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Transparenz bei maternal death: was will und kann man daraus lernen? Christoph Brezinka, Innsbruck...

Date post: 05-Apr-2015
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Transparenz bei maternal death: was will und kann man daraus lernen? Christoph Brezinka, Innsbruck ÖGPM österreichische Gesellschaft für prä- und perinatale Medizin, München 7.6.2007
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Page 1: Transparenz bei maternal death: was will und kann man daraus lernen? Christoph Brezinka, Innsbruck ÖGPM österreichische Gesellschaft für prä- und perinatale.

Transparenz bei maternal death: was will und kann

man daraus lernen?

Christoph Brezinka, Innsbruck

ÖGPM österreichische Gesellschaft für prä- und perinatale Medizin, München 7.6.2007

Page 2: Transparenz bei maternal death: was will und kann man daraus lernen? Christoph Brezinka, Innsbruck ÖGPM österreichische Gesellschaft für prä- und perinatale.

In einer stürmischen Aprilnacht des Jahres 1871 barst eine der beiden Tannen auf dem Kirchhof von Stobingen. Acht Tage zuvor war unter der anderen meine Mutter beigesetzt worden.

Sie hatte mir am 14.März das Leben geschenkt und war zweieinhalb Wochen nach der Entbindung gestorben

Walter Stöckel

1871-1962

W.Stöckel „Erinnerungen eines Frauenarztes“

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Tod vor, unter und nach der Geburt....

historisch häufigste Todesursache bei jungen Frauen (Grabstele aus Oropos VI Jh vor Chr, Griechisches Nationalmuseum, Athen)

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•Vom akzeptierten schicksalhaften Geschehen ist der mütterliche Todesfall in 100 Jahren zum extremen Einzelfall geworden, der Entsetzen auslöst, dass es „heute sowas bei uns noch gibt“.

•Mit dem Entsetzen, der Bestürzung und Betroffenheit kommen häufig die Vorwürfe, die über Medien erhoben und über gerichtliche Klagen verfolgt werden.

•Da mütterliche Mortalität bis heute ein Qualitätsmerkmal für ein Gesundheitswesen in einer Region, einem Land ist, hat jeder die „Statistik belastende“ Fall auch potenziell politische Bedeutung

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Pat wird mit Notarzt nach Feldkirch gefahren, dort 2 Stunden reanimiert, dann aufgegeben und verstirbt

Gerichtsmedizinische Obduktion in St.Gallen

zählt für die WHO als österreichischer und in Österreich als Vorarlberger Fall von mütterlicher Mortalität

26-jährige Ip/Ig Kollaps im Rahmen von Geburtseinleitung bei IUFT in der 26 SSW im KH in Liechtenstein

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Reaktionen auf mütterliche TodesfälleEine Schwangere kollabiert in der 26 Woche in der Küche in einem entlegenen Tiroler Bergtal. Notarzt ist in 5 Minuten im Haus, stellt weite, lichtstarre Pupillen fest (10.00)

•Rettungssanitäter von der 14 km entfernten Einsatzstelle trifft wenige Minuten später ein•Nach 90 Minuten frustraner Reanimation wird Rettungshubschrauber geholt, landet auf der Bundesstrasse vor dem Haus

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Hubschrauber-Notarzt muß Entscheidung fällen:

•in das Luftlinie nähestgelegene Krankenhaus jenseits der Grenze (orthopädische Spezialklinik ohne Geburtshilfe) – 7 Minuten Flugzeit

•in das für das Tal zuständige Bezirkskrankenhaus 12 Minuten Flugzeit

•in die Uniklinik Innsbruck 18 Minuten Flugzeit

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Innsbruck:

im Schockraum pH 6,74 Base Excess -23, erhebliche Gerinnungsstörung

Bei totem Kind und der infausten Prognose keine Sectio

Frau verstirbt um 17.50

Gerichtsmedizinische Obduktion:

Periphere Lungenembolie

(Zur Diskussion stand auch: Virusmyokarditis)

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Das „überflogene“ Bezirkskrankenhaus nimmt den Fall zum Anlass, in einem Hotel in der Nähe von Innsbruck ein Symposium mit Experten aus Deutschland und der Schweiz zu organisieren und dabei Fragen wie Sectio in Mortui und wohin ein Notarzthubschrauber zu fliegen habe, zu diskutieren

45 Teilnehmer !

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Bringt die genaue Nach-Analyse mütterlicher Todesfälle wirklich was ?

Handelt es sich nicht um extreme Einzelfälle, die statistisch kaum je wieder in dieser Kombination auftreten?2 mütterliche Todesfälle von 2005 am Geburtstermin:

• Frau verstirbt an dissezierendem Aortenaneurysma • Frau verstirbt an Mesenterialvenenthrombose

Also bei jeder Schwangeren mit Schulterschmerzen ein CT, jeder Schwangeren mit Bauchweh ein Abdomen-CT ?

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Statt dessen - Vergessen ...??? Verdrängen..???

VerdrängungVerdrängung ist der wohl bekannteste Abwehrmechanismus, ein psychischer Vorgang, mit dem unangenehme Vorstellungen ins Unbewusste abgeschoben werden. Gerald Mackenthun 1997

Widerstand und Verdrängung

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Die größte Gefahr

die Legendenbildung

Nicht nur die bösen Medien, tückischen Anwälte, grollenden Angehörigen sind Schuld....

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Wo wenig Information ist, wird die spärliche Information mit Phantasie angereichert...

Norman Rockwell „Gossip“

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Froh sein, dass es die eigene Abteilung nicht mit einem mütterlichen Todesfall erwischt hat, aber nicht „stierln“ und dran rühren, das wäre unkollegial gegenüber der Nachbarabteilung, die es erwischt hat

oder

Bei jeder Gelegenheit im small-talk fallen lassen: „Ihre Schwägerin hat im Krankenhaus XY geboren??? Und das hat sie überlebt?“

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1) Die Analyse des Todesfalles, der sich im Bereich einer Abteilung zugetragen hat

2) Die Analyse von Todesfällen, die in einer Region und in ganz Österreich zugetragen haben

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Erinnern Sie sich an maternale Todesfälle

•Sachliche Analyse, was vorfiel

•Diskussion, was man daraus lernen kann

• Aber zunächst einmal das Schwierigste: alle Fakten zusammensammeln!

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Das Problem der Obduktion

Der grosse Vorteil: die Obduktionspflicht in Österreich – praktisch auszuschliessen, dass eine Frau, deren Tod als mütterlicher Todesfall klassifiziert wird, nicht obduziert wurde

Sub partu verstorbene Frauen werden meist gerichtsmedizinisch obduziert – kein Problem wenn Gerichtsmedizin an Grossklinikum „im Haus“ ist und beteiligte Ärzte noch zur Obduktion lädt

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Das Problem der Obduktion

•Ein Riesenproblem, wenn die Gerichtsmedizin weit entfernt von dem Spital, oft in einem anderen Bundesland ist

•Gerichtsmedizinische Obduktionen werden von Gerichten in Auftrag gegeben, Obduktionsprotokolle gehen ans Gericht, nicht an die Krankenhäuser

•Man muss wissen, wo man den Obduktionsbefund anfordern kann – Anruf bei der zuständigen Gerichtsmedizin, Anruf beim zuständigen Gericht

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Das Problem der Dokumentation

•Akten, Krankenblätter, Ambulanzkarten, Kurven der verstorbenen Frauen werden meist relativ rasch gerichtlich beschlagnahmt oder schlicht von den Krankenhaus-verwaltungen in Erwartung einer Klage kassiert

•Sie werden bei Gericht fotokopiert (immer mit einem unleserlichen schwarzen Streifen an der kritischsten Stelle) und dann dem Gutachter geschickt.

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Gewissenhaftes Fotokopieren oder Scannen

•Im Idealfall durch einen Arzt, der um den Stellenwert der einzelnen Blätter (z.B. Prostaglandin-Einleitungsformular) weiß

•Der den Kopierer, Scanner, bedienen kann

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•Es muss an der betroffenen Abteilung eine exakte Kopie der Krankengeschichte der Verstorbenen griffbereit sein

•Die Abteilung muss intern den Fall untersuchen

•Sie soll die Angehörigen der Verstorbenen vom Stand der Untersuchung informieren

•Es müssen die ärztlichen Mitarbeiter, bei Bedarf auch Hebammen und betroffene Pflege, informiert werden, im Idealfall mit einer zusammenfassenden Power-Point-Präsentation

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Erinnern Sie sich an maternale Todesfälle

•Wenn der Fall gerichtlich abgeschlossen ist

•Wenn ein Gutachter bestellt wurde (von Gericht oder Patientenanwaltschaft) den Gutacher zu einer Nachbesprechung einladen – ist meist Jahre später, aber man lernt immer noch!

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A: Hobbymässiges Sammeln von Fällen

GB: CMEACH – mission statement:

Our aim is to improve the health of mothers, babies and children by carrying out confidential enquiries on a nationwide basis and by widely disseminating our findings and recommendations

NL: Werkgroep perinatale Mortaliteit, die jährlich bei den 2 Gynaecongressen berichtet

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Die ideale Aufarbeitung: Alle direkten und indirekten mütterlichen Todesfälle aus 3 Jahren werden in Gruppen analysiert und kritisch kommentiert.

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Quasi-verpflichtender 1-wöchiger Intensivkurs in dem nur das Management von extremen Schwangerschafts-komplikationen besprochen und geübt wird

Seit 5 Jahren in GB

Seit 2 Jahren als Ableger in NL (Delft)

Geht der österreichische und deutsche Gynäkologe weiterhin lieber zum Homeopathie und Wellness-Seminar?

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Confidential Enquiry Into Maternal and Child Health- Schlüsse ziehen und Empfehlungen aussprechen aus der Analyse von mütterlichen Todesfällen

ist 8 x so gross wie

Ein 3-Jahresberichtszeitraum CMEACH hat also 24 mal mehr Zahlenbasis als ein Jahresbericht aus Österreich

"Winke mit dem Leichentuch" sind schwer zu ignorieren

Steuern der Gesundheitsressourcen über Todesfall-Statistik?

Wäre eine 3-Länder „confidential enquiry“ realisierbar und wünschenswert?

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Was tun auf österreichischer Ebene?

...wird uns kaum eine Behörde, wie das britische CMEACH, zahlen!

Ohne viel Geld von der Obrigkeit möglich:

• Mütterliche Mortalität zu einem Schwerpunkt-Thema der ÖGGG machen!

•Weitermachen, wo Prof.Beck jahrzehntelang gut gearbeitet hat!

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