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Über die Notwendigkeit von Kursen und Vorträgen zur Aus- und Fortbildung in den medizinischen...

Date post: 02-Jan-2017
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ZEFQ-SERVICE Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.05.011 344 Vierter Jahrgang Freitag, den 15. November 1907 Nummer 22 Zeitschrift für ärztliche Fortbildung IV. Ärztliches Fortbildungswesen I. Über die Notwendigkeit von Kursen und Vorträgen zur Aus- und Fortbildung in den medizinischen Sondergebieten. von Priv.–Doz. Dr. Hans Herzog in Berlin M. H. Es sind im wesentlichen zwei Ideen, zu deren Durchführung Sie mir Ihre Hilfe und Mitarbeit nunmehr dauernd angedeihen lassen wollen. I. Die erste betrifft die Notwendigkeit der Begründung eines besonderen fachärztlichen Lehrinstitutes, welches dazu berufen sein soll, die bei einer rein praktischen Erlernung des Spezialfaches, wie sie durch den bisherigen Ausbildungsmodus … erzielt wird, unvermeidlichen Lücken der Ausbildung durch eine sys- tematische, durch ein planmäßiges Zusammenarbeiten der einzelnen Lehrkräfte möglichst erschöpfend gestaltete, teils theoretische, teils praktische Unterweisung in allen Einzeldisziplinen des Faches auszufüllen. Zu diesem Zweck soll, ... der spezi- alisierte Unterricht zunächst auf dem Gebiet der Augenheilkunde auf breitester Basis unter der Mitwirkung von Professoren und Dozenten der hiesigen Universität, wie von hervorragenden Spezialisten systematisch organisiert werden; und zwar a) auf der einen Seite – unter Beibehaltung des Unterrichts am klinischen Krankenbett und Operationstisch – durch mehr- semestrige Vorlesungen und Kurse für approbierte Ärzte …, die sich einem Spezialfach widmen wollen; b) in zweiter Linie – durch kürzere … Ferienkurse für bereits seit län- gerer Zeit in der Praxis stehende Spezialisten, die sich mit den Fortschritten ihrer Fachwissenschaft aufs neue kursorisch bekannt machen wollen. … Es handelt sich also … nicht darum, das lebendige Element der Klinik, die am klinischen Operations- tisch und Krankenbett zu sam- melnden Erfahrungen durch graue Theorie ersetzen zu wollen, … und Variationsfähigkeit durch keine auch noch so genaue Beschreibung natur- getreu und erschöpfend darzustel- lende Leben selbst als wichtigsten Unterrichtsfaktor auszuschalten. Es liegt uns absolut fern, zu dem bisherigen Ausbildungsmodus einen Gegensatz konstruieren zu wollen. … Die Klinik stets in Ehren! Sie wird stets der Konzentrationspunkt aller ophthalmologischen Interessen, stets das Forum bleiben, vor dem alle praktischen und wissenschaftli- chen Fragen unseres Spezialfaches zur Entscheidung gelangen. … Es handelt sich vor allem darum, dem Vorwurf zu begegnen, daß wir etwa eine Art Ophthalmologen- presse, eine Spezialistenzüchterei betreiben wollen, die etwa speku- lativen Köpfen Gelegenheit geben soll, eine gründliche klinische Durchbildung zu umgehen, ihnen die Berechtigung verleihen soll, sich auf Grund der Teilnahme an einigen von unseren Kursen als Augenärzte zu bezeichnen. … Der Name „Spezialarzt“ soll ein auf Grund des Besitzes erweiterter und vertiefter Kenntnisse berechtigter Ehrenname bleiben und, soweit er es noch nicht ist, durch unsere Arbeit dazu werden. … Ärzte wie Publikum sind durchaus gewohnt, … mit dem Begriff des „Spezialisten“, mit den auf einem bestimmten Gebiet potenzierten und hier konzentrierten Kenntnissen und Fähigkeiten eines solchen rech- nen, bzw. mit dieser Bezeichnung bestimmte Vorstellungen der Vertrauenswürdigkeit eines Arztes hinsichtlich einer besonderen Leistungsfähigkeit auf einem ärztli- chen Sondergebiet verbinden zu dürfen. Wie nun aber den Begriff des „Spezialisten“ festlegen? Man hat einfach gesagt, unter Spezialität ist eben wissenschaftliche Spezialisierung zu verstehen; das ist richtig, aber unvollständig; denn … es kommt … auch ein praktisches spezialistisches Können in Betracht, und einer unserer
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Page 1: Über die Notwendigkeit von Kursen und Vorträgen zur Aus- und Fortbildung in den medizinischen Sondergebieten

ZEFQ-SERVICE

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.05.011344

Vierter Jahrgang Freitag, den 15. November 1907 Nummer 22

Zeitschrift für ärztliche Fortbildung

IV. Ärztliches Fortbildungswesen

I. Über die Notwendigkeit von Kursen und Vorträgen zur Aus- und Fortbildung in den medizinischen Sondergebieten.

von

Priv.–Doz. Dr. Hans Herzog

in Berlin

M. H. Es sind im wesentlichen zwei Ideen, zu deren Durchführung Sie mir Ihre Hilfe und Mitarbeit nunmehr dauernd angedeihen lassen wollen.I. Die erste betrifft die Notwendigkeit der Begründung eines besonderen fachärztlichen Lehrinstitutes, welches dazu berufen sein soll, die bei einer rein praktischen Erlernung des Spezialfaches, wie sie durch den bisherigen Ausbildungsmodus … erzielt wird, unvermeidlichen Lücken der Ausbildung durch eine sys-tematische, durch ein planmäßiges Zusammenarbeiten der einzelnen Lehrkräfte möglichst erschöpfend gestaltete, teils theoretische, teils praktische Unterweisung in allen Einzeldisziplinen des Faches auszufüllen.Zu diesem Zweck soll, ... der spezi-alisierte Unterricht – zunächst auf dem Gebiet der Augenheilkunde –auf breitester Basis unter der Mitwirkung von Professoren und Dozenten der hiesigen Universität, wie von hervorragenden Spezialisten systematisch organisiert werden; und zwar a) auf der einen Seite –unter Beibehaltung des Unterrichts am klinischen Krankenbett und Operationstisch – durch mehr- semestrige Vorlesungen und Kurse für approbierte Ärzte …, die sich einem Spezialfach widmen wollen; b) in zweiter Linie – durch kürzere … Ferienkurse für bereits seit län-gerer Zeit in der Praxis stehen de Spezialisten, die sich mit den Fortschritten ihrer Fachwissenschaft aufs neue kursorisch bekannt machen wollen. … Es handelt sich also … nicht darum, das lebendige Element der Klinik,

die am klinischen Operations- tisch und Krankenbett zu sam-melnden Erfahrungen durch graue Theorie ersetzen zu wollen, … und Variationsfähigkeit durch keine auch noch so genaue Beschreibung natur-getreu und erschöpfend darzustel-lende Leben selbst als wichtigsten Unterrichtsfaktor auszuschalten.Es liegt uns absolut fern, zu dem bisherigen Ausbildungsmodus einen Gegensatz konstruieren zu wollen. … Die Klinik stets in Ehren! Sie wird stets der Konzentrationspunkt aller ophthalmologischen Interessen, stets das Forum bleiben, vor dem alle praktischen und wissenschaftli-chen Fragen unseres Spezialfaches zur Entscheidung gelangen. …Es handelt sich vor allem darum, dem Vorwurf zu begegnen, daß wir etwa eine Art Ophthalmologen-presse, eine Spezialistenzüchterei betreiben wollen, die etwa speku-lativen Köpfen Gelegenheit geben soll, eine gründliche klinische Durchbildung zu umgehen, ihnen die Berechtigung verleihen soll, sich auf Grund der Teilnahme an einigen von unseren Kursen als Augenärzte zu bezeichnen. …Der Name „Spezialarzt“ soll ein auf Grund des Besitzes erweiterter und vertiefter Kenntnisse berechtigter Ehrenname bleiben und, soweit er es noch nicht ist, durch unsere Arbeit dazu werden. … Ärzte wie Publikum sind durchaus gewohnt, … mit dem Begriff des „Spezialisten“, mit den auf einem bestimmten Gebiet potenzierten und hier konzentrierten Kenntnissen und Fähigkeiten eines solchen rech-nen, bzw. mit dieser Bezeichnung bestimmte Vorstellungen der Vertrauenswürdigkeit eines Arztes hinsichtlich einer besonderen Leistungsfähigkeit auf einem ärztli-chen Sondergebiet verbinden zu dürfen.Wie nun aber den Begriff des „Spezialisten“ festlegen?Man hat einfach gesagt, unter Spezialität ist eben wissenschaftliche Spezialisierung zu verstehen; das ist richtig, aber unvollständig; denn … es kommt … auch ein praktisches spezialistisches Können in Betracht, und einer unserer

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ophthalmologischen Klassiker, Julius Jacobson, sagte … mit Recht, dass er dem praktischen, technischen Routinier unbedingt als dem kleineren Übel vor dem rein wissenschaft- lichen Spezialisten den Vorzug geben müsse….Man hat dann die Berechtigung der Bezeichnung als Spezialist von dem Bestehen eines Spezialistenexamens abhängig machen wollen.Aber, wie ist das auf dem Gebiet der Medizin möglich, auf dem bei dem rastlosen Fortschritt der sich auf dasselbe beziehenden, auf sämtli-che Naturwissenschaften übergrei-fenden Forschungen fast täglich neue Spezialgebiete entstehen? … Auf diesen neuen Spezialgebieten, die sich erst allmählich als solche herausbilden und abgrenzen, kann von einem Spezialexamen unmöglich die Rede sein. Wie kann man aber dann auf einer Anzahl von Gebieten ein solches verlangen und auf anderen davon Abstand nehmen? Damit würde offenbar doch nur großen Ungerechtigkeiten und weiteren Unzuträglichkeiten Tür und Tor geöffnet.Mir scheint es, … daß man zunächst unseren Kollegen Mittel und Wege eröffnet, die es ihnen ermöglichen, sich die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie zur wissenschaftlichen und praktischen Ausübung ihres Spezialfaches brauchen, in der denk-bar höchsten, nach dem jeweiligen Standpunkt ihrerWissenschaft über-haupt erreichbaren Vollkommenheit … anzueignen und daß sich dann das … Publikum daran gewöhnt, nur diejeni-gen Ärzte als Spezialisten auf einem Gebiet anzuerkennen, die mit allem, durch keine Mühe gehemmten Ernst … alle Mittel, deren Benutzung man billiger Weise von ihnen verlangen darf, sich zu eigen gemacht haben, um auf den jeweiligen erreichbaren Gipfel spezialistischer Durchbildung zu gelangen. … Wohl unterscheidet sich eine „Klinik“ von jeder anderen beliebigen Krankenanstalt bekanntlich dadurch, daß daran schon von jeher der Begriff eines medizinischen Lehrinstitutes geknüpft ist. Der Lehrplan unserer heutigen klinischen

Universitätsinstitute kann jedoch kein universeller sein; derselbe muß sich vielmehr auf die ganz bestimmte Aufgabe konzentrieren, in den einzelnen klinischen Sondergebieten die elementare Grundlage medizinischer Ausbildung zu lie fern, um damit die Studierenden der Medizin in den Stand zu setzen, daß sie beim Abschluß des Studiums das ihnen den Charakter als Medizinalpersonen verleihende Examen als praktischer Ärzte ablegen können.Die sorgfältige Ausprägung dieser durch den „approbierten Arzt“ repräsentierten Normalgrundform, durch welche einerseits dem Bedürfnis der Bevölkerung nach allge-mein medizinischer, den Interessen des common wealth angemes sener Versorgung entsprochen, auf der anderen Seite die solide Ausgangsform für jede Art ärztlicher Spezialisierung geschaffen werden soll, stellt zweifellos eine so überaus wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe dar, daß alle Kräfte, alle Hilfsmittel, die ganze Lehrmetho de auf dieselbe konzentriert und zuge-schnitten werden müssen; zumal bei der ständig anwachsenden Fülle des Lehrstoffes, den heute schon der Studierende in der kurzen Zeit der kli-nischen Semester aufzunehmen hat.Die Unterrichtsinteressen unserer kli-nischen Universitätsinstitute müssen daher heutzutage in allererster Linie der elementaren Ausbildung zugewen-det sein. …Eine … beschränkte spezialistische Ausbildung der Assistenten kann dabei nur nebenher gehen. In den weitaus meisten Fällen wird sie bekanntlich durch ein praktisches Mitarbeiten in der Klinik zu erzielen versucht. Die Möglichkeit zur Mitarbeit ist jedoch vielfach eine beschränkte … ausrei-chende Erfahrungen am Krankenbett zu sammeln. Es besteht ferner für den Chef eines klini schen Institutes, der naturgemäß für eine spezialistische Ausbildung seiner Assistenten in jedem Fall als die wertvollste und wesentlichste Lehrkraft in Betracht kommt, heute überhaupt keine absolut zwingende Notwendigkeit mehr,

sich als Lehrmeister … zu betätigen. …Es genügt ja bisher als spezialistischer Befähigungs-nachweis vor dem Standesverein, wenn der betreffende Kollege an einer renommierten Klinik einige Jahre tätig gewesen ist. Worin diese Tätigkeit bestand, welche Fähigkeiten hierbei erlernt wurden, unterliegt nicht der Diskussion. … Es hängt also ganz von dem Wohlwollen eines Chefs ab, ob und in welchem Umfange er die Wünsche seiner Assistenten betreffend den Erwerb einer gründlichen spezialistischen Ausbildung berücksichtigt. … Was kann man aber nach dieser Richtung heute von dem Chef einer großen modernen Universitätsklinik verlan-gen?! Es gehört, wie bekannt, ein wahres Arbeitsgenie dazu, um die Riesensumme von Arbeit, die ein moderner klinischer Chef als Arzt und Operateur in der Anstalt und in der Privatpraxis, als Konsiliarius, als akademischer Lehrer, als Examinator, als Anstaltsleiter und -verwalter, als Gutachter, als Fakultätsmitglied, als Leiter und Mitglied zahlreicher medizinischer Gesellschaften, als Herausgeber medizinischer Zeitschriften, als Referent für medizinische, staatliche Deputationen, als Repräsentant der Wissenschaft nach außen hin, mit der Präzision eines Uhrwerkes zu erledi-gen hat, zu bewältigen. … Ihm unter diesen Umständen noch die spezialis-tische Ausbildung seiner Assistenten aufbürden zu wollen, erscheint wahr-lich als ein ganz unbilliges Verlangen.Es wäre in solchen Fällen viel-leicht an einen Ersatz durch die älteren Assistenten zu denken. … Wo bleibt vollends die Ausbildung des Nachwuchses, wenn eine solche den Chef ergänzende Kraft überhaupt nicht vorhanden ist,… oder aus sonsti-gen Gründen … für die Mitassistenten auch bei bestem Willen keine Zeit hat? … Unter solchen Umständen sind insbesondere die jüngeren Assistenten hinsichtlich einer vertieften, wissen-schaftlichen Ausbildung sich selbst überlassen. Was kann man von ihnen … erwarten, wenn sie durch den mit Hochdruck arbeitenden Großbetrieb der Anstalt ermüdet sind? … In vielen

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klinischen Privatanstalten … liegen häufi g die Verhältnisse noch schlim-mer, insofern als hier die Assistenten der Kostenersparnis halber vielfach noch zu Verwaltungsgeschäften, … die mit einer spezialwissenschaftlichen Ausbildung auch nicht das Geringste zu tun haben, herangezogen werden.Es kann daher gegenwärtig die lediglich auf Grund einer mehrjäh-rigen Assistententätigkeit erworbene Legitimation als Spezialarzt … nur als eine formale angesehen werden.In dem Sinne, in welchem wir nun-mehr unsere Aufgabe hinsichtlich des zu erzielenden Grades der spezialis-tischen Ausbildung auffassen wollen, kann jedoch … überhaupt nicht ent-sprochen werden. Dieser Schluß ergibt sich einfach daraus, daß heute zur Erreichung dieses Zieles besondere theoretische Vorlesungen, spezielle Einführungen in die zahlreichen Einzeldisziplinen und Hilfswissen-schaften des Faches und tiefgrei-fende praktische Unterweisungen unumgänglich erforderlich sind, für welche es an den einzelnen klinischen Instituten bei den heute vorhandenen und möglichen Einrich-tungen weder die entsprechenden Lehrer, noch die instrumentellen und apparativen Vorrichtungen … geben kann. Bei der Bedeutung, welche die verschiedensten Hilfsdisziplinen wie Anatomie, … Physiologie … Pathologie, Neurologie des Auges usf. für unser Fach gewonnen haben, ist es für einen erschöpfend durchzubil-denden Ophthalmologen ein durchaus unabweisbares Erfordernis, daß er sich mit diesen … Subdisziplinen … auf das Eingehendste vertraut macht. Es kann ferner die augenärztlicheoperative Technik, wie sie in orientierender Weise für Studierende der Medizin gelehrt werden muß, unmöglich für den zukünftigen Augenarzt ausreichen. …Es bleiben für die Vertiefung der spezialistischen Ausbildung die

wissenschaftlichen Studienreisen …ferner die in zahlreichen Universitätsstädten von Dozenten und befähigten Assistenten gegenwärtig abgehaltenen Fortbildungskurse. … Von einer Fühlung der zu einem Fach zusammengehörigen Dozenten unter-einander, von dem Bestreben, sich gegenseitig planmäßig zu ergänzen, ist und kann nach der Anlage der Ferien- und Fortbildungskurse nicht die Rede sein. …Es ist mir darauf angekommen, Ihnen an Hand eines Überblickes den tatsächlichen Nachweis zu erbrin-gen, … daß bisher nirgends eine Einrichtung anzutreffen ist, die dem Bedürfnis nach einer harmonisch abgerundeten … spezialärztlichen Fachwissenschaft durchgeführten Ausbildung gerecht wird. Die kli-nischen Anstalten sind dazu nach wie vor unentbehrlich, sie müssen jedoch eine Ergänzung erfahren in der Angliederungen spezifi scher Fachschulen. …II. Bezüglich der zweiten Idee handelt es sich um das „Wie“ der Abhilfe. … Während bislang näm-lich die Ausbildung der Spezialisten ausschließlich in den Händen von Spezialisten derselben Gattung lag, wollen wir es jetzt so machen, daß die Ausbildung … auch durch eine Anzahl von Autoren erfolgt, die … Meister auf dem Gebiet derjenigen Einzeldisziplinen sind, die das Mosaik eines spezialärztlichen klinischen Faches zusammensetzt. … Denn wenn wir offen sein wollen, dann müs-sen wir sagen, daß wir … von den Feinheiten anatomischer und physio-logischer Untersuchungsmethoden herzlich wenig wissen. … Wir wis-sen davon … durchschnittlich im Grunde nicht mehr, als ein Student der Medizin gelernt hat. Erstens war das nun einmal nicht übermäßig viel, zweitens haben inzwischen die anderen Disziplinen z.T. so unge-h e uere Fortschritte … gemacht, daß

wir sie,… keinesfalls außer acht lassen dürfen. … Gerade darauf kommt es an, daß der junge Ophthalmologe … sein Fach von universellen Gesichtspunkten aus erfassen lernt. Es handelt sich also um diesel-ben Grundsätze, wie sie bei der Ausbildung des Medizin-Studierenden zum praktischen Arzt zur Geltung kommen. …Es wird ja im Anfang einigermaßen schwierig sein. … Aber was man nicht kann, das lernt man halt. ...Nehmen wir an, daß unserem Beispiel auch noch andere Disziplinen folgen, so daß über kurz oder lang auf der gleichen Basis organisierte Lehrveranstaltungen … entste-hen. … Indem dadurch ein gegen-seitiger Austausch zwischen den Wissensgebieten der verschiedenen Disziplinen vermittelt wird, wird dadurch auch der Zusammenhang aller einzelnen Disziplinen mit der Gesamtmedizin wieder hergestellt, der bei der heutigen Art des spezia-listischen Lehrens und Wirkens leider nur zu oft mehr oder weniger verloren geht.Ein Aufsatz, der in vielen Passagen auch Verhältnisse und Bedingungen unserer Tage widerspiegeln könnte. Viele, der vom Autor geforderten, Veränderungen wurden in den ver-gangenen 100 Jahren eingeführt. Fortschritt und Spezialisierung expandierten in diesem Zeitraum aber beträchtlich. Heute ist das Spezialwissen manchmal schon so speziell, dass Kollegen eines Fachgebietes sich nicht mehr in den verschiedenen Spezialgebieten ihres eigenen Faches zurecht fi nden. Achten wir deshalb in Zukunft alle darauf, dass die Medizin nicht in eine Sammlung von Spezialgebieten zerfällt, sondern dass sie ein Wissenschaftsgebiet bleibt.

Geidel (Dresden)


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