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Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

Date post: 23-Dec-2016
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Seit Jahren steigt der weltweite Bedarf an metallischen Rohstoffen. Damit wendet sich das Interesse marinen Rohstoffen zu, die als Tiefseebergbau ergänzend zum Landbergbau heute erforscht und morgen gewinnbar sein werden. Voraussetzung sind jedoch effektive Vorschriften zum Schutz des empfindlichen Naturraums der Tief- see. Als Organ des Seerechtsübereinkommens von 1982 regelt und verwaltet die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) den Tief- seebergbau in internationalen Gewässern. Für Prospektion, Explo- ration und Abbau von Bodenschätzen entsteht ein Regelwerk, das sich als Sekundärrecht der IMB in Form von „mining codes“ und Kontrollinstrumenten wie Referenzstudien, Umweltverträglich- keitsprüfungen, Monitoring, finanziellen Garantien, Haftungs- vorschriften und Schutzgebieten manifestiert. In den Wirtschafts- und Festlandsockelzonen unter nationaler Zuständigkeit sind in erster Linie jedoch die Küstenstaaten zuständig. Die Forderung nach einem vergleichbaren Schutzregime für diese Gebiete ist noch nicht erfüllt. Die IMB hat bisher 17 marine Explorationslizenzen erteilt und prüft weitere Anträge. Die mineralischen Rohstoffe, darunter hoch- wertige Metalle und Seltene Erden, treffen auch den Nerv der In- dustrienation Deutschland, das 2006 einen „claim“ zur Explo- ration von Manganknollen im Pazifik erworben hat, wo seitdem Qualität und Mengen erkundet werden. Die deutsche Rolle als Vertragspartner der IMB eröffnet der Industrie Kooperationsmög- lichkeiten und bietet die Chance, das Umweltregime und die tech- nischen Anforderungen für den Tiefseebergbau mitzubestimmen. 1. Schätze des Meeresbodens – marine mineralische Rohstoffe Seit Jahren steigt der Bedarf an mineralischen Rohstoffen. Ursachen sind Industrialisierung und Wachstum des Wohl- stands in vielen Teilen der Welt. Viele Landlagerstätten mit hohem Metallanteil nähern sich der Erschöpfung. Zwar sind alle Metalle und Seltenen Erden gut verteilt auf allen Kon- tinenten vorhanden, aber die Produktion aus Bergwerken und Tagebauen wird immer aufwändiger, während die Um- weltschäden dramatisch zunehmen. Der Zugang zu Selte- nen Erden, die bisher zu 90 % aus China kommen und un- ter dortigen Exportbeschränkungen leiden, ist als kritisch einzuschätzen. Diese Rohstoffe sind Voraussetzung für Zu- kunftsindustrien der Elektronik, Photovoltaik, für Fiber- glaskabel, Elektroautos, Katalysatoren, Windenergie- und Entsalzungsanlagen, aber auch für die Luft- und Raum- fahrt sowie Rüstung. Für die Zukunft bleiben neu zu ent- deckende Lagerstätten, häufig in politisch unsicheren oder abgelegenen Regionen (Arktis). Auch ihre Erschließung ist mit enormer Umweltzerstörung, Landschaftsverbrauch und Kosten verbunden, vom Energieeinsatz ganz zu schweigen. Der Bergbau stößt deshalb auf den Widerstand einer wachen Öffentlichkeit, die sich zu Recht um die Umwelt sorgt. Zu- sammen mit der Notwendigkeit sparsamer Verwendung von Rohstoffen und deren Rückgewinnung stellt sich die Frage, Prof. Dr. jur. Uwe Jenisch Honorarprofessor für Internationales Seerecht an der Universität Kiel, Ministerialrat a. D. Kiel, Deutschland ob der Tiefseebergbau umweltverträglich betrieben werden kann, um den Landbergbau zu ergänzen. Zum erwachenden Interesse 1 an Rohstoffen am Mee- resboden trägt bei, dass die Offshore Öl- und Gasindus- trie den technologischen Schritt in Wassertiefen von bis zu 3000 m bewältigt hat. Auch der Tiefseebergbau nach Me- tallen könnte beginnen, sobald er technisch und finanziell mit dem Landbergbau konkurrieren kann. Nach Meinung Vieler ist dieser Zeitpunkt nicht mehr fern. Damit rücken die Fragen der see- und umweltrechtlichen Voraussetzun- gen in den Blickpunkt, die u. a. die deutschen Interessen am Tiefseebergbau betreffen. 2 Dieser Beitrag versucht eine Bestandsaufnahme der Arbeit der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) zu den Re- geln, Vorschriften und Verfahren zum Tiefseebergbau unter besonderer Berücksichtigung des Umweltschutzes. Die all- gemeinen Rechtsgrundlagen finden sich in Teil XI des UN Seerechtsübereinkommens von 1982 3 , wie unter Ziff. 2 zu zeigen ist. Das gesamte Durchführungsrecht für Anträge, Genehmigungen und Überwachung (Lizenzverfahren) und darin eingebettet der Umweltschutz liegt in der Zuständig- keit der IMB, deren Funktion unter Ziff. 3 und deren Se- kundärrecht unter Ziff. 4 dargestellt sind. Vorab ist zum Verständnis ein Blick auf die wichtigsten mineralischen Schätze am Meeresboden erforderlich, die häufig marine mineral resources (MMR) genannt werden. Sie variieren stark hinsichtlich ihrer Entstehung, Erschei- nungsform und Zusammensetzung folglich auch hinsicht- lich der Abbaumethoden und deren Umweltrisiken. Im Mittelpunkt stehen besonders wertvolle Ressourcen wie Kobalt, Kupfer, Zink, Gold und Silber aber auch manche der 17 verschiedenen Seltenen Erden. Diese MMR finden sich direkt am Meeresboden in Mengen und Konzentrati- onen, die teilweise deutlich über denen der Landlagerstät- ten liegen. Die Gefahr eines unkontrollierten Austritts wie bei der Öl- und Gasgewinnung besteht nicht, denn alle Vorkommen sind gleichsam „zweidimensional“ unmittel- bar am Meeresboden gelegen. DOI: 10.1007/s10357-013-2554-7 Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz Uwe Jenisch © Springer-Verlag 2013 NuR (2013) 35: 841–854 841 123 1) Unter den Staaten, die im Rahmen ihrer Rohstoffsicherung den Meeresbergbau im industriellen Maßstab entwickeln, sind in ers- ter Linie Südkorea, Japan, China und Frankreich zu nennen. 2) Deutschland erhielt im Juli 2006 einen Explorationsvertrag für Manganknollen. Die zwei Explorationsgebiete in rd. 5000 m Tiefe zwischen Hawaii und Mexiko sind mit 75 000 km 2 zusammen so groß wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der Explora- tionsvertrag gilt für 15 Jahre bis 2021, so dass sich die Frage des Übergangs in den industriellen Bergbau für die Zeit danach stellt. Lizenznehmer ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Bergbau (BGR) in Hannover in Ermangelung einer leistungsfähi- gen Bergbaufirma. Seit 2008 ermittelt die BGR die Entstehungs- geschichte, Qualität und Menge der Manganknollen. Sie doku- mentiert den Ist-Zustand von Flora und Fauna, um Referenzdaten für die Umweltüberwachung zu gewinnen und eine Entscheidung über den eventuellen Nutzen eines späteren Abbaus vorzuberei- ten. Zur deutschen Interessenlage siehe BT-Drs. 17/8753 vom 28. 2. 2012. 3) Jenisch, Renaissance des Meeresbodens. NordÖR 2010, 373–382 und 429–433.
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Page 1: Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

Seit Jahren steigt der weltweite Bedarf an metallischen Rohstoffen. Damit wendet sich das Interesse marinen Rohstoffen zu, die als Tiefseebergbau ergänzend zum Landbergbau heute erforscht und morgen gewinnbar sein werden. Voraussetzung sind jedoch effektive Vorschriften zum Schutz des empfindlichen Naturraums der Tief-see. Als Organ des Seerechtsübereinkommens von 1982 regelt und verwaltet die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) den Tief-seebergbau in internationalen Gewässern. Für Prospektion, Explo-ration und Abbau von Bodenschätzen entsteht ein Regelwerk, das sich als Sekundärrecht der IMB in Form von „mining codes“ und Kontrollinstrumenten wie Referenzstudien, Umweltverträglich-keitsprüfungen, Monitoring, finanziellen Garantien, Haftungs-vorschriften und Schutzgebieten manifestiert. In den Wirtschafts- und Festlandsockelzonen unter nationaler Zuständigkeit sind in erster Linie jedoch die Küstenstaaten zuständig. Die Forderung nach einem vergleichbaren Schutzregime für diese Gebiete ist noch nicht erfüllt.

Die IMB hat bisher 17 marine Explorationslizenzen erteilt und prüft weitere Anträge. Die mineralischen Rohstoffe, darunter hoch-wertige Metalle und Seltene Erden, treffen auch den Nerv der In-dustrienation Deutschland, das 2006 einen „claim“ zur Explo-ration von Manganknollen im Pazifik erworben hat, wo seitdem Qualität und Mengen erkundet werden. Die deutsche Rolle als Vertragspartner der IMB eröffnet der Industrie Kooperationsmög-lichkeiten und bietet die Chance, das Umweltregime und die tech-nischen Anforderungen für den Tiefseebergbau mitzubestimmen.

1. Schätze des Meeresbodens – marine mineralische Rohstoffe

Seit Jahren steigt der Bedarf an mineralischen Rohstoffen. Ursachen sind Industrialisierung und Wachstum des Wohl-stands in vielen Teilen der Welt. Viele Landlagerstätten mit hohem Metallanteil nähern sich der Erschöpfung. Zwar sind alle Metalle und Seltenen Erden gut verteilt auf allen Kon-tinenten vorhanden, aber die Produktion aus Bergwerken und Tagebauen wird immer aufwändiger, während die Um-weltschäden dramatisch zunehmen. Der Zugang zu Selte-nen Erden, die bisher zu 90 % aus China kommen und un-ter dortigen Exportbeschränkungen leiden, ist als kritisch einzuschätzen. Diese Rohstoffe sind Voraussetzung für Zu-kunftsindustrien der Elektronik, Photovoltaik, für Fiber-glaskabel, Elektroautos, Katalysatoren, Windenergie- und Entsalzungsanlagen, aber auch für die Luft- und Raum-fahrt sowie Rüstung. Für die Zukunft bleiben neu zu ent-deckende Lagerstätten, häufig in politisch unsicheren oder abgelegenen Regionen (Arktis). Auch ihre Erschließung ist mit enormer Umweltzerstörung, Landschaftsverbrauch und Kosten verbunden, vom Energieeinsatz ganz zu schweigen. Der Bergbau stößt deshalb auf den Widerstand einer wachen Öffentlichkeit, die sich zu Recht um die Umwelt sorgt. Zu-sammen mit der Notwendigkeit sparsamer Verwendung von Rohstoffen und deren Rückgewinnung stellt sich die Frage,

Prof. Dr. jur. Uwe JenischHonorarprofessor für Internationales Seerecht an der Universität Kiel, Ministerialrat a. D. Kiel, Deutschland

ob der Tiefseebergbau umweltverträglich betrieben werden kann, um den Landbergbau zu ergänzen.

Zum erwachenden Interesse 1 an Rohstoffen am Mee-resboden trägt bei, dass die Offshore Öl- und Gas indus-trie den technologischen Schritt in Wassertiefen von bis zu 3000 m bewältigt hat. Auch der Tiefseebergbau nach Me-tallen könnte beginnen, sobald er technisch und finanziell mit dem Landbergbau konkurrieren kann. Nach Meinung Vieler ist dieser Zeitpunkt nicht mehr fern. Damit rücken die Fragen der see- und umweltrechtlichen Voraussetzun-gen in den Blickpunkt, die u. a. die deutschen Interessen am Tiefseebergbau betreffen. 2

Dieser Beitrag versucht eine Bestandsaufnahme der Arbeit der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) zu den Re-geln, Vorschriften und Verfahren zum Tiefseebergbau unter besonderer Berücksichtigung des Umweltschutzes. Die all-gemeinen Rechtsgrundlagen finden sich in Teil XI des UN Seerechtsübereinkommens von 1982 3, wie unter Ziff. 2 zu zeigen ist. Das gesamte Durchführungsrecht für Anträge, Genehmigungen und Überwachung (Lizenzverfahren) und darin eingebettet der Umweltschutz liegt in der Zuständig-keit der IMB, deren Funktion unter Ziff. 3 und deren Se-kundärrecht unter Ziff. 4 dargestellt sind.

Vorab ist zum Verständnis ein Blick auf die wichtigsten mineralischen Schätze am Meeresboden erforderlich, die häufig marine mineral resources (MMR) genannt werden. Sie variieren stark hinsichtlich ihrer Entstehung, Erschei-nungsform und Zusammensetzung folglich auch hinsicht-lich der Abbaumethoden und deren Umweltrisiken. Im Mittelpunkt stehen besonders wertvolle Ressourcen wie Kobalt, Kupfer, Zink, Gold und Silber aber auch manche der 17 verschiedenen Seltenen Erden. Diese MMR finden sich direkt am Meeresboden in Mengen und Konzentrati-onen, die teilweise deutlich über denen der Landlagerstät-ten liegen. Die Gefahr eines unkontrollierten Austritts wie bei der Öl- und Gasgewinnung besteht nicht, denn alle Vorkommen sind gleichsam „zweidimensional“ unmittel-bar am Meeresboden gelegen.

DOI: 10.1007/s10357-013-2554-7

Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz Uwe Jenisch

© Springer-Verlag 2013

NuR (2013) 35: 841–854 841

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1) Unter den Staaten, die im Rahmen ihrer Rohstoffsicherung den Meeresbergbau im industriellen Maßstab entwickeln, sind in ers-ter Linie Südkorea, Japan, China und Frankreich zu nennen.

2) Deutschland erhielt im Juli 2006 einen Explorationsvertrag für Manganknollen. Die zwei Explorationsgebiete in rd. 5000 m Tiefe zwischen Hawaii und Mexiko sind mit 75 000 km2 zusammen so groß wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der Explora-tionsvertrag gilt für 15 Jahre bis 2021, so dass sich die Frage des Übergangs in den industriellen Bergbau für die Zeit danach stellt. Lizenznehmer ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Bergbau (BGR) in Hannover in Ermangelung einer leistungsfähi-gen Bergbaufirma. Seit 2008 ermittelt die BGR die Entstehungs-geschichte, Qualität und Menge der Manganknollen. Sie doku-mentiert den Ist-Zustand von Flora und Fauna, um Referenzdaten für die Umweltüberwachung zu gewinnen und eine Entscheidung über den eventuellen Nutzen eines späteren Abbaus vorzuberei-ten. Zur deutschen Interessenlage siehe BT-Drs.  17/8753 vom 28. 2. 2012.

3) Jenisch, Renaissance des Meeresbodens. NordÖR 2010, 373–382 und 429–433.

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Manganknollen liegen großflächig in allen Ozeanen lose auf den flachen Ebenen des Meeresbodens in über 4000 m Tiefe, teilweise eingebettet in den oberen ca. 20 cm des Sediments. Manganknollen bieten einen inter-essanten Mix von Kupfer, Nickel, Kobalt, Eisen Mangan und Seltenen Erden. Gute Belegungsdichten werden mit 10–40 kg/m2 Fläche angegeben, und es gibt maximale Be-legungen von bis zu 75 kg/m2. Beste Qualitäten sind in der Clarion Clipperton Zone (CCZ) im östlichen Pazifik ge-geben, wo 11 Explorationslizenzen vergeben sind. Zur Ge-winnung braucht man einen Kollektor, der die Knollen am Meeresboden möglichst schonend mechanisch aufnimmt, einen Förderstrang für den vertikalen Transport des Mate-rials und eine schwimmende Produktionsplattform an der Meeresoberfläche. Risiken für die Umwelt liegen in der Störung des Sediments und in der Gefahr von Einleitungen in die Wassersäule.

Massivsulfide, die aus den erst 1977 entdeckten hei-ßen Quellen (black smoker) an unterseeischen Bergrücken austreten, enthalten u. a. Kobalt, Zink, Blei, Gold und Sil-ber. Das Material tritt in Wassertiefen von 1000–3000 m in hoher Konzentration aus. Bekannt sind über 400 Quel-len, davon die Hälfte mit aktiven Austritten. Rund 165 Lokationen weisen interessante Wertstoffgehalte auf, die sich je zur Hälfte auf Meereszonen unter nationaler Ho-heit und internationale Seegebiete verteilen. Ein Internet-dienst informiert über die Lage der bekannten und ständig neu entdeckten Hydrothermalquellen mit Massivsulfiden. 4 Die kleinräumigen Lagerstätten liegen in der Größenord-nung von Fußballfeldern. An inaktiven und häufig von Sediment bedeckten Lagerstätten können abbauwürdige Schichten bis zu 40 m mächtig sein. Ihre Erkundung erfor-dert hochempfindliche Sensoren und Bohrungen, der Ab-bau ein mechanisches Aufbrechen der Strukturen. Heiße Quellen sind nur zeitlich begrenzt aktiv und bieten in ihrer aktiven Phase schutzbedürftige einzigartige Lebensbedin-gungen für Flora und Fauna in einem bis zu 300° heißen Wasser. Die kanadische Firma Nautilus hat 2011 die erste Abbau lizenz für die Lagerstätte „Solwara 1“ in der Wirt-schaftszone von Papua Neuguinea mit aktiven und inakti-ven Quellen erhalten. Wegen eines Rechtsstreits mit dem Gastland hat der Abbau noch nicht begonnen.

Polymetallische Krusten mit Nickel, Kobalt, Kupfer, Titan, Platin und diversen Seltenen Erden findet man in Wassertiefen zwischen 800 und 2500 m auf Kuppen und Abhängen unterseeischer Berge (seamounts). Deren Zahl wird mit über 50 000 angegeben. Sie kommen gleicher-maßen innerhalb der 200 Sm breiten Wirtschaftszonen als auch in der Tiefsee mit einer gewissen Konzentration im westlichen Pazifik vor. Die Krusten sind in relativ dünnen Schichten von bis zu 26 cm Dicke mit dem darunter lie-genden Gestein fest verbunden. Belegungsdichten von 60 bis 120 kg/m2 und der prozentuale Anteil an wertvollen MMR sind deutlich höher als bei Manganknollen. Aller-dings fehlt bisher die Technik zur Trennung des Materials vom Gestein. Unterseeische Berge sind fischreich und um-geben von eigenen Strömungen. Auch hier besteht die Ge-fahr der Störung der Bodenfauna und -flora und der Was-sersäule darüber.

2. Seerechtliche Rahmenbedingungen des Tiefseebergbaus

Das UN Seerechtsübereinkommen (SRÜ) von 1982 5 bie-tet die moderne Nutzungsordnung für alle Meere in Form von 320 Artikeln, neun Anlagen (annexes) und ergänzenden Vereinbarungen. 6 Der Tiefseebergbau ist in SRÜ Teil XI „Das Gebiet“ (The Area) und in den Anlagen III und IV geregelt. Speziell für den Tiefseebergbau wird das SRÜ durch das Durchführungsübereinkommen (DÜ) von 1994 (Implementing Agreement) 7 modifiziert und ergänzt. Beide Übereinkommen zusammen gelten als die „Verfassung der

Meere“. Diese Rechtsordnung trat 1994 in Kraft und re-gelt für 71 % der Erdoberfläche alle Meeresnutzungen wie Schifffahrt, Fischfang, Meeresforschung, Umweltschutz sowie Tiefseebergbau. Dem SRÜ sind von den rund 200 Staaten der Welt 164 und die EU als Vertragspartner beige-treten. Das DÜ hat einschließlich der EU 144 Partner. Da-mit fehlen den beiden Übereinkommen noch ca. 40 bzw. 60 Staaten 8, darunter die USA. 9

2.1 Meereszonen und Umweltschutz im SRÜ

Drei unabhängige Organe überwachen und verwalten das Seerechtsregime:

Internationaler Seegerichtshof (ISGH) (Inter na tio-nal Tribunal for the Law of the Sea, ITLOS) 10 in Ham-burg mit bisher 21 gerichtlichen Streitfällen,

Festlandsockelgrenzkommission (Commission on the Limitation of Continental Shelves CLCS) 11 in New York zur Begrenzung äußerer Festlandsockel,

Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) (In-ternational Seabed Authority ISBA/ISA) 12 in Kingston Jamaika als gemeinsame Bergbauverwaltung für das internationale Gebiet außerhalb der Grenzen hoheitli-cher Zuständigkeiten.

Grundsätze und allgemeine Pflichten zum Meeresum-weltschutz ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte System. Schon vor und spätestens während der 3. UN-See-rechtskonferenz (1973–1982) wurde allen Beteiligten klar, dass die intensiven Meeresnutzungen und (mehr noch) der Schadstoffeintrag vom Lande aus die Meeresumwelt massiv bedrohen. Unbestritten ist, dass die Tiefsee das größte Re-servoir an genetischen Ressourcen ist. Sie ist ein einzigarti-ger Raum von Lebensgemeinschaften, deren Rolle für das Leben auf der Erde und das Klima erst am Anfang der Erfor-schung steht. Die Diskussion um den globalen Klimawan-del rückt die Meere zusätzlich in den Mittelpunkt, denn an ihnen lässt sich ablesen, wie sie ständig „höher, wärmer und saurer“ sowie ärmer an Sauerstoff 13 werden.

Das SRÜ fordert daher den Schutz der Meeresumwelt in Art.  192–196 in allgemeinen Formulierungen 14 aber mit Bindungswirkung für alle Nutzer in allen Meeres-zonen. 15 In den Artikeln 207–212 folgen Vorschriften zu den verschiedenen Quellen der Verschmutzung sowie die Art. 213–222 mit Regeln für die Durchsetzung. Mit Blick auf den Tiefseebergbau lassen sich diese Grundsätze und Pflichten wie folgt zusammenfassen:

Küstenstaaten erlassen Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Tätigkeiten auf dem Meeresboden unter ihrer Jurisdiktion, d. h. für die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) und den Festlandsockel (Art. 208).

Nationale Vorschriften dürfen nicht weniger wir-kungsvoll als die internationalen sein (Art. 208 Abs. 3

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4) www.interridge.org5) BGBl. 1994 II, 1798 ff. Alle nachfolgend ohne besonderen Hin-

weis zitierten Artikel sowie Anlagen sind solche des SRÜ. 6) Hierzu allgemein: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des See-

rechts, München 2006, 641 S.7) BGBl. 1994 II, 2565 ff.8) Es fehlen u. a. Binnenstaaten in Asien und Afrika, einige latein-

amerikanische Staaten sowie Türkei, Israel, Syrien, Libyen, Iran, Nordkorea.

9) Zur Interessenlage der USA: Statement Hillary Clinton, Senate Foreign Relations Committee Hearing in: AJIL Vol. 106 (2012), S. 659 ff.

10) www.itlos.org11) www.un.org/Depts/los/clcs12) www.isa.org.jm13) World Ocean Review 2010, mare Verlag, Hamburg.14) Gelegentlich als „unqualified obligation“ bezeichnet.15) Wolfrum in: Handbuch des Seerechts, 2006, S. 333 ff.

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und 209 Abs.  2). Hier wird erstmals die Forderung nach einheitlichen Umweltstandards für internatio-nale und hoheitliche Meereszonen deutlich.

Seltene oder empfindliche Ökosysteme und bedrohte Arten sind zu berücksichtigen (Art. 194 Abs. 5).

Art.  195 verpflichtet zur Vermeidung grenzüber-schreitender Verschmutzungen.

Umweltverträglichkeitsprüfungen sind Pflicht, falls ge-plante Tätigkeiten eine wesentliche Verschmutzung aus-lösen könnten (Art. 206, DÜ Anlage, Section 1 Ziff. 7).

Gefahren sind ständig zu überwachen (Art. 204 und 165 Abs. 2 h).

Die IMB ist zuständig für den Erlass und zur ständi-gen Pflege des Sekundärrechts für den Umweltschutz (Art. 145 und 209) im internationalen Gebiet.

Unternehmen und Staaten können bei Verstößen haft-bar sein (Art. 139 und 235).

Aus anderen Quellen ergeben sich weitere allgemein ver-bindliche Pflichten:

Der Vorsorge-Ansatz precautionary approach gilt auf See (Rio Deklaration Prinzip 15) zumindest als Leit-prinzip. 16

Bewährte Umweltverfahren (best environmental practi-ces) ergeben sich aus den mining codes der IMB (siehe unten).

Pflicht zum Schutz der Biodiversität (Art. 3 CBD). Polluter pays Grundsatz (Agenda 21/Rio Deklaration,

Londoner Protokoll Art. 3 (2). 17

Diese Vorschriften gelten gleichsam als Allgemeiner Teil für die IMB und für alle Staaten und grundsätzlich in allen Meereszonen, denn die Staaten haben sich durch Ratifikation oder Beitritt unterworfen. Allerdings ist zu beachten, dass die Zuständigkeiten für ausführende Gesetzgebung, mithin für die Umsetzung, sich je nach Meereszone unterscheiden.

Im 12 Sm breiten Küstenmeer (Territorial Sea), ist der Küstenstaat zuständig, aber über Art. 193 und 207 an die international vereinbarten Regeln gebunden.

Die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) (Exclu-sive Economic Zone) von 12 bis 200 Sm Breite, auch vereinfa-chend 200 Sm Zone genannt, ist eine Zone sui generis mit funktional beschränkten hoheitlichen Rechten zur Erfor-schung, Nutzung, Schutz und Management der natürlichen lebenden und nicht lebenden Ressourcen. Zur AWZ zählen die Wassersäule und der gesamte Meeresboden und -unter-grund ohne Rücksicht auf die Meerestiefe, egal ob es sich geologisch um Festlandsockel oder um Tiefsee handelt. Der Küstenstaat ist hier ausschließlich zur Ressourcennutzung im Rahmen seiner Gesetzgebung berechtigt. Ressourcen-nutzung durch Andere ist mit Zustimmung zulässig. Alle Nutzer müssen die internationalen Regeln, Normen und Verfahren einhalten. 18

Die Festlandsockel mit ihren reichen Vorkommen an Öl, Gas, Gashydraten und Metallen sind innerhalb der 200 Sm Grenze integraler Bestandteil und deckungs-gleich mit der AWZ. Der rechtliche Festlandsockelbegriff des SRÜ besteht jedoch aus einem inneren Teil, der mit der AWZ identisch ist, und einem äußeren Festlandsockel (extended continental shelf ), falls dieser geologisch über die 200 Sm Grenze hinaus reicht.

Dieser äußere Festlandsockel kann nach der kompli-zierten Formulierung des Art. 76 Abs. 4–8 bis zur Grenze von 350 Sm oder bis zu einer Linie 100 Sm seewärts der 2500 m Tiefenlinie reichen. Dazu muss der Staat einen An-trag bei der Festlandsockelgrenzkommission (CLCS) 19 stel-len und mit wissenschaftlichen Fakten nachweisen, dass der geologische Festlandsockel vor seiner Küste weiter als 200 Sm reicht, und es sich geologisch nicht um Tiefseebo-den handelt. Die Kommission erklärt eine zulässige Au-ßengrenze. Der Staat übernimmt diese Grenzlinie in seine Gesetzgebung und informiert darüber gem. Art. 84 Abs. 2 die IMB, denn es geht um deren Zuständigkeitsbereich für internationalen Meeresboden.

Die 21 persönlich ausgewählten Kommissionsmitglieder setzen sich aus Geologen, Geophysikern und Hydrographen zusammen und werden für fünf Jahre mit der Möglichkeit der Wiederwahl gewählt. 20 Es entscheidet also ein rein na-turwissenschaftlich besetztes Gremium über juristisch-na-turwissenschaftliche Tatbestände mit Zweidrittelmehrheit. Die Mitglieder sind zu 90 % Vertreter von Staaten, die selbst Anträge gestellt haben. Die IMB ist an diesen Verfahren nicht beteiligt. Die CLCS tagt 21 überdies nicht-öffentlich, was die Transparenz des Verfahrens nicht fördert.

Eine Liste vom Dezember 2012 mit 65 kompletten An-trägen und ihrem Behandlungsstatus findet sich im Inter-net 22, wo auch die kartenmäßige Darstellung der Anträge nach und nach veröffentlicht wird. Daneben gibt es rund 40 „vorläufige“ Anträge, für die die wissenschaftlichen Daten nachzureichen sind. Die insgesamt über 100 Anträge, die aus 78 Staaten kommen, erfassen 29 Mio. km2, d. h. 8 % der Meeresbodenfläche. Besonders umstritten ist der russische Antrag in der Arktis, der eine Fläche von 1,2 Mio. km2 be-ansprucht und bis zum Nordpol reicht. Die IMB ist jeden-falls der Verlierer dieser Entwicklung. Die Festlandsockel-ausweitung konterkariert den hohen Anspruch des SRÜ an Verteilungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und Schutz des gemeinsamen Erbes der Menschheit.

Für die Ressourcengewinnung der Küstenstaaten aus dem äußeren Festlandsockel sieht Art.  82 bescheidene (Ausgleichs)zahlungen oder Sachleistungen an die IMB „zur gerechten Verteilung“ an Entwicklungsländer vor. Die Leistungen belaufen sich auf 1 % vom „Wert der  … Produktion“, werden nach einer fünfjährigen „grace period“ ab dem 6. Produktionsjahr erhoben und steigen jährlich um 1 % bis zum 12. Jahr auf max. 7 %. Diese Zahlungsver-pflichtung ist insofern bemerkenswert, als es sich um die erstmalige Einführung einer internationalen Steuer bzw. Förderabgabe handelt, die zudem offenbar auf den Brutto-Wert der Produktion (value or volume of production) abstellt. 23 Inwieweit die hohen laufenden Produktionskosten bei der Förderabgabe zu berücksichtigen sind, dürfte kontro-vers werden. Insgesamt sind die Förderabgaben der Aus-gleich für die Inanspruchnahme von Meeresbodenressour-cen, die sonst als „Gemeinsames Erbe der Menschheit“ der IMB unterstanden hätten. Die IMB hat damit begonnen, die Modalitäten der Ausgleichszahlungen zu entwickeln. 24 Erkennbar ist bislang nur der Wunsch nach weiteren Stu-dien über die Staatenpraxis bei vergleichbaren Förderab-gaben für Offshore-Nutzungen. 25 Man darf gespannt sein, wie die Kriterien zur Ermittlung des Wertes der Produk-tion ausfallen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Art. 82 ist die Vorschrift für Förderabgaben auf dem äußeren Fest-landsockel, während die Förderabgaben für Bergbau im in-

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16) Alle amtlichen Texte der IMB und auch die deutschen Überset-zungen verwenden den Begriff Vorsorgeansatz, nicht precautio-nary principle (Vorsorgeprinzip).

17) Protokoll zum Übereinkommen über die Verhütung der Mee-resverschmutzung (Londoner Protokoll 1996), BGBl. 1998 II, S. 1345 ff.

18) Art. 192, 193 und 208.19) Rechtsgrundlagen sind: Art. 76 Abs. 8 (Errichtung der Kommis-

sion), Annex II (Verfahren) sowie Rules of Procedure , geltende Fassung in CLCS/40/Rev.1 vom 17. 4. 2008.

20) Letzte Neuwahlen im Juni 2012, SPLOS/239.21) Ergebnisse der 30. CLCS-Sitzung (2012) in: CLCS/76. 22) www.un.org/Depts/los/clcs_new/commission_submissions.htm23) Zur Entstehungsgeschichte von Art. 82: Aldo Chircop, Energy Po-

licy and International Royalty: A Dormant Servitude Relevant for Offshore Development, in: Myron H. Nordquist, International Energy Policy, the Arctic and the Law of the Sea, Leiden/Boston 2005, S. 247–270.

24) Workshop in Peking vom November 2012 abrufbar unter www.isa.org.jm; s. a. ISA Technical Study No. 12 (2013) und No.  5 (2010).

25) Siehe ISBA/19/ A/4.

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ternationalen Gebiet anderen Regeln folgen werden (s. u. Ziff. 4.5).

Das Gebiet (The Area) ist der internationale Meeresbo-den der hohen See außerhalb der Grenzen nationaler Ju-risdiktion, d. h. seewärts der AWZ bzw. der Grenzen äu-ßerer Festlandsockel. Hier gilt für die Ressourcennutzung der Teil  XI des SRÜ mit den Artikeln 133–191. Dieses „Gebiet“ verwaltet die IMB als „Gemeinsames Erbe der gesamten Menschheit“. Wie in allen Ozeanen untersteht auch der Meeresboden der Arktis der IMB, soweit dieser 10 Mio. km2 großen Ozean nicht als AWZ oder äußerer Festlandsockel nationaler Jurisdiktion 26 der Anrainerstaa-ten unterliegt.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich für den Tiefseeberg-bau die zentrale Bedeutung politischer Seegrenzen, deren Festlegung im Rahmen des SRÜ äußerste Sorgfalt erfor-dert, wobei Streitfälle zwischen benachbarten Staaten an der Tagesordnung sind. Die fortlaufende Dokumentation aller politischen Seegrenzen findet sich bei der „Division of Ocean Affairs and the Law of the Sea – DOALOS“ am Sitz der UN in New York 27 sowie in der Sammlung „Internati-onal Maritime Boundaries“. 28 Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass zwar die Grundsätze des Meeresumwelt-rechts gem. Teil XII des SRÜ in allen Meereszonen gel-ten. Für das Durchführungsrecht der Ressourcennutzung und damit des Meeresbergbaus unterscheidet das SRÜ zwei abgrenzbare Rechtsordnungen: Für die Tiefsee im Ge-biet außerhalb der Grenzen nationaler Jurisdiktion gilt die Zuständigkeit der IMB und ihrem internationalen Berg-baurecht. Für das restliche Drittel der Weltmeeresfläche, d. h. Meereszonen innerhalb der Grenzen nationaler Zu-ständigkeiten gelten die SRÜ-Teile V „Wirtschaftszone“, VI „Festlandsockel“ und XII „Meeresumwelt“ jeweils in Verbindung mit dem nationalen Recht des jeweiligen Küs-tenstaates. Auf den Pazifik angewandt ergibt sich, dass bis zu 40 % der Fläche dieses Ozeans als AWZ einzuordnen ist, da die vielen Inselstaaten über enorm ausgedehnte AWZ mit reichen Bodenschätzen verfügen. Somit besteht die Gefahr, dass sich das Bergbaurecht mit seinen Kontroll- und Um-weltschutzregelungen zweispurig unabhängig voneinander kontrovers entwickelt. Die Forderung nach einheitlichen (konsistenten) Regelungen für beide Rechtsordnungen be-schäftigt deshalb die Gremien.

2.2 Das modifizierte Tiefsee-Regime: SRÜ Teil XI und das Durchführungs-Übereinkommen DÜ

Wie einleitend angedeutet ist der Tiefseebergbau im Ge-biet nicht nur in Teil XI des SRÜ und in der Anlage III „Grundbedingungen für die Prospektion, Erforschung und Ausbeutung“ 29 geregelt, sondern ergänzend im Durch-führungs-Übereinkommen (DÜ) von 1994 (Implementing Agreement). 30 Dadurch ergibt sich eine einzigartige „Pa-ketlösung“, die das Recht des Tiefseebergbaus mit seinen Besonderheiten erst auf den zweiten Blick erschließt.

Das Tiefseeregime in Teil XI ist als einziger Sektor des SRÜ durch Nachverhandlungen verändert worden. Diese Änderungen traten mit dem DÜ von 1994 in Kraft. Die Nachverhandlungen waren notwendig, weil praktisch nur Staaten der Dritten Welt das 1982 unterzeichnete SRÜ ratifizierten, ohne die für ein Inkrafttreten erforderliche Zahl von 60 Ratifikationen zu erreichen. Eine Mehrheit von Staaten, darunter Industriestaaten wie auch Deutsch-land, begrüßten damals zwar die Neuordnung des allge-meinen Seerechts. Hinsichtlich des Tiefseebergbaus lehnten sie jedoch die planwirtschaftlichen Elemente des Teiles XI ab. Die Kritik richtete sich u. a. gegen die Art. 150 ff. mit den Regulierungsrechten der IMB für Rohstoffpreise und Mengen, gegen das allzu großzügige Finanzgebaren der IMB und gegen die Stimmrechtsdominanz der Entwick-lungsländer. Ebenso wurde die bei Inkrafttreten des SRÜ vorgesehene (automatische) Gründung und Finanzierung

des behördeneigenen Unternehmens (Enterprise) abgelehnt, das auf eigene Rechnung Bergbau betreiben sollte.

Das DÜ verändert die betreffenden Artikel und Anla-gen des SRÜ grundlegend. Die materiellen Änderungen sind in den neun Sektionen der Anlage zum DÜ enthalten. Nach Art. 2 DÜ müssen SRÜ und DÜ nun als eine Kon-vention ausgelegt und angewendet werden, wobei einzelne Artikel des SRÜ leer laufen. In Zweifelsfällen ist der Text des DÜ verbindlich. Darunter leidet die Lesbarkeit des ge-samten Tiefsee-Regimes. Nur auf diese Weise gelang es, das Seerechtssystem für die Staatenmehrheit akzeptabel zu machen. Diese ungewöhnliche Suche nach einem Kom-promiss, an dem deutsche Vertreter maßgeblich mitwirk-ten 31, war unvermeidbar, denn das Tiefseeregime war mit dem Wissensstand und den politischen Rahmenbedingen der 70er Jahre ausgehandelt worden. Der Kalte Krieg und die Vision einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ hatten die Verhandlungen übermäßig belastet und waren Anfang der 90er Jahre weitgehend obsolet geworden.

Die Reliberalisierung durch das DÜ betrifft insbeson-dere die Stimmrechte im Rat der IMB. Während Art. 162 Abs. 2 j bei der Genehmigung von Anträgen zum Bergbau ein Vetorecht für jedes (!) der 36 Ratsmitglieder vorsah, ist nach dem DÜ eine 2/3 Mehrheit der Ratsmitglieder notwendig, um einen Arbeitsplan abzulehnen. Die IMB verliert die Rechte auf Preis- und Mengenregulierung von Rohstoffen. Die auf Drängen Deutschlands neu geschaf-fene Finanzkommission kontrolliert die Haushaltsangele-genheiten. Einzelheiten des Umweltschutzes sind von den Nachverhandlungen nicht betroffen, zumal es keine Mei-nungsverschiedenheiten über deren Notwendigkeit und Umfang gab.

Eine der wichtigsten inhaltlichen Änderungen ist die Zu-rückstellung und Veränderung des in den Artikeln 158 und 170 vorgesehenen Enterprise als selbständiges, Gewinn orientiertes, privilegiertes behördeneigenes Unternehmen der IMB. 32 Zugleich wurde der Anspruch des Enterprise auf Finanzierung durch die Vertragsstaaten 33 und (kosten-losen!) Technologietransfer gestrichen. 34 Das DÜ lässt die Option für ein durch gesonderten Ratsbeschluss zu grün-dendes Enterprise bestehen, das seine Tätigkeit allerdings nur in einem Joint-Venture ( J. V.) mit anderen Antragstel-lern aufnehmen soll. 35 Deshalb berücksichtigen die drei mi-ning codes der IMB das Enterprise als potenziellen Antrag-steller und als J. V.-Partner (s. u. Ziff. 4).

Die Frage der Gründung des Enterprise beschäftigt der-zeit die Gremien der IMB, weil die kanadische Firma NAUTILUS Minerals Inc. im Oktober 2012 der IMB Ver-handlungen über die organisatorische Vorbereitung ei-nes J. V. zwischen NAUTILUS und dem Enterprise vor-

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26) Die Arktis ist mit einer durchschnittlichen Tiefe von 987 m der flachste aller Ozeane. Rund 50 % der Arktis dürfte geologisch Festlandsockel sein.

27) DOALOS siehe: www.un.org/Depts/los/index.htm28) Charney/Smith/Colson, (eds.), International Maritime Boundaries,

Vol. I–VI, The Hague, 1993–2011. 29) Deutsche Übersetzung des SRÜ spricht ungenau von „Ausbeu-

tung“, während „Gewinnung“ oder „Abbau“ die bergrecht-lichen Begriffe sind.

30) BGBl. 1994 II, 2565 ff. Die meisten materiellen Änderungen fin-den sich in der Anlage zum DÜ, BGBl.  2994 II, 2571–2588, s. dort Abschnitte (sections)1–9.

31) Koch, Die Verhandlungen über die Lösung der Probleme des Tiefseebergbauteils des SRÜ aus der Sicht der deutschen De-legation, in: Das UN Seerechtsübereinkommen tritt in Kraft, Berichte des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie Nr. 4, Hamburg 1994, S. 25 ff.

32) Zum (ursprünglichen) Statut des Enterprise siehe SRÜ An-lage IV.

33) DÜ Anlage, Section 2 (3).34) DÜ Anlage, Section 5.35) DÜ Anlage, Section 2 (2).

Page 5: Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

geschlagen hat. In Form einer Absichtserklärung (Heads of Agreement) schlägt NAUTILUS ein Verfahren und einen Zeitplan zur Vorbereitung des Enterprise vor, um gemein-sam bis zu acht reserved areas im Pazifik zu explorieren. 36 Nautilus bietet an, auf eigene Kosten eine Ressourcenab-schätzung, sämtliche Daten, eine Durchführbarkeitsstudie und ein Finanzierungsmodell zu liefern mit dem Ziel, 2015 einen J. V.-Vertrag auszuhandeln.

Der Generalsekretär der IMB hat als erste Reaktion die spärlichen rechtlichen Bedingungen zur Errichtung des Enterprise kritisch in Erinnerung gerufen 37, damit die 19.  Session sich 2013 mit dem Vorschlag befassen kann. Eckpunkte bzw. offene Fragen sind demnach:

Sobald ein Antrag für ein J. V. mit dem Enterprise eingeht, befasst sich der Rat mit der Frage, wie das Enterprise vom Sekretariat der IMB unabhängig wer-den kann, d. h. er muss sich aktiv um die Vorarbeiten kümmern.

Das Sekretariat der IMB nimmt die vorbereitenden Aufgaben des Enterprise solange wahr, bis dieses un-abhängig arbeiten kann. Dazu ist ein interimistischer Generaldirektor zu ernennen, dessen Aufgaben sich auf Untersuchungen zu Organisation, zur Finanzie-rung und zu möglichen Tätigkeiten beschränken soll.

Sobald ein „Vollantrag“ vorliegt und das J. V. „ver-nünftigen kommerziellen Grundsätzen“ entspricht, erlässt der Rat eine Richtlinie gem. Art. 170 Abs. 2 zur Errichtung des Enterprise. Die genauen Inhalte dieses Aktes sind unklar, dürften sich aber an SRÜ Anlage IV orientieren und u. a. die Ernennung eines Generaldirektors und eines 15-köpfigen Governing Board sowie Zeitpläne enthalten.

Der Generalsekretär befürchtet Interessenkonflikte, falls sowohl das Enterprise als auch Entwicklungs-länder dieselbe reserved area beanspruchen sollten. 38 Schließlich habe auch der ursprüngliche Antragstel-ler ein Zugriffsrecht auf „seine“ reserved area, aller-dings unter Einbindung des Enterprise 39, falls die IMB innerhalb von 15  Jahren keine andere Verwendung findet.

Die 19. Session unterstützte diese Bedenken, hält ein Enterprise für verfrüht und zeigte wenig Neigung zu einer raschen Meinungsbildung. Im Ergebnis forderte der Rat die IMB auf, die LTC und den Finanzausschuss zu einer Studie über die rechtlichen, technischen und finanziellen Auswirkungen auf die Behörde und die Interessen der Ver-tragsstaaten zu veranlassen.

2.3 Das Prinzip des Gemeinsamen Erbes der Menschheit

Eine weitere rechtliche Besonderheit bedeutet das Prin-zip des Gemeinsamen Erbes der Menschheit (common heri-tage of mankind), das in Art. 136 ff. ins SRÜ aufgenommen wurde. Der Leitgedanke ist, dass das Gebiet und seine mi-neralischen Schätze zum Nutzen der gesamten Menschheit, für alle Staaten und für künftige Generationen verwaltet, genutzt und geschützt wird im Interesse von Nachhal-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit. Der Grundsatz des Gemeinsamen Erbes kann gem. Art. 155 Abs. 2 und 311 Abs. 6 nicht durch Änderungen ausgehebelt werden. Auch das DÜ stellt ihn nicht in Frage. Er gilt nach Art. 133 für „alle festen, flüssigen oder gasförmigen mineralischen Res-sourcen in situ“. Ressourcen, die aus dem Gebiet gewon-nen werden, sind als „Mineralien“ bezeichnet. Diese De-finition erstreckt sich nicht auf biologische und genetische Ressourcen oder andere Nutzungen wie die CO2-Speiche-rung. Hierfür besteht in der Tat Regelungsbedarf 40, mög-licherweise in einem neuen DÜ, dem sich die Vereinten Nationen zunehmend widmen. 41

Aus dem Gemeinsamen Erbe der Menschheit ergeben sich zwingende Regelungen, die Bedeutung auch für den Umweltschutz haben und im Sekundärrecht zu konkreti-

sieren sind. Zugleich erhält die IMB eine hohe Verantwor-tung:

Der Zugang zum Tiefseebergbau im Gebiet ist gem. Art. 153 nur über die IMB möglich. Antragsberech-tigt sind Vertragsstaaten, staatliche und private Unter-nehmen aus Vertragsstaaten und (später) das Enterprise (sogen. „Parallelsystem“).

Die IMB sorgt nach Art. 140 Abs. 2 für eine gerechte Verteilung der finanziellen und wirtschaftlichen Vor-teile aus dem Bergbau, darunter Förderabgaben und Ausgleichszahlungen gem. Art 82.

Die Reservierung von Feldern (designation of a reserved area) auf der Grundlage von SRÜ Anlage  III Art.  8 zwingt den Antragsteller dazu, bereits für die Phase der Exploration ein Gesamtfeld zu beantragen 42, das zwei wirtschaftlich gleichwertige Teilflächen enthält. Die IMB bestätigt den Arbeitsplan für eine der bei-den Teilflächen und reserviert die andere für sich. Auf diese Weise des „site-banking“ erhält sie bis zu 50 % aller prospektierten Felder und kann diese ungenutzt lassen oder zur Exploration an einen Antragsteller aus einem Entwicklungsland bzw. in Form eines J. V. dem Enterprise übertragen. 43 Dies bietet Möglichkeiten zum Einstieg in eine Kooperation mit antragstellen-den Partnern aus Entwicklungsländern. 44

Zusätzlich muss der Antragsteller/Vertragsnehmer un-ter dem Stichwort Abtretung bzw. Rückgabe (relinquish-ment) Teile des ihm vertraglich zuerkannten Explorati-onsgebietes innerhalb bestimmter Fristen während der 15-jährigen Vertragsdauer an die IMB zurückgeben. 45 Der Vertragsnehmer soll sich auf möglichst wenig Flä-che konzentrieren und keine Flächen „horten“. Die aufgegebenen Flächen fallen zurück in die Area unter Verwaltung der IMB. Konkrete Regelungen für ihre weitere Verwendung gibt es noch nicht. Die Flächen für die Erforschung sind also am Anfang der Vertrags-dauer erheblich größer als gegen Ende.

Trainings- bzw. Ausbildungsprogramme müssen für das Personal der IMB und des Enterprise sowie für Fach-leute aus Entwicklungsländern angeboten werden. 46

NuR (2013) 35: 841–854 845Jenisch, Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

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36) Text des NAUTILUS Vorschlages und Bericht des interimis-tischen Generaldirektors des Enterprise in: ISBA/19/ C/4 vom 20. 3. 2013. Es handelt sich um reserved areas, die belgische, bri-tische, russische und chinesische Konsortien eingebracht haben.

37) ISBA/19/ C/6.38) Ansprüche von Entwicklungsländern gem. SRÜ Anlage  III,

Art. 9. 39) DÜ Anlage, Section 2 (5). 40) EU’s Damanaki calls for high seas biodiversity protection tre-

aty, UPI Presseerklärung vom 15. 4. 2013. Energetische und bio-logische Ressourcen gehören grundsätzlich zu den freien Mee-resnutzungen, siehe Proelss, Marine Genetic Resources under UNCLOS and the CBD. GYIL, 2008, 417 ff.; ders., Die Bewirt-schaftung der genetischen Ressourcen des Tiefseebodens – ein neues Seerechtsproblem? NuR 2007, 650 ff. Zum Gesamtpro-blem Biodiversity and Genetic Resources siehe: Special Issue, IJMCL, 2009, 195 -346.

41) Z. B. „Intersessional Workshops on marine genetic resources“ (2–5 May 2013 und 6–7 May 2013), New York; abrufbar: www.un.org/Depts/los/

42) Siehe auch Bestimmung 15–17 des mining codes für Mangan-knollen.

43) SRÜ Anlage III Art. 8 und 9; DÜ Anlage, Section 1 (10) und Section 2 (5).

44) Zur Interessenlage afrikanischer Staaten: Egede, African States and Participation in Deep Sea Mining: Problems and Prospects. IJMCL 2009, 683–712.

45) Resolution 2, Ziff. 1 (e). Die Rückgabeverpflichtungen werden in den jeweiligen mining codes, z. B. in Bestimmung 25 des mi-ning codes für Manganknollen und in Best. 27 des codes für Sul-fide konkretisiert.

46) Art. 144, 148, SRÜ Anlage III, Art. 15 sowie DÜ Anlage, Sec-tion 5.

Page 6: Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

Eine Selbstverständlichkeit sind die Antragsgebühren und die Kosten der Bearbeitung.

Diese insgesamt erfüllbaren Auflagen, Bedingungen und Kosten zeigen den politischen Willen zur Errichtung einer verantwortungsbewussten und nachhaltig wirkenden IMB. Sie spiegeln außerdem die hohen Erwartungen der Dritten Welt auf Teilhabe am Meeresbergbau.

2.4 Der befürwortende Staat

Antragsberechtigt sind staatliche oder private Unterneh-men, die von ihrem Heimatstaat, dem sogen. sponsoring State befürwortet werden müssen. 47 Der befürwortende Staat sorgt nach Art. 139 und 153 Abs. 4 für die Einhal-tung der Eignungsanforderungen sowie der finanziellen und technischen Leistungsf ähigkeit des Unternehmens. Zugleich haftet er für diese Tätigkeit. Explorationsan-träge mit mehr als einem befürwortenden Staat sind zulässig.

Der Internationale Seegerichtshof ISGH hat 2011 in einem Gutachten die Pflichten des befürwortenden Staates präzisiert. 48 Die IMB hatte den ISGH um die-ses Gutachten gebeten, als 2008 erstmalig Unternehmen wie die Firma NAUTILUS zusammen mit Nauru 49 und Tonga 50 einen Antrag auf Exploration einer reserved area stellten und Zuverlässigkeit und Haftung dieser Gruppe von Antragstellern fragwürdig erschienen. Das Gutach-ten des ISGH stellt klar, dass der befürwortende Staat für Sorgfalt (due diligence) bei der Auswahl und Überwa-chung von Firmen aus seinem Land haftet. Der ISGH betont unter den Ziffern 125–150 und 184 die direkten Verpflichtungen der befürwortenden Staaten zur Beach-tung des Vorsorgeansatzes im Sinne des Prinzips Nr. 15 der Rio-Deklaration 51, der bewährten Umweltverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Notfallvorsorge und Schadensersatzpflicht parallel zur Haftung des Unterneh-mens. Der befürwortende Staat ist zur aktiven Überwa-chung verpflichtet und muss seine Gesetzgebung entspre-chend erweitern 52, wobei die Gesetzgebung Deutschlands und Tschechiens anerkennend erwähnt wird (Ziff. 237). Der Staat agiert innerhalb seines Rechtssystems, wobei er jedoch die internationalen Sicherheitsstandards des Seerechts oder der IMB nicht unterschreiten darf. Da-mit wird ausdrücklich (Ziff. 159) einer Entwicklung von „sponsoring states of convenience“, wie man sie in der Schifffahrt als „Billigflaggen“ kennt, ein Riegel vorge-schoben. Neben der unmittelbaren Bergbautätigkeit un-terliegt auch die Entsorgung nicht nutzbarer Abfälle wie die Wiedereinleitung sogenannter tailings dem Tiefsee-bergbauregime. Dagegen sind nach Ziff.  96 Transport und Verarbeitung nicht Teil der Aktivitäten in der Area. Hinsichtlich des Transports auf Schiffen bleibt es bei den Regeln des allgemeinen Seerechts und der IMO bzw. bei den vorhandenen Haftungsregeln.

Der ISGH betont abschließend, dass die Pflichten unter-schiedslos für Entwicklungs- wie für Industrieländer gel-ten. Insgesamt gilt das Gutachten als Meilenstein für Si-cherheit und Umweltschutz im Meeresbergbau.

2.5 Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten

Die Sonderstellung des Tiefseebergbaus im Interesse der Menschheit gilt schließlich bei der gerichtlichen Streitre-gelung. Der ISGH ist für alle Streitigkeiten im Tiefseeberg-bau obligatorisch zuständig, also auch für Streitfälle zum Umweltschutz. Er hat zu diesem Zweck eine „Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten“ eingerichtet. 53 Im Gegen-satz dazu stehen den Staaten für die Mehrzahl der übrigen Streitfälle Wahlmöglichkeiten unter verschiedenen Streit-regelungsverfahren sowie fakultative Ausnahmen zur Ver-fügung, die es ihnen erleichtern einer gerichtlichen Streit-regelung auszuweichen. Der Tiefseebergbau ist damit einer

der wenigen Bereiche, die uneingeschränkt der internatio-nalen Streitregelung unterliegen.

3. Die Internationale Meeresbodenbehörde IMB

Seit 1994 besteht die IMB, in der alle 165 Vertragspartner des SRÜ mitwirken. 54 Man kann die IMB zutreffend als „Mining Ministry of the Area“ bezeichnen. 55 Für Nicht-Ver-tragsstaaten wie die USA gibt es einen Beobachterstatus aber keine Antrags- und Stimmrechte. Die relativ kleine Behörde mit rund 40 ständigen Mitarbeitern und einem Budget von 14,3 Mio $ 56 erteilt die Lizenzen und über-wacht den Meeresbergbau im Gebiet. Entscheidungen und Regelungen des Sekundärrechtes sind Gegenstand der jähr-lichen Sessionen der Versammlung (Assembly) der Vertrags-partner und des 36-köpfigen Rates der IMB (Council), die stets im Juli stattfinden. Die nächste 20. Session ist für den 14. bis 25. Juli 2014 geplant.

Die Arbeit wird von den drei Kommissionen für Wirt-schaftliche Planung, für Finanzen sowie der wichtigen Rechts- und Fachkommission 57 (Legal and Technical Commis-sion LTC) inhaltlich vorbereitet. Die je 15–25 Mitglieder der Kommissionen sind Fachleute aus den Vertragsstaaten. Sie sind gem. Art. 168 ad personam ernannt, weisungsun-abhängig und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Rat als das wichtigste Organ diskutiert und empfiehlt per con-sensus der Versammlung die Annahme neuer Regelun-gen. 58 Mehr als zehn nichtstaatliche Organisationen da-runter Greenpeace, WWF, International Ocean Institute (IOI) und OSPAR 59, die ein Interesse an den Arbeiten der IMB haben und von den Vereinten Nationen anerkannt sind, können gem. Art. 169 den Beobachterstatus über eine Konsultationsvereinbarung erwerben und an den Gremien ohne Stimmrecht teilnehmen.

Einen Überblick über die jährlichen Sessionen, aber auch über die bisher durchgeführten Workshops, tech-nical reports und Studien zu Technik und Umweltschutz finden sich auf der Homepage der IMB sowie in den jähr-

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47) Art. 153 in Verbindung mit SRÜ Anlage III, Art. 4.48) ITLOS Advisory Opinion of 1 February 2011 „Responsibilities

and Obligations of States Sponsoring Persons and Entities with Respect to Activities in the Area“. Text unter www.itlos.org/index.php?id=109; hierzu auch Freestone, ASILinsights Vol.  15, issue  7 of March 9, 2011 und Jessen, Staatenverantwortlichkeit und seerechtliche Haftungsgrundsätze für Umweltschäden durch Tiefseebodenbergbau, Zeitschrift für Umweltrecht & Umwelt-politik ZUR, 2012, 71–81.

49) Antrag (2008) von Nauru Ocean Resources Inc. in: ISBA/14/LTC/ L.2; tatsächlich stehen hinter dem Antrag Firmen aus In-dustrieländern wie Nautilus mit Hauptsitz in Kanada.

50) Antrag (2008) von Tonga Offshore Mining Ltd. in: ISBA/14/LTC/ L.3.

51) Das ITLOS Gutachten verstärkt in Ziffern 125 ff. den Vorsor-geansatz, indem sie ihn für die mining codes und für die allge-meine Sorgfaltspflicht des befürwortenden Staates als „Pflicht“ anerkennt.

52) Zusammenstellung nationaler Vorschriften von Staaten, die im Meeresbergbau aktiv sind in ISBA/19/ C/12 und ISBA/18/ C/8 und Add.1.

53) Art. 186 ff., 285, 287 Abs. 2, 288 Abs. 3 sowie SRÜ Anlage VI (Statut des ISGH).

54) Art. 156 ff. Zu den internen Verfahrensregelungen und den ex-ternen Beziehungen der IMB informiert die Borschüre „Inter-national Seabed Authority – Basic Texts“, Second Edition, 2012, 185 S.

55) Siehe ISBA/19/ C/5, Ziffer 21.56) Doppelhaushalt 2013/14, ISBA/18/ A/7; dt. Anteil: ca. 750 000 $.57) Die Zusammenfassung von Recht und Technik in einer Kom-

mission ist ein bemerkenswerter innovativer Schritt für internati-onale Organisationen und erleichtert die Entscheidungsfindung.

58) Art. 162 Abs. 2 (o) (ii), 161 Abs. 8 (d), 159 Abs. 9.59) OSPAR hat 2010 Beobachterstatus erhalten, ISBA/16/ A/INF.2

und ISBA/16/ A/13.

Page 7: Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

lichen Handbüchern der IMB 60 und den Berichten des General-Sekretärs. 61 Das Central Data Repository der IMB enthält die Datenbank zu allen Aspekten des Tiefsee-bergbaus. 62

Der IMB liegen im Sommer 2013 insgesamt 23 Explo-rationsvorhaben vor. Darunter sind 14 vergebene Verträge (12 für die Erforschung von Manganknollen und 2 für Sulfide) 63, fünf weitere Anträge hat der Rat bereits bestä-tigt aber noch keine Verträge ausgefertigt. Vier Anträge sind noch in der Beratung. In den Jahren 2011/12 kamen allein 11 neue Vorhaben hinzu, darunter erstmals zwei

kommerzielle Anträge, die von den Entwicklungsländern Nauru und Tonga befürwortet wurden. Weitere Anträge sind zu erwarten.

Tabelle 1: Status der Explorationsverträge (und Anträge)

LfdNr. Vertragspartner Kurzform Sponsoring StateDatum Vertrag i. K. Lage/Größe Mn/Sf/Cr

1 Interoceanmetall IOM Bul,Cub,Cze,Pol, Russ Fed, Slo

29. 3. 2001 CCZ Mn

2 Yuzhmorgeologiya Russ. Fed. 29. 3. 2001 CCZ Mn3 Gov’t of Korea KORDI Kor. Rep. 27. 4. 2001 CCZ Mn4 China Ocean Mineral

Resources Research & Development Ass.COMRA China 22. 5. 2001 CCZ Mn

5 Deep Oceans Resources Development Co. Ltd.

DORD Japan 20. 6. 2001 CCZ Mn

6 Institut francais de recherche pour l’exploitation de la mer

IFREMER France 20. 6. 2001 CCZ Mn

7 Gov’t of India India 25. 3. 2002 CentralInd. O

Mn

8 Bundesanstalt für Geowiss. u. Rohstoffe BGR Germany 19. 6. 2006 CCZ76 000 km2

Mn

9 Nauru Offshore Resources Inc. NORI Nauru 22. 7. 2011 CCZ75 000 km2

Mn

10 Tonga Offshore Mining Ltd. (100 % Nautilus)

TOML Tonga 11. 1. 2012 CCZ75 000 km2

Mn

11 China Ocean Mineral Resources Research & Development Ass.

COMRA China 18. 11. 2011 SW Ind. O10 000 km2

Sf

12 Yuzhmorgeologiya Russ. Fed. 29. 10. 2012 Mid. Atl. O10 000 km2

Sf

13 Gov’t of the Rep. of Korea KORDI Kor. Rep, 26. 7. 2012appr. C.

Centr. Ind. O.10 000 km2

Sf

14 Institut francais de recherché pour l’exploitation de la mer

IFREMER France 27. 7. 2012appr. C.

Mid Atlantic Ridge10 000 km2

Sf

15 UK Seabed Resources Ltd. (LMC Tochter) United Kingdom 8. 3. 2012 CCZ58 000 km2

Mn

16 Marawa Research & Exploration Ltd. MARAWA Kiribati 26. 7. 2012appr. C.

CCZ74 990 km2

Mn

17 G-TEC Sea Mineral Resources NV GSR Belgium 14. 1. 2013 CCZ148 665 km2

Mn

18 China Ocean MineralResources Research & Development Ass.

COMRA China appr. C19. 7. 2013

West Pazifik3000 km2

Cr

19 Japan Oil, Gas and Metals Nat’l Corp. JOGMEC Japan appr. C.19. 7. 2013

West Pazifik3000 km2

Cr

20 Ministry of Natural Resources, Russ. Fed. Russia appl.6. 3. 2013

West Pazifik3000 km2

Cr

21 UK Seabed Resources Ltd. (LMC Tochter) United Kingdom appl.8. 3. 2013

CCZ149 815 km2

Mn

22 India + Enterprise? India appl.26. 3. 2013

Indian Ocean10 000 km2

Sf

23 Ocean Minerals Singapore(Keppel Corporation)

OMS Singapore appl.19. 4. 2013

betr. Reserved area von #21

Mn

„appr. C.“ bedeutet „approved by Council“, d. h. förmliche Vertragsvergabe durch den Generalsekretär steht (noch) aus; appl. = application , d. h. noch keine Beratung

NuR (2013) 35: 841–854 847Jenisch, Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

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60) International Seabed Authority – Handbook 2013, 98 S. 61) Report of the Secretary-General vom Juli 2013, ISBA/19/ A/2.62) Einschließlich nationaler Gesetzgebungen der am Tiefseeberg-

bau interessierten Staaten.63) Status of contracts: www.isa.org.jm/en/scientific/exploration/

contractors; s. a. ISBA/19/ C/8.

Page 8: Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

4. Das Sekundärrecht der IMB für Umweltschutz, Prospektion, Erforschung und Abbau

4.1 Zuständigkeiten, Verfahren und Gemeinsamkeiten der mining codes

Neben der zentralen Aufgabe der Bestätigung von Ar-beitsplänen der Antragsteller und deren laufender Über-wachung ist die Behörde nach den Artikeln 145, 156 ff. und 209 sowie nach Section 1 der Anlage zum DÜ dazu ver-pflichtet, Regeln, Vorschriften und Verfahren zum Schutz der Meeresumwelt und der Küste, des ökologischen Gleich-gewichts sowie aller natürlichen Ressourcen einschließ-lich Fauna und Flora zu erlassen. Die Regelungsbefugnis erstreckt sich auf alle typischen Tätigkeiten 64 wie Bohr-, Dredge- und Baggerarbeiten, Errichtung, Betrieb und Un-terhaltung von Anlagen, Abfallbeseitigung einschl. der Be-seitigung von Anlagen. Der Generalsekretär hat den Um-fang dieser Rechtsetzungs- und Verwaltungspraxis, wie sie sich herausgebildet hat, präzisiert. 65 Dazu zählen die Ent-wicklung des Regelungswerkes für alle Tätigkeiten „as they progress“ als evolutionärer Prozess, die Überwachung internationaler Entwicklungen zum Meeresbergbau, die Sammlung und Auswertung der Explorationsdaten in ei-ner Datenbank sowie die Förderung der Meeresforschung in der Area durch Workshops zu den Umweltbelastungen.

Das Verfahren und die spätere Kontrolle richten sich nach den Artikel 160, 162 und 165, wobei die inhaltliche Arbeit sich bei der Legal and Technical Commission LTC kon-zentriert. Sämtliche Bergbauaktivitäten erfolgen traditi-onell in drei Stufen mit unterschiedlichen Verfahren und Regelungsdichten: Prospektion (Vorerkundung), Erfor-schung (exploration) sowie Abbau/Gewinnung (exploitation) als 3. Stufe.

Anders als im deutschen Bergrecht, wo es im sogen. Be-triebsplanverfahren staatliche Erlaubnisse und Bewilligun-gen der Bergbehörde gibt, müssen Exploration und Abbau mit Arbeitsplänen (plans of work) beantragt werden. Der Rat bestätigt die Arbeitspläne und der Generalsekretär fertigt den Vertrag aus. 66 Obwohl der Begriff „Lizenz“ (licence) in diesem Zusammenhang gebräuchlich ist, erfolgt die Be-rechtigung in Form eines Vertrages zwischen dem Unter-nehmen und der IMB.

Zur weiteren Ausgestaltung hat die IMB nach langen Vorarbeiten 67 für die drei Erztypen Manganknollen, Mas-sivsulfide und Erzkrusten separate Regelungen erlassen, die als mining codes 68 bezeichnet werden. Sie sollen zukünftig in einem einzigen mining code konsolidiert werden. Die drei codes regeln das Antragsverfahren nur für die Prospek-tion und die Erforschung/Exploration. Ein erster code für den nach 2016 zu erwartenden Abbau von Manganknol-len ist in Vorbereitung (s. u. Ziff. 4.5). Die bisherigen codes folgen demselben inhaltlichen Aufbau, beginnend mit der Prospektion.

Prospektion ist die großflächige Aufsuchung von Roh-stoffen nach Zusammensetzung, Größe, Verteilung und wirtschaftlichem Wert ohne Rechtsanspruch auf spätere Nutzung. Auch Tätigkeiten der wissenschaftlichen Mee-resforschung dürften als Beitrag zur Prospektion gelten. Prospektion ist nur anzeigepflichtig. Hierzu enthalten die codes als Anlage ein Formblatt zu den erforderlichen An-gaben 69 einschließlich schriftlicher Verpflichtungen, die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren sowie die Art.  143 (wiss. Meeresforschung) und 144 (Technologie-transfer zu kommerziellen Bedingungen) einzuhalten. Die IMB hat das Recht zu Notfallanordnungen, falls die Pros-pektion zu ernsten Umweltschäden führt.

Dagegen bedeutet Erforschung (exploration) die Aufsu-chung und Analyse von Rohstoffen mit einem auf 15 Jahre befristeten exklusiven Vertrag mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung um 5 Jahre 70, der auch zum Testen von Technik und Ausrüstung für Gewinnung und Trans-

port berechtigt. Diese Rechtsposition gewährt zugleich ein Vorrecht auf späteren Abbau gegenüber allen Konkurren-ten. Für das Recht auf Erforschung ist ein formalisiertes Antragsverfahren zu durchlaufen, bevor der gesicherte An-spruch als Vertrag zwischen IMB und Antragsteller fixiert wird. Da es hierfür einen Standardvertrag gibt, ist gewähr-leistet, dass die Explorationsverträge aller Antragsteller in-haltlich gleich sind und kein Raum für bilaterale Sonder-regelungen besteht.

Die Gewinnung (exploitation) im industriellen Maßstab umfasst den Bau und Betrieb des Fördersystems, den Trans-port und die Verhüttung der Rohstoffe.

Hinsichtlich der Umweltschutzanforderungen gibt es Unterschiede in den codes, da die Ökosysteme der Lager-stätten, Flächenbedarf, Abbautechnik und Risiken variie-ren. Manganknollenfelder sind relativ großflächig und der Abbau bringt die Gefahr von Sedimentwolken. Krusten sind weitgehend sedimentfrei und bilden kleinere Erzvor-kommen, die mechanisch gelöst werden müssen. Sulfide kommen in sehr kleine Flächen vor, müssen aber durch Bohrungen exploriert werden. Die Umweltschutzpflichten richten sich an die IMB, an den befürwortenden Staat und an den Vertragsnehmer. Im Übrigen gibt es bemerkens-werte Pflichten in den Bestimmungen (regulations) der drei codes, die teils im SRÜ noch nicht enthalten waren. Die nachfolgend genannten Bestimmungen beziehen sich auf den (modellhaften) code für Manganknollen von 2000, der in deutscher Übersetzung vorliegt 71:

Die zentrale Philosophie wird deutlich an der begriff-lichen Unterscheidung von „erheblichen Schäden“ ( serious harm to the environment), die in Best.  1 erst-mals definiert werden, und andererseits „schädlichen Auswirkungen“ (harmful effects) gem. Best. 31 Abs. 3. Erstere sind unbedingt zu vermeiden und berechti-gen u. a. zu Notfallanordnungen. Letztere unterliegen dem Vorsorgeansatz und verpflichten zur Verhütung, Verringerung, und Bekämpfung, soweit angemesse-ner Weise möglich unter Einsatz der besten zur Ver-fügung stehenden Technologie. Hier wird also ein un-vermeidlicher Eingriff hingenommen, den es in ggf. zu definierender Weise zu minimieren gilt. 72

Der Vorsorgeansatz gilt nach Best. 31 Abs.  2 aus-drücklich für die IMB und die befürwortenden Staa-ten. Die LTC soll zur Umsetzung Empfehlungen er-arbeiten. Damit sind die mining codes zusammen mit dem OSPAR Übereinkommen (dort Art.  2 Abs.  2) wichtige seerechtliche Instrumente, die den Vorsor-geansatz in verbindliches Recht übernommen haben. Er besagt, dass selbst dann Verhütungsmaßnahmen zu treffen sind, wenn keine ausreichende wissenschaftli-che Sicherheit über mögliche Schäden besteht. 73 Die

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64) Art. 145 (a) und SRÜ Anlage III, Art. 17 Abs. 2 f; s. a. Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, S. 411.

65) ISBA/18/ A/2.66) Art. 153 Abs. 3, 162 Abs. 2 lit. j) und SRÜ Anlage III.67) Zur Entstehungsgeschichte: Koch, Deep Seabed Mining and the

Protection of the Marine Environment, in: Götz et  al. (Hrsg.) Liber amicorum Günther Jaenicke – Zum 85. Geburtstag, Berlin 1998, S. 495 ff.

68) www.isa.org.jm/en/mcode69) Rechtsgrundlage ist SRÜ Anlage III Art. 2.70) Best. 26 mining code Manganknollen. Eine Verlängerung er-

fordert wichtige Gründe, die außerhalb des Einflussbereichs des Vertragsnehmers liegen.

71) VO über Bestimmungen für die Prospektion und Erforschung polymetallischer Knollen im Gebiet, BGBl. 2003 II, 1674 (dt. u. engl. Text).

72) Hierzu Joachim Koch, Fn. 67, S. 508.73) Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht, Berlin 2004,

S. 81; Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts. München 2006, S. 372 mit weiteren Nachweisen.

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Beweislast wird also umgekehrt. Der Verursacher hat nachzuweisen, dass die Tätigkeit unschädlich ist.

Best. 18 und 31 Abs. 4 verpflichten den Vertragsneh-mer zu einer Umwelt-Referenzstudie (environmental baseline study), an der die möglichen Auswirkungen der Explorationstätigkeit gemessen werden kann so-wie zu einem das gesamte Vorhaben begleitenden Mo-nitoring-Programm.

Jährliche standardisierte 74 Berichte des Vertragsneh-mers an die IMB mit Ergebnissen des Monitoring-Programms sind Gegenstand von Best. 31 Abs. 5.

Vertragsnehmer, befürwortende Staaten und interes-sierte Staaten sind zur Zusammenarbeit beim projekt-begleitenden Monitoring und bei der Auswertung von Auswirkungen gem. Best. 31 Abs. 6 verpflichtet.

Der Vertragsnehmer muss nach Best. 31 Abs. 7, falls vom Rat gefordert oder spätestens sobald er Abbau-rechte beantragt, Beeinflussungs-Referenzzonen (im-pact reference zones) mit vergleichbaren Umweltcharak-teristika vorschlagen, an denen das Vorhaben gemessen wird, und in denen kein Bergbau stattfindet.

Es gibt Notfallplanungen in Best. 32 und die Möglich-keit zur Sperrung von Feldern bei schweren Schäden durch Ratsbeschluss, notfalls über eine Eilzuständig-keit des Generalsekretärs der IMB. 75 Tests von Kol-lektorsystemen erfordern eine vorherige finanzielle Si-cherheitsleistung.

Gem. Best. 38 kann die LTC Empfehlungen für Leit-linien für Antragsteller (recommendations for the guidance of contractors) zur Definition technischer und adminis-trativer Antragserfordernisse erlassen. Solche „Emp-fehlungen“, die durchaus verbindlich sind, gibt es bis-her nur für den mining code für Manganknollen (s. u. Ziff. 4.2). Bei der Erarbeitung der mining codes für Sulphide und für Krusten ergab sich 2012 die Not-wendigkeit, diese Empfehlungen speziell wegen des Umweltschutzes in einer konsolidierten Fassung für alle drei Erztypen zusammen zu fassen. Hierzu existie-ren jedoch nur Entwürfe 76, deren Inhalt unter Ziff. 4.2 skizziert ist.

Schließlich ist die einmalige Antragsgebühr gemäß Best. 19 zu nennen, die zunächst 250 000 $ betrug. Die 18. Session (2012) beschloss eine Erhöhung auf 500 000 $ 77. Die19. Session führte zusätzlich eine neue Gebühr von 47 000 $ für die Bearbeitung der Jahres-berichte 78 ein. Dies läuft wegen der jährlichen Fällig-keit auf mehr als eine Verdoppelung der Kosten hinaus und verbessert andererseits die finanzielle Situation der IMB bei stark steigender Arbeitsbelastung.

Die drei mining codes enthalten zusätzlich je vier Anla-gen mit Handlungsanleitungen:

Anlage 1 ist das Formblatt für die Anzeige (notification) der Prospektion.

Anlage 2 schreibt detailliert den Inhalt für Arbeits-plananträge zur Exploration vor. Dazu zählen neben der technischen und finanziellen Projektdarstellung u. a. das Programm der baseline study, eine vor-läufige Beurteilung möglicher Umweltauswirkun-gen, Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung, Reduktion und Kontrolle der Ver-schmutzung und anderer Risiken. Anlage 3 enthält formale Grundsätze und das Muster für den Explo-rationsvertrag.

Anlage 4 bietet Standardklauseln für Explorationsver-träge, darunter Pflichtaufgaben für Umwelt-Moni to-ring, Notfallpläne, Trainingsprogramme 79, Berichts-pflichten sowie Regeln für Inspektionen, Arbeitsschutz und Sanktionsrechte bei Verstößen, die bis zum Entzug der Vertragsrechte gehen können. 80 Besonders wichtig sind der Datenschutz und die Haftungsklausel, die so-wohl die Vertragsnehmer als auch die IMB zum Scha-densersatz bei Fehlverhalten verpflichten.

Nachdem gemeinsame Kernelemente der codes beschrie-ben sind, ist nun ein vertiefender Blick auf die einzelnen codes erforderlich.

4.2 mining code für Prospektion und Erforschung von Manganknollen

Der erste code für Manganknollen aus dem Jahre 2000 sind die „regulations on prospecting and exploration of polymetallic no-dules“ 81 (RPEN) im Umfang von 40 Bestimmungen. U. a. wurden die Begriffe „prospecting“ und „serious harm to the environment“ in Best.1 erstmalig definiert. Die Pflicht zur Vorlage einer reserved area findet sich in den Best. 15–17. Auf diesem code beruhen ab 2001 die älteren Explorations-verträge auf Manganknollen von jeweils 15 Jahren Dauer für Felder von max. 150 000 km2 Größe. Auch der neue britische Antrag von 2013 82 fällt in diese Größenordnung, während sich die jüngsten Anträge aus Entwicklungslän-dern wie Kiribati und Singapur 83 auf Flächen von höchs-tens 75 000 km2 aus dem Bestand der reserved areas erstre-cken. Der Unterschied in der Flächengröße wirkt sich bei der Pflicht zum relinquishment aus. Vertragspartner mit bis zu 150 000 km2 müssen gem. Best. 25 während der Ver-tragslaufzeit 75 000 km2 stufenweise bis zum 8. Jahr zurück-geben. Falls nur 75 000 km2 beantragt wurden, ist keine Rückgabe erforderlich.

Die 19. Session (2013) hat die Neufassung dieses codes verabschiedet, die eine Anpassung an den code für Sul-fide von 2010 bringt und die Umweltschutzregeln ver-schärft. Der neue Text 84 enthält 42 Bestimmungen. Wich-tige Neuerungen sind die Betonung des Vorsorgeansatzes (Best. 2 und 5), die Verpflichtung zum Einsatz der bes-ten Umweltpraxis (Best. 5 und 31) und die Aufnahme des Themas „Biodiversiät“ in alle Umweltschutzmaßnahmen (Best. 18 und 21). Die Antragsgebühr steigt auf 500 000 $ und kann bei Bedarf weiter steigen (Best. 19). 85 Das Ein-griffsrecht der IMB bei Gefährdung empfindlicher Öko-systeme wird auf Fälle drohender (!) Gefährdungen ausge-dehnt (Best. 31–34). Nach fünf Jahren ist eine Revision des codes vorgesehen, wobei die IMB und die Vertragsnehmer jederzeit Beratungen über eine Reform des codes verlangen können (Best. 42).

Als Hilfe für die Antragsteller gibt es die oben genann-ten „Empfehlungen“ (recommendations for the guidance of contractors for the assessment of possible environmental impacts) in 2.  Auflage. 86 In diesem Dokument sind die Bestand-teile der baseline Studie, der UVP und des Monitoring als Checkliste und mit Kommentierungen zusammen ge-fasst. Die erforderlichen Angaben für die baseline Studie sind in Abschnitt III aufgeführt. In Abschnitt IV gibt es einen Katalog von UVP-freien Tätigkeiten gefolgt von ei-ner Liste von drei UVP-pflichtigen Tätigkeiten, nämlich Probenahme von Manganknollen auf einer Fläche größer als 10 000 m2, Einsatz von Geräten zur Auslösung künst-licher Sediment-Wolken sowie Tests von Kollektoren am

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74) Standardvorgaben für jährliche Berichte gem. ISBA/8/LTC/2.75) Vgl. a. Art. 162 Abs. 2 (w) und 165 Abs. 2 (k) (l).76) ISBA/19/LTC/CRP.8 Rev.1 und ISBA/18/LTC/CRP.2.77) ISBA/18/ C/29.78) ISBA/19/ A/12.79) Vgl. hierzu vorläufige Empfehlungen für die Ausweisung von

Trainingsprogrammen, ISBA/19/LTC/14. Die deutsche BGR beteiligt sich kontinuierlich an Trainingsaufgaben, ISBA/19/LTC/13.

80) Anlage III, Art. 18 sowie Annex 4 des mining codes, section 20.81) ISBA/6/ A/18. Text nebst Anlagen: www.isa.org.jm/en/mcode82) UK Seabed Resources Ltd, ISBA/19/LTC/9. 83) ISBA/19/LTC/11.84) ISBA/19/ C/17 und ISBA/19/ A/9.85) Einzelheiten in ISBA/19/ C/7.86) ISBA/16/LTC/7.

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Meeresboden. In ähnlicher Weise ist die Pflicht zum Mo-nitoring während und nach der Tätigkeit definiert. Diese Empfehlungen sind offen für Änderungen. Aus der Pra-xis der Wissenschaft und der Prospektion kommt der ver-ständliche Wunsch nach einem möglichst verlässlichen und einheitlichen Format der Vorgaben für Umweltun-tersuchungen und Probennahmen 87 wie auch ganz beson-ders für einen Pilot Mining Test.

Zu den Empfehlungen für Antragsteller sind weitere Prä-zisierungen absehbar, denn es gibt bereits einen Entwurf von neuen Leitlinien für Antragsteller 88, mit dem sich frü-hestens die 20. Session (2014) beschäftigen wird. Neu ist, dass sich diese Empfehlungen auf Exploration für alle drei Erztypen (Ziff. 5 und 11) erstrecken sollen. Die Empfeh-lungen verfeinern die Verfahren zur Erhebung der baseline Daten und der Monitoringpflichten während und nach den Explorationstätigkeiten (Ziff. 9), einschließlich deren Fris-ten. Im Einzelnen:

Die baseline Studien erstrecken sich auf sieben Ka-tegorien wie Ozeanographie, Geologie, Geochemie, biologische Gemeinschaften, Sedimenteigenschaften, Bioturbation und Sedimentation mit ca. 84 Einzelpa-rametern (Ziff. 15, 26).

Die UVP-Bedürftigkeit ergibt sich aus Ziff.  17–33 mit einem Katalog UVP-freier Tätigkeiten, die kei-nen oder nur minimalen Eingriff bedeuten. Für base-line Studien bleibt die Probenahme kleiner Mengen UVP-frei. Andererseits wird die UVP-Pflicht auf 6 Fälle ausgeweitet:a) Probenahme auf einer Fläche größer als 10 000 m2,b) Einsatz von Geräten zur Erzeugung künstlicher

Störungen,c) Test von Kollektoren und Ausrüstungen,d) Bohrungen von Schiffen aus,e) Probenahme von Gesteinen,f ) Probenahme mit geschleppten Geräten auf einer

Fläche größer als 10 000 m2. Die Ergebnisse einer UVP sind ein Jahr vor der Explo-

ration vorzulegen.Der Entwurf der Empfehlungen äußert sich auch zu Not-

wendigkeit und Charakter von Referenzzonen (Ziff.  21, 26 d), aber vorerst ohne konkrete Anforderungen. Für Mi-ning Tests (Ziff. 21–25) wird Wert gelegt auf das Monito-ring vor, während und nach der Tätigkeit; Mining Tests sollen alle Komponenten der Produktionskette umfassen, aber die Metallurgie für die Verhüttung wird nicht er-wähnt. Für die Exploration von Sulfiden und Krusten gibt es erweiterte Informationspflichten hinsichtlich Flüssigkei-ten, Temperaturen, örtliche Lebensgemeinschaften usw. (Ziff. 32 f ). Damit ist der Trend zur Vertiefung der Um-weltvorschriften vorgezeichnet.

4.3 Mining Code für Prospektion und Erforschung von Sulfiden

Der mining code für polymetallische Sulfide in Gestalt der „regulations on prospecting and exploration for polymetallic sulphi-des“ (RPEPS) von 2010 erfasst die bisher bekannten 89 über 400 Hydrothermalquellen mit Massivsulfiden, darunter ca. 165 angeblich abbauwürdige Vorkommen. Sie liegen überwiegend an den zentral-ozeanischen Rücken in Tiefen zwischen 1000 m und 4000 m im internationalen Gebiet und unterstehen der IMB. Ein zahlenmäßig nicht genau bekannter Anteil von Sulfid-Lagerstätten fällt unter natio-nale Jurisdiktion. Mit der Entdeckung neuer Quellen ist in allen Seegebieten zu rechnen.

Der RPEPS code besteht aus 44 Bestimmungen und 4 Annexen. 90 Die deutsche Umsetzung liegt vor. 91 Hier geht es um besonders kleinräumige Lagerstätten im unmittelba-ren Umfeld der hydrothermalen Quellen (black smoker), von denen etwa die Hälfte noch aktiv ist. Die letzten umstrit-tenen Fragen betrafen eine Anti-Monopol-Klausel gegen Mehrfachanträge verbundener Firmen (Best. 23 Abs.  7)

und eine Regelung überlappender Anträge. Die Lösung beider Konfliktpunkte bietet außerhalb des codes eine Pro-tokollerklärung als Anlage eines Beschlusses. 92

Der code beginnt mit den üblichen Bestimmungen zur Prospektion, die in Best. 2 und 5 dem Vorsorgeansatz und bewährten Umweltverfahren unterworfen wird, ge-folgt von Bestimmungen zur Exploration. Nach Best. 12 darf ein Explorationsfeld max. ein rechtwinkliges (Such)-Gebiet (constraint area) von 300 000 km2 umfassen, dessen längste Seite  1000 km beträgt. Innerhalb dieser Gesamt-fläche dürfen max. 100 Bereiche (blocks) von max. 10 mal 10 km Fläche, die in mindestens 5 verschiedenen Clustern zusammenzufassen sind, beantragt werden. Die eigentli-che Explorationsfläche beträgt damit nach Best. 27 max. 10 000 km2 (= 100 Blöcke). Die Rückgabeklausel (relinquish-ment) in Best. 27 zwingt die Vertragsnehmer dazu, Teile des Explorationsgebietes innerhalb bestimmter Fristen an die IMB zurück zu geben, bis auf eine Restfläche von 2500 km2, in der sich dann vermutlich die besten Abbau-chancen ergeben. Auch hier verengt sich die Nutzungsflä-che also erheblich.

Nach Best. 21 beträgt die Antragsgebühr 500 000 $ als Festbetrag, alternativ ein Festbetrag von 50 000 $ plus einer flächenabhängigen Jahresgebühr. Antragsteller haben nach Best. 16 ein Wahlrecht, ob sie ein reserviertes Feld für das Enterprise bzw. für Entwicklungsländer beisteuern, oder ob sie eine Kapitalbeteiligung für ein Joint Venture mit dem Enterprise gem. Best. 19 anbieten.

Gemäß Best. 33 Abs. 4 kann die LTC Verfahren entwi-ckeln, falls Explorationstätigkeiten erhebliche schädliche Auswirkungen auf Ökosysteme wie insbesondere aktive hydrothermale Quellen hätten. Dies könnte der Einstieg in ein Verbot oder eine Nutzungsbeschränkung an akti-ven hydrothermalen Quellen sein, wie es in der Fachlite-ratur gefordert wird. 93 Wegen der Temperaturen von bis zu 300° C ist das unmittelbare Umfeld aktiver Quellen für einen Geräteeinsatz sowieso kaum geeignet. In Best. 33 Abs. 6 findet sich die Option für Beeinflussungs- und Er-haltungs-Referenzzonen, „falls vom Rat gefordert“. Leit-linien für Antragsteller zur Formulierung des Arbeitsplans werden sich voraussichtlich nach den unter Ziff. 4.2 ge-nannten konsolidierten Empfehlungen richten. 94 Diese werden insbesondere die spezifischen Eigenschaften der Sulfide als sehr kleinräumige Lagerstätten berücksichti-gen müssen.

Nachdem die 17. Session (2011) Explorationsanträge für Massivsulfide von Russland und China annahm, folgte die 18. mit der Annahme der Anträge von Korea und Frank-reich. Ein fünfter Antrag von Indien 95 beschäftigte die 19. Session (2013), ohne entschieden zu werden. Deutsch-

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87) Clark, Environmental Data Collection in Mining Studies: The Essential Need for Standardisation. Paper presented at Underwa-ter Mining Institute Conference 2012, 12 S.

88) Text: ISBA/19/LTC/8 enthält u.a als Annex einen explanatory commentary und glossary of technical terms.

89) Zusätzlich werden von Sedimenten überdeckte „buried deposits“ in unbekannter Lage und Qualität vermutet.

90) ISBA 16/ A/12 Rev. 1.91) VO über Bestimmungen für die Prospektion und Erforschung

polymetallischer Sulfide im Gebiet, BGBl. 2011 II, 2011, S. 762–808 (dt. u. engl. Text).

92) ISBA 16/ C/12. Der Annex zu diesem Dokument regelt das Ab-stimmungsverfahren bei Überlappungen. Die LTC ist weiterhin in der Pflicht, eine Antimonopolregelung zu formulieren.

93) Van Dover, Comment – tighten regulations on deep-sea mining. Nature, Vol. 470, 3 February 2011, S. 31–33. Vgl. a. Imhoff/Hüg-ler, Life at Deep Sea Hydrothermal Vents – Oases Under Wa-ter. IJMCL 2009, 201–208 und Friedland, Der Schutz der bio-logischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht Nr. 41, 2007, 273 S.

94) ISBA19/LTC/8. 95) ISBA/19/LTC/10.

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land (BGR) bereitet derzeit ebenfalls einen Explorations-antrag auf Massivsulfide im südlichen Indischen Ozean vor. 96 Zur Vorbereitung wurde 2011 ein deutsches Pros-pektionsvorhaben für Sulfide bei der IMB eingereicht und am 4. 10. 2011 bestätigt.

4.4 Mining Code für Prospektion und Erforschung von Krusten

Zur Nutzung der kobaltreichen polymetallischen Krusten, die an der Oberfläche von Kuppen und Abhängen vulkani-scher seamounts in Wassertiefen zwischen 800 und 1500 m Tiefe vorkommen, hat die 18. Session den mining code für kobaltreiche Krusten „regulations on prospecting and explora-tion for cobalt-rich ferromanganese crusts“ (RPEC) angenom-men. 97 Auch diesen code mit 44 Bestimmungen und vier Annexen hat die LTC entwickelt, 98 zusammen mit einem informativen Begleittext. 99 Damit werden die kleinräumi-gen Vorkommen rohstoffreicher Krusten geregelt, die in Schichten von bis zu 26 cm Dicke fest mit dem Substratge-stein des Untergrundes verbunden sind. Die mechanische Abtrennung ist ein noch ungelöstes technisches und Um-weltproblem. Außerdem erfordern die seamounts als „Oa-sen der Tiefsee“ besonderen Schutz ihrer ortsspezifischen Lebewesen, zumal sie häufig – besonders durch Fischer aus der EU – rücksichtslos durch Boden-Schleppnetze über-fischt werden. Die zerstörerische Bodenfischerei außerhalb der Grenzen nationaler Zuständigkeiten ist ein Dauerthema in den UN Gremien. 100 Die Forderung nach Umweltunter-suchungen bevor Bodenschleppnetze eingesetzt werden, 101 wurde bisher nicht erfüllt.

Nach Best.12 dürfen Antragsteller Blöcke (blocks) von max. 20 km2 in Clustern zu max. 5 Blöcken, insgesamt aber nicht mehr als 150 Blöcke, beantragen. Das (Such)-Gebiet (cons-traint area), in dem diese Cluster verstreut sind, darf die Größe von 550 mal 550 km nicht überschreiten. Außerdem kön-nen Antragsteller wählen, ob sie eine reserved area gleicher Größe und gleichen wirtschaftlichen Wertes zugunsten des Enterprise oder eines Entwicklungslandes zur Verfügung stellen oder, ob sie nach Best. 19 ein Joint Venture mit dem Enterprise anbieten. Die Rückgabeklausel in Best. 27 (relin-quishment) sieht die Rückgabe von 2/3 der Fläche bis zum 10.  Vertragsjahr vor. Die Umweltschutzanforderungen an den Arbeitsplan finden sich in den Bestimmungen 33 ff. mit Bezugnahme auf den Vorsorgeansatz und best practices. Für die Ausführungsbestimmungen in Form von recommendations for the guidance of contractors, gilt dasselbe wie für Sulfide.

Nach Verabschiedung dieses codes im Juli 2012 haben die Konsortien COMRA (China) und JOGMEC ( Japan) und das Rohstoffministerium von Russland die ersten Explo-rationsanträge auf Krusten im Westpazifik gestellt. 102. Der chinesische und der japanische Antrag enthalten erstma-lig ein Joint-Venture Angebot. Die 19. Session hat diese beiden Arbeitspläne angenommen. 103 Die Ausfertigung der Verträge folgt kurzfristig. Der russische Antrag ist vertagt.

4.5 Mining code für den Abbau von Manganknollen

Ein mining code für den Abbau (exploitation code) für Man-ganknollen ist bei der IMB 104 in Vorbereitung. Da die ältes-ten Explorationsverträge vorbehaltlich einer Verlängerung ab 2016 auslaufen, müssen sich die ersten Bergbaukonsor-tien auf die Abbauphase einstellen. Für die Planung des kommerziellen Abbaus ist Rechtssicherheit so früh wie möglich erforderlich. Im Jahre 2011 beschloss daher der Rat auf Anregung von Fidschi 105 die Erarbeitung eines ex-ploitation code. Daraufhin legte der Generalsekretär einen Arbeits- und Zeitplan mit ersten Anforderungen vor: 106

Der Einstieg in die Abbauphase erfolgt über einen Mi-ning Test, dessen Maßstab mit 20–50 % eines kom-merziellen Vorhabens angegeben wird. Vom Test sind weitere Erkenntnisse für Sicherheit und Umweltschutz zu erwarten.

Maßgeblich für Abgaben und Gebühren sind rein kommerzielle Bedingungen.

Es sollte keine Diskriminierung zwischen Land- und Meeresbergbau geben.

Der code muss ein umfangreiches Umwelt-Monito-ring Programm und UVP Prüfungen für die gesamte Projektdauer vorschreiben, und zwar progressiv in Abhängigkeit der Ergebnisse von Testphasen und der einzusetzenden Fördertechnologie.

Antragsteller müssen Informationen liefern u. a. zu Kollektortechnik, Eindringtiefe ins Sediment, Ge-räte am Meeresboden, Reinigung und Zerkleinerung von Knollen vor Ort, Methoden des Transports an die Oberfläche, Reinigung der Knollen von Abrieb und Sediment, Umfang und Tiefe der Wiedereinleitung von Stoffen, Ort und Dauer des Tests, Auswirkungen auf die Umgebung. 107

Die 19. Session (2013) beschäftigte sich – ohne konkrete Ergebnisse – mit einem weiterführenden Dokument 108, das auf eine kürzlich publizierte externe Studie zurückgeht 109 und zusätzliche Eckpunkte für den Abbau code anbietet. Es schlägt ein abgestuftes Verfahren (staged or phased licencing system) vor, das zunächst eine vorläufige 3-jährige Berg-baulizenz auf der Basis einer Durchführbarkeitsstudie und einer Pilotphase (pilot mining operation) vorsieht. Bei erfolg-reicher zuverlässiger Durchführung soll eine reguläre Ab-baulizenz (tenured mining licence) folgen. Das Papier fordert deutlich, dass ein Interessenausgleich zwischen den wirt-schaftlichen Anreizen für Investoren und dem erforderli-chen Schutz der Umwelt, der Betriebssicherheit und dem Nutzen für die gesamte Menschheit zu finden ist.

Damit spricht das Dokument erstmalig das zukünftige Fiskalregime der Abgaben und Steuern an. Die finanziel-len Bestimmungen, insbes. die Höhe der Zahlungen an die Behörde (Förderabgaben), sind im SRÜ und im DÜ offen geblieben. Zuständig ist die IMB, die auf Empfehlungen des Finanzausschusses gem. Art. 160 Abs. 2 o (i) auch Fi-nanzregeln in der Versammlung annimmt. Das DÜ fordert in seiner Anlage in Section 8 in allgemeinen Worten ein faires, einfaches, überprüfbares Systems von Zahlungen, 110 die sich am Landbergbau orientieren sollen. Zugleich sol-len sie aber die besonderen Rahmenbedingungen des Tief-seebergbaus berücksichtigen. Geprüft werden soll ein Sys-tem von Förderabgaben oder ein kombiniertes System von Förderabgaben und Gewinnbeteiligung. Zusätzlich wird eine feste Jahresgebühr ab Produktionsbeginn fällig, de-ren Höhe zu bestimmen ist. Für die Bergbaufirmen werden

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96) Handelsblatt vom 25. 5. 2013.97) Text: ISBA/18/ C/ L.3; ISBA/18/ C/23 vom 26. 7. 2012 (Be-

schluss über vorläufige Anwendbarkeit).98) ISBA/18/ C/WP.1. 99) ISBA/16/ C/5.100) Report of the Secretary General (UN) on sustainable fisheries,

UNGA Res. A/67/315.101) UNGA Res. 61/105.102) ISBA/19/LTC/4 ( Japan); ISBA/19/LTC/5 (China); ISBA/19/

LTC/12 (Russland).103) ISBA/19/ C/15 ( Japan); ISBA/19/ C/13 (China).104) Rechtsgrundlagen: Art. 153, 162 (2) (o) (ii) in Verbindung mit

DÜ Anlage, section 1, Ziff. 15.105) ISBA/17/ C/22.106) ISBA/18/ C/4.107) Mit diesen Aspekten berücksichtigt dieses Dokument Forde-

rungen, die auch die Bundesregierung in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage 2012 herausgestellt hatte; siehe BT Drs. 17/8753 vom 28. 2. 2012.

108) ISBA/19/ C/5 „Towards the development of a regulatory frame-work for polymetallic nodule exploitation in the Area“.

109) ISA Technical Study no. 11.110) Die ursprünglichen finanziellen Bestimmungen in SRÜ An-

lage  III, Art.  13 (3) – (10), die u. a. eine Jahresabgabe von 1 Mio. $ vorsahen, finden keine Anwendung.

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diese finanziellen Regelungen neben den Umweltschutz-auflagen entscheidend sein.

Das Dokument regt weitere Studien 111 und Beratungen mit allen Beteiligten an, um den im Vergleich zur Explo-ration sehr viel anspruchsvolleren exploitation code vorzu-bereiten. Es schließt mit der Anregung, die Struktur und die Anforderungen an das „pilot mining“, d. h. für ein wie auch immer geartetes Miningtest Verfahren zu definieren. Für diese arbeitsintensiven Aufgaben fordert die IMB den Aufbau eines internen „mining directorate“. Sie müsse per-sonell, organisatorisch und durch Beiträge der Vertragsstaa-ten zügig ausgestattet werden, um als operationelle Berg-bauverwaltung zu agieren. Das Thema wird mehrere Jahre erfordern und bleibt auf der Tagesordnung. An diesem As-pekt wird exemplarisch deutlich, dass die IMB mit ihrer bescheidenen finanziellen und personellen Ausstattung bei der Bearbeitung der vielen Anträge und neuer Vorschriften jetzt an Grenzen stößt.

5. Besondere Umweltschutzinstrumente

5.1 Umweltmanagement-Plan für die Clarion-Clipperton Zone

Die 18. Session (2012) beschloss erstmalig einen Umwelt-management Plan (UMP) (environment management plan) 112 zur kontinuierlichen Überwachung der 11 Lizenzgebiete innerhalb der CCZ, dessen Inhalte die LTC 2011fixiert hatte. 113 Voran gegangen war 2010 ein Workshop, der die naturwissenschaftlichen und rechtlichen Aspekte detailliert behandelte. 114

Der UMP-Text beruft sich ausdrücklich auf den ver-pflichtenden Vorsorgeansatz sowie auf die Art.  165 (2 e), 145 und 162. Er wird zunächst für drei Jahre mit Wirkung für alle in der CCZ vergebenen und zukünftigen Verträge angewendet. Vereinzelte Bedenken gegen die sofortige In-kraftsetzung, namentlich dass noch keine Standards für die Taxonomie vorlägen, konnten sich nicht durchsetzen. Die Befürworter verwiesen zu Recht auf die Flexibilität des UMP, der bereits 2014 zu überprüfen ist und eine laufende Anpassung zulasse. Der ganzheitliche Charakter des UMP wird betont, 115 indem der Plan alle Beteiligten also die IMB mit ihren Kommissionen und die Vertragspartner in die Pflicht nimmt.

Inhaltlich verpflichtet der UMP die Vertragsnehmer in den Ziffern 38 und 41 zu UMP’s für ihre Vertragsgebiete auf der Grundlage der ISO Norm 14001 116 und unter Be-rücksichtigung des IMMS-codes (s. u. Ziff. 5.3). Die UMP’s müssen neben den Dokumentations- und Berichtspflichten auch Referenzzonen innerhalb des beantragten Vertrags-gebietes einschließlich Maßnahmen zur biologischen Wie-derbesiedlung ausweisen, bevor es zu Tätigkeiten kommt. Die Referenzzonen müssen groß genug und von vergleich-barer Topographie und biologischer Diversität sein wie die Abbaufläche. Die IMB soll gem. Ziff. 50 Leitlinien für die Ausweisung von Referenzzonen erarbeiten, damit diese vor Beginn eines Miningtests verlangt werden können.

Wichtigster Bestandteil des UMP ist die Ausweisung mit sofortiger Wirkung von neun „Schutzgebieten“ (areas of particular environmental interest APEI) für die gesamte CCZ. Diese Gebiete mit Eingriffsverbot bestehen aus je einem rechtwinkligen Kerngebiet mit der Seitenlänge 200 mal 200 km und einem zusätzlichen Streifen (buffer zone) von 100 km, sodass sich neun Gebiete mit der Kantenlänge 400 mal 400 km = 160 000 km2 ergeben. Sinn der Pufferzone ist der Schutz vor eventuellen Sedimentwolken (mining plu-mes) aus benachbarten Bergbautätigkeiten. Alle neun Ge-biete liegen im Umfeld der genehmigten Vertragsgebiete der CCZ. Mit zusammen 1,5 Mio. km2 machen die neun Gebiete ein Drittel der Fläche der gesamten CCZ aus und bieten zugleich ein gutes Beispiel für die angestrebte Ver-netzung von Schutzgebieten. Der Beschluss sieht in Ziff. 6 ein Moratorium vor. Für die nächsten fünf Jahre dürfen

dort keine Anträge genehmigt werden. Allerdings berech-tigt Ziff. 3 des Beschlusses die LTC dazu, Korrekturen am Netzwerk der Schutzgebiete (Größe, Lage, Anzahl) vor-zuschlagen. Das gesamte UMP System gilt allerdings nur für die CCZ, so dass es für Vertragsgebiete im Indischen Ozean keinen UMP und keine Schutzgebiete gibt – ein Defizit (und eine „Begünstigung“?) für dortige Lizenz-gebiete, das nach Korrektur verlangt.

5.2 Meeresschutzgebiete

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Aus-weisung von Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas MPA’s) im Rahmen des SRÜ ein weiteres Instrument zum Umweltschutz beim Tiefseebergbau sein kann. 117 Meeres-schutzgebiete sind ursprünglich zum küstennahen Schutz von Fischbeständen eingeführt worden. Heute sind sie ein Sammelbegriff und können in allen Meereszonen den ver-schiedensten Schutzzielen dienen. Die Definition ist weit gefasst:

„Marine and coastal protected areas“ means any confined area …, together with its overlying waters and associated flora, fauna, and historical and cultural features, which has been re-served by legislation or other effective means, including custom, with the effect that its marine and/or coastal biodiversity enjoys a higher level of protection than its surroundings. 118

Nach Angaben der UN 119 gibt es ca. 7000 MPA’s, die zu über 90 % in unmittelbarer Küstennähe liegen und häu-fig sehr klein sind. Angesichts des hohen Nutzungsdrucks, der auf rund 40 % aller Meeresflächen liegt, werden neue MPA’s mit den verschiedensten Schutzzielen 120 diskutiert. So erinnerte Klaus Töpfer 121 unter Hinweis auf die politi-schen Ziele des CBD Übereinkommens, das 2008 als Ziel ein Netz von MPA’s beschlossen hat 122, daran, dass bis zu 10 % der Meeresflächen bis 2020 zu schützen seien, gegen-

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111) U. a. Studien über vergleichbare nationale Regelungswerke, Berichtspflichten und Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhal-ten.

112) ISBA/18/ C/22 mit Beschluss des Rates, Karte und Koordina-ten; s. a. ISBA/18/ C/30; Text auch in ISBA/17/LTC/7. Zur Vorgeschichte: Lodge, Some Legal and Policy Considerations Relating to the Establishment of … Protected Areas in the Cla-rion Clipperton Zone. IJMCL 2011, 463–471.

113) ISBA/17/LTC/7; s. a. ISBA/18/ C/11 mit einem Statusreport zum UMP.

114) International Workshop for the establishment of a regional en-vironment management plan for the CCZ in the central Pacific, 2010, Jamaica; www.isa.org.jm, dort unter „marine scientific research“ abrufbar.

115) ISBA/17/LTC/7, Ziff. 34 ff.116) Diese ISO Norm enthält Prinzipien des integrierten Manage-

ments von Ökosystemen, verpflichtet u. a zur dauerhaften Um-setzung und Fortschreibung im Unternehmen, zur Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften sowie zur Dokumentation und Transparenz; siehe www.iso14000-iso14001-environmental-management.com

117) Zulässig gem. Art. 194 Abs. 5, 211 Abs. 5 und 6; hierzu: Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht, Berlin 2003, 89 ff. Cochrane et al., MPA’s: What’s in a Name? Ocean Yearbook 22 (2008), S.  183–217. Spalding et  al., Protecting Marine Spaces, Ocean Yearbook 27 (2013), s. 213–248.

118) CBD, Conference of the Parties 7, Decision VII/5.119) Oceans and the Law of the Sea – Report, UNGA A/67/79/

Add.1 vom 31. 8. 2012.120) Hoyt, Marine Protected Areas for Whales, Dolphins and Por-

poises – A World Handbook. 2nd ed. 2012, 492 S., enthält u. a. eine Liste der größeren MPA’s (S. 16) und eine Checkliste für die Errichtung und Durchsetzung neuer Schutzgebiete (S. 56f ).

121) K. Töpfer auf dem 22. Meeresumwelt-Symposium 2012 in Hamburg, THB vom 23. 5. 2012.

122) UNEP/CBD/COP/9/29, dort decision IX/20, S. 172 ff.

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über derzeit nur 1,2 %. Auch für die Meeresflächen beider Polargebiete, gibt es Vorschläge für MPA’s. 123

MPA’s sind keineswegs nutzungsfreie Reservate, son-dern Zonen mit unterschiedlichen Restriktionen. Schutz-zweck und Verbindlichkeit müssen sich im Rahmen des Seerechtsübereinkommens bewegen. Innerhalb des Küs-tenmeeres kann der Küstenstaat fast alle denkbaren Nut-zungsbeschränkungen erlassen, solange er das Recht auf friedliche Durchfahrt für die Schifffahrt respektiert. In der AWZ sind Beschränkungen im Zusammenhang mit den ausschließlichen küstenstaatlichen Nutzungsrechten an le-benden und nichtlebenden Ressourcen zulässig. 124

Beispiele für bestehende MPA’s, die insbesondere Mee-resböden schützen und sich auf die Erforschung und Erhal-tung der Artenvielfalt insbesondere an aktiven Thermal-quellen, seamounts, Korallenriffen konzentrieren, sind:

Kanada: Endeavour-Meeresschutzgebiet (2003) zum Schutz der aktiven Hydrothermalquellen im Nordost-Pazifik ( Juan da Fuca Ridge);

EU Verordnung 602/2004: Schutz von Tiefwasser-korallen ca. 100 km2 im Nordatlantik an den Darwin Mounds nordwestlich Schottlands; 125

Portugal: Rainbow MPA (2006) 126 zum Schutz aktiver Hydrothermalquellen rd. 235 Sm südlich der Azoren zugleich als Schutzgebiet gem. OSPAR Annex V; 127

OSPAR Kommission: 6 Schutzgebiete, darunter Charlie Gibbs Fracture Zone am Mittelozeanischen Rücken südlich Island sowie MPA’s für weitere seamounts; 128

USA (2006): Papahanaumokuakea Marine National Monument 129 (362 000 km2 Ausdehnung um die In-selgruppe Hawaii einschließlich seamounts);

Kiribati (2008): Phoenix Islands Protected Area (PIPA) schützt 410 500 km2 Gebiet mit Korallen, seamounts und Tiefseeboden.

Daneben bleibt es den Staaten – auch im Rahmen von EU und OSPAR – unbenommen, Nutzungsbeschrän-kungen auf Hoher See außerhalb der 200 Sm zu erlassen und darüber völkerrechtliche Verträge abzuschließen. Al-lerdings gelten derartige vertragliche Nutzungsbeschrän-kungen nur für Staatsbürger bzw. Firmen mit Sitz im jeweiligen Vertragsstaat. Eine allgemein verbindliche Re-gelungsbefugnis mit Bindungswirkung für alle Nutzer am Meeresboden außerhalb der Grenzen nationaler Jurisdik-tion sieht das SRÜ nur für die IMB im Rahmen des Tief-seebergbaus vor.

In diesem Zusammenhang gewinnt die Kooperation zwischen OSPAR und IMB Bedeutung. OSPAR, eine regionale Meeresschutzorganisation mit 15 europäischen Mitgliedsländern 130, beschränkt sich auf den nord-östli-chen Atlantik. OSPAR ist seit 2010 bei der IMB als Be-obachter zugelassen und steht in engem Dialog über die Ausweisung ausgewählter Schutzgebiete im Nordatlantik, namentlich in der Charlie Gibbs Fracture Zone. Unter dem Titel „draft collective arrangement … on the management of selected areas …“ gibt es ein Dokument 131 über die Zu-sammenarbeit beider Organisationen. Ein weiteres Doku-ment 132 enthält gemeinsame Prinzipien für conservation and management von MPA’s sowie eine Liste von sieben MPA’s, die OSPAR einseitig deklariert hat und für eine Unter-schutzstellung durch die IMB vorschlägt. Die 15 OSPAR Staaten erkennen in dem erstgenannten Dokument unter Ziff. 4 die alleinige Regelungsbefugnis der IMB für den Tiefseebergbau an. Diese Feststellung hat der Vorsitzende des Rates in seinem Abschlussbericht 2012 ausdrücklich wiederholt. 133 Somit besteht ein organisatorischer Rahmen für die Übernahme von OSPAR Schutzgebieten durch die IMB mit allgemeinverbindlicher Wirkung, allerdings be-schränkt auf den Nordostatlantik.

Im Ergebnis bestätigen die OSPAR Vorschläge die Ten-denz zum Schutz endemischer Lebensgemeinschaften des Tiefseebodens und bestärken den weitgehenden Konsens,

dass Massivsulfide möglichst nur an inaktiven, erkalteten Quellen abgebaut werden sollten.

5.3 Ansätze zur Weiterentwicklung der Umweltstandards 5.3.1 IMMS Code for Environmental Management of Marine Mining (2011)

Ein interessanter Beitrag kam 2011 von der International Marine Minerals Society (IMMS), Honolulu, einem Zu-sammenschluss von Industriefirmen und Wissenschaftlern. Diese Gruppe legte einen Code for Environmental Manage-ment of Marine Mining mit freiwilligen Selbstverpflichtun-gen und best practice Beispielen vor. 134 Ergänzend zur le-gislativen Arbeit der IMB, die sich auf das internationale Gebiet beschränkt, verfolgt der IMMS code ein völlig an-deres Konzept in Form von „principles“ und „operating guidelines“:

Der IMMS code ist eine freiwillige proaktive Selbst-verpflichtung der Industrie,

richtet sich an Unternehmen, Regierungen, Gebiets-körperschaften, Organisationen und an alle sonstigen Beteiligten,

kann sowohl in der Area als auch in den AWZ an-gewendet werden und möchte über verschiedene Rechtsordnungen hinweg konsistent wirken und

gilt für alle Meeresbodenressourcen, also z. B. auch für gasförmige Methanhydrate,

erfasst alle Stadien der Nutzung bis hin zur Verhüt-tung der Erze und zur Wiederherstellung (rehabilita-tion) der Abbauflächen.

Die 16. Session begrüßte den IMMS code 135 als Beitrag zur Entwicklung für verbindliche Umweltschutzregelun-gen. Der oben genannte UMP von 2012 verweist aus-drücklich auf ihn. Der IMMS code ist wegweisend, weil er unter dem Stichwort Konsistenz den Tiefseebergbau unter nationaler Regie in den AWZ der Küstenstaaten anspricht.

5.3.2 ISA Technical Study no. 10

Die 17. Session (2011) übernahm die Forderung nach mo-dellhaften Bergbaugesetzen der Küstenstaaten für ihre je-weiligen AWZ. 136 Dazu legte die IMB einen Bericht über

NuR (2013) 35: 841–854 853Jenisch, Tiefseebergbau – Lizenzvergabe und Umweltschutz

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123) Gayazova, The North Pole Seabed Nature Reserve as a Provisi-onal Arrangement, IJMCL 2012, 97–133.

124) Z. B. Fischfangverbote gem. Art.  56 ff., Sicherheitszonen um Bauwerke gem. Art. 60 (4), Schutz eisbedeckter Gebiete gem. Art. 234.

125) EU Verordnung 734/2008 zum Schutz empfindlicher Tiefsee-ökosysteme vor den schädlichen Auswirkungen von Grund-fanggeräten, EU Abl. L 201/8 vom 3. 7. 2008.

126) Ribeiro, The „Rainbow“: The First National Marine Protected Area Proposed Under the High Seas, IJMCL 2010, 183–207.

127) ILM 1993, 1069 ff.128) Die OSPAR Schutzgebiete umfassen 2010 eine Fläche von

433 000 km2. OSPAR Quality Status Report 2010, S. 212 ff. mit allen MPA’s. Ausführlich hierzu: Matz-Lück/Fuchs, Die Auswei-sung mariner Schutzgebiete in hoheitsfreien Räumen am Bei-spiel des OSPAR-Abkommens, ZUR 2012, 532 ff.

129) Presidential Proclamation 8031 of June 26, 006, Fed. Reg. Vol. 71, No. 122.

130) Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nord ost-atlan tiks (OSPAR-Übereinkommen) von 1992, BGBl. 1994 II, 1355, 1360.

131) ISBA/18/ C/10 bestätigt den wechselseitigen Beobachterstatus und organisiert die Zusammenarbeit bei der Ausweisung von Schutzgebieten.

132) ISBA/18/ C/CRP.1, nicht veröffentlicht.133) ISBA/18/ C/30, Ziff.  19, denn es gab kritische Stimmen von

Ratsmitgliedern.134) www.immsoc.org/IMMS_code.htm; es handelt sich um die

Neufassung 2011 eines Textes von 2001.135) ISBA 16/LTC/2 und ISBA/16/ C/7.136) ISBA/17/ C/13 Ziff. 31 (b).

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bestehende nationale Gesetzgebungen von 17 Staaten vor, 137 der u. a. das deutsche Meeresbodenbergbaugesetz (MBergG) positiv hervorhebt. Zugleich gab dies den An-lass zum Workshop „Environmental Management Needs for Exploration and Exploitation of Deep Sea Minerals“ im November 2011 in Fidschi, 138 dessen Ergebnisse, Ar-beitspapiere und Präsentationen als ISA Technical Study no. 10 den aktuellen Stand abbilden. 139 Ein Ergebnis dieses Workshops ist das Papier „legal issues“ mit einer Liste der Rechte, Pflichten und Probleme, die die Staaten bei der nationalen Gesetzgebung für Bergbau und Umweltschutz berücksichtigen sollten. Dies richtet sich an die befürwor-tenden Staaten, die für ihre Antragsteller eintreten müssen, ebenso wie an die Staaten als Verantwortliche für den Mee-resbergbau in Zonen unter ihrer Jurisdiktion. Nach Mei-nung des Workshops müssen die nationalen Gesetzgebun-gen folgende Kernelemente enthalten:

Übernahme der diversen internationalen Pflichten z. B. aus dem SRÜ,

Schaffung klarer unstrittiger Seegrenzen, Definition der Rechte und Pflichten einer Bergbau-

und Umweltschutzverwaltung, Regelung des Genehmigungsverfahren für Antrag-

steller einschließlich UVP Pflichten.Eine sinnvolle Anregung aus diesem Papier ist die Forde-

rung, dass Küstenstaaten in ihrer Gesetzgebung einen Ar-tikel etwa folgenden Inhalts aufnehmen sollten:

„Alle Rechte und Pflichten, die sich aus dem Internatio-nalen Seerechtsübereinkommen von 1982 und aus verbind-lichen anderen völkerrechtlichen Vereinbarungen ergeben, bleiben unberührt“. Eine derartige Formel würde alle Ak-teure des Tiefseebergbaus eindeutig an die umwelt- und haftungsrechtlichen Grundsätze des internationalen See-rechts binden und dadurch zur Konkordanz der verschie-den nationalen AWZ-Gesetzgebungen beitragen.

5.3.3 Regional Legislative and Regulatory Framework RLRF (2012)

Als Folge der Technical Study no. 10 haben 15 westpazi-fische AKP-Staaten ein gemeinsames Deep Sea Mining-projekt (DSM) gestartet, das die EU finanziell unter-stützt. 140 Erstes Arbeitsergebnis ist eine Ausarbeitung mit Modulen für eine nationale maritime Bergbaugesetzge-bung, Verwaltung und Kontrolle. 141 Die Staaten werden daran erinnert, dass ein robustes Regelwerk nicht nur die Umwelt schützt, sondern auch Investitionen und Wert-schöpfung für die Menschen bringt und die Staaten vor Schadensersatzansprüchen schützt. Ausführlich aufgelis-tet werden die

internationalen und regionalen Verpflichtungen, wo-bei besonders auf die Haftung der Staaten eingegan-gen wird, falls in ihrem Zuständigkeitsbereich z. B. gegen Umweltrecht verstoßen wird,

allgemeinen Voraussetzungen/Rahmenbedingungen wie nationale maritime Politik, Klärung der Seegren-zen, bestehende nationale Regelungen,

wichtige Bestandteile eines Tiefseebergbaurechts wie z. B. Behördenstruktur, Steuern und Abgaben, Li-zenzvergabe, Umweltmanagementsystem, Arbeits-schutz, Öffentliche Beteiligung, Rechtsschutz, Rück-sicht auf andere Meeresnutzungen.

Zwar fehlen in diesem Papier noch ausformulierte Arti-kel, aber Cook Islands hat bereits das eigene Regime weit-gehend entwickelt.

Die zügige Arbeit der IMB und die zuletzt genann-ten Aktivitäten zeigen, dass der Weg in Richtung auf na-tionale Gesetzgebungen in enger Verzahnung mit der IMB eingeschlagen ist. Angesichts der enormen Inves-titionskosten brauchen die Firmen langfristige Rechtssi-cherheit und Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Staa-tes, in dessen hoheitlicher Zone gearbeitet wird. Insofern stehen die AWZ Staaten in Konkurrenz zur IMB, denn

diese bietet in ihrem Zuständigkeitsbereich den Investo-ren schon heute langfristige Verträge und ein kalkulier-bares Rechtsregime, während viele AWZ Staaten erst den Nachweis für ein seriöses Meeresbergbauregime erbrin-gen müssen.

6. Fazit

Am Schluss bleibt die Frage, wann der Tiefseebergbau zur Ergänzung des Landbergbaus beginnt. Eine zentrale Vo-raussetzung bleibt, dass der Tiefseebergbau wirtschaftlich und kostenmäßig konkurrieren kann. Zugleich muss eine zuverlässige und umweltschonende Technik und Verfah-rensweise zur Verfügung stehen. Gesichtspunkte der natio-nalen Versorgungssicherheit und der Akzeptanz in der Öf-fentlichkeit kommen hinzu. Schließlich ist wichtig, dass die Sicherheits- und Umweltstandards aller Tiefseevorhaben in- und außerhalb der Grenzen nationaler Zuständigkeiten im Prinzip gleichartig sind, damit es nicht zum umwelt-gefährdenden Bergbau unter bequemen „Billigflaggen“ in den AWZ und Festlandsockeln kommt.

Die Marktkräfte sind nicht zu unterschätzen. Da die Rohstoffpreise tendenziell weiter steigen werden, rückt der break-even point näher. Hoffnungen richten sich auf neu zu entdeckende Lagerstätten, häufig in politisch unzuver-lässigen oder abgelegenen Regionen, wobei hochwertige Metalle und Seltene Erden im Mittelpunkt des Interesses stehen. Es bleiben Landlagerstätten mit geringeren Me-tallgehalten, die einen aufwendigen Tagebau bzw. Berg-bau in größerer Tiefe erfordern, was mit enormem Ener-gieaufwand und großen Massenbewegungen verbunden ist. Landschaftsverbrauch, Verseuchung von Flüssen, Ab-holzung und Renaturierung lösen enorme Folgekosten aus und „verbrauchen“ Natur in unverantwortlichem Umfang. Der Tiefseebergbau „erntet“ am Meeresboden mit einer mobilen Abbautechnik relativ umweltfreundlich ohne in den Untergrund einzudringen. Zugleich werden in einem Arbeitsgang unterschiedliche Metalle und als Nebenpro-dukt Seltene Erden gewonnen.

Letztlich entscheidend ist – zumindest im hiesigen Kul-turkreis – die Einhaltung des Umweltschutzes für die ge-samte Produktionskette von der Gewinnung am Meeres-boden über den Transport an die Meeresoberfläche und von dort bis zur Aufbereitung und Verhüttung an Land. Zur Flankierung dieser Gesetzgebung, aber auch zur Schließung seerechtlicher Grauzonen wird es notwendig sein, vermehrt Schutzgebiete in allen Meereszonen aus-zuweisen sowie neue Rechtsinstrumente zum Schutz der Biodiversiät vorzugsweise in einem neuen Durchfüh-rungs-Übereinkommen zum SRÜ zu vereinbaren. Wie bei jeder menschlichen Nutzung sind Eingriffe in die Na-tur unvermeidbar, aber die Chancen, diese zu minimie-ren sind gegeben. Das Regelwerk der IMB legt es erkenn-bar darauf an, Dauerschäden zu vermeiden und schädliche Auswirkungen zu minimieren und eine seriöse Kontrolle aufzubauen. Die gesellschaftspolitische Akzeptanz er-scheint möglich, sodass die Tür zum Tiefseebergbau sich öffnet, denn die Menschheit wird auf diese Ressourcen nicht auf Dauer verzichten.

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137) ISBA/19/ C/12 und ISBA/18/ C/8 Add.1 mit Informationen über die Gesetze von 17 Staaten. Siehe a. www.isa.org.jm/en/mcode/Natleg

138) Mitveranstalter war die von der EU geförderte South Pacific Applied Geosciences Commission SOPAC.

139) ISA Technical Study no. 10, www.isa.org.jm/en/scientific/Workshops/ 2011

140) Die EU fördert das Projekt aus dem EDF-Fonds mit 4,7 Mio. € für vier Jahre 2011–14.

141) Regional Legislative and Regulatory Framework for Pacific ACP States (RLRF), July 2012; abrufbar über www.sopac.org/


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