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UFZ-MAGAZIN Synthese und Ka nachhaltig g · dazu notwendige Enzym fehlt, leiden unter der seltenen...

Date post: 21-Aug-2019
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Mikrobiologen, Biotechnologen, Chemiker und Ingenieure des UFZ erforschen das Potenzial von Mikroorganismen, um sie gezielt für Biosynthesen und Biotransforma- tionen einzusetzen. Sie wollen so neue Wege zu Wert- und Wirkstoffen erschließen. Beispielsweise entwickeln sie Methoden, Hefen genetisch so zu verändern, dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen Bausteine für industrielle chemische Prozesse pro- duzieren. Oder sie studieren die Thermodynamik biologischer Systeme, um das Verhalten von Biokatalysatoren besser vorhersagen zu können. Amtierende Sprecherin des Forschungsthemas „Nachhaltige Synthese und Katalyse“: Dr. Beate Strehlitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umwelt- und Biotechnologischen Zentrum (UBZ) Synthese und Ka 108 UFZ-MAGAZIN nachhaltig g
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Page 1: UFZ-MAGAZIN Synthese und Ka nachhaltig g · dazu notwendige Enzym fehlt, leiden unter der seltenen Erbkrankheit Etha-nolaminose, die als eine mögliche Ursache für den Kindstod diskutiert

Mikrobiologen, Biotechnologen, Chemiker und Ingenieure des UFZ erforschen dasPotenzial von Mikroorganismen, um sie gezielt für Biosynthesen und Biotransforma-tionen einzusetzen. Sie wollen so neue Wege zu Wert- und Wirkstoffen erschließen.Beispielsweise entwickeln sie Methoden, Hefen genetisch so zu verändern, dass sieaus nachwachsenden Rohstoffen Bausteine für industrielle chemische Prozesse pro-duzieren. Oder sie studieren die Thermodynamik biologischer Systeme, um das Verhaltenvon Biokatalysatoren besser vorhersagen zu können.

Amtierende Sprecherin des Forschungsthemas „Nachhaltige Synthese und Katalyse“:Dr. Beate Strehlitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umwelt- und Biotechnologischen Zentrum (UBZ)

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�Aus Stroh Gold spinnen S. 110

Was nicht passt, wird passend gemacht S. 114

Aus Süß wird Sauer S. 116

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Wer kennt es nicht, das Märchen vom Rumpelstilzchen und der schönenMüllerstochter, der das Versprechen, Stroh zu Gold zu spinnen, beinahezum Verhängnis wurde. Gold aus unedlem Metall herzustellen, hatteJohann Friedrich Böttger dem sächsischen König August dem Starkenversprochen. Das gelang ihm natürlich nicht. Aber immerhin gilt erheute als Miterfinder des Porzellans, das auch als weißes Gold bezeich-net wird, denn dem Wert nach wurde es mit Silber und Gold gleich-gesetzt. Die „Weiße Biotechnologie“ – ein Zweig der Umweltbiotech-nologie – hat zwar nicht das Ziel, Gold herzustellen, aber mit ihrenMethoden gelingt es, beispielsweise aus Abfällen bestimmte Fein-chemikalien zu gewinnen, deren Preis den von Gold übertrifft. DieWerkzeuge dafür – so genannte Biokatalysatoren – bietet die Natur. Sie finden und ver-bessern, verstehen, wie sie funktionieren, Verfahren entwickeln, optimieren und steuern,um wichtige Produkte umweltfreundlich herzustellen – das haben sich Umweltbiotech-nologen des UFZ vorgenommen.

Aus StrohBeate Strehlitz und Doris Böhme

Gold spinnen

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S owohl ökonomisch als auch öko-logisch sind biotechnologischeVerfahren interessante Alterna-

tiven zu chemisch-physikalischen undmechanischen Prozessen. ChemischeProzesse sind häufig mit hohenDrücken, hohen Temperaturen, um-weltschädlichen Lösungsmitteln oderschwermetallhaltigen Katalysatorenund nicht unerheblichen Mengen anAbfällen verbunden, die teilweisetoxisch sind. Biotechnologische Ver-fahren dagegen arbeiten mit hoch

selektiven und effizienten Biokatalysa-toren. Das sind polymere Biomoleküle,ohne die das Leben undenkbar wäre,denn sie ermöglichen die lebensnot-wendigen biochemischen Reaktionenund physiologischen Prozesse allerLebewesen. Da sie selbst unverändertaus den Reaktionen hervorgehen, kön-nen sie immer wieder eingesetzt wer-den. Besteht ein Biokatalysator auseiner Kette von Aminosäuren, so gehörter zur Stoffklasse der Proteine undwird funktionell als Enzym bezeichnet.

Mikroorganismen und Enzyme arbeitenin der Regel unter Normalbedingungenund in wässrigen Medien und nutzennatürliche Rohstoffe oder sogar Abfälleals Substrate für katalytische Prozesse.Biokatalytische Verfahren brauchenmeistens weniger Prozessschritte als dieentsprechenden chemischen Verfahren.Aufarbeitungsschritte zur Gewinnungder reinen Produkte sind in den Prozessintegrierbar. Das sind viele Vorteile, dieBiotechnologen besser verstehen undnutzen wollen.

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Eine saubere SacheNoch liegt der Anteil von Chemie-

produkten, die durch biotechnischeVerfahren hergestellt werden, bei etwafünf Prozent. In der McKinsey-Studiezum „Beitrag der Biotechnologie zurchemischen Industrie" sind Expertenzu dem Ergebnis gekommen, dass biszum Jahr 2010 mit einer Erhöhung aufzehn bis zwanzig Prozent gerechnetwerden kann – Tendenz weiter stei-gend. Die Bedeutung der WeißenBiotechnologie wächst auch mit demrasant steigenden Ölpreis, denn siekann helfen, viele chemische Verfahren,die auf Erdöl basieren, auf andere, bei-spielsweise nachwachsende Rohstoffe,umzustellen. Aber auch Industrie-zweige wie die Lebensmittel-, Textil-,Kosmetik- und Papierindustrie haltenAusschau nach neuen, konkurrenz-fähigeren und umweltfreundlicherenVerfahren und Produkten. Allein derEinsatz von Enzymen in Waschpro-

zessen bei der Textilveredelung oder in Waschmitteln führt bei gleichemErgebnis zur Reduktion des Energie-und Wasserverbrauchs um bis zu 50Prozent.

Die Abwasserreinigung durch Bak-terien oder der Einsatz von Rohstoffenaus erneuerbaren Quellen sind eben-falls Anwendungsfelder der Biotech-nologie. Produkte wie Biodiesel undBiokunststoff sind bereits bekannt undhaben eine viel versprechende Karrierevor sich.

Auch die Wissenschaftler des UFZhaben das Ziel, Produkte und Ver-fahren zu entwickeln, die die Umweltentlasten und wirtschaftlich mit be-kannten Lösungen konkurrieren kön-nen. Dazu erforschen sie Phänomeneund Details, die bei der Grundla-genforschung beginnen und bis zuUntersuchungen im technischen Maß-stab reichen. Die notwendige techni-sche Infrastruktur mit Bioreaktoren

unterschiedlicher Größe steht imUmwelt- und BiotechnologischenZentrum (UBZ) des UFZ zur Ver-fügung.

So entwickeln und optimieren sie bei-spielsweise Verfahren zur Herstellungorganischer Säuren wie Zitronensäure,Isozitronensäure oder Ketoglutarsäure,Produkte für die Lebensmittelindustrieoder so genannte „building blocks“ –„Zwischenprodukte“ – für chemischeSynthesen. Weitere für die Wirtschaftinteressante Produkte sind Biopolymereund Protector Moleküle. Biopolymerehaben ähnliche Eigenschaften wie dieallseits bekannten chemisch hergestell-ten Polymere PVC oder Polyethylen,sind aber im Gegensatz zu ihren chemi-schen Verwandten biologisch abbaubar.Protector Moleküle sind Zucker, dieauch in der Natur vorkommen und vonMikroorganismen produziert werden.Wie ihr Name sagt, haben ProtectorMoleküle eine Schutzfunktion. Sie stabi-

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Im Biotechnikum des UFZ stehen Bio-reaktoren unterschiedlicher Größe zurVerfügung.

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lisieren lebende Materie wie Mikro-organismen. Deshalb versuchen dieWissenschaftler, diese Schutzmolekülezu isolieren und zu verwerten.

Die kleinen und die großenHelfer

Basis der biotechnologischen Ver-fahren sind zum einen nachwachsendeRohstoffe und landwirtschaftliche Rest-stoffe, die als Substrate – also Energie-oder Nahrungsquelle der Mikroorga-nismen – eingesetzt werden. Zum ande-ren werden leistungsfähige Biokata-lysatoren gebraucht, die die Arbeitmachen und das Substrat zu gewünsch-ten Produkten umsetzen. DieseLeistung vollbringen z. B. extremophileBakterien, die sich ihrer Umwelt ent-sprechend angepasst haben, oder„nichtkonventionelle“ Hefen. Da dieHefen von Haus aus nicht dazu in derLage sind, werden sie von den UFZ-Mikrobiologen geno- und phänotypisch

optimiert. Sie pflanzen den Wildtyp-stämmen bestimmte Gene ein, die siedazu befähigen sollen, die angebotenenSubstrate zu verwerten.

Doch der Weg bis zum Produkt istlang und oft nicht sehr effektiv. Eineweitere Aufgabe der Wissenschaftler istes also herauszufinden, wo und warumder Prozess ins Stocken gerät und wiediese Engpässe aus dem Weg geräumtwerden können. Mit den bisher kom-merziell verfügbaren Möglichkeitensind allerdings nicht alle Parameterdirekt messbar. Deshalb entwickeln sieneue Methoden für die Prozesssteuerungund Optimierung, beispielsweise Bio-sensoren zur Online-Steuerung. Und damikrobiologische Prozesse immer mitWärme verbunden sind, messen dieWissenschaftler mithilfe so genannterkalorimetrischer Verfahren Temperatur-veränderungen, die wiederum etwasüber den Zuwachs der Mikroorganis-men oder Umsatzgeschwindigkeiten

aussagen. Eine weitere Methode dermodernen Biologie, die am UFZ einge-setzt wird, ist die Flow Cytometry. Mitihr kann das Verhalten von Zellen cha-rakterisiert werden.

Die Biotechnologie ist ein Parade-beispiel für interdisziplinäre Zusam-menarbeit. Neue Erkenntnisse derGenomforschung und der System-biologie führen zu einem tieferenVerständnis der physiologischen undregulatorischen Vorgänge von Mikro-organismen. Sie ermöglichen somiteinen gezielten Einsatz biologischerSysteme in biotechnologischen Pro-zessen. Das setzt aber voraus, dassChemiker, Molekularbiologen, Genetiker,Mikrobiologen, Informatiker und Ver-fahrenstechniker eng zusammen ar-beiten.

Dr. Beate Srehlitz ist Diplom-Ingenieurin und

wissenschaftliche Mitarbeiterin des Umwelt-

und Biotechnologischen Zentrums (UBZ).

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Wissenschaftler des UFZ wollen Pro-dukte und Verfahren entwickeln, diedie Umwelt entlasten.

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Wer in seiner Familie einenDiabetiker hat oder selbst einerist, weiß sehr wahrscheinlich, was

ein Blutzucker-Messgerät ist. DieTeststreifen, mit welchen die Zucker-konzentration im Blut des Diabetikersgemessen wird, heißen im wissenschaft-lichen Jargon Biosensoren. Sie basierenauf biologischen Rezeptoren. Das heißt,eine biologische Komponente – zumBeispiel ein Enzym oder Mikroorga-nismen – tritt in Wechselwirkung mit demzu messenden Analyten. Dabei kommt eszu physikochemischen Veränderungen imBiosensor, die mittels eines Signal-umwandlers – Transduktors – in einmessbares Signal übersetzt werden.Anschließend wird der Ausgangszustanddes Messsystems wieder hergestellt.Biosensoren finden insbesondere dortAnwendung, wo man gesuchte Parametermit herkömmlicher chemischer Analytikentweder nicht direkt oder nur mit gro-ßem Aufwand messen kann. Sie sind hoch

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Regina Stoltenburg, Beate Strehlitz und Doris Böhme

selektiv, sensitiv und mehrfach verwend-bar, kommen im Gegensatz zu den meis-ten chemischen Analysemethoden ohneaufwändige Probenvorbereitung aus underzeugen keine toxischen Abfälle. Da sieeinfach zu handhaben sind, halten dieBiosensoren in vielen Bereichen Einzug:Neben der klinischen Chemie oderMedizin in der Lebensmittel- und Umwelt-analytik sowie der Prozesssteuerung inPharmazie und Biotechnologie.

Die Nadel im HeuhaufenFür viele Parameter, die man gern

schnell, einfach und möglichst vor Ort

Was nicht passt,wird passend

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messen möchte, gibt es jedoch bisherkeine für die Anwendung in Biosensorengeeigneten biologischen Rezeptoren.Deshalb entwickeln UFZ-Wissenschaft-ler so genannte DNS-Aptamere, die prin-zipiell passend für jedes Molekül gefun-den werden können. Das funktioniertetwa wie die Suche nach der Nadel imHeuhaufen. Aus einer künstlich herge-stellten Bibliothek von zirka 1015 verschie-denen Oligonukleotiden mit einer Längevon 50 bis 150 Basen werden die an das Zielmolekül passenden Strukturen„herausgesucht“. 1015 verschiedeneOligonukleotide sind eine unvorstellbar

große Menge von 10 Millionen mal 100Millionen. Das bedeutet, dass auch dieVielfalt der zur Verfügung stehendenStrukturen riesig ist und sich ganz sicherdarunter einige Oligonukleotide befin-den, die gut an das Zielmolekül passen.Doch wie findet man die geeignetenAptamere? Mit dem SELEX-Verfahren(Systematic evolution of ligands by expo-nential enrichment), bei dem schrittweisedie am besten passenden Moleküle, dieeine bestimmte Affinität für dasZielmolekül haben – sich quasi zumZielmolekül hingezogen fühlen – heraus-gesucht werden. Das Verfahren ist vom

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gemachtMultianalyt-Handmessgerät – Der Test-streifen ist nichts anderes als ein Bio-sensor, entwickelt von der LeipzigerFirma Senslab.

UFZ so modifiziert worden, dass es nunmöglich ist, Aptamere je nach Notwen-digkeit oder Wünschen von Anwendernzu entwickeln. Die UFZ-Wissenschaftlerhaben mit ihrem FluMag-SELEX bei-spielsweise Aptamere für Streptavidinund Ethanolamin entwickelt. Streptavidinist für Testsysteme in der Immunologieund Molekulardiagnostik wichtig, da eseine starke Affinität zu Biotin hat.Deshalb wird es für Kopplungsvorgängeverwendet, um Moleküle auf Oberflächenzu fixieren. Biotin spielt eine wichtigeRolle beim Fett- und Zuckerstoffwechselund ist auch als Vitamin H oder B7bekannt. Ethanolamin ist eine Substanz,die sich im Körper – in der Milz oderLeber – anreichert und normalerweiseabgebaut wird. Menschen, denen dasdazu notwendige Enzym fehlt, leidenunter der seltenen Erbkrankheit Etha-nolaminose, die als eine möglicheUrsache für den Kindstod diskutiertwird. Die UFZ-Forscher sind außer-dem auf der Suche nach Aptameren fürden Nachweis von Schimmelpilzensowie neurodegenerativen Erkrankun-gen. Dabei arbeiten sie mit Partnernaus der Universität Leipzig und derIndustrie zusammen.

Dr. Beate Srehlitz ist Diplom-Ingenieurin und

wissenschaftliche Mitarbeiterin des Umwelt-

und Biotechnologischen Zentrums (UBZ).

Die Mikrobiologin Dr. Regina Stoltenburg ist

wissenschaftliche Mitarbeiterin im UBZ.

Saftproduzenten müssen bei der Qualitätskontrolle dasProblem der Milchsäurebildung beachten. Spezielle Biosen-soren können den Produktions- und Lagerungsprozess effizien-ter und sicherer gestalten.

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stark verschmutztem Gips, die nichtweiterverwertet werden und entsorgtwerden müssen. Deshalb wird Zitronen-säure in Deutschland derzeit nicht produ-ziert und muss importiert werden.

Etwas freundlicher bitte!Umweltfreundlicher ist ein Verfahren

mit der Hefe Yarrowia lipolytica, dadurch den Einsatz sauberer Rohstoffeund geschlossene Prozesskreisläufe

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Z itronensäure begegnet uns nahezutäglich. Sie ist als Stoffwechsel-produkt in allen Organismen zu fin-

den. Sie kommt in Äpfeln, Birnen,Himbeeren, in Nadelhölzern, Pilzen, imWein und sogar in der Milch vor. ImAlltag begegnet sie uns als Bestandteilvon Lutschbonbons, Getränken, Wasch-mitteln und Kalklösern oder als Zusatz in so genannten Weißmacher-Zahnpasten. In der pharmazeutischenIndustrie wird sie als Mittel gegenBlutgerinnung bei Blutkonserven einge-setzt. Weltweit werden gegenwärtig etwaeine Million Tonnen Zitronensäure proJahr produziert; für die nächsten Jahrewird eine Zunahme des Marktvolumensvon 3,5 bis 4 Prozent prognostiziert.

Die Zitronensäure wurde erstmals1784 von Carl Wilhelm Scheele aus demSaft der Zitrusfrucht – daher ihr Name –isoliert. Zitronensaft enthält fünf bis sieben Prozent Zitronensäure. Bis zirka1920 wurde sie ausschließlich ausZitronen hergestellt, obwohl bereitsAnfang des 19. Jahrhunderts bekanntwar, dass bestimmte SchimmelpilzeZitronensäure produzieren können. Daserste Patent, Zitronensäure aus zucker-haltigen Abfällen wie Melasse durch denSchimmelpilz Aspergillus niger herzustel-len, wurde 1913 in den USA beantragt.

Dieses effiziente biotechnologischeVerfahren wird bis zum heutigen Tagegenutzt. Der Nachteil: In dem aus vielenSchritten bestehenden Verfahren entste-hen neben mit Schwermetallen belaste-tem Abwasser auch große Mengen an

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Aus Süßwird Sauer

Die Zitronensäure wurde erstmals1784 von Carl Wilhelm Scheele ausdem Saft der Zitrusfrucht – daherihr Name – isoliert.

Lucie Moeller, Andreas Zehnsdorf, Andreas Aurich und Doris Böhme

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Traubenzucker ist der gebräuchli-che Name für Glucose. Der einfa-che Zucker (Monosaccharid) hatdie Summenformel C6H12O6.Saccharose ist die Bezeichnungfür den Kristall- oder Haushalt-zucker. Der Zweifachzucker (Di-saccharid) besteht aus je einemMolekül Glukose und Fruktose(Fruchtzucker) und hat die Sum-menformel C12H22O11.

WISSENSWERTES

weniger Abwasser und kein Gips ent-stehen. Bereits in den 70er und 80erJahren forschten Leipziger Wissen-schaftler an der Zitronensäurepro-duktion mit Y. lipolytica aus n-Alkanen.Heute werden als Substrat für diesenProzess nachwachsende Rohstoffe wiePflanzenöle oder Traubenzucker einge-setzt. In Zusammenarbeit mit demInstitut für Mikrobiologie der Tech-nischen Universität Dresden konzen-trieren sich die UFZ-Wissenschaftlervor allem auf Stämme der Hefe Y. lipo-lytica mit den besten Eigenschaften,Zitronensäure zu bilden. Diese wurdengentechnisch so modifiziert, dass sieauch Saccharose – Kristallzucker –verwerten können. Nicht modifizierteWildtyp-Stämme können das nicht, daihnen das notwendige Enzym fehlt. DieUFZ-Wissenschaftler haben das Ziel,die Verfahrensführung zu optimieren,um die Qualität der Zitronensäuresowie die Effizienz des Prozesses zuerhöhen und um das Verfahren indus-triell anwendbar zu machen. Doch wie können Produktbildungs- undSubstratabbauvorgänge zeitnah, schnellund kostengünstig überwacht werden?Zum Beispiel mit Biosensoren alsquasi-online Messsysteme. Mithilfeeines biologischen Systems, bestehendaus Enzymen oder Zellen (siehe auchBeitrag Seite 114), können dieSubstrate, Zwischenprodukte und dasProdukt identifiziert und quantifiziertwerden.

An der Prozessoptimierung desYarrowia-Verfahrens arbeitet ein inter-disziplinäres Wissenschaftlerteam. Fürdie Modifizierung der Hefen sind Mikro-biologen zuständig, Biotechnologen undIngenieure überwachen die Kultivierungund Prozessführung in den Bioreaktorendes Umwelt- und BiotechnologischenZentrums (UBZ), Chemiker und Biolo-gen stellen die notwenigen Messsystemeauf der Basis von Biosensoren zurVerfügung. Mikrobiologen und Che-miker wiederum untersuchen und analy-sieren Nebenprodukte, die bei unter-schiedlichen Versuchsbedingungen ent-stehen können.

In der Industrie ist ein Wechsel desHerstellungsverfahrens immer dann ameinfachsten, wenn der Bedarf amProdukt die Kapazität vorhandenerAnlagen übersteigt oder die bestehenden

Anlagen erneuert werden müssen.Perspektivisch ist es denkbar, dass dasetablierte, aber die Umwelt belastendeAspergillus-Verfahren schrittweise durchdas umweltfreundliche Yarrowia-Ver-fahren ersetzt wird – und eine Rück-kehr der Zitronensäureherstellung nachDeutschland ermöglicht.

Lucie Moeller ist Diplom-Ingenieurin und

Doktorandin am UBZ.

Die Biotechnologen Dr. Andreas Zehnsdorf und

Dr. Andreas Aurich sind wissenschaftliche

Mitarbeiter des UBZ.

Die konventionelle Hefe Saccharomyces cerevisiaeunter dem Lichtmikroskop1600-fach vergrößert.

Der Zitrat bildende Wildtyp-Stammder Hefe Yarrowia lipolytica beiWachstum auf Glukose.

Mikroskopische Aufnahme: Andreas Aurich, UFZ

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