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Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Date post: 05-Oct-2021
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Leseprobe Ayesha Harruna Attah Tiefe Wasser zwischen uns Roman Bestellen Sie mit einem Klick für 20,00 € Seiten: 304 Erscheinungstermin: 09. November 2021 Mehr Informationen zum Buch gibt es auf www.penguinrandomhouse.de
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Page 1: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Leseprobe

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Bestellen Sie mit einem Klick fuumlr 2000 euro

Seiten 304

Erscheinungstermin 09 November 2021

Mehr Informationen zum Buch gibt es auf

wwwpenguinrandomhousede

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser

zwischen uns

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser

zwischen uns

Roman

Aus dem Englischen von Christiane Burkhardt

Von Ayesha Harruna Attah sind im Diana Verlag erschienenDie Frauen von Salaga

Tiefe Wasser zwischen uns

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten so uumlbernehmen wir fuumlr deren Inhalte keine Haftung

da wir uns diese nicht zu eigen machen sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveroumlffentlichung verweisen

Penguin Random House Verlagsgruppe FSCreg N001967

Copyright copy 2020 Ayesha Harruna AttahDie Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel The Deep Blue Between

bei Pushkin Press LondonCopyright copy der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by

Diana Verlag Muumlnchen in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenRedaktion Antje Steinhaumluser

Umschlaggestaltung copy Christian Otto Geviert MuumlnchenUmschlagmotive copy Valeriya Simantovskaya Stocksy United

Shutterstockcom (olgers Daiquiri MUDRIK ILLIA)Satz GGP Media GmbH Poumlszligneck

Druck und Bindung Friedrich Pustet RegensburgAlle Rechte vorbehalten

Printed in GermanyISBN 978-3-453-29253-6

wwwdiana-verlagde

Fuumlr Tumi und Tami

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 2: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser

zwischen uns

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser

zwischen uns

Roman

Aus dem Englischen von Christiane Burkhardt

Von Ayesha Harruna Attah sind im Diana Verlag erschienenDie Frauen von Salaga

Tiefe Wasser zwischen uns

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da wir uns diese nicht zu eigen machen sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveroumlffentlichung verweisen

Penguin Random House Verlagsgruppe FSCreg N001967

Copyright copy 2020 Ayesha Harruna AttahDie Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel The Deep Blue Between

bei Pushkin Press LondonCopyright copy der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by

Diana Verlag Muumlnchen in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenRedaktion Antje Steinhaumluser

Umschlaggestaltung copy Christian Otto Geviert MuumlnchenUmschlagmotive copy Valeriya Simantovskaya Stocksy United

Shutterstockcom (olgers Daiquiri MUDRIK ILLIA)Satz GGP Media GmbH Poumlszligneck

Druck und Bindung Friedrich Pustet RegensburgAlle Rechte vorbehalten

Printed in GermanyISBN 978-3-453-29253-6

wwwdiana-verlagde

Fuumlr Tumi und Tami

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 3: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Ayesha Harruna Attah

Tiefe Wasser

zwischen uns

Roman

Aus dem Englischen von Christiane Burkhardt

Von Ayesha Harruna Attah sind im Diana Verlag erschienenDie Frauen von Salaga

Tiefe Wasser zwischen uns

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da wir uns diese nicht zu eigen machen sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveroumlffentlichung verweisen

Penguin Random House Verlagsgruppe FSCreg N001967

Copyright copy 2020 Ayesha Harruna AttahDie Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel The Deep Blue Between

bei Pushkin Press LondonCopyright copy der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by

Diana Verlag Muumlnchen in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenRedaktion Antje Steinhaumluser

Umschlaggestaltung copy Christian Otto Geviert MuumlnchenUmschlagmotive copy Valeriya Simantovskaya Stocksy United

Shutterstockcom (olgers Daiquiri MUDRIK ILLIA)Satz GGP Media GmbH Poumlszligneck

Druck und Bindung Friedrich Pustet RegensburgAlle Rechte vorbehalten

Printed in GermanyISBN 978-3-453-29253-6

wwwdiana-verlagde

Fuumlr Tumi und Tami

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 4: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Von Ayesha Harruna Attah sind im Diana Verlag erschienenDie Frauen von Salaga

Tiefe Wasser zwischen uns

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da wir uns diese nicht zu eigen machen sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveroumlffentlichung verweisen

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Copyright copy 2020 Ayesha Harruna AttahDie Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel The Deep Blue Between

bei Pushkin Press LondonCopyright copy der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by

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Fuumlr Tumi und Tami

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 5: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

Fuumlr Tumi und Tami

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 6: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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In unseren Traumlumen sitzt der Vater in einem Zimmer das keine Farben aufweist Unsere Mutter stillt ihr Baby aber die beiden sind wie er-starrt als waumlre die Zeit stehen geblieben Feuer verbrennt unser Dorf erstickender Rauch schnuumlrt uns die Kehle zusammen Flammen ver-sengen unsere Haut Wir rennen Unsere Haumlnde umklammern sich kleben foumlrmlich aneinander Ihre Finger sind meine Finger meine Fin-ger sind ihre Unsere Umklammerung hat schon im Mutterleib begon-nen vor der ersten Trennung Wir haben unser Zuhause schon einmal verloren aber das hat uns nicht gebrochen Jetzt verlieren wir es erneut aber noch haben wir uns Wir rennen Gejagt von Hufen Geschrei und gefluumlgelten Maumlnnern Eine von uns stolpert Schweiszlig bildet einen duumln-nen Film zwischen unseren Haumlnden Ihre Finger rutschen aus meinen Wir haben uns getaumluscht Diesmal ist es endguumlltig Sie entgleitet mir

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 7: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Hassana

Ich koumlnnte damit beginnen wie mein Baba nach Dschenne aufgebrochen ist um dort seine Schuhe zu verkaufen und nie mehr zuruumlckkam Oder damit wie unser Dorf in Schutt und Asche gelegt wurde und dass ich nicht weiszlig was aus meiner Mutter und meiner Groszlig-mutter geworden ist Damit wie meine aumlltere Schwester Aminah und ich unseren Bruder in einer Menschenka-rawane verloren haben Oder aber ich koumlnnte vom schlimmsten Tag meines Lebens erzaumlhlen als mir meine Zwillingsschwester entrissen wurde Doch ich werde mit dem Moment beginnen ab dem ich nicht laumlnger zulieszlig dass andere bestimmen was ich tue wohin ich gehe oder was mit mir geschieht Ich werde mit dem Moment be-ginnen in dem ich mich befreit habe

1892 ndash ich war damals zehn ndash war ich gezwungen auf einem Stuumlck Land zu leben wo die Baumlume so dicht ne-beneinander wuchsen dass es mir die Sprache verschlug Wofa Sarpong ein Mann der gerade mal so groszlig war wie

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 8: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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ich hatte Aminah und mich gekauft und uns mit in sein Haus auf einer Lichtung genommen die von bis zu den Wolken reichenden Baumlumen gesaumlumt wurde Jedes Mal wenn ich an ihnen emporschaute fragte ich mich wie die Baumlume es bloszlig schafften so groszlig zu werden ohne umzufallen und jeden Tag druumlckte der Wald meine Brust platt wie einen leeren Trinkschlauch aus Kuh-leder Nacht fuumlr Nacht wachte ich schweiszliggebadet und mit Herzrasen auf jedes Mal voumlllig auszliger Atem Ich war ein Kind der Savanne der offenen Weite mit niedrigen Baumlumen Am Horizont konnten wir die Kamele der Karawanen naumlher kommen sehen Die Welt erschien uns riesig und grenzenlos Der Wald hingegen lieszlig die Welt schrumpfen und damit mein ganzes Leben

Es gibt nichts was ich an Wofa Sarpong und seiner Fa-milie mochte Houmlchstens dass Aminah damals noch bei mir war Sie schlug sich etwas wackerer als ich und meinte die Speisen von besagtem Wofa Sarpong seien recht schmackhaft ihr Tuo das sie Fufu nannten sei suumlszliger als unseres Sie achtete darauf dass ich ein paar Schlucke von ihren Suppen mit Fisch und Pilzen nahm aber genauso gut haumltte ich Baumrinde essen koumlnnen Alles lag mir schwer im Magen alles war ohne jeden Ge-schmack Ich aszlig weil Aminah es mir befahl Aber ich war nur noch ein Schatten meiner selbst

Als sich mein Leben von Grund auf aumlnderte war ge-rade Hauptsaison bei der Kolaernte Wie immer befahl uns Wofa Sarpong in mehr Kolabaumlume zu klettern als ich zaumlhlen konnte Wir Juumlngeren ndash seine Kinder und die-

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 9: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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jenigen die er gekauft hatte ndash huschten daran hinauf wie Eidechsen immer auf der Suche nach Plaumltzen an denen wir weit genug voneinander entfernt waren um so viele Nuumlsse wie moumlglich ernten zu koumlnnen Wofa Sar-pong behauptete Kola sei ein Geschenk Gottes und Gott werde wuumltend wenn wir nicht naumlhmen was er uns schenke Ich war wuumltend auf meinen Gott Otienu weil er mich an einen solchen Ort geschickt hatte ohne dass ich etwas falsch gemacht haumltte Manchmal fragte ich mich wie Wofa Sarpongs Gott wohl war Er schien ihn mit einer Fuumllle an Kolanuumlssen zu segnen Ich werde nie vergessen wie sehr ich die Arme recken musste um sie ganz unten abschneiden zu koumlnnen waumlhrend ich mit nackten Fuumlszligen gefaumlhrlich auf den Aumlsten balancierte und jedes Mal befuumlrchtete hinunterzufallen Ich fiel nie und schaffte es meine Angst so weit in Schach zu halten dass ich weiterhin nach den Fruumlchten greifen konnte die ich Kwesi Aminah und den anderen Aumllteren zuwarf Die legten sie in groszlige Koumlrbe die sie spaumlter tragen wuumlrden Tag fuumlr Tag arbeiteten wir vor- und nachmittags ohne dass sich Wofa Sarpong auch nur einmal bedankt haumltte

Wenn er raquoFertiglaquo rief hieszlig das dass wir wieder runter-klettern sollten Wir lieszligen unsere Messer in die groszligen Koumlrbe fallen auf die Kolanuumlsse mit ihren houmlckrigen Scha-len Wir liefen auf einem Pfad zuruumlck der alle paar Schritte von Ameisen gekreuzt wurde Ich haumltte den Ameisen tagelang dabei zuschauen koumlnnen wie sie eine nach der anderen ihrer Arbeit nachgingen und wie sie sobald eine von ihnen in Schwierigkeiten geriet sich gegenseitig zu

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 10: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Hilfe eilten An diesem Tag wurde ich unglaublich traurig als ich mir vor Augen fuumlhrte wie sogar solch winzige Ge-schoumlpfe freundlich zueinander sein koumlnnen waumlhrend Leute wie Wofa Sarpong und die Maumlnner die uns entfuumlhrt hatten von nichts als Grausamkeit erfuumlllt waren

Wir erreichten Wofa Sarpongs aus vier Langhuumltten be-stehendes Gehoumlft in dem er seine Frauen und seine klei-nen Kinder lebten Zwei standen abseits sie waren fuumlr seine erwachsenen Kinder und fuumlr diejenigen die er ge-kauft hatte Unweit der Tuumlr seiner Wohnstatt befand sich eine kleine Huumltte in der Toumlpfe Moumlrser und Stoumlszligel auf-bewahrt wurden Waumlhrend Aminah mit ihrem Korb vorneweg ging suchte ich diese fuumlr sich stehende Huumltte auf und nahm einen schwarzen Tontopf um ihn Wofa Sarpongs erster Frau zu bringen Ich fuumlhlte mich schwer so als haumltte man mir den Amboss eines Schmieds auf den Ruumlcken gebunden Wofa Sarpongs Frau schaufelte zwei glaumlnzende Tuo-Kloumlszlige in den Topf und reichte die Schale ihrer Nebenfrau die Kellen mit Palmsuppe und zwei Stuumlckchen Fisch dazugab

raquoMach nicht so ein Gesichtlaquo befahl sieNormalerweise haumltte ich ein halbherziges Laumlcheln

aufgesetzt damit sie mich in Ruhe lieszligen aber an diesem Tag brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen

Ich stellte den Topf Aminah und den anderen Maumld-chen hin die ihre Finger in den Eintopf steckten und zu essen begannen Noch bevor ich mich entscheiden konnte ob ich es ihnen gleichtun wollte oder nicht hielt Aminah den Tuo bereits an meine Lippen

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 11: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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raquoIss deinen Fufulaquo sagte sieIch weigerte mich deren Worte zu benutzen Ich

wuumlrde das nicht Fufu nennen wie AminahIch nahm den Klumpen gelbe Kochbanane und

Maniok in den Mund und es schmeckte nach nichts Se-kunden spaumlter hatte ich Sodbrennen Mir wuumlrde bloszlig alles wieder hochkommen wenn ich mich weiterhin zum Essen zwang deshalb stand ich auf und setzte mich unter den Katappenbaum Ich wollte nur noch dass das alles endlich aufhoumlrte

Es war jetzt ungefaumlhr ein Jahr her dass man uns her-gebracht hatte und der Laumlrm jener Nacht lieszlig mich im-mer noch zusammenzucken Wofa Sarpong schlich haumlu-fig in unser Zimmer um Aminah zu besuchen und wenn er wieder weg war lag ich lange wach und lauschte auf das Weinen meiner Schwester neben mir In dieser Nacht schlief ich jedoch wie ein vollgefressener Python obwohl ich wegen der auf mir lastenden Traurigkeit nicht das Geringste gegessen hatte

Wir sind von Wasser umgeben Darin spiegelt sich ein Blau das noch intensiver ist als das des Himmels Wir sind von Menschen umgeben die aufs Wasser schauen Das erstreckt sich hinter uns bis in alle Winkel der Erde und noch daruumlber hinaus Stoffe bauschen sich wie riesige weiszlige Tuumlcher im Wind und wir stehen auf einer houmllzernen Plattform Vor uns liegt Land das gleichzeitig fremd und vertraut wirkt mit Baumlu-men die an Palmen erinnern und sich im Wind biegen Die Baumlume werden zunehmend groumlszliger Wir bewegen uns

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 12: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Ich wachte auf klatschnass so als haumltte man einen Ei-mer Wasser uumlber mir ausgekippt Der Wald hatte mir nicht nur die Sprache verschlagen sondern mich auch bis in meine Traumlume verfolgt das enge Band zwischen meiner Schwester und mir durchtrennt Als unser Baba verschwand wussten wir dass er noch lebte weil sowohl Husseina als auch ich traumlumten dass er in einem Zim-mer war Ich sah die Dinge aus einer Perspektive und sie aus einer anderen Wo ich ein Gesicht erkannte erkannte sie einen Ruumlcken Gemeinsam nahmen wir das Ganze wahr Der Wald hatte dafuumlr gesorgt dass unsere Traumlume nicht mehr zueinanderfanden Bis jetzt hellip

Ich ruumlttelte Aminah wach und erzaumlhlte ihr von dem Traum

raquoDas sind ihre Traumlumelaquo sagte ich raquoHusseina lebtlaquo

Die naumlchsten Tage waren anders Die Traurigkeit lieszlig nach wich einer verwirrenden Mischung aus Aufregung und furchtbaren Bauchschmerzen Die wurden doppelt so schlimm wenn ich die Waumlsche der Sarpongs wusch und in die Kolabaumlume kletterte Ich konnte weder stillsitzen noch mich konzentrieren schon gar nicht als Wofa Sar-pong uns antreten lieszlig und uns etwas sagte auch nicht als Aminah mich ansprach Meine Zwillingsschwester lebte sie war an einem Ort der vom blauesten Wasser umgeben war das ich je gesehen hatte Einerseits wollte ich losrennen und alle umarmen die Neuigkeit verkuumln-den Andererseits wurde ich von Angst regelrecht uumlber-rollt ndash was wenn wir uns nie mehr wieder sehen wuumlrden

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 13: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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und nur noch durch unsere Traumlume miteinander ver-bunden waumlren Wuumlrde ich damit leben koumlnnen Die Frage quaumllte mich und rumorte wild in meinen Eingeweiden

Eines Nachmittags rief Wofa Sarpong in Begleitung eines Mannes den ich noch nie auf dem Gehoumlft gesehen hatte alle im Hof zusammen wo seine Kinder Stoumlcke und Steine versteckten und wir gerade im Sitzen Hirse lasen Der Fremde trug kurze Hosen die von einem Le-derband uumlber der Taille zusammengehalten wurden Er trug auch einen weiszligen Hut und marschierte auf und ab waumlhrend er darauf wartete dass Wofa Sarpong uns Auf-stellung nehmen lieszlig Der Mann ging herum und fragte alle nach ihrem Namen doch ich houmlrte kaum hin Ich beobachtete Ruumlsselkaumlfer zwischen den Steinen und konnte nicht aufhoumlren an Husseina zu denken

Jemand stieszlig mich in die SeiteDer Mann mit den kurzen Hosen und dem Hut fragte

nach meinem NamenraquoHassanalaquo erwiderte ichWofa Sarpong sah mich an als haumltte ich ihm das letzte

Stuumlck Fisch aus der Suppe geklautDer Mann fragte mich noch einmalraquoHassanalaquo Diesmal sagte ich es ganz bewusst Denn

mir fiel wieder ein dass Wofa Sarpong uns im Vorfeld hatte antreten lassen um uns neue Namen zu geben Er wollte nicht als Sklavenhalter erwischt werden Unsere Namen verrieten uns Ich erzaumlhlte dem Mann dass ich aus Botu stammte die Zweitgeborene von Baba Yero und Aminah-Na sei

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 14: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Wofa Sarpong folgte dem Mann verneigte sich so tief dass er regelrecht zu kriechen schien und zum ersten Mal seit ich auf seinem Gehoumlft war war mir zum La-chen zumute Ich widmete mich wieder meinen Ruumlssel-kaumlfern und Steinen

Als ich sieben war brachte ich mir bei unter Wasser die Luft anzuhalten Keine der Frauen in Botu konnte schwimmen aber es war als wuumlsste ich dass ich in mei-nem Leben noch oft die Luft wuumlrde anhalten muumlssen Einst hatte mich das zum mutigsten Maumldchen von ganz Botu gemacht Die anderen und ich waren fruumlhmorgens am Wasserloch gewesen um Wasser zu holen Ploumltzlich houmlrte ich ein Kreischen Ein Wort kristallisierte sich aus dem Stimmengewirr heraus Krokodil Bei uns am Wasser-loch gab es keine Krokodile Nachdem die Maumldchen aus dem Wasser geeilt waren hielt ich die Luft an und tauchte unter Erst stiegen Schlammpartikel auf und truumlbten das Wasser Ich hielt weiterhin die Luft an und wartete dass sie sich wieder legten Das Wasser wurde klarer und ich sah Menschenbeine unter der Krokodil-haut Ich streckte den Kopf aus dem Wasser Die Maumld-chen schrien

raquoHassana komm rauslaquo Eine besonders laute Stimme uumlbertoumlnte die anderen

Ich sah zu wie die Krokodilhaut naumlher kam und drehte mich um fing Husseinas Blick auf deren Gesicht ganz verzerrt war so als wuumlrde sie jeden Moment in Trauml-nen ausbrechen Dann wandte ich mich wieder dem

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 15: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Krokodil zu das sich jetzt direkt vor mir befand Mal gu-cken wie lange sich dieses Spiel fortsetzen lieszlig Die Schreie der Maumldchen gellten in meinen Ohren raquoKomm-raus-komm-rauslaquo Die Sonne brannte mir auf den Ruumlcken Die Schnauze des grauen Geschoumlpfes hob sich und die Maumldchen kreischten auf Die Krokodilhaut trieb nach oben drehte sich und fiel ins Wasser enthuumlllte Motaaba und seine groszligen Zaumlhne Er kruumlmmte sich vor Lachen als ich das Wasser verlieszlig und Husseinas Hand nahm Die lehnte den Kopf an meine Schulter und sagte den gan-zen Heimweg uumlber kein einziges Wort

Nachdem Wofa Sarpong den Inspektor verabschiedet hatte kehrte er mit der Peitsche zuruumlck mit der er sei-nen Esel traktierte Er zerrte mich von meiner Hirse-schale weg Als er damit begann mich auszupeitschen schrie ich Doch als ich dann die schrecklichen Laute der Niederlage aus meinem Mund houmlrte hielt ich die Luft an Seine Hiebe machten mir nicht das Geringste aus Wenn uumlberhaupt gaben sie mir die Kraft die ich brauchte Ich wuumlrde keine Sekunde laumlnger an diesem Ort bleiben um mich von ihm wie einen seiner Esel behandeln zu lassen Ich wuumlrde weglaufen und nach Husseina suchen Aminah konnte ja mitkommen aber wenn sie sich wie Vieh schinden lassen wollte sollte sie eben bleiben

Doch Wofa Sarpong kam mir zuvor Noch bevor ich einen Fluchtplan schmieden konnte spannte er seinen Esel vor den Wagen auf dem sich die Kolanuumlsse tuumlrmten und befahl Kwesi mich zu diesem Karren zu schleifen Aminah warf mir einen Zweig zu und wies mich an

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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seine Blaumltter zu kauen sie mir auf die Haut zu legen um meine Wunden vom Auspeitschen zu behandeln Kurz uumlberlegte ich Wofa Sarpong anzuflehen den Wagen zu wenden bei Aminah bleiben zu duumlrfen Aber als ich den abweisenden Buckel des Mannes sah merkte wie er wuuml-tend mit derselben Peitsche auf den Esel eindrosch die mich gezuumlchtigt hatte und raquoKo Kolaquo rief war ich in ge-wisser Weise erleichtert dass er mich fortbrachte

Der Wagen rumpelte uumlber Geroumlll und mehrmals glaubte ich hinunterzufallen Je weiter wir kamen desto dichter wurde der Wald und ich rang nach Luft Haumltte ich doch nur mit Aminah fliehen koumlnnen

Wir erreichten eine kleine Huumltte auf einer Palmen-lichtung Wir hatten kaum angehalten als ein riesiger Mann aus der Tuumlr trat

raquoDogolaquo sagte Wofa SarpongraquoWofa du kommst zu fruumlhlaquo erwiderte der riesige

MannraquoDie hier ist einfach zu dickkoumlpfig Die macht mir bloszlig

Aumlrger Nimm du sielaquoraquoIch habe nichts was ich gegen sie tauschen koumlnnte

Etwas Salz vielleichtlaquoraquoEinverstandenlaquoWofa Sarpong stieg vom Wagen zerrte mich so brutal

an den Ohren hinunter dass ich fast gestuumlrzt waumlre Doch ich schaffte es mich wieder zu fangen und richtete mich zu meiner vollen Groumlszlige auf Am liebsten haumltte ich ihm ins Gesicht gespuckt doch dann wuumlrde er mich mit Sicherheit schlagen und mein Koumlrper war noch zu

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 17: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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wund Auf der Lichtung roch es nach abgestandenem Wasser Eine Henne gackerte am Eingang zur Huumltte eine Schar von Kuumlken hinter sich

raquoGib mir die Huumlhner dazulaquo sagte Wofa SarpongraquoDie brauche ich wegen der EierlaquoraquoIch bring dir hier gutes Geld und du redest von

EiernlaquoNoch ein Huhn kam heraus ein grau-gruumlner Hahn

der stolz auf und ab marschierte ohne zu ahnen dass er in Wofa Sarpongs Faumlngen landen wuumlrde Ich sah Dogo an den riesigen Mann dem das ebenfalls klar war und der mit den Schultern zuckte bevor er den Voumlgeln nach-lief Die kreischten und gackerten waumlhrend sich Dogo wiederholt aufrichtete und den Schweiszlig abwischte In der Zwischenzeit ging Wofa Sarpong in Dogos Huumltte und kam mit Stoffballen und verrostetem landwirtschaft-lichem Geraumlt wieder heraus

raquoDer Stoff ist nicht fuumlr michlaquo sagte Dogo und legte flehend die Haumlnde zusammen

raquoSag ihm er soll zu mir kommenlaquo erwiderte Wofa Sarpong und marschierte auf und ab wie der Hahn den er sich gleich schnappen wuumlrde

raquoBittelaquo fuhr Dogo fort doch Wofa Sarpong starrte ihn nur boumlse an sodass der riesige Mann verstummte

Ich wollte lachen und staunte dass so ein Huumlne klein beigab wenn der winzige Wofa Sarpong etwas befahl Dogo lieszlig Wofa Sarpong machen was er wollte was ent-weder bedeutete dass er ihm etwas schuldete oder dass der Huumlne nicht besonders schlau war

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 18: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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raquoKomm und nimm die Kolanuumlsselaquo sagte Wofa Sar-pong als redete er mit einem seiner Kinder

Die Huumlhner rannten immer noch umherDer Mann ging in seine Huumltte und kehrte mit drei

groszligen Koumlrben zuruumlckraquoHe dulaquo rief Wofa SarpongIch zuckte nicht mit der Wimper Ich lieszlig mir Zeit

und sah ihm dann direkt in die Augen raquoHassanalaquoraquoKomm und hol die KolanuumlsselaquoIch nahm einen Korb und fuumlllte ihn mit Nuumlssen von

dem Wagen Aus den Augenwinkeln sah ich wie Wofa Sarpong Jagd auf den Hahn machte Er stuumlrzte sich auf ihn und griff daneben Ich konnte nicht anders ich musste kichern

Irgendwann erwischte er Hahn und Henne und hievte sie mitsamt dem Stoffballen dem landwirtschaftlichen Geraumlt und einem Sack Salz auf den Wagen

raquoDu hast ja noch die Kuumlkenlaquo sagte Wofa Sarpong raquoDie werden groszlig und legen Eier Aber was die hier an-geht hellip wer will schon ein so dickkoumlpfiges Maumldchen wie das hierlaquo

raquoDie Weiszligen entlang des Volta-Stroms sind weiterhin nicht waumlhlerischlaquo erwiderte Dogo raquoAber an der Gold-kuumlste laumlsst sich so kein Geld mehr verdienen Ich gehe jetzt nach Ostenlaquo

raquoFast haumltte sie dafuumlr gesorgt dass mich der Inspektor erwischt Sorg dafuumlr dass die Obroni sie weit fortbringen Bis baldlaquo

Ich hatte Wofa Sarpongs Sprache eigentlich nicht ler-

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 19: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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nen wollen aber auch ohne es uumlberhaupt zu versuchen konnte ich fast alles verstehen was er sagte

Wofa Sarpong stieg auf seinen Wagen und lieszlig mich bei Dogo zuruumlck zu dessen Fuumlszligen sich die verwaisten Kuumlken inzwischen zitternd versammelt hatten

Rasch brach der Abend herein und alles wurde grauraquoKomm und isslaquo sagte Dogo auf Hausa eine der

Sprachen mit denen ich aufgewachsen war raquoMorgen wirst du deinen neuen Herrn kennenlernenlaquo

Schon dass er Hausa sprach sorgte dafuumlr dass ich mich entspannen mich setzen und die Schale mit ge-kochten Bohnen essen konnte die er mir anbot In der Huumltte breitete er eine Matte fuumlr mich aus und davor eine fuumlr sich

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu Jedes Ra-scheln jeder Ruf eines Vogels und jedes Fluumlstern des Windes hielt mich wach Gegen Morgen musste ich dann doch irgendwann eingeschlafen sein

raquoIch bade zuerst danach kommst du dranlaquo sagte Dogo waumlhrend er den Kopf durch die Tuumlr steckte Da-von wachte ich auf

Dogo war nicht besonders helle Kein Wunder dass Wofa Sarpong so mit ihm umsprang Obwohl ich Angst vor der Dunkelheit hatte haumltte ich mich leicht in die Nacht fluumlchten koumlnnen Jetzt lieszlig er mich allein damit er baden konnte Vermutlich weil er mich angeschaut und nur ein kleines machtloses Maumldchen in mir ge-sehen hatte Ich spaumlhte aus der offenen Tuumlr und als er

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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aus meinem Blickfeld verschwunden war rieb ich mir den Schlaf aus den Augen klaute ein paar von den Boh-nen die in einer Ecke seiner Huumltte standen und knotete sie in mein Wickeltuch Wofa Sarpong hatte Dogo nur noch drei Werkzeuge dagelassen darunter eine kleine Machete nach der ich griff

Dogo bespritzte sich summend mit Wasser und ich schluumlpfte aus der Huumltte eilte in die Gegenrichtung davon und tat was Aminah und ich laumlngst haumltten tun sollen Auf Zehenspitzen trat ich nur dorthin wo ich feuchten Boden erkennen konnte Ich bewegte mich schnell und lautlos fort blieb nur auf Pfaden mit Fuszlig-spuren weil die mich zu Menschen und nicht zum Bau eines Leoparden fuumlhren wuumlrden Ich lief und lief und mir knurrte der Magen Wie ich die Bohnen zubereiten sollte war mir nicht ganz klar gewesen als ich sie ge-nommen hatte und jetzt konnten die rohen Bohnen meinen Hunger nicht stillen Ich marschierte weiter wollte so viel Abstand wie moumlglich zwischen Dogo und mich bringen und dann nach diesem Ort mit dem blauen Wasser fragen an dem Husseina gelandet war

Ich folgte dem Pfad und erreichte einen Teil des Wal-des in dem ungewoumlhnlich viele Palmen wuchsen Sie sahen nicht so wild und ungleichmaumlszligig aus wie der Rest des Waldes hier musste es also Menschen geben Ich wusste nicht ob ich ihnen trauen konnte wuumlrde jedoch versuchen ein paar Bohnen oder die Machete gegen Es-sen und Informationen einzutauschen und meinen Weg anschlieszligend fortsetzen Ich schlug mich durch den

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 21: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Wald bis zu einer Lichtung so aumlhnlich wie die auf der Wofa Sarpongs Gehoumlft stand Nur dass es hier Huumltten aus weiszligem Stoff gab die an den Stoff in Husseinas Traum erinnerten Aufgrund dieser Aumlhnlichkeit bekam ich Gaumlnsehaut Ich war so schnell herbeigeeilt dass die Men-schen die dort lebten innehielten und mich anstarrten

Es waren etwa fuumlnf alles Maumlnner drei davon hellhaumlu-tiger als die weiszligen Bohnen die ich Dogo geklaut hatte Sie sahen aus wie ganz normale Menschen mit zwei Ar-men und zwei Beinen doch ihre Haut schien voumlllig farb-los zu sein Zwei Maumlnner kamen auf mich zu einer da-von war farblos Ich wusste nicht was sie mit mir vorhatten deshalb hob ich die Machete Auf diese Weise verschaffte ich mir Zeit Ich konnte kehrtmachen und zu Dogo zuruumlckeilen behaupten ich haumltte mich verlau-fen Ich konnte auch bleiben und gegen sie kaumlmpfen doch sie waren in der Uumlberzahl Oder aber ich konnte mit ihnen verhandeln

Sie kamen nicht naumlher und der farblose Mann der ungefaumlhr so alt zu sein schien wie mein Vater ging in die Hocke Er lieszlig die Arme herabhaumlngen und winkte mich anschlieszligend zu sich Ich saszlig in der Klemme ich konnte nirgendwohin Also lieszlig ich die Machete fallen fuumlhrte die Finger zusammen und hob sie zum Mund Wenn sie etwas zu essen fuumlr mich hatten wuumlrde ich schon irgend-wie die Kraft finden sie zu uumlberlisten Der farblose Mann schien mich verstanden zu haben und bellte seinem Be-gleiter etwas zu Er trug einen Hut der aussah wie der des Inspektors bei Wofa Sarpong Er kam nahm meine

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 22: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Hand und ich lieszlig ihn gewaumlhren Seine Handflaumlchen wa-ren ganz weich und erinnerten mich an den Bauch eines Geckos Vertrauen ist ein seltsames Tier Ich lieszlig meine Haumlnde in seine sinken Ich traute ihm

Er fuumlhrte mich vor eine der Stoffhuumltten und bat mich auf einer Matte Platz zu nehmen Die Huumltte war mit Schnuumlren am Boden befestigt und sah aus als koumlnnte sie vom kleinsten Windstoszlig umgeweht werden Ein Junge brachte zwei Kalebassen ndash eine mit Stuumlcken gruumlner Kochbanane die andere mit Wasser Ich biss in die Koch-banane und schlang sie ohne zu kauen hinunter Mein farbloser Freund sagte etwas und ein Mann der aussah wie ich uumlbersetzte in Wofa Sarpongs Sprache

raquoWie heiszligt dulaquoraquoHassanalaquo sagte ich ohne mir klarzumachen dass

das verwendet werden konnte um mich zu Dogo oder Wofa Sarpong zuruumlckzubringen

raquoWohin willst dulaquoWas sollte ich ihm sagen Ich wusste das Wort fuumlr Blau

nicht Ich konnte nur Wasser sagenDie beiden Maumlnner tauschten sich aus dann ver-

suchte es der Dolmetscher erneutraquoWo ist deine FamilielaquoIch schuumlttelte nur den Kopf Ich hatte keine Lust

daruumlber zu reden Ich schaute auf die Kochbanane und kaute weiter Die Kochbanane war nahezu geschmack-los besaszlig aber eine leichte Suumlszlige sodass ich sie genoss

Im ganzen Dorf waren Leute aus ihren Huumltten ge-kommen wie Ameisen vor heftigem Regen Frauen und

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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Kinder starrten mich an als waumlre ich vom Himmel ge-fallen Ich beschloss einfach nur meine Kochbanane zu essen Anschlieszligend wuumlrde ich mich bedanken und wei-terziehen Eine Frau brachte mir noch eine Schale Darin befand sich Kontomire der knallgruumlne Taroblaumltter-Ein-topf den Wofa Sarpongs Frauen haumlufig kochten Ich hatte nur noch ein fingerlanges Stuumlck Kochbanane also brach ich es in mehrere Teile und tauchte sie in die tief-gruumlne Suppe und leckte mir anschlieszligend die Finger Ich houmlrte ein Kichern Kinder die kleiner waren als ich zeig-ten lachend auf mich Ich bleckte die Zaumlhne und sie rannten kreischend zu ihren Muumlttern Keine Ahnung warum ich das getan hatte Ich tauchte die Finger tief in den Eintopf und schmeckte das frische Palmoumll mit dem er angesetzt worden war die goldbraun angebratenen Zwiebeln die Blaumltter des Taro und den salzigen getrock-neten Tilapia

raquoSie ist unverschaumlmtlaquo houmlrte ich eine der Muumltter sa-gen die houmlrbar nach Luft schnappte

In diesem Moment beschloss ich fuumlr mich zu behal-ten dass ich sie verstehen konnte Ich wuumlrde mich taub stellen und diesen Umstand nutzen um mich satt zu essen Wuumlsste ich erst einmal wo ich gelandet war und wo ich hinmusste wuumlrde ich fortlaufen

Ich leckte mir Palmoumll und Eintopf von den Fingern und wie aus dem Nichts entrang sich mir ein lautes Ruumllpsen Auf einmal wurde mir klar dass ich die Mahl-zeit genossen hatte Entweder die Speisen waren im Gegensatz zu denen bei Wofa Sarpong gut gewuumlrzt ge-

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 24: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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wesen oder aber ich konnte endlich wieder schmecken Mit den beiden Kalebassen erhob ich mich Die zwei farb-losen Maumlnner hatten sich vor einem Gegenstand versammelt der aussah wie eines der Raumlder an Wofa Sarpongs Wagen das man auf Beine gestellt hatte Alles hier war seltsam ndash die Haumluser die Farbe der Menschen ndash doch ich fasste Mut Ich ging zu der Frau die mir den Eintopf gebracht hatte klopfte mit der Rechten in meine Linke und kniete mich hin um ihr meine Dankbarkeit zu erweisen

raquoIst schon gutlaquo erwiderte die Frau nahm die Kalebas-sen und scheuchte mich fort

Der aumlltere farblose Mann kam zuruumlck und teilte den Stoff am Eingang seiner Huumltte Er legte die Haumlnde zu-sammen schmiegte sie an seine Wange und schloss die Augen Schlafen sollte das heiszligen Das war jetzt wirk-lich das Letzte was ich wollte aber ich tat wie befohlen und lieszlig mich in der Stoffhuumltte auf die Matte sinken Ich merkte dass ich meine Machete vergessen hatte Noch bevor ich protestieren konnte uumlbermannte mich der Schlaf und umfing mich mit seinem warmen dunklen Fell

Wir sind am Wasserloch eine schnatternde Maumldchenschar Sie sitzt am Ufer und taucht die Zehen ins Wasser Ich gehe ins Wasser und komme wieder heraus winke ihr zu Komm rein bedeute ich ihr Sie zuckt mit den Schultern Komm beharre ich Sie weigert sich Ein Tanz den wir abwechselnd auffuumlhren bis ich zu ihr wate und sie ins Wasser ziehe Noch beruumlhren ihre Fuumlszlige den Grund des Teiches dann ziehe ich sie

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

29

Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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weiter ins Tiefe Sie faumlllt und schlaumlgt um sich schnappt verzweifelt nach Luft Sie wird vom Wasser verschlungen und verschwindet

Dunkle uumlber mich gebeugte Gestalten weckten mich Ich hatte wie so oft von Husseina getraumlumt aber es war nicht ihr Traum Wenn ich ihre Traumlume erleben wollte war etwas dafuumlr noumltig das ich noch nicht genau benen-nen konnte Ich schuumlttelte meine Schlaumlfrigkeit ab und merkte dass das Gesicht vor mir das von Dogo war Fast haumltte ich laut geschrien Er hielt mir den Mund zu und zerrte mich vor die Huumltte

raquoWarum hast du das getanlaquo fragte erIch sah mich um und versuchte den Blick meines

Freundes zu erhaschen Der starrte Dogo an Was hatte Dogo ihnen erzaumlhlt Warum hatte ich dem Schlaf nach-gegeben Das war sehr dumm von mir gewesen

raquoDu kannst nicht einfach so weglaufen Du gehoumlrst mirlaquo zischte Dogo

Was wenn ich ihn irgendeines Vergehens bezichtigte und behauptete Dogo habe mich so behandelt wie Wofa Sarpong meine Schwester wenn er zu ihr ins Zimmer schlich Dann wuumlrden mich diese Leute vielleicht ver-stehen Ich starrte Dogo mit weit aufgerissenen Augen an Andererseits hatte Wofa Sarpong behauptet wir ge-houmlrten zur Familie und seien nicht seine Sklaven Es war also nicht in Ordnung jemandes Sklave zu sein

raquoNeinlaquo hob ich an raquoNein nein neinlaquo Ich hielt mir die Augen zu und spaumlhte zwischen den Fingern hin-durch

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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raquoLasst mich meine Tochter mitnehmenlaquo sagte DogoraquoIch bin seine Sklavinlaquo rief ich in Wofa Sarpongs SpracheZu meinem Erstaunen machte mein farbloser

Freund ndash der nicht gerade duumlnn war ndash einen Satz nach vorn und ging Dogo an den Kragen wobei er ihn in die Luft hob Dogo versuchte etwas zu erwidern doch die Worte blieben ihm im Halse stecken Der farblose Mann war kleiner als Dogo trotzdem beutelte er den riesigen Mann wie die Puppen mit denen Husseina und ich fruuml-her gespielt hatten Er lieszlig Dogo los

raquoPikin dey lielaquo brachte Dogo schlieszliglich heraus Er wie-derholte es so oft dass es sich mir unausloumlschlich einge-praumlgt hat raquoShe my Pikinlaquo

Das Kind luumlgt hieszlig das wie ich spaumlter erfahren sollte Sie ist mein Kind

raquoVerschwindelaquo rief der farblose Mann und lieszlig wei-tere Beschimpfungen in seiner Sprache auf Dogo herab-regnen

Dogo starrte mich an bevor er sich abwandte und ging Ich sah keine Wut in seinem Gesicht eher Erstau-nen und Traurigkeit uumlber das was ich da gerade getan hatte Mein Herz fuumlhlte sich an wie ausgewrungen Der falsche Mann wurde hier zur Rechenschaft gezogen Nicht Dogo haumltte von dem Farblosen in die Mangel ge-nommen werden sollen sondern Wofa Sarpong Die Maumlnner die mein Dorf niedergebrannt und meine halbe Familie ermordet hatten Aber allein dafuumlr dass Dogo sich mit Wofa Sarpong abgab redete ich mir ein ver-diente er es mich zu verlieren

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 27: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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Ich erfuhr dass der Mann der zu meinem Beschuumltzer geworden war Richard Burtt hieszlig Er wies mir eine eigene Stoffhuumltte zu und weigerte sich mir meine Machete zuruumlckzugeben Trotzdem wusste ich dass er jemanden erwuumlrgen wuumlrde um mir das Leben zu ret-ten Von diesem Tag an folgte ich ihm uumlberallhin Wir aszligen vom selben Teller Ich bestand darauf weil ich nicht von den Dorfbewohnern vergiftet werden wollte die mich misstrauisch beaumlugten Bald merkte ich dass sie ebenfalls auf Richard angewiesen waren ndash seine An-wesenheit schuumltzte sie ndash sodass sie mich weitgehend in Ruhe lieszligen

Jeden Abend wenn ich zum Schlafen in meine Stoff-huumltte ging ndash in mein Zelt wie mich Richard verbes-serte ndash wuumlnschte ich mir dass Husseinas Traum zu-ruumlckkehrte Ich wollte die Augen schlieszligen und mich in der Welt ihrer Traumlume verlieren Ich presste die Li-der zusammen spannte die Kiefermuskeln an zog die Knie an die Brust und wartete auf den Schlaf und seine Macht mich zu entfuumlhren Wenn er dann endlich kam lockerte er meine Anspannung verlangsamte meine Atmung und lullte mich mit seiner warmen Umar-mung ein Doch die Traumlume die sich einstellten waren nicht ihre Traumlume ndash es waren Traumlume die von der Ver-gangenheit handelten

Oft wachte ich mitten in der Nacht auf und verlieszlig mein Zelt Jede Nacht hielt jemand anderes Wache im Dorf Nie einer von Richards Leuten Immer solche mit meiner Hautfarbe Richard erklaumlrte mir dass Leute mit

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

32

Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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meiner Haut raquoSchwarzelaquo genannt wuumlrden und diejeni-gen mit farbloser Haut raquoWeiszligelaquo Ich sah das anders da meine Haut eher rot als schwarz war und die Leute in diesem Teil von Kintampo waren dunkelbraun Diejeni-gen wiederum die raquoWeiszligelaquo genannt wurden waren fuumlr mich rosa Als ich ihm das sagte lachte er

Von Richard lernte ich Dinge die mir sicherlich dabei helfen wuumlrden Husseina zu finden Richard war an der sogenannten raquoGoldkuumlstelaquo gewesen um Pflanzen zu er-forschen herauszufinden mit welchen man Krankhei-ten behandeln kann All seine Erkenntnisse wollte er in einem Buch festhalten und wenn ich ihm folgte hielt ich eine Kiste mit Faumlchern in die er seine Blattproben warf Ich lernte die Pflanzennamen auf Twi und Begriffe die laut Richard wissenschaftlich waren Ich lernte die Namen auf Englisch in seiner Sprache Er half mir dabei meine Bohnen einzupflanzen die in wenigen Tagen keimten Ich kam mir vor als haumltte ich Leben hervor-gebracht Er hatte seine Frau und seine zwei Toumlchter in einem Land namens Groszligbritannien zuruumlckgelassen um diesem Land zu dienen Es war nobel was er da tat ndash sich freiwillig von seiner Familie zu trennen Meine Trennung von Aminah war anders verlaufen ndash ich musste unbedingt Husseina wiederfinden

Waumlhrend des Nachmittagsschlafs wenn es im gesam-ten Gehoumlft still wurde blieb ich oft auf und betrachtete den Winkel in dem die beiden Stoffbahnen die mein Zelt formten aufeinandertrafen Oder aber ich ging nach drauszligen und schaute nach meinen Bohnensetz-

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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lingen Dann wiederholte ich alles was ich gelernt hatte wiederholte die Worte damit sie mir so uumlber die Zunge kamen als waumlre ich mit ihnen geboren worden

raquoDas gehoumlrt sich nichtlaquo sagte mir eines Nachmittags eine Frau als ich gerade die erste Schote beruumlhrte die meine Pflanze hervorgebracht hatte Sie hieszlig MarsquoAdjoa und hatte mir an meinem ersten Tag hier Essen gebracht

raquoDu bist ein Maumldchen und er ist ein Mann Du setzt dich schlimmen Gefahren aus Komm bleib bei mirlaquo

Die kleinen Kinder sangen oft MarsquoAdjoa habe die Kinder in ihrem Bauch gefressen Ich hatte Angst es koumlnnte wahr sein spuumlrte aber auch Mitleid Es war nicht richtig dass eine Person vom ganzen Dorf verurteilt wurde deshalb dankte ich ihr aszlig mit ihr zu Mittag und mit Richard zu Abend Trotzdem schlief ich weiterhin in meinem Zelt

Etwa drei Monde nachdem mich Richard adoptiert hatte saszlig ich vor dem Zelt Er hatte Buchstaben in den Sand gekritzelt griff zu dem Stock den er benutzte wenn er in den Wald ging um nach Pflanzen zu suchen und zeigte damit auf den ersten Buchstaben C

raquoKlaquo sagte ich lautZum naumlchsten sagte ich raquoAhlaquo und schlieszliglich raquoTelaquoraquoUnd jetzt alle zusammenlaquo forderte mich Richard

aufraquoCatlaquoEr schrieb ein weiteres Wort Ich hatte zu kaumlmpfen

konnte aber raquoDoglaquo und raquoAntlaquo lesen

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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Richard lieszlig seinen Stock fallen klatschte laut hob mich in die Luft und sagte raquoSchlaues Maumldchenlaquo

Ich war so stolz auf mich Trotzdem hatte ich keine Ahnung was ich da gelesen hatte

raquoWir muumlssen dir Buumlcher aus Accra kommen lassenlaquo sagte er raquoIch werde es dem Naumlchsten der herkommt auftragenlaquo

Es gefiel mir Richards Englisch zu lernen Boten brachten die Buumlcher die Richard fuumlr mich bestellt hatte Auch die Buumlcher bestanden aus einem ganz empfind-lichen Stoff Als ich das erste Mal eines anfasste zog ich zu fest daran sodass er riss

raquoBehandle es wie ein rohes Eilaquo erklaumlrte mir RichardIch houmlrte ihm zu und bewachte meine Buumlcher so ei-

fersuumlchtig wie eine Glucke Das nahm solche Ausmaszlige an dass ich anderen Kindern aus dem Dorf die meine Buumlcher anfassen wollten mit Richards Stock auf die Finger schlug Wenn ich schon nicht vorsichtig genug gewesen war ndash wie wuumlrden dann erst diese ungebildeten Kinder damit umgehen Richard nannte mich raquoBuch-huumlterinlaquo

Kwasidas Sonntage wurden zu meinen Lieblings-tagen Es gab noch einen Weiszligen den wir Osofopapa nannten und Richard Priester Der machte morgens die Runde und schlug auf eine umgedrehte Metallschale um Kinder und Erwachsene um sich herum zu versam-meln Als ich das erste Mal mitmachte ging ich deswe-gen hin weil Richard meinte ich wuumlrde von einem Gott erfahren der gut sei

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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raquoWer ist dein Gottlaquo fragte ichraquoDer Schoumlpfer allen Lebens Er ist der Grund warum

wir atmen warum es Tiere Pflanzen Fluumlsse und Waumllder gibt Er ist hier und dort und uumlberalllaquo

Sein Gott und Otienu schienen sich zu aumlhneln Ich hatte viele Fragen an Otienu Warum er zulieszlig dass mei-ner Familie so viel Schlimmes passierte Aber ich war mir sicher dass wir Otienu in Botu zuruumlckgelassen hatten und darin unterschied er sich von Richards Gott ndash er war nicht hier und dort und uumlberall Ich wollte wissen ob dieser gute Gott meine Fragen beantworten konnte

An diesem ersten Tag hatte Osofopapa ein dickes Buch dabei dicker als alle die Richard mir gegeben hatte und er sprach uumlberwiegend Twi weshalb mir ei-nige Teile der Geschichte unklar blieben Ich erfuhr dass es vor Beginn der Welt keine Farben keine Geraumlusche keinen Geschmack keine Formen und keinen Geruch gab Es gab nichts als Dunkelheit bis ihr Gott sagte raquoEs werde Lichtlaquo Anschlieszligend formte er aus Lehm den Menschen Diese Botschaft sprach mich nicht besonders an fast waumlre ich am zweiten Kwasida nicht mehr hinge-gangen weil wir gar nicht dazu kamen Osofopapa Fra-gen zu stellen Auszligerdem konnte ich einfach Richard fragen der nicht so streng wirkte wie Osofopapa mit sei-nem weiszligen Kragen und dem weiszligen Haar Aber es war gut dass ich hinging Man koumlnnte meinen Osofopapa haumltte gewusst dass er eine Geschichte erzaumlhlen musste um meine Aufmerksamkeit zu fesseln Zunaumlchst begann er von Ntaafuo zu reden und ich wusste nicht was er

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

Page 32: Tiefe Wasser zwischen uns Roman

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meinte bis er sagte eine Frau namens Rebecca habe zwei Babys gehabt die sich den Mutterleib streitig gemacht haumltten Ich wuumlnschte mir dass ich besser Twi spraumlche um die ganze Geschichte zu verstehen Aus den beiden Jungen wurden zwei Laumlnder Einer wurde rot geboren der andere klammerte sich an die Ferse des Bruders Yakubu und Esau Ich bekam Herzklopfen In Botu wa-ren wir die einzigen Zwillinge gewesen die ich kannte Seitdem war ich keinen anderen Zwillingen begegnet Als er sagte dass sie getrennt werden wuumlrden wollte ich aufspringen und schreien raquoGenau das ist mit Husseina und mir auch passiert Haben sie wieder zusammengefundenlaquo Ich musste sehr laute Geraumlusche von mir gegeben haben weil mich ploumltzlich alle ansahen Mein Blick huschte von links nach rechts und blieb dann an Osofopapa haumlngen Die wussten ja nicht wie wichtig das war

raquoDie Bruumlder haben staumlndig gestrittenlaquo erzaumlhlte Osofopapa raquoIhre Laumlnder fuumlhrten Krieg gegeneinanderlaquo

Wir stritten auch manchmal aber das war nicht ty-pisch fuumlr unsere Beziehung Ich beschuumltzte Husseina

Unsere Oma sagte ich sei zuerst zur Welt gekommen und habe so laut gebruumlllt dass man mir den Mund habe zuhalten muumlssen Sie erzaumlhlte auch dass sie Kraumluter vor-bereitet haumltten um Na zu reinigen Doch kurz bevor sie heiszliges Wasser aufgesetzt haumltten sei ein weiteres Baby herausgeflutscht Es war so leise dass sie es fuumlr tot hiel-ten Erst als meine Groszligmutter sie zwickte gab meine Schwester einen leisen Schrei von sich

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