Date post: | 04-Jan-2017 |
Category: |
Documents |
Upload: | hans-peter |
View: | 214 times |
Download: | 0 times |
Zbl. Bakt. Hyg. A 262, 169-178 (1986)
Dber biologische Wirkungen von Koordinationsverbindungender Dbergangsmetalle6. Wirkung von 4-Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid undcis-dichloro-diammin-Platin(II) auf Retroviren und die virusassoziierte RNS-Polymerase von Influenzavirus
On the Biological Action of Transition Metal Complexes.6. Action of 4-Methyl-2-amino-pyridine-palladiumchloride and cis-Dichlorodiammine-platinum(II) on Retroviruses and the Virus-associated RNA Polymerase of Influenza Virus
GUNTER SYDOW, VOLKER WUNDERLICH, LISELOTTEBAUMBACH, EMIL TONEW+, MARION TONEW+und HANS-PETER SCHROER +
Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut fur Krebsforschung, Berlin, DDR,und "Zentralinstitut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie, lena, DDR
Mit 3 Abbildungen . Eingegangen am 4. September 1985 . Angenommen am 7. November1985
Abstract
The effect on retroviruses of two transition metal complexes of known antiviral activity,4-methyl-2-amino-pyridine-palladium-chloride (MAP) and cis-dichloro-diammine-platinum(I1) (cis-DDP) has been investigated. The experiments included the evaluation of theaction of compounds on virus particle-associated reverse transcriptase in exogenous assays,on virus propagation in persistently infected cell cultures and on virus infectivity in mice.
In disrupted viruses and in the absence of excess protein, the reverse transcriptase wasinhibited by MAP but not by cis-DDP. The same results were obtained when examining theactivity of the virus-associated RNA polymerase of influenza virus AfWSN.
Both compounds did not inhibit the replication of retroviruses in cell cultures, except athigh dose levels which exerted toxic action on both cells and virus formation. The leukemogenicity of Rauscher murine leukemia virus was strongly inhibited when the virus had beenincubated with MAP before inoculation. A similar treatment with cis-DDP did not influenceviralleukemogenicity. Despite somewhat different results with both compounds tested, weconclude from the present results that the above mentioned compounds cannot be considered as antiretroviral drugs.
12 Zbl. Bakt. Hyg. A 262/2
170 G. Sydow et al.
Zusammenfassung
Es wurde der Effekt von zwei antiviral wirksamen Koordinationsverbindungen - 4Methyl·2-aminopyridin-palladiumchlorid (MAP) und cis-dichloro-diammin-Platindl) (cisDDP) - ~uf Retroviren untersucht. Hierbei wurden im exogenen Test die Wirkung derVerbindungen auf die Partikel-assoziierte Revertase (reverse transcriptase EC 2.7.7.7), inder Zellkulrur der Einfluf auf die Virusvermehrung und im Tierversuch an der Maus derEffekr auf die Infektiosirat ermittelt.
Die Revertase ist in lysierten Viren bei Abwesenheit von iiberschiissigen Proteinen durchMAP hemmbar, jedoch nicht durch cis-DDP. Vergleichbare Ergebnisse wurden bei Priifungder Aktivitat der virusassoziierten RNS-Polymerase von Influenzavirus A1WSN gefunden .
Auf die Retrovirusproduktion in Zellkulturen haben beide Substanzen keinen unmittelbaren EinfluK Erst bei Dosierungen, die toxisch auf die Zellkulturen wirken, ist auch dieVirusbildung vermindert. Die leukamogene Wirkung des Rauscher-Leukarnie-Virus (RLV)bei Mausen wird durch eine vor der Inokulation erfolgte Inkubation mit MAP stark vermindert. Durch eine gleichartige Behandlung mit cis-DDP wird sie jedoch kaum beeinflufr.Beide Substanzen zeigen somit eine etwas unterschied!iche Wirkung gegen Retroviren. Diebisher erhaltenen Ergebnisse liefern keine Hinweise fur eincn moglicherweise erfolgreichenEinsatz dieser beiden Verbindungen gegen Retroviren.
Einleitung
In den letzten jahren wurden von einigen Arbeitsgruppen Koordinationsverbindungen synthetisiert, die eine gute antivirale Wirkung aut rerschiedene Viren ausiiben (3,14, 17, 18). Das cis-dichloro-diammin-Platin(II) (cis-DDP), ebenfalls ein Vertreter dieser Substanzklasse, ist dariiber hinaus durch seine antineoplastische Aktivitat bekannt.Es war daher fur uns von Interesse zu test en, ob derartige Verbindungen auch antiviralauf Retroviren wirken, die bekanntlich ursachlich an der Entstehung vcrschiedenertierischer Neoplasien (9, 20) und, wie neuerdings nachgewiesen wurde, au ch menschlicher Leukamien (1, 5) beteiligt sind. Fur die Untersuchungen wahlten wir das bereitserwahnte cis-DDP sowie eine neuenrwickelte Palladiumverbindung, da s 4-Methyl-2aminopyridin-palladiumchlorid (M AP), deren Wirkung aufserdem auf die virusassoziierte RNS-Polymerase von Influenzavirus AlWSN untersucht wurde.
Material und Methoden
Substanzen
4-Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid wurde nach den bei (17) angegebenen Verfahren hergestellt. Diese Substanz wurde als Starnmlosung in Dimethylsulfoxid prapariertund in den angegebenen Verdiinnungen in die Versuche eingesetzt. cis-DDP wurde in bekannter Weise dargestellt (8).
Fiir die Versuche mit Retroviren wurde das cis-DDP in leichr saurer, mit verdiinnterEssigsaure auf pH 4,5 eingestellter physiologischer NaCl-Ldsung aufgenommen (0,75 mg!ml = 2,5 mmolll). Diese Stamrnlosung wurde vor jedem Versuch neu hergestellt und unrnittelbar danach eingesetzt. In einigen Fallen, in denen die Wirkung auf die Revertase-Aktivitatermittelt wurde, erfolgte auch eine Losung von cis-DDP in DMSO. Hierbei handelte es sichebenfalls urn frisch bereitete Losungen, die sofort zur Anwendung kamen .
Fiir die Untersuchungen der Influenzaviruspolymerase wurde cis-DDP in DMSO gelostund diese Stamrnlosung nach wenigstens 3-tiigiger Aufbewahrung verwendet (19).
Wirkung von MAP und cis-DDP auf Retroviren 171
Retroviren, Zellen und Seren
Fur die Untersuchungen fanden die in Tabelle 1 angefuhrten Retroviren, Zellinien, Medien und Seren Verwendung.
Tabelle 1. Viren, Zellinien, Seren und Medien
Virus Virustyp Zellinie/Serum Medien Literatur
Serum von Mausen 20des Stammes NMRI
Serum von Hiihner- 20kiicken'
FLK MEM (Eagle) 20(fatale Lammnieren) + 10% NKS2
PMFV D(Isolat aus permanentenmenschlichen Fibroblasten (Embryo))
MPMV D(Mason-Pfizer-MonkeyVirus)
BLV C?(Virusder enzootischenRinderleukose)
RLV C(Rauscher-Leukamievirus der Maus)
AMV C(Virusder Ceflugelmyeloblastose)
A204
A204
RPMI1640 2+ 10% NKS2
RPMI1640 20+ 10% NKS2
1 Dieses Serum wurde uns freundlicherweise von Dr. D.-H.Liebscher (Zentralinstitut fiirMolekularbiologie) iiberlassen.
2 Serum neugeborener Kalber.
Virusisolierung und Revertase-Test (RT)
Die Isolierung der Viren aus dem Nahrmedium der Zellkulturen sowie dem Blutserumerfolgte nach einer Vorzentrifugation (15 min bei 14 000 x g) der Kulturflussigkeit (KF)bzw. des mit 0,01 molll Tris-HCl (pH 8,3) 1: 20 verdiinnten Serums und nachfolgenderSedimentation der Viren fur 60 min bei 60 000 x g.
Zur Bestimmung der Revertase-Aktivitat wurden die Viruspellets in 0,01 mol!l Tris-HCl(pH 8,3) resuspendiert und hiervon 10 ul ( ~ 0,4-1 ml KF bzw. 10 oder 20 ul Serum) fur denRT entnommen.
Nach der Lysis mit dem Detergens NP40 (Fluka, Schweiz) wurde in Gegenwart vonPoly(rA): oligo (dT) sowie der jeweils erforderlichen lonen (0,3 mmolll Mn2+ bzw. 9,6mmol/l Mg2+) nach 60 min die Inkorporation von 3H-Thymidinmonophosphat (spez. Aktivitat des 3H-TTP = 1,11 TBq/mMol, ZIK, Dresden) ermittelt (21).
Proteinbestimmung
Die Zellen wurden nach dem AbgieBen des Kulturmediums zweimal mit PBS (PhosphatSalzlosung) gewaschen, mit Lysismedium (8% KCl, 0,05 n NaOH, 0,2% Triton X-IOO)abgelost, fur etwa 2 sec mit dem Ultra-Turrax gemixt und Aliquote zur Proteinbestimmung(13) entnommen.
172 G.Sydow et al.
Retrovirusbildung in Zellkulturen
Permanent virusproduzierende Zellen wurden nach der Trypsinierung in Bucher Flaschchen (15 cm2 Bodenflache) ausgesat, Nach 2-3 Tagen wurde das Kulturmedium erneuertund MAP bzw. cis-DDP in den angegebenen Konzentrationen (Abb. 1 u. 3) hinzugegeben.Die Kontrollkulturen (= 100%) erhielten entsprechende Mengen DMSO bzw. NaCl-L6sung. Nach 2-tiigiger Einwirkung wurde die Revertase-Aktivitat der aus dem Niihrmediumisolierten Viren ermittelt sowie der Proteingehalt des Zellrasens bestimmt. ]eder Versuchswert stellt das Mittel aus 3 Zellkulturflaschchen dar.
Infektiositatstest
Beide Substanzen wurden RLV-haitigem Serum (von infizierten Mausen des StammesNMRl gewonnen) sowie einer Suspension des zuvor aus dem gleichen Serum isolierten Virushinzugefiigt (MAP = 2,5 mmolll, cis-DDP = 125 urnol/l) unci 10 min bei 3rC inkubiert.Danach wurde das Serum bzw. die Virussuspension 1 : 20 mit PBS verdiinnt und jungenBockchen des Stammes NMRI i.p. inokuliert (pro Tier 200 J.tl f£, 10 ul Serum bzw. Virus aus20 J.tl Serum). ]eweils einer Tiergruppe wurde das Serum bzw. die Virussuspension nachgleicher Behandlung, jedoch ohne Substanzzusatz, verabfolgt (Abb. 2, I A u. II A). Die Tierewurden am 20. Tag nach der lnokulation getotet und die Milzgewichte ermittelt sowie dieRevertase-Aktivitat der aus dem Serum dieser Tiere isolierten Viren bestimmt.
Prufung der uirusassoziierten RNS-Polymerase von Influenza AIWSN
Virusgewinnung: lnfluenzavirus A1WSN wurde in der Allantoishohle von 10 Tage altenembryonierten Hiihnereiem vermehrt (48 Std.). Nach einer Zentrifugation fiir 30 min bei1200 X g wurde der Uberstand 120 min bei 120000 X g zentrifugiert und das danachanfallende Virus-Sediment in TNE-Puffer (10 mmolll Tris-HCl, 60 mrnol/l NaCl, 1 mmol/lEDTA, pH 7,4) resuspendiert. Das angereicherte Virus wurde bis zur Weiterverarbeitungbei -70°C aufbewahrt.
Praparation und Aktivitatspriifung der Polymerase: Das konzentriertc Virus wurde nach(12) mit NP40 behandelt. Die Prilfung der Polyrneraseaktivitat erfolgte nach (IS) unterVerwendung von 14C-UTP (Uridin 14C-(U)-S ' triphosphat, Ammoniumsalz; spezifi sche Akrivitat 11,1 GBq; eingesetzte Aktivitar 444 kBq/ml vorn Radiochemical Centre, Amersham,England) im ublichen Nukleosidtriphosphatmedium bei einer Inkubationszeit von 0,5-2Std.
Ergebnisse
4-Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid
Wirkung auf die Revertase
Eine Hemmung der Revertase (reverse transcriptase, EC 2.7.7.7), dem charakteristischen Enzym der Retroviren, kann als Anzeichen fur eine antivirale Wirkung betrachtetwerden. Wir untersuchten daher zunachst, ob MAP cine Hemmwirkung auf die Aktivitat dieses Enzyms ausiibt. Hierfiir wurde der exogene Revertase-Test benutzt, wobeidie in DMSO gelosre Palladiumverbindung dem Tcstansatz in verschiedenen Konzen trationen zugesetzt wurde. Den Kontrollansatzen wurde die gleiche Menge reinesDMSO (2 III = 2% Endkonzentration) hinzugefiigt. Die jeweils gemessenen Enzymaktivitaten wurden zu den Kontrollansatzen (= 100%) in Relation gesetzt und so inTabelle 2 angegeben. Wie aus den dort autgefuhrten Werten erkennbar ist, zeigr dieVerbindung bei einer Konzentration von 7 I!moUI noch keinen Effekt, bei 70 umol /lschon eine deutliche Wirkung und fuhrt bei einer Konzentration von 700 umol/l im
Wirkung von MAP und cis-DDP auf Retroviren 173
Tabelle 2. Wirkung von MAP auf die exogene Revertase-Aktivitat verschiedener Retroviren
Virus MAP-Endkonzentrationen (f!molll)A B1
0 7 70 140 700 140 700
PMFV 1002 100 52 12 6 67 32MPMV 100 n. b.' n.b. 25 2 56 n.b,BLV 100 94 70 65 15 74 46RLV 100 106 70 28 10 86 n.b,AMV 100 103 82 36 2 83 n. b.
1 Zugabe von 25l1g Rinderserumalbumin zum Testansatz2 Angaben in Prozent3 n. b. = nicht bestimmt
Testansatz zu einer nahezu volligen Hemmung der Enzyrnaktivitat. Hierbei liegt dannallerdings das Verhaltnis von Virusprotein zu MAP zwischen 1: 20 bis 1: 100. Diesweist darauf hin, dafSdie Affinitat der Substanz ZUr Revertase nicht sehr grog ist, wiedie im Teil B der Tabelle 2 angefuhrten Ergebnisse bestatigen. Werden den Ansatzenzur Bestimmung der Revertase-Akrivitar aufer 140 umol/l MAP - wodurch bereits eineerhebliche Hemmwirkung auf das Enzym ausgeubt wird - noch 25 flg Rinderserumalbumin (RSA) hinzugefiigt, so wird die Enzyrninhibition weitgehend aufgehoben. Selbstbei einer Konzentration von 700 flmol/l MAP liigt sich durch RSA-Zusatz die Hemmung der Revertase noch teilweise verhindern.
Einfluf auf die Retrovirusbildung in der Zellkultur
Bei diesen Untersuchungen wurde dem Kulturmedium permanent virus-produzierender Zellen MAP zugesetzt. Bei einigen Versuchen mit den Typ D Viren MPMV und
./.ioo
reo
50
611
A
roo
117
B
o Konlrollen (100 ',. ) ~ 200 )Jmol/ l MAP ~ SOD )Jmol/ l MAP
Abb. 1. Die Wirkung von MAP auf die Produktion von BLV in infizierten FLK-Zellen.3 Tage nach dem Anlegen der Zellen wurde das Nahrrnedium gewechselt und DMSO bzw.MAP, gelost in DMSO, hinzugefiigt. Nach weiteren 2 Tagen wurde das Medium gesammelt,die Viren daraus abzentrifugiert und die Revertase-Aktivitat ermittelt (A). AuBerdemwurdevon den gewaschenen Zellkulturen der Proteingehalt bestimmt (B).
174 G. Sydow et al.
PMFV lie/~ sich bei einer Konzentration von 175!Jmolll MAP im Nahrrnedium nochkeine, bei 350 umol/l aber eine Abnahme der Virusproduktion nachweisen. Da indiesen Fallen jedoch nicht die Zellmasse Beriicksichtigung fand (keine Zellzahlbestimmung bzw. keine Bestimmung des Proteingehaltes der Zellkulturen), wurden gleichartige Versuche mit dem auf FLK-Zellen gehaltenen BLV durchgefiihrt. Hierbei zeigte sichin 2 Versuchen bei einer MAP-Konzentration von 200 umol/l bereits eine Verminderung des Virusgehaltes im Kulturmedium, die sich bei 500 umol/l, wie aus der Abb. 1erkennbar ist, noch verstarkte. Diese Verminderung wurde jedoch gleichzeitig voneiner entsprechenden Abnahme der Zellmasse gegeniiber den Kontrollen begleitet. Diesfiihrt zu der Annahme, daf durch die Substanz kein un mittelbarer Einfluf auf dieVirusproduktion ausgeiibt wird, sondern eine toxische Wirkung auf die Zellen vorliegt,bestatigt durch das morphologisch veranderte Bild des Zellrasens.
Wirkung auf die Infektiositat von Rauscher-Leukarnie-Virus
In weiteren Versuchen wurde an NMRI-Miiusen die Infektiositat des RLV nachvorhergehender kurzzeitiger Einwirkung von MAP untersucht. Wegen des zuvor gezeigten Schutzeffektes von Serumproteinen wurde eine hohe Substanzkonzentrationgewahlt,
Wie aus den 20 Tage nach Inokulation ermittelten Milzgewichten und der fiir dasSerum dieser Tiere bestimmten Revertase-Aktivitat hervorgeht (Abb. 2), wurde die
772
354
700
Kontrollen A
I
8 A
:II:
8
D mg Milz pro 109 Kiirp6gtw ithl
~ dpm . 10-3 pro 10)11 Serum
Abb. 2. Milzgewichte und Revertase-Aktivitat im Serum von NMRI-Miiusen nach Behandlung des Impfserums bzw. des isolierten RLV mit MAP.Das Impfserum (I) bzw. die Virussuspension (II) wurden fur 10 min bei 3rC mit 5%DMSO (A) bzw.5% DMSO + 2,5 mmolll MAP (B) inkubiert und anschliefend jeweilseinerGruppe von 6 Mausen inokuliert. Die pro Maus verabfolgte Menge Impfserum betrug 10 Ill,die iiberimpfte Virussuspension entsprach 20 !AI Serum. Die Tiere wurden 20 Tage p.i.getotet, die Milzgewichte ermittelt sowie die Revertase-Aktivitat der aus dem Serum isolierten Viren bestimmt.Kontrollen - unbehandelte Tiere (Normalwerte).
Wirkung von MAP und cis-DDP auf Retroviren 175
Infektiositat des RLV-haltigen Serums durch die vor der Inokulation des Serums inGegenwart von 2,5 mmolll MAP durchgefiihrte Inkubation betrachtlich herabgesetzt,jedoch trotz dieser hohen Konzentration nicht vollig aufgehoben. Wurde demgegeniiber aus dem Serum infizierter Mause isoliertes Virus, d. h. serumfreies Impfmaterial,mit MAP vor der Uberimpfung in gleicher Weise inkubiert, so war im Vergleich zu denKontrollen (nur mit 5% DMSO vorinkubiert) eine leukamogene Wirkung des Viruskaum noch nachweisbar.
cis-DDP
Im Gegensatz zu MAP bewirkte der Zusatz von cis-DDP zum Testansatz keinewesentliche Hemmung der exogenen Revertase-Reaktion. Selbst bei einer Konzentration von 250 umol/l war ein reproduzierbarer Effekt auf die Aktivitat des Enzyms nichtzu sichern. Dies traf fur aile getesteten Viren gleichermafSen zu. In dieser Hinsichtunterscheidet sich demnach die Wirkung des cis-DDP von der des MAP.
Wurde cis-DDP in verschiedenen Konzentrationen dem Nahrrnedium von chronischmit BLV bzw. MPMV infizierten Zellkulturen zugesetzt, kam es bereits bei geringenGaben zu einer erheblichen Verminderung des Virusgehaltes im Medium. Da jedochgleichzeitig, wie aus der Abb. 3 ersichtlich ist, fur jede Substratkonzentration eineAbnahme der Zellmasse nachweisbar war - starke toxische Wirkung auf die Kulturen- kann daraus ebenfalls wie bei MAP keine Hemmwirkung auf die Virusvermehrungabgeleitet werden. Zwar scheint das cis-DDP beim MPMV starker auf die Virusbildungals auf die A204-Zellen zu wirken, doch miifSte dies durch weitere Versuche belegtwerden.
Ein eindeutiger Effekt auf die Infektiositat des RLV, die fiir MAP durch kurzzeitigeVorinkubation nachgewiesen wurde, war beim cis-DDP nicht erkennbar. Zwar lag diebei diesen Untersuchungen eingesetzte Substanzkonzentration von 125 umol/l wesentlich unter der des MAP, doch erschien uns bei der srarken toxischen Wirkung, die dascis-DDP auf Zellen ausiibte, eine hohere Konzentration nicht sinnvoll.
.,.100
100 100 100 100
82
so
69
A
I
B A B
o Konlrollen §llO}'mol/ l C'S- DDP ~ 25}'mol/ I CIS- DDP lIIlII SOD )Jmol/ l CI5'OOP
Abb. 3. Die Wirkung von cis-DDP in unterschiedlichen Konzentrationen auf die Retrovirusproduktion permanent-infizierter Zellkulturen: BLV auf FLK-Zellen (I) sowie MPMV aufA204-Zellen (II).A =0 Revertase-Aktivitat, B = Proteingehalt.Legende wie Abb. 1.
176 G.Sydowet al.
Untersuchungen der virusassoziierten RNS-Polymeraseaktivitat von InfluenzavirusNWSN
Die Substanz MAP, zugegeben zum Polymerase-Reaktionsgemisch zeigte eine konzentrationsabhangige Verminderung der Inkorporation von 14C_UTP. Mit der maximalvertraglichen Dosis von 250 umol/l im Zellsystem (Hiihnerembryonalzellen) wurdeeine nahezu 90%ige Senkung des Einbaus der radioaktiven Vorstufe erreicht (Tab. 3).Das fiir die Substanz eingesetzte Losungsrnittel DMSO hatte in der verwendeten Endkonzentration von 2% keinen EinflulS auf die Enzymaktivitat,
Demgegeniiber konnte cis-Dfrl' in Konzentrationen von 250 /Amolll die Aktivitat dervirusassoziierten RNS-Polymer;se nidit beeintrachtigen (Tab. 3).
Tabelle 3. Die Wirkung von 4-Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid (MAP) und cisDDP auf die virusassoziierte RNS-Polymerase von Influenzavirus AlWSN*
Substanz Behandlungsschema Inkorporation von 14C-UTP in CPMx 10-3
Stunden nach der Inkubation0,5 1 2
MAP
cis-DDP
Unbehandelte Kontrolle 0.48 1.43 4.68(Virus + Reaktionsgemisch)+ 62,5 umol/l Substanz 0.2 1.3 3.46+ 125 umol/l Substanz 0.15 1.21 0.92+ 250 umol/l Substanz 0 0.45 0.49
Unbehandelte Kontrolle 0.56 1.26 1.1(Virus + Reaktionsgemisch)+ 62.5 umol/l Substanz 0.51 0.89 0.96+ 125 /Amol/! Substanz 0.4 0.71 0.93+250 umol/l Substanz 0.45 0.69 0.87
* Mittelwerte aus je 3 Bestimmungen in 2 Versuchen. Die zum Zeitpunkt 0 erhaltenenunspezifischen Einbauraten wurden von den anderen Werten subrrahiert.
Diskussion
4-Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid (MAP) wie auch das Zytostatikum cisDDP zeigen nach Tonew et al. (16, 17, 18) eine ausgepragte antivirale Aktivitat invitro. Beide Substanzen sind imstande, verschiedene umhiillte RNS- und DNS-Viren zuinaktivieren und aufserdem in den Replikationszyklus dieser Viren einzugreifen. Nachden bisherigen Ergebnissen liegen der Virusinaktivierung und der Virusvermehrungshemmung unterschiedliche Wirkungsmechanismen zugrunde (16).
Bei unseren mit Retroviren durchgefuhrten Untersuchungen kam es durch MAP invitro zu einer Hemmung der Revertase bei allen der 5 untersuchten Viren, die allerdings durch Proteinzugabe beeinflufsbar war. Der durch die Substanzeinwirkung erzielte Aktivitatsverlust spielte offenbar im Zellsystem keine Rolle bzw. trat hier infolge desProteingehaltes des Mediums (lO% Serumanteil) nicht in Erscheinung, da keine Beeintrachtigung der Virusvermehrung in Zellkulturen ermittelt werden konnte. Wahrscheinlich verhindert bzw. vermindert eine starkere Affinitiit dieser Verb indung zuSerumproteinen als zu den Hiillproteinen und zur Revertase der Retroviren einenEinfluR auf die Virusbildung. AuBerdem muB bei den Retroviren berucksichtigt werden, daB diese einen besonderen Replikationszyklus aufweisen (20).
Weiterhin konnte mit MAP eine sehr starke Inaktivierung von isolierten Rauscher-
Wirkung von MAP und cis-DDP auf Retroviren 177
Leukamie-Viren gefunden werden. DaB die Inaktivierung der Viren im Serum vielgeringer ausgepragt war, obwohl eine ungewohnlich hohe MAP-Konzentration eingesetzt wurde, kann wiederum als Hinweis auf die starke Proteinbindung der Substanz,die inzw ischen experimentell nachgewiesen worden ist (6), angesehen werden. DieAufhebung der Inaktivierungsfahigkeit von MAP durch Proteinzusatz wurde bei Vaccinia - und Vesicularstomat it isvirus bereits von uns beschric ben (18).
DaB es sich nach unserer Meinung dabei nicht urn eine generelle Schutzwirkung vonSerumproteinen bzw. eine durch MAP induzierte Protein-Denaturierung ha ndeln kann,zeigten Hemmversuche mit der sauren und der alkalischen Phosphatase. Wiihrend diesaure Phosph atase bei 140 umol /l MAP 70 % ihrer Akti vitat verlor und ein Zusatz vonRinderserumalbumin keine nennenswerte Aufhcbung dieser Hemmung bewirkre, bliebdie alkalische Phosphatase bei der gleichen MAP-K onzentration (pH 8,3) in ihrerAktivitat unbeeinflulit. Diese Befunde konnen als Hinweis dafiir angesehen werden,daf MAP gegen jedes Viru s gesondert zu testen ist, da moglicherweise ein Hiillprotein(Virus-Zell-Rezeptor) oder ein zur Virusreplikation erforderliches Enzym (N ukleinsaurepolymerase) ebenso wic die saure Phosph atase in irreversibler Form blockiert bzw.gehemmt werden ko nnte und somit die we itere Replik at ion des betreffenden Virusverhinderr wird.
cis-DDP zeigte kein e Effekt ivitat im exogenen Revertasetest der verschiedenen Retro viren. Uber die fehlend e Wirkung gegcn die Revertase des Rauscher-Leuk arnie-Virusliegt bereits eine Mitteilun g von Harder et al.(4 ) vor. 1m Gegensatz dazu erzielte cisDDP nach Kara (7) eine Hemmung der Transformation von Hiihnerembryon alzellendurch Rou s-Sarkom-Virus in vitro. Bei SV40 wurde von Kutinova et al. (10, 11)ebenfalls eine Inaktivierung und Replikationshemmung durch cis-DDP gefunden.
Warum nach den hier beschriebenen Ergebnissen cis-DDP das RLV unter den gleichen Bedingungen wie MAP nicht inaktiviert, kann z. Zt , nicht gesagt werden. Moglicherweise sind das Medium, in dem die Substanz gelost wird, sowie das Alter derLosung von Einfluf (19).
Zusatzl iche Untersuchungen an einer virusassoziierten RNS-Polymerase von Influenzaviru s erganzen die Befunde . Letztere wurde, wie auch bei den Retroviren, lediglichdurch MAP und nicht durch cis-DDP beeinflulsr. Irn Gegensa tz zu den Rctroviren waraber zellfreies Influ enzaviru s durch beide Substa nzen zu inakti vieren und in der Replikation im ZeIIsystem zu hem men (16, 18). Diese Daten sind wiederumein Hinweis,daB die am isolierten Enzym erhalrenen Ergebnisse nicht unmittelbar auch fur daszellulare System gelten bzw. dort auch noch andere Wirkungsmechanismen fur dieReplikationshemmung der Viren eine Rolle spielen,
Literatur
1. Gallo,R. C. and F. Wong-Staal: Current thoughts on the viral etiology of certain humancancers. Cancer Res. 44 (1984) 2743-2749
2. Graffi, A., D. Bierwolf, R. Widmaier, E. Bender, V. Wunderlich, M. Rudolph, E.Mothes, A. Niezabitowski und R. Papsdorf: In der Gewebekultur zuchtbares OncornaVirus in malignen permanenten menschlichen Zellinien vom Embryo einer krebskranken Frau. Dtsch. Gesundh.-Wesen 29 (1974) 1489-1498
3. Harder, H. c.:Effects of platinum compounds on bacteria, viruses and cells in culture.Recent Results in Cancer Res. 48 (1974) 98-112
4. Harder, H. c., R. G. Smith, and A. F. Leroy: Template primer inactivation by cis- andtran s-dichlorodiamm ine platinum for human DNA polymerase a , ~, and Rauschermurine leukemia virus reverse transcriptase. Cancer Res. 36 (1976) 3821-3829
178 G. Sydow et aI.
5. Hehlmann, R., H. Schetters, G. Kreeb, V. Erfle, J. Schmidt, and A. Luz: RNA-tumorviruses, oncogenes, and their possible role in human carcinogenesis. Klin. Wschr. 61(1983) 1217-1231
6. Horn, G. and H.-P. Schroer: Aminopyridine complexes of palladium-biopolymere-ligaud-interaction. Studia biophys. 81 (1980) 83-84
7. Kara, j., J. Svoboda, and j. Drobnik: Cis-dichlorodiammine platinumtll): Irreversibleinhibition of DNA synthesis and cell growth in tissue culture and inhibition of chickembryo cell transformation by Rous sarcoma virus. VIIth Intern. Chemotherapy Congress, Prague (1971)
8. Kauffman, G. P. and C. O. Cowan: Inorganic Synthesis, Bd. VII, S. 239-241. McGrawHill-Book Co. Inc., New York-San Francisco-Toronto-London (1963)
9. Kollek, R. und T. Franz: Genomstruktur und Wirkungsspektrum von Retroviren.Funkt. BioI. Med. 3 (1984) 77-84
10. Kutinova, 1., V. Vonka, and J. Drobnik: Inactivation of papova virus SV 40 by cisdichlorodiammine platinum(II). Neoplasma (Brat.) 19 (1972) 453-458
11. Kutinova, 1., V. Vonka, H. Zavadova, and J. Drobnik: Influence of cis-dichlorodiammine platinum(II) on growth of SV 40 virus in green monkey kidney cells. Arch. ges.Virusforsch. 39 (1972) 196-202
12. Skehel, J. j.: RNA-dependent RNA polymerase activity of the influenza virus. Virology45 (1971) 793-796
13. Sydow, G.: Eine einfache und schnelle Mikromethode zur Proteinbestimmung. ActabioI. med. germ. 38 (1979) 1141-1144
14. Tayim, H. A., K. Malakian, and A. B.Bikhazi: Synthesis and physico-chemical, antimitogenic and antiviral properties of a novel palladium(II) coordination compound. }.Pharm. Sci. 63 (1974) 1461-1470
15. Tonew, E., G. Lober, and M. Tonew: The influence of antiviral isatinisothiosemicarbazones on RNA dependent RNA polymerase in mengovirus-infected FL cells. Acta Virol.18 (1974) 185-192
16. Toneui, E., M. Toneui, B. Heyn und H.-P. Schroer: Ober biologische Wirkungen vonKoordinationsverbindungen der Ubergangsrneralle. 3. Zur antiviralen Wirkung von Cisdichlorodiammin-platin(II). Zbl. Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. A 250 (1981) 417-424
17. Tonew, M., E. Tonew, H.-P. Schroer und B. Heyn: Uber biologische Wirkungen vonKoordinationsverbindungen der Obergangsmetalle. 1. Antivirale Wirkung von 2-Aminopyridinkomplexen des Palladiums. Zbl. Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. A 249 (1981)296-301
18. Toneio, M., E. Tonew, H.-P. Schroer und B. Heyn: Ober biologische Wirkungen vonKoordinationsverbindungen der Obergangsmetalle. 2. Zur antiviralen Wirkung von 4Methyl-2-aminopyridin-palladiumchlorid. Zbl. Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. A 249 (1981)421-430
19. Toneu/, M., E. Toneu/, W. Gutsche, K. Wohlrabe, A. Stelzner, H.-P. Schroer und B.Heyn: Uber biologische Wirkungen von Koordinationsverbindungen der Ubergangsmetalle. 5. Zum Einfluf von Dimethylsulfoxid auf die zytotoxischen, antiviralen und antitumoralen Eigenschaften von Cis-dichloro-diammin-platintll), "Cis-Platin". Zbl. Bakt.Hyg. A 257 (1984) 108-120
20. Weiss, R., N. Teich, H. Varmus, and J. Coffin: Molecular Biology of Tumor Viruses(RNA Tumor Viruses). Cold Spring Harbor Laboratory, Cold Spring Harbor (1982)
21. Wunderlich, V., St. Zotter, and G. Sydow: RNA-dependent DNA polymerase activity inintracytoplasmic type-A particles of mouse mammary tumors. Acta bioI. med. germ. 35(1976) 1741-1744
Gunter Sydow, Zentralinstitut fiir Krebsforschung der Akademie der Wissenschaften derDDR, Lindenberger Weg 80, DDR-1115 Berlin