichtige Gesichtspunkte fUr die Standortwahl. Wahrend friiher im wesentlichen die Nahe zum Kunden aus Kostengriinden ftir den Standort maBgeblich war, orientieren sich die Zeit­arbeitsunternehmen heute starker an vermuteten oder tatsachlichen Arbeitskraft­reserven.

2.3. Das Zeitarbeitsunternehmen

In Zeitarbeitsunternehmen wird nach internen Mitarbeitern und externen Arbeitskraften (Zeitarbeitnehmer) unterschieden. Bei den internen Mitarbeitern handelt es sich vor­zugsweise urn sog. "Disponenten" oder auch "Personalreferenten", deren Aufgabe es einerseits ist, externe Arbeitskrafte zu werben, ihre fachliche Qualifikation und Eignung zu priifen, Personaleinstellungen vorzunehmen und tiber die Akquisition von Kunden Nachfrage nach Zeitarbeitnehmern zu wecken. Der Disponent oder Peronsalreferent hat

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die von ibm gefUhrten Zeitarbeitnehmer bei seinen Kunden zum Einsatz zu bringen, indem er die fachliche Qualifikation und Eignung der vom Kunden angeforderten Arbeitskraft und das Konnen seiner verfiigbaren und fUr diesen Kundenauftrag infrage kommenden Zeitarbeitnehmer zur Deckung zu bringen versucht. Ort, Zeit und die mog­Hehe Dauer des Arbeitseinsatzes sowie der Preis fUr die Arbeitskraft sind mit dem Kun­den zu vereinbaren. Die Tatigkeit eines Disponenten oder Personalreferenten setzt in der Regel branchenspezifische Kenntnisse voraus, und zwar jener Branche, aus der die Zeitarbeitnebmer ihrer eigenen Ausbildung nach kommen und in der der Personal anfordernde Kundenbetrieb tatig ist. Nur so kann er die fachliche Eignung der Zeitar­beitnehmer beurteilen und auch fachgereehte Kundengesprache fUhren, bei denen es urn die genaue Definition der Anforderung an das zu iiberlassende Personal geht. Der Disponent muG dabei gesetzliche Vorschriften ebenso beachten wie eine Vorkalkulation vornehmen, die ihm zeigt, ob die mit der in Aussicht genommenen Arbeitnehmeriiber­lassung entstehenden variablen Einsatzkosten und die vorgegebenen Gemeinkostenzu­schlage gedeckt sind. Variable Einsatzkosten setzen sich zusammen aus:

Bruttolohnen einschlieBlich Oberstundenzuschlage

entfernungsabhiingigen "Auslosungen"

sonstigen Zulagen (Schmutzgelder, Erschwerniszulagen, etc.).

Gemeinkostenzuschlage ergeben sich aus:

Lohnneben- und -folgekosten

Kosten fUr Arbeitskleidung, Schutzausriistung und Werkzeug

allgemeinen Verwaltungskosten einschlieBlich Gehaltskosten des internen Personals.

Von besonderer Bedeutung fUr das wirtschaftliche Ergebnis in Zeitarbeitsunternehmen ist der vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Umstand, daB Zeitarbeitnehmer auch dann zu entlohnen sind, wenn keine Kundenauftrage zur Oberlassung vorliegen. Die Vermeidung solcher unproduktiven Wartezeiten ist deshalb ein wichtiges Ziel fUr die Arbeit des Disponenten, und es macht deutHch, welche Rolle die Kundenakquisition und ein guter Kundenkontakt spielen.

Der Disponent oder Personalreferent beeinfluBt also weitgehend das wirtschaftliche Ergebnis eines Zeitarbeitsunternehmens und ist dafUr im Rahmen einzelner Kosten­stellen verantwortlich. Dieser Tatsache tragt auch Rechnung, daB der genannte Perso­nenkreis brancheniiblich neben der Zahlung von festen Grundgehiiltern prozentual am wirtschaftlichen Ergebnis des jeweiligen Verantwortungsbereiches beteiligt wird.

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2.4. Argumente f"Ur die Zeitarbeit

2.4.1. Die Sieht des Zeitarbeitnehmers

Fiir die Zeitarbeit gibt es eine Reihe von Argumenten, und zwar unterschieden nach der Position der Beteiligten.

Der Zeitarbeitnehmer wird von Zeitarbeitsuntemehmen unbefristet und fest angestellt. Er genieSt wie jeder andere Arbeitnehmer die volle fmanzielle und soziale Sicherheit (Kiindigungsschutz, bezahlter Urlaub und bezahlte Wartezeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kranken-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung, berufsgenossenschaft­lichen Unfallschutz etc.). Durch die stets wechselnden Einsatze bei stets wechselnden Kunden entfant fUr ibn die Monotonie der Arbeit. Er lemt unterschiedliche Arbeitsab­laufe und -methoden kennen und erhOht dadurch seine Kenntnisse, seine Verwendbar­keitschancen und damit seinen Marktwert. Will er aus der Arbeitnehmeriiberlassung in ein stationares Arbeitsverhaltnis wechseln, kann er iiber seine wechselnden Einsatze das Untemehmen und das Team von KoHegen, was ihm am besten zusagt, vorher kennen­lemen. Dieses ist vor aHem eine Perspektive fUr Berufseinsteiger.

2.4.2. Die Sieht des Entleihers

Das entleihende Untemehmen macht sich mit dem Einsatz von Zeitarbeitnehmem unabbangig von Engpassen am Arbeitsmarkt. Es kann sich kurzfristig und vOriiberge­hend auf sich andemde Bescbaftigungssituationen (Auftragsspitzen, Termindruck, unvorhersehbare und vorhersehbare Auftragsschwankungen, Urlaubs- und Krankheits­vertretungen) einsteHen und vermeidet Abhangigkeiten aus den gesetzlichen Kiindi­gungsschutzbestimmungen bei Kapazitatsreduzierungen. Die Bescbaftigung von nur vor­iibergehend benotigten, in der Regel teuren Spezialisten kann ebenfalls iiber die Inan­spruchnahme von Zeitarbeitsuntemehmen kostengiinstig und risikoloser gelost werden.

Wie die Modellrechnung in Abbildung 2 zeigt, ist die Bescbaftigung von Zeitarbeit­nehmem - zumindest im Vergleich zur befristeten Einstellung eigener Arbeitskrafte - fUr den Entleiher kostengiinstiger.

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A) Monatlich auflaufende Kosten eines elgeneu festaugesteUteu Mitarbeiters

Monat

2

3

4

Personalgewinnungs-, Lobnkosten -eiDsteUungs-, (brutto) bei -verwaltungS- uDd 160 Std./Monat -Ouktuationskoksten (DM 18,-1 Std.) (ca. 1 - 4 Brutto­Monatslohne")

5.000.-(= 1,74-facher Bruttolohn)

+ 2.880,-

+ 2.880,-

+ 2.880,-

+ 2.880,-

LohnnebeD­und -folge­kosteD 83 %iD 1987"

+ 2.390,-

+ 2.390,-

+ 2.390,-

+ 2.390,-

" QueUe: Statistisches Bundesamt; Stand 1991, alte Bundeslinder

Gesamte Personal­kosteD I Monat

= 10270,-

= 15540,-

= 20.810,-

= 26.080,-

B) Monatlich auOaufende Kosten eines g1eichqualilizierteu Zeitarbeituehmers (angenommener Leistungssalz DM 40,-1 Std.)

6.400,-

12.800,-

19.200,-

25.600,-

Abbildung 2: Kostenvergleich: Festanstellung von eigenem Personal / Beschiiftigung von Zeitarbeitnehmern

Hinzu kommt, daB hinter jeder bezahlten Arbeitsstunde eines Zeitarbeitnehmers auch eine Stunde produktiver Arbeit steht, wahrend eine bezahlte Arbeitsstunde eines eige­nen Mitarbeiters wegen moglicher Ausfalle infolge Urlaub und Krankheit in der Regel noch nicht einma150 produktive Arbeitsminuten ausmacht.

2.4.3. Die volkswirtsehaftliehe Sieht

Durch intensive akquisitorische MaBnahmen in allen Bereichen der Wirtschaft und Verwaltung unterstiit~en Zeitarbeitsunternehmen die Bemiihungen zur Forderung der Beschiiftigung. Es werden zusatzliche Arbeitsplatze allein schon dadurch geschaffen, daB die Zeitarbeitsunternehmen iiber genaue Kenntnisse des Arbeitsmarktes verfiigen und das oftmals raumlich getrennt von der Nachfrage nach Arbeitskraften auftretende Ange­bot von Arbeitsuchenden miteinander zur Deckung bringen. Zeitarbeit reduziert beim Entleiher die Notwendigkeit von Uberstunden und Zusatzschichten zur Einhaltung von Lieferterminen und vermeidet Konventionalstrafen, die bei Dberschreitung von Liefer­terminen vereinbart sein konnen.

Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern beim Entleiher hilft, befristete und sozialrechtlich ungesicherte Aushilfstatigkeiten zu verringern und verdrangt organisierte Schwarzarbeit und andere Formen illegaler Beschiiftigung.

Zeitarbeit fordert die Qualifikation der in ihr beschiiftigten Arbeitnehmer. Die iiberbe­triebliche Beschiiftigung stattet Zeitarbeitnehmern mit zusatzlichen Kenntnissen und Erfahrungen aus, die sie vielseitiger verwendbar machen. Zeitarbeitsunternehmen haben z. B. freigesetzte Arbeitnehmer aus den neuen Bundeslandern eingestellt und sie mit

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dem Ziel des Vertrautmachens mit westlicher Technologie, westlichen Materialien, GroBwerkzeugen und Fertigungsmethoden bei Kunden in den alten BundesUindem ein­gesetzt. Inzwischen findet mit der fortschreitenden Konjunktur in den neuen BundesUin­dem eine Riickwanderung dieser Arbeitskrafte statt, die nun auch flir qualifizierte Ein­satze zumindest in der Nahe ihrer Wohnsitze geeignet sind. Hier ist also ein nachweis­barer Beitrag der Wiederherstellung der deutschen Einheit geleistet worden, ohne daB die offentliche Hand Mittel der Aligemeinheit darur aufwenden muBte.

3. Ausblick auf die kiinftige Entwicklung der Zeitarbeit

Der Personalkostenfaktor wird flir die Untemehmen nicht zuletzt durch die standig wachsenden Lohnneben- und -folgekosten, die ihren Ursprung im sozialen Bereich haben, immer bedeutsamer. Denken wir nur an die weiter wachsenden Kosten der Krankenversicherung oder an die kommende Pflegeversicherung. Die Beschaftigung eigenen Personals bietet zwar den Untemehmen die Moglichkeit, auf Qualitat, Service­bereitschaft und Motivation der Mitarbeiter direkt EinfluB zu nehmen, sie begriindet aber gleichzeitig ein hohes MaB an Inflexibilitat. Wie bereits erwahnt: Eine kurzfristige Anpassung an sich andemde Beschaftigungslagen ist flir die Betriebe entweder durch die Knappheit von Fachkraften am Arbeitsmarkt oder durch gesetzliche Kiindigungsschutz­bestimmungen erschwert. Kontinuierlich wachsende Personalkosten, die iiberdies ihrem Charakter nach sprungfix im Hinblick auf sich andemde Beschaftigungslagen sind, erhO­hen den Zwang der Untemehmen zur Rationalisierung. Die Nachfrage nach auBerbe­trieblichen Dienstleistungen, die ausschlieBlich variable Kosten verursachen, nimmt folglich weiter zu.

Die Zeitarbeitsuntemehmen miissen danach trachten, den wachsenden Bedarf an vor allem qualifizierten Zeitarbeitnehmem dadurch zu befriedigen, daB es gelingt, immer neue potentiell Arbeitsuchende flir die Idee und die Voraussetzungen der Zeitarbeit zu gewinnen.

Potentiell Arbeitsuchende sind z. B. weibliche Krafte, die nach der Erziehung der Kinder ihrem Leben wieder einen beruflichen Inhalt geben wollen. An- und ungelemte Arbeits­krafte miissen durch AusbildungsmaBnahmen, die von der Zeitarbeitsbranche getragen oder betrieblich oder iiberbetrieblich organisiert werden konnen, vielseitiger und qualifi­zierter einsetzbar gemacht werden. In von Strukturveranderungen bedrohten Branchen freizusetzende Arbeitnehmer lassen sich durch Umschulung und mit Hilfe von Zeitar­beitsuntemehmen leichter in andere Wirtschaftsbereiche umsetzen. Die Zeitarbeit gibt beruflichen Neu- oder Seiteneinsteigem die Moglichkeit, aus der sozialen Sicherheit eines festen Anstellungsverhaltnisses in der Zeitarbeit nahezu risikolos ein neues beruf­liches Umfeld kennenzulemen und sich dort zu orientieren. SchlieBlich muB iiber LOsungen nachgedacht werden, wie sich raumliche Entfemungen zwischen dem Angebot von Arbeitsuchenden und der Nachfrage nach Arbeitskraften schnell und kostengftnstig iiberbrucken lassen.

In dem MaBe, wie die Zeitarbeitsbranche marktgerechte LOsungen rur die Probleme eines in seinen Strukturen,stark verkrusteten Arbeitsmarktes anzubieten in der Lage sein wird und der Gesetzgeber'sich MaBnahmen enthalt, die die legale Tatigkeit der Zeitar-

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beitsuntemehmen beeintrachtigen konnten, kann die Zukunft der Branche nur positiv eingeschatzt werden.

Mit der Vollendung des Europaischen Binnenmarktes wird iiberdies die Rolle der Bun­desanstalt fUr Arbeit und das ihr zugeordnete Monopol der Arbeitsvermittlung zu iiber­priifen sein. Eine derart abgesicherte Institution gibt es in den anderen Staaten der Gemeinschaft nicht. Sollte eine privatwirtschaftlich organisierte Arbeitsvermittlung auch in Deutschland eine Chance erhalten, so sind die Zeitarbeitsuntemehmen sicherlich in der Lage, mit dem Arbeitsamt in Konkurrenz zu treten und einen neuen Zweig ihrer Betatigung zu eroffnen. Sie kamen dann den eingangs zitierten "bourses du travail" nahe. Ein historischer Kreis ware geschlossen.

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Lernkurve, Erfabrungskurve und Investitionsplanung

KLAus E. MEYER

PHD PROGRAMME

LoNDON BusINESS SCHOOL

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Inhaltsverzeichnis

1. Einfiihrung

2. Darstellung der Lernkurve

3. Die Lernkurve in der dynamischen Investitionsrechnung

3.1. Kapitalwert der Lernkurve

3.2. Lernkurve versus VerschleiB

4. Die Erfahrungskurve in der dynamischen Investitionsrechnung

4.1. Kapitalwert bei konstantem Output

4.2. Kapitalwert bei Produktionsausweitung

4.3. Kapitalwert bei konstantem Input

5. Weitere Auswirkungen der Erfahrungskurve auf die Investitionsplanung

5.1. Strategische Aspekte

5.2. Humankapitalbindung von Erfahrungen

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

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1. Einflihrung1

In der Uteratur wird unter dem Begriff der Lernkurve ein Phiinomen diskutiert, welches in Produktionsprozessen verschiedener Art zu beobachten ist. Demnach sinken die vari­ablen Stiickkosten des Produktionsbereichs, insbesondere die Personalkosten, mit dem kumulierten Output, und zwar urn einen konstanten Prozentsatz, z. B. 20 %, fiir jede Verdoppelung des kumulierten Outputs. Die Kostenreduktionen resultieren aus wach­senden Erfahrungen in Verbindung mit Spezialisierung der Mitarbeiter.

Dieses Konzept wurde verallgemeinert zum Konzept der Erfahrungskurve durch Unter­suchungen der Boston Consulting Group. Sie beobachtete eine potentielle Abnabme aller auf den WertschOpfungsanteil bezogenen Stiickkosten von Produkten einschlieBlich Kapital-, Entwicklungs, Verwaltungs- und Vertriebskosten nach einer gleichen Gesetz­maBigkeit.3 Diese Entwicklungen lassen sich besonders bei solchen Giitem empirisch nachweisen, die langfristig relativ unvedindert hergestellt werden und in einem Markt unter Konkurrenzbedingungen verkauft werden. Ein besonders charakteristisches Beispiel sind Speicherchips in der Mikroelektronik;4 die Erfahrungskurve wurde aber auch filr eine Reihe anderer Produkte nachgewiesen.s

Die Erfahrungskurve ist ein empirisch beobachtetes Phiinomen, welches durch das Zusammenwirken mehrerer Effekte erklart wird. Bestimmende EinfluBfaktoren sind neben Lemkurven-Effekten Gr6Bendegression (Economies of scale), technischer Fort­schritt (Produkt- und Verfahrensinnovationen) sowie RationalisierungsmaBnahmen.6 Es gibt keine Zwangslaufigkeit, die zur Kostendegression entlang der Erfahrungskurve filhrt. Vielmehr bildet sie potentielle Kostensenkungen ab, deren Realisierung von den Umstiinden des Einzelfalles, insbesondere dem operativen Management, abhiingt.1

1m folgenden sollen M6glichkeiten der Einbeziehung der Erfahrungskurve in die (tradi­tioneIle) dynamische Investitionsrechnung diskutiert und einige weitere Aspekte der Erfahrungskurve aufgezeigt werden, die in der Investitionsplanung zu beriicksichtigen sind.

2

3

4

5 6

7

Der Verfasser dankt Boris Langer und York Heidtmann fUr kritische Anmerkungen zu einer friiheren Fassung dieser Arbeit sowie Kerstin Stahn fUr die Erstellung der Grafiken. Vgl. z. B. Arrow, K J., Implications, 1962, Hirshmann, W. B., Profits, 1964, Coenenberg, A G., Lem­vorgiinge, 1970. Die "Entdeckung" der Lemkurve wird Wright zugeschrieben, der sie in der Flugzeug­fertigung beobachtete, vgl. Wright, T. P., Factors, 1936. Vgl. Henderson, B. D., Perspectives, 1968; deutsch: Erfahrungskurve, 1974. Die Erfahrungskurve bezieht sich (implizit) stets auf ZahlungsgroBen; nicht zur Erfahrungskurve gehOrt ein degressiver Kostenverlauf der durch eine degressive Abschreibung hervorgerufen wurde, wenngleich dieser Effekt empirisch schwer zu trennen ist, vgl. Heuermann, A, Erfahrungskurve, 1989, S. 94ff. So nennt schon Henderson, B. D., Erfahrungskurve, 1974, S. 114ff., Speicherchips (DRAMs) als typi­sches Beispie~ wobei die Stiickkosten je Speicherplatz zugrunde gelegt werden, urn die Entwicklung bei extrem kurzen Produktzyklen und hoher Forschungsintensitlit iiber mehrere Produktgenerationen auf­zeigen zu konnen. Fiir neuere Diskussionen der Erfahrungskurve in der Halbleiterindustrie siehe z. B. OECD, Semiconductor, 1985 und Maringer, A, Preisverfall, 1990. Einen Uberblick gibt Heuermann, A, Erfahrungskurve, 1989, S. 24ff. Siehe Whooley, K M. Experience, i972 oder Grimm, U., Analyse, 1983, S. 114f. Vgl. auch Kloock, J., Sabe~ H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S. 9. Vgl. Henderson, B. D., Erfahrungskurve, 1974, S. 11.

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2. Darstellung der Lernkurve

Das empirische Gesetz der Lernkurve besagt, daB einige fertigungsspezifische Kosten­arten des Produktionsbereichs (im folgenden als ''variable Kosten" bezeichnet) im Pro­duktionsprozeB mit jeder Verdoppelung des Outputs urn einen konstanten Prozentsatz, die Fortschrittsrate, abnehmen. Dies gilt insbesondere fUr alle objektbezogenen Arbei­ten und die variablen Material- und Fertigungskosten.

Der Lernkurven-Effekt wird begriindet mit der "Ubung", die die Arbeitskrafte gewinnen, indem sie die gleiche Verrichtung mehrfach ausfUhren. Die Kostenreduktion kann in Erscheinung treten durch 1ctirzere Bearbeitungszeiten, Verringerung der Zahl der einge­setzten Arbeitskrafte, Reduktion von Abfallen beim Einsatz von Werkstoffen, Material und Betriebsstoffen oder durch Verminderung des Ausschusses, d. h. Verbesserung der Ausbeute (Yields).8 Dieses bedeutet eine kontinuierliche Verbesserung der ProduktiviUit durch Verringerung der Input-Mengen und/oder durch ErhOhung des Outputs. In gleicher Weise wirken Senkungen von Bezugspreisen, die ihrerseits Erfahrungskurven-Effekten unterliegen konnten.9

Algebraisch lassen sich die variablen Stiickkosten ~ fUr die x-te Einheit des kumulierten Outputs durch folgende Gleichung darstellen:10

(1) ~ k X-b 1

mit

-b 19 (1-z)

Ig2

Dabei bezeichne

8

9

10

b die Kostenelastizitat, d. h. die relativer Kostensenkung abhangig vom Wachstum des kummulierten Output

z die Fortschrittsrate, d. h. die Kostensenkungje Verdoppelung des Output

kl diejenigen Stiickkosten des ersten Stiicks, die dem Lernkurven-Effekt unterliegen X den kumulierten Output.

Vgl. Andress, F. J., Learning, 1954, S. %; Baur, W., Wege, 1%7, S.36 und Kloock, J., Sabel, H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S. 23. Vgl. Kloock, J., Sabel, H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S. 24ff. Zur Herleitung der Formel siehe Whooley, K. M., Experience, 1972, S. 2; Lange, B., Erfahrungskurve, 1984, S. 237; Grimm, U., Analyse, 1983, S. 139 oder Lucke, W., Experience, 1990, S. 234f. Lucke stellt die degressiv abnehmende Arbeitsleistung je Stuck dar, die mit (konstantem) Lohnsatz multip1iziert wird, urn die Kostenentwickiung darzustellen.

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Da ~ den zusatzlich erforderlichen (Grenz-)Arbeitseinsatz fUr eine zusatzliche (x-te) Outputeinheit darstellt, handelt es sich hier also urn eine marginalanalytische Betrach­tungY Analog ergeben sich fUr ein konstantes Los der GroBe xL die gesamten Kosten ~ fUr das x-te Los als

(2) ~

wobei aus Vereinfachungsgriinden ein diskreter Fortschritt auf der Lernkurve unterstellt wird, also keine Veranderungen der Sttickkosten wahrend der Fertigung eines Loses.

k

r= 3

x I I

1 2 I

4

Abbildung 1: Lernkurve

Graphisch laBt sich die Lernkurve als degressiv abnehmende Funktion der variablen Stiickkosten tiber dem kumulierten Output darstellen (Abbildung 1). Jede Verdoppelung des kumulierten Outputs fUhrt hier zu einer Abnahme der (marginalen) Stiickkosten urn z = 20 Prozent; die Anzahl der Verdoppelungen ist durch r markiert. Die Auszahlungen

11 Aus theoretischer wie anwendungsorientierter Sieht ist diese Interpretation gegenuber einer Formulie­rung des Lernkurveneffektes als Abnahme der Durchschnittskosten alIer bisher produzierten Einheiten vorzuziehen, vgl. auch Grimm, U., Analyse, 1983, S. 110. Die Formel (1) erscheint ahnlieh einer ande­ren, die bei Economies of scale - eine der Ursachen von Erfahrungskurven-Effekten - die erforder­lichen Investitionsauszahlungen in Abhangigkeit von der gewiinschten Beschaftigung beschreibt: aA = xv, wobei aA die Investitionsauszahlung, x die gewiinschte Beschiiftigung und v eine Konstante ist [vgl. Lucke, W., Experience, 1990, S. 239]> Die Ahnliehkeit verleitet dazu, in dieser Forme! v durch den Aus­druck fiir -b im Text zu substituieren. Da aA eine absolute, kx aber eine marginale GroBe ist, ergibt dies m. E. keinen okonomischen Sinn.

145

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Mt in einer Periode t lassen sich allgemein darstellen als die Flache unter der Lernkurve zwischen dem kummulierten Output am Anfang ~-1 und am Ende der Periode Xt. Die Differenz (~ - ~-1) gibt die Produktionsmenge ~ cler Periode t an.

Der Verlauf der Lernkurve in der Zeit, also die Entwicklung der Stiickkosten im Zeit­verlauf, ist abhangig davon, wie schnell der kumulierte Output realisiert wird. Es ergibt sich ebenfalls eine degressiv fallende Kurve.

3. Die Lernkurve in der dynamischen Investitionsrechnung

3.1. Kapitalwert der Lernkurve

Wichtigstes Element der dynamischen Investitionsrechnung ist der Kapitalwert (oder Barwert) einer InvestitionP Der Kapitalwert Co einer Investition ergibt sich aus einer Diskontierungsreihe, die bei expliziter Trennung von lernkurven-abhangigen und sonsti­gen Auszahlungen folgendes Aussehen hat:

(3)

Dabei steht

fUr die Anfangsauszahlung in t = 0, fUr die Einzahlungen, fUr jene Auszahlungen, die dem Kostendegressionseffekt der Lernkurve unter­liegen (variable Kosten),

at fUr die sonstigen (volumenunabhangigen) Auszahlungen, q fUr den Diskontierungsfaktor (1 + i) mit i = Zinssatz und

fUr die Nutzungsdauer des Objektes. n

Es ist zu beachten, daB nunmehr die Indizes t die Perioden bezeichnen, die von den Indizes x fUr den kumulierten Output zu unterscheiden sind. Mt ergibt sich aus dem Pro­dukt der variablen Stiickkosten kt - abhangig yom bis zum Jahr t einschlieBlich reali­sierten kumulierten Output - und der Outputmenge xt:

Wie schnell (im zeitlichen Sinne) sich die Lernkurven-Effekte auf die variablen Kosten auswirken, hangt davon ab, wie schnell der kumulierte Output anwachst. Urn das Modell iiberschaubar zu halten, solI dieses am Beispiel konstanten Outputs dargestellt werden. Wenn man annimmt, daB die jahrliche Outputmenge ~ konstant gehalten wird, so daB

12 Vgl. Lucke, W., Investitionslexikon, 1991, S. 218ff. oder Blohm, H., Luder, K., Investition, 1991, S. 55ff.

146

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die Produktion eines Jahres als ein Los interpretiert werden kann, verdoppelt sich die bis zum Jahr t kumulierte Outputmenge ~ jeweils in der zweiten, vierten, achten u.s.w. Periode. Die variablen Stiickkosten ~ des t-ten Jahres ergeben sich in diesem Fall ana­log zu Gleichung (1):

~ (5) ~ = lsc = k1~ 192 =k1~-b,

wobei k1 fUr die variablen Stiickkosten des ersten Jahres und Xt fUr die bis zum Jahr t einschlieBlich kumulierte Outputmenge steht. Eingesetzt in den Kapitalwert ergibt sich13

-Ao n et - at -xL~

Co = +l: t=1 qt

n et - at -xL k1 ~-b (6) Co = -Ao + l:

t=1 qt

n et - at n ~-b (7) Co -Ao+ l: --- xLk1 l:

t=1 qt t=1 qt

Da sich der kumulierte Output bei konstantem x aus

ergibt, und die Konstante x1-b sich dann aus der Summe ausklammern laBt, ergibt sich der Kapitalwert fUr eine unendliche Nutzungsdauer bei konstanten Einzahlungen e1 und sonstigen Auszahlungen a1 als

(8)

Die hier enthaltene Summe ist abhangig vom Zinssatz i (da q = 1 + i) und der Fort­schrittsrate z (da -b = Ig (l-z)/lg 2) und strebt fUr unendliche Nutzungsdauer einem endlichen Grenzwert zu, z. B. fUr:

13 Durch Aufspaltung der variablen *psten in eine Preiskomponente (Lohnsatz je Arbeitskraft [s)) und eine Mengenkomponente (Anzahl der Arbeitskriifte je Output-Einheit [m)) erhiilt Lucke (Erfahrungskurve, 1992) folgenden Ansatz: Co = (eo -~ q-O + E (et - at - mt St Xt) q-t.

147

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i =

z = 0,2: z = 0,3:

0,05

9,40 6,40

0,10

5,63 4,21

0,15

4,14 3,25

0,20

3,31 2,69

0,25

2,77 2,31

In der Bewertung der Lernkurven-Effekte bei konstantem Output ist femer zu beriick­sichtigen, daB hier ein Abbau des absoluten Arbeitseinsatzes unterstellt wurde. Inwieweit dies in der Praxis realisierbar ist, hangt ab von den Einsatzmoglichkeiten dieser Arbeitskriifte in anderen Bereichen des Untemehmens und den (rechtlichen) Moglichkeiten14 zum Personalabbau.

3.2. Lernkurve versus VerschleiB

In der Investitionsrechnung wird in einigen Modellen von steigenden laufenden Aus­zahlungen ausgegangen - insbesondere in solchen Modellen, mit denen eine optimale Nutzungsdauer bestimmt werden soll.15 Der steigende Kostenverlauf wird begriindet mit steigenden Betriebs- und Instandhaltungskosten, die durch zunehmenden Zeit- und GebrauchsverschleiB bedingt sind.16 Ein Beispiel flir die Annahme zeitabhiingig steigen­der Betriebskosten ist die verfeinerte "orthodoxe Ingenieursformel". Sie ermittelt die Annuitiit der Auszahlungen eines Investitionsobjektes, wobei hinsichtlich der Betriebs­kosten Bt der Hen Periode von folgender Niiherung ausgegangen wird:17

(9) Bt = B1 + (t-l) B'.

Dabei steht B1 flir die Betriebskosten der 1. Periode und B' flir den (konstanten) Betrag der jiihrlichen Zunahme der Betriebskosten. In Abb. 2 wird dieser Auszahlungsverlauf mit dem eines Objektes mit Lemkurve gegeniibergestellt, wobei variable Kosten Mt und sonstige, in der Zeit konstante Auszahlungen a1 angenommen werden.

Wie kann der in Abbildung 2 dargestellte Widerspruch zwischen einerseits steigendem und andererseits fallendem Kostenverlauf in unterschiedlichen Modellen erkliirt wer­den? Es bieten sich unterschiedliche - teilweise sich ergiinzende - Erkliirungsansiitze an:

14 15 16

17

148

Vgl. Lucke, W., Experience, 1990, S. 238. Vgl. Lucke, W., Investitionslexikon, 1991, S. 294. Vgl. ebenda, S. 401. Eine explizite Einbeziehung von GebrauchsverschleiB in die Investitionsrechnung wiirde einen Effekt hervorrufen, der umgekehrt wie die Lernkurve wirkt, da abhiingig yom kumulierten Output die Betriebskosten steigen wiirden. Ebenda, S. 131. Die verfeinerte orthodoxe Ingenieursformel lautet vereinfacht: a = (n - 1) B/2 + ao/n + (ao i)/ 2. Dabei ~teht an fUr die Annuitiit, ao fUr die Anfangsauszahlung, (ao i) 1ur deren Ver­zinsung und n fUr die Nuttungsdauer. Aus der Annuitiit liiBt sich der Kapitalwert durch Multiplikation mit dem Rentenbarwertfaktor berechnen. Die· verfeinerte Ingenieursformel ist auch Grundlage der MAPI-Methode I nach G. Terborgh (vgl. ebenda, S. 272f.).

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18

,_._ ... : ------ , .. ::::::.-- B

.-• ..1 } 20%"

~.hO%

steigende Betriebskosten

Lernkurve bei ~ }20% ------.~nstantem OUtput

1 2 4 8 16 Zeit

Abbildung 2: Lernkurve versus steigende Betriebskosten

Der in Abschnitt 3.1. hergeleitete Kapitalwert unterstellt konstanten Output, die orthodoxe Ingenieursformel unterstellt konstante Einzahlungen. Wenn diese Ein­zahlungen durch steigenden Output bei fallenden Preisen erreicht werden, kon­nen auch bei Lernkurven-Effekten die jahrlichen Gesamtauszahlungen steigen.

Die Lernkurve erfaBt aIle Zahlungen im Rahmen der Fertigung eines Produktes, wahrend traditionell nur Zahlungen in die Investionsrechnung einbezogen wer­den, die einem Investitionsobjekt direkt und eindeutig zurechenbar sind. Lern­kurven-Effekte - und insbesondere Erfahrungskurven-Effekte - resultieren aber gerade auch aus den Wechselwirkungen unterschiedlicher Investitionsobjekte.

Unterschiedliche Objekte haben unterschiedliche Kostenentwicklungen, die ins­besondere von der Neuartigkeit des Objektes abhangen. Die orthodoxe Inge­nieursformel erscheint realistisch flir etablierte Produktionsverfahren, in denen keine neuen Lernkurven-Fortschritte mehr zu erwarten sind.18

Fiir Modelle zur Ermittiung des opi'imaien Ersatzzeitpunktes mit identischen Foigeobjekten erscheint diese Vermutung konsequent, da der identische Ersatz und die hier diskutierten Konzepte der Lern­und Erfahrungskurve nicht zusammenpassen.

149

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Die Praxis muE im Einzelfall entscheiden, welche Kostenentwicklung der Investitions­rechnung zugrunde gelegt werden solI.

4. Die Erfahrungskurve in der dynamischen Investitionsrechnung

Die Erfahrungskurve solI in der folgenden Analyse durch zwei Annahmen gekennzeich­net sein:

(i) Aile Auszahlungen unterliegen dem Kostendegressionseffekt, d. h. die sonstigen Auszahlungen sind gleich Null: at = 0 .

(ii) Die Preise entwickeln sich proportional zu den Kosten, d. h. die erreichten Kostensenkungen werden vollsHindig an den Markt weitergegeben.

Hinsichtlich der ersten Annahme ist zu priifen, inwieweit sie fUr Investitionsobjekte realistisch ist. Die Erfahrungskurve bezieht sich auf die Kosten- und Preisentwicklung ganzer Produktionsprozesse, so dafi bei den folgenden Kapitalwertberechnungen eher an eine Bewertung von hinreichend aggregierten Produktionsprozessen oder an Unterneh­mensbewertungen zu denken ist, nicht aber etwa an die Anschaffung neuer Kraftfahr­zeuge.

Die zweite Annahme geht aus von einem kompetitiven Markt, in dem sinkende Kosten aller Marktteilnehmer zu einem standigen Druck auf die Preise fUhren. Diese Annahme liegt den meisten empirischen Untersuchungen zugrunde, da entsprechende Daten tiber die Kostenentwicklung bzw. die potentielle Kostenentwicklung - zumindest externen Analysten - nicht verfUgbar sind19• Es ergibt sich fUr den Preis der x-ten Outputeinheit folgender Zusammenhang analog zu Gleichung (1):

(10) Px = PI X-b.

Die Einzahlungen aus einem Los sind nunmehr nicht konstant, sondern als Funktion der Preise zu beschreiben:

Der ZahlungstiberschuB, der von einem beliebigen Los XL erwirtschaftet wird, ergibt sich als20

19

20

150

So wird in vielen empirischen Untersuchungen (vgi. z. B. Henderson, B. D., Erfahrungskurve 1974, S. 114ff.) von fallenden Preisen auf fallende Kosten geschlossen. Zur Kritik an diesem Vorgehen siehe Simon, H., PreismanagelI\ent, 1982, S. 205; Lange, B., Erfahrungskurve, 1984 oder Kreikebaum, H., Unternebmensplanung, 1991, S. 80. Zur Erinnerung: XL steht fUr die Losgr6fie, XI steht fUr den Output in der Periode t, ~ fUr den Output der ersten Periode, XI fUr den kumulierten Output bis einschlieBlich der Periode t.

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Durch Einsetzen der Gleichungen (1) und (10) in (11) und anschlieBendes Ausklammern ergibt sich

iix = (PI X-b - kl X-b) xL

!&1!:i)

(12) ~ (PI - kl ) XL X Ig2.

Dieser ZahlungsiiberschuB ist Grundlage fur die Berechnung von Kapitalwerten. Der Kapitalwert ist jedoch auch abhangig von der zeitlichen Entwicklung des Outputs. Es sollen hier verschiedene Varianten dazu dargestellt werden.

4.1. Kapitalwert bei konstantem Output

Analog zur Analyse der Lernkurve im vorhergehenden Abschnitt wird zunachst davon ausgegangen, daB der Output konstant ist. Darnit konnen wieder die Indizes x und t gleichgesetzt werden. Die Zahlungsiiberschiisse in der Peri ode t ergeben sich als:

!K.{W Ig2

Der Kapitalwert als Barwert dieser Uberschiisse ergibt sich als:

(14) Co

(15) Co f t=l t q .

Der Kapitalwert des Investitionsobjektes bei konstantem Output ist also von den Zah­lungsiiberschiissen der ersten Periode [xl (PCkl)] sowie den bereits von der Lernkurve bekannten Konstanten, welche positiv vom Output Xl bzw. von der Nutzungsdauer n und der Fortschrittsrate z sowie negativ vom Diskontierungsfaktor q abhangig sind.

Die Zusammenhange zwischen der Lernkurve und der zeitlichen Entwicklung der Kosten sind in Abbildung 3 in einem 4-Quadranten-Schema dargestellt (durchgezogene Linien). 1m I. Quadranten findet'sich die Erfahrungskurve, im IV. Quadranten wird der kumulierte Output der Lernkurve an einer 45°-Achse gespiegelt. 1m III. Quadranten ist

151

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die zeitliche Entwicklung des kumulierten Output dargestellt, in diese~ Fall linear stei­gend. Aus diesen drei Kurven ergibt sich im ll. Quadranten die zeitliche Entwicklung der Stiickkosten. Sie zeigt die gleiche degressiv abnehmende Form wie die Lernkurve, modi­fiziert durch die bier unterstellte diskrete Entwicklung.

k II k

Lo.--r----.----------r-----I~ 1 2 4 8 16 1 2 4 8 16

x x III IV 16 I I I

i XI= 2x1_1 I I i I XI- Xl I

I i

8 I I I

/ I

I I I

4 I

I

I I

2 .' 1

~ 1 2 4 8 16 X

Abbildung 3: Auswirkungen der Lernkurve

4.2. Kapitalwert bei Produktionsausweitung

Insbesondere in wachsenden Markten ist damit zu rechnen, daB das Produktionsvolumen im Zeitverlauf zunimmt. Der Kapitalwert laBt sich nunmehr am besten in Abhangigkeit von einem stetigen Zinssatz j = In( 1 + i) darstellen:

n

(16) Co = J ~(t) e-jt'dt.

1

152

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Durch Einsetzen von (11) in (16) ergibt sich:

(17) Co

n

J (P1 - k1) x1 Xt -b e-jt dt 1

n

(P1 - k1) xl J ~-b e-jt dt 1

Der Kapitalwert ist also abhiingig davon, wie schnell der kumulierte Output X realisiert wird. In der Praxis diirfte sich als groBtes Problem die Schiitzung des zu Grunde zu legenden kumulierten Output X ergeben. Fiir den Fall einer jiihrlichen Verdoppelung des Output ~ = 2 ~-1 ergibt sich der kumulierte Output als

und der Kapitalwert als

n

Co (P1 - k1) xl J (2t-1x1tb e-jt dt. 1

Dieser strebt flir unendliche Nutzungsdauer n gegen unendlich. In der graphischen Dar­stellung ergeben sich die gestrichelten Linien: Die p.a.-Output-Kurve im III. Ouadranten steigt progressiv, was durch das exponentielle Wachstum des Outputs bedingt ist. 1m IV. Ouadranten zeigt sich eine jiihrliche Abnahme der Stiickkosten urn 20 Prozent21• Dieser extreme Kostenverlauf ist durch das Zusammenwirken von Erfahrungskurve und Out­putwachstum zu erkHiren.

4.3. Kapitalwert bei konstantem Input

Es erscheint realistisch anzunehmen, daB mit der Realisierung von Erfahrungskurven­Effekten der Input, insbesondere der Personaleinsatz, nicht verringert, sondern vielmehr konstant gehalten wird. Dieses wirkt sich aus in konstanten Auszahlungen Mt, wiihrend sich der Output entsprechend dem Produktivitiitsfortschritt erhOht.

Die Auszahlungen Mt in der Peri ode t ergeben sich als:

21 Dies entspricht der starken Abnahme des Arbeitseinsatzes pro Stiick, die Liicke hergeleitet hat, siehe Liicke, W., Experience, 1990, S. 237; 'Investitionslexikon, 1991, S. 255; Erfahrungskurve, 1992, jeweils im III. Quadranten.

153

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woraus sich die Stiickkosten ableiten:

(18) ~ =

Die angenommene ProportionaliUit der Entwicldung von Stiickkosten und Preisen laBt sich auch beschreiben durch

(19) kl Pl

~ Pt

Daraus ergibt sich

Mt

~ Pt

Ml Pl

xl

Wegen der angenommenen Konstanz des Inputs kann Mt = Ml gesetzt werden. Es ergibt sich

Entsprechend ist der Preis zum Zeitpunkt t:

Die Zahlungsiiberschiisse im Zeitpunkt t ergeben sich analog zu Gleichung (12)

Einsetzen von (20) und (18) in (21) fiihrt zu

154

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wobei wieder M. = M;l gesetzt wurde. Der Barwert dieser Zahlungsiiberschiisse ist der Kapitalwert der tnvestltion mit stetigem Zinssatz:

(23) Co

oder bei diskreter Kostenentwicklung und diskretem Zinssatz:

(24) Co n 1:: t=1

und flir unendliche Laufzeit:

(25) Co

Es zeigt sich also im Falle konstanten Outputs, daB die Erfahrungskurve sich nicht auf den Kapitalwert auswirkt, weil sich der Volumeneffekt und der Preiseffekt gegenseitig kompensieren.

Als Ergebnis dieser Rechnung ist hervorzuheben, daB eine Berucksichtigung nur des Volumeneffektes oder nur des Preiseffektes zu groben Fehleinschatzungen flihren kann und die Investitionsrechnung daher stets beide Auswirkungen der Erfahrungskurve berucksichtigen muB. Alternativ legen diese 'Oberlegungen nahe, bei in ihrer GroBe unbekannten Erfahrungskurven-Effekten den Kapitalwert auf der Basis der Zahlungs­iiberschiisse der 1. Periode anzunahern.

Es wird auch deutlich, daB es flir den Kapitalwert - und damit die Gewinne des Unter­nehmens - entscheidend ist, die Kosten schneller zu senken, als die Marktpreise sinken. Kann die Konkurrenz die Erfahrungskurven-Vorteile schneller realisieren, d. h. die Kosten schneller senken und druckt daher auf die Preise, so bleibt der Kapitalwert hinter dem prognostizierten Wert zuruck. Gelingt es hingegen, schneller als andere den kumu­lierten Output zu erhOhen, so sinken die eigenen Kosten schneller als die Marktpreise und es konnen zusatzliche Gewinne realisiert werden.

5. Weitere Auswirkungen der Erfahrungskurve auf die Investitionsplanung

In den vorhergehenden Abschnitten wurden die Moglichkeiten diskutiert, die Lernkurve und die Erfahrungskurve in die Berechnung eines Kapitalwertes und damit in die dyna­mische Investitionsrechnung einzubeziehen. Auf einige weitere Auswirkungen der Erfah­rungskurve solI noch hingewiesen werden.

155

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5.1. Strategische Aspekte

Die Erfahrungskurve wird in der Literatur22 am hiiufigsten benutzt, urn flir eine strate­gische, langfristige Absatz- und Preisplanung zu argumentieren: Die Erzielung eines groBen Marktanteils durch friihere Realisierung von Fortschritten auf der Erfahrungs­kurve ermoglicht technologische Fuhrung vor der Konkurrenz und somit zu einem frii­heren Zeitpunkt niedrigere Stiickkosten und damit giinstigere Gewinnspannen. Die Investitionspolitik muG diese strategischen Aspekte beriicksichtigen, urn die erforder­lichen KapaziHitspotentiale bereitzustellen. Dies kann bedeuten, daB ein Investitions­objekt in Wachstumsmiirkten groBer dimensioniert werden sollte als ohne Erfahrungs­kurven-Effekte. Dem steht entgegen, daB der Output einer gegebenen Anlage im Zeit­verlauf durch Erfahrungskurven-Effekte quasi "naturlich" wiichst und deshalb in nicht wachsenden Miirkten sowie bei strategischem Verhalten mehrerer Marktteilnehmer mit Uberkapazitiiten zu rechnen ist. Dieses flihrt tendenziell ill Preiskiimpfen23, die durch ungenaue Marktprognosen verschiirft werden und die Gewinnmargen aufzehren.

Fur die Entscheidung uber das Volumen der Investition sind insbesondere Investitions­groBendegressionseffekte (Economies of scale) zu beriicksichtigen. GemiiB der von der Boston Consulting Group festgestellten 6/1O-Regel gilt folgender Zusammenhang24: Fur ein Investitionsob~ekt I mit der (1 + k)-fachen Kapazitiit ergibt sich ein Kapitalbedarf in Rohe des (1 + k)o, -fachen der Basisinvestition 10:

I (1 + k)0,6 10'

Ferner ist zu beriicksichtigen, daB eine Wissensdiffusion stattfindet, die zu Erfahrungs­kurven-Effekten bei den Zulieferern der Maschinen fuhrt. Unter Beriicksichtigung die­ses "externen Kapazitiitserweiterungeffektes" in Rohe von jiihrlich w Prozent ergibt sich flir eine Investition im Jahre s nach der Basisinvestition ein Kapitalbedarf von25

Is [(1 +wfs (1 + k)] 0,610,

Ferner ist zu beachten, daB Erfahrungskurven empirisch beobachtete Phiinomene sind, die in jedem Fall durch unterschiedliche Ursachen und in unterschiedlichem Umfang wirksam sind. Sie beschreiben potentielle Kostensenkungen, die keineswegs auftreten mussen. Insofern ist die Existenz und die prozeB- und produktspezifische Art der Erfah­rungskurve in jedem Einzelfalle sorgfiiltig zu priifen26• Auch erscheint eine analytische

22 Vgl. z. B. Henderson, B. D., Erfahrungskurve, 1974, S. 45ff.; zur Kritik siehe Lange, B., Erfahrungs­kurve, 1984, S. 234ff. oder Kreikebaum, H., Unternehmensplanung, 19.87, S. 81.

23 Zur theoretischen Erklarung siehe Albach, H., Unternehmensstrategien, 1987, S. 76ff. sowie zur Lage

24

25 26

156

in der Halbleiterindustrie: GEeD, semiconductor, 1984, S. 43 und Foil, H., Becker, F. S., Entwicklung, 1990, S. 7. Vgl. Kloock, J., Sabel, H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S.17. Vgl. Kloock, J., Sabel, H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S.18. Vgl. Kreikebaum, H., Unternehmensplanung, 1987, S. 84.

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Trennung der genannten Ursachen sinnvoll, denn fUr die Investitionsphinung sind "Economies of scale" anders zu behandeln als reine Lernkurven-Effekte27•

5.2. Humankapitalbindung von Erfahrungen

Die gewonnenen Erfahrungen sind haufig an das Humankapital gebunden, wodurch sich zusatzliche Imponderabilien durch Personalfluktuation ergeben. Ferner folgt daraus, daB Erfahrungen nur bedingt zwischen Betrieben eines Unternehmens iibertragbar sind und daher in einer neuen Fertigungsanlage mit hOheren Kosten zu rechnen ist, als in einer identischen Anlage, die bereits seit langerer Zeit an einem anderen Ort in Betrleb ist. Dies gilt insbesondere fUr forschungsnahe Produktionsprozesse, in denen also eine stan­dige Kommunikation zwischen F + E und Produktion stattfindet28• Diese Kommunikation kann wesentlich fUr das Erzielen von Erfahrungskurven-Vorteilen sein, wird jedoch gerade beim Aufbau entfernter Produktionsstatten, z. B. in Ubersee, sehr erschwert. Dies erklart das haufig beobachtete Phanomen, daB die Hochtechnologie-Produkte in der Nahe des Zentrums der Unternehmen am Heimatstandort produziert werden, wo sich auch die F + E-Einrichtungen befinden.

Beim Aufbau neuer Betriebsstatten ist anzustreben, die gewonnenen Erfahrungen mog­lichst weitgehend zu iibertragen, urn von Anfang an eine giinstige Kostensituation zu realisieren. Fiir weitere Fortschritte auf der Erfahrungskurve ist eine enge Zusam­menarbeit zwischen den Betriebsstatten erforderlich. Diese Aspekte sind insbesondere bei Standortentscheidungen im Ausland zu beriicksichtigen, wo die Kommunikation durch kulturelle und sprachliche Barrieren erschwert ist. Die Moglichkeit, erfahrene Ingenieure ins Ausland zu entsenden, ist daher ein wichtiger Erfolgsfaktor von Auslands­investitionen.

Ein weiterer Aspekt der Erfahrungskurve in der Standortplanung ist, daB die kurzfristige Kostensituation wegen der relativ teueren Anlaufphase an Bedeutung gewinnt. Lang­fristig erwartete Veranderungen der lokalen Kosten, bedingt z. B. durch Lohnstei­gerungen oder Anderung der realen Wechselkurse, wirken sich weniger stark im Investitionskalkiil aus.

6. Zusammenfassung

Durch Erfahrungskurven werden eine Vielzahl schwer schatzbarer bzw. quantifizierbarer Wirkungen zum Ausdruck gebracht, die das Element der Unsicherheit in der Investi­tionsplanung verstarken. Kapitalwertberechnungen auf der Basis von Erfahrungskurven ermoglichen hier eine weniger datenintensive Uberschlagsrechnung. Dies gilt insbeson­dere fUr den Kapitalwert bei konstantem Arbeitseinsatz und paralleler Entwicklung von

27

28

Zur Disaggregation von Erfahrungskurven in Modelle der einzelnen Effekte siehe Kloock, J., Sabe~ H., Schuhmann, W., Erfahrungskurve, 1987, S.10ff. In der Halbleiterindustrie ist die Ve,rbindung zwischen F+E und Fertigung so eng, daB "zwischen den fiir die Fertigung benotigten spezifischen Leistungen und den im Labor erzielbaren praktisch kein Un­terschied" mehr besteht (Fall, H., Becker, F. S., Entwicklung, 1990, S, 7),

157

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Output und Preisen (Gleichung [23]), der einfach zu handhaben ist und fUr viele Hille gute Naherungswerte liefert.

Fur exakte Berechnungen ist - auch bei unvollstandiger Datenlage - nichtsdestotrotz eine gute Schatzung aller EinfluBfaktoren erforderlich. Insbesondere erscheint eine Disaggre­gation der Erfahrungskurve, wie sie in den Abschnitten 3.1 und 5.1 angedeutet wurde, notwendig, urn die wichtigsten EinfluBfaktoren - Lernkurve und Economies of scale­getrennt zu analysieren.

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Page 161: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Die Europaische Aktiengesellschaft

Analyse des Vorschlags fiir ein SE-Statut yom Mai 1991 aus betriebswirtschaftlicher Sicht

DR. BETTINA REINKENSMEIER

PRICE WATERHOUSE GMBH, WIRTSCHAFfSPROFuNGSGESELLSCHAFf

HAMBURG

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Inhaltsverzeichnis

Abkiirzungsverzeichnis

1. Zielsetzung und betriebswirtschaftliche Relevanz der Europaischen Aktiengesellschaft

2. Vorbemerkungen zur Problematik des SE-Statuts im Schnittpunkt zwischen europaischem und nationalem Recht

3. Darstellung der betriebswirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren der Europaischen Aktiengesellschaft

3.1. Zugangsbeschrankungen

3.2. Eigenkapitalausstattung und Kapitalbeschaffungsmoglichkeiten

3.2.1. Das Eigenkapital 3.2.2. Die Aktien der SE 3.2.3. Kapitalbeschaffungsmoglichkeiten und Borse

3.3. Organisation von Geschaftsflihrung und Uberwachung

3.3.1. Vorbemerkungen 3.3.2. Das dualistische System 3.3.3. Das monistische System 3.3.4. Gemeinsame Vorschriften flir das dualistische und das monistische

System

3.4. Mitbestimmung

3.5. Rechnungslegung, Priifung und Publizitat

3.5.1. Rechnungslegung 3.5.2. Priifung 3.5.3. Publizitat

3.6. Steuern

4. SchluBbetrachtung

Anlagen

Literaturverzeichnis

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Abkiirzungsverzeichnis

a.A. AblEG Abs. AG AktG Art. Aufl. Bd. BR-DS BT-DS d.h. DB Diss. Dok.KOM ECU erw. EuZW EWGV f. ff. gem. H. Hrsg. Jg. neubearb. Nr. o.J. o.V. RIW S. SE u. u.a. iiberarb. v. vgl. vol. vollst. WM WPg z.B. ZGR

anderer Ansicht Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften Absatz Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Artikel Auflage Band Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache daB heiSt Der Betrieb Dissertation Kommission der Europaischen Gemeinschaften Dokumente European Currency Unit erweiterte Europaische Zeitschrift fur Wirtschaftsrecht Vertrag zur Griindung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende fortfolgende gemaB Heft Herausgeber Jahrgang neubearbeitete Nummer ohne J ahrgang ohne Verfasser Recht der international en Wirtschaft Seite Societas Europaea und und andere; unter anderem iiberarbeitete von/vom vergleiche volume vollstandig Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftspriifung zum Beispiel Zeitschrift fur Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

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1. Zielsetzung und betriebswirtschaftliche Relevanz der Europaischen Aktiengesellschaft

Der im Mai 1991 veroffentlichte Vorschlag fUr eine Verordnung tiber das Statut der Europaischen Aktiengesellschaft (nachfolgend Statut 1991)1 stellt den bislang vierten Versuch der Kommission der Europaischen Gemeinschaften dar, ein konsensfahiges Gesetzeswerk fUr die Societas Europaea2, abgekiirzt SE,3 zu schaffen. Begleitet wird die­ser neue Vorschlag von dem geanderten Vorschlag einer Richtlinie zur Erganzung des SE-Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer (nachfolgend Mitbestim­mungsrichtlinie 1991).4

Die Europaische Aktiengesellschaft solI als supranationale Rechtsform den Unter­nehmen spatestens mit dem Start des EG-Binnenmarktes5 am 1.1.1993 fakultativ zur Verfiigung stehen,6 urn die grenziiberschreitende Kooperation sowie die Konzentration von Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten zu fOrdern.

Die SE ist Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersonlichkeit und unterliegt als Han­delsgesellschaft keinen spezifischen Zweckbestimmungen.7 Sie solI es den Gesellschaften in Europa ermoglichen, sich in jedem Land der EG in der gleichen Rechtsform zu orga­nisieren. Die Zielsetzung des SE-Statuts besteht insofern darin, der Wirtschaft einen angemessenen und einheitlichen, rechtlichen Rahmen fUr ihre europaweite Tatigkeit zur VerfUgung zu stellen.8

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Siimtliche Artikelangaben ohne Nennung eines Gesetzes beziehen sich auf das Statut 1991 Bei der Namensgebung hat sich die Kommission sinnvollerweise der lateinischen Sprache bedient, so daB unabhangig von den neun Sprachen, die in den Mitgliedstaaten gesprochen werden, die einheitliche Bezeichnung Societas Europaea (SE), geschaffen wurde; vgl. Art. 1 Abs. 1. 1m Rahmen dieser Arbeit sollen die Bezeichnungen Societas Europaea, SE und Europaische Aktiengesellschaft synonym verwen­det werden. Obwohl dies im Statut nicht ausdrlicklich festgelegt ist, wird "SE" als Rechtsformzusatz zum Firmen­namen der Europaischen Aktiengesellschaft zu verwenden sein. Vgl. ebenso Kallmeyer, H. (Zugang 1990) S. 528. Auf eine ausfiihrliche Darstellung der Entwicklungsgeschichte der SE soli im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Anlage 1 gibt einen Uberblick liber die verschiedenen Entwiirfe flir das Statut unter Angabe der in dieser Arbeit verwendeten Zitierweise sowie der Fundstellen. Weitergehende Ausfiih­rungen zur Vorgeschichte der SE sind nachzulesen bei: Synvet, H. (Societe 1990) S. 253-255; Blaurock, U. (Gesellschaftsrecht 1990) S. 40 f.; Vgl. zu dem lange diskutierten Verordnungsvorschlag aus 1975 (nachfolgend Statut 1975) auch die umfassende Diskussion bei Lutter, M. (Hrsg.) (Aktiengesellschaft 1978). Vgl. zu den "industriewirtschaftlichen Aspekten" im EG-Binnenmarkt 1992: Lucke, W. (Aspekte 1990). Richtlinie und Verordnung, die gemaB Einleitung zur Mitbestimmungsrichtlinie eine untrennbare Ein­heit bilden, sind die Weiterentwicklung des Statuts 1989 sowie der Mitbestimmungsrichtlinie 1989. Die Verordnung soli gem. Art. 137 bis zum 1.1.1993 in Kraft treten; die Mitbestimmungsrichtlinie soli gem. Art. 12 der Mitbestimmungsrichtlinie bis dahin in nationales Recht umgesetzt sein. Vgl. Art. 1. Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften (Statut 1989) S. 7.

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Vor allem aber wird mit der Schaffung der SE erstmals auch gesellschaftsrechtlich eine grenziiberschreitende Fusion von zwei nationalen Aktiengesellschaften ermoglicht.9 .

Wenngleich das Statut einer Europruschen Aktiengesellschaft bislang vor allem in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert wurde, ist die Entscheidung flir oder gegen diese neue EG-weite Rechtsform ein Entscheidungsproblem der allgemeinen Betriebs­wirtschaftslehre.10 Die Rechtsformentscheidung ist eine konstitutive Entscheidung, da mit der Rechtsform alle wesentlichen Charakteristika der auBeren und inneren rechtli­chen Organisation einer Unternehmung langfristig festgelegt werden.11

Viele Bereiche des SE-Statuts haben rein juristische Bedeutung oder nur relativ schwa­che betriebswirtschaftliche AuswirkungenY 1m Rahmen dieser Arbeit sollen nur die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren des SE-Statuts, die als Ent­scheidungskriterien in Frage kommen, dargestellt werdenP Die vorliegende Arbeit solI insofern den Informationsstand iiber die Europaische Aktiengesellschaft auf der Grundlage des Statuts und der Mitbestimmungsrichtlinie 1991 verbessern, ohne aber eine direkte Hilfestellung flir die LOsung des schlecht strukturierten Entscheidungspro­blems Rechtsformwahlleisten zu konnen.14

2. Vorbemerkungen zur Problematik des SE-Statuts im Schnittpunkt zwischen europaischem und nationalem Recht

Die Schwierigkeit des SE-Statuts, an dem jetzt schon seit mehr als 20 lahren gearbeitet wird, Hillt sich wie folgt darstellen: Einerseits solI im Sinne der Rechtssicherheit in Europa ein einheitliches Gesetzeswerk geschaffen werden. Dies setzt eigenstandige Regelungen in schwierigen und innerhalb Europas unterschiedlich geregelten Bereichen voraus und verbietet zu haufige Verweise auf nationales Recht, denn sonst besteht die Gefahr, daB nicht eine, sondern 12 verschiedene nationale Auspragungen der SE ent­stehen. Andererseits muI3 ein zu groBes Gefalle zu den nationalen Aktiengesellschaften, mit denen die SE in Konkurrenz tritt, vermieden werden. Zu weitgehende Regelungen, z.E. im Bereich der Arbeitnehmermitbestimmung, wiirden bei Griindungen in Mitglied­staaten, wo es eine gesetzlich verankerte Mitbestimmung in den Organen der Gesell-

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Die nationalen Rechtsordnungen lassen zum Schutz der einheimischen Arbeitnehmer, Aktionare und Glaubiger eine internationale Fusion bislang gar nieht oder nur mit einer Zustimmung von 100 % der Aktionare zu. Vgl. dazu: GroBfeld, B. (Unternehmensrecht 1986) S. 75 f.; Kommission der Euro­paischen Gemeinschaften (Memorandum 1988) S. 13. Die mit einer grenziiberschreitenden Fusion zusammenhiingenden steuerlichen Hindernisse sind durch die Verabschiedung der Fusionsbesteue­rungsricht1inie vom 23. Juli 1990 aus dem Wege geraumt. Vgl. hierzu ausfUhrlieh: Thommes, O. (MaBnahmen 1990) S.475-479. Vgl. Monz, H. (Entscheidungshilfen 1985) S. 1; Kolbeck; R. (Unternehmen 1980) S. 71. Vgl. Kappler, E. (Entscheidungen 1983) S. 160 f. Besonders der Wechsel der Rechtsgrundlage fUr das SE-Statut wird in der rechtswissenschaftliehen Li­teratur intensiv diskutiert, soli aber im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert werden. Vgl. hierzu z.B.: Hauschka, C. E. (Entwicklungslinien 1990) S. 98 f. oder Wahlers, H. W. (Rechtsgrundlage 1990) S.448-458. Die Besonderheiten bei Banken und.Versicherungsunternehmen werden nicht behandelt. Vgl. hierzu Monz, H. (Entscheidringshilfen 1985), der im Rahmen seiner Dissertation versucht, "Methodische Entscheidungshilfen" als Instrument der Rechtsformwahlberatung bereitzustellen.

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schaft bislang nicht gibt, zu einer Ablehnung der SE zugunsten der nationalen Rechts­formen fiihren.15

Da das Statut 1975 vor allem durch die detaillierten Regelungen zum Konzern-, Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsrecht scheiterte, die in vielen Mitgliedstaaten noch gar nicht oder in anderer Form existierten, hat man im Statut 199116 auf Regelun­gen zum Konzern- und Betriebsverfassungsrecht ganz verzichtet, im Bereich der Mitbe­stimmung eine KompromiBlosung gewahlt und die iibrigen strittigen Bereiche dadurch entscharft, daB auf nationales Recht oder bereits verabschiedete Harmonisierungs­richtlinien verwiesen wird.

Das maBgebliche Recht der SE hat insofern viele verschiedene Quellen:17

Grundsatzlich ist das Recht der Europaischen Aktiengesellschaft in der Verordnung geregelt;18 die Mitgliedstaaten werden diese Verordnung mit Hilfe von Ausfiihrungs­gesetzen in ihr nationales Recht einpassen.19 Die Mitbestimmungsfragen werden iiber ein entsprechendes nationales Gesetz, das auf der Grundlage der Mitbestimmungsricht­linie von den einzelnen Staaten erlassen wird, geregelt. Nur soweit die Regelung einzel­ner Bereiche gem. Statut ausdriicklich den Unternehmungen selbst iiberlassen wird, konnen diese in der Satzung frei gestaltet werden. 1st ein Bereich in der Verordnung gar nicht geregelt, gilt das Recht fiir Aktiengesellschaften in dem Sitzstaat der SE. 20

3. Darstellung der betriebswirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren der Europaischen Aktiengesellschaft

3.1. Zugangsbescbrankungen

AuGer den natiirlichen Personen21 konnen grundsatzlich alle Gesellschaften, deren Hauptverwaltung oder satzungsmaGiger Sitz innerhalb der Europaischen Gemeinschaft liegt, und die dariiberhinaus nach dem Recht eines Mitgliedstaats errichtet worden sind, eine SE griinden.22 Insofern ist in Anlehnung an Szyperski/ Nathusius zwar eine unselb-

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Vgl. iihnlich Engelhard, H. A. (Defizite 1988). SHirker noch als bereits im Statut 1989. Vgl. hierzu ausfuhrlich: Lutter, M. (Regelungen 1990) S. 415-420. 1m Statut 1991 wird hliufig auf bereits verabschiedete Richtlinien oder auf nationale Rechtsvorschriften, die zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden, verwiesen. Diese Richtlinien sind unter Angabe der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Zitierweise in Anlage 2 aufgefiihrt. A.hnlich wie bei der Verordnung fiir die Europliische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) , die bereits seit 1.7.1989 Giiltigkeit hat; vgl. Bundesstelle fur AuBenhandelsinformationen (Gesellschaftsrecht II 1990) S. 3. Vgl. Art. 7. Hierzu gehiiren der Einzelkaufmann, der Freiberufler oder ein einzelner nichtkaufmannischer Gewerbetreibender, vgl. H~mmelhoff, P. (Fragen 1990) S. 423. Vgl. Art. 2. Grundslitzlich werden unter dem Begriff Gesellschaften aile Gesellschaften im Sinne des Art. 58 EWGV subsumiert.

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sHindige Griindung, nicht aber eine echte Unternehmungsgrundung in der Rechtsform der SE moglich.23

Die SE soIl dariiberhinaus nur solchen Unternehmen mit einer grenziiberschreitenden, wirtschaftlichen Tatigkeit zur Verfligung stehen.24 Deshalb wurden diverse, formale Zugangsbeschrankungen im SE-Statut festgeschrieben, die die Mehrstaatlichkeit der SE­Aktivitaten gewahrleisten sol1en:25

Eine SE kann gem. Art. 2 Abs. 1 durch Verschmelzung von zwei oder mehreren natio­nalen Aktiengesellschaften nur gegriindet werden (Verschmelzung durch Neugriindung), sofern mindestens zwei dieser Gesellschaften ihre Hauptverwaltung in verschiedenen Mitgliedstaaten haben.

Eine Tochter-SE kann von zwei oder mehreren nationalen Gesellschaften, eine Holding­SE von zwei oder mehreren Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschrankter Haftung dann errichtet werden,26 wenn sich die Hauptverwahungen von mindestens zwei der Griindergesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten befinden. 1st dies nicht der Fall, so kann die Griindung nur stattfinden, wenn mindestens zwei der Griindergesell­schaften eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in einem anderen europaischen Staat als dem ihres Sitzes betreiben.27

Aufgrund der Vorschlage des Europaischen Parlaments ist jetzt auch die Griindung einer SE durch formwechselnde Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft mog­lich, allerdings nur, wenn diese Gesellschaft eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in einem anderen europaischen Staat betreibt.28

Fraglich ist, ob der Nachweis einer grenziiberschreitenden Tatigkeit an ein formales Kri­terium gekniipft werden sollte, denn das Vorhandensein einer Niederlassung oder Toch­tergesellschaft in einem anderen EG-Staat muG noch kein zwingender Beweis flir eine europaweite Tatigkeit sein. Gegen die in dieser Hinsicht vorteilhafteren, materiellen Kriterien spricht wiederum deren schlechte Nachpriifbarkeit.29

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Vgl. Szyperski, N., Nathusius, K. (Probleme 1977), S.26. Vgl. Begriindung der Kommission zu Art. 2 des Statuts 1991. Die Moglichkeiten der Griindung einer SE durch bereits bestehende Europaische Aktiengesellschaften sind weit weniger beschrankt, da hier schon die Griindergesellschaft se\bst das formale Kriterium der grenziiberschreitenden Tatigkeit erfiillt. Vgl. zu den Griindungsmoglichkeiten einer SE durch eine SE Art. 3 des Statuts 1991. Eine Holding-SE kann gem. Art 31. Abs. 2 S. 4 schon dann gegriindet werden, wenn mindestens 51 % der Stimmrechtsaktien oder Anteile der Griindungsgesellschaften auf die SE iibergehen. 1m alten Verordnungsvorschlag 1989 war noch der Ubergang aller Aktien vorgesehen. Vgl. Art. 2 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 a). Vgl. Art 2 Abs. 3. Die Moglichkeit, eine SE durch Umwandlung griinden zu konnen, war im Statut 1989 noch nicht vorgesehen, wurde aber in der Literatur von vielen Seiten gefordert. Vgl. hierzu: Hommel­hoff, P. (Fragen 1990) S. 423; Kallmeyer, H. (Aktiengesellschaft 1990) S. 106; Kallmeyer, H. (Zugang 1990) S. 527 f. Vgl. Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 423 f. Sein Vorschlag sieht vor, daB allen Unternehmen, die in mindestens 2 Mitgliedstaaten Umsatze von jeweils mehr als 1 Million ECU nachweisen, die Rechtsform der EG offenstehen sollte.

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Der von einigen Autoren geforderte ganzliche Verzicht auf Zugangsbeschrankungen wiirde die SE auch den Unternehmen zuganglich machen, die den europaischen Markt erst noch erschlieBen wollen.30 Die Glaubwiirdigkeit der SE wird allerdings nicht dadurch gesteigert, daB auch nationale Aktiengesellschaften, die erst in Zukunft auf dem europaischen Markt expandieren wollen, diese Rechtsform wahlen und den Rechtsform­zusatz SE im Namen tragen durfen.31

3.2. Eigenkapitalausstattung und Kapitalbeschaffungsmoglichkeiten

3.2.1. Das Eigenkapital

Das gezeichnete Kapital belauft sich auf mindestens 100000 ECU32 und liegt damit uber den Mindestkapitalanforderungen der meisten nationalen Aktiengesellschaften.33 Es muG in Aktien zerlegt sein, die ebenfalls auf ECU lauten, und kann durch Sach- oder Bareinlage aufgebracht werden. Bei Bareinlagen muG auf die Aktien zum Zeitpunkt der Eintragung mindestens ein Viertel des Nennbetrages eingezahlt werden. Bei Sachein­lagen muG die vollstandige Leistung der Einlage spatestens 5 Jahre nach Eintragung der Gesellschaft erfolgen.34

Neben dem Verbot einer Unterpariemission35 und dem Verbot, die Aktionare von der Verpflichtung zur Leistung ihrer Einlagen zu befreien,36 ist zum Schutz der Glaubiger auch der Erwerb eigener Aktien gem. Art. 48 grundsatzlich untersagt. Allerdings wurde im Gegensatz zum Statut 1989 darauf verzichtet, die Ausnahmefalle aufzulisten, in denen der Erwerb eigener Aktien zulassig ist. Statt dessen wird auf die einzelstaatliehen Vorschriften flir Aktiengesellschaften im Sitzstaat der SE verwiesen.37 Der Erwerb von Aktien der SE durch ein von ihr kontrolliertes Unternehmen38 wird ebenso behandelt wie der Erwerb eigener Aktien durch die SE selbst.39

Die Einlagenriickgewahr, die deutschen Aktiengesellschaften zum Schutz der Glaubiger gem. § 57 Abs. 1 AktG untersagt ist, wird im Statut 1991 nieht explizit erwahnt40 und hangt somit von dem nationalen Recht fur Aktiengesellschaften des Sitzstaates abo

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Vgl. Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 424; Kallmeyer, H. (Zugang 1990) S. 528. Vgl. ahnJich HommeJhoff, P. (Fragen 1990); aA.: Kallmeyer, H. (Zugang 1990) S. 528. Vgl. Art. 4 Abs. 1. Das Kapital der SE lautet gem. Art. 38 Abs. 1 unabhiingig von der Wahrung des Sitzstaates auf ECU (European Currency Unit). Vgl. Anlage 3. Vgl. Art. 38 Abs. 2, 2 a) und 2 b). Die Sacheinlagen miissen von einem unabhangigen Sachverstandigen nach Ma/3gabe der nationalen Rechtsvorschriften fUr Aktiengesellschaften im Sitzstaat der SE, die auf­grund von Art. 10 der Kapitalrichtlinie erlassen wurden, gepriift und bewertet werden. Vgl Art. 39 Abs. 1. Vgl. Art. 41. V gl. Art. 49 Abs. 1. Vgl. zur Definition des kontrollierten Unternehmens Art. 6 Abs. 1. Vgl. Art. 48 Abs. 1a. Ein Verbot der EinlagenriiFkgewahr war in Art. 40 Abs. 3 S. 3 Statut 1975 noch vorgesehen. Hommel­hoff haIt die Streichung der Regelung fUr ein "Redaktionsversehen". Vgl. Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S.432.

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3.2.2. Die Aktien der SE

Da die Aktien der SE auf ECU lauten mussen und gem. Art. 39 Abs. 1 nicht unter ihrem Nennwert ausgegeben werden durfen, handelt es sich durchweg um Nennwertaktien. 41 Beziiglich der Hohe des Nennwertes pro Aktie schweigt der Verordnungsvorschlag aller­dings, so daB die im Sitzstaat der SE fiir Aktiengesellschaften geltenden Gesetze zu be­achten sind. Die diesbeziiglichen Regelungen innerhalb der EG sind in Anlage 4 dar­gestellt. Aktien konnen mit unterschiedlichen Rechten beziiglich der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermogens ausgestattet sein. 42 Aktien, die die gleichen Rechte gewahren, bilden eine Gattung.43

Die Stammaktie gewahrt grundsatzlich ein Stimmrecht in der Hauptversammlung,44 einen Anspruch auf einen Teil des ausgeschiitteten Gewinns (Dividendenrecht) und ein Bezugsrecht auf junge Aktien45 sowie eine Teilnahme am Liquidationserlos46•

Vorzugsaktien, d.h. Aktien, die zwar kein oder nur ein beschranktes Stimmrecht, dafiir aber einen Vermogensvorteil gewahren, durfen nur bis zu 50 % des gezeichneten Kapi­talS ausmachen.47 Abgesehen vom Stimmrecht mussen diese Aktien ihren Eigentiimem alle Rechte einer voll stimmberechtigten Aktie gewahren.48 Bei Abstimmungen bleiben alle Gattungen von VOl'zugsaktien fUr die Berechnung der BeschluGfahigkeit oder der Mehrheit der Aktien unberiicksichtigt, es sei denn die Rechte der Aktionare einer dieser Gattung sind von der Abstimmung betroffen.49 Mehrstimmrechtsaktien sind gem. Art. 52 Abs. 3 verboten.

Die SE kann sowohl Inhaber- als aucl:I Namensaktien ausgeben.50 Der Bestand an Namensaktien muG unter Angabe des Namens der Aktionare, ihrer Adresse sowie der Zahl und der Gattung ihrer Aktien in einem Aktienbuch dokumentiert werden. Das Aktienbuch stehtjedem Aktionar zur Einsichtnahme zur Verrugung.51 Da im Statut 1991 generell nichts zur Dbertragung der Aktien gesagt wird, erfolgt diese nach einzelstaatli­chem Recht, so daB z.B. eine SE mit Sitz in Deutschland auch vinkulierte Namensak­tien52 ausgeben kann.53

41 Vgl. Hirte, H. (Nennwert 1991) S. 754. Man unterscheidet zwischen Nennwertaktien, die auf einen Nennbetrag lauten und Ouotenaktien, die nur einen bestimmten Antell am Kapital verbriefen. Vgl. zur Ouotenaktie ausfiihrlicher: Perridon, L., Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1988) S. 210 f.

42 Aktien, die einen festen Zins gewiihren, sind allerdings gem. Art. 52 ausdriicklich ausgeschlossen. 43 Vgl. Art. 52 Abs. 4. 44 V gl. Art. 92 Abs. 1. 45 Vgl. Art. 44 Abs. 1. 46 Vgl. Art. 126 Abs. 1. 47 Vgl. Art. 52 Abs. 2 a). 48 Vgl. Art. 52 Abs. 2 b). Von dem Bezugsrecht auf so1che Vorzugsaktien konnen die Eigner der stimmbe-

rechtigten Aktien per Satzung oder HauptversammlungsbeschiuB ausgeschlossen werden. 49 Vgl. Art. 52 Abs. 2 d) i.V.m. Art. 98 Abs. 2. 50 Vgl. Art. 53 Abs. 1; Gem. Abs. 1 a) mussen Inhaberaktien voll eingezahlt sein. 51 Vgl. Art. 53 Abs. 2. 52 Die Ubertragung von vinkulierten Namensaktien ist nur mit der Zustimmung der Gesellschaft moglich.

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3.2.3. Kapitalbeschatfungsmoglichkeiten und Borse

Da sich die Moglichkeiten der langfristigen Fremdkapitalbeschaffung gemaB Art. 56 nach dem nationalen Recht flir AktiengeseHschaften richten, soH hierauf im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Stattdessen soHen hier nur die Moglichkeiten der SE zur Beteiligungsfinanzierung dargestellt werden.

1m SE-Statut ist sowohl eine ErhOhun~ des gezeichneten Kapitals als auch die Schaffung von genehmigten Kapital vorgesehen. Beide Beschliisse konnen nur von der Hauptver­sammlung mit einer Drei-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen herbeigeflihrt werden.55 Das Verfahren der KapitalerhOhung richtet sich nach den Vorschriften flir Aktiengesellschaften im Sitzstaat der SE.56 Hinsichtlich des Bezugsrechts der Aktionare -auch bei mehreren Aktiengattungen - und der damit zusammenhangenden Offenlegungspflichten ist in Art. 44 alles Wesentliche geregelt.

Durch die Moglichkeit, die Nennbetrage der Aktien klein zu halten, durch die Obertrag­barkeit der Aktie und durch die fehlende Beschrankung der Aktionarszahl nach oben, kann die SE ebenso wie jede nationale Aktiengesellschaft grundsatzlich groBe Kapital­betrage aufbringen.57 Dies gilt urn so mehr, soweit die Aktien an einer Borse gehandelt werden konnen.58

1m SE-Statut wird zur Borsenfahigkeit der SE keine Aussage gemacht. Einige Griin­dungsvorschriften lassen zunachst vermuten, daB das Kapital der SE in den Handen der Griindungsgesellschaften verbleibe, und daB die SE insofern nicht auf eine Plazierung ihrer Aktien am offentlichen Kapitalmarkt ausgerichtet sei.59 Aufgrund einiger anderer Griindungsvorschriften ist es nach Ansicht des Verfassers aber dennoch offensichtlich, daB den Aktien der SE der europaische Kapitalmarkt grundsatzlich offenstehen muB:6O

Sobald eine borsennotierte Aktiengesellschaft an der Griindung einer SE durch Ver­schmelzung oder Umwandlung beteiligt ist, miissen die b6rsennotierten Aktien der Griindergesellschaften in Aktien der SE getauscht werden. Dieser Aktientausch ware flir die Gesellschafter ein schlechtes Geschaft, wenn sie ihre zuvor fungiblen Papiere in Urkunden mit eingeschrankter Verkehrsfahigkeit tauschen miiBten. Das SE-Statut sieht

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1m Statut 1989 wurde in Artikel 54 noch explizit geregelt, daB sich die Ubertragung der Aktien nach einzelstaatlichem Recht richtet; dieser Passus ist ohne Begriindung gestrichen worden. Aufgrund von Art. 7 Abs. 1 b) wird aber in jedem Fall einzelstaatliches Recht gelten. Vgl. Art. 42 und 43. VgI. Art. 42 Abs. 2 und Art.43 Abs. 1 i.V.m. Art. 97. Vgl. Art. 42 Abs. 2. Dies gilt sowohl fUr die Eigenkapitalaufbringung bei der Griindung als auch fUr jede spatere Kapi­talerhOhung. Die Borse als organisierter Kapitalmarkt ermoglicht eine optimale Versorgung von Kaufern und Ver­kaufern mit Informationen sowie den schnellen An- und Verkauf von Aktien ohne groBere Transakti­onskosten. Zu der Problematik des Informationsgefiilles zwischen Kaufer und Verkaufer bei nicht bor­sennotierten Anteilen vgl. Perridon, L., Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1988) S. '2IJ7 f. Die deutsche Aktiengesellschaft ist grundsatzlich so ausgestaltet, daB ihre Aktien an der Borse gehandelt werden konnen. Natiirlich unterliegt die Zulassung von Wertpapieren zum Borsenhandel auch in Deutschland strengen Vorschriften. Das Zulassungsverfahren ist in §§ 36-49 BorsG geregelt. VgI. Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 431. Vor aHem die Griindung einer Tochter-SE gem. Art. 2 Abs. 2legt solche Vermutungen nahe. VgI. Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 431.

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in beiden Fallen keine Schutzbestimmungen fUr die Aktionare vor'l, so daB der Riick­schluB zulassig ist, daB die Aktionare auch nach der Verschmelzung oder Umwandlung im Besitz von bOrsenfiihigen Aktien bleiben miissen.62 Konsequenterweise soUte deshalb - unabhiingig yom Griindungsvorgang - jeder SE grundsatzlich der Borsenzugang moglich sein.63

Ein weiteres Argument fUr die Borsenfiihigkeit der SE ist ihre Konzeption als " .. .Instrument europiiischer Untemehmensfinanzierung".64. Sie muB als supranationale Rechtsform an den Borsen der Europiiischen Gemeinschaft zugelassen werden, wenn sie die Entwicklung eines europaischen Kapitalmarktes vorantreiben soll.65

Die Zulassung zum amtlichen Borsenhandel oder auch zum geregelten Markt wird sich in den einzelnen Mitgliedstaaten nach dem dort geltenden Recht fUr Aktiengesell­schaften richten. In diesem Zusammenhang wurde im Rahmen des Symposiums "25 Jahre Aktiengesetz" der Deutschen Schutzvereinigung fUr Wertpapierbesitz (DSW) zumindest im Hinblick auf die deutschen Borsen die Meinung geauBert, daB die Aktien der SE an den deutschen Borsen gehandelt werden konnten, selbst wenn das Gesetzes­werk fUr die SE nicht so streng ausfallen sollte wie das deutsche AktG.66

3.3. Organisation von Geschiiftsflihrung und Uberwachung

3.3.1. Vorbemerkungen

Das Statut 1991 unterscheidet hinsichtlich der Verwaltung der SE zwischen dem monisti­schen System mit nur einem Verwaltungsorgan und dem dualistischen System mit einem Leitungs- und einem Uberwachungsorgan.67 Die Mitgliedstaaten legen fest, in welcher Leitungsform eine SE mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet organisiert sein muB. Sie konnen die Entscheidung fUr eines der beiden Systeme auch den Untemehmungen selbst iiber-

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Eine Regelung, die einer solchen Schutzvorschrift gleichkommt, ist dagegen bei Griindung einer Hol­ding-SE vorgesehen. Hier haben die Gesellschafter die Moglichkeit, Aktionare der Griindungsgesell­schaften zu bleiben, wenn der Griindungsplan vorsieht, daB weniger als 100 % der Aktien in die Hol­ding eingebracht werden. Vgl. ebenso: Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 431. Vgl. ebenso Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 432. Lutter, M. (Aktien 1978) S. 145. Die Schaffung eines europiiischen Kapitalmarktes ist in Art. 67 EWGV als Ziel der Europiiischen Ge­meinschaften manifestiert. Vgl. Lutter, M. (Aktien 1978) S. 145; Hommelhoff, P. (Fragen 1990) S. 431. Es handelt sich urn eine AuBerung von Dr. Dietrich Riimker, Generalbevollmiichtigter der WestLB, vgL o.V.: Borsenzeitung (Liener 1990) S. 3; aA.: Rechtsanwalt Dr. Michael Hoffmamt-Becking, der vor allem im Hinblick auf die Regelungen zur Organisation ebenso klare und strenge Gesetze wie fUr die deutsche Aktiengesellschaft forderte, vgl. o.V.: Borsenzeitung (Liener 1990) S. 3. Vgl. Art. 61. Diese Unterscheidung entspricht der europiiischen Realitiit. Die nationalen Aktienge­sellschaften sind ebenfalls im Vorstands-/ Aufsichtsratsmodell oder Verwaltungsratsmodell organisiert. Vgl. hierzu ausfiihrlich Theisen, M.-R. (Uberwachung 1987) S. 89-110 mit einer Ubersichtstabelle aufS. 108 (ebenfalls abgedruckt bei Bleicher, K., Leberl, D., Paul, H. (Unternehmungsverfassung 1989) S. 32.)

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lassen, wobei dann die ausgewahlte Spitzenorganisation in der Satzung festgehalten wer­denmuB.68

3.3.2. Das dualistische System

1m dualistischen System, das stark an die deutsche VorstandsJ Aufsichtsratsverfassung angelehnt ist, liegt die Geschaftsfiihrungskompetenz per Gesetz beim Leitungsorgan.69

Das Aufsichtsorgan hat ausschlieBlich die Aufgabe, die Geschaftsfiihrung zu iiberwa­chen.1° Die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsorgan bestellt und ab­berufen. Grundsatzlich kann niemand gleichzeitig Mitglied des Leitungs- und des Auf­sichtsorgans sein.71 Die Mitglieder des Aufsichtsorgans werden von der Hauptversamm­lung bestellt und abberufen, es sei denn die Transformation der Mitbestimmungsricht­linie durch den nationalen Gesetzgeber sieht eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsorgan vor.72 Der Vorsitzende dieses Organs, der in Pattsituationen ein Zweit­stimmrecht besitzt13, wird gem. Art. 65 Abs. 1 in jedem Fall von der Hauptversammlung bestellt, so daB das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner gewahrleistet ist.

Die Zahl der Mitglieder des Leitungsorgans wird in der Satzung festgelegt;74 die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans kann von den Mitgliedstaaten zwingend vorgeschrie­ben werden oder ebenfalls der Regelung in der Satzung vorbehalten bleiben.15

3.3.3. Das monistische System

1m monistischen System fehlt die Trennung von Geschaftsfiihrungs- und Oberwachungs­organ. Das Verwaltungsorgan ist gem. Art 66 Abs. 1 fiir die Geschaftsfiihrung der SE zustandig. Die Mitglieder des VerwaItungsorgans, deren Anzahl prinzipiell keinen gesetzlichen Beschrankungen unterliegt16, werden gem. Art. 66 Abs. 3 grundsatzlich von der Hauptversammlung bestellt und abberufen, es sei denn die Transformation der Mitbestimmungsrichtlinie durch den nationalen Gesetzgeber sieht eine Mitbestimmung

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Im Statut 1989 war die Entseheidung fUr das monistisehe oder dualistisehe System ein Unternehmens­wahlreeht, das dem EinfluB der nationalen Gesetzgeber entzogen war. Dies hatte den Unternehmen die Mogliehkeit geboten, die Spitzenorganisation in allen europiiisehen Konzernunternehmen identiseh aus­zugestaiten. Nunmehr wird diese Mogliehkeit nieht mehr bestehen, da die Mitgliedstaaten wahrsehein­lieh jeweils nur das ihrem nationalen System iihnelnde System fUr Europiiisehe Aktiengesellsehaften zulassen werden. Vgl. Art. 62 Abs. 1. Vgl. Art. 63 Abs. 1. Die Beratungsfunktion als ex-ante-Dberwaehung ist hierunter wie beim deutsehen Aufsiehtsrat zu subsumieren. Vgl. Art. 62 Abs. 3. Eine Ausnahme besteht insofern, ais ein Mitglied des Aufsiehtsorgans ein Mitglied des Leitungsorgans vertreten kann. Wiihrend dieser Zeit darf es aber nieht mehr als Mitglied des Auf­siehtsorgans tiitig sein. V gl. Art. 63 Abs. 2. Vgl. Art. 76 Abs. 3 a). Vgl. Art. 62 Abs. 4. Vgl. Art. 63 Abs. 3. Sollte von einem Mitgliedstaat die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Verwaltungsorgan vorgesehen sein, muB das Verwaltungsorgan gem. Art. 66 Abs. 1 a) aus mindestens 3 Mitgliedern bestehen.

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der Arbeitnehmer im Verwaltungsorgan vor. Der Vorsitzende ist gem. Art. 67a) Abs. 1 in jedem Fall von der Hauptversammlung zu besteIlen.77

Das Verwaltungsorgan kann einigen seiner Mitglieder oder anderen natiirlichen Perso­nen auBerhalb des Organs die Gescbaftsfiihrungsbefugnis ganz oder teilweise ubertragen und auch jederzeit wieder entziehen. Die konkrete Ausgestaltung kann in der Satzung bestimnit sein oder von der Hauptversammlung festgelegt werden. 78

Es fallt auf, daB an keiner Stelle im SE-Statut die Uberwachung der Geschaftsfiihrung im monistischen System erwahnt wird. Das monistische System laBt insofem bewuBt viele Gestaltungsspielraume: Ein mehrkopfiger Verwaltungsrat kann - entsprechend der urspriinglichen Regelung im Statut 1989 - in ein geschaftsfiihrendes und ein nicht geschaftsfiihrendes Lager aufgespalten werden, wobei die zahlenmaBig starkere Gruppe der nicht geschaftsfiihrenden Mitglieder die Aufgabe ubemimmt, die Geschaftsfiihrung zu uberwachen. Nach dem neuen Verordnungsvorschlag ist es jetzt aber ebenso moglich, daB aIle Mitglieder des Verwaltungsrats gescbaftsfiihrend tatig sind, oder aber daB die Gruppe der geschaftsfiihrenden Mitglieder groGer als die der nicht gescbaftsfiihrenden Mitglieder ist. In diesen Fallen ist gar keine oder nur eine durchsetzungsschwache Oberwachung der Gescbaftsfiihrung institutionalisiert.

Insofem ist im Gegensatz zum Statut 198979 die Gleichwertigkeit der Oberwachungs­systeme im monistischen und dualistischen System nicht mehr zwingend gewahrleistet. Allerdings haben die Mitgliedstaaten jetzt die Moglichkeit, die Organisation von Geschaftsfiihrung und Oberwachung so auszugestalten, daB kaum noch Unterschiede zu der Organisation der nationalen Aktiengesellschaften bestehen.80

3.3.4. Gemeinsame Vorschriften rur das dualistische und das monistische System

Die Amtszeit der Mitglieder in einem Gescbaftsfiihrungs- oder Oberwachungsorgan kann maximal 6 Jahre betragen und ist in der Satzung festzuschreiben. Eine Wiederwahl desselben Mitglieds nach Ablauf seiner Amtszeit ist jederzeit moglich.81 Soweit in der Satzung uber die Modalitaten der BeschluBfassung nichts gesagt wird, mussen bei einer Abstimmung mindestens 50 % der Mitglieder des Organs anwesend sein, und minde­stens 50 % der anwesenden Mitglieder mussen fiir den Antrag stimmen, der zur Ent­scheidung ansteht.82

Das Statut 1991 enthaIt einen detaillierten Katalog zustimmungspflichtiger Geschafte, der uber die Satzung erganzt werden kann. Diese Geschafte konnen zwar vom Leitungs­organ oder von den Gescbaftsfiihrern initiiert werden; es bedarf zu ihrer Durchfiihrung

77 Dem Vorsitzenden wird gem. Art. 76 Abs. 3 a) bei Stimmengleichheit eine Zweitstimme eingeriiumt, so daB das Letztentscheidungsrecht der Anteilseignerseite gewiihrleistet ist.

78 Vgl. Art. 66 Abs. 2. 79 Vgl. zur "Strukturgleichwertigkeit" im Statut 1989: Abeltshauser, T. (Statutsvorschlag 1990) S. 296;

Raiser, T. (Fiihrungsstruktur 1990) S. 205 f. 80 Dies gilt insbesondere fUr GroBbritannien. Fraglich ist allerdings, ob die in einigen Liindern iiblichen,

unternehmungsinternen Priifungsorgane fUr die monistisch organisierte SE iibernommen werden kiln-nen.

81 V gl. Art. 68 Abs. 1 u. 2. 82 Vgl. Art. 76 Abs. 1. u. 2.

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aber der Zustimmung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsorgans.83 Zustimmungspflichtig sollen Investitionen, Untemehmenskaufe und -verkaufe, die Aufl6sung und Errichtung von Betrieben, die Aufnahme und Gewahrung von Krediten sowie der AbschluB von Liefer- und Leistungsvertragen sein, wenn diese Geschafte einen bestimmten Umfang erreichen.84

Neben dieser grundsatzlichen Bestimmung wird es den Mitgliedstaaten angeboten, " ... fur die in ihrem Hoheitsgebiet eingetragenen SE unter den gleichen Bedingungen wie fur die ihrem Recht unterliegenden Aktiengesellschaften die Kategorien von MaBnah­men ... " zu bestimmen, die zustimmungspflichtig sein sollen.85 Dariiberhinaus kann das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan mit der Kompetenz ausgestattet werden, jedes weitere Geschaft fallweise fur zustimmungspflichtig zu erklaren, soweit dies der nationalen Gesetzgebung fur Aktiengesellschaften entspricht.86

Die Hauptversammlung ist gem. Art. 81 auGer bei den explizit im SE-Statut aufgefUhrten Entscheidungen immer dann zustandig, wenn aufgrund der Verordnung, der Mitbestim­mungsrichtlinie, des zwingenden einzelstaatlichen Rechts oder aufgrund der Satzung keinem anderen Organ die Entscheidungskompetenz iibertragen wurde.87 Die im Statut 1991 ausdriicklich erwahnten Zustandigkeiten der Hauptversammlung sind in Anlage 5 zusammengestell t.

Die Hauptversammlung wird grundsatzlich vom Leitungs- oder Verwaltungsorgan einbe­rufen. Dariiberhinaus besteht die M6glichkeit, daB eine Aktionarsgruppe mit einem Anteil von mindestens 10 % des gezeichneten Kapitals die Einberufung beantragt,88 und daB auf einer Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit eine weitere Versammlung beschlossen wird.89

Die Vorschriften zur Organisation und zum Ablauf der Hauptversammlung wurden stark zusammengestrichen, so daB diesbeziiglich vorwiegend das nationale Recht fur Aktien­gesellschaften im Sitzstaat der SE Anwendung findet9O•

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Vgl. Art. 72 Abs. 1. Vgl. Art. 72 Abs. 1 a)-e). In der Satzung ist der Umfang der Geschafte mit einem Prozentsatz zwischen 5 und 25 % yom gezeichneten Kapital bzw. yom Umsatz zu konkretisieren. 1m Vergleich zum Statut 1989 ist positiv zu bemerken, daB die Vielzahl der unbestimmten Rechtsbegriffe durch eine konkrete, iiberpriifbare Aufzlihlung der zustimmungspflichtigen Geschlifte ersetzt wurde. Vgl. Art. 72 Abs. 3. Vgl. Art. 72 Abs. 4. Wenn der deutsche Gesetzgeber sich fiir altbewlihrtes und erprobtes Aktienrecht entscheiden sollte, kann eine SE mit Sitz in Deutschland somit wie die deutsche AG gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG in der Satzung festlegen, welche Geschiifte der Zustimmung des Aufsichtsorgans bediirfen, wobei es dem Aufsichtsorgan moglich ist, jedes andere Geschlift im Bedarfsfall ebenfalls fur zustimmungspflichtig zu erklliren. 1m Gegensatz zu dem Statut 1989 wurde im geiinderten Verordnungsvorschlag auf den Katalog der Entscheidungen, die von der Hauptversammlung zu treffen sind, verzichtet. Stattdessen finden sich ihre Zustlindigkeiten iiber die ganze Verordnung verstreut. Vgl. Art. 83 Abs. 1. Die Satzung kann auch einen niedrigeren Prozentsatz vorsehen. Vgl. Art. 83 Abs. 4. Vgl. Art. 81 a).

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3.4. Mitbestimmung

Es gibt in der politisehen Diskussion iiber das SE-Statut keinen so umstrittenen Bereich wie den der Mitbestimmung,91 was aufgrund der untersehiedliehen Mitbestimmungs­traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten nieht verwundert.92

Die untemehmensbezogenen Mitbestimmungsfragen sind wie eingangs erwabnt in einer Richtlinie geregelt. Es werden grundsatzlieh drei Modelle untersehieden:93

a) Mitbestimmung im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan Hierbei unterseheidet man wiederum das Reprasentationsmodell deutseher Pragung, bei dem die Mitglieder des Aufsiehts- oder Verwaltungsorgans zu einem Drittel und maxi­mal zur Halfte von den Arbeitnehmern bestellt und abberufen werden94 und das Koope­rationsmodell niederlandiseher Pragung, bei dem die Arbeitnehmervertreter vom Auf­sichts- oder Verwaltungsorgan dureh Kooptation bestellt und abberufen werden.95

b) Mitbestimmung iiber ein separates Organ 96

In Anlehnung an das franzosische Modell97 erfolgt die Mitbestimmung hier iiber ein von den Arbeitnehmern gewahltes, separates Organ, das mit Informations- und Auskunfts­rechten ausgestattet wird.

c) Mitbestimmung iiber andere Modelle Hier ist das dem skandinavischen Modell ahnelnde Vereinbarungsmodell98 in Art. 6 Abs. 1-7 zu nennen, bei dem das Leitungs- oder Verwaltungsorgan mit den Arbeitnehmer­vertretern einen Vertrag iiber die Form der Arbeitnehmermitbestimmung absehlieBt. Kommt ein solcher Vertrag nieht zustande, so gilt gem. Abs. 8 das im jeweiligen Staat geltende Standardmodell der Mitbestimmung, in dem aber mindestens die Informations­und Konsultationsreehte der Mitbestimmungsriehtlinie realisiert sein miissen.

Jeder Mitgliedstaat kann entscheiden, ob er den Europaisehen Aktiengesellsehafen in seinem Hoheitsgebiet aIle Varianten anbietet und ihnen somit die Auswahl des Mitbe-

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Vgl. Raiser, T. (Ftihrungsstruktur 1990) S. 212; Horburger, H. (Aktiengesellschaft 1989) S. 11. Dies wird auch anhand der zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die zu diesem Themenbereich verfaBt wurden, deutlich. Vgl. z.B.: Krieger, R. (Gewerkschaftsbund 1977) S. 266-411; Muth, M. (Tariffiihigkeit 1978); Otting, A. (Betriebsverfassung 1981); Schafer, J. (Mitbestimmung 1981); Wagner, K. M. (Arbeitnehmermitbestimmung 1977). So besteht eine Arbeitnehmermitbestimmung tiber die Organe der Aktiengesellschaften in Deutschland und den Niederlanden; GroBbritannien dagegen kennt eine solche Form der gesetzlich verankerten Mitbestimmung nicht und lehnt sie auch kategorisch abo Eine ausfiihrliche Darstellung der Mitbestim­mung in den EG-Staaten ist nachzulesen bei: Otting, A. (Betriebsverfassung 1981) S. 28-113.

93 Vgl. zu den einzelnen Mitbestimmungsmodellen ausfiihrlicher: Armbruster, K. (Modell-Diskussion 1989) S.13; Braun, W. (Management 1991) S.6O-62; Mayden, B. von (Regeln 1990) S. 442-447; Raiser, T. (Fiihrungsstruktur 1990) S. 210-214; Dreher, M. (Sockellosung 1990) S. 476-478; Nagel, B. (Erosion 1990) S.207-212.

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Vgl. Art. 4 Abs. 1 Mitbestimmungsrichtlinie. Es erfolgt keine Abstufung nach Mitarbeiterzahlen so wie in Deutschland! Vgl. Art. 4 Abs. 2 Mitbestimmungsrichtlinie . Vgl Art. 5 Mitbestimmungsrichtlinie. Vgl. Nagel, B. (Erosion 1990) S. 208; Wagener, M. (Aktiengesellschaft 1990) S. 472. Vgl. Nagel, B. (Erosion 1990) S. 208.

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stimmungsmodells iiberUiBt, oder ob er ihnen ein bestimmtes Modell vorschreibt. Trotz­dem die SE eine supranationale Rechtsform darstellen solI, ist es offensichtlich, daB diese Modelle hinsichtlich der EinfluBmoglichkeiten der Arbeitnehmer auf die Geschiiftspolitik starke Unterschiede aufweisen.

Hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung wird in Art. 10 der Mitbestim­mungsrichtlinie auf das nationale Recht im Sitzstaat der SE verwiesen.99

Es ist zu vermuten, daB es zwischen den Europaischen Aktiengesellschaften mit Sitz in den verschiedenen Mitgliedstaaten ebensolche Unterschiede hinsichtlich der Mitbe­stimmung geben wird, wie dies zwischen nationalen Aktiengesellschaften schon jetzt der Fall ist. Dennoch ist diese LOsung als kleinster gemeinsamer Nenner zum jetzigen Zeit­punkt sicherlich die einzig realistische Variante, die auf eine Akzeptanz bei allen Mitgliedstaaten hoffen laBt.

3.5. Rechnungslegung, Priifung und Publizitat

3.5.1. Rechnungslegung

Der JahresabschluB der SE besteht aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie einem Anhang.1OO Diese Unterlagen konnen in der jeweiligen Landeswahrung oder in ECU aufgestellt werden.101 1m Anhang sind entsprechende Angaben fiber die Fremd­wahrungsumrechnung zu machen.102

Generell gel ten fUr die Erstellung des Einzelabschlusses und des Lageberichts der SE die Vorschriften der Bilanzrichtlinie und fUr die Erstellung des konsolidierten Abschlus­ses sowie des konsolidierten Lageberichts der SE die Vorschriften der KonzernabschluB­richtlinie.103 Ausgenommen sind die in Art. 101 Abs. 3 a) und Art. 106 Abs. 2 namentlich aufgefUhrten Artikel der oben erwahnten Richtlinien. Soweit in der Bilanzrichtlinie auf einzelstaatliches Recht Bezug genommen wird, gilt dies als ein Verweis auf das nationale Recht des Sitzstaates der SE.104 Mitgliedstaatenwahlrechte der Richtlinien werden grundsatzlich zu Unternehmenswahlrechten der SE.105 Die in den Richtlinien nicht gere-

99 Vgl. zu den nationalen Bestimmungen hinsichtlich der Mitbestimmung und Mitwirkung der Arbeit­nehmer auf der betrieblichen Ebene: Niedenhoff, H. -U. (Divergenzen 1990) und (Divergenzen 1991).

100 Vgl. Art. 101 Abs. 1. 1m Rahmen dieser Arbeit wird nur die Handelsbilanz behandelt. Vgl. zur Proble­matik der Steuerbilanz der SE in Deutschland: Radder, T. (Bilanzierung II 1991).

101 Vgl. zur Schwierigkeit der Fremdwahrungsumrechnung in einem JahresabschluJ3 in ECU: Riese, J. (Markt 1989) S. 155 ff.

102 Vgl. Art. 101 Abs. 1 a) und Art 106 Abs. 1 a). 103 Vgl. bzgl. des Einzelabschlusses Art.101 Abs.2 und bzgl. des konsolidierten Abschlusses Art.106 Abs.1. 104 Vgl. Art. 101 Abs. 2 a). " 105 Vgl. hierzu ausfiihrlich Radder, T. (Bilanzierung I 1991) S. 202 f.; Haller, Axel

(JahresabschluJ3erstellung 1990) S. 1574 f.

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gelten Bereiche miissen aufgrund fehlender europaischer Grundsatze ordnungsmaBiger Buchfiihrung (GoB) nach den jeweiligen nationalen Gesetzen und den nationalen GoB des Staates, in dem die SE ihren Sitz hat, entschieden werden.106

Die Generalnorm ist in Art. 2 Abs. 3 der Bilanzrichtlinie festgeschrieben, wonach der lahresabschluB ein den tatsachlichen Verbaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens­Finanz- und Ertragslage vermitteln muB. Diese Generalnorm dient - wie das angelsach­sische Prinzip des "true and fair view" - als "overriding principle"107, d.h. sie verpflichtet den Ersteller einer Bilanz dazu, von den Vorschriften der Bilanzrichtlinie abzuweichen, wenn dies zur Vermittlung eines den tatsachlichen Verbaltnissen entsprechenden Bildes der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage erforderlich iSt.108

Hinsichtlich einiger Ansatz- und Bewertungsvorschriften ergeben sich neue Moglichkei­ten im Vergleich zum nationalen Recht:

Ansatzvorschriften In Art. 101 Abs. 3 c) S. 2 wird es der SE ausdriicklich gestattet, von den Optionen in Art. 9, 10, 18, letzter Satz, 20 Abs. 2 und 21, letzter Satz, der Bilanzrichtlinie Gebrauch zu machen. Die Formulierung der Bilanzrichtlinie, daB diese Posten aktiviert werden kon­nen, "soweit die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ... " dies gestatten, 109 stellt ein indi­rekt formuliertes Mitgliedstaatenwahlrecht dar, das grundsatzlich zu einem Un­temehmenswahlrecht der SE wirdYo Durch die Einfiigung von Art. 101 Abs. 2 a) in das Statut 1991 konnte die Formulierung in Art. 9 und 10 der Bilanzrichtlinie allerdings auch als Verweis auf das nationale Recht des Sitzstaates der SE angesehen werden. Dann konnte die SE von diesen Optionen nur Gebrauch machen, wenn das nationale Bilanz­recht ihres Sitzstaates dies gestattet. Damit ware aber auch Art. 101 Abs. 3 c) iiberfliissig geworden, so daB davon auszugehen ist, daB die Kommission diese Wahlrechte uneinge­schrankt an die SE weitergeben wollte. Die SE kann insofem, im Gegensatz zur deut­schen AG, unter Vorbehalt11l die folgenden Wahlrechte der Bilanzrichtlinie nutzen:

Wahlrecht zur Aktivierung der Aufwendungen fiir die Errichtung und Erweiterung des Untemehmensll2

Wahlrecht zur Aktivierung von Forschungs- und Entwicklungskosten113

Wahlrecht zur Aktivierung selbsterstellter, immaterieller Vermogensgegen­stand~114

106 Vgl. Haller, A. (JahresabschluBerstellung 1990) S. 1575; Rodder, T. (Bilanzierung 11991) S. 203 f. 107 Vgl zurn angelsachsischen True and fair view ausfiihrlich: Hoffmann, K. -J. ("True and fair view" 1988). 108 Vgl. Art. 2 Abs. 5 S. 1 u. 2 der Bilanzrichtlinie. Vgl. ebenso: Haller, A. (JahresabschluBerstellung 1990)

S.1576. 109 Vgl. z.B. Art. 9.C.I.l der Bilanzrichtlinie. 110 Vgl. zum Statut 1989 ebenso Haller, A. (JahresabschluBerstellung 1990) S. 1576; Rodder, T.

(Bilanzierung I 1991) S. 205. 111 Eine Kliirung dieses Widerspruchs ware wiinschenswert. 112 Vgl. Art. 9.E. und lD.E. der Bilanzrichtlinie. 113 Vgl. Art. 9.C.I.1. und lD.C.I.1. der Bilanzrichtlinie. 114 Vgl. Art. 9.C.I.2 b) und 10.C.I.2 b) der Bilanzrichtlinie.

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Wahlrecht zur Passivierung von Aufwandsriickstellungenl15

Wahlrecht zum Ausweis der antizipativen RAP unter den Sonstigen Vermogens­gegensUinden oder Verbindlichkeiten.116

Dariiberhinaus kann die SE von dem Bilanzierungswahlrecht flir latente Steuem gem. Art. 43 Abs. 1 Nr. 11 der Bilanzrichtlinie Gebrauch machen.ll7

Bewertungsvorschritlen Grundsatzlich gilt auch flir die SE das Anschaffungs- und Herstellungkostenprinzip.us Allerdings wird der SE fiber Art. 101 Abs. 3 e) S. 3 und 4 die Moglichkeit eingeraumt, davon abweichende, hOhere Wertansatze zu wahlen, soweit der JahresabschluB damit ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt. 1m einzelnen sind dies die folgenden Bewertungsmoglichkeiten:119

die Bewertung des abnutzbaren Sachanlagevermogens und der Vorrate zu Wie­derbeschaffungskosten,

die Anwendung anderer Bewertungsmethoden zur Beriicksichti­gung der Geidentwertung120

die Neubewertung der Sach- und Finanzanlagen.

Die Differenz zwischen dies en Werten und den niedrigeren historischen Anschaffungs­und Herstellungskosten ist in eine Neubewertungsriicklage einzustellen.l2l Uber die konkrete Ausgestaltung der Bewertungsmethode ist im Anhang ausflihrlich zu berich­ten.122 Dariiberhinaus unterliegt die SE dem strengen Wertaufholungsgebot der Art. 39 Abs. 1 d) und 35 Abs. 1 c) dd) der Bilanzrichtlinie.123

115 VgI. Art. 20 Abs. 2 der Bilanzrichtlinie. 116 V gI. Art. 18, letzter Satz, und 21, letzter Satz, der Bilanzrichtlinie. 117 Gem. Art. 10 Abs. 2 gilt dieses Unternehmenswahlrecht rur aIle SE. 118 V gI. Art. 101 Abs. 3 e) S. 2, der inhaltlich mit Art. 32 der Bilanzrichtlinie ubereinstimmt. 119 VgI. Art. 33 Abs. 1 a) bis c) der Bilanzrichtlinie. 120 VgI. zu den verschiedenen Methoden zur Berucksichtigung der Geldentwertung: Coenenberg, A. G.

(Rechnungslegung 1975) S. 113-120. 121 VgI. Art. 33 Abs. 2 der Bilanzrichtlinie. Die Neubewertungsrucklage dient weniger dem Konzept der

Kapitalerhaltung als vielmehr dem Ziel einen "true and fair view" auch in Zeiten hoherer Inflation zu gewiihrleisten. VgI. ebensot Holtmann, M. (Bilanzierung 1989) S. 137 f.

122 V gl. Art. 101 Abs. 3 e) S. 5: 123 Gem. Art. 101 Abs. 2 gilt das Wertaufholungsgebot rur aIle SE.

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3.5.2. Priifung

Eine SE ist grundsatzlich priifungspflichtig124, es sei denn, sie ist eine kleine Kapitalge­sellschaft.12S Priifungsgegenstand sind der JahresabschluB und der Lagebericht.126

Als Priifer kommen die im jeweiligen Sitzstaat der SE fUr nationale Aktiengesellschaften zugelassenen Personen in Frage.127 1m Statut 1989 war noch jede in einem EG-Mitglied­staat gem. Priiferbefahigungsrichtlinie zugelassene Person zur Priifung der SE berechtigt. Da fUr die Priifung des Jahresabschlusses der SE nicht nur Kenntnisse der Bilanzricht­linie, sondem auch Kenntnisse des nationalen Bilanzrechts und der nationalen GoB erforderlich sind, hat der nationale Wirtschaftspriifer gegeniiber seinen auslandischen Berufskollegen sicher die bessere Qualifikation zur Priifung des Jahresabschlusses der SEe Auf der anderen Seite batte die SE bei einer Regelung gemaB Statut 1989 auch Katalysatorwirkung fUr die Entwicklung eines europaischen Berufsstandes mit einheit­lichen Berufsgrundsatzen gehabt.128 Das Priifungsergebnis ist in einem AbschluBbericht zusammenzufassen.

3.5.3. Publizitat

Der festgestellte JahresabschluB und Lagebericht sowie der Bericht des AbschluBpriifers sind offenzulegen. Das Verfahren der Offenlegung richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen des Sitzstaates der SE.129 Da eine SE aIle Optionen des Art. 47 der 4. Richtlinie in Anspruch nehmen darfl3O, gelten fUr kleine und mittelgroBe Gesellschaften viele Erleichterungen bei der Veroffentlichung: Eine mittelgroBe SEl31 kann einen ver­kiirzten JahresabschluB offenlegen.132 Eine kleine SE kann ganz auf die Veroffentlichung der Gu V, des Lageberichts und des AbschluBberichts verzichten oder nur einen verkiirz­ten J ahresabschluB offenlegen.133

3.6. Steuern

Um eine Diskriminierung im Verbaltnis zu den Kapitaigesellschafien des innerstaat­lichen Rechts zu vermeiden, wurde kein eigenes Steuerrecht fUr die SE geschaffen. Sie unterliegt grundsatzlich dem nationalen Steuerrecht ihres Sitzstaates.l34 Eine SE mit Sitz

124 Vgl. Art. 103 Abs. 1. 125 V gl. zu den Gro/3enkriterien der Bilanzrichtlinie Anlage 6. 126 Vgl. Art. 103 Abs. 1. 127 VGI. Art. 103 Abs. 1. 128 Vgl. hierzu Haller, A. (Jahresabschlu/3priifung 1990) S. 589. 129 Vgl. Art. 104 Abs. 1. Zwar kann die SE gem. Abs. 2 alle Erleichterungen des Art. 47 der Bi1anzrichtIinie

nutzen; frag1ich erscheint es aber, ob dies auch fiir die Befreiung von der Veroffentlichung des Lagebe­richts gilt, da Art. 47 Abs. 1 S. 2 der Bilanzricht1inie nur ein indirekt formuliertes Mitgliedstaa­tenwahlrecht darstelIt und somit unter Umstanden aIs ein Verweis auf nationales Recht gewertet wer­denmuB.

130 V gl. Art. 104 Abs. 2. 131 Vgl. zu den GroJ3enkriterien der Bilanzrichtlinie Anlage 6. 132 Vgl. Art. 47 Abs. 2 der Bilanzrichtljnie. 133 Vgl. Art. 47 Abs. 3 der Bilanzrichtlinie. 134 Vgl. Kommission der Europiiischen Gemeinschaften (Statut 1988) S. 17.

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in Deutschland ist als Kapitalgesellschaft insofem unbeschrankt korperschaftsteuer­pflichtig.13S

Nur noch Art. 133 enthalt eine steuerliche Regelung. Darin wird bestimmt, daB die SE einen negativen Saldo aus der Gesamtsumme der Ergebnisse ihrer europaischen Betriebsstatten mit ihrem Gewinn verrechnen kann. In den darauffolgenden Jahren muB flir den Fall, das diese Betriebsstatten Gewinne erzielen, der zuvor abgezogene Betrag im Sitzstaat der SE nachversteuert werden.136 Es wird in Art. 133 Abs. 4 ausdriicklich darauf verwiesen, daB die Anwendung dieser Vorschriften in Staaten, in denen ein Dop­pelbesteuerungsabkommen mit Anrechnungssystem vorliegt, freiwillig erfolgt. Somit richtet sich die Vorschrift an die SE mit Sitz in Staaten, in denen ein Betriebsstatten­verlust wegen der Anwendung der Freistellungsmethode nicht verrechnet werden kann. Grundsatzlich entspricht die Vorschrift dem § 2 a Abs. 3 und Abs. 4 EStG, so daB sich flir SE mit Sitz in Deutschland kaum Unterschiede zur AG ergeben.137 Soweit der Vor­schlag flir eine Richtlinie zur Beriicksichtigung auslandischer Verluste138 verabschiedet wird, wird auch diese letzte steuerliche Vorschrift iiberfliissig werden.

4. Schlu8betrachtung

Von der urspriinglichen, ehrgeizigen Zielsetzung, eine supranationale Rechtsform mit einer einheitlichen Rechtsgrundlage zu schaffen, ist im Statut 1991 durch die zahlreichen Verweise auf nationales Recht nur noch am Rande etwas zu spiiren.

Das Statut 1991 wird durch die Kreuzung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht statt einer einheitlichen zwolf verschiedene Europaische Aktiengesellschaften ins Leben rufen, 139 die aber auf der anderen Seite in keinem Mitgliedstaat wie Fremdkorper wir­ken, sondem sich gut in das nationale Recht einpassen.

Dariiberhinaus ermoglicht die SE erstmals eine grenziiberschreitende Fusion, erleichtert den Zugang zum europaischen Kapitalmarkt, bietet - bei entsprechender Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten - neue Formen der Spitzenorganisation, schafft ein garan­tiertes Minimum an europaischer Arbeitnehmermitbestimmung und erleichtert in Teil­bereichen die Rechnungslegung europaischer Konzeme.

Besonders hervorzuheben ist auch das psychologische Element: Es erleichtert die Zusammenarbeit von zwei nationalen Gesellschaften erheblich, wenn man sich bei der rechtlichen Organisation nicht auf die Rechtsform des einen oder anderen Staates, son­dem auf eine europaische Rechtsform einigen kann. 1m iibrigen ist es flir das Image einer Untemehmung iiberaus positiv, wenn schon der Rechtsforrnzusatz auf die europa-

135 vgl. ebenso: ROdder, T. (Bilanzierung IT 1991) S. 235. 136 Vgl. zur steuerlichen Behandlung der SE ausfiihrlicher: Knobbe-Keuk, B. (Behandlung 1990); Radder,

T. (Bilanzierung IT 1991) S. 234-239. 137 Vgl. ebenso: Rodder, T. (Bilanzierung II 1991) S. 238. 138 Vgl. Anlage 7. 139 Vgl. ebenso: o.V.: Handelsblatt (Mitbestimmungsregelung 1991).

180

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weite Tatigkeit und Internationalitat des Unternehmens hinweist, denn: "Die Societas Europaea wird als Symbol fUr den gemeinsamen Markt angesehen."140

Insofern ist die Einfiihrung einer Europaischen Aktiengesellschaft grundsatzlich zu begriiBen. Der zur Realisierung der SE erforderliche politische Wille141 scheint dariiber­hinaus vorhanden zu sein, so daB mit einer fristgerechten Verabschiedung des Statuts gerechnet werden kann.142 Die Akzeptanz in der Wirtschaft wird zeigen, inwieweit sie den Bediirfnissen der Unternehmungen tatsachlich entspricht.

140 Gleichmann, K. (Uberblick 1988) S. 165. 141 Vgl. ebenso Gleichmann, K. (Uberblick 1988) S. 165. 142 Vgl. o.V.: Handelsblatt (Bangerriann 1991); Dies zeigte auch die breite Zustimmung im

Europaparlament, vgl. o.V: Handelsblatt (Vorschliige 1991).

181

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Anlagen

Anlage 1

Anlage 2

Anlage 3

Anlage 4

Anlage 5

Anlage 6

Anlage 7

182

Verordnungsvorschlage und Richtlinienentwiirfe zum Statut flir eine Europaische Aktiengesellschaft

Richtlinien, auf die im Statut 1991 Bezug genommen wird

Das Eigenkapital der nationalen Aktiengesellschaften in Europa

Nennwertaktien und Quotenaktien der nationalen Aktiengesellschaften

Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung gem. Statut 1991

GroBenkriterien der Societas Europaea und der deutschen Aktien­gesellschaft im Vergleich

Richtlinien und Richtlinienvorschlage, die die Besteuerung der SE betref­fen und auf die im Rahmen der Arbeit Bezug genommen wird

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Anlage 1

VerordnungsvorschHige und Richtlinienentwiirfe zum Statut fUr eine Europaische Aktiengesellschaft

Zitierweise

Statut 1970

Statut 1975

Statut 1989

Mitbestim­mungsricht­linie 1989

Verordnungs-, Richtlinienvorschlag

Vorschlag flir eine Verordnung (EWG) des Rates tiber das Statut der Europaischen Aktien gesellschaft v. 30.6.1970 Bulletin der Europaischen Gemeinschaften, Sonderbei lage 8/1970;BT-OS VI/1109.

Geanderter Verordnungsvorschlag tiber das Statut flir Europaische Aktiengesellschaften v. 30.04.1975

Vorschlag flir eine Verordnung (EWG) des Rates tiber das Statut der Europaischen Aktien geseHschaft v. 25.8.1989

Vorschlag flir eine Richtlinie des Rates zur Erganzung des SE­Statuts hinsichtlich der SteHung der Arbeitnehmer v. 25.8.1989

FundsteHen

OOK. KOM (70)150 endg.;ABlEG Nr. C 124 v. 10.10.1970

OOK. KOM (75) 150 endg.; Bulletin der Europaischen Gemeinschaften, Beilage 4/75;BR-OS 372/75; BT-OS VII/3713; Lutter, Marcus (Gesellschaftsrecht 1984) S.363-442.

OOK. KOM (89) 268 endg. -SYN 218;ABlEG Nr.C 263 v. 16.10.1989, S. 41-68; BT-OS 11/5427; BR-OS 488/89; Bulletin der Europaischen Gemeinschaften, Beilage 5/1989, S.37-69; Lutter, Marcus (Unter nehmensrecht 1991) S. 561-588;AG, 35. Jg.(1990), H. 3, S.111-128.

OOK. KOM (89) 268 - SYN 219;ABlEG Nr. C 263 v.16.10.1989, S. 69 - 72; BT-OS 11/5427; BR-OS 488/89; Bulletin der Europaischen Gemeinschaften, Beilage 5/1989, S. 71-74; Lutter, Marcus (Unterneh­mensrecht 1991) S. 533-536; AG, 35. Jg.(1990), H. 3, S.128-130.

183

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Zitierweise

Statut 1991

Mitbestim­mungsricht­linie 1991

Anlage 2

Verordnungs-, Richtlinienvorschlag

Geanderter Vorschlag fUr eine Verordnung (EWG) des Rates fiber das Statut der Europaischen Aktiengesellschaft v. 22.5.1991:

Geanderter Vorschlag fUr eine Richtlinie des Rates zur Ergiinzung des SE-Statuts hinsichtlich der SteI lung der Arbeitnehmer v. 6.5.1991

Richtlinien, auf die im Statut 1991 Bezug genommen wird

Zitierweise

Publizitats­richtlinie

Kapital­ricntlinie

Fusions­richtlinie

Bilanz­richtlinie

Konzem­abschluB­richtlinie

184

Richtlinie

1. Richtlinie (68/151/EWG) yom 9. Marz 1968

2. Richtlinie (77 /91/EWG) yom 13.12.1976

3. Richtlinie (78/855/EWG) yom 9.10.1978

4. Richtlinie (78/660/EWG) yom 25.7.1978

7. Richtlinie (83/349/EWG) yom 13.6.1983

Fundstellen

DOK. KOM (91) 174-2 endg.- SYN 218 ABlEG Nr. C 176/1 v. 8.7.1991, S. XXX

DOK. KOM (91) 174 endg. - SYN219; ABlEG Nr. C 138 v.29.5.91, S. 8-17.

Fundstellen

ABlEG Nr. L 65 v.14.3.1968; Lutter, Marcus (Unter nehmensrecht 1991) S.163-166.

ABlEG Nr. L26 v.31.l.1977,S. 1 ff.; Lutter, Marcus (Unter­nehmensrecht 1991) S.173-183.

ABlEG Nr. L 295 v.20.10.1978, S. 36 ff; Lutter, Marcus (Unter­nehmensrecht 1991) S.191-197.

ABlEG Nr. L222 v.14.8.1978, S. 11 ff.; Lutter, Marcus (Unter­nehmensrecht 1991) S.207-225.

ABlEG Nr. L 193 v.18.7.1983, S.l ff.; Lutter, Marcus (Unter­nehmensrecht 1991) S.257-271.

Page 185: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Zitierweise Richtlinie Fundstellen

Priifer- 8. Richtlinie (84/253/EWG) ABlEG Nr. L 126 befahigungs- yom 10.4.1984 v.12.5.1984, S. 20 ff. richtlinie Lutter, Marcus (Unter-

nehmensrecht1991) S.273-278.

Bankbilanz- Richtlinie (86/635/EWG) ABlEG Nr. L 372 richtlinie yom 8.12.1986 v.31.12.1986, S. 1 ff.

Lutter, Marcus (Unter-nehmensrecht 1991) S.443-460.

Richtlinie zur Richtlinie (77/187 /EWG) ABlEG Nr. L 61 Wahrungder yom 14.2.1977 v.5.3.1977 S. 26 ff.; Arbeitnehmer- Lutter, Marcus (Unter-anspriiche nehmensrecht 1991)

S.515-518.

Richtlinie zur Richtlinie (89/48/EWG) ABlEG Nr. L 19 gegenseitigen yom 21.12.1988 v.24.1.1989, S. 16 ff. Anerkennung der Hochschul-diplome

Spaltungs 6. Richtlinie (82/891/EWG) ABlEG Nr. L 378 richtlinie yom 17.12.82 v.31.12.1982, S. 47 ff;

Lutter, Marcus (Unter nehmensrecht 1991) S.249-255.

Struktur- Zweiter geanderter Vorschlag ABlEGNr. C7 richtlinie einer 5. gesellschaftsrecht v. 11.1.1991, S. 4 ff.

lichen Richtlinie yom 13.12.1990

Mutter/ Richtlinie (90/435/EWG) des Rates ABlEG Nr. L 225 Tochter- yom 23. Juli 1990 liber das gemein- v. 20.8.1990, S.6-9. Richtlinie same Steuersystem der Mutter- und

Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten

Richtlinie zur Vorschlag fUr eine Richtlinie des DOK KOM(90) 571 endg.; BesteuerunJ Rates liber die gemeinsame Steuer- ABlEG Nr. C 53 v. 28.2.91, vonZinsen regelung fUr Zahlungen von Zinsen 34. Jg., S. 26-29; Lizenzen und Lizenzgeblihren zwischen BR-DS 95/91.

Mutter- und Tochtergesellschaften schaften verschiedener Mitglied staaten

185

Page 186: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Anlage 3

Das Eigenkapital der nationalen AktiengeseUschaften in Europa

Mindest Mindestkapital ~pital

Landes in Landes- m Land wabrung wahrung ECU

Belgien BFR 1.250.000 29.590

Danemark DKR 300.000 37.771

Deutschland DM 100.000 48.768

Frankreich* FF 1.500.000 214.973 Frankreich FF 250.000 35.829

Griechenland* DRA 10.000.000 44.134 Griechenland DRA 5.000.000 22.067

GroBbritannien UKL 50.000 71.510

Irland IRL 30.000 39.103

Italien UT 200.000.000 130.244

Luxemburg LFR 1.250.000 25.950

Niederlande HFL 100.000 43.258

Portugal ESC 5.000.000 28.419

Spanien PES 10.000.000 77.866

* Anforderungen an bOrsennotierte Aktiengesellschaften

Quellen: Dornhaus, Germa (Unterschiede 1988) S. 464 - 468.

186

Rowland, Peter (France 1989) S. 96. Rowland, Peter (Luxembourg 1990) S. 96. Rowland, Peter (Italy 1989) S. 124. Rowland, Peter (Portugal 1990) S. 118. Rowland, Peter (Netherlands 1989) S. 112.

Gegenwert desECU yom 6.8.1991 QueUe: Handelsblatt

42,24

7,94

2,05

6,98 6,98

226,58 226,58

0,70

0,77

1.535,58

42,24

2,31

175,94

128,43

Page 187: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Anlage 4

Nennwertaktien und Quotenaktien der nationalen Aktiengesellschaften

Mindest-nenn- Mindest- Gegenwert betrag nenn- des ECU

Quoten Nennwert in Landes- betrag vom 6.8.1991 Land

Landes wahrung Aktien Aktien wabrung in ECU Quelle: Handelsblatt

Belgien BFR ja ja 42,24

Danemark DKR nein ja 7,94

Deutschland DM nein ja 50 24,38 2,05

Frankreich + FF nein ja 100 14,33 6,98 Frankreich FF nein ja 10 1,43 6,98

Griechenland DRA nein* ja 100 0,44 226,58

GroBbritannien UKL nein ja 0,70

Irland IRL nein ja 0,77

Italien LIT nein ja 1000 0,65 1.535,36

Luxemburg LFR ja ja 50 1,18 42,24

Niederlande HFL nein ja 2,31

Portugal ESC nein ja 1000 4,33 175,94

Spanien PES nein ja 128,43

* Nennwertlose Aktien konnen in der Satzung ausdriicklich vorgesehen sein, aber grundsatzlich sind sie nicht erlaubt

+ Anforderungen an borsennotierte Aktien

Quellen: Hirte, Heribert (Nennwert 1991) S. 754 f. Rowland, Peter (France 1989) S. 96. Rowland, Peter (Luxemborg 1990) S. 105. Rowland, Peter (Protugal 1990) S. 105. Rowland, Peter (Greece 1989) S. 120.

187

Page 188: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

AnlageS

Entscbeidungskompetenzen der Hauptversammlung gem. Statut 1991

Artikel im Statut 1991

Art. 41 Abs. 1

Art. 45 Abs. 1

Art. 43 Abs. 1

Art. 97 Abs. 1

Art. 44 Abs. 3

Art. 115

Art. 63 Abs. 2

Art. 66 Abs. 3

Art. 78 Abs. 2

Art. 82 Abs. 3

Zustandigkeit

KapitalerhObung

Kapitalberabsetzung

Schaffung von genehmigtem Kapital

erforderlicbe Mebrbeit der abgegebenen Stimmen

3/4-Mebrbeit(Art.97)

3/4-Mebrbeit (Art. 97)

3/4-Mebrbeit (Art. 97)

Satzungsanderungen 3/4-Mebrbeit (Art. 97)

Bescbriinknng des Bezugsrecbts 3/4-Mehrbeit (Art. 97)

Aufiosung der Gesellschaft

Bestellung/ Abberufung der Mitglieder des Aufsicbtsorgans

Bestellung/ Abberufung der Mitglieder des Verwaltungs organs

Erbebung der Haftungsklage

BeschluB fiber den Jabresab­schluB und die Verwendung des Bilanzgewinns sowie BescbluB fiber den Lagebericbt143

3/4-Mehrbeit (Art. 97)

nur einfacbe Mebrbeit zu­lassig (Art. 94 Abs 1 und 2)

nur einfacbe Mebrbeit zu­lassig (Art. 94 Abs.1 und 2)

mindestens einfacbe Mehr­beit (Art. 94 Abs. 1)

mindestens einfacbe Mehr­heit (Art. 94 Abs. 1)

143 Eine SE mit dualistischer ~rganisation kann gem. Art.82 Abs.4 fiber die Satzung auch dem Leitungs­und Aufsichtsorgan die Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses fibertragen.

188

Page 189: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Anlaae 6

GroBenkriterien der Societas Europaea und der deutschen Aktiengesellschaft im Vergleich

(gem. Art. 11 und 27 der Bilanzrichtlinie bzw. §267 HGB)

Bilanzsumme Nettoumsatzerlose Beschaftigte

Kleine SE bis 1,55 Mill. ECU bis 3,20 Mill. ECU bis50

KleineAG bis 3,90 Mill. DM bis 8,00 Mill. DM bis 50

Mittlere SE 1,55 bis 6,2 Mill. ECU 3,20 bis 12,80 Mill. ECU 51- 250

MittlereAG 3,90 bis 15,50 Mill. DM 8,00 bis 32,00 Mill. DM 51- 250

GroBeSE > 6,20 Mill. ECU > 12,80 Mill. ECU >250

GroBeAG > 15,50 Mill. DM > 32,00 Mill. DM >250

Anlage 7

Richtlinien und Richtlinienvorschlage, die die Besteuerung der SE betreffen, und auf die im Rahmen der Arbeit Bezug genommen wurde

Zitierweise

Fusions­besteuerungs­richtlinie

Richtlinie zur Beriicksich­tigung auslandischer Verluste

Verordnungs-, Richtlinienvorschlag

Richtlinie (90/434/EWG) des Rates yom 23. Juli 1990 tiber das gemein­same Steuersystem fUr Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Untemehmensteilen und den Aus­tausch von Anteilen, die Gesell­schaften verschiedener Mitglied­staaten betreffen

Vorschlag fUr eine Richtlinie des Rates tiber eine Regelung fUr Untemehmen zur Beriicksichtigung der Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten belegenen Betriebs­statten und Tochtergesellschaften

Fundstellen

ABIEG Nr. L225 v.20.8.1990, S.1-5.

DOK KOM(90) 595 endg.; ABlEG Nr. C 53 v. 28.2.91, S. 30-34; BR-DS 95/91.

189

Page 190: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

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190

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191

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DMade? Die wahrungspolitischen Beschliisse von Maastricht

PROF. DR. PETER ROHMANN

VOLKSWIRTSCHAFTLICHES SEMINAR

UNIVERSITAT G01TlNGEN

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Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung

2. Okonomische Uberlegungen zur Bildung einer Wiihrungsunion

2.1. Vor- und Nachteile einer Wiihrungsunion

2.2. Teilnehmerkreis

2.3. Ausrichtung der Geldpolitik

3. Die wiihrungspolitischen Beschliisse von Maastricht im Lichte der 6konomischen Uberlegungen

3.1. Die SteHung der Europiiischen Zentralbank

3.2. Konvergenzkriterien

4. Zu den Zukunftsaussichten der Europiiischen Wiihrungsunion

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

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1. Vorbemerkung

DM ade? - Miissen die Deutschen 1997, spatestens aber Anfang 1999 auf die ihnen ver­traut gewordenen DM-Banknoten verzichten? Diese Frage wird im vierten Abschnitt dieses Beitrags aufgenommen; zuvor sollen die wahrungspolitischen Beschliisse von Maastricht aus der Sicht eines Wirtschaftswissenschaftlers beurteilt werden. Zwar wer­den dabei auch juristische und sozialwissenschaftliche Argumente einbezogen; sie stehen aber nicht im Mittelpunkt der Uberlegungen.

In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur findet sich eine Diskussion iiber die Bil­dung von Wahrungsunionen. Hiermit beschaftigt sich Abschnitt 2. Es folgt dann der Ver­such, auf dieser Grundlage die wahrungspolitischen Beschliisse von Maastricht zu beur­teilen. Den AbschluG bilden Uberlegungen zu den Zukunftsaussichten der Europaischen Wahrungsunion, womit der Bogen zu der im Titel gestellten Frage geschlagen wird.

Der Vertrag von Maastricht stellt nicht den ersten Anlauf dar, urn im Rahmen der Euro­paischen Gemeinschaft zu einer Wahrungsunion zu gelangen. Vor gut zwanzig Jahren sah der sogenannte 'Werner-Plan' vor, daB die Europaische Gemeinschaft im Endzu­stand einen Raum bilden sollte, in dem sich der Personen-, Giiter-, DienstIeistungs- und Kapitalverkehr frei und ohne Wettbewerbsverzerrungen entfaIten kann. Dariiber hinaus sollte ein eigenstandiges Wahrungsgebiet geschaffen werden, in dem die nationalen Wahrungen, sofern sie dann noch existieren, unbehindert getauscht werden k6nnen, und zwar zu einem festen, unveranderlichen Wechselkurs. Damit ist beschrieben, was unter einer Wahrungsunion zu verstehen ist. Es handeIt sich urn ein Wahrungsgebiet mit meh­reren Nationalstaaten. In diesem Gebiet muB nicht unbedingt eine Gemeinschaftswah­rung geIten. Sofern noch nationale Wahrungen existieren, miissen sie aber ungehindert und ohne jedes Wechselkursrisiko gegeneinander austauschbar sein.

Auf der Grundlage des Werner-Plans beschloB der Ministerrat der Gemeinschaft im Jahre 1971 einen Stufenplan zur Vollendung der Wirschafts- und Wahrungsunion bis zum Jahre 1980 (vgl. Adebahr 1978, S. 468). Das Schicksal dieses Planes ist bekannt. Mit dem Vertrag von Maastricht wird jetzt ein zweiter Anlauf unternommen, dessen Aus­gang zur Zeit noch offen ist.

2. Okonomische Uberlegungen zur Bildung einer Wahrungsunion

2.1. Vor- ond Nachteile einer Wahrungsunion

Aus einer Untersuchung der Vor- und Nachteile, die die Bildung einer Wahrungsunion aus 6konomischer Sicht hat, lassen sich Bedingungen rur die Teilnahme und Anforde­rungen an die Geldpolitik im Rahmen einer Wahrungsunion ableiten.

Bei der Besprechung der 6konomischen Folgen einer Wahrungsunion (vgl. Jar­chow/Riihmann 1993, S. 305ff.; Willms 1992, S. 179ff.) solI zunachst auf ihre Vorteile eingegangen werden. Wer eine Reise von einem Land der Gemeinschaft in ein anderes unternimmt, kann aus eigener Anschauung den Hauptvorteil wiirdigen, den die Bildung einer Wahrungsunion bringt. Heute muG der Reisende seine eigene Wahrung in die Wahrungseinheit des anderen Landes umtauschen. Dies ist mit Kosten verbunden, die

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an einem Beispiel veranschaulicht werden konnen. Angenommen, der Reisende plane eine Fahrt nach Frankreich, tausche dazu franzosische Franc gegen DM ein, miisse aber diese Reise plotzlich absagen und tausche deshalb die franzosischen Franc wieder in DM zuriick. Nach AbschluB dieser Transaktionen hat er zu den An- und Verkaufskursen, die am 8. Februar 1993 galten, 5,7% seines anfanglichen DM-Budgets eingebiiBt. Hatte bereits eine Wahrungsunion bestanden, waren diese Kosten nicht angefa11en. Die Spanne zwischen Verkaufs- und Ankaufskurs franzosischer Banknoten in Hohe von 5,7 % zeigt also die Transaktionskosten, die der Kunde eines Kreditinstituts beim Umtausch von Bargeld zu tragen hat.

Nicht nur der Umtausch von Banknoten, sondern auch der bargeldlose Zahlungsverkehr ist innerhalb Europas mit hohen Kosten verbunden. Nach einer Untersuchung der euro­paischen Verbraucherverbande erreichten die Gebiihren fiir Dberweisungen im Schnitt 14 %, in Einzelfallen bis zu 39 %. Zum Vergleich: Im inlandischen Zahlungsverkehr sind es im Schnitt nur 0,4 %. Dberdies wird berichtet, daB die Dberweisungen Wochen oder gar Monate unterwegs waren (SZ, Nr. 24 yom 30./31. Januar 1993, S. 24).

Neben den Transaktionskosten ist im internationalen Zahlungsverkehr noch ein Wech­selkursrisiko zu tragen. Erwirbt jemand eine fremde Wahrung und wird diese kurz dar­auf abgewertet, dann hatte er fiir seinen DM-Betrag einen entsprechend hoheren Betrag an italienischer Lira, englischem Pfund usw. erhalten, wenn er nur kurze Zeit gewartet hatte. Das Risiko, das sieh aus Wechselkursanderungen ergibt, fiihrt ebenso wie die Exi­stenz der Transaktionskosten dazu, daB im Zweifel wirtschaftliche Transaktionen vorge­zogen werden, die die Grenzen eines Wahrungsgebietes nieht iiberschreiten. Anders ausgedriickt, behind ern an den Wahrungsgrenzen Transaktionskosten und Wechse1kurs­risiko den internationalen Austausch von Giitern, Diensten und Kapital.

Durch die Bildung einer Wahrungsunion wird das Wechselkursrisiko ausgeschaltet. Solange aber nationale Wahrungen bestehen bleiben, ist immer noch ein Geldumtausch erforderlich, der mit Transaktionskosten verbunden ist. Die Erfahrungen sprechen dafiir, daB diese Transaktionskosten zuriickgehen, wenn das Wechselkursrisiko beseitigt wird. Festzuhalten ist also, daB die Bildung einer Wahrungsunion den internationalen Giiter-, Dienstleistungs- und Kapitalaustausch fordert, weil sie das Wechse1kursrisiko ausschaltet und die Transaktionskosten vermindert.

Worin liegen nun die Nachteile bei der Bildung einer Wahrungsunion? Kurz gefaBt lie­gen sie aus der Sieht eines einzelnen Landes in dem Verlust an wahrungspolitischer Autonomie. Unter Wahrungsp'olitik sollen hier nicht nur die geldpolitischen MaBnah­men der Zentralbank wie die Anderung von Leitzinsen verstanden werden, sondern auch die Wechselkurspolitik, die iiblicherweise in die Verantwortung der Regierung ra11t. Zunachst wird auf die Griinde fiir den Fortfall der wahrungspolitischen Autonomie ein­gegangen, ehe ihre Auswirkungen zu behandeln sind.

Der Verzieht auf Wechselkursanderungen ist Geschaftsgrundlage einer Wahrungsunion und braucht deshalb nicht naher besprochen zu werden. Warum ist aber in einer Wah­rungsunion eine nationale Geldpolitik ausgeschlossen?

Die Antwort so11 hier kurz skizziert werden. Sobald in einer Gemeinschaft die Wah­rungsgrenzen fallen, sind die Geld- und Kapitalmarkte nicht mehr getrennt. Zinsunter­schiede ergeben sieh dann nur noch aus der Fristigkeit einer Anlage und aus der Bonitat

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der einzelnen Schuldner, nicht aber aus der fUr das Schuldverhiiltnis gewahlten Wah­rung, sofern iiberhaupt noch nationale Wahrungen existieren. Anders ausgedriickt gibt es in der Gemeinschaft kein deutsches oder franzosisches Zinsniveau mehr; das deutsche kann nicht iiber oder unter dem franzosischen Zinsniveau liegen. Jeder Versuch dazu ist zum Scheitern verurteilt, solange die Wahrungsunion besteht und glaubwiirdig ist.

Wenn man akzeptiert, daB in einer Wahrungsunion eine eigenstandige Wahrungspolitik der Mitgliedslander nicht mehr moglich ist, dann stellt sich als zweites die Frage, auf welchen Gestaltungsspielraum ein Land somit verzichtet, wenn es Mitglied einer Wah­rungsunion wird. Die Beantwortung dieser Frage solI hier nur mit Blick auf die Moglich­keiten zur Beeinflussung von Beschaftigung und Preisniveau erfolgen, den beiden wich­tigsten makrookonomischen ZielgroBen.

Zunachst ist festzuhalten, daB ganz allgemein die beschaftigungspolitischen Wirkungen der Geldpolitik heftig umstritten sind. Insbesondere wird bezweifelt, daB eine expansive Geldpolitik, eine Politik des leichten Geldes, dauerhaft eine Beschaftigungsausweitung herbeifUhren kann (vgl. Cassel/Thieme 1992, S. 304ff.). Diese Zweifel verstarken sich, wenn eine offene, mit anderen Uindern wirtschaftlich stark verflochtene Volkswirtschaft betrachtet wird (vgl. Hauser 1992, S. 162f.). Selbst wenn dieses Land auBerhalb einer Wahrungsunion bleibt, sind ihm fUr einen geldpolitischen Sonderweg enge Grenzen gesetzt. So ruft eine durch die Geldpolitik ausgelOste Zinssenkung, wenn sie in einem Land isoliert erfolgt, Kapitalabflusse und damit ein Defizit in der Devisenbilanz hervor. Bei einer energisch betriebenen Zinssenkungspolitik ist letztlich eine Abwertung der betreffenden Wahrung unvermeidlich.

Auf den ersten Blick wirkt es so, als ob die durch eine expansive Geldpolitik ausgeloste Abwertung fUr die erhoffte Beschaftigungswirkung eher fOrderlich ist. Mit der Abwer­tung verbilligen sich im Regelfall die inlandischen Guter in Auslandswahrung; umge­kehrt werden die auslandischen Guter in heimischer Wahrung teurer. Damit erhOht sich die Wettbewerbsfahigkeit der inlandischen Produzenten auf Kosten der Auslandskon­kurrenz; Produktion und Beschaftigung im Inland werden angeregt. In einer interna­tional stark verflochtenen, also sehr offenen Volkswirtschaft lost allerdings die abwer­tungsbedingte Verteuerung der importierten Guter schnell einen allgemeinen Lohn- und Preisauftrieb aus. Damit wird der abwertungsbedingte Preisvorteil der inlandischen Pro­duzenten bald wieder beseitigt; statt einer Beschaftigungszunahme ergibt sich nach rela­tiv kurzer Zeit hauptsachlich ein Preisauftrieb als Folge des Versuchs, eigenstandig eine expansive Ausrichtung der Geldpolitik vorzunehmen. Frankreich hat Anfang der achtzi­ger Jahre entsprechende Erfahrungen gemacht; ob GroBbritannien jetzt einen besseren Erfolg ~rzielt, wird die Zukunft zeigen.

An dieser Stelle ist eine Zwischenbemerkung angebracht. Die hier gezogenen Schliisse iiber die Beschaftigungswirkungen beruhen auf der Annahme, daB ein Land geldpolitisch einen Sonderweg geht. Wenn ihm aber die anderen mit ihm verflochtenen Volkswirt­schaften auf diesem Weg folgen, dann muB es nicht mit einer Abwertung seiner Wah­rung und der dadurch ausgelosten Verstarkung des Preisauftriebs rechnen. Die Aussicht auf eine Ausweitung von Produktion und Beschaftigung verbessert sich somit. In diesem Fall handelt es sich letztlich urn eine Vorform zu einer Wahrungsunion, in der ein Land dominiert. Die Frage, ob es fUr 4as dominierende Land nicht gftnstiger ist, bei dieser Vorform zu bleiben, ist getrennt zu sehen von der Grundsatzfrage nach den Vor- und Nachteilen der Mitgliedschaft in einer Wahrungsunion.

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Als Zwischenergebnis UiBt sich festhalten, daB in einer Wahrungsunion eine eigenstan­dige Geldpolitik einzelner Mitgliedsstaaten ausgeschlossen ist. Sofem ein Land mit anderen wirtschaftlich eng verflochten ist, steHt dies beschaftigungspolitisch keine starke Einschrankung dar; denn auf die Beschaftigung hatte dann das Land auch auGerhalb einer Wahrungsunion mit seiner Geldpolitik im Regelfall nur einen geringen EinfluB.

Die Inflationswirkungen der Geldpolitik wurden bereits kurz angesprochen. Einem Land auGerhalb einerWahrungsunion ist es moglich, sieh durch Wechselkursanderungen von der intemationalen Inflationsentwicklung abzukoppeln. 1st beispielsweise die Geldpolitik im Inland starker als im Ausland auf die Bekampfung von Preissteigerungen ausgerich­tet, dann ist eine Politik des knappen Geldes erforderlich und die Zentralbank muG gegebenenfalls ihre Leitzinsen erhOhen. Falls dies isoliert geschieht, wird Kapital in das betreffende Land einflieBen. Ein UberschuB in der Devisenbilanz ruft Aufwertungs­tendenzen hervor, sobald die Abweichung zwischen in- und auslandischer Geldpolitik eine bestimmte Grenze iiberschreitet. Durch die Aufwertung der heimischen Wahrung verbilligen sich tendenziell die aus dem Ausland importierten Produkte in Inlands­wahrung; auf jeden Fall verteuern sie sich nicht so stark wie im Ausland selbst. Erst die Aufwertung ermoglicht es iiberhaupt, daB die inlandische Inflationsrate nennenswert unter der auslandischen bleibt; denn anderenfalls wiirde sieh der Preisauftrieb fUr importierte Produkte auf das heimische Lahn- und Preisniveau iibertragen.

Insgesamt laBt sieh festhalten, daB die Preisgabe der wahrungspolitischen Eigenstandig­keit in einer Wahrungsunion auf jeden Fall den Nachteil hat, daB ein einzelnes Mit­gliedsland die Hohe seiner Inflationsrate nieht mehr selbst bestimmen kann. Unter beschaftigungspolitischen Gesiehtspunkten ist hingegen ein differenziertes Urteil ange­bracht. Ein Land, das mit anderen Landern wirtschaftlieh eng verflochten ist, lei stet mit der Mitgliedschaft in einer Wahrungsunion in beschaftigungspolitischer Sieht keinen schwerwiegenden Verzieht, da die beschaftigungspolitischen Wirkungen der Geldpolitik in dieser Lage eher gering einzuschatzen sind.

2.2. Teilnehmerkreis

Nach den hier angestellten Uberlegungen wiegen die Vorteile einer Wiihrungsunion am stiirksten bei Landern, die wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind. Diese Lander gewinnen am meisten aus der Verringerung der Transaktionskosten und dem Wegfall des Wechselkursrisikos bei den grenziiberschreitenden Transaktionen; unter beschiifti­gungspolitischen Gesiehtspunkten schliigt der Verzieht auf eine eigenstandige Wiih­rungspolitik am geringsten zu Buche. Fiir Lander, die mit den iibrigen Mitgliedem einer Wahrungsunion nur verhiHtnismiiBig geringe Wirtschaftsbeziehungen unterhalten, gilt das Umgekehrte. Hingegen wirkt sich der Verzieht auf die M6glichkeit, eine Politik der Inflationsbekiimpfung eigenstandig durchzufUhren, im Prinzip fUr aHe Lander gleich aus. Demnach weist eine Wiihrungsunion um so geringere Vorteile auf, je mehr Lander ein­bezogen werden, die mit den iibrigen Mitgliedsstaaten nur in geringem MaB verflochten sind.

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2.3. Ausrichtung der Geldpolitik

Wie erlautert, wird in einer Wahrungsunion die nationale Geldpolitik der einzelnen Mitgliedslander durch eine gemeinschaftliche Geldpolitik abgelost. Damit stellt sich die Frage, wie es sich rechtfertigen laBt, eine iibemationale Geldpolitik einzufiihren, ohne gleichzeitig der Europaischen Gemeinschaft insgesamt einen bundesstaatlichen Charak­ter zu geben. Anders ausgedriickt geht es urn die Frage, ob nicht eine gemeinschaftliche Geldpolitik nur im Rahmen einer gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik sinnvoll ist. Bei der Beantwortung dieser Frage kann man auf Uberlegungen zuriickgreifen, mit denen ganz allgemein die Unabhiingigkeit der Geldpolitik von der Regierung eines Landes begriindet wird (vgl. Engel 1984). Eine derartige Unabhiingigkeit laBt sich letztlich nur dann rechtfertigen, wenn die Geldpolitik eine klar abgegrenzte eigenstandige Aufgabe hat, die unabhiingig von tagespolitischen Erfordernissen festgelegt ist. Nach Lage der Dinge kann diese Aufgabe nur die Wahrung der Preisniveaustabilitat sein. Hierfiir spre­chen mehrere Griinde.

Zunachst ist zu beachten, daB die Vermeidung von Inflation, also die Bewahrung der Preisniveaustabilitat, nach allgemeiner Auffassung ein wiinschenswertes Ziel darstellt. Uberdies herrscht weitgehend Einigkeit dariiber, daB die Geldpolitik am besten dazu geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Andererseits bestehen erhebliche Zweifel daran, ob eine zur Inflation fiihrende Geldpolitik auf Dauer positive Beschiiftigungswirkungen hat. Dernzufolge kann ein Konsens iiber die Unabhangigkeit der Geldpolitik, wenn iiberhaupt, nur dann gefunden werden, wenn der Geldpolitik die Aufgabe zugewiesen wird, Preisniveaustabilitat zu wahren.

Es laBt sich festhalten, daB eine Wahrungsunion eine gemeinschaftliche Geldpolitik erfordert. Diese kann in ihrer Durchflihrung dann unabhangig von anderen Gemein­schaftsorganen erfolgen, wenn sie auf das Ziel der Preisniveaustabilitat verpflichtet wird.

3. Die wahrungspgIitischen Beschliisse von Maastricht im Lichte okonomischer Uberlegungen

3.1. Die Stellung der Europaischen Zentralbank

1m zweiten Abschnitt des Beitrags wurden aus okonomischen Uberlegungen zur Wahrungsunion Folgerungen flir den Teilnehmerkreis und fiir die Ausrichtung der gemeinschaftlichen Geldpolitik gezogen. Jetzt geht es darum, hieran die Maastrichter Beschliisse zu beurteilen. Zunachst solI auf die Folgerungen fiir die Geldpolitik einge­gangen werden.

Fiir die gemeinschaftliche Geldpolitik ist nach dem Vertrag von Maastricht ein fOderativ aufgebautes europaisches System der Zentralbanken (ESZB) mit einer Europaischen Zentralbank (EZB) zustandig (zu den Regelungen vgl. Vertrag iiber die Europaische Union; Jarchow/Riihmann 1993, S. 323ff.).

Zu den Aufgaben der EZB gehOrt insbesondere die Festlegung und Ausflihrung der Geldpolitik. Als zentrales Entsclieidungsorgan bestimmt der Rat der EZB die Geldpoli­tik der Gemeinschaft, wah rend dem Direktorium ihre Ausfiihrung obliegt. Oem Rat der

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EZB gehOren neben den Mitgliedem des Direktoriums die Pdisidenten der nationalen Zentralbanken an. AusschlieBlich die EZB hat das Recht, in der Gerneinschaft die Aus­gabe von Banknoten zu genehmigen. Die EZB verfiigt iiber die iiblichen Instrumente einer Zentralbank wie z.B. die Offenmarktpolitik. Nicht ihr, sondem dern Ministerrat steht aber das Recht zu, Wechselkursbindungen gegeniiber DrittUindem einzugehen. Dies entspricht der Aufgabenverteilung, die in Deutschland zwischen Bundesbank und Regierung festgelegt ist.

1m Vertrag von Maastricht sind Regelungen getroffen, urn die Unabhangigkeit der Europaischen Zentralbank zu sichem. So ist im Artikel 107 vorgeschrieben, daB weder die Europaische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch einzelne Mitglieder Weisungen von den Mitgliedsstaaten oder der Europaischen Gemeinschaft selbst entgegennehmen diirfen. Erganzend ist im Artikel 109a festgelegt, daB die Mitglieder des Direktoriums flir eine einmalige Amtszeit von acht Jahren ernannt werden, urn zu verhindem, daB der Blick auf eine mogliche Wiederwahl zu politischen Riicksichtnahmen flihrt. Allerdings ist die Emennung der Prasidenten der nationalen Zentralbanken, die ja auch Mitglieder im Rat der Europaischen Zentralbank sind, nicht so eindeutig festgelegt. Insgesamt ist aber die Unabhangigkeit der Europaischen Zentralbank durch den Vertrag von Maastricht klarer geregelt als die Unabhangigkeit der Bundesbank im Bundesbankgesetz; dieses laBt beispielsweise die Wiederwahl der Mitglieder im Zentralbankrat zu.

Die Aufgabe des ESZB ist im Artikel105 des EG-Vertrags niedergelegt. Dort heiSt es wortlich: "Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilitat zu gewahrleisten. Soweit dies ohne Beeintrachtigung des Zieles der Preisstabilitat moglich ist, unterstiitzt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft. .. ". Diese Regelung ist klarer als im Bundesbankgesetz, wo im Paragraphen 3 das " ... Ziel, die Wahrung zu sichem ... " etwas vage festgelegt ist.

Der EZB und den nationalen Zentralbanken ist es nach Artikel 104 untersagt, Kredite an die Gemeinschaft, an die nationalen Regierungen oder an sonstige offentliche Stellen zu gewahren oder Schuldtitel von diesen direkt zu erwerben. Hierin kommt die Einsicht zum Tragen, daB durch das Verbot der Finanzierung von Haushaltsdefiziten der Druck der Regierungen und der Gemeinschaft in Richtung auf eine inflationar wirkende Geld­politik entscheidend gemildert wird.

An dieser Stelle laBt sich ein Fazit zu den rechtlichen Regelungen ziehen. 1m Vertrag von Maastricht ist eine gemeinschaftliche Geldpolitik beschlossen worden, die von nationalen Regierungen und Gemeinschaftsorganen unabhangig ist. Die EZB hat die flir eine Geldpolitik erforderlichen Befugnisse. Mit der Aufgabe, Preisniveaustabilitat zu gewabrleisten, ist ihr genau diejenige Aufgabe zugewiesen, die nach den Uberlegungen des vorgangegangenen Abschnitts einzig die Unabhangigkeit der Geldpolitik rechtfertigt. Die Regelungen im Vertrag, insgesamt gesehen, sind klarer als ihr Gegenpart im Bun­desbankgesetz. Uberdies sind diese Regelungen vertraglich abgesichert, konnen also von den Vertragsparteien nur einvemehmlich geandert werden, wahrend die Stellung der Bundesbank auf einem Gesetz beruht, das sich vom Gesetzgeber vergleichsweise leicht neu fassen laBt. Insgesamt kann das Urteil gefallt werden, daB das Statut iiber das Euro­paische Zentralbankensystem die Bedingungen flir eine auf Stabilitat ausgerichtete Geld- und Wahrungspolitik erfiillt (vgl. Schlesinger 1992, S. 1).

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Trotz der rechtlichen Festlegungen wird von den Kritikern des Vertrags die Fahigkeit der EZB in Frage gestellt, die Sicherung der Preisniveaustabilitat tatsachlich zu gewahr­leisten (vgl. o.V. Die wahrungspolitischen Beschliisse von Maastricht; Neumann 1992, S. 13). Der Hauptgrund fiir die Kritik liegt wohl darin, daB es zweifelhaft erscheint, ob eine Ausrichtung der Geldpolitik auf das Ziel der Preisniveaustabilitat durch rechtliche Regeln allein gesichert werden kann. Die Unterstiitzung dieses Ziels durch die offentliche Meinung ist iiber diese rechtliche Regelungen hinaus erforderlich, da anderenfalls die EZB, wenn sie allein dasteht, im Konfliktfall iiberfordert ist. Von den Kritikern der Maastrichter Beschliisse wird bezweifelt, daB in der Gemeinschaft hieriiber ein ausreichender Konsens erreicht ist. Fiir eine derartige Einschatzung lassen sich insbesondere zwei Griinde anfiihren.

Zum einen sind die Deutschen auch heute noch von den katastrophalen Inflationserfah­rungen Anfang der zwanziger Jahre gepragt; den iibrigen Mitgliedern der Europaischen Gemeinschaft sind aber diese Erfahrungen erspart geblieben. Zum anderen erschweren Sprachbarrieren in der Europaischen Gemeinschaft erheblich die Herausbildung einer gemeinsamen offentlichen Meinung. Beispielsweise informieren sich nur wenige Deut­sche direkt in franzosischen Zeitungen oder anderen franzosischen Medien; umgekehrt gilt das gleiche. Hingegen existieren in Deutschland wie in Frankreich geniigend Medien mit jeweils nationaler Reichweite.

Nun laBt sich dieser Kritik entgegenhalten, daB die Teilnahme an der Europaischen Wahrungsunion nur bei Erfiillung der sogenannten Konvergenzkriterien moglich ist. Es ist also zu priifen, ob nicht die Erfiillung dieser Kriterien durch die Mitgliedsstaaten als Zeichen gewertet werden kann, daB in den an einer kiinftigen Europaischen Wahrungsunion beteiligten Uindern der Konsens iiber den Vorrang der Preisniveaustabilitat bereits erreicht worden ist.

3.2. Konvergenzkriterien

Die Staats- und Regierungschefs der EG treffen bis spatestens Ende 1998 auf der Grundlage der folgenden Konvergenzkriterien die Entscheidung dariiber, welche Mit­gliedslander die fiir den Beitritt zur Wahrungsunion erforderlichen Voraussetzungen erfiillt haben. Die Konvergenzkritierien beinhalten (Artikel109j in Verbindung mit dem entsprechenden Protokoll):

Die Inflationsrate liegt im letzten Jahr vor der Uberpriifung urn hOchstens 1,5 Pro­zentpunkte iiber der Inflationsrate jener - hOchstens drei - Mitgliedsstaaten, die bei der PreisstabiliHit das beste Ergebnis erzielt haben;

der langfristige Zinssatz liegt im letzten Jahr vor der Uberpriifung urn hOchstens 2 Prozentpunkte iiber dem entsprechenden Zinssatz jener eben genannten Mitglieds­staaten;

eine Entscheidung des Ministerrats iiber ein iibermaBiges Haushaltsdefizit liegt nicht vor; fiir eine derartig~ Entscheidung sind zwei Referenzwerte maBgebend, narnlich ein laufendes Haushaltsdefizit von hOchstens 3 % des Bruttoinlands­produkts sowie ein Schuldenstand von hochstens 60 % des Bruttoinlandsprodukts;

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das betreffende Land hat seit mindestens zwei Jahren im EWS die normalen Band­breiten ohne Abwertung gegeniiber einem anderen Mitgliedsland eingehalten.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Konvergenzkriterien ist im Rahmen dieses Beitrags nicht moglich. Deshalb solI sich die ErHiuterung auf zwei dieser Kriterien kon­zentrieren; etwas ausfUhrlicher wird dann die Kritik an den Kriterien behandelt.

Die Fesdegung von Obergrenzen fUr Haushaltsdefizite und Staatsschuld ist wichtig, urn einem Konflikt zwischen einer auf Preisniveaustabilitat ausgerichteten Geldpolitik und davon abweichenden budgetpolitischen Interessen der Regierungen nach Moglichkeit von vornherein vorzubeugen. Deshalb erscheint die vorherige Beseitigung iibermiilliger Haushaltsdefizite sinnvoll.

Der Blick auf die langfristigen Zinssatze ist angebracht, weil diese im Regelfall Inflati­onserwartungen widerspiegeln. Deshalb geben sie wertvolle Informationen zur Frage, inwieweit Erfolge bei der Inflationsbekampfung als dauerhaft anzusehen sind.

Nach diesen knappen Bemerkungen zur Erlauterung sollen jetzt bei der Kritik die fol­gende Punkte herausgestellt werden.

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Fiir die Hohe der Inflationsrate ist keine absolute Grenze festgelegt (z. B. 3%), son­dem nur eine relative im Vergleich der Mitgliedslander untereinander. Sind die Inflationsraten am Beginn der Wahrungsunion hoch, dann gerat die EZB sofort in das Dilemma, entweder mit einer Politik der Inflationsbekampfung starten zu miis­sen oder das Ziel der Preisniveaustabilitat zunachst zumckzustellen. Beides ist nach­teilig. ErfahrungsgemaB besteht bei einer Politik der Inflationsbekampfung die Gefahr hoher Anpassungskosten in Form von BeschaftigungseinbuBen. Damit kann die Zentralbank unter politischen Druck geraten, wenn sie sich fUr eine energische Politik der Inflationsbekampfung entscheidet. Stellt sie andererseits anfanglich das Ziel der Preisniveaustabilitat zuriick, dann ist die Glaubwiirdigkeit der EZB bei der Inflationsbekampfung in Frage gestellt.

Die Kriterien enthalten Interpretationsspielraume. So lassen sich MutmaBungen damber anstellen, was die Formulierung "die Inflationsrate jener - hochstens drei -Mitgliedsstaaten" genau bedeuten solI. Bedeutet sie den Durchschnitt? Wenn ja, warum steht dies dann nicht so im Vertrag?

Der Rat der Gemeinschaft in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungs­chefs besitzt bei der Entscheidung dariiber, welche Lander die Voraussetzungen fUr die EinfUhrung einer einheitlichen Wahrung erfUllen, einen Ermessensspielraum. Das Verfahren ist zu kompliziert, als daB es hier im einzelnen dargestellt werden konnte. Nur soviel sei festgehalten. Die Kommission und das Europaische Wah­rungsinstitut berichten dem Ministerrat, inwieweit unter den Mitgliedslandem ein hoher Grad an Konvergenz erreicht ist. MaBstab hierfUr sind die Konvergenzkri­terien. Auf dieser Grundlage erfolgt dann eine Empfehlung des Ministerrats. Verse­hen mit der Stellungnahme des Europaischen Parlaments gehen diese Empfehlun­gen an den Rat der Qemeinschaft in der Zusammensetzung der Staats- und Regie­rungschefs, der dann seine Entscheidung unter "gebiihrender Bemcksichtigung" der Berichte und Stellungnahmen trifft. Allein schon die Formulierung "unter gebiihren-

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der Beriicksichtigung" zeigt deutlich den Ermessensspielraum des Rates. Dieser Ermessensspielraum wird dann zu einem Problem, wenn bis Ende 1998 nur einige wenige Under die Konvergenzkriterien erfiillen, wenn sich also an dem Zustand von 1991 wenig geandert hat, wo nur Danemark, Frankreich und Luxemburg die Konvergenzkriterien erfiillt haben (vgl. Deutsche Bundesbank 1992, S. 8). In einer solchen Situation steht der Rat vor dem Dilemma, entweder die Wabrungsunion nur mit einer Minderheit der Mitgliedslander zu beginnen oder die Konvergenzkriterien aufzuweichen.

Nach den Uberlegungen des Abschnitts 2 ist es nachteilig, daB die wechselseitige wirtschaftliche Verflechtung auf die Entscheidung fiber die Teilnahme an der Wah­rungsunion unmittelbar keinen EinfluB hat.

In der Zusammenschau zeigt sich, daB auch nach der vertraglichen Vereinbarung der Konvergenzkriterien die MaBstabe flir die Entscheidung fiber die Teilnahme an der Eu­ropaischen Wahrungsunion nicht vollkommen feststehen. Dies ist sowohl in einigen noch ausstehenden Festlegungen bei der Operationalisierung der Kriterien begriindet als auch in dem Ermessensspielraum, der dem Rat der Gemeinschaft zugestanden ist.

4. Zu den Zukunftsaussichten der Europaischen Wahrungsunion

"OM ade?" - So lautet die im Titel dieses Beitrags gestellte Frage. Das Schicksal der OM hangt nicht nur von der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht ab, sondem auch von der Erfiillung der Konvergenzkriterien durch die beteiligten Under in der zweiten Halfte der neunziger Jahre sowie von den Konsequenzen, die der Rat der Gemeinschaft aus einer moglichen Verfehlung dieser Kriterien ziehen wird. Zum heutigen Zeitpunkt laBt sich keine begriindete Aussage fiber die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht treffen, da Danemark und GroBbritannien diesen Schritt noch nicht vollzogen haben.

Auch wenn der Vertrag in Kraft tritt, erfolgt der weitere Ablauf nicht zwangslaufig, wie bei der Besprechung der Konvergenzkriterien deutlich wurde. Die Art, wie der Rat der Gemeinschaft seinen Ermessensspielraum nutzen wird, hangt sicherlich nicht zuletzt davon ab, wie sich die Offentliche Meinung in den beteiligten Undem entwickelt. Des­halb sollte meines Erachtens fiber einige Themen eine intensivere offentliche Diskussion geflihrt werden, die nicht nur dariiber mitentscheiden kann, ob die DM fiberhaupt abgeschafft wird oder nicht, sondem auch dariiber, mit welchen Kosten gegebenenfalls. der Verzicht auf die nationale Wahrung verbunden ist. Nach meinem heutigen Wissensstand scheinen mir die folgenden Punkte wichtig zu sein:

Die Konvergenzkriterien mfissen operationalisiert werden. Beispielsweise sollte die genaue Entscheidung dariiber, welche Positionen beim Haushaltsdefizit und bei der Hohe der Staatsschuld einzubeziehen sind, nicht allein den Vertretem von Regierungen und Kommission fiberlassen bleiben, sondem offentlich diskutiert werden.

Nach meiner Auffassung sollt'e auf eine strenge Erfiillung der Konvergenzkriterien gedrungen werden. Damit ist nicht gemeint, daB sie bis auf die letzte Kommastelle

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genau zu erfiillen sind; aber bei ihrer Auslegung sollte kein ernsthafter Ermessens­spielraum verbleiben. Insbesondere muB sichergestellt werden, daB die Inflationsdif­ferenzen unter den beteiligten Undern die angegebene Spanne von 1,5 Prozent­punkten nieht wesentlieh ubersehreiten. Anderenfalls wiirde die gemeinsehaftliehe Geldpolitik bereits zu Beginn unter Spannungen geraten, da dann eine Politik der Inflationsbekampfung rur die einzelnen Undern aufgrund der untersehiedliehen Ausgangslage unterschiedliehe Konsequenzen batte.

Wenn die Konvergenzkriterien streng angewandt werden, ist nach heutigem Wissensstand zu erwarten, daB neben Danemark und GroBbritannien, denen im Vertrag rur die Teilnahme an der Wahrungsunion eine Ausnahmeregelung zuge­standen wurde, noeh weitere Under an der Wahrungsunion nicht teilnehmen wer­den, weil sie namlich die Voraussetzungen nicht erfiillen. Damit steht dann die Mogliehkeit eines Europas der untersehiedliehen Gesehwindigkeiten zur Diskussion. Diese Mogliehkeit entspricht zwar nicht den offiziellen Zielvorstellungen, ist aber realistiseherweise auf dem wahrungspolitisehen Gebiet die Konsequenz des Vertrags von Maastricht, sofern die Konvergenzkriterien ernst genommen werden.

Wie bereits erlautert, kann sich fur die EZB selbst dann eine Dilemmasituation ergeben, wenn aIle teilnehmenden Under die Konvergenzkriterien erfiillen. Dies ware der Fall, wenn die beteiligten Under eine zwar weitgehend ubereinstimmende, aber vergleichsweise hohe Inflationsrate aufweisen, wenn also die Wahrungsunion als Inflationsgemeinsehaft startet. Sollte sich eine derartige Entwieklung tatsaehlieh abzeichnen, dann muBte meines Erachtens rechtzeitig ein Einvernehmen dariiber hergestellt werden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, daB die gemeinsehaftliche Geldpolitik an ihrem Beginn mit der Wahl zwischen zwei Ubeln belastet wird, namlich zwischen der AuslOsung zusatzlieher Arbeitslosigkeit oder dem Verlust an Glaubwiirdigkeit bei der Inflationsbekampfung.

5. Zusammenfassung

Aufgrund der okonornisehen Uberlegungen wurde hier herausgestellt, daB die Bildung einer Wahrungsunion den internationalen Austausch von Waren, Diensten und Kapital fordert, weil sie die Transaktionskosten verringert und das Wechselkursrisiko ausschal­tet. Eine Wahrungsunion erfordert eine gemeinschaftliche Geldpolitik, also den Verzicht auf geldpolitisehe EigensHindigkeit der Mitgliedsstaaten. Unter bescbaftigungspoli­tischen Gesichtspunkten ist diese Entscheidung dann nieht als sehwerwiegend einzu­stufen, wenn nur wirtschaftlich eng miteinander verflochtene Staaten an der Wahrungs­union beteiligt sind. Allerdings bedeutet die Teilnahme an einer Wahrungsunion in jedem Fall den Verzieht auf die M6gliehkeit, die H6he der Inflationsrate selbst zu bestimmen. Die Ubertragung dieser Kompetenz auf eine von den Regierungen der Komrnission unabbangige EZB verlangt eine klar abgegrenzte eigenstandige Zielsetzung rur die gemeinschaftIiche Geldpolitik. Ober diese Zielsetzung muB weitgehend Konsens bestehen. Wenn uberhaupt, dann kann ein derartiger Konsens nur dahingehend erreicht werden, daB die Geldpolitik PreisniveaustabiliHit zu gewahrleisten hat. 1m Vertrag von Maastricht sind die hierrur erforderlichen rechtIiehen Regelungen getroffen; es bestehen

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aber Zweifel daran, ob diese Zielsetzung in vielen Undem der Gemeinsehaft tatsaehlieh von einer weitgehenden Zustimmung getragen wird.

FUr die Teilnahme an der Wahrungsunion setzen die Konvergenzkriterien die ungefahre Obereinstimmung bei Inflationsrate und langfristigem Zinssatz, absolute Obergrenzen bei Haushaltsdefizit und Staatssehuld sowie die volle Teilnahme am EWS voraus, jeweils fUr ein bzw. zwei Jahre. Allerdings haben naeh dem Vertrag die Staats- und Regierungs­chefs einen Ermessensspielraum bei der Entseheidung dariiber, welehe Under die Vor­aussetzungen fUr die Teilnahme an der Wahrungsunion erfiillen. Selbst wenn sie sieh dabei streng an die Konvergenzkriterien halten, ist nieht vollig auszusehlieBen, daB die Wahrungsunion als eine Inflationsgemeinsehaft beginnt. Ein derartiger Start wiirde die EZB von vornherein in eine starke Dilemmasituation bringen. In diesem Fall miiBte das weitere Vorgehen intensiv diskutiert werden. Eine intensive Diskussion ist aueh aus den anderen von mir genannten Grunden erforderlieh, damit die Gemeinsehaft nieht unvor­bereitet ist, wenn die fUr den Obergang zur Wahrungsunion noeh ausstehenden Ent­seheidungen getroffen werden miissen.

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Literaturverzeicbnis

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Wettbewerbsfahiger durch Allianzen: Illusion oder Wirklichkeit?

IAN WALSH

IAN WALSH CONSULTING

WIESBADEN

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Treibende Kriifte

3. Vor- und Nachteile Strategischer Allianzen

4. Beispiele flir Allianzen

5. Griinde flir das Scheitern von Allianzen

6. Alternativen zur Allianzbildung

7. Konsequenzen flir das Management von Allianzen

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1. Einleitung *

Der Begriff Allianz ist fUr viele gedanklich mit langfristigen Strategien zur Bewaltigung herausragender Aufgaben verbunden. Die Bildung von Allianzen gerade zwischen GroBuntemehmen wird in der Wirtschaftspresse deshalb auch gem in schillemden Far­ben dargestellt. Doch nur selten wird der Weg einer Allianz fiber die Entstehungsphase hinaus weiterverfolgt.

Bei genauem Hinsehen und empirischer Priifung von Allianzen im Zeitablauf verblaBt jedoch allzu haufig dieser positive Ersteindruck. Nur ein geringer Prozentsatz dieser Untemehmensverbindungen dauert langer als ein paar Jahre. 1m Rfickblick sind die weitaus meisten Allianzen weniger erfolgreich und gewinnbringend verlaufen, als anfangs geplant. Es stellt sich damit nicht nur die Frage, ob die These der erhohten Wettbewerbsfahigkeit durch Kooperation tatsachlich Allgemeingiiltigkeit besitzt, son­dem auch, welche Faktoren die Entwicklung einer Allianzbeziehung positiv oder negativ beeinflussen.

Es solI deshalb im folgenden, ausgehend von einer Beschreibung der treibenden Krafte zur Bildung von Allianzen, auch der Versuch einer Erfolgsprognose fUr neugegriindete Kooperationen und der Herausarbeitung kritischer Erfolgsfaktoren untemommen wer­den. Der Begriff Allianz wird dabei sehr weit definiert und umfaBt alle Arten der Kooperation, Ubemahme und Joint Venture.

2. Treibende Krafte

Ein wesentlicher Faktor, der die Bildung von Allianzen begiinstigt, ist sicherlich die in vielen Markten zu beobachtende erhOhte Unsicherheit und Schnelligkeit des Wandels (siehe zu diesen Kraften: Abbildung 1). Gerade in sehr stark technologisch orientierten Branchen wie der Unterhaltungselektronik, des Flugzeugbaues oder der Biochemie ist das Risiko, eine fehlerhafte Geschaftsentscheidung zu treffen, groBer geworden. In vielen Branchen betragt der strategische Horizont haufig nur noch 2 - 3 Jahre. In diesen Markten erhOhen sich durch immer kompliziertere Technologien die Entwicklungs­kosten teilweise so rasant, daB sich diese enormen Aufwendungen nur noch fiber den friihzeitigen Eintritt in den Massenmarkt amortisieren konnen. Die Verlockung, die hohen Entwicklungskosten und das Risiko auf mehere Untemehmen zu verteilen, ist groB. Es bleibt dabei allerdings zu fragen, ob es tatsachlich globale Produkte gibt. AuBer dem Flugzeugbau und Zirkusdarbietungen kennt der Autor kaum wirklich weltweit gleich angebotene Objekte oder Dienstleistungen. Da auf der anderen Seite die meisten Untemehmen einen globalen Absatzmarkt als Marketingziel definiert haben und die Zahl geeigneter Kooperationspartner begrenzt ist, entsteht zusatzlich noch eine Art psychologischer Zwang zur Zusammenarbeit. Kein Untemehmen mochte sich ein­gestehen, ein profitables Geschaft durch zu langsame Entscheidung und damit das Feh­len geeigneter Allianzpartner nicht genutzt zu haben.

Besonderer Dank gilt Herm Peter Westerbarkey (Lehrstuhl fiir Marketing an der Universitat Mainz), der mich bei der Erstellung dieses Beitrages sehr unterstiitzte.

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DIE TREIBENDEN KRAFrE 1M INTERNATIONALEN GESCIIAFr

ZWINGEN OFT ZUM ZUSAMMENGEHEN

- UngewiBheit / Kiirzere Strategie-Horizonte

- Geschwindigkeit als Wettbewerbsfaktor

- Fragmentierte Markte

- Qualitiit / Design / Service

- Flexibilitat

- WertschOpfungspartnerschaften

- Intemationalisierung des Geschaftes

- GroBenvorteile seltener

- standiges Lemen

Abbildung 1

Neue Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik ermoglichen es, das erhOhte Wissen fiber die Kunden in eine entsprechende Produktvielfalt weltweit umzusetzen. Global angebotene Massenprodukte konnen sich also durchaus in natio­nalen Eigenheiten unterscheiden. Es lassen sich immer mehr Marktsegmente erkennen, so daB von fragmentierten Markten gesprochen werden kann. Dabei werden Where Konkurrenten (z. B. IBM und Apple) plotzlich zu Partnem. Eine Kooperation kann fUr entscheidende Schnelligkeit und finanzielle Schlagkraft sorgen.

Produktdesign und innovative Dienstleistungsangebote werden neben der reinen Quali­tat der Waren zunehmend zu Erfolgsfaktoren. Gerade fUr europaische Lander ermog­lichen die Formgebung und das Servicekonzept Chancen, sich selbst bei Waren, die welt­weit fast homogen produziert werden (z. B. Schiffe, Computer etc.) zu profilieren und ein eigenstandiges Angebotspaket zu offerieren. Die Chance, solche Moglichkeiten aktiv wahrzunehmen, bietet sich zunehmend auch fUr mittelstandische Untemehmen, da hau­fig weniger die UntemehmensgroBe und das finanzielle Engagement, sondem vielmehr ein flexibles, schnelles Lemen und Reagieren wichtig sind, um Innovationen hervorzu­bringen. Dariiber hinaus sind gerade mittelstandische Untemehmen weniger von einem starren Produktdenken gepragt und haben durch intensiven Kundenkontakt vergleichs­weise schneller neue Dienstleistungskonzepte anzubieten.

3. Vor- nnd Nachteile Strategischer Allianzen

Macht man sich die Mfihe und verfolgt den Weg von strategischen Allianzen fiber meh­rere Jahre hinweg, so zeigt sich, daB fiber 40 % alIer Allianzen weniger als vier Jahre Bestand haben. In vielen FaIlen drangt sich der Verdacht auf, daB ein Partner eine Trennung der Allianz bereits bei deren Griindung eingeplant hatte. Die Allianz wurde in solchen Fallen nur kurzffistig am Leben erhalten, um Wettbewerbsinformationen zu gewinnen oder einen Know-How-Vorsprung auszugleichen. Gerade japanischen Unter-

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nehmen wird dieser Vorwurf haufig gemacht; man spricht deshalb auch von der Gefahr eines ''Trojanischen Pferdes" in Allianzen. Da auf der anderen Seite im Rahmen einer Allianz Informationen ausgetauscht werden miissen, ist die Frage lediglich, welches und wieviel Wissen geteilt werden sollte. Ein aufschluBreiches Beispiel fUr die Planung von Informationsfliissen gibt die Kooperation von Boeing und Mitsubishi. Boeing hatte gedanklich die Zusammenarbeit durchgespielt, urn von vornherein nicht zuviel Wissen preiszugeben. Aus diesem Grund wurden alle Anfragen von Mitsubishi gesammelt und analysiert. Glaubte Boeing am Anfang, Mitsubishi sei an dem Wissen der Tragflachen­technik interessiert, so zeigte sich durch sorgfaltige Analyse des Informationsflusses, daB der japanische Partner vielmehr Interesse an Fahigkeiten zum Projektmanagement hatte. Mitsubishi wollte wissen, wie Boeing groBe Projekte durchfiihrt. Das Verhaltnis zwischen den Partnern einer Allianz scheint am besten zu funktionieren, wenn beide Parteien davon profitieren und die Umgangsformen freundschaftlich-kompetent sind. Ein gesundes MiBtrauen hilft, Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Mit einem Zusammenbruch einer Allianz ist nach einer gewissen Zeit immer zu rech­nen; nur sehr wenige halten langer als 15 - 20 Jahre. Eine entscheidende Frage ist deshalb, welche Informationen mit den Partnern geteilt werden sollen und wie sich das Management auf das Ende der Kooperation vorbereitet.

Dem Vorteil einer Risikoverteilung und Synergie ohne ZusammenschluB steht darnit ein erhOhtes Konfliktpotential inner- und auBerhalb der Allianz gegeniiber. Die Griindung und die laufenden Managementaufgaben sollten deshalb sorgfaltig geplant werden. Nur so kann eine ausreichende Kontrolle und der optimale Einsatz der vorhandenen eigenen Ressourcen gewahrleistet sein.

Aber nicht nur unter den Kooperationspartnern, sondern auch von Wettbewerbern wird eine Allianz mit kritischen Augen betrachtet. Die Gefahr, allein durch die GroBe ein kartellartiger UnternehmenszusammenschluB zu sein, anstatt die Wettbewerbsfahigkeit zum Wohle einer ganzen Branche zu starken, veranlaBt Verbraucherverbande und Kon­kurrenten stets zu genauer Beobachtung einer Allianz.

4. Beispiele fUr Allianzen

Die Bildung von Allianzen beschrankt sich nicht nur auf die Kooperation zwischen gleichgroBen oder unterschiedlich machtigen Unternehmen. Vielmehr sind auch Allian­zen zwischen der Industrie und Universitaten oder zwischen Industrie und politischen Gremien (Regierung, Verbande, EG etc.) anzutreffen. Die Erfahrungen im Manage­ment von Allianzen werden sicherlich im Einzelfall verschieden sein. Gerade wenn es zu Allianzen mit ehemaligen Lieferanten kommt, sind die Anfangschwierigkeiten groB. Speziell in der Automobilindustrie, in der die Lieferanten bislang konsequent iiber Preiszugestandnisse gegeneinander ausgespielt wurden und nun als gleichberechtigte Partner einen Teil der Forschung selbst durchfiihren sollen, ist dieser Umschwung schwer. Hier sind Partnerschaften zwischen Unternehmen gefragt, die friiher durch gegenseitiges MiBtrauen kaum miteinander geredet haben.

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Beispiele erfolgreicher Allianzen sind schwer zu finden, obwohl es sie in den Bereichen der Burotechnik (Xerox und Fuji Photo Film), der Triebwerkstechnologie (General Electric und Snecma) und der Glasverarbeitung (Pilkington, St. Gobain und Nippon Sheet Glass) durchaus gibt. Ein in der Literatur immer wieder aufgefUhrtes Paradestiick erfolgreicher Zusammenarbeit stellt die Entwicklung des Personal Computer von IBM dar. Mit einer kleinen Gruppe organisatorisch ausgegliederter Ingenieure und Design­Fachleute stellte IBM die Idee und die Produktkonzeption eines Kleincomputers auf. Intern schwach ausgepragte Fahigkeiten wie der Bau eines Druckers (Epson), die Entwicklung von Software (Microsoft, Lotus) und der Aufbau einer Vertriebsorgani­sation (Computerland, Sears Roebuck) wurden extern eingekauft. So konnte IBM schnell in einen bisher fUr das Unternehmen unbekannten Markt einsteigen. Das interne Projektteam wurde nach Einfiihrung des PC zum eigenen Geschaftsbereich. Die externen Partner wurden schrittweise substituiert. Es durfte interessant sein, den Weg der kiirzlich beschlossenen Allianz von IBM und Apple im Markt fUr Multimedia­Produkte unter diesem Blickwinkel einmal nachzuverfolgen.

5. Grinde ftir das Scheitern von Allianzen

Die Griinde fUr das Scheitern von Allianzen sind vielgestaltig, man kann aber einige immer wieder anzutreffende Entwicklungen feststellen. So sind es haufig Unterschiede in den Unternehmenskulturen, die eine positive Entwicklung behind ern. Als Beispiel kann der Kooperationsversuch zwischen Fokker und VFW gelten, der durch v611ig von­einander abweichende Vorgehens- und Sichtweisen in beiden Firmen scheiterte. Ein Zusammenarbeiten ist in einem solchen Fall kaum m6glich. Hierbei handelte es sich urn unterschiedliche Unternehmenskulturen, nicht urn unterschiedliche Nationalkulturen.

Falsche Einschatzung des gemeinsamen Synergiepotentials ist ein weiterer Grund. Die Kooperation von europaischem Elektronikwissen (Olivetti) und machtigen Distribu­tionskanalen in Amerika (AT&T) scheiterte an dieser Fehleinschatzung.

Unterschiedliches Engagement im Rahmen einer Allianz ist bei ungleichen Partnern nicht selten. Fur das GroBunternehmen stellt das gemeinsame Projekt nur eines von vielen dar; der Kleinbetrieb kann jedoch darauf angewiesen sein. Dieses unterschied­liche Engagement hat meistens auch Auswirkungen auf das Management der Allianz. Die Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen fUhlen sich nur ihren eigenen Betriebs­zielen verpflichtet und ubersehen, daB dadurch die Effektivitat der Allianz sinkt.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE KONNEN DIE ALLIANZ

ZUM SCHEITERN VERURTEILEN

KULTURPROFIL

PARTNER A PARTNERB 00 00

Shared Power Non-shared 00 00

Sharing Esprit Contracting 00 00

Oan Organization Roles and Rules 00 00

Commitment Motivation Compliance 00 00

Holistic View Segmented 00 00

Ethics Values Rational 00 00

listener Decision making Teller 00 00

Create wealth Ultimate Purpose Fight

Abbildung2

Nicht zu iibersehen ist der Faktor Zeit im Management einer Allianz. So konnen sich die strategischen Ziele eines Partners wandeln und damit sein Engagement fUr die gemein­same Aufgabe senken, oder die Allianz wird vom technischen Fortschritt iiberholt, well sie nicht lernfahig genug war. Dies mag ein Grund dafUr sein, daB taktische Allianzen haufig erfolgreicher sind als strategische.

Die Untemehmenskultur der jeweiligen Allianzpartner spielt eine wichtige Rolle fUr den Erfolg einer Allianz. Um diese Kulturen bereits im Vorfeld einer zukiinftigen Zusam­menarbeit miteinander vergleichen zu konnen, kann man ein Semantisches Differential nutzen (Siehe dazu Abbildung 2; Quelle: Europaisches Untemehmerzentrum). Die Gra­fik zeigt, daB es bei den beiden Untemehmen nur sehr wenige Kulturgleichheiten gibt. So ist das eine Untemehmen eher autoritar gefUhrt, das andere jedoch von einem hohen Grad von Aufgaben- und Verantwortungsdelegation gepragt (Kriterium Power). Auch bei anderen Faktoren wie der Wertorientierung oder der Entscheidungsfindung sind Unterschiede vorhanden. Urteilt das eine Management mit ethischen Grundsatzen, eher mit dem Herz, so wird die gleiche Entscheidung beim anderen Unternehmen kopflastig gepragt.

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Es gibt dabei nicht nur nationale Unterschiede in den Unternehmenskulturen, sondern auch verschiedene Fiihrungsstile im nicht-deutschsprachigen Raum. Je nachdem, ob es sich urn eine Unternehmenskooperation von Bayern und Japanern oder von Bayern und Basken handelt, sind die jeweiligen Kulturunterschiede mehr oder weniger stark aus­gepragt. Ein Beispiel flir eine europaische Allianz, die anfangs nur durch kulturelle Unterschiede zu scheitern drohte, war die Ubernahme der franzosischen Kosmetikkette Sephora durch die englische Drogeriekette "Boots". Die franzosischen Fiihrungskrafte waren sehr selbstandig und regelten aIle Managementaufgaben autark. Auf der anderen Seite zeigten sie eine geringe Teamfiihigkeit und verhandelten sehr offen, aber wenig diplomatisch. Die britischen Ftihrungskrafte hingegen benotigten Arbeitsanweisungen und eine Gruppenatmosphiire. Sie waren konsensfiihig, aber dadurch weniger offen und eher direkt. Wenn solehe verschiedenartigen Menschentypen aufeinander treffen, kann es nattirlich Probleme geben. So wird berichtet, daB der franzosische Geschiiftsflihrer bei einem Besuch in der englischen Konzernzentrale von einer Idee zur innovativen Geschiiftsgestaltung erzahlt hat. Der englische Manager, der nicht unhoflich erscheinen wollte, antwortete nicht direkt ablehnend, sondern auBerte nur Interesse an dieser neuen Idee. Der franzosische Mitarbeiter hingegen empfand seinen Vorschlag als akzeptiert und wartete auf Hinweise und finanzielle Mittel, urn anfangen zu konnen. Beide Gesprachspartner hatten offenbar aneinander vorbeigeredet.

Auch tiber den notwendigen Grad der Computerisierung und damit der Arbeits­genauigkeit verstandigte sich die Gruppe in den ersten Jahren nur schleppend. Waren die Franzosen eher computerbegeistert, so reichte den Briten ein spitzer Bleistift, urn zu kalkulieren. Die englischen Geschiiftsflihrer waren an schnell verfiigbaren Umsatzzahlen interessiert, die eine Unternehmenstendenz aufzeigen konnten. Eine vollig entgegen­gesetzte Meinung vertraten die Franzosen. Sie meinten, daB nur exakt berechnete Werte aussagekraftig sind, und verwiesen auf die Notwendigkeit solehe Zahlen in mehrtagiger Arbeit zu errechnen. Zum SchluB einigte man sich auf einen KompromiB.

Das Beispiel der erwahnten franzosisch-britischen Allianz zeigt, welehe Probleme es bei der Kommunikation zwischen Unternehmen geben kann. Aber nicht nur in der externen, sondern auch in der internen Kommunikation konnen Fehler gemacht werden. Der Vor­teil vieler Unternehmensberater ist ihre "Sprachrohrfunktion". Haufig glauben die Mit­arbeiter, nicht gehort zu werden, und die Unternehmensleitung ist tatsachlich nicht tiber alle internen Ideen und Wtinsche informiert. Urn der durch jahrelange Erfahrung gepragten Skepsis der Mitarbeiter bei einer Wende der internen Kommunikation zu mehr Offenheit entgegenzutreten, verpflichten sich viele Unternehmen zu einer kon­sequenten Analyse und moglichen Umsetzung soleher Ideen. Und nur in den Fallen, in denen diese Meinungsforschung durch einen unabhiingigen Dritten konzipiert und aus­gewertet wird, ist der Mitarbeiter bereit, seine ehrliche Meinung preiszugeben und die Befragung zu untersttitzen. Die Unternehmensftihrung sollte sich in soleh einem Fall zur konsequenten Umsetzung der Befragungsergebnisse verpflichten.

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Die interne Kommunikation ist hiiufig zu sehr ein "Mitteilen" und kein ZuhOren. Gerade in den ersten Jahren einer Allianz ist dies eine unabdingbare Voraussetzung fUr den weiteren Erfolg der Geschiiftsverbindung. In der Phase der Ubernahmeeuphorie wird gerade dieser Grundsatz von dem bestimmenden Partner haufig iibersehen. Das Beispiel vieler Betriebe der ehemaligen DDR zeigt, wie eine Unterschiitzung und MiBachtung personlicher Wiinsche und Vorstellungen das Kooperationsverstandnis nachhaltig triiben kann.

6. Alternativen zur Allianzbildung

Die interne Entwicklung ist eine Alternative zur Bildung von Allianzen. Hiermit ist gemeint, daB ein Unternehmen ohne fremde Hilfe von auGen neue Fahigkeiten eigen­standig entwickelt und neue Markte selbst aufbaut. Dem Vorteil, dabei auf vorhandene Ressourcen zuriickgreifen zu konnen (Personal, Unternehmenskultur, Know-how etc.), und der besseren Kontrolle stehen aber auch Nachteile gegeniiber. So ist es hiiufig gar nicht notwendig, eine neue Idee zu entwickeln, da es sie bereits am Markt gibt. Ein Unternehmen wiirde sich Zeit und Geld sparen, wenn es statt neu zu entwickeln auf Alt­bewahrtes zuriickgreifen wiirde. Die Zeit bis zum "Break even" ist zumeist Hinger als in einer Allianz.

Einen schnellen Marktzutritt kann ein Unternehmen durch die Akquisition eines Wett­bewerbers oder eines Unternehmens im neuen Markt ermoglichen. Haufig scheitern diese Ubernahmen jedoch oder liefern nicht die erhofften Resultate.

Besitzt das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung, so kommt als weitere Alternative zur Allianz die Lizenzvergabe in Frage. Durch solche Vertdige werden schnell Marktnormen geschaffen, die als Eintrittsbarriere in vielen Markten bestehen (z. B. Sony Videotechnik).

Die Moglichkeiten, nach Alternativen zur Allianzbildung zu suchen, sind groB. Viele Unternehmen gehen dennoch lieber Allianzen ein, ohne genau genug iiber die moglichen Konsequenzen nachzudenken.

7. Konsequenzen fUr das Management von Allianzen

Der wahrscheinlich wichtigste Erfolgsfaktor zum Gelingen einer Allianz ist die griind­liche Definition der angestrebten Wettbewerbsvorteile und die Konkretisierung der WertschOpfungsaktivitaten. Nur wenn die Starken und Schwachen der einzelnen Partner fUr beide genau bekannt und die Ziele der Kooperation festgelegt sind, kann ein gemein­sames Management von Allianzen iiberhaupt geplant werden. Die Fahigkeiten beider Partner sollten sich erganzen, so daB eine sinnvolle gemeinsame Zielvision aufgebaut werden kann und beide durch den Verbund zusammenwachsen. Hierzu zahlen auch die Fragen, ob die Unternehmensstrategien und -kulturen einander ahnlich sind und welche langfristigen Ziele die einzelnen Partner verfolgen, da nur so eine reibungslose Kommunikation vorhandenen Wissens und aufgestellter Zielvorstellungen moglich ist. Wie in einer guten Ehe sollten die Partner einer Unternehmensallianz sich von Anfang

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an Sympathie und Vertrauen entgegenbringen. Vor dem AbschlieBen einer Allianz soIlten aIle Alternativen wie z. B. Eigenentwicklung und Akquisition in Erwagung gezogen werden. Gerade bei der Eigenentwicklung ist das Engagement und die Wertschopfung besser kontrollierbar. Auch die interne und externe Kommunikation liegt in einem solchen Fall in eigenen Randen. Die Moglichkeit einer Trennung ist ebenso immer einzubeziehen. Da die Erfahrung zeigt, daB viele Allianzen nach einer gewissen Zeit auseinandergehen, ist das Procedere der Scheidung im voraus zu planen.

Stellt sich eine Allianz als der beste Weg zur Erfiillung moglichst klar umrissener Ziele dar, so sind die Kompetenzen und WertschOpfungsaktivitaten zu regeln. Mit Rilfe einer Zusammenarbeit ist eine Starkung der Wettbewerbsfahigkeit moglich, jedoch ist eine genaue Planung und ein konsequentes Management fiber die gesamte Dauer der Ver­bin dung unerlaBlich.

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Fiibrungskrafteentwicldung als praktizierte Form der Corporate Identity

DR. HANS-ROOIGER WILKENING

DR. HANs-RODIGER WILKENING UNTERNEHMENSBERATUNG

FRANKFURT

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Inhaltsverzeichnis

1. Was beinhaltet Corporate Identity?

2. Wie wird Corporate Identity in einem Untemehmen eingefiihrt?

2.1. AnlaB

2.2. Verantwortlichkeit

2.3. Aufgabenstellung

3. M6glichkeiten der Durchfiihrung

3.1. Erscheinungsbild des Untemehmens

3.2. Untemehmens-Kommunikation

3.3. Untemehmens-Verhalten

4. Die Integration der Ergebnisse in ein bestehendes System

4.1. Kaskadenprinzip

4.2. Funktionalprinzip

4.3. Interdependenzprinzip

4.4. SelbstverstiindnisjUntemehmens-Leitbild

5. Fiihrungskriifteentwicklung

5.1. Aufgaben von Fiihrungskriiften

5.2. Fiihrungskriiftebedarf

5.2.1. Zur Ermittlung des quantitativen Bedarfs 5.2.2. Deckung des Fiihrungskriiftebedarfs 5.2.3. Zur Ermittlung des qualitativen Bedarfs 5.2.4. Bildungsbedarfs-Analyse 5.2.5. Das Bildungsangebot

5.2.5.1. Das "klassische" Bildungsangebot 5.2.5.2. Ein zukunftsorientiertes Bildungsangebot

6. SchluBfolgerung

Literaturverzeichnis

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1. Was beinhaltet Corporate Identity?

Corporate Identity (CI) gehOrt zu den schillemdsten wie umstrittensten Begriffen der vergangenen Jahre. Das zeigt sich in einer Vielzahl von Erkliirungsversuchen und der Schwierigkeit, flir diesen aus dem Anglo-amerikanischen stammenden Begriff eine pas­sende deutsche Ubersetzung zu finden. Durchgesetzt hat sich inzwischen IUntemehmenspers6nlichkeit", weniger die w6rtliche Obersetzung "Untemehmens­identitiit".

Bei den Definitionen haben sich zwei wesentliche Richtungen herauskristallisiert. Die eine setzt CI und Untemehmenskultur weitgehend gleichl. Die andere sieht in CI einen Teil der Untemehmensstrategie zur Realisierung der Untemehmensziele2• Diese Auf­fassung wird im folgenden zugrunde gelegt (Abbildung 1).

J J Absatz Investition

J Strategien ,.

J Finanzjerung Untemehmens­

Personlichkeit (Corporate Identity)

t ErscheinungsbHd (Corporate Design)

~ Bestimmungsfaktoren

'l' Kommunikation (Corporate Communications)

I Wirkungen

I ,. Personal

+ Verhalten (Corporate Behaviour)

I

Absalz- ... ------' """"""'" ~extem ~Intem ....... _,,--

MlId!IIIiDg lden!!fikation • Werbung • Kommunikatjon

• Ver1<aufs- :::!lm!it!!l!= ~ fOrderung !l!!l!.chaffuna ~

Abbildung 1:

OffentIichkeltsarbelt fm2ml: ~

Einordnung der Corporate Identity in die Untemehmensstrategie

Die Untemehmenspers6nlichkeit wird, wie in Abbildung 2 dargestellt, hauptsiichlich von drei Faktoren bestimmt.

2 Vgl. dazu Heinen, E., Unternehmerlskultur, MiinchenjWien 1987. So zum Beispiel Birkigt, K., Stadler, M. M., Corporate Identity - Grundlagen, in: Birkigt, K., Stadler, M. M. (Hrsg.): Corporate Identity, 2. akt. Aufi., Landsberg am Lech 1985, S.4.

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Abbildung 2:

Untemehmens­Erschelnungsbild

(Corporate Design)

Untemehmens­PersOnllchkelt

Untemehmens­Verhalten (Corporate Behaviour)

Bestimmungsfaktoren der Unternehmens­personlichkeit

Unternehmens-Erscheinungsbild oder Corporate Design: Darunter wird der ab­gestimmte Einsatz von visuellen Elementen wie zum Beispiel Farben, Schrift­typen, Zeichen, Fahnen verstanden.

Unternehmens-Kommunikation oder Corporate Communications beinhaltet den systematisch kombinierten Einsatz von Kommunikationsinstrumenten (Absatzwerbung, Verkaufsforderung, Personalwerbung, Offentlichkeitsarbeit) nach auBen und nach innen.

Unternehmens-Verhalten oder Corporate Behaviour ist das wichtigste Instrument der Corporate Identity; es ist das schliissige und widerspruchsfreie Verhalten aller Unternehmensmitglieder mit seiner Wirkung und den Folgen nach auBen wie nachinnen.

2. Wie wird Corporate Identity in einem Unternehmen eingefiihrt?

2.1. Anla6

Ein CI-Projekt erfolgreich durchzufiihren setzt zumeist einen entsprechenden AnlaB voraus. Denn wie spater npch ausgefiihrt wird, sind fiir die unternehmensinteme Akzep­tanz von CI-MaBnahmen praktische Griinde hilfreich.

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Urn welche Anlasse kann es sich handeln?

Beispielsweise sind die Anderung des Firmennamens wie der Rechtsform Moglichkeiten, ebenso Firmenjubmien und Firmenzusammenschliisse. Aber auch eine Neuausrichtung der gesamten Unternehmensstrategie kann ein solcher Ausloser sein. Auf jeden Fall sollte der AnlaB "gewichtig", zudem der Zeitpunkt richtig gewahlt sein. Beides ist maB­geblich fiir einen guten Start des CI-Projektes.

These:

Ein Unternehmen sollte sich ernsthaft mit seiner Personlichkeit auseinandersetzen, wenn es intern wie extern keine Akzeptanz mehr findet.

2.2. Verantwortlichkeit

Besteht Einigkeit, CI als unternehmerischen Erfolgsfaktor anzusehen, dann ist fiir die lnitiierung eines CI-Projektes einzig und allein die Unternehmensleitung zustandig. Sie in ihrer Gesamtheit oder besonders in der Person ihres Vorsitzenden muB sich damit identifizieren, urn dem Vorhaben den organisatorischen und psychologischen Riickhalt zu geben. Fehlt dieser, ist die unabdingbare Akzeptanz des Systems fiir das Vorhaben gefahrdet. Das ware eine ungiinstige Ausgangssituation fiir die Arbeitsgruppe, die sich mit der Konkretisierung des Vorhabens befassen solI.

These:

Eine CI-Strategie ist nur dann erfolgreich, wenn sie voll und ganz von der Unterneh­mensfiihrung unterstiitzt wird.

Wie solI nun die Arbeitsgruppe fiir das CI-Projekt personell besetzt sein?

Fiir Unternehmen insbesondere, die sich erstmalig mit dieser Thematik befassen, bietet sich durchaus die Nutzung externer Kompetenz an. Nach Moglichkeit sollte das CI­Team aber aus UnternehmensangehOrigen bestehen. Selbst wenn sich eine Firma originar mit ihrer Identitat befassen will, geschieht das nicht bei Null oder im luftleeren Raum, sondern setzt an bei Tradition und "ungeschriebener" CI, die letztlich jede wirtschaftliche Einheit besitzt, ob sie sich damit bescbaftigt oder nicht. Die Verkniipfung interner CI-Praxis und externer CI-Theorie stellt eine gute Basis fiir ein CI-Projekt dar und ist gleichzeitig Grund dafiir, das CI-Team intern zu bilden.

Fiir die personelle Besetzung gibt es keine Aligemeingiiltigkeit; anzustreben ist ein per­sonelles Gleichgewicht. Auf jeden Fall sollte die Gescbaftsfiihrung vertreten sein, ebenso jemand aus dem Personal- und aus dem Vertriebsbereich. So vorhanden, sollte die Arbeitsgruppe vom PR-Chef geleitet werden, der dem Vorstandsvorsitzenden direkt berichtet.

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2.3. Aufgabenstellung

Die Aufgaben flir das CI-Team formulieren sich generell daraus, daB das Unternehmen tiber eine neue Corporate Identity nachdenken will; konkret ergeben sie sich aus den drei wichtigsten Bestimmungsfaktoren flir ein ganzheitliches CI-Konzept, niimlich Unternehmens-Erscheinungsbild, Unternehmens-Kommunikation und Unternehmens­Verhalten.

Womit solI begonnen werden?

Das Hillt sich nicht eindeutig beantworten. Der wichtigste, aber auch schwierigste und zeitintensivste Teil ist die Bestimmung des Unternehmensverhaltens. Schnellere Ergeb­nisse konnen sicherlich in der Festlegung des unternehmerischen Erscheinungsbildes erzielt werden. Dabei besteht aber die Gefahr, daB Corporate Identity mit Corporate Design verwechselt wird.

These:

Das Unternehmens-Erscheinungsbild aHein garantiert noch keine Unternehmens­Personlichkeit; es kann allerdings die Grundlage daflir sein.

Deshalb sollte mit diesem Aufgabenbereieh gestartet werden, damit so ziigig wie moglich Resultate erreieht werden. Das ist positiv flir die Arbeitsgruppe intern und extern flir ihre Positionierung innerhalb der Organisation. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daB Corporate Identity und mehr noch das unternehmerische Erscheinungsbild Themen sind, bei denen viele im Unternehmen mitreden zu konnen glauben. Dadurch wird die Aufgabenerflillung flir das CI-Team nieht leiehter. Denn vieles von dem, was es erarbeitet, beruht auf Geflihl oder Oberzeugung und weniger auf beweis- oder nachvoHziehbaren Formeln oder Korrelationen.

3. Moglichkeiten der Durchfiihrung

3.1. Erscheinungsbild des Unternehmens

Es kann hier nieht Aufgabe sein, aUe moglichen MaBnahmen im Bereich des Corporate Designs aufzulisten; vielmehr werden einzelne Moglichkeiten und ihre Durchsetzung im System dargesteUt.

These:

Notwendig flir die interne und externe Wirkung von Aktivitaten zur Gestaltung des Unternehmens-Erscheinungsbildes ist dessen Einheitlichkeit.

Wie laBt sich diese erreiehen? Durch einen entsprechenden Kristallisationspunkt! Der kann zum Beispiel ein Firmenlogo oder -symbol sein, das sieh auf dem Briefpapier wie dem Lastwagen, auf den Werbeprospekten wie den Produkten, also tiberall wiederfindet.

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Ein Medium, das relativ schnell Bemiihungen urn Corporate Design sichtbar macht, sind Fahnen. Nicht umsonst spricht man von "Flagge zeigen". Mitarbeiter wie Firmenbe­sucher werden balddie Neuigkeit registrieren.

"Eckpfeiler" flir das untemehmerische Erscheinungsbild sind Telefonzentralen und Pfortner. Oftmals erste Anlaufstellen extemer Kontakte sind sie maBgeblich flir das Auf­treten des Untemehmens nach drauBen. Darauf sind sie einzustimmen. Mit der Neuge­staltung von Briefbogen und anderen Formularen laBt sich eine neue 'Standard-Praxis Schriftverkehr' verbinden. An deren Erstellung und Durchsetzung im Untemehmen soll­ten die Sekretannnen mitarbeiten.

These:

Ein CI-Projekt darf nicht das Exklusivobjekt von wenigen sein, sondem sollte durch die aktive Mitarbeit vieler, wenn nicht gar aller UntemehmensangebOrigen getragen werden. Dann laBt sich am ehesten ein einheitliches Erscheinungsbild in der Offent­lichkeit erreichen.

3.2. Unternehmens-Kommunikation

Wir leben im Zeitalter der Kommunikation. Vor allem technische Medien wie Teletex, Telefax, Datenfemiibertragung verdeutlichen dieses. Aber mit der "Hardware" allein ist es nicht getan, auf die "Software" kommt es dabei an.

Ein Untemehmen kommuniziert intern wie mit der AuBenweIt. Bevor nun das Unter­nehmen mit seinem Umfeld Informationen austauscht, ist es notwendig, daB das Unter­nehmen oder diejenigen, die das Untemehmen ausmachen, miteinander zu kommuni­zieren lemen. Um nicht miI3verstanden zu werden: Es geht nicht darum, alle Mitarbeiter auf eine Meinung zu "trimmen", sondem darum, im Untemehmen Meinungen zu bilden, die dann in der Offentlichkeit flir das Untemehmen vertreten werden.

Wie kann ein untemehmerisches Konzept flir Kommunikation aussehen?

Ausgangspunkt konnen Kommunikationsseminare sein; dafiir ist exteme Unterstiitzung sicherlich niitzlich. Um diese Seminare zum Erfolg werden zu lassen, ist die Einbezie­hung aller Hierarchien, mindestens aber der Fiihrungsebenen notwendig. Empfehlens­wert ist, mit der Untemehmensleitung zu beginnen, urn durch bewuBtes Praktizieren der erlemten Kommunikation von oben nach unten eine groI3ere Akzeptanz im System zu erzielen.

Nicht empfehlenswert ist, Vorgesetzte und Mitarbeiter in einer Seminargruppe zusam­menzufassen. Denn Kommunikationsseminare bedeuten nicht nur die Vermittlung theo­retischen Wissens, vielmehr dienen sie auch zur Offenlegung und Beseitigung kommuni­kativer Schwachen eines Untemehmens. Diese bestehen sehr oft im gestorten Dialog zwischen den Hierarchien. Dariiber offen zu reden erfolgt aber zumeist nur unter Ange­bOrigen gleicher Ebenen, seIten bei unterschiedlichen. Allerdings ist aber darauf zu ach-

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ten, daB die Diskussion kommunikativer Schwierigkeiten nicht zu emotional gefiirbten "Meckerstunden" ausartet. Dieses zu steuem sollte fiir exteme Fachleute kein Problem darstellen.

These:

Wenn es gelingt, den Hierarchiestufen des Untemehmens weitgehend gleiches Wis­sen tiber Kommunikation zu vermitteln, ist ein haufiger AnlaB fiir kommunikative Storungen beseitigt.

Ober diesen wichtigsten Aspekt hinaus konnen in den Kommunikationsseminaren Rhe­torik, Prasentationstechniken, selektive Wahmehmung usw. geschult werden.

Es wurde bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, das System tiber Fortgang und Ergebnisse der Arbeiten des CI-Teams zu informieren. Dazu eignen sich die Kommuni­kationsseminare besonders, beziehen sie doch nahezu aIle Mitarbeiter mit ein. Durch ihre Teilnahme setzt die Geschaftsleitung Zeichen, daB sie sich mit dem CI-Projekt identifiziert. Dariiber hinaus bietet die Kommunikationsschulung einen guten Einstieg, tiber das Untemehmensverhalten nachzudenken.

3.3. U nternehrnens-Verhalten

Innerhalb der Oberlegungen, die Personlichkeit eines Untemehmens zu bestimmen, stellt das Untemehmens-Verhalten (Corporate Behaviour) sicherlich die wichtigste, aber auch die schwierigste Aufgabe dar. In diesem Stadium des CI-Konzeptes zeigt sich, ob die Geschaftsfiihrung das CI-Projekt zu tragen bereit ist, ob die Ftihrungskrafte daran mitwirken wollen, ob die Belegschaftsvertreter dem Vorhaben positiv gegentiberstehen.

W 0 liegt der Grund dafiir?

Ein Untemehmens-Verhalten richtig zu bestimmen und entwickeln bedeutet einen per­manenten ProzeB des Gestaltens, des Oberpriifens, des Infragestellens eines Untemeh­mens und seiner Eigenschaften, seiner Identitat, seiner Personlichkeit. Da Personlichkeit mit Person(en) zusammenhangt, verkompliziert sich dieser CI-ProzeB noch.

These:

Ein CI-Projekt stellt hohe Anforderungen an ein Untemehmen. Dariiber muB es sich vorher im klaren sein, urn nicht im Projekt zu scheitem.

Trotz aller zu erwartenden Schwierigkeiten mllS sich das Team auch an die Aufgabe begeben, Grundlagen fiir das Untemehmens-Verhalten zu schaffen. Dabei sollte mit einer Bestandsaufnahme von Tradition und Gegenwart der untemehmerischen Identitat begonnen werden. Vor allem die gelebte Tradition ist eine wesentliche Bestimmungs­groBe, spiegelt sie formell wie informell markante Eigenschaften des Untemehmens wider.

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Gegenwartsbezogen ist die strategische Ausrichtung maBgeblich. Das gilt zum einen bei der Ausrichtung der Untemehmens-Personlichkeit und damit des Untemehmens­Verhaltens auf die Untemehmensziele, zum anderen fUr das Verhalten als Bestandteil der Gesamtstrategie des Untemehmens. Genau bier liegen die Realisierungsprobleme.

Warum?

1) Das Untemehmen muB ein Ziel, eine Strategie haben oder formulieren. 1st das nicht der Fall, eriibrigt sich das Arbeiten an der Identitat, da dafUr die Bezugs­groBe fehlt;

2) existieren sowohl Ziel wie Strategie, ist das Untemehmens-Verhalten darauf abzustimmen. Besser noch ware ein gleichzeitiger ProzeB von Strategie- und Ver­haltensdefinition; allerdings ist diese Vorgehensweise nur selten realisierbar. Schon die Formulierung des UntemehmensVerhaltens beispielsweise in Form eines "Untemehmens-Leitbildes" ist ein Balanceakt zwischen der Aufgabenstel­lung fUr den Arbeitskreis und den Kompetenzen der GeschiiftsfUhrung. Nicht sel­ten scheitert daran das ganze CI-Projekt.

These:

Richtig verstanden bedeutet ein CI-Projekt das Erstellen eines Untemehmens-Leit­bildes oder die Formulierung von Fiihrungsleitlinien als Handlungsmaxime fUr aIle Untemehmensangehorigen.

Hinzu kommen in dieser Projektphase einige Anspannungen fUr den Arbeitskreis CI. Hier muB sich beweisen, ob seine Zusammensetzung richtig gewahlt war. Denn zum einen ist eine Art "Lagerkoller" nicht auszuschlieBen, wenn sich die Beschiiftigung mit dem Thema zu lange hinzieht. Zum anderen wird sicherlich die Entscheidungsfindung in diesem Komplex weit schwieriger sein als in anderen Teilbereichen von CI.

Zu diesen intemen Anspannungen kommen exteme hinzu: Es wurde bereits erwiihnt, daB CI eine Thematik ist, bei der viele Personen im Untemehmen glauben, mitreden zu konnen; dies gilt bei der Bestimmung des Untemehmens-Verhaltens ganz besonders. NaturgemiiB versucht die Unternehmensspitze einzugreifen; werden doch Aspekte der Untemehmenspolitik und -strategie beriihrt. Daneben werden die Fiihrungskrafte ihre Vorstellungen einbringen wollen, da sie als nachste Hierarchieebene die festgelegte Untemehmensphilosophie zu akzeptieren und dann vorzuleben hat. Nicht zuletzt will auch die Belegschaftsvertretung zumindest gehOrt werden, da sie in der Formulierung von Fiihrungsgrundsatzen einen Eingriff in ihre Vertretungshoheit sehen wird. AlIge­meingiiltige Empfehlungen fUr die Festlegung eines Untemehmens-Verhaltens kann es naturgemiiB nicht geben, da zu viele Komponenten vorhanden sind; dazu zahlen Unter­nehmensstruktur, Tradition, Produktpalette etc.

Wie sollte das untemehmerische Verhalten dokumentiert werden?

Wirkungsvoll ist eine kurze, pdignante Darstellung davon, wie sich das Untemehmen selbst versteht, aber auch wie es 'gesehen werden will. Dieses "Selbstverstandnis" (eine

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allgemein akzeptierte Bezeichnung) Hillt sich gliedern in Unternehmensgrundsatze und Fiihrungsleitlinien.

These:

Untemehmensgrundsiitze mussen ehrlich sein, sie mussen von allen, denen sie zuganglich sind, verstanden werden; sie mussen langerfristig Bestand haben.

Aus den Unternehmensgrundsatzen ergeben sich die Fiihrungsleitlinien. Sie sind kon­krete Handlungsweisen flir das Unternehmens-Verhalten zur Erfiillung der Unterneh­mensziele.

4. Die Integration der Ergebnisse in ein bestehendes System

4.1. Kaskadenprinzip

Auch wenn eine Arbeitsgruppe flir die Durchflihrung eines CI-Projektes verantwortlich zeichnet, so ist doch die Mitwirkung aller UnternehmensangehOrigen flir dessen Erfolg notwendig. Deshalb sollte das Kaskadenprinzip angewendet werden. Es besagt, daB wesentliche CI-MaBnahmen von der Unternehmensleitung ausgehend uber die einzel­nen Hierarchiestufen in der Organisation verbreitet werden. Damit wird die Identifizie­rung der jeweiligen Ebene mit der CI-Aktivitat sowie deren nachhaltige Durchsetzung angestrebt.

Beispielhaft sei das Unternehmens-Verhalten genannt: Hier laBt sich das Kaskaden­prinzip am besten mittels des dokumentierten Unternehmens-Leitbildes anwenden. Es sollte, mit der Geschaftsflihrung beginnend, von den Fuhrungsebenen an die nachgela­gerten verteilt und erlautert werden. AIlerdings kann es dabei nicht bleiben.

These:

Ein CI-Projekt ist nur dann erfolgreich, wenn seine Ergebnisse auch praktiziert oder besser noch gelebt werden. Die Verteilung schriftlicher Fuhrungsgrundsatze reicht nicht aus.

Auch dabei gilt das Kaskadenprinzip: Das Spitzenmanagement mllS bereit und einig sein, die erarbeiteten CI-MaBnahmen zu akzeptieren und vorbildhaft urnzusetzen. Damit wird die Basis geschaffen, daB sich die Fuhrungskrafte und die anderen Mitarbeiter mit dem CI-Programm ebenfalls identifizieren.

4.2. Funktionalprinzip

Abbildung 1 zeigte das Wirkungsfeld einer strategisch orientierten Corporate Identity: Aile Unternehmensfunktionen sind - mit unterschiedlicher Intensitat - von einem CI­Projekt betroffen.

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Der Absatzbereich ist sicherlich am meisten CI-orientiert; daher finden hier wesentliche Elemente sowohl von Corporate Design wie auch von Corporate Communications ihre Anwendung. Erwahnt seien Farben, Schrifttypen und -zeichen, weiterhin die Absatz­werbung oder VerkaufsfOrderung. AIs dem Untemehmensumfeld zugewandter Bereich tragt der Absatz wesentliche Verantwortung fUr das schliissige und widerspruchsfreie Verhalten des Untemehmens zur AoBenwelt. Entsprechend intensiv und umfangreich sollte er in das CI-Projekt eingebunden und an seiner Umsetzung beteiligt sein.

Gleiches gilt - wegen ihrer extemen wie intemen Ausrichtung - fUr die Offentlichkeits­arbeit. Ihr kommt eine wesentliche Bedeutung innerhalb eines CI-Projektes zu.

Richtig verstandene Corporate Identity stellt hohe Anforderungen an ein Untemehmen, das heiSt an seine Mitarbeiter. Deshalb ist der Personalbereich bei einem CI-Projekt besonders gefordert. Von ihm werden die materiellen Voraussetzungen erwartet, die Untemehmensmitglieder fUr die Schaffung einer Untemehmens-Personlichkeit befa­higen.

These:

Corporate Identity wird von allen Mitarbeitem des Untemehmens getragen; folglich moB ihnen Unterstiitzung fiir diese Aufgabe zuteil werden.

Dazu seien einige Instrumente aufgeftihrt:

Friihzeitige Information der wichtigen meinungsbildenden Entscheidungstrager.

Mitarbeiterbefragung in schriftlicher Form. Jahrliche Klausurtagung von Unter­nehmensleitung, Fiihrungskraften und dem Arbeitskreis CI. Diskussion von Fiih­rungskraften und Mitarbeitem tiber CI.

Operationalisierung von CI-Aktivitaten.

Controlling im Sinne einer Uberwachung eingeleiteter CI-MaBnahmen auf ihre Anwendung; unter anderem auch zum Zweck der Evaluierung und gegebenenfalls Weiterentwicklung der MaBnahmen.

4.3. Interdependenzprinzip

Schaubild 2 zeigt deutlich, daB die Untemehmens-Personlichlichkeit aus drei gleichge­wichtigen Elementen gebildet wird, die tiber Schnittmengen verkniipft sind. Dieses wird iibersehen, wenn - was oft geschieht - Corporate Design mit CI gleichgesetzt wird und der fUr CI gewiinschte Erfolg ausbleibt; Analoges gilt fUr die Untemehmens-Kommuni­kation. AIle drei Elemente mtissen aufeinander abgestimmt werden.

Dazu ein Beispiel: In einer PR-Aktion stellte sich ein Untemehmen als zukunftsorien­tiert dar; einige Zeit spater war tiber Entlassungen bei dem gleichen Untemehmen zu Ie sen. Das hat mit einem in sich schltissigen und darnit widerspruchsfreien Auftreten des Untemehmens nach auBen nichts zu tun. Nur wenn aIle drei Elemente harmonieren, ist die Untemehmens-Personlichkeit stabil und ausgewogen.

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These:

Bei der Durchsetzung eines CI-Projekts ist Simultaneitat von Erscheinungsbild, Kommunikation und Verhalten des Unternehmens gefordert.

4.4. Selbstverstiindnis/Untemehmens-Leitbild

Nachdem zuvor diskutiert wnrde, wie die Ergebnisse eines CI-Programms in das System gebracht werden, ist die Frage berechtigt, wie diese Ergebnisse denn aussehen. Das laBt sich nur von Unternehmen zu Unternehmen beantworten. GenerelllaBt sich aber sagen, daB der Kern aller Bemiihungen ein Selbstverstiindnis sein sollte.

These:

Nur wer sich selbst versteht, k3nn sich anderen verstiindlich machen.

Dieses Selbstverstandnis oder auch Unternehmensleitbild sollte kurz und pdignant dar­stellen, wie sich das Unternehmen selbst sieht beziehungsweise wie es gesehen werden will. Daraus werden Ffihrungsgrundsatze und Ffihrungsleitlinien entwickelt.

5. FiihrungskrMteentwicklung

5.1. Aufgaben von Fiihrungskriiften

Aus den bisherigen Ausfiihrungen zeigt sich bereits, welche Bedeutung im CI-Projekt den Ffihrungskraften zukommt: Sie sind die Verantwortlichen, die Ubermittler von CI zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft. Sie mfissen die neu definierte Corporate Identity vorbildhaft vorleben.

In der betriebswirtschaftlichen Uteratur steht viel fiber "Ffihrung", aber expressis verbis nichts fiber "Fiihrungskrafte". So finden sich zum Beispiel bei Gutenberg' eingehende Erlauterungen zu Ffihrungsentscheidungen wie zu Ffihrungsinstrumenten, aber nichts zu Ffihrungskraften, zumindest nicht explizit. Das muB u. a. auch aus der Zeit heraus ver­standen werden. Damals waren die Entscheidungs- und Ffihrungsprozesse noch verhalt­nismaBig klar und einfach, das Delegationsprinzip noch nicht so bekannt. Das hat sich erst mit der zunehmenden Komplexitat des Wirtschaftens (Globalisierung der Markte, Internationalisierung der Unternehmen, Technologisierung der Produkte) geandert. Damit wurde die "klassische" Unternehmensfiihrung fiberfordert, die Delegation von Aufgaben an eine nachste Hierarchieebene notwendig: die Ffihrungskrafte. Sie berichten direkt an die Geschaftsleitung; sie haben deren Ffihrungsentscheidungen zu realisieren.

3 Gutenberg, E., Einfiihrung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958, S.45 ff.

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These:

Fiihrungslcrafte sind Teil des von Gutenberg definierten "dispositiven Faktors".

Damit ist eine wesentliche Grundlage gegeben, urn iiber Fiihrungslcrafteentwicklung nachzudenken. Deren erste Stufe ist die Bestimmung des Fiihrungslcraftebedarfs.

5.2. Fiihrungskriftebedarf

Die Bestimmung des Fiihrungskraftebedarfs solI anhand von Abbildung 3 aufgezeigt werden.

Abbildung 3:

These:

Fiihrungskrafteentwicklung

Unternehmens­strategie

Die Bestimmung des Fiihrungslcraftebedarfs als Teil der Untemehmensstrategie

Fiihrungskrafteentwicklung muB Teil der Untemehmensstrategie sein.

Folg1ich leitet sich der Fiihrungskraftebedarf (als Teil des gesamten Humankapazitats­bedarfs) aus bedeutenden betrieblichen Veriinderungen wie zum Beispiel GroBinvesti­tionen, Einfiihrung neuer Technologien oder auch einem CI-Projekt abo Dafiir ist es wichtig, Personalentwicklungsplail.ung moglichst eng und zeitgleich unter anderem mit der Investitions- und Projektplanung laufen zu lassen.

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Fiir ein ressourcenarmes Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist Arbeit ein wesentlicher Produktionsfaktor. Er ist mitentscheidend fUr die intemationale Wettbe­werbsfahigkeit von Untemehmen.

These:

Der Bestimmung des Humankapazitatsbedarfs, bier Fiibrungskriiftebedarf, kommt in deutschen Untemehmen beachtliche Bedeutung zu.

Dabei soIl in

-quantitativen und

-qualitativen

Bedarf unterschieden werden.

5.2.1. Zur Ermittlung des quantitativen Bedarfs

Eingebettet in die Gesamtuntemehmensplanung rur die nachste Planungsperiode, ist zu ermitteln, welche Fiihrungskriifte wann in welchem Wissensgebiet in welcher Position an welcher Stelle gebraucht werden. Diesem Bedarf steht das quantitative Angebot gegen­iiber. Bestimmungsfaktoren darur sind die Fluktuation, die ja bei Fiihrungskriiften nicht so stark ausgepragt ist, und die Altersstruktur, die sich nicht selten von der des Gesamt­untemehmens unterscheidet: Fiihrungskriifte sind oft iiberaltert - was aufgrund des Zeit­erfordernisses in der Karriere nicht uniiblich ist. Dennoch ergibt sich daraus rur manche Untemehmen ein Kontinuitiitsproblem. Denn immerhin dauert es bis zu zehn Jahren Ge nach Einstieg in welchem Alter und in welcher Ebene), bis eine Fiihrungskraft im Untemehmen ''voll funktioniert".

5.2.2. Deckung des Fiihrungskriiftebedarfs

Hier ist einmal die Rekrutierung von Fiihrungskriiften allgemein angesprochen. Dazu seien folgende Aspekte erwahnt: Art der Rekrutierung, Auswahl-Entscheidung (Assess­ment Center etc.), Einfiihrung und Einarbeitung, Entwicklungsplanung (Betreuungskon­zepte).

These:

Fiihrungskriifte sollten in erster Linie aus den eigenen Reihen gewonnen werden. Das starkt ihr berufliches Engagement und ihre Identifikation mit dem Untemehmen.

Damit gewinnt die Forderung des Fiihrungskriiftenachwuchses Prioritiit; eine systema­tische AusschOpfung und Entwicklung des im Untemehmen vorhandenen Potentials muB Schwerpunkt sein. Dazu muB ein mittel- und langfristiges Konzept entwickelt werden, das Bestandteil der bereits erwahnten Bedarfsanalyse von Fiihrungskriiften ist. Dieses Konzept sollte inteme wie exteme Vorgehensweisen beinhalten. Zu den intemen ziihlen

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insbesondere Job-Rotation, Training on the Job, Auslandsaufenthalte zum Erlernen von Kultur und Sprache; die externen Vorgehensweisen umfassen vornehmlich den Wissens­transfer zwischen Bildungsinstitutionen und Unternehmen: Kooperation mit Universi­taten/Fachhochschulen in Form von Seminar- und Diplomarbeiten oder Dissertationen; Definition von betrieblichen Forschungsvorhaben, bei denen Doktoranden oder Diplo­manden mitarbeiten konnen. Hier liegt eine Chance, die in Nordamerika von den Unternehmen seit Jahrzehnten genutzt, bei uns aber immer noch etwas vernachlassigt wird.

5.2.3. Zur Ennittlung des qualitativen Bedarfs

Dieses ist der Kern jeglicher Personalentwicklung, hier liegt aber auch der groBte Wider­spruch: Zum einen wird der Qualifikationsstand der Mitarbeiter als die entscheidende GroBe im Wettbewerb der Unternehmen angesehen, zum anderen ist die Ermittlung des qualitativen Bedarfs, aber mehr noch des qualitativen Angebots ungemein schwierig. Dazu eine Zahl: 60.000 Elektro-Ingenieure haben vor 15 Jahren und mehr ihr Examen gemacht. Bei der Rasanz technologischer Veranderungen ist vieles von dem Examens­wissen tiberholt - nur was und wieviel und bei wem? Produktentwicklungen laufen heute teilweise tiber mehr als ein Jahrzehnt; daflir mtissen die strategischen Qualifikations­bedtirfnisse friihzeitig bestimmt werden. Dagegen werden die Produktlebenszyklen immer kUrzer, dementsprechend muB sich auch die Anpassungszeit der Unternehmen verkUrzen und damit letzlich ihrer Entscheidungstrager.

Bei Ftihrungskraften verliert das Fachwissen an Bedeutung, dagegen nehmen auBerfachliche, personliche Hihigkeiten (wie z.B. Personlichkeit, Dberzeugungskraft, Durchsetzungsvermogen, Integrationsfahigkeit, Zeitmanagement) zu. Besitzen die Ftih­rungskrafte solche Fahigkeiten? Konnen, besser noch - wollen sie diese erlernen? Hier tut sich ein psychologisches Problem auf: In Deutschland herrscht - natiirlich mit den normalen Ausnahmen - vielerorts und besonders bei Hochschulabsolventen die Ansicht vor: Man lernt nur einmal! Hier ist wahre Dberzeugungsarbeit zu leisten.

Man stelle sich - nur theoretisch - die Probleme eines Produktionsleiters vor, der im Alter von 55 Jahren, mit 30 Jahren Erfahrung im Unternehmen, in einem Seminar Motivationstechniken erlernen solI!

These:

Ftihrungskrafte mtissen erst das "Lemen lernen". Kontinuierliches Lemen und die Bereitschaft dazu werden zu unverzichtbaren Merkmalen der Ftihrungsqualitat.

Eine besondere BestimmungsgroBe flir den qualitativen Bedarf an Ftihrungskraften in den vor uns liegenden Jahren wird Europa 1992 sein. Das gilt vornehrnlich flir kleine und mittlere Unternehmen, weil GroBunternehmen zumeist schon international tatig sind.

Zwar wird der Binnenmarkt von den meisten wirtschaftlichen Interessensgruppen positiv gesehen, aber vorbereitet darauf sind die wenigsten Unternehmen, schon gar nicht in ihrer strategischen Personalplanul,1g.

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Welche Anforderungen konnen an den "Euro-Manager" gestellt werden? Multikultu­relIes Denken, Konsensfahigkeit zwischen heimischen und internationalen Belangen, europaisches Recht, Mehrsprachigkeit (Englisch als Zweitsprache ist hier Minimum), um nur einige Punkte zu nennen.

5.2.4. Bildungsbedarfs-Analyse

Die Deckung des qualitativen Bedarfs an Fiihrungskraften kann zum einen extern erfol­gen. Entsprechend einer zuvor aufgestellten These, daB Fiihrungskrafte in erster Linie aus den eigenen Reihen gewonnen werden sollten, wird im folgenden das Schwergewicht der Ubedegungen auf die interne Rekrutierung gelegt. Dazu ist eine Bildungsbedarfs­Analyse erforderlich. Denn erfUllen lassen sich die zuvor definierten Anforderungen an Fiihrungskrafte nur durch deren Weiterbildung.

Weiterbildung ist - nach einer Definition des Deutschen Bildungsrates aus dem Jahre 1970 - die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschlu13 einer unterschiedlich ausgedehnten Bildungsphase.

Dazu einige Zahlen aus der Praxis:

Der mit Abstand wichtigste Weiterbildungstrager in Deutschland (West) sind die Unter­nehmen. Mit einem Aufwand von DM 27 Milliarden ermoglichten sie im Jahr 1987 rund vier von runf Arbeitnehmern der gewerblichen Wirtschaft die Teilnahme an betrieb­licher Weiterbildung. Das gesamte Weiterbildungsvolumen belief sich im Jahr 1987 auf DM 13,8 Millionen Teilnehmer und 577 Millionen Teilnehmerstunden.4

Diese finanziellen GroBenordnungen lassen es durchaus gerechtfertigt erscheinen, von "Betrieblichen Bildungsinvestitionen" zu sprechen.

Gaugler hat einen Vergleich zwischen Sach- und Bildungsinvestitionen angestellf. Zwar gibt es wesentliche Unterschiede, doch eines wurde dabei deutlich: Betriebliche Bil­dungsarbeit ist eine erhebliche finanzielle Belastung rur die Unternehmen.

Dementsprechend haben die Unternehmen auch den Bildungsbedarf ihrer Fiihrungs­krafte kritisch zu analysieren. 1m konkreten bestimmen "sechs W's" die Bedarfs-Analyse.

Wer solI worln worlir wann wie zu welchen Kosten weitergebildet werden? Dieser "einfache" Satz umschreibt eine intensive Analyse.

4

5

236

Entnommen aus Weiss, R., Die 26-Milliarden-Investition, in: Goebel, U., Schlaffke, W., Berichte zur Bildungspolitik 1990 des lustituts der deutschen Wirtschaft, Koln 1990, S. 25. Gaugler, E., Betriebliche Bildungsarbeit als Unternehmensinvestition, in: Beitrage zur Gesellschafts­und Bildungspolitik, hrsg.vom Institut der deutschen Wirtschaft, Koln 1989, S. 31ff.

Page 237: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

WER

WORIN

WOFUR

WANN

kommt fiir Weiterbildung in Frage?

Hierbei geht es urn Aufgabe, Alter, Qualifikation, Karriere, Potentialeinschatzung fiir denjeweiligen Mitarbeiter.

solI der Mitarbeiter weitergebildet werden?

Sol1en Fachwissen oder au13erfachliche Fahigkeiten gefordert werden?

solI er/sie weitergebildet werden?

Zu beriicksichtigen sind hierbei die weitere Entwicklung des jeweiligen Mitarbeiters, die Karriereplanung, sowie technologische und organisatorische Veranderungen.

ist der geeignete Zeitpunkt?

Dauer der MaBnahme, Zeitplan, Arbeits- oder Freizeit

WIE erfolgt eine Weiterbildung?

WELCHE

Als mogliche Formen bieten sich interne Seminare, Job Rotation, Qualitats-Zirkel, Kurse an au13erbetrieblichen Bildungsinstitutionen (Universitaten, Fachhochschulen, Verwaltungs- und Wirtschaftsakade­mien) an. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang die Moglichkeit des Bildungsurlaubs geschaffen.

Kosten entstehen durch die Weiterbildung?

Investitions- und Rentabilitatskriterien miissen angelegt werden.

Eines ist klar: Diese Analyse wird sehr aufwendig sein.

These:

Ohne eine Bildungsbedarfs-Analyse macht die Erstellung eines Bildungsangebotes keinen Sinn.

5.2.5. Das Bildungsangebot

5.2.5.1. Das "klassische" Bildungsangebot

Weiterbildung von Fiihrungskraften und deren Verantwortungsebenen sind aufeinander abzustimmen. Darauf ist im wesentlichen das "klassische" Bildungsangebot auszurichten. Dieses laBt sich in

- fiihrungsorientiert - problemorientiert - funktionsorientiert

gliedern.

237

Page 238: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Dabei kommt der ersten Kategorie sicherlich die oberste Prioritat zu. Denn nicht die verwaltende Fiihrungskraft wird heute gebraucht, sondern die unternehmerisch han­delnde6•

Urn dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Vermittlung von:

Fiihrungswissen und -strategien

unternehmerischem Denken

situationsgerechtem Fiihrungsverhalten

Fiihrungstechniken und ihrer Anwendung

funktionsiibergreifendem Denken

Problemorientierte Weiterbildung kann

computerunterstiitzte Unternehmenspolitik

Methoden der Geschaftsfiihrung, Steigerung der Effektivitat

gesellschaftspolitische Themen

Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse

umfassen.

Die Wissensvermittlung kann erfolgen durch

6

238

Berufsbegleitende Hochschulkollegs

Postuniversitare Weiterbildung

Kurse zum Retraining = Wiederaufbereitung "alten" Wissens

Job-Rotation

Job-Enlargement

Auslandsaufenthalte

Sprachtraining/Rhetorik

Management-Techniken

Fiihrungs-/Kooperationstraining

Posth, M., Die Mitarbeiter sind unsere Kunden, in: Autogramm 4/1990, S.2.

Page 239: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Arbeitsmethodik: Die Maschinen werden auf das Jahr 2000 abgestellt, manche Fiibrungskrafte arbeiten wie im 19. Jahrhundert.

Diese Uste lieBe sich beliebig verlangern, doch sie ist ausreichend, urn aufzuzeigen. was das "klassische" Bildungsangebot ausmacht.

5.2.5.2. Ein zukunftsorientiertes Bildungsangebot

Der Leiter der Fiihrungskrafteentwicklung bei der Volkswagen AG hat mir einmal fol­gendes gescbrieben: " ... denn wir wissen ja nur allzu gut, daB ethische Werte und Person­lichkeitsbildung eine gar nicht zu iiberschiitzende Bedeutung fUr die Fiihrung und Lei­tung eines Unternehmens haben, urn von einem sicheren und tragenden Fundament aus handeln zu konnen." Und weiter schrieb er: "Ich mochte nicht in den Fehler verfallen, die Managementtechniken zu verteufeln. Aber wir meinen heute doch, daB ihr Wert in den vergangenen Jahren iiberschatzt wurde."

Dem ist im wesentlichen zuzustimmen, allerdings mit Einschriinkungen. So wurden Managementtechniken in ihrem Wert schon richtig eingeschatzt; aber die Anforde­rungen an Fiihrungskrafte - insbesondere von ihnen selbst definiert - haben sich wesent­lich geandert - der viel erwahnte Wertewandel kommt hier zum Tragen! So treten Fiih­rungskrafte "mit einer Anspruchshaltung in ein Unternehmen ein, die nicht so sehr auf materielle Honorierung zielt, sondern die Bediirfnisse nach Mitbestimmung, nach Freiraum, nach Eigeninitiative und Selbstverwirklichung ausleben will".7

Diese Einstellung findet sich iiberwiegend bei Nachwuchskraften, wabrend die "etablierten" Fiibrungskrafte nach wie vor ausschlieBlich karriereorientiert sind - so eine Untersuchung des Miinchener Sozialpsychologen Lutz von Rosenstie1.8

In diesem Zusammenhang ist eine Studie von Horst Opaschowski, dem Leiter des B.A T. Freizeit-Forschungsinstituts zu erwahnen. "Dieser Studie zufolge wird die Arbeitszu­friedenheit durch die Steigerung der wahrgenommenen Sinnhaftigkeit und auch ein 'gutes Firmenimage' ... als Movationskriterium immer starker an Bedeutung gewinnen.'t9 Damit schlieBt sich der Kreis zur Corporate Identity - worauf am Ende dieser AusfUh­rungen eingegangen wird.

Zuvor seien einige Elemente einer zukunftsorientierten Weiterbildung aufgefUhrt:

7

8

9

Kreativitat

Kommunikationsfabigkeit

Kooperationsfahigkeit

BewuBtseinserweiterung

Maus, M., Gesucht: Manager mit AugenmaB, in: Der Arbeitgeber Nr. 17/41,1989, S. 587; ebenso Ko­walowsky, R., Ruess, A., SpaB muB sein, in: Wirtschafts-Woche, Nr.19/1991, S. 56. Zitiert nach Rurup, B., Qualifikatidn von Fuhrungskraften im Wandel, in: Blick durch die Wirtschaft, Nr. 34, 1990, S. 7. Dergl., a.a.O., S. 7.

239

Page 240: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Selbsterfahrung Gelassenheit

Zeitmanagement Konzentrationsfahigkeit

Harmonie zwischen Handeln und Denken Selbstdisziplin Offenheit Effiziente Lerntechniken 10

6. Schlu6folgerung

These:

Fiihrungskrafteentwicklung ist Chefsache!

Dieses ist zu sehen vor dem Hintergrund Strategien - Strukturen - Ressourcen. Die Stra­tegien werden auf Basis der vorhandenen Ressourcen erarbeitet; dazu " ... , geh6rt zum Beispiel die Unternehmenskultur mit Organisationen, Wertvorstellungen, Selbst­verstandnis, Ethik des Unternehmens, der Fiihrungsstil und die Fiihrungskrafte, das Informationsverhalten, die Koordinationj Kommunikation ... "11

Damit schlieBt sich der Kreis: Fiihrungskrafteentwicklung und Corporate Identity bedin­gen einander. Ein Unternehmen besitzt nur dann eine ausgepragte Pers6nlichkeit, wenn es iiber selbstbewuBte, kompetente, offene, effiziente, verantwortungsbewuBte Fiih­rungskrafte verfUgt und umgekehrt: Fiihrungskrafte mit den zuvor genannten Eigen­schaften pragen den Charakter ihres Unternehmens. Das bedeutet aber: Eine CI-Strate­gie, wie im ersten Teil dieses Beitrages umrissen, hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn die fUr die Umsetzung dieser CI-Strategie verantwortlichen Fiihrungkrafte die entspre­chenden Voraussetzungen aufweisen, oder anders: Fiir pers6nlichkeitsstarke Fiihrungs­krafte wird es problemlos sein, ein CI-Programm fUr ein Unternehmen zu entwickeln und durchzusetzen.

10

11

240

Zu einzelnen Elementen vgl. Wilkening, H.-R., Kloster und Wirtschaft, in: Wirtschaftskurier, Februar 1991, S. 3; vgl. auch Bronl1er,. R., Matiaske, W., Stein, F. A., Anforderungen an Spitzenfiihrungskriifte, in ZFB, 61. Jg. 1991, S. 123'1.ff. Adams, H.W., Reimertz, A., Knappe Ressource: Die Euromanager, in: Adams, H.W. (Hrsg.), Europa 1992, Frankfurt 1989, S. 344.

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Literaturverzeichnis

Adams, H. W., Reimertz, A, Knappe Ressource: Die Euromanager, in: Adams, H. W. (Hrsg.), Europa 1992, Frankfurt 1989, S. 343 - 357.

Birkigt, K, Stadler, M. W., Corporate Identity - Grundlagen, in: Birkigt, K, Stadler, M. W. (Hrsg.), Corporate Identity, 2. akt. Aufi., Landsberg am Lech 1985, S. 17 - 60.

Bronner, R, Matiaske, W., Stein, F. A, Anforderungen an Spitzen-Fiihrungskrafte, in: ZFB, 61. Jg., 1991, S. 1227 - 1242.

Gaugler, E., Betriebliche Bildungsarbeit als Unternehmensinvestition, in: Beitrage zur Gesellschafts- und Bildungspolitik, hrsg. vom Institut der deutschen Wirtschaft, Kaln 1988, S. 28 - 47.

Gutenberg, E., Einfiihrung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958.

Heinen, E., Unternehmenskultur, Miinchen/ Wien 1987.

Kowalowsky, R, Ruess, A, SpaB muS sein, in: Wirtschafts-Woche Nr. 19, 1991, S. 46 -63.

Maus, M., Gesucht: Manager mit AugenmaB, in: Der Arbeitgeber Nr. 17/41, 1989, S. 586 - 587.

Posth, M., Die Mitarbeiter sind unsere Kunden, in: Autogramm 4/1990, S. 2.

Riirup, B., Qualifikation von Fiihrungskraften im Wandel, in: Blick durch die Wirtschaft, Nr. 34, 1990, S. 7.

Weiss, R, Die 26-Milliarden-Investition, in: Goebel, u., Schlaffke, W., Berichte zur Bildungspolitik 1990 des Instituts der deutschen Wirtschaft, Kaln 1990.

Wilkening, H.-R, Kloster und Wirtschaft, in: Wirtschaftskurier, Februar 1991, S. 3.

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Die Merkmale der Personalwirtschaft in der U nternehmung -Deutschland und Japan im Vergleich

PROF. DR. OSAMU YOSHIDA

UNIVERSITAT SHIGA,

HIKONE

Page 244: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Inhaltsverzeichnis

1. Das Grundsystem der Personalwirtschaft

2. Die Eigenschaften der Personalwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland

2.1. Gesetzliche Richtlinien

2.2. Humanisierung der Arbeitswelt

2.3. Das Berufsbildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland

3. Die Eigenschaften der japanischen Personalwirtschaft

3.1. Die Hauptfaktoren der japanischen Personalwirtschaft

3.2. Das japanische Berufsbildungssystem

3.3. Quality-Circles

4. Ein besonderes Problem der Personalwirtschaft: Gastarbeiter

5. SchluBbetrachtung

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Page 245: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

1. Das Grundsystem der Personalwirtschaft

Das System zur Verwaltung des gesamten Personals in einem Unternehmen wird defi­niert als Personalwirtschaft. Die Einzelpersonen des Personals werden im Hinblick auf ihre Zuordnung zu den Unternehmensabteilungen sowie im Hinblick auf ihre Tatigkei­ten betrachtet. Die Arbeit der Personalwirtschaft sollte sich von der typischen Arbeitge­ber-Arbeitnehmer-Beziehung abheben.

In Japan wird gelegentlich auch der Begriff der Arbeitsverwaltung flir Arbeiter und der Personalverwaltung flir Angestellte verwendet. 1m weiteren wird aber allgemein fUr die Verwaltung des Gesamtpersonals der Begriff Personalmanagement gewablt.

Das Personalmanagement wird in drei Funktionen unterteilt:

1. Auswahl und Gestaltung des Arbeitsplatzes

2. Gestaltung eines Anreizsystems

3. Koordination sowie Beseitigung von Konflikten.

Der erste Punkt beeinhaltet die Personal- und Aufgabenplanung, die Rekrutierung und Auswahl von Arbeitnehmern, die Personaleinsatzplanung und aIle damit zusammenban­genden Tatigkeiten. Dieser Bereich wird definiert als die erste Dimension der Personal­wirtschaft in einem Betrieb.

Zum zweiten Bereich zahlen die Gebiete Lohn und Gehalt, Sozialleistung und Erfolgs­verteilung, weitere Sozialanreize sowie Aufstieg und Berufsausbildung. Sie bilden die zweite und wichtigste Dimension der Personalwirtschaft.

Der dritte Punkt bezieht sich auf die wichtige Thematik der Beziehungen zwischen der Unternehmungsleitung und dem Personal. Desweiteren sind hier Aufgaben beziiglich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen angesprochen. Auch die Kiindigungsproblematik gehOrt zu dieser Dimension. In dieser dritten Dimension werden die Unterschiede zwi­schen dem Marktprinzip, dem Sozialgeflige und der Betriebsverfassung in einer Unter­nehmung am deutlichsten. Und es sind gerade diese Unterschiede, die den gegensatz­lichen Charakter zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan im Bereich der Personalwirtschaft und der dazugehOrigen Systeme hervorheben

2. Die Eigenschaften der Personalwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland

2.1. Gesetzliche Richtlinien

Die Betriebsverfassung der bundesdeutschen Unternehmen ist vor allem durch das System der Mitbestimmung innerhalb des Betriebes charakterisiert. Folgende Gesetze regeln grunglegend das Recht auf'Mitbestimmung:

245

Page 246: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Montan-Mitbestimmungsgesetz (erlassen 1951)

Betriebsverfassungsgesetz (erlassen 1952, geandert 1972)

Neues Mitbestimmungsgesetz (erlassen 1976).

Das Montan-Mitbestimmungsgesetz gilt flir Untemehmen des Bergbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie, das Mitbestimmungsgesetz von 1976 gilt branchenunabhangig flir Untemehmen mit i. d. R. mehr als 2000 Beschaftigten. In diesen Gesetzen ist u. a. die paritatische Besetzung des Aufsichtsrates, sowie die Bestellung eines Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied festgelegt. Der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Mehrheit der Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestimmt werden.

Der Betriebsrat, als die Vertretungsorganisation der Arbeitnehmer, wird nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes eingesetzt. In jedem Betrieb mit mehr als 5 Beschaftigten kann ein Betriebsrat gewahlt werden. Die Zahl der Betriebsrats­mitglieder steigt stufenweise mit der Gesamtbeschaftigtenzahl des Untemehmens.

Die Bestimmung und die Arbeitsbereiche des Arbeitsdirektors und des Betriebsrates sind von erheblicher Bedeutung flir die Personalwirtschaft. Der Arbeitsdirektor hat die Leitung unterschiedlicher Hauptgebiete der Personalwirtschaft inne. Zu diesen Gebieten gehoren die Ressorts Lohn und Gehalt, Personaleinsatz, Sozialleistung und Sozialein­richtung.

Die Position des Arbeitsdirektors im Vorstand kombiniert mit den Modalitaten seiner Bestellung zeigt deutlich, daB das System der Personalwirtschaft in bundesdeutschen GroBuntemehmen sich in seiner Arbeit auf das Einverstandnis der Arbeitnehmerschaft stutzen muG.

Die Aufgaben des Betriebsrates sind u. a.:

Kontrolle uber die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen

Revision der Lohnbiicher

Untersilitzung der Mitarbeiter bei Beschwerden

Einbringung von Verbesserungsvorschlagen.

Diese Funktionen beinhalten viele Ansatze zur Beeinflussung der Arbeitsbedingungen. So hat der Betriebsrat beispielsweise das Recht, von der Untemehmensleitung Informa­tionen zu den oben genannten Bereichen zu fordem, seine Meinung zu auGem, Vor­schlage einzubringen und mitzubestimmen.

Diese Rechte bieten somit flir den Betriebsrat die Moglichkeit, als geschlossene Organi­sation an den Entscheidungen der Personalwirtschaft aktiv teilzunehmen. Als wichtige Beispiele flir diese Moglichkeiten seien die §§ 99ff BetrVG genannt. Nach diesen Rege­lungen kann der Betriebsrat darauf dringen, Stellenausschreibungen zuerst untemeh-

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mensintern vorzunehmen, bevor auf den externen Arbeitsmarkt zuriickgegriffen wird. AuSerdem muS, unabhangig von einer internen oder externen Wahl, das Einverstandnis des Betriebsrates zu einer Neueinstellung eingeholt werden. Gleichzeitig ist bei jeder anstehenden Entlassung der Betriebsrat zu informieren und ibm die Moglichkeit zur Mitwirkung zu geben. Dem Betriebsrat wird durch die geiumnten Regelungen weiterhin die Moglichkeit zur Einsichtnahme in neue Arbeitsvertdige und die Veranderung der­selben gegeben.

Die Bestimmungen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes, des Arbeitsablaufes und der Arbeitsplatzumgebung sind in den §§ 90f BetrVG zu finden.

2.2. Humanisierung der Arbeitswelt

In § 90 BetrVG ist festgelegt, daB die Unternehmensleitung und der Betriebsrat die gesi­cherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse liber die menschengerechte Gestaltung der Arbeit beachten soIlen. Weiterhin wird liber § 91 BetrVG gesichert, daB der Betriebsrat bei der Einhaltung von § 90 aktiv zu beteiligen ist.

Diese beiden gesetzlichen Vorschriften haben als Zusatze in dem 1972 geanderten BetrVG unter dem Begriff "Humanisierung der Arbeitswelt" breite Zustimmung gefun­den. Die darin deutlich herausgehobene Forderung nach "menschengerechter Gestaltung der Arbeit" hat den Aufgaben der Personalwirtschaft in den siebziger Jahren eine neue Richtung gegeben.

Als Beispiele fUr die Humanisierung der Arbeitswelt sind u. a.

regelmaBiger Wechsel des Arbeitsplatzes Gob rotation),

horizontale Erweiterung des Arbeitsbereiches Gob enlargement),

vertikale Bereicherung der Arbeit Gob enrichment) sowie

Mitbestimmung bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes

zu nennen. Diese Beispiele machen die Abkehr yom tayloristischen Arbeitssystem in bundesdeutschen Unternehmen deutlich.

2.3. Das Berufsbildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland

Um die oben angesprochene Humanisierung der Arbeitswelt zu verwirklichen, muS sich der arbeitende Mensch personlich engagieren. Das erfordert jedoch auch eine hohe fachliche Oualifikation jedes Beteiligten.

Zur Beschreibung des deutschen Oualifikationsniveaus bietet sich ein Verweis auf die lange, ununterbrochene Tradition des Meistersystems an. Der Meister ist nicht nur der Fachtechniker, sondern auch als Vorarbeiter der Verantwortliche imjeweiligen Produk­tionsbereich. TraditioneIl wird ein groBer Teil der Verantwortung in der Personalwirt-

247

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schaft von den Meistem getragen. Urn die QuaIifikationen flir den Meistertitel zu erhal­ten, ist eine gute Ausbildung sowie mehrjahrige Berufserfahrung notig. Hier zeigt sich, daB eine wichtige Aufgabe der Personalwirtschaft in der quaIifizierten Ausbildung zu suchen ist.

Die Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland wird nach dem "Dualen System" unterteilt in die theoretische Ausbildung in der Berufsschule und die praktische Ausbildung im Unternehmen. ZusatzIich sind MogIichkeiten der Fort- und Weiterbil­dung sowie der Umschulung bei Berufswechsel geboten. Die Meisterausbildung ist in dem Bereich der beruflichen Weiterbildung angesiedelt.

Die praktische Ausbildung innerhalb des Unternehmens gehort zum Aufgabenbereich der Personalwirtschaft. Somit wird einerseits am traditionellen, restriktiven Ausbildungs­und Meistersystem festgehalten, andererseits aber dem Arbeitnehmer die MogIichkeit der Mitbestimmung am Arbeitsplatz durch den Betriebsrat gegeben. Durch diese Kom­bination traditioneller und moderner Elemente kennzeichnet sich die Personalwirtschaft deutscher Unternehmen.

3. Die Eigenschaften der japanischen Personalwirtschaft

3.1. Die Hauptfaktoren der japanischen Personalwirtschaft

Der Stil der japanischen Personalwirtschaft charakterisiert sich hauptsachIich durch:

das System der lebenslangen Beschaftigung,

beruflichen Aufstieg und Lohn nach Alterstufen sowie

Unternehmensgewerkschaften.

Jeder einzelne dieser Faktoren hangt eng mit dem Personalmanagement im Untemeh­men zusammen, spielt aber auch im iibertragenen Sinne flir das tagIiche Leben eine wichtige Rolle. Werden diese drei Punkte als einheitliches Ganzes betrachtet, so bildet sich jener charakteristische japanische Stil heraus, den man auch als Kollektivsystem bezeichnen kann.

Beschrankt man seine Beobachtungen auf das System der Personalwirtschaft, kommt die starke Betonung der BeschaftigungspoIitik als Grundcharakter des Kollektivsystems zum Ausdruck. Zur Anschauung seien die folgenden Arbeitslosenzahlen aus dem Jahr 1988 genannt:

Japan

Amerika

EG

BundesrepubIik Deutschland

248

2,50%

5,50%

10,25 %

9,00%

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Das niedrige Niveau der Arbeitslosenzahl in Japan ist auf die Bemiihung urn die Erhal­tung der ArbeitspUitze als Grundsatz der Beschaftigungspolitik zuruckzufiihren. Dies setzt jedoch voraus, daB auch wahrend moglicher Konjunkturflauten der Mitarbeiter­stamm gehalten wird und keine Entlassungen vorgenommen werden. Da sich die Ertragslage durch diese Handlungsweise nicht verschlechtern sollte, wird in japanischen Unternehmen mit Streichung von Lohn- und GehaltserhOhungen gearbeitet. Nur so konnen Entlassungen vermieden werden. Obwohl die Produktivitat der japanischen Wirtschaft weltweit das hOchste Niveau halt, schneidet das Lohnniveau des einzelnen Arbeitnehmers im internationalen Vergleich sehr viel schlechter abo Die Prioritat der Beschaftigungssicherung ist als Hauptursache fUr dieses Phanomen zu sehen.

In der Beschaftigungsorientierung der japanischen Personalwirtschaft ist auch der Zusammenhang mit den Unternehmensgewerkschaften zu finden. Wahrend der Betriebsrat in der Bundesrepublik Deutschland sich als Interessenvertretungsorgan der Arbeitnehmer aktiv beteiligt, hat die Unternehmensgewerkschaft in Japan, wie bereits erwahnt, die Funktion einer "zweiten Arbeitsverwaltung". Unternehmensleitung und Unternehmensgewerkschaft flihren gemeinschaftlich die Personalwirtschaft. Dieses Vor­gehen entspricht dem Kollektivsystem im japanischen Stil. Diese kollektive Betriebsver­fassung erstreckt sich nicht nur auf die gesamte Dauer der BetriebszugehOrigkeit eines Angestellten von der Einstellung iiber die Versetzung bis hin zum Ruhestand, sondern auch auf die Berufsbildung.

3.2. Das japanische Berufsbildungssystem

Auch in japanischen Unternehmen wird gr08er Wert auf die Berufsausbildung gelegt. Jedoch wird, im Gegensatz zum Dualen System der Bundesrepublik Deutschland, die gesamte Berufsausbildung im Unternehmen durchgeflihrt. Es kann hier auch von der Kollektivberufsbildung gesprochen werden.

Die technische Ausbildung in Japan hat normalerweise zwei Stufen. In der ersten Stufe wird das neu eingestellte Personal iiber eine Dauer von drei bis sechs Monaten ausgebil­det. Diese Ausbildungsstufe bezieht sich nicht auf die spezielle Berufsfunktion jedes ein­zelnen, sondern der Auszubildende erhalt eine Grundausbildung in der vom Unterneh­men genutzten Technik. Nach Beendigung dieser Grundbildung wird jeder Auszubil­dende entsprechend der Personalplanung auf seinem speziellen Arbeitsplatz eingesetzt und durch "training on the job" flir die jeweilige Technik geschult. Dieser StH der Berufs­ausbildung ist typisch flir japanische Unternehmen.

Das Personal wird hierbei an einem Arbeitsplatz jeweils in Teams eingesetzt. Der neu eingestellte Arbeitnehmer wird nach Beendigung der ersten Stufe einem dieser Teams zugeordnet. Durch die Zusammenarbeit mit dem Team eignet er sich die notwendigen fachlichen Oualifikationen an. Es ist dabei aber besonders charakteristisch, daB die dort angeeigneten Qualifikationen nicht die Arbeitsfahigkeit des einzelnen beschreiben, son­dern daB seine erworbenen Fahigkeiten erst im vereinten Arbeitsablauf zur Geltung gebracht werden. Deshalb kann sich die 'Tauglichkeit" eines Arbeitnehmers erheblich verandern, wenn er das Team wechselt, obwohl der Arbeitsplatz im neuen Team viel­leicht objektiv dem vorherigen P.latz entspricht. So haben sich Z. B. in den einzelnen Teams Gewohnheiten und Regeln ausgepragt, und eine eigene Kollektivarbeitsweise

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wurde geschaffen. Das Personal erwirbt unter diesem System in der Gruppe nicht nur die einzelnen beruflichen Hihigkeiten und Fertigkeiten, sondern auch die organisierte, soziale Qualifikation.

Durch eine solche Kollektivberufsbildung ist natiirlich das Solidaritatsgefiihl zwischen dem Unternehmen und dem Personal sehr ausgepragt und auf eine lebenslange Beschiif­tigung der Mitarbeiter ausgerichtet.

3.3. Quality-Circles

Hiermit wird ein wei teres typisches Beispiel flir die kollektive Eigenart der japanischen Arbeitsgestaltung angesprochen - die Verbesserung der Qualitatskontrolle durch Qua­lity-Circles. Diese sind team-interne Qualitatskontrollen, die auf freiwilliger Basis ins Leben gerufen werden.

Die hauptsachlichen Merkmale von Quality-Circles sind:

Verbesserung des Arbeitsplatzes zur optimaleren Eingliederung des Einzelnen in das Unternehmen und das Berufsbildungsprogramm

Anwendung von Kreativitatstechniken zur Verbesserung der Arbeitsplatze und der ProduktqualiUit

Verkniipfung der Arbeitstechnik mit der Qualitatssicherung

Bevorzugung praktischer Erfahrungen vor theoretischen Kenntnissen

technische Weiterbildung des Gesamtpersonals.

Die Qualitatskontrolle hat sich bekanntlich aus der Problematik der Niveausicherung der Produktionstechnik und der Produktqualitat entwickelt und ist in der japanischen Industrie aus der Eigeninitiative der Arbeitnehmer heraus entstanden. Daran erkennt man den eigentiimlichen Charakter des japanischen Stils, ein Unternehmen zu flihren.

Die Mitarbeit in den Qualitatszirkeln sollte aus freiem Antrieb erfolgen. Sie sollte sich als eine autonome Kleingruppentatigkeit entwickeln und nicht zeitlich befristet sein.

Obwohl auch in deutschen Unternehmen die Quality-Circle-Idee aufgegriffen wurde, gibt es Unterschiede zum japanischen Ansatz. Die Quality-Circle-Arbeit hat sich in den japanischen Unternehmen als ein Element der Personalwirtschaft etabliert. Eine Haupt­ursache hierflir ist darin zu sehen, daB der ProduktionsprozeB in japanischen Unterneh­men i. d. R. sehr arbeitsintensiv und auf hochqualifizierte Arbeitnehmer abgestellt ist. Dies verlangt eine hohe Arbeitsqualitat und die vollkommene Eingliederung jedes Arbeitnehmers in den ProduktionsprozeB. Quality-Circles sind eine gute Moglichkeit, dem Arbeitnehmer einen Uberblick iiber den gesamten Produktionsablauf zu verschaf­fen und somit die genannten Anforderungen zu erfiillen.

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Ein Grund flir die unterschiedliche Etablierung von Quality-Circles in der Personalwirt­schaft deutscher und japanischer Unternehmen ist in den Grundziigen der Arbeitsbewer­tung zu suchen. In westliehen Unternehmen wird bei der Arbeitsbewertung davon ausge­gangen, daB es individuelle Unterschiede in den Fertigkeiten und Fahigkeiten der einzel­nen Arbeitnehmer gibt. In Japan wird dahingegen vorausgesetzt, daB jeder Arbeitneh­mer sieh bei geniigender praktischer Obung und Erfahrung ausreichende berufsfunktio­nelle Fertigkeiten aneignen kann. Deshalb wird bei der Arbeitsbewertung in japanischen Unternehmen von grundsatzlich gleiehen Fertigkeiten ausgegangen. Das starke Element der praktischen Ubung und Erfahrung kommt der Arbeit in den Quality-Circles zugute und starkt somit deren Erfolg.

4. Ein besonderes Problem der Personalwirtschaft: Gastarbeiter

Ein nicht ganz neues Problem in der Personalwirtschaft stellt die wachsende Zahl der auslandischen Arbeitnehmer dar. In der Bundesrepublik Deutschland werden seit den 50er Jahren Gastarbeiter aufgenommen. Die Zahl der Aufnahmen pro Jahr erreiehte 1970 mit 600.000 Arbeitern ein Maximium. So waren z. B. im Jahre 1973 in Deutschland 2,6 Millionen Gastarbeiter beschaftigt; 1986 erreichten sie einen Anteil von 7,7 Prozent der Gesamtarbeitnehmerzahl. Heute arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland 1,6 Millionen Beschaftigte aus dem europaischen und sonstigen Ausland.

In japanischen Unternehmen ist die Zahl der Gastarbeiter noch sehr beschrankt, da Japan offiziell keine Gastarbeiter aufnimmt. Die Ausnahme stellen einige legale (z. B. die Beschaftigung von Japan-Brasilianern, von "on the job"-Trainern aus ASEAN flir ein Jahr oder auslandischer Studenten flir nieht mehr als 20 Stunden pro Woche) Arbeit­nehmer aus dem Ausland dar. In den letzten Jahren nahm deren Zahl jedoch rapide zu. Sie erreichte 1989 einen Stand von 100.000 Arbeitnehmern, das entspricht einem Anteil von einem Prozent der Gesamtarbeitnehmerzahl. Man vermutet, daB sich dieser Trend im Laufe der nachsten Jahre verstarken wird.

Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland werden meist als Hilfsarbeiter oder auf Arbeitsplatzen, die keine besondere Ausbildung benotigen, eingesetzt. Da man seiner­zeit davon ausging, daB ein Gastarbeiter nach einer bestimmten Zeit Deutschland wie­der verlassen wiirde, flihlte der Staat sieh nicht veranlaBt, die Berufsbildung dieser Aus­lander zu ford ern. Aber die Realitat zeigt, daB der groBere Teil der Gastarbeiter in Deutschland bleibt und somit das Berufsbildungssystem und die Personalwirtschaft vor eine groBe Aufgabe stellt.

Auch in Japan sind die illegalen Gastarbeiter zum groBten Teil Hilfsarbeiter. Es lage nahe, daB sieh die Personalwirtschaft mit MaBnahmen gegen die auslandischen Arbeiter beschaftigen miiBte. Aber das Gegenteil ist zu empfehlen, namlich flir eine ausreichende systematische Ausbildung der Gastarbeiter zu sorgen.

Damit ist die Frage nach der Aufnahme von Gastarbeitern in japanischen Unternehmen noch nieht gelost. Das oben erwahnte Kollektivsystem der Personalwirtschaft ist schon zu einer abgeschlossenen Unternehmenskultur, zu einer "Japanese Corporate Culture" geworden. Somit ist es selbst flir einen hochqualifizierten Auslander schwierig, in dies em System in den GenuB systeminterner Vorziige zu kommen. In dies em Sinne sollte man in

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Page 252: Internationale Wettbewerbsf¤higkeit: Personal, Kooperationen, Investitionen

Japan zum Wohle der Gastarbeiter radikale Veranderungen im Personalwirtschafts­system in den Unternehmen einfuhren.

5. Schlu6betrachtung

Der Jahreswirtschaftsbericht der japanischen Regierung fur das Jahr 1990 (das soge­nannte WeiBbuch) weist darauf hin, daB die Qualitat des Arbeitslebens in japanischen Unternehmen sich noch nicht bedeutend verbessert hat. Obwohl der Anteil des durch­schnittlichen Arbeitnehmereinkommens am Bruttosozialprodukt stetig steigt, bleibt die Wachstumsrate des Reallohns unter der der Arbeitsproduktivitat.

Die Einkommensunterschiede zwischen den einzelnen Unternehmungen bestehen nach wie vor; die durchschnittliche Arbeitszeit nimmt seit 1988 ab, ist jedoch liinger als die in den USA und Europa. 1m genannten WeiBbuch wird davon ausgegangen, daB weitere Steigerungen der Reallohne und Reduzierungen der Arbeitszeit durch den Zuwachs der Arbeitsproduktivitat begrenzt sind. In diesem Bericht wird deutlich: Die Zukunftsauf­gabe fur die japanischen Unternehmungen besteht darin, eine gerechte Aufteilung des Erfolges aus dem Wirtschaftswachstums zu erzielen.

1m Zusammenhang mit der Personalwirtschaft sollte man hier Probleme der Arbeitspro­duktivitat und der Einkommensverteilung bedenken. Dieser im WeiBbuch deutlich gewordene Wechsel der Wertevorstellungen yom ertragsorientierten ProduktionsprozeB zur Einkommensverteilung oder von der Forderung nach Steigerung der Arbeitsproduk­tivitat zur Verbesserung der Qualitat des Arbeitslebens stimmt mit dem System der Per­sonalwirtschaft in deutschen Unternehmen iiberein.

Die Verbesserung der Qualitat des Arbeitslebens und die Forderung der Veranderung der Einkommensverteilungspolitik ist ein Problem, daB in der Personalwirtschaft sowohl japanischer als auch deutscher Unternehmen zur Diskussion steht.

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